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Wie nah sind wir an der Legalisierung?
Text Dieter Klaus Glasmann
In vielen Bereichen der Industrie und der Politik gilt Deutschland als fortschrittliche Nation. Doch das empfindet nicht jeder so. Als Cannabiskonsument oder Hanffreund bekommt man vielmehr den Eindruck, als wären die Entscheidungsträger im globalen Vergleich weit hinter dem Rest der Welt zurückgeblieben. Es macht auch nicht den Anschein, als ob man bemüht wäre, mit den Entwicklungen in anderen Ländern Schritt zu halten. Den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen trotzt die deutsche Politik beharrlich, indem sie ihr weiterhin veraltete Ideologien entgegenhält. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass sich nichts bewegt. Wenn man einschätzen möchte, wo Deutschland in Puncto Legalisierung steht und wann wir vielleicht mit progressiven Reformen rechnen können, dann muss man auch internationale Entwicklungen berücksichtigen.
Hoffnung auf eine baldige Wende in der Cannabispolitik verschafft einem am ehesten der Blick über den großen Teich. In Mexiko ist die Legalisierung mittlerweile beschlossene Sache. Zwar ist seit dem Urteil des obersten Gerichtshofs, in welchem das Cannabisverbot für verfassungswidrig konstatiert wurde, auch schon eine Menge Zeit ins Land gegangen, doch nun endlich scheint die Reform für das kommende Jahr festzustehen. Auch beim Nachbarn macht man Fortschritte. Bei den Präsidentschaftswahlen Anfang November haben vier weitere Bundesstaaten der USA durch Volksabstimmung die Entscheidung für den legalen Besitz und Handel von Cannabis als Genussmittel getroffen, Arizona, New Jersey, South Dakota und Montana. Etwa 18,7 Millionen Menschen bekommen also künftig die Möglichkeit, legal Cannabis zu gebrauchen. Insgesamt ist Cannabis im kommenden Jahr dann für ca. 111 Millionen US-Amerikaner legal. Die beschlossenen Reformen der Bundesstaaten im Überblick:
Arizona
Das neue Gesetz in Arizona entspricht den typischen Entwürfen, wie wir sie aus anderen Bundesstaaten kennen. 59,8 Prozent der Stimmen legalisieren Cannabis im Grand Canyon State. Ab einem Alter von 21 Jahren darf man künftig bis zu einer Unze (28,35 Gramm) Marihuana besitzen. Im Einzelhandel wird Cannabis mit 16 Prozent besteuert werden. Diese Steuern sollen Projekte der Bildung fördern und zur Finanzierung von Sicherheitsprogrammen verwendet werden. Bis zu sechs Pflanzen darf jeder Erwachsene zu nicht kommerziellen Zwecken kultivieren. Wer in der Vergangenheit in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist wegen eines Deliktes, das fortan keine strafbare Handlung mehr darstellt, der kann die Löschung der Daten im Strafregister beantragen.
Montana
Der in der Abstimmung erfolgreiche Gesetzentwurf in Montana ist für den Konsumenten sehr ähnlich wie in Arizona. Das Mindestalter für den legalen Umgang mit Cannabis wird 21 sein und eine Unze ist auch im Treasure State die Menge, die man besitzen darf. Beim Eigenanbau sind die Regeln etwas anders. Bis zu vier reife Pflanzen darf man für den persönlichen Bedarf halten. Für den Handel soll es Lizenzen geben. Schon am 1. Januar 2021 soll das neue Gesetz in Kraft treten.
New Jersey
Im Garden State New Jersey gab es schon in den letzten Jahren starke Bemühungen, Cannabis zu legalisieren. Man scheiterte letztlich immer wieder an Details im Gesetzentwurf. Mit der Volksabstimmung hat man nun endlich beschlossen, dass der Besitz, die Herstellung und der Handel mit Cannabis legal möglich sein soll. Details stehen auch jetzt noch nicht endgültig fest, aber der Weg ist zumindest einmal frei. Und auch in New Jersey soll das Mindestalter für den Gebrauch von Cannabis 21 Jahre sein.
South Dakota
Bis vor der Wahl und der Volksabstimmung war South Dakota eher bei den Bundesstaaten mit einer konservativen Cannabispolitik anzusiedeln. Hier haben die Bürger mit ihren Stimmen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie befürworteten zum einen die Initiative für ein Cannabis-als-Medizin-Programm. Zum anderen hat der Mount Rushmore State die Legalisierung als Genussmittel beschlossen. Die legale Menge für den Eigenbedarf wird auch hier eine Unze sein und bis zu drei Pflanzen sind für den Eigenanbau gestattet. Insbesondere für den medizinischen Bedarf soll es bald staatlich regulierte Einzelhandelsstrukturen geben. South Dakota hat mit dem Volksentscheid Geschichte geschrieben, da der Bundesstaat der erste ist, der von einem kompletten Verbot ausgehend Cannabis gleichzeitig medizinisch und als Genussmittel legalisiert.
Mississippi
Im Magnolia State Mississippi wird Cannabis zwar nicht wirklich legalisiert, doch auch hier haben die Bürger eine Initiative unterstützt, die in die richtige Richtung geht. Es soll künftig Cannabis als Medizin für Patienten geben. Der konservative, republikanisch regierte Bundesstaat wird in den kommenden Monaten Vorbereitungen treffen, dass ein umfassendes Versorgungssystem für Medizinalhanf aufgebaut wird. Zum 15. August 2021 will man soweit sein, dass man die ersten Lizenzen für den Handel erteilen kann.
Mit den zusätzlichen Bundesstaaten, die Cannabis legalisieren, wächst natürlich auch der Druck auf die US-Regierung und ihren nächsten Präsidenten, Joe Biden, dass auf Bundesebene progressive Cannabispolitik gemacht werden soll. Da Biden kein Hanf-Gegner ist und seine Vize-Präsidentin Kamala Harris sogar eine Befürworterin der Legalisierung, wird es nach dem Machtwechsel in Washington wohl nicht lange dauern, bis es zu diesem Thema Neuigkeiten geben wird.
Die Legalisierungsdebatte im Bundestag
Die jüngste Legalisierungsdebatte im Bundestag liegt nur kurze Zeit zurück, und kaum ein Legalisierungsbefüworter wird sie als Erfolg in Erinnerung behalten. Wenn man den Diskussionsverlauf aber einmal genau betrachtet, dann lässt sich eine positive Tendenz feststellen. Die AfD ist natürlich gegen jede progressive Reform der Cannabispolitik, Lockerungen sind mit dieser Fraktion nicht zu machen. Unter den Legalisierungsbefürwortern sind zunächst einmal die üblichen Parteien zu finden, Grüne und Linke. Auch die FDP vertritt seit geraumer Zeit eine Art Pro-Cannabis-Haltung. Ganz konsequent steht man aber nicht hinter der Legalisierung, die Anträge anderer Parteien lehnen die Liberalen bisher ab. Die Sozialdemokraten sind inhaltlich eigentlich schon auf einem guten Weg, so scheint es immer wieder durch. Doch wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, dann fügt man sich dem Koalitionspartner und stimmt gegen Legalisierungsinitiativen. In der Union zeichnet sich allmählich ein Aufweichen verhärteter Positionen ab. Die Redner, die die CDU/CSU Fraktion bei der Cannabisdebatte vertreten, stehen nicht mehr mit der gleichen Vehemenz und Leidenschaft für die Verbotspolitik ein, wie wir es noch aus vergangenen Debatten kennen. Demotiviert wurden einige Argumente gegen die Legalisierung von Zetteln abgelesen, und der eine oder andere spricht sich sogar immerhin für die vernünftige Regulierung von CBD aus.
Prognosen für die nächsten Monate
Der nordamerikanische Kontinent wird Cannabis sehr wahrscheinlich bald größtenteils legalisiert haben. Spätestens wenn die USA eine nationale Reform beschließen, dürfte das einen Domino-Effekt zur Folge haben. Die Unterzeichner der Single Convention of Narcotic Drugs von 1961 tun sich natürlich etwas schwer damit, entgegen der internationalen Verträge Cannabis zu legalisieren. Wenn aber immer mehr Länder, und bald vielleicht die USA als einer der Haupt-Initiatoren des weltweiten Cannabisverbots, es doch tun, Fallen auch bei anderen die Skrupel. In Europa braucht es vermutlich ein zwei Pionier-Nationen, die eine Reform mit Regulierung eines legalen Marktes umsetzen, dann wird der Rest der Europäischen Union bald folgen. Entscheidend werden selbstverständlich auch die nächsten Bundestagswahlen in Deutschland sein. Allem Anschein nach wird es darauf hinauslaufen, dass es wieder eine Unions-Koalitionsregierung geben wird. Wenn die potenziellen Koalitionspartner beim Thema Cannabis hartnäckig bleiben und ihre Legalisierungsforderungen durchsetzen können, wäre das natürlich großartig. Leider messen viele Parteien dem aber immer nur geringe Bedeutung bei, so dass der Punkt in den Koalitionsverhandlungen gern weg-verhandelt wird.