Headliner #069

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DIE NEUE SÜDTIROLER

Freitag, 18. Dezember 2009 – Nr. 246/17. Jg.

Tageszeitung > Redaktion Tageszeitung Headliner: redaktion.headliner@gmx.com – Tel. 329/5913560

Fotos: rhd

r das Net-Label Erscheint HEUTE übe s: „Blood Sweat Airbagpromo Record The Psychos: Rock'n'Roll“ von m/records www.airbagpromo.co

The Psychos Diskutieren gerne und respektieren sich gegenseitig: Rufio, Johnny und El Zepito, 3/4 der neuen Psychos.

von Reinhold Giovanett

lopp! Da ahnt man nichts Böses, denkt sich, das Jahr wäre eh bereits gelaufen, das Beste hätte man bereits gehört und ist also beruhigt. Nix da! Die neue CD von The Psychos sprüht dermaßen vor Energie, dass ein sofortiger zweiter Durchlauf notwendig ist, um die anfängliche Ruhe wiederzuerlangen. Dabei ist „Blood Sweat Rock'n'Roll“ voller Klischees, die Texte kommen dank der häufigen Verwendung des Wortes fuck einem Ozzy Osbourne-Interview nahe und das Ganze klingt – mit Absicht, wie die Band versichert – retro. Nichts Neues also, zumal die

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Originalität nicht wirklich gegeben ist. Aber das ist hier nicht wesentlich. Wesentlich ist bei diesem Album, dass hier Rock'n'Roll stattfindet! Welche Band würde das nicht gerne von sich behaupten?! The Psychos sind als Band bereits seit 2002 unterwegs, haben bereits Demos und CD's produziert und das vorliegende Album hätte bereits zu Weihnachten 2008 erscheinen sollen. Die Verzögerung ist nicht weiter schlimm, wenn ein Album schlussendlich diese Qualität erreicht. Die besten Songs des Albums mögen „Bastard Son of a Goddamn Trucker“, und „Hey Baby!“ sein, aber die CD funktioniert am Stück vielleicht am allerbesten, denn obwohl die Songs aus Punkrock, Rock'n'Roll und Rotzrock zusammengebraut sind, ist jene Abwechslung gegeben, die ein

Rock'n'Roll-abhängiges Gehirn NICHT überfordert! Hinzu kommt, dass die Aufnahmequalität sehr gut ist. Lukas Flarer (Gitarrist von Voices of Decay und als Tontechniker in Sachen Härte mittlerweile die Nummer eins im Lande) hat der Band einen ausgezeichneten Sound verpasst, obwohl – wie die Band erneut versichert – nicht lange herumgemacht wurde. The Psychos haben ihr Lineup erst kürzlich erneuert, Instrumente wurden vertauscht, neue Musiker sind hinzugekommen und eine erste Probe wurde schon absolviert. Die vorliegende CD überzeugend für die Bühne hinzubekommen, das wird sie Blut und Schweiß kosten, aber da mit Johnny (Stimme, Gitarre), El Zepito (Gitarre) und G.G. (Schlagzeug) gleich drei Musiker von der Rock'n'Roll-Formation The OhMy-

Gods dabei sind und mit Rufio (vormals Drummer, jetzt Basser bei The Psychos) und Johnny zwei originale Psychos in der Band sind, dürfte die Hürde zu schaffen sein. „Blood Sweat Rock'n'Roll“ ist der vierte Release des Net-Labels Airbagpromo Records und der bislang vielleicht Beste. Wie für alle bisherigen Airbagpromo Record-Releases gilt auch hier, dass der Download kostenlos UND legal ist. Die mp3-Files kommen in 320kBit/s, mit druckbarem Booklet und dreisprachiger Bandbio. Was will ein Rock'n'Roll-Herz mehr? Wer Testhören möchte, geht (der Band) entweder ins Netz oder hört Radio Freier Fall. Heute Abend, 19.40 Uhr, RAI Sender Bozen. Download: www.airbagpromo.com/ records/apr004 Fortsetzung (Interview) >


Bereiten sich gerade für die Bühne vor: The Psychos, hier noch im alten Line-Up

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die Coolness des Rock'n'Roll und den Dreck des Punk und heraus kommt eine Psychos CD! Mehrfach hört man bei den backing vocals eine sehr starke Frauen-Stimme. Wem gehört diese Stimme? Die Frauenstimme gehört Raffaela, einer Freundin von uns. Sie singt in der Bozner Metal Band Fight Club, aber auch bei verschiedenen Jazzformationen und in Musicals ... nicht schlecht, oder? Wir wollten zumindest eine Person auf dem Album haben, die richtig singen kann ... hahaha Letzte Frage: Wie seid ihr auf „Hot Stuff“ von Donna Summer gestoßen? Ist es eine Provokation, schielt ihr auf die Radios oder ist es eine Liebeserklärung zum

Freitag, 18. Dezember 2009 Nr. 246

> Fortsetzung

Headliner: Zuerst einmal ein Kompliment meinerseits für die Energie, die ihr auf CD gebannt habt! Wie habt ihr das geschafft? Mit wem habt ihr (in welchem Studio) gearbeitet? The Psychos: Danke wir fühlen uns geschmeichelt! Da wir alle ein bisschen verrückt sind und auch sonst recht aufgeweckt, war es gar nicht so schwer die Energie auf die Scheibe zu bringen. Auch dank der guten Arbeit von Lukas Flarer (Voices of Decay, ex Graveworm) ist es uns gelungen, ein recht knackiges Album zu machen. Bei ihm haben wir alle Songs aufgenommen. Ihr erinnert etwas an die skandinavischen Rotzrockbands wie Gluecifer oder The Hellacopters. Woher holt ihr eure Inspiration, welche Bands und Musiker lassen euren Adrenalin-Spiegel steigen? Unsere Inspiration holen wir uns aus so gut wie allem, vor allem aber aus Musik die wir schätzen. Das kann von AC/DC bis Jerry Lee Lewis, von Johnny Cash bis The Bones alles sein, Hauptsache es ist echt und glaubhaft. Unsere Wurzeln liegen aber schon im sogenannten Rotzrock, Bands wie Nashville Pussy, Turbonegro, Gluecifer oder Peter Pan Speedrock haben uns schon sehr beeinflusst. Wir unterstützen diese Bands nach wie vor, indem wir Cd's und Merchandising kaufen und auf Konzerte gehen. Die Geschichte der Psychos ist ja gekennzeichnet von einigen Auf und Abs. Wie hat die Band begonnen und wie sieht die gegenwärtige Situation in der Band aus? Begonnen hat alles 2002, Johnny und Micky wollten eine dreckige Rock'n'Roll-Band gründen, nach ein paar Wochen stieß dann Rufio

El Zepito und Johnny von The Psychos im Interview

Dreckige Coolness dazu und die Psychos waren geboren. Es wurde geprobt und es folgten zahlreiche Konzerte. Leider ist Micky vor kurzem ausgestiegen, doch El Zepito und G.G. sind nun neu in der Band. Zur Zeit wird an der Livetauglichkeit der neuen Psychos gearbeitet. Alle sind sehr motiviert und können es kaum erwarten mit dem neuen Album ein paar geile Konzerte zu spielen. Das Album ist heute bei „Airbagpromo Records“ erschienen. Wie sind die konkreten Pläne bezüglich der Promotion des Albums? Gibt es bereits Live-Termine? Das Album erscheint heute bei Airbagpromo Records als Gratisdownload. Wir werden auch eine kleine Stückzahl pressen lassen, die wir dann bei Konzerten oder über die Homepage verkaufen werden. Auf den von uns verkauften Scheiben wird außerdem ein Bonustrack

sein, der nicht auf dem Downloadalbum ist.Mit Live Terminen ist es zur Zeit schwierig, da wir uns wie gesagt mit der neuen Formation erst vorbereiten müssen. Allerdings werden wir im Frühjahr sicher einige Gigs rocken! Punk und Rock'n'Roll verstehen sich offensichtlich in musikalischer Hinsicht blendend. Wie schaut es textlich aus? Punkiges Engagement oder Rock'n'RollKlischees? Wir mischen einfach ein paar Wörter zusammen die sich reimen ... nein, Scherz beiseite. Unsere Texte sind ein Mix aus beidem, sowohl Klischees als auch Punkattitüde. Es gibt viele gute Bands, die mit guten Texten zu überzeugen wissen, wir sehen uns aber eher als Partyband die unterhalten will, allerdings ohne lächerlich zu sein. Musikalisch nehmen wir einfach

Disco der End-Siebziger? Das Cover ist durch einen Zufall entstanden, jemand hat das Riff gespielt und alle haben angefangen zu lachen. Mit der Zeit haben wir dann aber immer öfter das Stück gespielt und es macht richtig Spaß. Auch live ist es sehr gut angekommen und somit hat es Donna Summer sogar auf unser Album geschafft! Gratulation! Dieses Lied wird allerdings nicht beim Downloadalbum dabei sein, da wir Probleme mit der Lizenz bekommen könnten. (Interview: rhd)

Zeig dein Tattoo [11]

Volksabstimmung: Die Urnen werden geschlossen

Last Chance

Unsere Volksabstimmung neigt sich allmählich dem Ende zu, denn ihr habt nur noch eine knappe Woche lang die Möglichkeit, uns den ausgefüllten Stimmzettel zu schicken und dadurch eure „Best of 2009“-Liste mitzubestimmen. Wir vermuten, dass eure vom Nikolaus gefüllten Socken bereits wieder leer gefuttert sind, also zieht sie in Windeseile an, flitzt zur Post oder zum Computer und teilt uns eure Nominierungen für das Best of-Voting mit! Alle, die noch nicht gewählt haben, können ihre Stimme noch bis Heilig Abend abgeben oder ihre Leute zum Wählen motivieren: Einfach den auf dieser Seite abgedruckten Stimmzettel ausfüllen und traditionsgemäß zur Post bringen oder eure Nominierungen einfach via Email an redaktion.headliner@gmx.com schicken. Zusätzlich haben wir noch ein Online-Formular für euch eingerichtet, das ihr auf http://radiofreierfall.blogspot.com und www.airbagpromo.com ausfüllen könnt. Last chance, honey!

Philipp Burger/Frei.wild (Brixen). Studio: Tattoo-Art Southtirol, Lana

Schickt euer schönstes Tattoo mit eurem Namen, woher ihr seid und wo ihr euch das Tattoo habt stechen lassen. Unser Kontakt: redaktion.headliner@gmx.com.


NEWS

Tageszeitung

Un concerto solamente con la voce: Boris Savoldelli dal vivo al Carambolage di Bolzano, lunedí 14 dicembre.

Freitag, 18. Dezember 2009 Nr. 246

Pippo.Stage Bozen

Callisto & Mary’s Jail Die einen – Callisto – kommen aus Finnland und verbinden Doom-Metal mit Post-Hardcore, die anderen – Mary's Jail – sind aus Bozen und machen progressiven Alternative-Rock. Beide sind sie am Freitag, 18. Dezember im „Pippo.Stage“ in Bozen live zu sehen.

dell'anno: Uno dei più bei disciis „Insaneology“ di Bor Savoldelli

Il Carambolage incantato dalla proposta musicale di Boris Savoldelli

The Living Targets

Song 1 von Album 1

Die Montaner Punkrocker The Living Targets haben ihren ersten Songs „Trash“ aus dem geplanten ersten Album „Riot Inside“ über ihre MySpace-Seite veröffentlicht und der zeigt bereits eine deutliche Weiterentwicklung der Band, weg vom klassischen Punkrock, hin zu einem etwas offeneren Alternative-Konzept.

The Gleeman Members

Neues Line-Up Die Vinschgauer Ska/Reggae/ Dub-Band The Gleeman Members hat eine konzertintensive Zeit vor sich und präsentiert sich heute Abend im Schupferwirt in Schlanders (20.30 h) erstmals mit neuem Line-Up: Lukas Mailänder (Drums/ Percussion), Stefan Mailänder (Keyboards und Stimme), Markus Mair (Gitarre und Stimme), Simon Oester (Drums/ Percussion), Michael Kaserer (Bass), Werner Tappeiner (Gitarre) und – von Slack & Checked kommend, Julian Vanzo (Stimme). Die weiteren Termine der Band sind ihrer Homepage zu entnehmen: www.gleemanmembers.tk

Maestro della voce on la sua indescrivibile performance di lunedì sera, il vocalista camuno Boris Savldelli ha letteralmente conquistato il pubblico del Carambolage. Savoldelli, autore di uno dei più bei dischi usciti lo scorso anno, “Insanology”, è sicuramente uno dei nomi di punta della musica per sola voce italiana e non, prova ne sia il successo ottenuto durante un’esibizione allo Stone di New York e il tour in Russia della scorsa primavera. Con l’aiuto di un looper per chitarristi e di qualche altra diavoleria con cui modula la voce in diretta, Savoldelli è un autentico virtuoso dello strumento voce che, detto per inciso, viene usata come fosse un’orchestra che gli permette di eseguire una serie di brani frutto di studiati e appassionanti arrangiamenti. Dinoccolato, a volte abbarbicato sulla sedia altre in piedi davanti al microfono, Savoldelli infonde una fisicità insospettabile alla sua esibizione di cantante solista, e per arricchire il tutto ci aggiunge ironia e spigliatezza nel presentare il repertorio che va dagli ottimi brani autografi del suddetto disco (ha iniziato con “Andywalker” e “Mindjoke” e ha poi proposto le splendide “Moonchurch”, “Bluechild”, “Io?” e la title track) a cover riarrangiate targate Sting, Miles Davis, Beatles, Beach Boys. Spesso definito musicista jazz, Savoldelli va ben oltre ogni possibile definizione e insabbiamento, la sua musica è totale è senza confini; il concerto bolzanino di lunedì sera è stata l’occasione per incontralo e porgli qualche domanda.

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Headliner: Questi ultimi due anni sono stati intensissimi per la tua carriera: un disco solista, due con i SADO e uno con Elliott Sharp. Ti senti più dottor Jekyll o più Mr. Hyde in questi tuoi passaggi di genere? Boris Savoldelli: Bello il paragone con Jekyll e Hyde…vedi, la mia produzione discografica rispecchia perfettamente la mia “schizofrenia” musicale! Uno dei miei vanti è

proprio la mia collezione di cd (e anche un po’ di vecchi LP) …s ono da sempre un vero appassionato di musica, un “onnivoro musicale” che passa nella stessa giornata dai dischi di Elton John, Billy Joel e gli Steely Dan a quelli del John Zorn, Ornette Coleman, Elliott Sharp più sperimentali ed alla scuola rumorista della musica contemporanea più ostica! La musica, nelle sue diverse forme, è per me vero ossigeno, non riuscirei in alcun modo a concepire la mia vita senza di essa! Nel 2008 hai messo radici nella Grande Mela, quest'anno hai conquistato la Russia. Come è stata l'accoglienza in questi due paesi tanto lontani e opposti quanto a radici musicali? In entrambi i casi sono state due esperienze straordinarie ed uniche! New York è da sempre un riferimento culturale fortissimo per me, puoi immaginarti l’emozione e l’orgoglio quando molti dei miei “idoli” mi hanno contattato personalmente per complimentarsi con me per la mia musica. Uno dei momenti più emozionanti è stata proprio la mia esibizione al “The Stone”, storico locale di downtown Manhattan creato da John Zorn. Aggiungici inoltre che la Downtown Music Gallery, negozio di dischi punto di riferimento da ormai un ventennio della NY underground, continua a vendere i miei dischi e a promuovere la mia musica e potrai capire quanto io sia legato a questa straordinaria città! Per quanto riguarda la Russia devo dire che anche qui l’accoglienza è stata davvero splendida! Ho avuto la fortuna di ottenere delle recensioni molto positive da parte di alcuni tra i più influenti giornalisti jazz russi che hanno creato un “effetto a catena” che mi ha permesso di esibirmi sia in teatri all’interno di festival jazz che in jazz club ottenendo lusinghieri responsi di pubblico ed una presenza che non mi sarei mai aspettato. Se poi ci aggiungi che il pubblico dell’est è musicalmente estremamente colto ed esigente, puoi facilmente intuire

quanto quest’esperienza mi sia stata utile per perfezionare il mio show. Tra l’altro ho appena avuto conferma che in febbraio partirò nuovamente per un tour in Russia che toccherà anche la Siberia e la parte asiatica. Quale sarà la prossima mossa, perchè suppongo sia lecito aspetttarsi da te molto per il 2010 ... Ci sono parecchie cose che “bollono in pentola” e che, per scaramanzia, non posso dire tutte… Oltre al tour di cui ti ho già detto ci sarà una mia nuova uscita discografica, che rappresenterà il successore di “Insanology”, il mio fortunato album in solo voce. Il progetto probabilmente si intitolerà “Biocosmopolitan”. In "Insanology" hai fatto tesoro della collaborazione del tuo conterraneo Ducoli, un personaggio molto caro al pubblico bolzanino, ci sarà un seguito? Come si dice in linguaggio calcistico, “squadra che vince non si cambia”. La mia collaborazione con il “Grizzly Camuno”, come lo chiamo affettuosamente io, continua anche in questo nuovo disco. Così come per “Insanology” anche per “Biocosmopolitan” i testi sono tutti scritti dal Ducoli. Senza tema di smentita ti posso dire che i nuovi testi sono ancor più efficaci e ficcanti di quanto già non fossero quelli di Insanology. Continua un percorso di vera e propria “sperimentazione del linguaggio” che Ducoli ha ulteriormente migliorato in una interessantissima ed originale commistione tra l’idioma italiano e quello americano. Un lavoro difficilissimo, non mi stancherò mai di ripeterlo, perché io passo a Ducoli i brani già perfettamente definiti, sia dal punto di vista armonico che, soprattutto, dal punto di vista melodico e questo vuol dire che lui deve scrivere i testi con un attenzione maniacale alla metrica che io utilizzo nella scrittura della melodia. Info: www.myspace.com/borisinger o www.borisinger.eu (Intervista: crazy)


Tageszeitung

Wussten die Wünsche des Publikums zu erfüllen: Deep Purple live in der Eiswelle in Bozen letzten Freitag.

Fotos: rhd

Freitag, 18. Dezember 2009 Nr. 246

Deep Purple live in Bozen „Showtime Agency“, die Meraner Konzertagentur, die Deep Purple letzten Freitag in die Eiswelle nach Bozen geholt hat, beziffert die Besucherzahl mit 4500 verkauften Tickets. Die Eiswelle war zwar nicht voll, aber dass eine Band wie Deep Purple immer noch so viele Zuschauer zieht, obwohl kein aktuelles Album vorliegt („Rapture of the Deep“ erschien 2005), die letzten wirklichen Hits in der Mitte der Achtzigerjahre zu suchen sind und Deep Purple erst vor etwa drei Jahren in Trient gespielt haben, ist doch erstaunlich. Das Durchschnittsalter lag definitiv über 40. Auch wenn viel junges Publikum zu sehen war, waren es vor allem Rockfans, die „Made in Japan“ noch als Vinyl-Doppelalbum gekauft und gehört haben, die das Bild bestimmten. Entsprechend ruhig lief es auch im Publikum ab und nur fallweise kam etwas Bewegung vor der Bühne auf. Das Publikum war wohl entweder damit beschäftigt, sich in den eigenen Erinnerungen zu suhlen oder aber die Musik von Deep Purple einfach auf sich wirken zu lassen. Die Band bot denn auch eine tolle Auswahl an Songs aus ihrer mittlerweile über 40jährigen Karriere als Band. Die großen bekannten Songs aus der Vergangenheit („Strange Kind of Woman“, „Space Trucking“ oder „Highway Star“) kamen ebenso zum Zuge, wie das Comeback-Album von 1984 („Knocking at Your Back Door“, „Wasted Sunset“, „Perfect Strangers“) und der Titelsong ihres bisher letzten Album „Rapture of the Deep“. Überraschungen gab es zudem, als mit „Bloodsucker“ (aus „D.P. in Rock“, 1970) ein Stück Proto-Metal zu hören war, oder mit „No One Came“ und „Fireball“ zwei Songs aus einem unterschätzen Deep Purple-Album aus ihrer Glanzzeit – „Fireball“, 1971 – gespielt wurden. Steve Morse, der 1994 Richie Blackmore als Gitarrist ersetzt

Man vermisst Richie Blackmore schon lange nicht mehr: Gitarrist Steve Morse ist längst einer der Sympathieträger der Band.

Zwei „Alte“, zwei „Neue“: Schlagzeuger Ian Paice (seit 1968), Sänger Ian Gillan (seit 1969), Gitarrist Steve Morse (seit 1994) und Keyboarder Don Airey (seit 2001). Auch ein BH flog auf die Bühne: Bassist Roger Glover mit der Trophäe auf seinem Bass.

Unterhielt sich – wie der Rest der Band auch – blendend: Bassist Roger Glover

hat, erstaunte in zweierlei Hinsicht: zum einen durch sein Können, das er mit den Solo-Stücken „Contact Lost“ (aus dem „Bananas“-Album, 2003) und „Well Dressed Guitar“, aber auch in den Deep Purple-Songs selbst unaufgeregt zur Schau stellte, und zum anderen mit der Lockerheit und dem fast durchgehenden Lächeln auf dem Gesicht, mit dem er die Klassiker der Band spielte. Und natürlich kamen die MegaKlassiker ganz zum Schluss: „Smoke on The Water“, überraschenderweise „Hush“ (eigentlich aus

der Pre-Gillan-Zeit von Deep Purple) und „Black Night“. Unterm Strich bleibt ein sehr gutes Konzert mit exzellenter Musik. Die zahlreichen Soli, die bisweilen etwas lang geraten sind, hätten zeitlich und zahlenmäßig durchaus mit dem einen oder anderen zusätzlichen Song ersetzt werden können. Aber das ist Ansichtssache, zumal gerade eine Band wie Deep Purple auch und vor allem durch das Können der einzelnen Musiker strahlt. Wer sich in der unmittelbaren Nähe der Bühne befand, konnte sich auch soundmäßig nicht beklagen. Schlimmer war es freilich weiter hinten in der Halle. Aber das ist das alte Leid der Eiswelle, die mangels Alternativen zwar für derartige Konzerte genutzt wird, dafür aber letztlich nicht gebaut wurde. Es ist nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass sich die Musik mit zunehmender Entfernung zur Bühne immer mehr zu einem undefinierten Soundbrei entwickelt. (rhd) Weitere Fotos zum Konzert: http://leinwand.airbagpromo.com/

Comment In Geiselhaft Deep Purple Konzert, Eiswelle Bozen: Nachdem man den Eingang passiert hat und die Ordner die Eintrittskarte entwertet haben, wird der Besucher von einem Kordon aus Carabinieriund Polizeibeamten erwartet. Argwöhnisch beobachtet, muss man Jacken und Mäntel öffnen, Handtaschen werden kontrolliert und wenn jemand verdächtig ausschaut, muss er auch schon mal die Hosentaschen leeren. Erinnert dieser Empfang eher an den Eintritt ins berühmte Gefängnis von Alcatraz, als an einem Zutritt zu seinem Rockkonzert, so wird der Besucherstrom wenig später an einer Engstelle zusammengeführt. Dort wird jeder dann vom Drogenspürhund der Finanzwache abgeschnuppert. So als gehe gerade die Mustermesse der Drogendealer über die Bühne. Ich habe in den letzten 30 Jahren rund 500 Rockkonzerte in vielen Ländern Europas und auch außerhalb besucht. Nirgends wird man dabei uniformierter Polizei innerhalb eines Konzertgeländes begegnen. Sie können nach London, Paris oder München gehen. Dort wird vom Sicherheitspersonal am Eingang kontrolliert und das war es. Nur in Italien sind diese massiven Polizeikontrollen anscheinend nötig. Man bezahlt 40 oder 60 Euro um sich dann wie die wilden Tiere im Zoo vom Wachpersonal begrapschen und beschnuppern zu lassen. Dabei ist das ganze keineswegs die Schuld oder der Wunsch der lokalen oder nationalen Konzertveranstalter. Auch Sie sind wie die Besucher Opfer absurder Bestimmungen und Gesetze. Und der Tatsache, dass wir längst in einem präfaschistischen Polizeistaat leben. Übertreiben? Nein. Denn wenn Sie am vergangenen Donnerstag endlich in der Eiswelle vor der Bühne standen, dürfen sie die nächste Überraschung erleben. Es sind sehr viele junge Leute da. Natürlich beginnen mitten in der Menge eingezwängt, trotz Rauchverbot, einige zu qualmen. Sofort spähen „Security“Leute in die Menge. Mit kleinen Scheinwerfern werden die ausgemachten Sündenböcke angestrahlt und energisch aufgefordert sofort die Zigarette auszumachen. Wer einen Joint anzündet, für den steht wahrscheinlich längst ein Erschiessungsploton vor der Mauer bei der Eiswelle bereit. So wird der Musikgenuss ohne Rücksicht auf Stimmungen immer wieder durch solche Blendangriffe der muskolösen und resoluten Sicherheitsleute unterbrochen. Sie sind die Herren in der Halle, die die ungezogene Meute nach ihren eigenen Regeln dirigieren. Es ist seit es den Rock gibt Tradition, dass junge Mädchen sich auf die Schultern ihrer gleichaltrigen Kompagnons setzen, um besser auf die Bühne zu sehen. Aber auch wurde inzwischen verboten. Sie werden von den Ordnungshütern sofort angestrahlt und geblendet. Mit der unmissverständlichen Aufforderung sofort herunter zu gehen. Wer sich weigert, fliegt aus dem Saal. Rock war früher ein Gefühl und eine Botschaft der Freiheit. Inzwischen haben die Alltagsfaschisten aber auch ihn in Geiselhaft genommen. Christoph Franceschini


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