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Münster will das Cannabis Modellprojekt

Antrag auf Cannabisstudie an die BfArM gestellt

von Robert Brungert

Cannabis steht im BtMG und ist damit für den Anbau oder ab einem Gehalt von über 0,2% THC genehmigungspflichtig. Seit März 2017 hat sich das BtMG an dieser Stelle etwas geändert. Patienten, denen ein Arzt ein entsprechendes BtM Rezept ausgestellt hat, können in Apotheken Cannabis erwerben. Wer ohne Genehmigung in Deutschland Cannabis konsumiert oder Hanf anbaut, macht begeht Ordnungswidrigkeit und macht sich strafbar. Gerade diesem Umstand ist es zu verdanken, dass auch die deutsche Cannabisforschung komplizierter als andere ist. Die Stadt Münster scheut jedoch keine Mühen und hat im Stadtrat am 16.09.2015 gegen die Stimmen der CDU und AfD beschlossen, dass ein „Antrag auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz“ an die dafür zuständige BfArM, Ende Juli Anfang August 2017, gestellt wurde.

Es soll hier noch in aller Deutlichkeit erklärt werden, dass weder die Probanden, noch die Kontrollgruppe zum Konsum von Marihuana oder Straftaten, wie dem illegalen Erwerb, aufgefordert werden. Die Probanden werden einen legalen Zugang erhalten, diesen jedoch nicht nutzen müssen. Es werden für diese Studie wahrscheinlich Probanden bevorzugt, die wirklich auch Marihuana konsumieren möchten. Gefällt es ihnen nicht, können sie damit aber direkt wieder aufhören. Die Kontrollgruppe soll natürlich nicht auf dem Schwarzmarkt kaufen, womit sie sich durch den Erwerb und Besitz strafbar machen würde, sowie die gesundheitlichen Folgen einer möglicherweise gestreckten Qualität nicht absehbar wären. Allein der Gedanke, Teilnehmer einer seriösen Studie zu Straftaten aufzufordern, ist völlig absurd. Die Kontrollgruppe dient als Vergleichsgruppe. Wenn Daten über die Probanden erhoben werden, muss es immerhin auch Daten geben, mit denen diese verglichen werden können. Deswegen wird auf die Kontrollgruppe nicht verzichtet.

Im Dezember 2016 gab es eine Fachkonferenz, um mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion das Thema an die Bürger heranzutragen. Für diese Fachkonferenz wurden bereits viele sehr wertvolle Kontakte geknüpft. Prof. Lorenz Böllinger als Prof. em. für Strafrecht und Kriminologie, Prof. Martin Smollich als potenzieller Studienleiter, Dr. Jutta Settelmayer aus der Suchtambulanz der LWL Klinik, Hubert Wimber als ehemaliger Polizeipräsident, Dr. Hallmann der ginko Stiftung und auch Dr. Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen haben mit ihren Vorträgen aus verschiedenen Blickwinkeln geschildert, dass Marihuana durchaus nicht unbedenklich ist, man es jedoch nicht mit einem Totalverbot unter Strafandrohung aus der Gesellschaft verbannen müsse. Genau dieser Versuch, durch Cannabisverbote Schaden von der Gesellschaft abzuhalten, hat sich leider in das Gegenteil gekehrt: Es wird nicht weniger, aber durch die Kriminalisierung bedenklicher konsumiert.

Bei diesem Konsum setzt das geplante Modellprojekt in Münster an: Es geht nicht darum, die wirtschaftlichen Aspekte, sondern die Auswirkungen der legalen Verfügbarkeit auf die Probanden zu untersuchen.

Nach dieser Fachtagung wurde ein Konzept für die Cannabisstudie erarbeitet. In den Entwürfen war davon die Rede, bis maximal 28 Gramm Marihuana pro Woche an die Probanden abzugeben, da diese Menge auch der Wert für die Höchstabgabe in Colorado sei. Das Marihuana wird in der Cannabisstudie deswegen kostenlos an die Probanden abgegeben, da es sich nicht um ein Coffeeshop Modellprojekt, sondern um eine ganz normale Studie handelt. Es geht nicht darum, die wirtschaftlichen Aspekte, sondern die Auswirkungen der legalen Verfügbarkeit auf die Probanden zu untersuchen. Selbst wenn pro Gramm derzeit 10 Euro oder sogar mehr angesetzt werden könnten, wäre das wieder hinfällig, wenn nach der Legalisierung ganz andere Preise berechnet werden würden oder der Eigenanbau möglich wäre. Möglicherweise möchte die Stadt Münster auch einfach nicht als die „Drogendealer-Stadt“ hingestellt werden, die Marihuana an die Bürger verkauft, „um sich zu bereichern“.

Das hört sich erst einmal wild an, denn 28 Gramm Marihuana von guter Qualität schaffen auch viele gewohnte Konsumenten bei Weitem nicht in einer Woche. In der Cannabisstudie werden jedoch nach Zufallsverfahren einfach Bürger aus Münster telefonisch kontaktiert, um ein Interesse an der Teilnahme zum Cannabis Modellprojekt zu erfragen. Wenn das Interesse vorhanden ist, gibt es zuerst Vorgespräche, um Risikogruppen direkt auszumustern. Es sollen nur körperlich und geistig gesunde Menschen zwischen 21 bis 63 Jahren, ab einem Körpergewicht von 50 Kilo teilnehmen. Frauen werden ausgeschlossen, sobald eine Schwangerschaft festgestellt wird. Es wird zum einen 100 Probanden und zum anderen eine gleich große Kontrollgruppe geben. In den Vorgesprächen weiß also noch keiner, ob er letztendlich wirklich kostenloses Marihuana erhält. Für diese anvisierte Personengruppe wären bis zu 28 Gramm Marihuana pro Woche wirklich viel zu viel. Einige Probanden wären zumindest in den ersten Wochen dazu geneigt, wegen der kostenlosen Verfügbarkeit mehr zu konsumieren, als sie es sonst vielleicht tun würden. Da das das Ergebnis der Studie verfälschen könnte, wurde die maximale Menge auf zwei Gramm reduziert.

In den ersten beiden Wochen wird nur ein Gramm abgegeben. Jeder Proband erhält also maximal rund 100 Gramm auf ein Jahr verteilt. Wird nicht alles verbraucht, muss es wieder abgegeben werden. Neben der Möglichkeit der wöchentlichen Abholung von bis zu zwei Gramm Marihuana stehen gelegentliche Drogenscreenings, Gespräche und Fragebögen auf dem Programm. Alle Daten werden anonymisiert ausgewertet.

Wirklich gratis ist das Marihuana also nicht, da die Probanden eine reale Gegenleistung erbringen müssen. Die Personen in der Kontrollgruppe werden weit weniger Aufwand mit der Cannabisstudie haben und auch kein Placebo erhalten.

Der Sinn und Zweck dieser Forschungsarbeit liegt in der Beobachtung der Auswirkungen vom legalen Zugang zu Marihuana auf die Bürger. Die gewissenhaft ausgewählten Probanden können sich Cannabis in geprüfter Qualität beschaffen und konsumieren, ohne das sie Angst vor der Staatsgewalt haben müssen.

Wie ist es denn für uns als Bürger und was macht es mit uns, wenn wir einen legalen Zugang zu Marihuana haben?

Geht ein Teil der negativen Konsumfolgen gar nicht auf das Kraut, sondern auf dessen Verbot zurück? Werden die Probanden durch eine legale Verfügbarkeit gesundheitlich, sowie im sozialen Leben profitieren, vielleicht weniger Alkohol trinken und weniger Medikamente nehmen?

Was denken die Probanden vor und nach der Studie über dieses bereits alltägliche Genussmittel? Wenn diese Probanden Vorerfahrungen haben, kann erfragt werden, was denn für sie der Unterschied zwischen der illegalen und legalen Beschaffung, Qualität oder allgemeinen Situation ist.

Wenn die BfArM den „Antrag auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz“ der Stadt Münster genehmigt, werden wir nach der Versuchszeit von einem Jahr die hoffentlich unverfälschten Antworten haben.

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