Headliner #003

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DIE NEUE SÜDTIROLER

Freitag, 5. September 2008 – Nr. 178/16. Jg.

Tageszeitung > Redaktion Tageszeitung Headliner: headliner@tageszeitung.it – Tel. 329/5913560

Digitaler Sonnenschein „Sunshine Trippers“ und „June Niesein“ aus Brixen Elektrorock, Indie oder Psychedelic? Die Covers zu „12:06“ von „The Sunshine Trippers“ und „Choose Rainbows“ von „June Niesein“

von Eva Reichegger

ngesichts der sich häufenden Indizien wird die Existenz der „Sunshine Trippers“ immer wahrscheinlicher.“ Diese Aussage konnte man heuer im Internet lesen, denn dort tat sich einiges: Die Newcomer richteten eine Website ein, verschenkten ihre erste 3-Track-Single „12:06“ in Form eines kostenlosen Downloadpakets und veröffentlichten den dazugehörigen Musikclip als Sahnehäubchen obendrauf. Die Musik der Brixner Band war anfangs noch in Richtung Psychedelic ausgelegt, ent-

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wickelte sich durch das Einbringen von Elektrosamples in den Ohren mancher Hörer aber eher

zum experimentellen Indierock. Begonnen hatte alles vor ungefähr 3 Jahren als die jungen, kreativen

Köpfe Flo und Jus beschlossen, eine Band zu gründen. Nachdem die beiden in Mok, Lex und Crebs Gleichgesinnte gefunden hatten, musste ein sogenannter „Masterplan“ her. Doch diesen zu schmieden schien leichter zu sein, als ihn umzusetzen. Die Suche nach dem passenden Proberaum erwies sich als schwierig, denn die Zahlungsmoral der Bandmitglieder ließ zu wünschen übrig und auch der ein oder anderen Fortsetzung >


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Kampf gegen die Zeit Der Rapper MC Rotzbua

Freitag, 5. September 2008 Nr. 178

s ist ein harter Brocken, den „MC Rotzbua – Il Moccioso“ da auftischt. Er benutzt keine Metaphern, kennt keine Zurückhaltung, redet, wie er es für richtig hält, ohne jegliche Rücksicht. Obwohl er gerne belächelt wird, als Spinner und TschegglRapper bezeichnet, besitzt seine jüngste CD „In Da Buffet“ eine Intensität, die ihresgleichen sucht. „Finis Malefica“ hat eine äußerst beklemmende Atmosphäre und von Spaß-Rapper kann keine Rede sein. „Il Moccioso“ greift in den Texten auf die eigene persönliche Erfahrung zurück, malt wütende Bilder von der Südtiroler Realität, die bis auf Gegenbeweis, nirgendwo sonst so so klar und deutlich dargestellt wird: von der Scheinheiligkeit des „Bolzano bene“bis zu den finsteren Niederungen so mancher Dorfkneipe. „MC Rotzbua – Il Moccioso“ ist sich seines Image bewusst und hat nicht wirklich ein Problem damit. Es besitzt genügen Selbstironie um darüber zu lachen. Sein Namen , der ihm die Freiheit gibt, sich so zu geben wie er sich eben gibt, ist nicht zufällig gewählt. Und „Il Moccioso“ verweist auch ganz deutlich darauf, dass die italienische Sprache gleichwertiger Teil seiner Songs ist, wie der Südtiroler Dialekt. 2004 machte „MC Rotzbua – Il Moccioso“ erstmals von sich reden, als seine EP „In Da Pub“ auf den Feten, Mp3-Playern und Festplatten zirkulierte. „In Da Pub“ war das Remake von „In Tha Club“ von „50 Cent“, der

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Fortsetzung >

Zigarette konnten die Musiker trotz Rauchverbot im Proberaum nicht widerstehen. Auch die ersten Aufnahmeversuche am PC im selbst eingerichteten „Heimstudio“ des Sängers Jus scheiterten, weil die Prozedur – wie so oft – für die Mitbewohner im Haus nicht tragbar war. Trotzdem fand die Band nach und nach ihre Bestimmung und konnte nach langem hin und her den neuen Proberaum im Riggertal beziehen. Da Jus und Lex aus Studiengründen nach Wien zogen, konzentrierten sich beide zunächst verstärkt auf die Produktion der Songs am PC. Die Tracks wurden anschließend als Single verpackt und im Juni 2008 zum freien Download auf die Internetseite www.myspace. com/thesunshinetrippers gestellt. Mok und Flo blieben unterdessen in Brixen und gründeten kurzerhand die Liveband „Jade“, um die musikalische Zwangspause zu überbrücken und in Südtirol Bühnenerfahrung zu sammeln. Doch auch in Wien wurde es spannend, denn Frontmann Jus startete im Frühjahr 2008 sein erstes Solo-Projekt „June Niesein“ und ging abseits der Band seinen eigenen Weg. Hier zeigte er sich bislang großteils von seiner ruhigen

Scharfe Zunge: „MC Rotzbua – Il Moccioso“

2003 sein Debut-Album „Get rich or die trying“ veröffentlicht hatte und einer der diskutiertesten Rapper der nächsten Jahre werden sollte. Und den Ruf eines umstrittenen, kompromisslosen Rappers wird „MC Rotzbua – Il Moccioso“ in absehbarer Zeit nicht verlieren. Der Sterzinger , der mittlerweile in Bozen lebt, musste in den letzten Jahren eine Zwangspause einlegen, was die Veröffentlichungen betrifft. Das heißt aber nicht, dass er untätig gewesen wäre. Die Entstehung der Songs von „In Da Buffet“ geht auf 2005 zurück und sie hätten schon sehr viel früher erscheinen sollen. Zwar haben die Songs klangtechnische Korrekturen und Aktualisierungen erfahren, aber „MC Rotzbua – Il Moccioso“ legt Wert darauf, eine erst einmal angefangene Sache zu Ende zu führen. Und so sind für die nächsten Monate mindestens

zwei weitere Veröffentlichungen geplant, zwei CDs („Murder Freestyles“ Vol. 1 und Vol. 2), die bereits aufgenommene Freestyles enthalten werden. „Il Moccioso“ will sich von seiner Vergangenheit befreien, will sich von der Last der bereits aufgenommenen Tracks durch deren Veröffentlichung befreien, wobei es seine Ernsthaftigkeit als Musiker unterstreicht, dass er sich mit einer Hand voll mp3’s auf der eigenen MySpace-Seite nicht begnügt, sondern diese wie bei „In Da Buffet“, auf CD packt und diese in die Läden bringt. „Il Moccioso“ sieht sich heute reifer, er hat sich weiterentwickelt und plant Anfang 2009 mit der Poduktion der neuen Songs zu beginnen. Durchdachter, subtiler und intelligenter sollen die neuen Sachen werden, ohne aber an Deutlichkeit, Aussagekraft , Ziel-

genauigkeit und atmosphärischer Intensität zu verlieren. Mit der Auswahl möglicher passender Beats hat er bereits begonnen. So versucht er der eigenen Kreativität und Produktivität Herr zu werden und endlich in der Gegenwart das zu machen, was ihm auf der Zunge liegt. Bis er diesen Punkt erreicht, versucht er seine Freestyles zu perfektionieren, macht den einen oder anderen Auftritt und arbeitet in seinem Studio gleichzeitig an Vergangenheit und Zukunft. „MC Rotzbua – Il Moccioso“ ist im Auge zu behalten. Die Klarheit, Kompromisslosigkeit und Beharrlichkeit seiner Arbeit setzt die Latte für so genannte kritische Geister sehr hoch. „Il Moccioso“ steht am Samstag, 13. September im Jugendzentrum „No Logo“ eine Stunde lang auf der Bühne. (rhd). Info: www.moccioso.com

Seite und handelte ganz nach dem Motto „Mann und Mac genügen“. Das junge Talent programmierte seine Tracks am Computer und nahm Gitarre und Gesang wie gewohnt auf. So komponierte der

merkenswerte Kombination aus sanftem Elektropop, melancholischem Gesang und einem Videoclip, der mit einer hoch angesetzten Ästhetik der Bilder erstaunte. Bisher haben „June Niesein“ und

wie möglich zu verwirklichen. Die Band betrachtet diese Plattformen zwar nicht als professionell, da die nötigen High End Systeme für Audio- und Videotechnik noch nicht vorhanden sind, doch ans Aufhören wurde deshalb nie gedacht. So gab es bereits Verhandlungen mit dem österreichischen Musiksender GoTV und eine Clip-Präsentation vor etwa 250.000 Menschen auf dem „Urban Art Electronic Festival“ in Wiesen. Trotzdem konnten Außenstehende das Geschehen rund um die „Sunshine Trippers“ fast ausschließlich in der digitalen Medienwelt verfolgen. Bis jetzt fand nur ein gemeinsamer Liveauftritt statt - und der ging leider mehr oder weniger unangekündigt über die Bühne. Doch da zurzeit fleißig geprobt wird und für zukünftige Konzerte der Bassist Stefan in die Band geholt wurde, darf man gespannt sein was die Zukunft bringt. Vielleicht sind das ja Anzeichen dafür, dass sich die „Sunshine Trippers“ schon bald endgültig aus ihrem virtuellen Schlupfwinkel wagen. Und darauf können wir uns freuen, denn ihr Auftritt auf den Bühnen dieses Landes könnte genauso einschlagen wie jener in der digitalen Welt. In diesem Sinne: „Die Sonne scheint. Guten Flug.“

Die „Sunshine Trippers“: Jung und einfallsreich

Student auf unkomplizierte Art und Weise Lieder, die vor allem von ihrer traurigen und zugleich doch positiven Atmosphäre leben. Die erste Single „Let it go“ aus dem soeben fertig gestellten Debütalbum „Choose Rainbows“ war eine be-

die „Sunshine Trippers“ alle ihre Musikclips und Songs über die (hauseigenen) Plattformen „Starship Frequency Studios“ und „Infected Records“ veröffentlicht. Beide Indie-Label wurden gegründet, um junge Musiker zu unterstützen und gleichzeitig die eigenen Träume so realitätsbezogen


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NEWS Chris Costa

Freitag, 5. September 2008 Nr. 178

Der Gadertaler Pianist, Songschreiber und Jazzmusiker Christian Pescosta hat mit „Caress“ seine jüngste CD veröffentlicht. Die CD erscheint unter dem Namen „Chris Costa“ und enthält elf gelassene, ruhige Popsongs. Unter den beteiligten Musikern: Luca Boscagin (Gitarre), Alex Trebo (Tasten), Phil Mer (Schlagzeug) und Lidia Cerbaro (Stimme). Info: www.chriscosta.org.

Tagebuch 1

„John’s Revolution“ im Studio Die Bürggräfler Britpop- ... ähm ... Britrock-Band „John’s Revolution“ befindet sich seit einigen Wochen in einem Münchner Studio um ihr Debütalbum zu produzieren und halten die Geschehnisse in einem Studio-Report fest. Nachzulesen auf www.johnsrevolution.com.

Tagebuch 2

„Morrison’s Doghouse“ Auf das eigene technische Können verlassen sich hingegen die Vilpianer Rocker „Morrison’s Doghouse”. Sie arbeiten zwar

ebenfalls an einer eigenen CD, machen aber alles selbst. Trotz Datenverlust und diverser anderer Pannen – siehe www.morrisonsdoghouse.com – lassen sich die „Doghouser” nicht beirren. Wär’ ja noch schöner, echte Rock’n’Roller geben nicht auf! Live und in Farbe sind sie heute in der „Pizzeria Weinstraße”, Kurtatsch zu sehen. Beginn: 22 h.

Riskantes Experimentieren: Markus Dorfmannversucht eine neue Vriante

Schmäh ≠ Schmäh Das jüngste Album des Liedermachers Markus Dorfmann. in Künstler darf neue Wege einschlagen, Neues versuchen und nach Belieben experimentieren. Viele meinen sogar, ein Küstler müsse das tun. Das gilt natürlich auch für Markus Dorfmann, der vor knapp fünf Jahren damit begonnen, seine eigenen Songs live und auf CD an die Öffentlichkeit zu bringen. Dorfmann hat keinerlei Schwierigkeiten damit, neue Songs zu schreiben und er kann mit berechtigtem Stolz von sich behaupten, bereits kleine Gassenhauer geschaffen zu haben: „Dor Franz vom Grödnertol“ etwa, oder „Die Sabine vom Biovital“. „Papa Ratzi“, anlässlich des Papstbesuches in Brixen geschrieben und mit gutem Timing Ende Juli veröffentlicht, könnte es theoretisch auch noch schaffen. „Papa Ratzi“ ist der erste Track der neuen CD „Die Paparazzi“, die im Juli im neuen Studio von Martin Resch in Steinegg aufgenommen wurde. Wer die Live-CD „Kraut & Ruabm“ noch im Ohr hat, wird über die neue Produktion erstaunt stutzen: Abgesehen von der akustischen Gitarre von Markus und dem Sax vom Resch klingt alles sehr nach Plastik und überschreitet beispielsweise bei „Piccino piccino“ sogar die Grenze zum volkstümlichen Schlager bzw. zum Liscio. Dabei hätte es Dorfmann gar nicht nötig, sich auf die Bequemlichkeiten digitaler Aufnahmetechnik wie Samples, Midi etc. zu verlassen, im Gegenteil. Mit dem Gitarristen Alexander Werth und dem Schlagzeuger und Tubaspieler Matthias Baumann hat er ein solides Musikergespann im Rücken, das ihm technisches Können und, was viel wichtiger ist, Originalität bietet. Martin Resch würde mit seiner Persönlichkeit und seinem Können das Ganze blendend ergänzen. Dass sich Dorfmann im Studio

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Zu haben für 19.90 Euro: „Die Paparazzi“ von „Dordoggising“

aber nur auf Keyboards und Software verlässt, ist ein Stilbruch, der eigentlich nur als spontaner Schnellschuss nachvollziehbar ist. Das Glatteis, auf dem sich Dorfmann befindet, das zeigte die CD-Präsentation der beiden am 28. Juli im Innenhof des „Forums“ in Brixen. Die beiden präsentierten sich dem Publikum sehr flapsig, machten ihre Späße und holten sich auch anerkennenden Applaus. Resch jedoch, der seit Jahren als Alleinunterhalter unterwegs ist , rutschte mehrmals in den typischen Festzelt/IglooSchmäh ab. Wohl aus Gewohnheit, zu Dorfmanns Liedern passte das nicht wirklich. Zudem stammte die Musik – bis auf die Hauptstimmen, das Sax und die akustische Gitarre – gänzlich von der Festplatte. Mag man als Alleinunterhalter darauf angewiesen sein und hat sich das Publikum der volkstümlichen Musik auch daran gewöhnt, für einen wie Dorfmann ist das gefährlich und nicht unbedingt passend. Die positive Seite der Verbindung Dorfmann und Resch war freilich auch wahrnehmbar: Dorfmann, dem die Bühne bisher „allein“ gehörte, hatte einem wahren Bühnenprofi die Stirn zu bieten und wenn die beiden eine gemeinsame,

passende Wellenlänge erst einmal gefunden haben, dann kann das Publkum und „Dordoggising“davon profitieren. Zudem zeichnen beide für die Arrangements der Songs verantwortlich , wobei laut einem Interview bei Hans Taubers Radiosendung im Sender Bozen, viele dieser Ideen von Martin Resch stammen.„Luis, I bin dein Fan“ist textlich zwar eher schwach, enthält aber viele witzige Ideen, wie beispielsweise das „Sister Sledge“-Zitat „We are Family“. Unterm Strich bleibt ein zwiespältiges Gefühl. Die CD gewinnt zwar durch mehrmaliges Hören, richtig überzeugen kann sie aber nicht. Info: www.dordoggising.com (rhd)

Programm Radio „Freier Fall“ Freitag, 19.45 bis 23.00 Uhr RAI Sender Bozen DAS PROGRAMM FÜR HEUTE: CD der Woche: Motörhead „Motörizer“ Ruth Goller: Eine Bassistin in London George McAnthony: Die neue CD „Bridge To El Dorado“ „Mr. Mule“: Live in Kurtatsch (Teil 1) Nähere Infos: http://radiofreierfall.blogspot.com Diskussion: www.stmb.net (South-Tyrolean Music Board)

Foto: Andrea Lüpke

Neue CD „Caress“


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