Headliner #063

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Freitag, 6. November 2009 – Nr. 217/17. Jg.

DIE NEUE SÜDTIROLER

Tageszeitung > Redaktion Tageszeitung Headliner: redaktion.headliner@gmx.com – Tel. 329/5913560

Samba Foto: rhd

für die Alpen

von Reinhold Giovanett

ais Uma ist als Formation im 13. Lebensjahr, hat aber mit So Do Samba und Mehrdruck zwei Vorgängerformationen, in denen Ingrid Wild mit ihren Mitmusikerinnen und musikern versucht hat, „den Tirolern Samba näher zu bringen“. Mais Uma haben bereits zwei CDs produziert und treffen sich jede Woche in Innsbruck zur Probe. Die Formation ist inzwischen auf die Zahl 11 angewachsen, wobei immer wieder Gastmusiker/-musikerinnen hinzu genommen werden, wie etwa der Jazz-Saxofonist Florian Bramböck auf dem jüngsten Album „Karamellen töten nicht“, das letztes Jahr erschienen ist. Ingrid Wild hat afro-kubanische Perkussionen an der Latin-Percussion-School in München studiert, zu einer Zeit, als in Innsbruck „die ganze Latin-Geschichte noch nicht so richtig eingefahren war. LatinJazz, was mich damals interessiert hätte, wurde belächelt. Jazz war etwas ernsthaftes und Latin viel zu

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Ingrid Wild und Mais Uma banal.“ Wild fügt hinzu, dass sie als Musikerin zu wenig Jobs bekommen hat und führt das darauf zurück, dass sie als Frau nicht auf jene Netzwerke zurückgreifen konnte, die den Männern zur Verfügung stehen. Zwar dachte sie daran nach Wien oder Berlin zu ziehen, zwei Städte, die sie damals gereizt hätten, aber sie blieb in Tirol: „Ich habe es irgendwie nicht geschafft wegzugehen, bin jetzt immer noch in Innsbruck und habe mich aber ziemlich gut mit der Situation abgefunden.“ Wild sieht sich weder als Songwriterin noch als Komponistin: „Ich würde mich eigentlich als Bastlerin bezeichnen, schreibe Texte zu bereits bestehenden Melodien, fange aber auch an, in kompositorischer Hinsicht etwas zu machen.“ In der Livesituation entwickelt Mais Uma eine beträchtliche Energie und wer sich in musikalischer Hinsicht vor allem mit dem in der

Rockmusik gängigen 4/4 ernährt, stellt staunenden Auges komplexe Rhythmusstrukturen fest, ein sich verschiebender, sich ständig bewegender rhythmischer Fluss, der von zehn, zwölf Instrumenten erzeugt wird. Ingrid Wild hält den Ball aber flach und verweist auf die Grundtugenden des Samba: „Dieses Samba ist konzipiert für große Gruppen und ist eigentlich etwas proletarisches. Die Instrumente sind im Prinzip billig und es geht hier wirklich um ein Wir! Das ist diese Samba-Idee, die mir so gut gefällt. Es geht nicht um das Solistische wie in unserer Musik, sondern es geht darum, im Kollektiv das seine oder das ihre zu machen.“ Mais Uma sind eine Band, die in erster Linie mit Perkussionen arbeitet, aber mittlerweile auch der E-Gitarre, dem E-Bass, dem Saxofon und dem Akkordeon Platz lässt. Das heißt, die musikalische Entwicklung ist offen, die Iden-

tität der Band wird nicht durch das Samba-Klischee definiert. Wild: „Ich wollte nie eine Brasilianerin werden und auch wenn ich es gerne anders hätte, so kann ich nur ein paar Wörter brasilianisch. Es war für mich klar, dass ich in dieser Musik auch meine Identität finden musste. Und so habe ich angefangen aus dem ‚Girl from Ipanema’ die ‚Margareth vom HuberBauer’ zu machen.“ Mais Uma spielen Konzerte, sind aber auch eine Street-Band, eine MarchingBand und als solche bei Umzügen auch schon im Dirndl und in Lederhosen aufgetreten. Mais Uma bedienen das Latin-Klischee ganz bewusst nicht, haben Veranstaltern dadurch auch die eine oder andere Enttäuschung beschert, aber, wie Ingrid Wild betont, „was abfährt ist immer wieder diese Kraft von den Trommeln. Darauf kann man setzen, das ist Samba.“ Fortsetzung >


Feuertaufe

Tageszeitung Freitag, 6. November 2009 Nr. 217

Am vergangenen Wochenende fand im Jugendzentrum UFO Bruneck die Erstauflage des „Archetype - Idiots of Noise“ Festival statt. Wir vom „Headliner“ waren bei dieser Feuertaufe mit dabei.

Wurden ihrem Ruf als verlässlicher Liveact gerecht: Voice of Decay aus Meran.

Fotos: Markus Prader

„Archetype - Idiots of Noise“ – ein neues, gut organisiertes Festival mit guter Stimmung und abwechslungsreichen Bands: Cataract aus der Schweiz, Devastating Enemy aus Wien und Through Your Silence aus Mailand.

in Festival zu eröffnen ist immer eine schwierige und meist etwas undankbare Aufgabe. Die Rabauken – eine junge Brunecker Punkrock-Combo hat diese Aufgabe wahrlich gut gemeistert. Trotz früher Stunde schafften sie es mit ihrer rotzig frechen Interpretation von Kinderlie-

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dern das Publikum zu begeistern. Als Ersatz für die Lokalmatadore Old Hate (wegen Krankheit des Sängers musste ihre Show kurzfristig abgesagt werden) spielten die Brunecker Death-Metaller Axis of Evil. Frontmann Julian betonte dass man kurzfristig eingesprungen und keine Zeit zum Proben

hatte; leider hörte man das auch deutlich. Wie anspruchsvoller Death-Metal klingen sollte wurde vom österreichischen Quartett Devastating Enemy eindrucksvoll vorgeführt. Aggressives, abwechslungsreiches Riffing, geile Breaks und überzeugende Growls, - das Highlight des Abends. Voices of Decay die „Metal-Champ“-Gewinner 2008 arbeiten momentan an Songs für ihr neues Album. Gewohnt routiniert absolvierte die Meraner Black-Metal Formation ihren Auftritt. Als Co-Headliner fungierten die Mailänder Through your Silence. Obwohl sich die Band redlich bemühte und ihr Bestes

gab sprang der Funke leider bis zu letzt nicht über. Die routinierten Schweizer Cataract schafften es trotz später Stunde die Stimmung kräftig anzuheizen. Mit ihrem aggressiven Trash/Metalcore konnten sie ihre Fans nochmals aus der Reserve locken. (gonzo) Info: www.myspace.com/archetypefestival

Die Tatsache, dass sich Mais Uma zum Großteil aus Musikerinnen zusammensetzt, sieht Ingrid Wild nicht als Hindernis: „Im Gegenteil! Ich mach das mit den Perkussionen jetzt seit etwa 25 Jahren und bin noch viel länger Feministin. Ich finde es eigentlich erschreckend, wie wenig sich in dieser Hinsicht eigentlich getan hat. In dieser Hinsicht ist es also auch ein politisches Statement wenn man als Frau auf der Bühne steht, auch wenn es mittlerweile viel normaler sein sollte. Es ist immer noch etwas Besonderes, wenn sieben Frauen und vier Männer gemeinsam auf der Bühne stehen.“ Warum sich das Geschlechterverhältnis auf der Konzertbühne egal welcher Musikrichtung immer noch nicht wirklich geändert hat, darauf hat auch Wild nicht die definitive Antwort: „Was soll ich da sagen? Die Frauen sind vielleicht immer noch in dieser traditionellen Rolle einer gewissen Passivität, wollen sich nicht exponieren. Es ist irgendwie immer noch sehr

Fotos: rhd

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Spielten Mitte Oktober im Jugendzentrum Kass in Brixen eine Livesession für „Radio Freier Fall“: Roland Leitner im Interview mit Ingrid Wild.

schwierig für sie zu sagen: Ich drück mich aus und geh das Risiko ein, denn sich auf die Bühne zu stellen, ist natürlich auch ein Risiko. Aber abgesehen davon glaube ich, dass die Jungs und die Männer ein besseres Netzwerk untereinander haben und dass sich die Frauen da etwas schwer tun. Auch das Klischee der Sängerin, die dazu noch schön sein muss, hält sich hart-

näckig und zeugt von einem konservativen Geschlechterbild.“ Es bleibt ein Rätsel, denn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich sehr wohl geändert, wenn auch die Idealsituation noch nicht erreicht ist. Wild erzählt von ihren Erfahrungen: „Wenn ich bei Konzerten schaue, wie sich die Frauen präsentieren, wie sie den Raum einnehmen ... das ist immer noch so reduziert. Du musst dir den Raum einfach nehmen. Du kannst als Frau nicht einfach darauf warten, bis du eingeladen

Mais Uma fast komplett: Die Brixnerin Renate Seeber (1. Reihe, 2. von links) ist von Anfang an dabei.

wirst. Das machen die Jungs mit großer Selbstverständlichkeit. Die spielen 20 Minuten Solos, obwohl nach 5 Minuten bereits genug wäre. Aber sie machen es und lernen dabei. Dieser Prozess des Lernens ist wichtig. Ich glaube die Mädels denken, jetzt lerne ich erst einmal alles perfekt und schön und dann ... aber mit dem ‚und dann’ geht nichts weiter.“ Info: www.maisuma.com


NEWS

Jörg im Posthof Linz: Der Podcast zum Halb- und Finale ist auf www.backlab.at abrufbar.

Tageszeitung Freitag, 6. November 2009 Nr. 217

Fleischwald + Mae Naak

Foto: René Bauer

Grindcore vs. Goregrind

Sisyphos

Live in Bozen

Das anstehende Konzert der Reggae-Band Sisyphos im Bozner Pippo-Stage morgen Abend ist ein Geheimtipp, weil hier Location, Musik, Ambiente und Band optimal zusammenstimmen. Als Opener spielen die Sarner Punkrocker Average. Eintritt: 5 Euro. Beginn: 20 Uhr. (Und der Flyer ist auch schön, Klammer zu!)

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Poetry Slam-Sieg

Haus rocken

örg Zemmler, mal mit, mal ohne L, aktiv bei Bob, als Solokünstler und Literat, hat den diesjährigen Ö-Slam-Titel eingesteckt. Ö-Slam steht für die österreichische Poetry Slam Meisterschaft, die heuer zum dritten Mal stattfand und am 23. und 24. Oktober 09 im Posthof Linz über die Bühne ging. Zu sehen gab’s im Rahmen der Meisterschaft insgesamt 24 PoetInnen, die versuchen mussten, das Publikum innerhalb 5 Minuten mit eigenen Texten in unterhaltender Vortragsweise auf ihre Seite zu locken. Zemmler slamte sich von Runde zu Runde bis auf Platz 1: „Ich hab 4 Texte vorgetragen, es gab ja Vorrunde, Viertel, Halb- und Ganzfinale. Gemeinsam war den Texten, dass sie im Dialekt gehalten waren. Drei in Seiser Dialekt, bei einem machte ich den Schweizer nach. Und es waren durchwegs Texte mit hohem Unterhaltungswert, meine ernsteren Texte hebe ich mir für andere Anlässe auf“, so Zemmer, der vor sechs Jahren erstmals an einem Poetry Slam teilnahm. „Man kann ‚das Haus rocken’, wenn man den richtigen Text zur richtigen Zeit richtig vorträgt und das Publikum

J

richtig aufgelegt ist dafür. Da sind jetzt die Schwierigkeiten gleich schon dabei...“. 2003 war der damalige Student monatlich bei Markus Köhle’s Slams im Innsbrucker Bierstindl mit dabei, oft erfolgreich; später dann regelmäßig beim Textstrom-Slam in Wien und auch im Meraner Ostwestclub stand Jörg einmal als Poetry Slam-Sieger da. 2006 wurde der Seiser dann des Slams müde und hörte vorläufig auf. Nun hat Zemmler den ÖsterreichPokal – und das, obwohl er erst vor einem halben Jahr wieder auf die Dichter-Slambühne zurückgekehrt ist. Gelesen aber, wird bald wieder: Jörg’s Poetry (minus Slam plus Musik) gibt’s am kommenden Donnerstag, 12. November 09 im Cafè Moustache bei seinem Gastauftritt auf der Innsbrucker Lesebühne „Text ohne Reiter“, die einmal im Monat stattfindet und von der SH Innsbruck unterstützt wird. Und wie sieht’s mit neuen Tonträgern aus? „Anfang nächstes Jahr! BOB macht eine EP mit vier Coversongs gerade fertig, und die Band "Joe Zorro & the Pistols" hat auch schon fertig aufgenommen. Das ist die Band, die früher anders

hieß und mal was gewonnen hat... Solo möchte ich dann später mal wieder was machen.“ (eva) Info: www.backlab.at und www.myspace.com/joergzemmlerband

Zeig dein Tattoo [5] Jakob Ambach (St. Pauls) Artist: Stefan Innerbichler Studio: Tattoo-Art Southtyrol, Lana

Schickt euer schönstes Tattoo mit eurem Namen, woher ihr seid und wo ihr euch das Tattoo habt stechen lassen. Unser Kontakt: redaktion.headliner@gmx.com.

Matteo Cuccato atteo Cuccato nasce a Bolzano il 17/07/1984. Sin da bambino disegna su qualsiasi cosa gli capiti a portata di mano. Successivamente sviluppa i suoi interessi tra il Liceo Artistico, il Conservatorio e la Facoltà di Design di Bolzano. Per adesso lavora come grafico e illustratore presso un Parco divertimento sul lago di Garda. In futuro spera di riuscire a sentirsi libero.

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Zeichnung: Matteo Cuccato

Zwei der extremsten Bands, oder besser, Projekte des Landes stellen heute Abend, 22 Uhr bei „Radio Freier Fall“ (RAI Sender Bozen) ihr jüngstes gemeinsames Werk vor: Fleischwald aus Algund und Mae Naak aus Naturns haben erst kürzlich eine Split-CD veröffentlicht.


Tageszeitung Freitag, 6. November 2009 Nr. 217

Zeichnung: Matteo Cuccato

graphic journalism


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