Headliner #101

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Freitag, 30. Juli 2010 – Nr. 146

HEADL I N E R Redaktion Tageszeitung „Headliner“: 329/5913560 – redaktion.headliner@gmx.com

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101 Foto: eva+rhd

von Arnold Tribus

Kinder, wie die Zeit vergeht! Es ist ja nicht lange her, da beschloss dieses Haus nach längeren Hin-HerGesprächen zwischen dem Herrn Eigentümer und Reinhold Giovanett, der „Tageszeitung“ einmal in der Woche eine Beilage beizufügen, die sich mit Rockmusik und Jugendkultur im allgemeinen befassen sollte. Es war eigentlich eine schnelle Entscheidung, das Kind wurde nicht die üblichen neun Monate ausgetragen, nein, die Kreatur kam überstützt auf die Welt, eine Frühchen also, Christoph Franceschini, langhaariger Edelrocker hatte mir gesagt, dass „der Reinhold was machen würde“. Wir hatten eigentlich schon des Öfteren darüber gesprochen, irgendwas Jugendspezifisches anzubieten, genauso wie wir uns eine Kinderbeilage und eine Sportbeilage wünschen, eine Wirtschaftsbeilage, eine Philosophiebeilage, aber das wünscht man sich halt, allein der Traum erfüllt sich nie. Anders mit dem Headlinder (übrigens, nachdem viele LeserInnen immer noch nicht wissen was das heißt, zitiere ich die freie Enzyklopädie Wikipedia: „Ein Headliner ist jemand, der Schlagzeilen macht. Im Deutschen bezeichnet der Begriff zumeist den bekannten Künstler oder die bekannteste Gruppe unter denjenigen, die bei einem Konzert oder

Festival auftreten ....). Beim Projekt wurde nicht lange geredet sondern getan. Gut, Reinhold Giovanett ist ja ein erfahrener Szenenjournalist, war selbst begnadeter Musiker, mit seinem wallenden Haar eine Ikone in seiner Zeit und ist seither nicht nur ein Bezugspunkt für junge Musiker und angehende Stars. Er kennt alle Gruppen, die einzelnen Bandmitglieder, er spricht ihre Sprache (apropos Sprache: Reinhold hat in seiner RAI-Sendung „Radio Freier Fall“ seine ganz eigene Sprache etabliert und seinen Dialekt mit Unterlandler Einschlag salonfähig gemacht). Was ihn aber auszeichnet ist seine profunde musikalische Bildung und Kultur, die ihn zu einem der wenigen Rock-Kritiker des Landes machen. Was er bärig findet, geht auch, findet Anklang und begeisterte Zuhörer. Er war also der richtige Mann am richtigen Ort. Er fand auch in Eva Reichegger

eine ebenso engagierte Mitarbeiterin, heute sind sie ein perfekt eingespieltes Duo, das von der Musikszene nicht mehr wegzudenken ist. Und dass er sich auch den Schriftsteller Paolo Crazy Carnevale mit ins Boot geholt hat beweist, dass es Reinhold und seinem Blatt um etwas mehr geht als um banale Musik. Er sendet auch eine gesellschaftspolitische Botschaft, er grenzt nicht aus, Musik verbindet eben, weil sie sprachlos ist, bzw. eine andere Sprache spricht, so banal das auch klingen mag. Dass heute in der Tageszeitung schon die 101. Beilage des Headliner erscheint, habe ich gar nicht registriert, es hat mir der Reinhold gesagt. 100 Ausgaben sind eine stolze Zahl, ein Grund sich zu freuen und zu feiern. Ich gratuliere dem Redaktionsteam zum Erfolg, denn ich weiß, dass der Headliner nicht mehr wegzudenken ist von den Szene, er ist die Bibel der hiesigen Mu-

sikszene, nur wer den Headliner liest weiß, was auf den Markt kommt, weiß wer wann wo spielt, findet eine kompetente Kritik der erschienen Tonträger, gut geführte Interviews, die hinter die Kulissen blicken. Und eines muss man dem Reinhold lassen: er ist kein Kriecher, er hat Mut, seine Meinung zu sagen, auch unangenehme. Ach, wie fühle ich mich jung wenn ich den Headliner lese, auch diese wunderbaren, zarten Zeichnungen gefallen mir und die TattooSerie fand ich toll, weil im Tattoo Geheimnisse und Lebensgeschichten stecken, wenn sie gut sind und nicht Kitsch. Deshalb, alles Gute, macht weiter so, in aller Freiheit, wie bisher. Denn auch das muss gesagt werden. Ihre Freiheit geht so weit, dass ich als Direktor der Zeitung vor der Veröffentlichung nie was gesehen habe. Und die Eva übrigens auch nicht.


Freitag, 30. Juli 2010 – Nr. 146

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bwohl es rundherum geregnet hat, schien es, als ob die Ochsenwiese am Karerpass irgendwie davon kommen würde. Aber im Laufe des gemeinsamen (ersten) Konzertes der Rockband Mad Puppet und der Bürgerkapelle Gries, müsste das Publikum dann doch die Regenschirme auspacken. Der Atmosphäre hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Es war spannend zu sehen und zu hören, wie es Mad Puppet und der Grieser Bürgerkapelle gelang, das Konzeptalbum „King Laurin and his Rosegarden“ gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Spannend auch, sehr alte Songs aus der 1982 erschienenen Kassette „Masque“ wieder live zu hören, wobei die Band ihre MiniSuite „Icarus“ ruhig vollständig hätte spielen können. Aber es war wohl die Zeit, die dafür fehlte. Die Geschichte von König Laurin und seinem Rosengarten, so wie sie Mad Puppet erzählten, bedurfte einer geschätzten satten Stunde und war immerhin der Grund für dieses Unterfangen. Mad Puppet, verstärkt durch Felix Senoner an der zweiten Gitarre, drei Background-Sängerinnen (wie bereits 1995 auf Schloss Sigmundskron)

Operation gelungen, Patient nass

Ließen sich vom Regen nicht aus der Fassung bringen: Mad Puppet (rechts) und die Bürgerkapelle Gries bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt am Karerpass vergangenen Freitag, 23. Juli.

DER SCHILD - KING LAURIN REVISITED Karl Felix Wolff hat mit seiner Version das Bild von König Laurin und seinem Rosengarten nachhaltig geprägt und Mad Puppet haben sich auf ihrem 1995 erschienenen Konzept-Album „King Laurin and his Rosegarden“ u.a. an dessen Vorlage ausgerichtet. In einer mehrteiligen Serie erzählen wir euch die Geschichte aus einem etwas anderen Blickwinkel. Die Nacherzählung wurde von Reinhold Giovanett verfasst und bezieht u.a. die Forschungsergebnisse von Ulrike Kindl, Volkskundlerin und Professorin an der Uni Venedig, mit ein. Die Erzählung „Der Schild“ wird vom Meraner Zeichner Kenneth Gasser illustriert.

vielleicht etwas zu flapsig durch die doch dramatische Geschichte geführt hat, war ebenso gut bei Stimme, wie Gadget Gadner. Manni Florian, verantwortlich für die Tontechnik, sah für Band und Bürgerkapelle zwei getrennte Mischungen vor, die dann zusammengeführt wurden. Das Ergebnis war ebenso gut wie das Bühnenbild. Das wagemutige Projekt kann als sehr gelungen betrachtet

Gute Bühnenpräsenz und immer einen Scherz in der Hinterhand: Fred Schweigkofler, Erzähler, Sänger und Moderator des Spektakels. Hatte mit Kapellmeister Georg Thaler die Idee für das Projekt: Tom Pichler, Bass bei Mad Puppet und Klarinette bei der Bürgerkapelle Gries.

und diesmal mit zwei Sängern auf der Bühne (Ur-Puppet Fred Schweigkofler und dem „Neuen“ Michael „Gadget“ Gadner) hatten

Stehen heute in Kaltern wieder gemeinsam auf der Bühne: Michael „Gadget“ Gadner (Stimme) und die von Georg Thaler geleitete Bürgerkapelle Gries.

ihre Parts ebenso überzeugend gespielt, wie die von Georg Thaler geleitete Grieser Bürgerkapelle. Wenn auch etwas Zurückhaltung

zu spüren war, so war die Aufführung eine spannende und gelungene Angelegenheit. Fred Schweigkofler, der als Erzähler

werden und die beiden noch anstehenden Termine (heute, Freitag, 30. Juli in Kaltern, Kellerei „Erste & Neue“, und am Freitag, 20. August, in Bozen/Gries) dürften in Sachen Fluss und Sicherheit dazu gewinnen. (rhd) Fotos: www.airbagpromo.com

Verlosung Nr. 1

Rock In Dusty Valley, die 4te Wird morgen in die Tat umgesetzt: Das auf dem gelungenen Falzflyer abgedruckte Programm von Rock In Dusty Valley.

Morgen, am 31. Juli 2010, ist die Sportzone Sarnthein bereits zum vierten Mal Schauplatz für das Benefiz-Openair Rock In Dusty Valley, das vom Jugendzentrum Hondenada organisiert wird und für alle Freunde der Liveluft auch einen eigenen Zeltplatz bietet. Bevor die FestivalbesucherIn-

nen aber dort müde ins Zelt kriechen, stehen viele Programmpunkte auf der Liste: Begonnen wird um 11 Uhr mit einem Frühshoppen bei ermäßigten Eintritt; ab 13 Uhr tappen dann die ersten Bands auf die Bühne. Zu sehen ist dort eine gute Mischung; mit dabei sind The Lubbers (Rock, Ritten), Mrs. Golden Shower (Rock, Klausen), Homies4Life (HipHop, Ritten), Zeugshmitz (Indie, Bruneck), The Daltons (Metal, Barbian), Sisyphos (Reggae, Sterzing), Average (Punkrock, Sarnthein) und als Headli-

ner die Ska-Truppe Los Fastidios aus Verona. (eva) Info: www.myspace.com/rockindustyvalley

FREIKARTEN Wir verschenken 2 Freikarten für Rock In Dusty Valley. Wenn ihr eine Karte haben und an der Verlosung teilnehmen möchtet, dann schickt bis heute Nachmittag, 17 Uhr eine Email an redaktion.headliner@gmx.com (Betreff: Rock In Dusty Valley). Vergesst nicht euren vollen Namen und eure Adresse anzugeben. Viel Glück!

Fotos: rhd

HEADL I N E R

Mad Puppet und Bürgerkapelle Gries live am Karerpass


Valient Himself auf der Bühne vom „Rock im Ring 2010“: „Dran bleiben und niemals aufgeben“, sein Tipp für junge Bands.

HEADL I N E R Freitag, 30. Juli 2010 – Nr. 146

NEWS

Publikumskontakt erwünscht: Valient Thorr waren der Geheimtipps beim „Rock im Ring am 10. Juli in Klobenstein.

Headliner-Archiv

Minus 100

Fotos: Markus Prader

Foto: Stefano Lucchi

Nun, da wir uns beinahe 2 Jahre lang quer durch 101 Ausgaben getippt haben, möchten wir euch unsere Anfänge noch einmal via Internet schenken.

1/4 Valient Thorr und 2/4 The 3 Murphys (v.l.n.r.): Ivan Tiecher, Valient Himself und Arno Giovanett.

Interview mit Valient Himself, die Stimme von Valient Thorr

Macht was euch gefällt! S

ie waren ein Geheimtipp beim „Rock im Ring 2010“ in Klobenstein. Valient Thorr, eine Rockband aus North Carolina (USA). Stefano Lucchi und die beiden Musiker Ivan Tiecher und Arno Giovanett – sie haben übrigens mit ihrer Band The 3 Murphys das diesjährige „Rock im Ring“-Festival eröffnet – haben Valient Himself, den charismatischen Frontmann für den „Headliner“ interviewt. Headliner: Wie lange spielt ihr eigentlich schon mit Valient Thorr? Valient Himself: Im Jahre 2011 sollten es 10 Jahre sein, also spielen wir bereits etwas mehr als 9 Jahre zusammen. Wo würdest du euren Musikstil

einordnen? Einige Zeit lang haben wir unsere Musikrichtung als „Space Church“ bezeichnet. Heute ist es schlicht und einfach Rock'n'Roll. Wir kombinieren alle Stilrichtungen die uns gefallen, darunter Punk, Heavy Metal, Speed Metal, Stoner. Hast du irgendwelche Vorbilder? Ich persönlich habe sehr viele Vorbilder. Hauptsächlich Künstler, die Maler und gleichzeitig Musiker sind. Es ist sehr wichtig gute Vorbilder zu haben, nach denen man sich richten kann. Wie seid ihr berühmt geworden? Ich denke nicht, dass wir berühmt sind. Wir machen einfach unsere Musik. Das Wichtigste ist dran bleiben. Nie aufgeben. Wenn man lange

Comics im „Headliner“

In der nächsten Ausgabe vom Headliner wird es, wie jeden ersten Freitag im Monat, wieder eine neue Folge unserer Serie „Hinterland“ geben. Und zu diesem Anlass dürfen wir mit Freude einen Neuzugang zu unserer Mannschaft verzeichnen. Es ist der junge Meraner Zeichner Kenneth Gasser, der uns seinen Hybriden aus Illustration und Comic „Von Wesen und Wurzeln“ präsentieren wird. Kenneth illustriert übrigens auch die in diesem Headliner startende MiniSerie „Der Schild“ (Seite 4).

Zeichnung: Kenneth Gasser

Hinterland - Folge 15

genug durchhält, werden immer mehr Leute auf einen aufmerksam. Hast du jemals zuvor etwas von Südtirol gehört? Wir spielten zwar schon in Italien, aber von Südtirol hatten wir bisher noch nichts gehört. Es ist eine sehr interessante Gegend. Mit all den kurvigen Bergstrassen komm ich mir vor wie bei einer Verfolgungsjagd in einem James Bond Film. Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor? Stretching ist für mich vor einem Auftritt sehr wichtig, da ich mittlerweile in die Jahre komme. Aber auch laufen ist eine gute Methode um fit zu bleiben, und viel Wasser trinken. Steckt hinter deinen roten Stiefeln eine besondere Geschichte? Hinter diesen Stiefeln steckt keine besondere Geschichte. Ich trage einfach gerne Boxerstiefel. Bis jetzt besitze ich sie in den Farben Schwarz, Rot und Blau. Grüne und gelbe Stiefel werde ich mir noch dazukaufen. Was haltest du von den italienischen Frauen? Ich liebe italienische Frauen. Eigentlich liebe ich alle Arten von Frauen, ganz egal woher sie kommen. Was für Musik hörst du privat? Eigentlich höre ich fast jegliche Art von Musik. Am liebsten sind mir aber Musikrichtungen mit afrikanischen Rhythmen, Jazz oder Musik von noch unbekannten Bands. Kannst du jungen Nachwuchsmusikern noch irgendwelche Tipps mitgeben? Lasst die Finger von harten Drogen. Spielt eure Musik und hört nie auf das zu tun, was euch gefällt. Egal was andere sagen, ihr macht es für euch! Info: www.valientthorr.com

Seit kurzem gehören wir dem Portal Issuu an, das eine einfache und zugleich schöne Art bietet, Magazine, Zeitschriften und ähnliches online zu erstellen und zu zeigen. So habt ihr nun die Möglichkeit, die ersten Headliner-Ausgaben (Nr. 1 vom 22.08.2008 – Nr. 4 vom 12.09.2008) im Netz durchzublättern oder auch herunterzuladen. Die aktuellen Ausgaben findet ihr nach wie vor beim Zeitschriftenhändler; das Headliner-Archiv aus vergangenen Jahren wird monatlich in chronologischer Reihenfolge um 4 Nummern erweitert. Info: www.issuu.com/headliner.archiv

Verlosung Nr. 2

Shape SP-CD gewinnen Am 17. Juli 2010 haben Shape SP aus München/Südtirol ihre neue CD „The Week Of The Ant“ veröffentlicht. Die 3-köpfige Band um (den auch auf Solopfaden wandelnden) Singer/Songwriter Kurt J. Moser aus Proveis spielt Alternative Rock und veröffentlicht über das Indie-Label noconcept recordings.

DIE VERLOSUNG

Wir verlosen 101 minus 100 CDs von Shape SP. Wenn ihr die kürzlich erschienene Scheibe „The Week Of The Ant“ haben möchtet, dann schreibt bis morgen, 17 Uhr an redaktion.headliner@gmx.com (Betreff: Shape SP. Vor- und Nachnamen und Anschrift nicht vergessen). Eine/r der Teilnehmer/innen wird die CD dann im Laufe der nächsten Woche im Postkästchen vorfinden (:


HEADL I N E R Freitag, 30. Juli 2010 – Nr. 146

von Reinhold Giovanett Illustration: Kenneth Gasser

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Der Schild Teil I.

ie war nicht mehr wirklich nervös, aber ihre gewohnte Gelassenheit hatte sie auch noch nicht wieder zurück. Wie auch, in der letzten halben Stunde hatte sie immerhin einen möglichen Ausweg aus der Sackgasse gesehen, in der sie sich seit Abschluss ihres Studiums befand. Das waren dann doch einige frustrierende bis langweilige Jahre, die sie zwischen Jobs und Arbeitslosigkeit verbracht hatte. Mehr aus

in denen Schriftstücke aus jener Zeit noch unentdeckt liegen mochten, blieben ihr verschlossen. Mit zugegebenermaßen sehr viel Naivität hatte sie sich schließlich auf oberitalienische Antiquitätenhändler, Trödlermärkte und ähnliches konzentriert. Gefunden hatte sie dabei nichts, was älter als vielleicht zwei- oder dreihundert Jahre gewesen war. Und dann das von eben.

zuging. Neben diversen Rüstungsteilen und Kettenhemden, lag da noch ein Schild, umgekippt und sichtlich mitgenommener und erkennbar älter als der Rest. Das dürfte ein Sachsen-Schild sein, hatte sie gedacht: rund, ein knapper Meter Durchmesser, ein metallener Schildbuckel, lederüberzogen … neugierig hatte sie ihn umgedreht und versucht die Zeich-

Gewohnheit als aus wirklichem Interesse hatte sie den Antiquitätenladen in Verona betreten. Sie hatte vier Jahre Geschichte studiert, Schwerpunkt Spätantike, was mit ihrer Faszination für die Zeit der Völkerwanderung zu tun hatte. Mit viel Engagement war sie dem Studium nachgegangen, war dabei auch immer auf der freilich aussichtslosen Suche nach verschollenem Quellenmaterial gewesen. Viel herumreisen konnte sie ja aus finanziellen Gründen nicht und die über Europa verstreuten Klöster,

Sie betrat den Laden, fragte freundlich ob sie sich etwas umschauen konnte und erhielt vom Besitzer nicht nur die Zustimmung, er zeigte ihr auch noch zwei relativ große Lagerräume, einen im Keller und einen im Hinterhof. Sie möge sich ruhig Zeit lassen, hatte der Händler gemeint. Das hatte sie eigentlich auch vor, wären ihr nicht zwei Rüstungen in einer Ecke ins Auge gefallen. Mittelalter … interessant … hatte sie gedacht, als sie auf den notdürftig zurechtgerückten Haufen Eisen

nung zu erkennen, die darauf angebracht war. Als sie mit etwas Mühe die stilisierte Form eines Meeresungeheuers erkannte, begann sie nachzudenken und versuchte sich daran zu erinnern, in welchem Zusammenhang sie von diesem Symbol in Verbindung mit einem Schild schon einmal gehört hatte. Als sie sich schließlich erinnerte, begann sie nervös zu werden. Zuerst suchte sie nach plausiblen Begründungen, warum dies nicht sein konnte. Konnte dieser Schild wirklich an die 1500 Jahre als sein?

So wie das Zeug da lag, war es erst vor kurzem hier abgelegt worden. Der Händler würde ihr einige Minuten später diese Annahme bestätigen. Ein Veroneser Bauunternehmer hätte so genannte Bausubstanz erworben und entrümpeln lassen. Er, der Händler, hätte diesem einiges von dem Material abgekauft und teuer bezahlt, wie er unterstrich. Natürlich hatte der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt die Veränderung in ihrem Wesen bemerkt und verhielt sich entsprechend. Was der Schild denn kosten würde, hatte sie mit der ihr möglichen Gelassenheit gefragt. Oh, der wäre teuer. Es wäre ja ein wirklich altes Stück. Nach längerem hin und her ließ er sich die Zahl von 15.000 Euro entlocken. Sie schluckte, wurde wütend, obwohl sie versuchte, ruhig zu bleiben. So viel Geld konnte sie nicht auftreiben. Nie und nimmer. In ein paar Tagen würde dieser Schild bestimmt einen anderen Käufer finden. Sie könnte einen ihrer ehemaligen Professoren um Hilfe bitten. Auch das würde zu lange dauern und wer weiß, wie die Verhandlungen dann wohl enden würden, wenn sich ihre Vermutungen bewahrheiten – oder auch nicht bewahrheiten - sollten. Sie wollte den Schild, und sie wollte selbst herausfinden, ob sie mit ihrer Annahme richtig lag oder nicht. Alles andere würde sich ergeben oder später noch entscheiden lassen. Der Händler machte ihr wenig verhüllte Andeutungen, dass er mit dem Preis beträchtlich nach unten gehen könnte, wenn er sie zum Abendessen einladen dürfte. Flapsig und lachend lehnte sie ab, gab ihm zu verstehen, dass sie verstanden hätte, was er meinte, ließ aber alles offen. Die Verhandelbarkeit war ihr deswegen wichtig, weil sie nachdenken wollte. Und dazu brauchte sie Zeit. Sie würde es sich überlegen, hatte sie gemeint und beim Verlassen des Ladens sagte sie, sie würde am nächsten Tag wieder kommen, er solle doch den Schild bis dahin für sie zurückhalten. Jetzt, wenige Minuten später, saß sie in einer Bar, einen Kaffee neben sich, bereute sie es, dass sie den Schild nicht länger betrachtet hatte. Trotzdem, sie versuchte sich zu sammeln und wollte überlegen was zu tun war.


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