4 minute read

Seine Majestät, der Kunde? Negatives Konsumentenverhalten ist ein bekanntes, aber zunehmendes Problem

Das wenig „königliche“ Verhalten der Kunden und dessen Auswirkungen – kurzum das negative Verhalten von Verbrauchern wird immer mehr zur Herausforderung und hat signifikante Auswirkungen auf die Akteure im Handel. Wie „Möchtegern-Könige“ in die Schranken gewiesen werden, ohne sie an die Konkurrenz zu verlieren.

„Die Kundin/der Kunde ist Königin bzw. König“ lautet ein vielzitierter Satz im Handel. Aber benimmt sie/er sich auch so? Eine aktuelle Kurzstudie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz beleuchtet das schon lange brodelnde Problem im Einzelhandel, aber auch in anderen Sektoren der Dienstleistung.

Es geht um gängige Praktiken vom ungerechtfertigten Retournieren von Waren über verbale Aggressivität gegenüber Mitarbeitern bis hin zu Beschädigungen oder sogar Vandalismus. Negatives Konsumentenverhalten ist ein bekanntes, aber zunehmendes Problem.

Verschärfung durch Pandemie

Die Studie mit dem Titel „Das wenig königliche Verhalten der Kunden und dessen Auswirkungen“ zeigt nicht nur Fälle beim Einkaufen auf. So vermelden etwa die Österreichischen Bundesbahnen eine Zunahme der tätlichen Angriffe auf Bedienstete, der Flughafen Wien startet eine Kampagne gegen aggressive Gäste.

Von der allgemein akzeptierten Norm abweichendes, negatives Verhalten der Konsumenten ist keine neue Erscheinung, tritt jedoch seit der Covid-Pandemie bzw. insbesondere seit der „Teuerungskrise“ immer häufiger auf – mit entsprechend negativen Folgen für den stationären Einzelhandel.

Zu den einzelnen Ergebnissen der Uni-Studie: 34 Prozent der Österreicher (ab 18 Jahre) haben bei ihren Einkäufen seit der Ukraine-Krise (mit der einhergehend steigenden Inflation) häufiger negatives Verhalten bei anderen Konsumenten beobachtet als davor. Dieses Verhalten richtet sich gegen Einzelhandelsmitarbeiter, andere Kunden und Produkte/Geschäfte.

Zielscheibe Mitarbeiter

Für Mitarbeiter im stationären Einzelhandel stellt schlechtes Benehmen der Konsumenten eine Zusatzbelastung dar. Dies reicht vom harmlosen Unverständnis bei Nichtverfügbarkeit von Waren und geht bis zu Beschimpfungen und Drohungen. 36 Prozent beobachten beim Einkaufen, dass Konsumenten manchmal bis öfters/immer ihre (negativen) Emotionen bei den Mitarbeitern im Geschäft abladen. 59 Prozent finden, dass sich Kunden ungerechtfertigterweise bei Verkäufern beschweren. Speziell persönliche Angriffe

Kontrollieren und überwachen

Die bekannten Onlinegiganten im Handel wissen viel über ihre Kunden. Apropos Privacy und Überwachung: Amazon hat aktuell Ärger in seinen Go Stores, also die amerikanische Supermarktkette des US-Konzerns Amazon, deren Geschäfte ohne Registrierkassen oder Selbstbedienungskassen auskommen. Mittels Kamera-Überwachung ermöglichen die Go Stores das kassenlose Einkaufen.

Nun ist das Unternehmen deshalb in New York verklagt worden. Der Vorwurf: Der Onlinegigant erfasst biometrische Daten wie Körperprofile und Scans der Hände, ohne Kunden darüber zu informieren. Na ja, was führen zu steigender emotionaler Belastung der Handelsangestellten und dies wiederum zu Demotivation und in letzter Konsequenz zu erhöhten Krankenständen sowie Job- und Berufswechsel.

Zielscheibe Kunden soll’s: Oft beklagen wir uns, dass Menschen in unserm Umfeld so neugierig sind und alles von uns wissen wollen, ohne dabei zu merken, dass andere bereits vieles und immer mehr über uns wissen.

39 Prozent der Konsumenten fühlen sich manchmal/öfters von anderen Kunden beim Einkauf gestört und schreckt diese ab. Dies reicht vom ungeduldigen Einmischen in Verkaufsgespräche, über den Streit um das letzte verfügbare Produkt bis hin zum Vordrängeln an der Kasse. 42 Prozent der Konsumenten beobachten manchmal bis häufig unfreundliches Verhalten gegenüber anderen Kunden und 26 Prozent sogar Streitigkeiten. Die Folgen sind Unzufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis im Geschäft bis hin zur Abwanderung in den Onlinehandel.

Mauro Stoffella, Bereichsleiter Kommunikation mstoffella@hds-bz.it

Zielscheibe Produkte/Geschäfte

39 Prozent der Konsumenten berichten hingegen sogar von Beschädigungen in Geschäften. Ein weit verbreitetes Phänomen ist, Produkte aus dem Regal zu nehmen und bei Nichtkauf irgendwo im Geschäft abzustellen. Das beobachten 75 Prozent manchmal/öfters bei ihren Einkäufen. 42 Prozent stellen immer wieder fest, dass (einwandfreie) Produkte nach Nutzung unrechtmäßig wieder retourniert werden. 39 Prozent berichten sogar von Beschädigungen von Einrichtungen und Waren im Geschäft, was im Einzelhandel Zusatzkosten verursacht.

Klare Resümees

Welche Schlüsse ziehen die Verantwortlichen der Studie? Eines ist klar: Abweichendes Konsumentenverhalten verursacht Kosten. Einerseits entstehen Kosten durch Beschädigungen von Waren oder beim unrechtmäßigen Retournieren (einwandfreier) Produkte. Indirekte Kosten fallen an durch Überforderungen, Frustrationen, Depressionen, Krankenstände und in Extremfällen Kündigungen der Handelsangestellten, was gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels eine zentrale Problematik darstellt. Andererseits entstehen finanzielle Verluste durch das Ausbleiben von Kunden, die abweichendes Verhalten in Geschäften miterlebt haben bzw. durch das Abwandern von Konsumenten ins Internet, so die Autoren.

„Knigge“ für Kunden?

Zudem stellt sich hier die Frage: Braucht es eine „Knigge“ für Konsumenten? Ist das die Lösung? Laut den Experten könnte ein „Benimm-Dich-Buch offensichtliche Proble- me beseitigen. Aber es ginge im Grunde viel einfacher – und zwar mit Menschlichkeit, Fairness, Empathie, Wertschätzung, Höflichkeit und Ehrlichkeit gegenüber jenen, die tagtäglich mit Kunden konfrontiert sind. Auch das Management im Handel sollte hier selbstbewusst auftreten, nicht alles durchgehen lassen und Mitarbeiter so weit wie möglich schützen. Denn durch negatives Kundenverhalten wird der Einzelhandel als Arbeitgeber unattraktiver.

Vertrauen aufbauen

Ein zentrales Element für den Einzelhandel, aber auch für andere Bereiche wie Gastronomie und Dienstleistungen ist der Aufbau von Vertrauen – sowohl gegenüber Mitarbeitern als auch gegenüber Konsumenten. Denn Vertrauen federt die negativen Effekte von problematischen Verhaltensweisen einzelner Kunden beim Einkauf ab. Dies gelingt sowohl durch Vorbereitung der Verkäufer auf unerwünschtes Verhalten als auch durch präventive Maßnahmen auf Kundenseite.

Unter Menschen

Das besondere Kauferlebnis im Geschäft wird wettbewerbsentscheidend. Stationäre Händler sind demnach gut beraten, nicht nur in neueste Technologien und ein angesagtes Design zu investieren, sondern auch den Servicegedanken nicht aus den Augen zu verlieren. Gerade bei der Kernkompetenz des stationären Handels, dem direkten Kontakt zum Kunden und seiner persönlichen Beratung, ist dauernd hoher Handlungsbedarf gefragt. mstoffella@hds-bz.it

Die Kunden messen dem stationären Handel nach wie vor große Bedeutung bei, weil sie Produkte erleben, also fühlen, sehen oder vor Ort ausprobieren möchten, weil sie sich inspirieren und persönlich von qualifizierten Fachpersonen beraten lassen möchten – ein Beweis mehr, dass trotz aller Digitalisierung in der Einkaufswelt der Mensch mit seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Begabungen noch im Vordergrund steht. Denn eine gewinnbringende und nachhaltige Kundenbeziehung gelingt nur unter Menschen.

This article is from: