Compliance Manager_16

M AGAZIN FÜR COMPLIANCE MANAGEMENT AUSGABE 16 (3/2018) WWW.COMPLIANCE-MANAGER.NET

Dieses Heft lässt Ihre Arbeit blühen.

M AGAZIN FÜR COMPLIANCE MANAGEMENT AUSGABE 16 (3/2018) WWW.COMPLIANCE-MANAGER.NET

Thema Nachhaltige Compliance 6 IM INTERVIEW: Die führenden Köpfe des Projektes Stadtsprecher berichten über den schnell wachsenden Berufsverband der Compliance Manager und ihre Zukunftspläne 32 ENDLICH AUSSPRECHEN: Daniel Scire schreibt über die Berufsdilemmata der Compliance Officer 28 IM INTERVIEW: Dr. Klaus Moosmayer schildert, was gerade im Antikorruptionskampf auf internationaler Ebene passiert

A perfect day to implement some trade compliance measures

Organisations-, Prozess- und Complianceberatung im AuĂ&#x;enhandel.

Telefon +49 (0)69 710 456 075, office@hagemann-tcc.eu, www.hagemann-tcc.eu

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EDITORIAL

Compliance Manager 2/18 3/18

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

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Dieses Heft ist Compliance-philosophisch geworden. Denn es geht um ein „Überdenken“ unserer ComplianceGrundfesten, unserer mentalen Modelle, des Beitrages unseres Berufes zur Unternehmenswertschöpfung.

Dieser rote Faden zieht sich durch die Interviews, die Beiträge der Compliance-Praktiker, und es ist eben auch das Thema der Titelstory.

In der Titelstory geht es um den Sinn und Unsinn in der Ausübung unseres Compliance-Berufes. Dieses Innehalten und Nachdenken muss auch mal sein. Viele Compliance Officer, mit denen ich spreche, erzählen mir, dass sie merken, wie in ihre Unternehmen neue Themen, neue Gedanken und junge Mitarbeiter mit ganz anderen Gewohnheiten und Ansprüchen kommen. Die Compliance Officer selbst und mit ihnen auch ihre CMS müssen darauf reagieren. Was allerdings auch viele merken, ist, dass sie mit dem klassischen CMS und der Art und Weise, wie man bisher den Compliance-Beruf ausgeübt hat, nicht immer den aktuellen Anforderungen der Wirtschaftswelt

gerecht werden. Und da ist das Thema Digitalisierung nur einer von vielen Punkten.

Das war auch der Grund, warum wir zum Thema der Titelstory „Nachhaltigkeit im Compliance-Beruf“ gewählt haben. Denn das Konzept des nachhaltigen Handelns hat sich bewährt, weil es zukunftsgerichtet ist. Oder wie Prof. Dr. Andreas Suchanek es ausgedrückt hat – es vermeidet Endspiele. Man denkt bewusster, zielführender und achtsamer. Vielleicht hilft es uns in unserem Berufsalltag, Dinge zu überdenken und zu einer neuen Strategie zu finden?

Das hoffe ich jedenfalls und wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

IHRE IRINA JÄKEL EDITOR IN CHI E F

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IN DIESER AUSGABE

Compliance Manager 3/18

TITEL

Wie wird Compliance nachhaltiger?

Die nächste Reifestufe der Compliance sieht so aus: Mit der Unternehmensstrategie Schritt zu halten, einen Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens zu leisten, als ein Diskussionspartner auf Augenhöhe anerkannt zu werden, neue Themen der Wirtschaftswelt schneller zu erkennen

und darauf im Voraus zu reagieren. Wir müssen über die Nachhaltigkeit in unserem Beruf nachdenken, damit wir uns weiterentwickeln und in diese nächste moderne Compliance-Dimension kommen.

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IMPRESSUM

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STUDIE

BERUFSVERBAND DER ­C O M P L I A N C E M A N A G E R

Stadtsprecherkonzept: Stärke durch Netzwerk Im August 2018 hat der Berufsverband der Compliance Manager (BCM) sein Stadtsprechernetzwerk ausgeweitet. Da der Verband sehr schnell wächst, konnte er der steigenden Mitgliederzahl durch das bisherige BCM-Netzwerk der Regionalgruppen nicht mehr gebührend begegnen. Um allen Mitgliedern eine angemessene Betreuung zuteilwerden zu lassen, musste das Regionalgruppennetzwerk umstrukturiert werden. In zehn Ballungszentren wird es jetzt Stadtsprecher geben.

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The Future of Compliance 2018 – Welche Rolle spielen der ­Kunde und die Digitalisierung im ­Compliance Management?

Der Kunde wird immer stärker zu einer entscheidenden Größe für ein professionelles Compliance Management. Auch aus diesem Grund gewinnen Nachweise und Compliance-Marketing zunehmend an Bedeutung, und Compliance-Verstöße mit Kundenbezug ziehen oft umfangreiche Maßnahmen nach sich.

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Eine Zeitschrift des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM) Herausgeber Rudolf Hetzel Frederik Nyga Torben Werner Redaktion Irina Jäkel Editor in Chief Telefon: 030 / 84 85 93 20­ irina.jaekel@bvdcm.de Mitarbeit an dieser Ausgabe Daniel Scire Uwe Schoumakers, CellMark-Gruppe Gestaltung und Illustration Marcel Franke, Armen Vanetsyan Korrektorat Dr. Roland Kroemer Werbelektorat txt-file Fotoredaktion Jana Legler

I N T E G R I TÄT

Von der Kunst, das Richtige zu tun „Wer weiß, was das Richtige ist, wird auch das Richtige tun“, so ein Zitat des Philosophen Sokrates. Wenn es doch nur so einfach wäre, bei moralischen Fragestellungen das Richtige zu erkennen und danach zu handeln.

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Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@helios-media.de Druck PieReg Druckcenter Berlin GmbH Vollstufige Bogenoffsetdruckerei Benzstraße 12 | 12277 Berlin (Marienfelde) Abonnementkonditionen Inland: 4 Ausgaben – 68 Euro Ausland: 4 Ausgaben – 78 Euro Alle Preise inkl. MwSt. und Versandkosten Im Internet www.compliance-manager.net

ANTIKORRUPTIONSKAMPF

„Immer wenn Geld im Spiel ist, ist es schwierig, mit ­Argumenten zu kommen.“ Was passiert gerade im Antikorruptionskampf auf internationaler Ebene? Dazu haben wir mit Dr. Klaus Moosmayer, Chief Compliance Officer bei Siemens und Stellvertretender Vorsitzender der Gruppe für Integrität und Compliance unter Argentiniens Präsidentschaft der G20/B20, gesprochen.

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M OT I VAT I O N

Wie umgehen wir das Hase-Igel-Rennen?

Ein extrinsisch an den Mitarbeiter heran­ getragenes Erfordernis zur Regel­treue wird wirkungslos sein und greift auch zu kurz.

44 RUBRIKEN

Editorial 3 Impressum 5 Bücher 24

Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 ­ Fax: 030 / 84 85 92 00 info@quadriga.eu

Bildachweise: Doppelcover: Gabriela Tulian/ gettyimages; S. 3: privat; S. 4: Zeichnung Marcel Franke; S. 5: privat(3), BCM, Siemens, privat, privat; S. 6: BCM, privat(2); S. 7: privat; S. 8: BCM, privat(2); S. 9: privat; S. 10–23: Zeichnungen Marcel Franke; S. 24: Wiley-VCH, Nomos Verlag, ESV Erich Schmidt Verlag; S. 25: Nomos Verlag, Murmann Publishers, ESV Erich Schmidt Verlag; S. 28: Siemens; S. 32–36: Zeichnungen Marcel Franke; S. 37: Autorenbild privat; S. 44–48: Zeichnungen Marcel Franke, Autorenbild privat

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Im August 2018 hat der Berufs­ verband der Compliance Manager (BCM) sein Stadtsprecher­netzwerk ausgeweitet. Da der Verband sehr schnell wächst, konnte er der steigenden Mitgliederzahl durch das bisherige BCM-Netzwerk der Regional­gruppen nicht mehr gebührend begegnen.

Um alle ­Mitglieder eine angemessene Betreuung zuteilwerden zu lassen, musste das Regionalgruppen­ netzwerk umstrukturiert werden.

In zehn Ballungs­zentren wird es jetzt Stadtsprecher geben. Wir haben mit den führenden ­Köpfen des ­Projektes Stadtsprecher, Markus Walke, Dr. Ralf Amenda, ­Michael Zammert und Michael Falk, ­gesprochen.

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„ Stärke durch Netzwerk“ 4

1 Markus Walke Geschäftsführender Vizepräsident des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM) 2 Dr. Ralf Amenda Regionalgruppensprecher der Region Berlin/Brandenburg des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM)

3 Michael Falk Regionalgruppensprecher der Region Nordrhein-Westfalen des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM) 4 Michael Zammert Regionalgruppensprecher der Region Bayern des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM)

INTERVIEW: IRINA JÄKEL

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Irina Jäkel: Herr Walke, neben den schon existierenden Regionalgruppen gibt es bereits in einigen Ballungsgebieten Stadtsprecher. Sie sind gerade mit Ihrem Aufruf vom August 2018 dabei, für alle zehn identifizierten Ballungszentren Stadtsprecher zu finden. Könnten Sie uns die Idee hinter dem Stadtsprecherkonzept erklären?

Markus Walke: Die eigentliche Stärke unseres Verbandes ist neben der Expertise die Verbandsgröße und die Erfahrung unserer tausend Mitglieder. Diese wollen wir jetzt viel stärker bündeln. Das steckt hinter dem Stadtsprecherkonzept. Wir haben schon gemerkt, dass unsere Mitglieder sich vernetzen und austauschen wollen.

Aber genauso wollen sie auch kurze Wege und sich auf kleineren Plattformen treffen, um sich zu öffnen. Denn um sich offen auszutauschen – dazu gehört Wärme und Vertrauen. Und das entsteht nicht, wenn man sich zweimal im Jahr auf irgendeiner Veranstaltung trifft. Unser Berufsverband ist groß und stark, aber der Wert des Verbandes bestimmt sich daraus, dass wir den Erfahrungswert unserer vielen Mitglieder auf den unterschiedlichen Ebenen mehr und effektiver miteinander vernetzen. Mit unserem Stadtsprecherkonzept wollen wir näher an den Mitgliedern dran sein.

Wir haben die Mitgliederstruktur unseres Verbandes analysiert und daraus die zehn Ballungszentren bestimmt. Das sind München, Frankfurt am Main, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln/Bonn, Duisburg/Oberhausen/Essen, Stuttgart/Schwäbische

BCM

„Die eigentliche Stärke unseres Verbandes ist neben der Expertise die Verbandsgröße, klug organisierte überregionale Struktur und die Erfahrung unserer tausend Mitglieder.“ Alb, Dortmund/Bochum/Hagen sowie Mannheim/Heidelberg. Wir haben zum Beispiel alleine in München 150 Mitglieder. Darüber hinaus wissen wir mittlerweile sogar genau, welche regionalen Branchenschwerpunkte wir haben. Daher sehen wir in unserem Stadtsprecherkonzept auch eine Art Verfeinerung, um besser auf die Bedürfnisse der Mitglieder und auch die Bedürfnisse der Städte einzugehen und so qualitativ besser zu werden.

Wir wollen mehr mit dem Ohr an den Städten und Ballungszentren dran sein, und so bekommen wir mit, was in den Städten passiert.

Wir wollen als Verband die Compliance-Zukunft nachhaltig prägen, nach vorne schauen. Dazu brauchen wir eine klug organisierte überregionale Struktur, die neue Ideen zulässt und engagierten und aktiven Mitgliedern die Chance gibt, daran mitzuarbeiten und mitzugestalten.

Michael Zammert: Das Stadtsprecherkonzept ist ein Schlüsselelement zur Verankerung des BCM und seiner Regionalgruppen in und an der Basis.

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Entscheidend für uns als Verband ist es, ein Gespür für die Bedürfnisse in verschiedenen Lokalitäten zu bekommen, Impulse und Rückmeldungen darüber zu erhalten, welche Themen – je nach Branche und lokaler Konzentration – den Mitgliedern besonders wichtig für ihre Arbeit sind. So können wir den BCM von der Basis über die Region bis auf Bundesebene auf der Höhe der jeweiligen Entwicklung halten und Mitgliedern den Mehrwert bieten, den sie benötigen.

Michael Falk: Die geografische Nähe ist für mich einer der wichtigen Punkte beim Stadtsprecherkonzept.

Denn nach der Arbeit fährt keiner mehr eine Stunde zu einem BCM-Arbeitskreis, um dann wieder eine Stunde zurückzufahren. Das Stadtsprecherkonzept geht dieses Problem an.

Markus Walke: Wir suchen derzeit noch für einige Ballungsgebiete Compliance Officer als Stadtsprecher.

Wir haben mit Dr. Ralf Amenda, Michael Falk und Michael Zammert sehr engagierte und erfahrene Regionalgruppensprecher, die in ihren Regionen eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Diese konnten wir für die Stadtsprecher als Mentoren gewinnen. Sie werden den Stadtsprechern zur Seite stehen und mit Rat und Tat helfen, die Verbandsarbeit nach vorne zu treiben.

Irina Jäkel: Das ist ein gutes Stichwort, um über das Rollenverständnis zu sprechen. Worin werden im Stadtsprecherkonzept Ihre Aufgaben bestehen?

Michael Zammert: Unsere Rollen sind vielfältiger Natur. Wir sind Organisatoren, Moderatoren, Informationsgeber darüber, was in der Region passiert, Kommunikatoren, Multiplikatoren, und zwar mit Blick auf das noch auszubauende Stadtsprecherkonzept. Wir sind also konkrete Ansprechpartner für alles, angefangen

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von der thematischen Abstimmung bis hin zur logistischen Unterstützung, um Dinge auf die Beine zu stellen.

Wir wollen sicherstellen, dass die Kollegen von uns tatsächlich für den Verband profitieren können. Nicht nur von der logistischen Unterstützung, sondern auch von unserer Erfahrung und unserem Wissen, und zwar sowohl vom fachlichen Wissen als auch vom Wissen über Kontakte und über den Verband oder die Region. Mit diesem Wissen können wir nicht nur helfen, die Verbandsarbeit in den Stadtsprecherbezirken aufzubauen, sondern diese auch zu fördern und am Laufen zu halten und so über ein hochwertiges Angebot neue Mitglieder zu gewinnen und bestehenden Mitgliedern einen echten Mehrwert zu geben.

Dr. Ralf Amenda: Ich kann das, was mein Kollege Michael Zammert gesagt hat, voll unterschreiben, möchte es nur noch um einen Punkt ergänzen.

Auch ich möchte Kollegen Unterstützung anbieten. Das Konzept lebt aber nur, wenn wir im regen Austausch mit der BCM-Geschäftsstelle stehen und mit dem Präsidium. Daher ist unsere Funktion als Schnittstelle ganz wichtig. Denn wenn es irgendwo hakt, dann können wir nur effizient Probleme lösen, wenn wir im Austausch mit dem Präsidium stehen. Denn wichtig ist doch, dass wir eine echte Veränderungsbereitschaft haben.

Markus Walke: Sie sehen, das ist sozusagen das Change Management mit uns selbst. Denn wir müssen auch die Anforderungen der jungen Compliance Manager verstehen und dem gerecht werden, um so die Zukunft zu gestalten. Wir Compliance-Menschen leben sehr viel in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Wir reden über Sachen, die passiert sind und passieren. Wir reden aber viel zu wenig darüber, wie wir diesen Erfahrungsschatz dazu nutzen, die Zukunft zu gestalten, damit es nicht mehr passiert, und wie man mit bestimmten Themen in der Zukunft umgeht. Wir müssen nach vorne schauen und in die Neu-

ausrichtung gehen sowie gleichzeitig auch zulassen, dass die Jugend an uns vorbeizieht. Wir wollen so mit dem Stadtsprecherkonzept den Verband auch zukunftsorientiert aufstellen.

Das bedeutet für uns, die Bedürfnisse der Nachfolgegeneration zu erkennen und loszulassen. Wir standen am Anfang, in der Aufbauphase des BCM. Aber ganz vorne mit dabei zu sein, die Netzwerke zu gestalten – das ist nun schon wieder ein Generationsschritt weiter. Und das muss auch die Rolle der Stadtsprecher sein, ihre Rolle wird die der Innovatoren und der Motivatoren der zukünftigen Compliance-Generation sein.

Michael Falk: Ja, nun brauchen wir auch junge Leute, die eigene Ideen einbringen können und wollen. Hier bin ich bei dem, was Dr. Ralf Amenda gesagt hat, hierzu brauchen wir eine enge Unterstützung vom BCM-Vorstand. Da muss der Austausch stattfinden, und erst dann müssen wir alles zu einem Gesamtkonzept zusammenstellen. Es ist sehr wichtig, dass wir mit den Stadtsprechern viele Junge erreichen. Wir wollen gerade mit den jungen Compliance Officern, die vielleicht

„Wir wollen den Erfahrungsschatz unserer vielen Mitglieder dazu nutzen, um die Zukunft zu gestalten.

Das bedeutet für uns, die Bedürfnisse der Nachfolgegeneration zu erkennen und loszulassen.“

9 jetzt erst anfangen, ein Sprachrohr haben zwischen Compliance Officern wie wir, die schon älter sind und lange dabei sind, und den jungen Leuten in Compliance. Denn die jungen Leute kommunizieren auch ganz anders, indem sie die neuen Medien, wie zum Beispiel die Social-Media-Plattformen, nutzen. Und sie können somit viel intensiver Gleichgesinnte ansprechen und motivieren. So können wir die Zukunft unseres Verbandes auch effektiver sichern und gestalten.

Irina Jäkel: Sie haben nun die Idee des Stadtsprecherkonzeptes sehr gut dargelegt. Wenn irgendwann alle Stadtsprecher stehen, welche Schritte kommen dann?

Michael Falk: Wenn das Konzept erst einmal zum Start gekommen ist, dann ist die Kommunikation wichtiger denn je. Wir müssen dann Kanäle finden, mit deren Hilfe wir nach außen vermitteln, welche Aktivitäten durchgeführt wurden oder auch geplant sind. Einer der Kanäle wird von den Stadtsprechern über die Regionalgruppensprecher sein. Darüber hinaus brauchen wir den Multiplikator über die Medien, zum Beispiel über den Compliance Manager.

Michael Zammert: Unser Ziel ist, die Leute vor Ort als Stadtsprecher nicht nur als Umsetzungskatalysatoren einzusetzen, sondern auch als Inputgeber sowohl für uns als Regionalgruppensprecher als auch für den Verband. Zukünftig müssten wir daher auch ein verbandsseitiges Projektmanagement aufsetzen, um die Dinge tatsächlich auch konkret umzusetzen, nicht nur für spezifische Fachthemen, sondern auch für die jeweiligen Branchen. Denkbar, wenn auch ressourcentechnisch fordernd, ist beispielsweise die Einrichtung eines branchenspezifischen Rechtsmonitorings, um die Mitglieder über die für sie maßgeblichen rechtlichen bzw. aufsichtsrechtlichen Entwicklungen und Risiken zu informieren.

Das Gespräch führte Irina Jäkel.

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Wie wird Compliance

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nachhaltiger?

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TEXT IRINA JÄKEL

Die nächste Reifestufe der Compliance sieht so aus: Mit der Unternehmensstrategie Schritt zu halten, einen Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens zu leisten, als ein Diskussionspartner auf Augenhöhe anerkannt zu werden, neue Themen der Wirtschaftswelt schneller zu erkennen und darauf im Voraus zu reagieren. Wir müssen über die Nachhaltigkeit in unserem Beruf nachdenken, damit wir uns weiterentwickeln und in diese nächste moderne Compliance-Dimension kommen.

H

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ob Ihre Compliance-Arbeit nachhaltig ist? Mit nachhaltig ist hier gemeint, dass das, was Sie tun, auch langfristig Bestand hat, dort wirksam ist, wo es wirken soll, und einen Wertbeitrag für Ihr Unternehmen hat. Sie werden sehen, dass Überlegungen zur Nachhaltigkeit Ihres Compliance-Tuns einen Sinn haben, weil es Ihnen hilft, die nächste Stufe der Compliance-Reife zu erklimmen und nicht im täglichen Kleinkrieg unterzugehen. Denn der Compliance-Alltag wird von Zeitnot, vielem Reisen und einer Vielfalt an unterschiedlichen Themen bestimmt. Es ist menschlich, dass man sich in Details verliert. Nur leider wird mit Ihnen deswegen keiner

im Unternehmen Mitleid haben. Ihre Unternehmensführung erwartet von Ihnen einen strategischen Wertbeitrag. Daher sind Gedanken zur nachhaltigen Compliance sinnvoll. Wir zeigen Ihnen warum:

Es hängt alles zusammen Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird heute oft gebraucht. Aber man verortet ihn mehr im ökologischen Bereich. Ist auch richtig so, denn zum ersten Mal wurde das Nachhaltigkeitsprinzip von Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz im Jahre 1713 umschrieben, als er von einer Bewirtschaftungsweise sprach, die auf einen

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möglichst hohen, gleichzeitig aber dauerhaften Holzertrag der Wälder abzielte. Anders formuliert: Man sollte jedes Jahr nicht mehr Bäume fällen, als diese innerhalb einer bestimmten Zeit nachwachsen können. Es ist ein Prinzip der nachhaltigen Ressourcennutzung.

Die Idee der Nachhaltigkeit ist – auf unsere modernen Zeiten übertragen – einfach formuliert, dass wir heute so leben, dass es auch den Generationen nach uns noch möglich sein wird, ihre Bedürfnisse ebenfalls zu befriedigen und in einer lebenswerten Umgebung zu leben. Dazu sollen die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben und gerecht verteilt wer-

den. Heute wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ ganzheitlicher gebraucht und umfasst die Dimensionen Ökonomie, Ökologie, Soziales und Kultur. Das bedeutet, dass eine Entwicklung nur dann nachhaltig ist, wenn bei der Umsetzung der Ziele die wirtschaftliche, die ökologische, die soziale und die kulturelle Dimension gleichberechtigt berücksichtigt werden. Keine der vier Dimensionen hat eine stärkere Präferenz vor den anderen – weil sie miteinander zusammenhängen. In der Dimension Kultur finden wir die ethischen Werte und eine verantwortungsvolle Lebensweise.

In diesem Sinne wurde auch die CSR-Berichtspflicht eingeführt. Im

Jahre 2014 wurde vom Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten eine Richtlinie verabschiedet, die die Berichterstattung von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, Kreditinstituten, Finanzdienstleistern und Versicherungen um die ökologischen und sozialen Aspekte erweitert. Neben den Themen der Umwelt, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie Achtung von Menschenrechten geht es eben auch um das Thema der Bekämpfung der Korruption und Bestechung. In Deutschland ist diese CSR-Richtlinie seit dem Geschäftsjahr 2017 auf die Lageberichte der Unternehmen anwendbar.

„Die restriktive Compliance wird in Zukunft so nicht mehr funktionieren.

Weil sie zu langsam ist, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Gesetzgeber bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung gar nicht mehr hinterher kommen und keine Antworten auf die Fragen bieten, die derzeit auch für Unternehmen anfallen.“ Prof. Dr. René Schmidpeter

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In unserem Fall geht es aber nicht darum, zu bestimmen, ob ein Compliance Management System zur Nachhaltigkeit gehört oder nicht. Das wurde für uns bereits auf der politischen Ebene entschieden und festgelegt: Beim CSR geht es um Nachhaltigkeit, und da fällt Compliance eben auch darunter.

Vielmehr geht es hier darum, wie wir unsere Compliance-Arbeit nachhaltig gestalten. Warum? Es gehört zur modernen Erkenntnis, dass nur nachhaltig angelegte Konzepte erfolgversprechend sind. Weil sie eine ganzheitliche Sicht umfassen und nicht bloß von einem einzigen, klar eingegrenzten Thema getrieben sind – beispielsweise dem reinen Geldverdienen. Erfolg haben heißt heute in der digitalen Welt, eine 360-GradSicht einzubeziehen. Und es bedeutet auch, verantwortlich zu handeln und achtsam mit den Mitarbeitern, den Ressourcen und dem Unternehmen umzugehen.

Nachhaltigkeit lohnt sich Noch gibt es keine Studien, die belegen, dass ein Unternehmen auf lange Sicht besser – nicht zuletzt finanziell – abschneidet, wenn es Compliance-Systeme integriert und ethisches Verhalten lebt. Dafür gibt es aber viele Studien und Metastudien, die belegen, dass zum Beispiel ein Unternehmen, das nachhaltiges Verhalten lebt und auf nachhaltige Strategie setzt, beim Return on Investment um 5 Prozent besser abschneidet als Unternehmen, die nicht nachhaltig sind. Und die Investoren schauen heute mehr denn je darauf, dass sie in ein nachhaltiges Unternehmen investieren, weil es für sie ein geringeres Risikopotenzial hat.

Wenn Sie sich dazu näher informieren wollen, schauen Sie sich bitte die Metastudie über die Nachhaltigkeit von Unternehmen an: University of Oxford and Arabesque Partners: From the Stockholder to the Stakeholder.

How Sustainability can drive financial outperformance. Und hier noch eine weitere: Harvard University: Corpo-

Zukünftig werden Compliance Officer zum Beispiel mit solchen Themen wie „Community“ konfrontiert werden.

rate Sustainability: First evidence of Materiality. Wenn man wachsam den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft folgt, dann stellt man fest, dass die Zeit ja doch für uns „arbeitet“ – daher können wir optimistisch sein, dass es irgendwann auch ähnliche Studien für die Corporate Compliance geben wird.

Was ist der Sinn des Lebens?

Und bis dahin überlegen wir uns, wie wir als Compliance Officer zur strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens und zu seiner Wertschöpfung beitragen können. Das ist nachhaltige Compliance im Unternehmen. Denn wir haben die Möglichkeit, mit unserem nachhaltigen Verhalten bei der Compliance-Arbeit erstens ei-

nen Wertbeitrag für das Unternehmen zu leisten und zweitens, indem wir etwas wirklich Sinnvolles tun, auch uns selbst glücklich zu machen. Das ist die psychologische Seite des nachhaltigen Verhaltens. Sie fragen sich warum? Der berühmte österreichische Psychologe und Holocaust-Überlebende Viktor Frankl, der Begründer der Theorie, dass Menschen einen Lebenssinn brauchen, wenn sie sich in ihrem Leben wohlfühlen und nicht krank werden wollen, hat einmal auf den Punkt gebracht, was eigentlich ein sinnvolles und glückliches Leben ausmacht: Er schreibt in seinem Buch „Der leidende Mensch“: „Ganz ist der Mensch eigentlich nur dort, wo er ganz aufgeht in einer Sache, ganz hingegeben ist an eine andere Person.

Und ganz er selbst wird er, wo er sich selbst – übersieht und vergisst.“ Also,

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wir empfinden Glück, wenn wir etwas Sinnvolles für die anderen tun (und nicht immer nur für uns selbst). Wenn wir als Compliance Officer auch in unserem Beruf nachhaltig handeln, dann können wir gewiss sein, dass wir an etwas Sinnvollem und Werthaltigem arbeiten, das Bestand haben wird.

Nachhaltigkeit in Compliance Was nachhaltig in Compliance heißt und was grundsätzlich Nachhaltigkeit in Compliance bedeutet, werden wir jetzt klären: „Beim nachhaltigen Management geht es heute nicht mehr darum, die Nachhaltigkeit zu managen, sondern nachhaltig zu managen. Das bedeutet, alle wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Effekte in die Entscheidungen einzubeziehen. Hier geht es darum, einerseits negative Effekte zu

vermeiden und andererseits positive Effekte zu generieren“, sagt Prof. Dr. René Schmidpeter, Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Internationale Wirtschaftsethik und CSR sowie Leiter Center for Advanced Sustainable Management an der CBS Cologne Business School. Und auf Corporate Compliance Management angewandt heißt das: „Compliance hat zum Ziel, Risiken zu minimieren und negative Effekte auf die Gesellschaft zu vermeiden. Aber nachhaltiges Management bedeutet nicht lediglich, keinen Schaden zu verursachen. Sondern es bedeutet auch, positiv auf die Gesellschaft zu wirken. Das geht weit über reines Compliance hinaus. Und genau das sollte eigentlich das Ziel des Compliance Managements sein – positive Effekte auf die Gesellschaft zu managen. Daher werden das Compliance Management und das Nachhaltigkeitsmanagement eng zusammenarbeiten

müssen.“ Das umfasst auch, dass wir unseren Blick über reine CMS-Inhalte wie Schulungen, Verbote und Gebote hinaus richten müssen. Prof.

Dr. Andreas Suchanek, Inhaber des Dr. Werner Jackstädt-Lehrstuhls für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der HHL Leipzig Graduate School of Management, versteht Nachhaltigkeit im Compliance-Beruf wie folgt: „Dass das, was man macht, eingebettet ist in ein größeres Ganzes, auch und gerade zeitlich. Ein Compliance Officer muss sicherstellen, dass es weitergeht. Das bedeutet, dass der Kern der Nachhaltigkeit in der Vermeidung von Endspielen liegt, dass es also weitergeht: Was kommt danach? Nach dem Quartalsende, nach dem erreichten Ziel usw.? Das klingt banal, ist es aber in der Wirtschaftswelt, wo viele auf eine kurzfristige Planung setzen, gar nicht.“ Zur Veranschaulichung bringt er ein Beispiel von Folgen eines – nach

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16 wie vor in vielen Unternehmen weit verbreiteten – harten Law-and-OrderCMS: „In einem Unternehmen wurde ein CMS auf eine sehr rigide Art praktiziert. Das führte dazu, dass sich die Menschen angepasst haben, und für die Compliance-Organisation schien das eine Entwicklung zum Vorteil des Unternehmens. So haben zum Beispiel keine vom Unternehmen bezahlten Geschäftsessen mehr stattgefunden.

Aber im Grunde installierte man damit ein bürokratisches System voller für die Mitarbeiter unverständlicher Regelungen. Es traute sich keiner mehr irgendwas“, so Prof. Dr. Suchanek. „Und deswegen ist für mich ein ganz wichtiger Punkt eines nachhaltigen Compliance Management Systems, dass die Compliance Officer zuerst selbst nach dem Sinn ihrer Maßnahmen fragen und dann auch diesen Sinn den Mitarbeitern erläutern. Erst wenn man das kann, ist die Verankerung eines CMS nachhaltig. Wenn man immer gegen den Widerstand der Mitarbeiter arbeiten muss, ist es in der Regel nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit wird nur gelingen, wenn es den Compliance Officern gelingt, die Mitarbeiter dafür zu gewinnen, dass sie freiwillig, von sich aus, regelkonform handeln. Diese Frage des Wie würde ich intensiv verbinden mit der Frage nach dem Sinn von Compliance und der Einbettung in das größere Bild.“ Das militärisch organisierte Compliance Management System und die Einengung der Freiheit der Mitarbeiter sind ein sehr wichtiger Punkt bei unserer Diskussion der nachhaltigen Gestaltung des CMS. Respekt vor den Mitarbeitern und ihrer Freiheit ist eben auch nachhaltig. „Das Compliance-Verständnis mancher Zeitgenossen basiert doch eigentlich oft auf einem Verdacht, dass nämlich der größte Teil der Mitarbeiter eines Unternehmens unlauter ist oder in ständiger Versuchung, eine Compliance-Regel zu brechen“, sagt Dr. Thomas Lösler, Group Chief Compliance Officer der Allianz. „Es gibt eine Ernst & Young-Studie, die zur Stützung dieser Sicht oft zitiert wird. Nach dieser Studie gaben 51 Prozent der Führungskräfte an, bereit zu

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Schließlich werden wir schon heute für das Denken bezahlt.

sein, Compliance-Regeln zu brechen, um finanzielle Zielsetzungen zu erreichen. Alle sind erschrocken darüber, aber keiner fragt: Welche Regeln haben die Teilnehmer der Studie im Kopf? Vielleicht sind es Regeln, die im Unternehmen gelten, aber wenig Sinn machen.“ Und das sagt eben keiner, der Compliance aus der wissenschaftlichen Perspektive kennt. Sondern das sagt ein Praktiker. Das zeigt uns, dass es eben kein bloßer Luxus ist, sich Ge-

danken darüber zu machen, ob das, was wir in Compliance tun, und die Regeln und Grenzen, die wir da aufstellen, wirklich einen Sinn machen. Handeln wir nachhaltig in unserem Beruf? Die Antwort auf diese Frage wird vielleicht überlebenswichtig sein. „Die wenig smarten Compliance Officer malen einfach einen Entscheidungsbaum, diktieren diesen den Mitarbeitern und ziehen das militärisch durch. Warum?

Weil sie nie über den Sinn nachdenken.

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Und heute geht es eben darum, ob ein Compliance-System so aufgebaut ist, dass es Sinn macht. Und nur wenn es Sinn macht, ist es auch nachhaltig“, sagt Dr. Lösler. Seien wir doch ehrlich – genauso koexistieren wir tagtäglich im Unternehmen. Wir arbeiten wie Hamster im Rad, getrieben von der Zeitnot. Aber genau an dieser Stelle muss man innehalten können, sich der mentalen Modelle in unserem Kopf bewusst werden und diese hinterfragen.

Denn solange diese mentalen Modelle bestehen, handeln wir auch danach – und die Mitarbeiter spiegeln uns durch ihr Verhalten genau das wider.

Unser Beitrag zur Wertschöpfung?

Kehren wir nochmals zu unserer täglichen Compliance-Praxis zurück.

Ja, Compliance hilft nicht nur und be-

rät (so das Selbstbild vieler Compliance Officer), Compliance engt auch ein und raubt den Mitarbeitern die Luft zum Atmen. Überlegen wir: Wollen wir das wirklich? Ist das wirklich die Aufgabe der Compliance? Dienen wir als Compliance-Organisation dem Unternehmen, wenn wir starre Grenzen setzen, harte Kontrollen einführen und überall „ZERO TOLERANCE“ hinschreiben? Töten wir damit nicht das kreative Unternehmertum (das ist im guten Sinne gemeint) und innovatives Denken? „Die Frage ist tatsächlich, wie viel Unternehmertum und Innovation lasse ich zu? Und da ist die Compliance oftmals auch hinderlich, weil Compliance in bestimmten Bereichen die Mitarbeiter zu sehr beschneidet, täglich neue Wege zu gehen, neue Dinge zu denken und neue Strategien auszuprobieren“, sagt Prof.

Dr. Schmidpeter. „Compliance muss

selbst agiler werden, stärker mit der Unternehmensstrategie in Einklang gebracht werden. Denn auch die Compliance-Organisation selbst muss strategisch hinterfragt werden, welchen Beitrag sie zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens liefert. Und hier liegt ihre eigentliche Herausforderung – Compliance als Ganzes muss einen Beitrag zur Unternehmenskultur und zur Wertschöpfung liefern.“ Gerade der letzte Satz über den Beitrag der Compliance zur Wertschöpfung des Unternehmens ist gar nicht mal aus dem Leeren gegriffen. Jeder Compliance Officer kennt ja diesen alten Vorwurf: Compliance kostet nur Geld … Vielleicht wäre aber gerade an dieser Stelle fehl am Platz, sich selbst in die Opferrolle gedrängt zu fühlen und zu schmollen. Compliance ist doch schon längst den Kinderschuhen entwachsen, es muss eine Weiterentwicklung

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geben. Die defensive Rolle passt nicht in die moderne Welt der Wirtschaft.

Da brauchen wir uns dann auch nicht wundern, wenn wir im Unternehmen strategisch an die Wand gedrängt werden. Nachhaltige Compliance muss unternehmerisch denken. „Compliance wird positiv zur unternehmerischen Wertschöpfung beitragen müssen, wenn sie denn einen Beitrag zur Unternehmensstrategie leisten möchte. Compliance wird nur dann einen Wert für den Vorstand haben“, sagt Prof. Dr. Schmidpeter. „So geht es eben nicht mehr nur darum, welche gesetzlichen Regelungen heute einzuhalten sind. Sondern Compliance muss in ihr Denken auch neue Produk-

te, neue Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle einbeziehen. Aus der heutigen Compliance-Abteilung muss eine mehr unternehmerisch denkende Compliance-Abteilung werden.“ Als Compliance Officer muss man sich allerdings an dieser Stelle bewusst werden, dass man vom Getriebenen zum Treiber mutieren muss. Da wären wir wieder bei den mentalen Modellen, die so in unserem Kopf herumwuseln.

Wir müssen uns eben Zeit für solche wichtigen Fragestellungen nehmen. „Wir reden immer über Best Practices, aber das ist doch uninteressant. Eigentlich müssen wir darüber reden, was die Next Practices sein werden“,

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sagt Dr. Lösler. „Ich habe in meinem Kalender jeden Monat einen ‚Renewal Day‘ reserviert, an dem ich keine Termine habe. Diesen Tag nutze ich zum Nachdenken, zum Lesen und verbringe Zeit mit meinem Team.“ Eigentlich ist es in der Compliance-Zunft üblich, dass man immer wieder „den eigenen Garten“ umpflügt. Dabei hilft es schon, sich etwas herauszunehmen und nachzudenken. Dazu braucht es aber ein anderes Selbstverständnis des Compliance Managers. „Es gibt viele Fragestellungen im Unternehmensalltag, die über die gesetzliche Dimension hinausgehen, und da ist letztlich auch die Compliance-Abteilung gefordert mitzuwirken.

Denn die Compliance-Organisation wird mehr denn je in Zukunft gefordert sein, Fragen zu diskutieren, für die es momentan keine gesetzliche Basis gibt“, sagt Prof. Dr. Schmidpeter. „Nehmen wir zum Beispiel die Digitalisierung. An dieser Stelle gibt es viele Geschäftsmodelle, die zwar legal, aber nicht nachhaltig sind. Wie soll die Compliance-Abteilung damit umgehen? Das bedeutet, die Compliance Officer müssen sich weit über die gesetzlichen Fragestellungen hinaus mit nachhaltigen Fragestellungen beschäftigen. Aber hier fehlt den rechtlich sehr gut geschulten Compliance Officern das BWL-Wissen und das Nachhaltigkeitswissen. Dabei muss man gerade an solche Fragestellungen interdisziplinär herangehen.“

Neue Themen, neue Begriffe

Die Compliance Officer stecken in ihren klassischen mentalen Modellen fest und eben diese spiegeln ihnen die Mitarbeiter wider. „Das ComplianceVerständnis mancher Zeitgenossen basiert oft auf einem Verdacht, dass nämlich der größte Teil der Mitarbeiter eines Unternehmens unlauter ist oder in ständiger Versuchung, eine Compliance-Regel zu brechen.“ Dr. Thomas Lösler, Allianz.

Und es kommen viele andere Themen auf, mit denen die Compliance Officer zu tun haben und damit auch professionell umgehen müssen. „Wir hatten vor einiger Zeit einen Sachverhalt, wo legale Produkte, die seit vielen Jahren vertrieben wurden, plötzlich von der Aufsichtsbehörde als ‚nicht fair‘, nicht ‚im Sinne und zum Nutzen der Community‘ beurteilt wurden. Das ist ein neuer Begriff, der da aufkam, und damit müssen wir als Compliance-Organisation umgehen können“, sagt Dr.

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Wir tun heute Dinge, gegen die wir in fĂźnf oder zehn Jahren nach dann geltenden MaĂ&#x;stäben gemessen werden.

Was sind dann die Standards, die an uns angelegt werden?

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Wir reden immer über die Best Practices.

Aber eigentlich müssen wir darüber reden, was Next Practices sein werden.

Lösler. „Im Zusammenhang mit dem Begriff ‚Community‘ steht die Frage der Fairness. Genau darüber müssen wir jetzt in unserer Organisation diskutieren und nachdenken. Und schließlich werden wir fürs Denken bezahlt. Was meine ich damit? Wir tun heute Dinge, nach denen wir in fünf oder zehn Jahren mit dann geltenden Maßstäben gemessen werden.

Was sind dann die Standards, die an uns angelegt werden?“ Gerade bei solchen Themen, zum Beispiel bei den Produkten oder Dienstleistungen, die das Unternehmen anbietet, können die Compliance Officer ihren Beitrag zur Wertschöpfung leisten.

Oder nehmen wir das Thema der neuen Generation von Mitarbeitern, den jungen Leuten, die ganz anders denken und andere Ansprüche haben. „Wir als Compliance-Bereich müssen unsere Botschaften in eine neue, besser konsumierbare Form bringen, wenn wir die Organisation durchdringen und Erfolg haben wollen“, sagt Lutz Cauers, Chief Compliance Officer der Deutschen Bahn AG. „Das ist für mich auch eine nachhaltige Ausübung unseres Berufes. Die Bahn stellt in diesem Jahr 19.000 neue Mitarbeiter ein.

Und die jungen Mitarbeiter haben eine ganz andere Art der Aufnahme und sind eine ganz andere Art der Kom-

munikation gewohnt. So reagieren wir beispielsweise in der Compliance auf die demografischen Veränderungen der Gesellschaft.“ Neue Begriffe, neue Entwicklungen und die vielen Themen, die uns die Zukunft bringt, müssen wir heute schon aufspüren, uns darüber Gedanken machen, handeln und diese Dinge im Unternehmen zur Diskussion bringen.

Aber dazu muss man auch mitgestalten wollen und nicht bloß „beraten“. Natürlich wissen wir als Compliance Officer alle ganz genau, warum wir uns auf das „Beraten“ zurückziehen – die Haftung hängt wie ein Damoklesschwert immer über uns … Hier

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wieder unsere Opferecke, in die wir uns kuschelig zurückziehen können. „Aber gerade an dieser Stelle müssen die Compliance Officer umso mehr zeigen, wie Compliance im Unternehmen so gestaltet werden kann, dass sie tatsächlich eine Investition in die Zukunft werden wird“, sagt der Wirtschaftsethikprofessor Dr. Suchanek. „Und die Compliance Officer müssen gestalten können, da es in der modernen Welt der Wirtschaft Themen gibt, die nicht juristisch geklärt sind, aber wichtig für nachhaltige Compliance.

Das bedeutet, an dieser Stelle kann man nicht ein bestehendes Set an Regeln nehmen und einfach abchecken.

Was dann? Natürlich kann man sich als Compliance Officer darauf zurückziehen, nur das zu prüfen, was recht-

lich vorgegeben ist. Der Rest ist nicht meine Sache. Oder der Compliance Officer versteht Compliance nicht bloß als Legalität, sondern als Legitimität mit den Werten und ethischen Prinzipien, für die das Unternehmen steht.“ Aber um nachhaltig sein zu können, müssen wir Verantwortung übernehmen können und damit auch mitgestalten wollen. „Das Thema Haftung und damit auch den Unwillen, mitzugestalten, kann man natürlich auch anders sehen – das Nicht-Gestalten führt viel eher zur Haftung“, sagt Lutz Cauers. „Bei uns im Unternehmen ist meine Funktion eine der 80 Top-Funktionen bei 320.000 Mitarbeitern. Gerade das verdeutlicht die Bedeutung meiner Position und der Möglichkeit, gestaltend zu wirken.“

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Das zeigt, welche Voraussetzungen es haben muss, um als Compliance Officer gestaltend und – das ist genau unser Thema – nachhaltig wirken zu können: „Nachhaltig kann nur jemand sein, wenn man einen Impact hat und Verantwortung übernimmt.

Dazu muss der Compliance Officer mit einer gewissen Unabhängigkeit und mit Ressourcen ausgestattet sein“, sagt Dr. Anita Schieffer, Partnerin bei Pohlmann & Company. „Und zur Nachhaltigkeit braucht man als Compliance Officer ein gesundes Verhältnis zur Unternehmensleitung, da diese ja bekanntlich den Ton bezüglich Compliance vorgibt, die Themen mitträgt und priorisiert. Und dazu muss man sich die Glaubwürdigkeit erst einmal erarbeiten.“

Was wir mitnehmen

„Die wenig smarten Compliance Officer malen einfach einen Entscheidungsbaum, diktieren diesen den Mitarbeitern und ziehen das militärisch durch.“ Dr. Thomas Lösler, Allianz.

Mag sein, dass diese Titelstory Compliance-philosophisch geworden ist. Aber Nachhaltigkeit in unserem Beruf, in unserem Selbstverständnis und unserem CMS ist wichtig, wird in Zukunft vielleicht sogar überlebenswichtig sein. Dies hier ist ein Aufruf, innezuhalten und nachzudenken. Uns selbst, unser Tun, unsere mentalen Modelle zu hinterfragen und umzudenken. Das ist notwendig, weil das, was die Compliance Officer heute tun, zukünftig nicht ausreichend sein wird.

Prof. Dr. Schmidpeter hat hier das Schlusswort, mit dem er nochmals verdeutlicht, was Ihre Unternehmensleitung von Ihnen fordern wird: „Die restriktive Compliance wird in Zukunft so nicht mehr funktionieren. Weil sie zu langsam ist, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Gesetzgeber bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung gar nicht mehr hinterherkommen und keine Antworten auf die Fragen bieten, die derzeit auch für Unternehmen anfallen. Und die kann man nur noch beantworten, wenn man ein nachhaltiges Managementverständnis hat. Sonst wird das Unternehmen Dinge tun, die zwar gesetzlich erlaubt sind, aber für die Zukunft überhaupt keinen Sinn ergeben.“

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esetzlichen Vorgaben? Die Rechtsfolgen nnen erheblich sein. Wer sich also mit ken kennt und zu vermeiden oder zu­ er ist gut beraten. Dieses Buch zeigt, ance-Maßnahmen Sie Ihr Unternehmen gsvoll gegen Compliance-Verstöße wie andere Regelverstöße schützen können.

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Oliver Haag ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Konstanz und praktiziert als Berater, Gutachter und Referent.

Maximilian Jantz ist Syndikusrechtsanwalt und Compliance Manager in der Compliance-Abteilung eines großen deutschen Industrieunternehmens.

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Compliance im Unternehmen

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Das Unternehmen wirksam vor Haftung und Regelverstößen schützen Risiken identifizieren, Compliance-Maßnahmen definieren und umsetzen Die Folgen von Compliance-Verstößen kennen

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Haag Jantz

Oliver Haag Maximilian Jantz

Compliance im Unternehmen für Dummies Im Verlag Wiley-VCH erscheint im Oktober 2018 das Buch „Compliance im Unternehmen für Dummies“.

Geschrieben ist das Buch von Prof.

Dr. Oliver Haag, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Konstanz, sowie Maximilian Jantz, Syndikusrechtsanwalt und Compliance Manager eines DAX-Unternehmens, im üblichen Stil der Dummies-Bücher.

Inhaltlich ist es in vier Teile gegliedert: I. Willkommen in der Welt von Compliance. II. Anforderungen an eine funktionierende Compliance. III. Compliance-Rechtsgebiete mit hohen Risiken sowie IV. Der Top-Ten-Teil.

Oktober 2018 332 Seiten, Softcover Preis: 26,99 Euro ISBN 978-3-527-71455-1 Wiley-VCH, Weinheim

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August 2018 835 Seiten, gebunden Preis: 179,00 Euro Nomos Verlag ISBN 978-3-8487-4144-1

Nachhaltige Unternehmens­ führung in der Digitalisierung: Instrumente — ­Erfolgsfaktoren — Praxisbeispiele Digitalisierung bedeutet Disruption und zwingt die meisten Unternehmen heute zu einer tiefgreifenden Neuausrichtung. Dabei werden bestehende Geschäftsmodelle und Führungsansätze mit Blick auf ökologische, ökonomische und soziale Zielsetzungen beispiellos herausgefordert. Wie sich digitale Transformation und nachhaltiges Organisationshandeln in Einklang bringen lassen, beschreibt dieser Band. Das Buch wird auch für Compliance Manager interessant sein, da es über die Tendenzen in den Unternehmen informiert.

Herausgegeben wurde es von Prof.

Dr. Stefan Vieweg, Prof. Dr. Matthias Müller-Wiegand und Prof. Dr. Harald Meisner.

Juni 2018 199 Seiten, kartoniert Preis: 39,95 Euro ESV Erich Schmidt Verlag ISBN 978-3-503-17786-8

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Auslands­ bestechung: Eine rechtsdogmatische und rechts­­­tatsäch­ liche Untersuchung Das Werk von Prof. Dr. Elisa Hoven befasst sich mit den empirischen und rechtsdogmatischen Grundlagen der Bestechung ausländischer Amtsträger durch Mitarbeiter deutscher Unternehmen. Auf Basis einer bundesweiten Aktenuntersuchung sowie Experteninterviews im In- und Ausland analysiert die Autorin die Erscheinungsformen transnationaler Korruption und die Praxis ihrer strafrechtlichen Verfolgung. Die Erkenntnisse über das Phänomen der Auslandsbestechung (Abläufe, Motivationen, Beteiligte) werden um eine ausführliche Auseinandersetzung mit den normativen Voraussetzungen der Strafbarkeit ergänzt.

Juli 2018 612 Seiten, gebunden Preis: 159,00 Euro Nomos Verlag ISBN 978-3-8487-4561-6

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New Workspace Playbook / Dark Horse Innovation Hier ein Buch, das ebenfalls für jene Compliance Manager interessant sein dürfte, die die derzeitigen Entwicklungen in der Welt des Arbeitens verstehen wollen. Wie wird unser Arbeiten in Zukunft aussehen? Dieses Buch richtet sich an alle, die erkannt haben, dass das Arbeiten sich gerade drastisch wandelt, und jetzt handeln wollen. Das Buch beschreibt die wichtigsten Kategorien des neuen Arbeitens. Es zeigt in Wort und Bild, welche Arbeitsumgebungen verschiedenste Unternehmen, vom Silicon Valley bis in die Lüneburger Heide, spezifisch für die von ihnen verwendeten Kategorien des neuen Arbeitens geschaffen haben.

Es erklärt das Wie und Warum dahinter und legt offen, welche Ansatzpunkte sich daraus für den Leser ergeben. Geschrieben wurde das Buch von Dark Horse Innnovation, das sind 30 junge, gleichberechtigte Gründer aus 25 Disziplinen, die sich vor wenigen Jahren mit einer Innovationsberatung selbstständig gemacht haben.

Mai 2018 287 Seiten, kartoniert Preis: 34,00 Euro Murmann Publishers SKU 978-3867745994

Management­ entscheidungen ­unter Risiko: Haftung — Recht — Business ­Judgement Rule Jedes erfolgreiche Unternehmen lebt von erstklassigen Entscheidungen in Management, Vorstand und Geschäftsführung. Dabei ist jede Entscheidungssituation zwangsläufig von Unsicherheit und Risiko geprägt: Chancen und Gefahren (Risiken) sind bei der Entscheidungsvorbereitung nachvollziehbar abzuwägen. Welche Wege zur Entscheidungsfindung unter Unsicherheit überzeugen, beleuchten die Experten der Risk Management Association e.V. (RMA).

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„ Immer wenn Geld im Spiel ist, ist es schwierig, Compliance Manager 3/18

mit Argumenten zu kommen.“ ANTIKORRUPTION

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INTERVIEW IRINA JÄKEL

Was passiert gerade im Antikorruptionskampf auf internationaler Ebene? Dazu haben wir mit Dr. Klaus Moosmayer, Chief Compliance Officer bei Siemens und Stellvertretender Vorsitzender der Gruppe für Integrität und Compliance unter Argentiniens Präsidentschaft der G20/B20, gesprochen.

H

Herr Dr. Moosmayer, am 23. Mai dieses Jahres hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen 15.

Geburtstag der UN-Konvention gegen Bestechung gefeiert. Sie haben vor der UN-Vollversammlung als Stellvertretender Vorsitzender der Gruppe für Integrität und Compliance unter Argentiniens Präsidentschaft der G20/B20 eine Rede gehalten, in der Sie einige Antikorruptionsthemen ansprachen. Was genau passiert gerade auf internationaler Ebene, woran arbeitet Ihre Gruppe?

Wir sind gerade in der Phase, wo wir uns in dieser sehr großen Gruppe mit hundert Vertretern aus allen G20-Staaten auf ein Dokument bzw. auf einige Empfehlungen zu einigen versuchen. Wir wollen es anders als in Deutschland machen, wo wir ein dickes Buch mit vielen Beispielen vorgelegt haben. Dieses Mal wollen wir ein sehr schlankes Dokument erarbeiten, das am Ende ein Angebot an die G20

ist, damit ein gemeinsames „Commitment for Integrity“ entsteht. Es ist ein High-Level-Dokument mit einer gemeinsamen Verpflichtung dazu, dass wir unsere öffentlichen Unternehmen in den Griff bekommen, damit sie sich an Compliance halten. Wir wollen in einen Dialog mit den G20 kommen. Ob es gelingt, das weiß ich nicht. Denn es ist schwierig.

Gibt es dazu einen Plan, wann was beschlossen und veröffentlicht werden soll?

Es läuft alles auf den G20-Gipfel in Buenos Aires zu, zu dem auch der Präsident kommen wird. Und dieser Gipfel findet am 4. und 5. Oktober 2018 statt. Das ist für uns gleichzeitig auch das Enddatum, an dem wir unser Dokument übergeben. Danach gibt es den G20-Gipfel und es stellt sich die spannende Frage, was und wie viele von unseren Empfehlungsangeboten die G20 in ihre Schlussdokumentation übernehmen werden. Es gibt dazu interessante Studien, die nachgewiesen haben, dass über einen längeren Zeitraum 70 bis 80 Prozent der G20-Empfehlungen in den jeweiligen Ländern gesetzlich umgesetzt werden.

Könnten Sie umreißen, was zum Beispiel in Ihren Empfehlungsvorschlägen stehen wird?

Wir haben drei Themen: Das erste Thema ist die Compliance in staatlichen Unternehmen, den sogenannten „State Owned Enterprises“ (SOEs). Denn eines der Ergebnisse einer OECD-Untersuchung war es, dass die großen Korruptionsfälle natürlich nicht nur in Privatunternehmen passieren, sondern eben zum Beispiel auch bei Petrobras oder Pemex – alles „State Owned Enterprises“. Die Bestandsaufnahme zeigte also, dass es bei den SOEs mit Compliance nicht so gut aussieht. Und diese sind erst jetzt, nachdem dort Compliance-Skandale auftraten, dabei, Compliance Management Systeme einzuführen. Daher ist unsere erste Forderung, dass man dort

30 vergleichbare Systeme schafft, mit der Verpflichtung, dass man das gleiche Compliance-Niveau hat wie auch in den Privatunternehmen.

Das zweite Thema ist Compliance bei großen Infrastruktur-Projekten.

Leider haben wir gerade dieses Thema beim G20-Gipfel in Deutschland nicht durchsetzen können, denn diese Empfehlung ist bisher leider ignoriert worden. Dabei sind gerade die großen Infrastrukturprojekte, die sehr korruptionsanfällig sind, für die Entwicklungsländer sehr wichtig. Hier muss man schnelle und weitreichende Maßnahmen ergreifen. Hier fordern wir Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, Collective Actions, Compliance-Pakts, Belohnungen von Unternehmen, die Fehlverhalten offenlegen, denn gerade das bedeutet doch, dass sie diese entdecken.

Und das dritte Thema, das ganz stark von den NGOs unserer Gruppe vorangetrieben wird, ist das Thema „Beneficial Ownership“, das ist zum Beispiel das Thema Panama Papers.

Hierzu sage ich ganz offen, dass es schwierig ist. Denn bei uns in der Gruppe haben wir alles: NGOs, familiengeführte Unternehmen, die auf Vertraulichkeit und Nichtöffentlichkeit großen Wert legen. Wir haben sehr große Aktienunternehmen, die öffentlich sind. Wir wollen dennoch zusammen die G20 auffordern, das Thema Transparenzregister ernst zu nehmen, auch die Frage des Zugangs zu diesen klar zu regeln und einheitliche Standards zu schaffen. Da sind die G20 seit Jahrzehnten dran und es ist immer noch ein Flickenteppich.

Es ist zwar in unserer Welt naiv anzunehmen, aber eigentlich müsste doch Compliance bei Infrastrukturprojekten gerade im Interesse der Staaten sein …

Das Problem ist, dass es sich etwas gegen die Art und Weise richtet, wie Staaten öffentliche Ausschreibungen machen. Wenn man sich anschaut, wie öffentliche Ausschreibungen in manchen Staaten laufen, dann stellt man

ANTIKORRUPTION

„Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht eine Zertifizierungs­ industrie schaffen. Und es ­ darf sich hier auch nicht ein Monopol bilden.

Wir müssen hier einen Mittelweg finden.“

fest, dass es wirklich sehr problematisch ist. Es gibt Direktvergaben und keine Transparenz. Zum Beispiel gibt es Länder, wo Absprachen über die Präferenzen bei den Vergaben von öffentlichen Ausschreibungen sogar im Parlament zertifiziert werden! Natürlich tun sich die G20 schwer damit, sich zu verpflichten, dass sie bei öffentlichen Ausschreibungen einheitliche Transparenzgrundsätze haben und Ombudsleute einsetzen, dass es also Möglichkeiten gibt, auf Fehlverhalten hinzuweisen.

Das ist wirklich ein heikles Thema.

Ist es dann wirklich ehrlich gewollt, dass man an dieser Stelle etwas tut?

Oder sind es lediglich politische Worte, die nur äußerlich der Wirtschaftskorruption den Kampf ansagen?

Noch ist es so, aber es kann sich ja ändern. Ich habe etwa mitbekommen, dass die neue argentinische Regierung hier mehr Transparenz herstellen möchte. Argentinien hat jetzt mit der neuen Regierung als eines der ersten Länder einen „High-Level-Reporting“-Mechanismus eingeführt bei Projekten, die das Bauen von Auto­ bahnen betrifft. Wo man zum Beispiel

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unseren Empfehlungen gefolgt ist und die Stelle eines Ombudsmanns geschaffen hat. Und gerade das ist ja ein Bereich, der sehr korruptionsanfällig ist. Das Problem ist nur: Wenn man das macht, dann muss man auch transparent sein und offenlegen, wie viele Beschwerden es gibt und ob diesen abgeholfen wurde.

Wir erleben ja gerade eine weltweite Entwicklung, wo die Länder zuerst auf ihre eigenen Interessen schauen gerade bei der Transparenz und beim Welthandel. Sie achten mehr auf die eigene Wertschöpfung. Und gerade bei den öffentlichen Ausschreibungen geht es um sehr viel Geld.

Sie setzen sich sehr dafür ein, dass ein Unternehmen belohnt wird, wenn es Fehlverhalten offenlegt und versucht, transparent zu sein und sich zu bessern. Wie kommen Sie mit diesem Thema voran?

Hier gibt es zwei Anliegen: Zum einen müssen wir einfach klarmachen, dass man über Probleme freiwillig spricht und Dinge auf den Tisch legt und dass es etwas Gutes ist. Es kann doch nicht sein, dass man nach außen hin sagt, bei uns ist alles super, und zwei Jahre später kommt dann der große Knall. Man muss Unternehmen belohnen, die sagen, dass sie Dinge entdeckt und das Problem gelöst haben und dass sie das mitteilen und verhindern wollen, dass andere Unternehmen in ähnliche Schwierigkeiten kommen. Das ist einer der großen Grundkämpfe, die wir seit Jahren auch mit Journalisten und durchaus auch der Staatsanwaltschaft und Richterschaft führen. Der Skandal ist doch nicht der, dass ein Unternehmen ein Fehlverhalten entdeckt und es offenlegt, sondern wenn ein Unternehmen es verdeckt. Wir stehen bei diesem Thema zwar nicht mehr am Anfang, denn mittlerweile gibt es viele Mitstreiter. Aber dennoch ist es schwierig und wir sind mitten in der Diskussion.

Und das zweite Anliegen ist, dass wir aufpassen müssen, dass wir uns

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nicht eine Zertifizierungsindustrie schaffen. Natürlich ist es ein Problem, zu beweisen, dass mein Unternehmen ein gutes Unternehmen ist. Und der einfachste Weg ist hier, sich ein Zertifikatssiegel zu holen. Das finden dann alle super und einige verdienen damit recht viel Geld. Und hier stellt sich eine ganz schwierige Frage: Wie findet man den Mittelweg?

Es darf sich hier nicht ein Monopol bilden, dass es zum Beispiel nur nach der ISO-Norm geschehen darf oder Ähnliches. Wir versuchen gerade hier eine Diskussion mit der OECD zu führen: Denn eine externe Bewertung ist ja grundsätzlich nicht schlecht. Die Frage ist, was erfordert es eigentlich und was kann man überhaupt erwarten? Was kann es überhaupt bringen?

Im Augenblick ist es eine Industrie geworden. Aber immer wenn Geld im Spiel ist, ist es schwierig, mit Argumenten zu kommen.

Sie haben in Ihrer Rede vor der UN-Vollversammlung erwähnt, dass die Korruptionsindizes, die erhoben werden, heutzutage wenig aussagen wegen der Digitalität und der Schnelligkeit, eben der Entwicklungen, die gerade in unserer Welt passieren. Haben Sie einen Vorschlag, welchen Weg wir da gehen sollten?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, wir müssen hier einen ganz neuen Weg beschreiten. Die persönliche Wahrnehmung der Korruption ist selbstverständlich wichtig, und das will ich auch gar nicht in Abrede stellen. Aber gerade die Länder, wie zum Beispiel Spanien, wo derzeit viel gegen die Korruption getan wird, schneiden schlecht ab – gerade weil dort derzeit einfach die Perzeption für dieses Thema hoch ist. Daher muss man sich gemeinsam überlegen, was heute die Indikatoren sind, wenn Risiken steigen. Wahrscheinlich kann es eher in die Richtung gehen, wo es weniger Transparenz gibt, wo man weniger an Quellen rankommt oder es angeblich nie Vorfälle gibt. In Ländern, wo es diesbezüglich White Spots gibt,

31 muss man sich natürlich fragen, warum gibt es diese White Spots? In diese Richtung müssen wir stärker gehen.

Dazu muss aber der politische Wille in diesen Ländern da sein …

Ich bin bei allen Schwierigkeiten dennoch der Meinung, dass die Wirtschaft so ein Forum, wie z.B. die Vereinten Nationen, als Plattform nutzen kann und muss, denn dort können wir solche Themen ansprechen. Wir müssen einfach auf allen Ebenen, also auf der Ebene der OECD, der G20, der Vereinten Nationen, immer wieder darauf hinweisen, wir müssen darüber reden und transparent sein. Denn die Guten sind nicht diejenigen, bei denen angeblich nichts passiert. Sondern die Guten sind diejenigen, die transparent sind und Fehlverhalten anzeigen.

Und dort, wo angeblich nichts passiert, stimmt etwas nicht. Das gilt für alle.

Das Gespräch führte Irina Jäkel.

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I N T E G R I TĂ„T

Von der Kunst,

das Richtige zu tun

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Berufsethische Dilemmata von Compliance Managern

„Wer weiß, was das Richtige ist, wird auch das Richtige tun“, so ein Zitat des Philosophen Sokrates.

Wenn es doch nur so einfach wäre, bei moralischen Fragestellungen das Richtige zu erkennen und danach zu handeln. Sokrates wurde jedenfalls 399 v. Chr. aufgrund seiner damals als unmoralisch angesehenen Ansichten zum Tode verurteilt. Den tödlichen Schierlingsbecher musste er nach geltender Tradition auch noch aus eigener Kasse bezahlen. Ein Schicksal, das den wenigsten Compliance Managern drohen dürfte, die für ihre Überzeugungen im Unternehmen einstehen.

Warum es uns dennoch schwerfällt, bei Widerständen integer zu bleiben, welche Fragen wir uns stellen sollten und warum der „Heldennotausstieg“ eine Option sein kann.

W TEXT DANIEL SCIRE

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33 Wo fängt Integrität an? Erinnern Sie sich an Ihren letzten Verkehrsverstoß?

Vielleicht als Fußgänger, eine rote Ampel. Wissen Sie, in welchen Situationen Sie sich nicht daranhalten: Zeitdruck, Sie fühlen sich unbeobachtet, als propagierten Akt zivilen Ungehorsams? Wir alle waren schon einmal in dieser Lage; vor einer bewussten oder impulsiven Abwägung zwischen möglichen Vor- und Nachteilen einer Regelverletzung. Womöglich fiel Ihnen die Entscheidung leicht, weil Sie sich in der Situation nur Ihnen gegenüber Rechenschaft schuldig wähnten oder weil Ihnen die Grenzüberschreitung relativ klein erschien.

Mit hoher Sicherheit war es Teil Ihrer Sozialisation, sich grundsätzlich an demokratisch vereinbarte Regeln halten zu wollen und zu erkennen, welche Vorteile in der Befolgung liegen. Vielleicht ist es aber auch ein Teil Ihres persönlichen Charakters, Ihres Integritätsbewusstseins, sich nicht ständig und ohne Hinterfragen an alle Regeln, Konventionen oder Erwartungen zu halten. Möglicherweise wollen Sie in jedem von Bedeutung angesehenen Einzelfall abwägen, was in diesem Moment das Richtige sein soll. Dies kann auch eine Form sein, unbestechlich gegenüber Ihren Wertevorstellungen zu bleiben.

Im besten Fall befinden sich Compliance Manager in einem Unternehmen, dessen Werte mit ihren eigenen übereinstimmen; noch besser in einem Unternehmen, welche diese als Maxime umsetzen wollen. Doch wo finden sich solche Unternehmen?

Unternehmens­ integrität vs. ­persönliche ­Integrität Eine Flossbach-von-Storch-Studie vom Juli 2016 kam zum Ergebnis, dass die Erwähnung des Begriffs „Integrität“ in Geschäftsberichten von DAX-Unternehmen seit 2000 stark und nahezu kontinuierlich zugenommen hat. Tauchte der Begriff zur Jahrtausendwende kaum auf, so stellen heute nahezu alle Unternehmen das

34 Thema in den Mittelpunkt. Die Studie gibt aber auch zu bedenken, dass es neben der beabsichtigten Imagewirkung bei den meisten DAX-Vertretern an der konkreten Umsetzung von Maßnahmen fehlt und es somit an einem glaubwürdigen Signal mangelt. So ist nicht immer gewährleistet, dass eine unabhängige Überprüfung auf Einhaltung oder eine Sanktionierung von Verstößen erfolgt. In irgendeiner Weise stellen fast alle DAX-Unternehmen ein Integritätsversprechen aus.

Die Deutsche Bank richtete 2013 einen eigenen Integritätsausschuss ein, Daimler erließ 2012 eine Richtlinie für integres Verhalten und stellt seinen Führungskräften vertiefende Unterlagen zum Umgang mit Dilemma-Situationen zur Verfügung. Auch Volkswagen leistet sich seit einigen Jahren ein Vorstandsressort „Integri-

I N T E G R I TÄT

es in der Wirtschaft um viel Geld und viele Arbeitsplätze oder um höhere Erträge, die nächsten Quartalszahlen.

Verständlich, dass Unternehmenslenker zwischen Alternativen bei der Interpretation ihrer eigenen Werte Versuchungen ausgesetzt sind und diesen auch oftmals erliegen.

Reicht nicht doch ein Software-Update oder müssen wir tatsächlich bei allen Fahrzeugen mit manipuliertem Abgasverhalten eine teure Nachrüstung vornehmen? Sind uns unsere Werte das wert? Die Versuchung ist groß genug, sich bei Wertediskussionen auf rein rechtliche Interpretationen zurückzuziehen und diese am besten durch eine externe Rechtskanzlei, gern schriftlich dokumentiert, zu legitimieren. Für diese Unternehmen eine vertane Chance aufzuzeigen, wie ernsthaft sie es mit

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verfassen. Eine Abwägung, ob es sich wohl lohnen würde, näher am Universitätsgebäude zu parken, einen Strafzettel zu riskieren und somit noch pünktlich zur mündlichen Prüfung zu gelangen. Alternativ einen weiter entfernten „legalen“ Parkplatz zu suchen und zu spät zu erscheinen. Er parkte nach eigenen Angaben letztlich direkt auf der Straße; ein kalkulierter Regelverstoß, der auf subjektiver Einschätzung der möglichen Vorteile und der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung sowie etwaiger Strafhöhen beruhte. „Es ist unhöflich, Studenten warten zu lassen“ versus „Es gehört sich nicht, unerlaubt zu parken“. Ein klassischer Interessenkonflikt im eigenen Wertesystem.

„Das Einstehen für Werte kann für uns auch negative Konsequenzen haben.“ tät und Recht“. Siemens zeichnet ihre Mitarbeiter mit einem Preis für Integrität und Compliance aus. Besonders ausgeprägt ist dies bei den Unternehmen, die in der Vergangenheit stark in die Kritik geraten sind. Das Handelsblatt will gar ausgemacht haben, dass inzwischen in deutschen Unternehmen der Tugendwahn herrsche, wie in einer Studie argumentiert wird.

Himmlische Zeiten für Compliance Manager, so könnte man meinen, wenn bei betriebswirtschaftlichen Zwängen und Vorstellungen auf die Inhalte in der Integritätsbroschüre verwiesen werden kann. „Putting clients first“, „Acting with Integrity“, „Doing the Right Thing“ sind Beispiele für Unternehmenswerte, welche Mitarbeiter schnell als richtig annehmen können.

Ihre vom Unternehmen beabsichtigte Imagewirkung verpufft und wird als solche entlarvt, wenn keine überzeugenden Taten folgen. Letztlich geht

dem Integritätsversprechen meinen.

Stattdessen werden neue Integritätsbroschüren gedruckt und Konzernstrategien kommuniziert. Volkswagen will bis 2025 zum Vorbild in den Bereichen Umwelt, Sicherheit und Integrität werden. Welcher Anteil entfällt dabei auf das notwendige Aufpolieren des ramponierten Images, welcher Anteil auf die Erkenntnis eines Geläuterten? Dies wird sich auch die Öffentlichkeit fragen, wenn Tugenden als Strategieziele auf die Zukunft verschoben werden, statt noch heute danach zu handeln.

Ökonomie des ­Verbrechens Zugegeben, das eingangs erwähnte Beispiel der Fußgängerampel dürfte kaum aufzeigen, welchen Schwierigkeiten ein Compliance Manager in der Berufswelt ausgesetzt sein kann. Eine ähnliche Alltagssituation inspirierte allerdings den Wirtschaftswissenschaftler Gary S. Becker vor 50 Jahren, einen verhaltensbezogenen Artikel zu

Einen Nobelpreis bekam er später dafür, weil er es verstand, Verhaltensgrundsätze aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich auf sonstige Disziplinen zu übertragen. Es kann teilweise irritierend unromantisch anmuten, wenn Ökonomen vorrechnen, weshalb die Entscheidung für eine Ehe einen wohlüberlegten Nutzen haben soll. In seinem Artikel „Crime and Punishment: an economic approach“ zeigte Becker u.a. auf, dass (Wirtschafts-)Kriminelle maßgeblich davon geleitet sind, wie sie die Entdeckungswahrscheinlichkeit und mögliche Strafen gegenüber dem möglichen Ertrag einschätzen.

Solche Betrachtungen können sehr individuell ausfallen, da neben monetären auch nichtmonetäre Aspekte in die Betrachtung fließen.

Wie würden Sie Ihren Integritätsverlust in Höhe eines monetären Äquivalents in der Formel bewerten?

Unter ökonomischen Gesichtspunkten könnte also ein Regelverstoß

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ALLES

RELATIV

Der erwartete Nutzen E [U] des Einzelnen hängt demnach von der Einschätzung ab, wie Y, d.h. der Ertrag in monetärer oder „psychischer“ (nichtmonetärer) Form eines Regelverstoßes, bewertet wird, während f den monetären Gegenwert etwaiger (erwarteter) Strafen darstellt. Mit P wird aufgezeigt, dass Einschätzungen über Eintrittswahrscheinlichkeiten für Ertrag bzw. Strafen die Funktion beeinflussen. Sofern E [U] positiv ausfällt, wäre man zum Verbrechen verleitet, da der Nutzen überwiegt.

sinnvoll sein, wenn sich ein positiver Nutzen ergibt, weil beispielsweise der Integritätsverlust nur als geringer „Abzugsfaktor“ in die Rechnung einfließt oder gar einen Nullposten darstellt. Angesichts der vielen subjektiven Faktoren inklusive der individuellen Prognosen und Wahrscheinlichkeiten, die in die Betrachtung einzubeziehen sind, können sich diese im Nachhinein als falsch herausstellen.

Ob Abgasmanipulationen in der Automobilbranche, Cum-Ex-Geschäfte oder Marktpreis-Manipulationen im Bankenbereich – vermutlich haben die Beteiligten nicht mit einer schnellen Entdeckung gerechnet oder haben die möglichen Strafen „subjektiv“ mit eigener Risikoeinschätzung eingepreist; wahrscheinlich ohne Formeln und Funktionen durchzurechnen. Überträgt man diese Überlegungen auf

die Vielzahl von möglichen Akteuren und Entscheidern im Unternehmen, so dürften sich individuelle Einschätzungen und unterschiedliche Nutzenbewertungen ergeben. Dies kann auch eine Erklärung sein, weshalb wir im Unternehmen bei Betrachtung desselben Sachverhalts zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen oder andere Alternativen präferieren. Sie mögen unbestechlich sein, aber sind es die anderen Unternehmensvertreter in diesem speziellen Fall auch?

Nach einer Studie von Guiso/Sapienza/Zingales (2013) könnte man meinen, dass Unternehmen doch einen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen sollten, wenn sie nach Angaben ihrer eigenen Mitarbeiter tatsächlich hohen Wert auf Unternehmensethik legen. Dies zeigt sich in wirtschaftlich relevanten Kennzahlen, welche bei US-Unternehmen signifikant höher sind, die nachweislich Integrität leben.

Oder sind es die erfolgreichen Unternehmen, die sich eher Integrität leis-

ten können/wollen und so zu einem positiveren Arbeitsumfeld beitragen? Ökonomischer Erfolg und das Leben von Unternehmenswerten müssen sich zumindest nicht ausschließen, wenn Unternehmensintegrität nicht sogar erst das Fundament für den Erfolg darstellt.

Integrität im ­Ernstfall Tatsächlich gibt es aber regelmäßig Negativbeispiele dafür, dass das Einstehen für eigene Werte mit mehr oder minder schweren beruflichen Konsequenzen für den Einzelnen verbunden sein kann. Compliance Manager erfahren von schwerwiegenden Verstößen im Unternehmen meist nicht erst aus der Presse, sondern u.U. haben sie selbst zur Entdeckung beigetragen. Die persönlichen Wertevorstellungen treffen dann in besonderem Maße auf die des Unternehmens bzw. ihres Managements.

Traurige Bekanntheit erlangte ein Fall aus dem Jahr 2013, der zwei Compliance-Mitarbeiterinnen einer alteingesessenen hanseatischen Privatbank hart getroffen hat. Sie hatten zunächst ihren Arbeitgeber eindringlich auf Geschäfte mit Offshore-Gesellschaften aufmerksam gemacht, bei denen die Herkunft der Gelder nicht eindeutig geklärt gewesen sein soll.

Nach Angaben einer der Beschäftigten wurden diese als Reaktion darauf von ihrem Arbeitgeber zunächst von anderen Mitarbeitern räumlich isoliert, bevor sich der Arbeitgeber schließlich fristlos von beiden getrennt hat.

Offiziell sollen die Mitarbeiterinnen für das Diskreditieren von Kollegen entlassen worden sein, indem sie Meldungen an die Bankenaufsicht und Staatsanwaltschaft übermittelt hatten. Die Bank sah sich in ihrem Handeln bestätigt, da weder die externen Prüfungsgesellschaften noch die Finanzaufsicht oder die Staatsanwalt-

36 schaft ein strafrechtliches Fehlverhalten feststellen konnten. Es mangelte also an Beweisen. Von mehreren hundert Kundenverbindungen, darunter Kunden mit Kontakten zu Drogenbossen und sonstigen sanktionierten Personen, soll sich die Bank aber später getrennt haben. Für so manchen außenstehenden Beobachter stellte sich die Frage, ob die Überbringer der schlechten Nachricht stellvertretend für deren Ursache zur Verantwortung gezogen wurden.

Zu den eher seltenen Ereignissen gehört es hingegen, dass Compliance-Verantwortliche für das vorzeitige Ausscheiden nach 13 Monaten mit zweistelligen Millionenbeträgen abgefunden werden. Volkswagen und der Vorstand für das Ressort „Integrität und Recht“ haben sich im Rahmen der Dieselaffäre gegenüber der Öffentlichkeit ausgeschwiegen, wie genau die „unterschiedlichen Auffassungen über Verantwortlichkeiten“ zu verstehen sind, die zum Bruch führten.

Verständlicherweise ergaben sich Spekulationen darüber, ob die ehemalige Verfassungsrichterin wohl eine andere Vorstellung über die Aufklärungsarbeit im Volkswagen-Konzern hatte.

Eine späte Ehrung mit dem Whistleblowing-Preis haben zwei hessische Steuerprüfer im sogenannten Bankenteam im Jahr 2009 erfahren, die im Rahmen ihrer Dienstpflichten in den 90er-Jahren Steuerflüchtige und ihre Unterstützer aufdeckten. Auf dem Weg dorthin: Zwangspensionierung, falsche Gutachten, die den Beamten krankhaften Verfolgungswahn attestierten, schikanöse Dienstanweisungen, um nur ein paar der bekannt gewordenen Beispiele aufzuzählen. Die persönlichen Konsequenzen bzw. das erfahrene Leid wurden auch durch die Ende 2015 erfolgte gerichtliche Rehabilitierung der angeblich an Paranoia Erkrankten nicht ausgeglichen, auch wenn die falschen Gutachten vor Gericht aufgeflogen sind. Über ein Dutzend andere kritische Steuerprüfer wurden im gleichen Zusammenhang

I N T E G R I TÄT

Compliance Manager 3/18

INTEGRITÄTSTEST Sie freuen sich über den neuen Job, die große Chance, endlich ein eigenes Team zu leiten?

Während Ihrer Probezeit erkennen Sie, dass der neue Arbeitgeber einen „Feigenblatt“-Teamleiter für Geldwäschebekämpfung gesucht hat? Die Hochrisiko-Finanztransaktionen wollen Sie nicht mittragen? Prima, wann sprechen Sie dies bei Ihrem Arbeitgeber an? Kündigen Sie gar, wenn Sie kein Gehör finden?! Wollen Sie jetzt Ihre Durchsetzungsfähigkeit unter Beweis stellen und mal so richtig aufräumen in dem Laden? Machen Sie noch ein Jahr mit und suchen Sie parallel einen neuen Job? Träumen Sie von einem WhistleblowerPreis, der Ihnen zuteilwerden könnte, wenn Sie Unterlagen zunächst anonym an die Presse geben?

Haben Sie ein ungutes Gefühl in der Magengegend bei der Vorstellung, eine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden zu geben, weil Sie den Verdacht auf Geldwäsche und zugleich ein mögliches Fehlverhalten Ihres Arbeitgebers sehen?

Ein Zögern wäre zumindest menschlich verständlich.

Es gibt viel zu verlieren – sowohl beim Handeln als auch beim Unterlassen.

von ihren Ämtern entbunden. Die Rolle der Hessischen Landesregierung und der Finanzbehörde erscheint wenig rühmlich. Selbst der notwendige Genehmigungsantrag der Steuerprüfer zur Erstattung einer Strafanzeige von Steuerflüchtigen wurde abgelehnt, was als weitere Behinderung der Arbeit verstanden werden konnte.

Diese Fälle haben ihr eigenes mediales Echo erfahren und stehen symbolisch für mögliche Szenarien, die Compliance-Verantwortlichen drohen können, wenn sie sich mit ihren eigenen Integritätsvorstellungen im Unternehmen Gehör verschaffen wollen. Wer wirklich integer ist, kann nicht anders, als für seine Überzeugungen

Compliance Manager 3/18

einzustehen, auch wenn Gegenwind entsteht. Berufsrisiko eben. Jeder kann aber in ein berufsethisches Dilemma geraten – auf allen Karriere­stufen.

Kündigung oder Kündigungsschutz als Lösung?

Diese Gedanken spiegeln wider, wie korrumpierbar Mitarbeiter sein können, denn es steht einiges auf dem Spiel: die Karriere allgemein, die laufende Hausfinanzierung, der (empfundene) Makel eines kurzen Arbeitsverhältnisses im Lebenslauf, alle Unannehmlichkeiten, die mit einer neuen Jobsuche einhergehen können, der Wegfall von Versorgungsansprüchen etc. Die Gründe dürften so individuell unterschiedlich ausfallen, wie es unsere Lebenssituationen und Ängste sind. Kann man sich wirklich ganz sicher sein, dass der eigene Arbeitgeber im Ernstfall hinter seinen Compliance-Verantwortlichen steht? Ist man ausreichend geschützt? Nur vereinzelt gehen Unternehmen den Weg, z.B. bei Neueinstellungen oder vor Beförderungen von Führungskräften auch Persönlichkeits- und Integritätstests durchzuführen, die in die Personalentscheidungen einfließen sollen.

Der Gesetzgeber in Deutschland hat im Rahmen der Implementierung der 4. Geldwäscherichtlinie Maßnahmen ergriffen und räumt auch Geldwäschebeauftragten bzw. ihren Stellvertretern einen besonderen Kündigungsschutz von zwölf Monaten ein. Datenschutzbeauftragte genießen schon lange einen Sonderkündigungsschutz. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht spricht zumindest eine Empfehlung bei der Benennung von Compliance-Verantwortlichen aus, wonach diese für mindestens zwei Jahre erfolgen soll.

Eine Kündigungsfrist solle mindestens zwölf Monate betragen, um eine größere Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Gesetzlich verbindlich ist dies nicht und überlässt es den Vertragsparteien weitgehend selbst, eine Einigung zu

finden, wie Compliance seine Funktion unabhängig erbringen kann. Die große Anzahl an Compliance-Mitarbeitern verfügt über keinen besonderen Schutz – weder in Form besonders langer Verträge oder Kündigungsfristen noch in Form von D&O-Versicherungen o.Ä.

Die Europäische Kommission hat die höhere Schutzbedürftigkeit zumindest für Whistleblower erkannt und im April 2018 weitreichende Schutzmaßnahmen vorgeschlagen. Die konkrete Umsetzung steht aus.

Den wirksamsten Schutz könnten aber Unternehmen selbst gewähren, indem sie eine Kultur fördern, die das Einstehen für Integrität incentiviert und positive Beispiele kommuniziert. Im Umkehrschluss: Wer Regelverstöße deckt, sollte nicht für eine falsch verstandene Form der Loyalität belohnt werden.

Längst nicht alle Verstöße und Skandale schaffen es in die Presse, sondern werden oftmals im engen Mitwisser- und Vertrautenkreis unter Verschluss gehalten. Nach einer jüngst in der Online-Ausgabe des QZ-Maga-

37 Funktion im Unternehmen noch ausreichend unabhängig und ohne wesentliche Zwänge erbringen können.

Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man spätestens jetzt darüber nachdenken, ob die Inkompatibilität mit den tatsächlich gelebten Werten im Unternehmen so stark ist, dass man den „Heldennotausstieg“ benutzt, bevor der sprichwörtliche Heldentod droht.

Die Kündigung als eine Form der Resignation vor den möglichen Konsequenzen oder einfach als Stressvermeidung, sofern es der Arbeitsmarkt hergibt.

Was können Sie schon jetzt ändern und mit wem können/müssen Sie darüber sprechen? Wie verbindlich und konkret sind die Unternehmenswerte?

Als Mitarbeiter darauf zu vertrauen, niemals in eine Dilemma-Situation zu geraten, wäre naive Verdrängung.

Stattdessen sollte man eigene Grenzen definieren und überlegen, ob man wirklich bedingungslos unbestechlich

„Können die Compliance Officer unabhängig und ohne Zwänge arbeiten?“ ­ zins thematisierten Untersuchung des Compliance-Beraters Gartner, Inc. hat fast ein Drittel der über 5.000 befragten Mitarbeiter Compliance-Verstöße in den letzten zwei Jahren miterlebt.

Von diesen machen sich mindestens 59 Prozent auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber; doppelt so häufig wie Mitarbeiter, die nicht Zeugen eines Compliance-Verstoßes wurden.

Wie schwerwiegend müssen solche Verstöße sein, dass man den Glauben an den eigenen Arbeitgeber verliert?

Oder sind es Enttäuschte, die nicht mehr an das Zero-Tolerance-Credo in ihrem Unternehmen glauben?

Unter der angesprochenen Prämisse, dass sich Unternehmen im Umgang mit Regelverstößen in ständigen Interessenkonflikten zwischen Unternehmenszielen und -werten befinden, können sich Compliance Manager der Sinnfrage nicht entziehen, wie sie ihre Aufgabe erfüllen. So konkret wie möglich sollten sie sich die Frage positiv beantworten können, ob/wie sie ihre

ist. Welchen „Preis“ haben Sie? Was bezahlen Sie im Gegenzug, wenn Sie Ihre Integrität aufgeben? Was sagt Ihr Gewissen dazu? Wer wäre stolz auf Ihr Handeln, wenn Sie es schon nicht sein können? Die Liste der Fragen kann nahezu unendlich personalisiert werden oder lässt sich auf die Eingangsfrage verkürzen: Was ist das Richtige?

Frei nach Sokrates: Wenn wir uns gegenüber ehrlich sind, wissen wir eigentlich ziemlich genau, was das Richtige ist. Sind Sie bereit, das Richtige zu tun?

Daniel Scire, Regional Head of Compliance bei einem US‑Invest­ ment Manager, promoviert ­ aktuell im Themenbereich „Economics of Crime“. Scire ist seit 27 Jahren in der Finanzbranche tätig, davon überwiegend im aufsichtsrechtlichen Bereich von Banken und Finanzdienstleistern.

38

STUDIE

Compliance Manager 3/18

THE THE THE FUTURE FUTURE FUTURE OF OF OF COMPLIANCE COMPLIANCE COMPLIANCE 2018 2018 2018 WELCHE WELCHE WELCHE ROLLE ROLLE ROLLE SPIELEN SPIELEN SPIELEN DER DER DER KUNDE KUNDE KUNDE UND UND UND DIE DIE DIE DIGITALDIGITADIGITALDIGITA DIGITALLISIERUNG LLISIERUNG ISIERUNG ISIERUNG ISIERUNGIM IM IM IM IM COMPLIANCE COMPLIANCE COMPLIANCE MANAGEMENT? MANAGEMENT? MANAGEMENT?

Der Kunde wird immer stärker zu einer entscheidenden Größe für ein professionelles Compliance Management. Auch aus diesem Grund gewinnen Nachweise und Compliance-Marketing zunehmend an Bedeutung und ComplianceVerstöße mit Kundenbezug ziehen oft umfangreiche Maßnahmen nach sich. Das sind einige Ergebnisse der aktuellen Studie „Future of Compliance“.

S

39 Schon in unserer Studie aus dem vergangenen Jahr hat sich deutlich gezeigt, wen Compliance-Verantwortliche als wichtigsten externen Stakeholder mit Interesse an einem funktionsfähigen Compliance Management System (CMS) einschätzen: den Kunden. Auch bei Compliance gilt somit „Der Kunde ist König“. Sowohl B2B- als auch B2C-Kunden haben ein offenkundiges Interesse an einem funktionsfähigen CMS. Die Information darüber, ob ein Unternehmen ethisch, nachhaltig und regelkonform wirtschaftet, ist für viele Kunden mittlerweile ein wesentlicher Einflussfaktor.

Bereits heute erkundigt sich ein Großteil (80 Prozent) – wenigstens zu Beginn der Geschäftsbeziehung – aktiv nach dem CMS ihrer Geschäftspartner (Siehe Abbildung 1).

Hohe Relevanz: Nachweispflichten

AUTOREN: FL O RIA N MACIUCA PR OF . DR . RE NÉ S EIDENGLANZ CH R IST IN WÖHLER

Compliance Manager 3/18

Um dem steigenden Kundeninteresse und den daraus resultierenden Kundenanfragen Rechnung zu tragen und das Informationsbedürfnis ihrer Kunden zu befriedigen, erbringen die Compliance-Verantwortlichen in der DACH-Region diverse Nachweise. Insbesondere die Verpflichtungserklärung zu Compliance-Standards, Vertragsklauseln in Kundenverträgen und rechtlich vorgegebene Nachweispflichten werden im Rahmen der Studie als Nachweise genannt. Über ein Viertel der Teilnehmer gab darüber hinaus die Offenlegung ihrer Compliance-Dokumentation und/oder die Begehung/Compliance-Due-Diligence-Prüfung durch den Kunden an. Knapp ein Viertel der befragten Compliance-Beauftragten legen ihren Kunden die Ergebnisse einer Compliance-Zertifizierung vor (Siehe Abbildung 2).

Compliance-Marketing dem Kunden zuliebe?

Compliance kann zunehmend, und auch das zeigen die Daten, als Wettbewerbsvorteil, als „Business Enabler“ fungieren.

Um diese Potenziale zu nutzen, ist kundenorientiertes Compliance-Marketing auf Seiten der Unternehmen erforderlich. Hier deuten sich einige interessante Trends an.

So wird Compliance zunehmend in die Unternehmenswerte eingebettet. Weitere oft genutzte Marketingmaßnahmen sind die

40

STUDIE

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ABB.1: KUNDENANFRAGEN Beschreibung des CMS im Geschäftsbericht und auf der Unternehmenswebsite. Befragt nach ihren Haupttreibern für Compliance-Marketingmaßnahmen, gaben die Teilnehmer jedoch weniger die Erwartungshaltung des Kunden oder des Marktes an als vielmehr unternehmensinterne Wertvorstellungen bzw. Selbstverpflichtungen, gefolgt von der Unternehmensstrategie.

Wie oft stellen Ihre Kunden Anfragen zu Ihrem CMS (bspw. über die Compliance-Funktion)?

(N = 355) Regelmäßig

Selten

Initial (einmalig bei Beginn der Kundenbeziehung

20 %

Deutliche Reaktion auf Compliance-­Verstöße mit Kunden­bezug Unternehmen reagieren inzwischen mit umfangreichen Maßnahmen auf Compliance-Verstöße, die eine Ausstrahlungswirkung auf ihre Kunden haben. 48 Prozent der Teilnehmer, in deren Unternehmen es in den letzten Jahren mindestens einen Compliance-Verstoß mit Ausstrahlungswirkung auf Kunden gab, nannten einen Strategiewechsel als Reaktion auf den Verstoß. Ebenfalls häufig (41 Prozent) führten die Verstöße zu Vertragsanpassungen mit Kunden und/oder Lieferanten. Keinerlei Veränderungen gaben nur 13 Prozent der Teilnehmer an (Siehe Abbildung 3).

Dauerbrenner ­Digitalisierung Bereits die Vorjahresstudie zeigte, dass die Teilnehmer zukünftig mit größeren Herausforderungen in der Digitalisierung rechnen. Diese Einschätzung hat sich 2018 noch verstärkt, sei es die Nutzbarkeit von Big Data im Compliance Management (59 Prozent), Continuous Monitoring (55 Prozent), die Digitalisierung und Auto­ matisierung von Compliance-Prozessen und -Maßnahmen (55 Prozent) oder die Digitalisierung der Wertschöpfungskette (49 Prozent).

Gleichzeitig bietet die digitale Transformation auch großes Potenzial für die Tätigkeit der Compliance-Verantwortlichen. Auch wenn ein Großteil der Teilnehmer die Auffassung vertritt, dass innerhalb der Compliance-Funktion zukünftig ein deutlich höheres Maß an IT-Kenntnissen erforderlich ist, erkennen sie gleichzeitig

Nie

22 %

12 %

46 %

ABB.2: NACHWEISPFLICHTEN Welche Nachweispflichten bezüglich Ihres CMS erbringen Sie gegenüber Ihren Kunden bzw. fordern Ihre Kunden ein?

(N = 356; Mehrfachnennungen möglich)

Verpflichtungserklärung zu Compliance-Standards (z. B. Verhaltenskodex für Lieferanten)

70 %

Rechtliche Nachweispflichten (z. B. Datenschutz)

60 %

Vertragsklauseln in Kundenverträgen (z. B Prüfrechte)

56 %

Offenlegung von Compliance-Dokumentation

28 %

Begehung/Compliance-Due-Diligence-Prüfungen durch den Kunden

26 %

Zertifizierung (z. B. ISO, DIN, IDW PS 980, TÜV)

22 %

Gütesiegel (z. B. Fair Trade)

7%

die Chancen für ihre Tätigkeit durch eine bessere Datenbeschaffenheit sowie eine höhere Qualität an (Siehe Abbildung 4).

Compliance Manager 3/18

ABB.3: TATSÄCHLICHER

VERSTOSS

Gab es in Ihrem Unternehmen in den letzten fünf Jahren schon einmal Compliance-Verstöße mit Ausstrahlungswirkung auf Ihre Kunden?

Hat ein solcher Compliance-Verstoß schon einmal zu einer der folgenden Veränderungen in Ihrem Unternehmen geführt?

(N = 352; Mehrfachnennungen möglich) Ja, mehrere Verstöße

TATSÄCHLICHER

Ja, einen Verstoß

Keine Verstöße

VERSTOSS

65 %

18 %

17 %

35 % der Unternehmen hatten mindestens einen Verstoß

VERÄNDERUNG

DURCH

Eine besonders hohe Auswirkung auf ihre Compliance-Tätigkeit schreiben die Teilnehmer bekannteren Technologien wie Data Analytics und Cloud-Lösungen zu.

Mit Technologien, deren Auswirkungen auf die Compliance-Funktion noch deutlich schwieriger abzuschätzen sind – wie künstliche Intelligenz, Internet of Things, Robotics oder Smart Contracts –, beschäftigen sich immerhin bereits über ein Drittel.

Neue Technologien können sich auf zwei Ebenen auf die Compliance-Funktion auswirken: Zum einen können sie gezielt für die Compliance-Tätigkeit eingesetzt werden (z.B. Nutzung von Data Analytics für das Monitoring). Zum anderen rufen neue Technologien und digitalisierte Geschäftsmodelle auch neue Compliance-Risiken hervor, die gesteuert werden müssen. Die Compliance-Funktion steht vor der Herausforderung, die neuen Chancen und Risiken der digitalisierten Wertschöpfung im Unternehmen zu steuern und gleichermaßen die eigene Compliance-Funktion und die damit verbundene Präventions- und Aufklärungsarbeit dem digitalen Wandel zu unterziehen (Siehe Abbildung 5).

Starke ­Einbeziehung von Compliance in Digitalisierungs­ initiativen

VERSTÖSSE

Strategiewechsel

48 %

Vertragsanpassungen mit Kunden

41 %

Vertragsanpassungen mit Lieferanten

41 %

Produktänderungen

27 %

Änderung der Vermarktungs- und Werbestrategie

24 %

Veränderungen in der Lieferkette

21 %

Einschränkung der Länderpräsenz

21 %

Keine bekannte Veränderung

13 %

Preisänderung

Neue ­Technologien bergen Chancen und Risiken für die Compliance-­Funktion

6%

Eine Vernetzung von Digitalisierungsinitiativen im Unternehmen und den Compliance-Verantwortlichen ist vielfach bereits gegeben. 61 Prozent der Teilnehmer gaben an, in derartige Initiativen im eigenen Unternehmen eingebunden zu sein.

Die Art der Einbindung der Compliance-­

42

STUDIE

ABB.4: DIGITALE TRANSFORMATION DER COMPLIANCE-TÄTIGKEIT

Compliance Manager 3/18

AUS

SICHT

Wie beurteilen Sie die folgenden Aussagen zur digitalen Transformation aus Sicht Ihrer Compliance-Tätigkeit?

(Nmax. = 343)

Stimme zu

10 %

90 %

… setzt zunehmend IT-Kenntnisse innerhalb der Compliance-Funktion voraus.

23 %

77 %

… erleichtert die Wissens­übertragung zwischen ­Mitarbeitern.

Funktion scheint dabei vielfältig ausgeprägt zu sein, von der Beratung durch die Compliance-Funktion über die Teilnahme an Sitzungen und Ausschüssen bis hin zur Einbeziehung in die Entscheidungsfindung. Die Abteilungen, die die Compliance-Funktion am häufigsten in ihre Digitalisierungsinitiativen einbinden, sind der Vertrieb und die IT.

13 %

87 %

… fördert die Daten­beschaffenheit ­ (z. B. T ­ ransparenz, Verfügbarkeit, ­Integrität) und somit m ­ eine Compliance-­ Tätigkeit.

31 %

69 %

… verlangt die Delegation hin zu IT‑gestützten Entscheidungs­prozessen.

Zunehmende ­Digitalisierung und ­Automatisierung von Compliance Viele Compliance-­Maßnahmen und -Prozesse werden bereits heute mit der Unterstützung von IT-Anwendungen durchgeführt: am häufigsten Schulungen, gefolgt von ComplianceRisiko­analysen, Vertrags­­management

Stimme nicht zu

17 %

83 %

… steigert die Qualität von Unternehmens­prozessen.

44 %

56 %

… kann die Kosten der Compliance-­ Prävention im U ­ nternehmen senken.

und dem Hinweisgebersystem. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse aber auch, dass wesentliche Kernthemen der Compliance-Arbeit bei der Mehrzahl der Teilnehmer noch nicht IT-gestützt ablaufen (z.B. Mitarbeiter-Screenings).

Die Compliance-Funktionen haben die Herausforderungen der Digitalisierung erkannt und angenommen.

Fraglich bleibt jedoch, wann Technologien wie Data Analytics, künst-

Compliance Manager 3/18

ABB.5:

TECHNOLOGIEN

Sind die folgenden Technologien bereits in Ihrem Unternehmen thematisiert worden? Wie schätzen Sie die Auswirkungen der genannten Technologien auf Ihre Compliance-Tätigkeit ein?

(Nmax. = 336) Sehr hoch

Eher hoch

Eher niedrig

Sehr niedrig

30 % 31 %

Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence)

Cloud-Lösungen

Data Analytics

25 %

26 %

liche Intelligenz oder Blockchain tatsächlich in der Compliance-Funktion zum Einsatz kommen werden.

Aktuell scheint die digitale Evolution der Compliance-Prozesse noch in den Kinderschuhen zu stecken.

37 %

36 %

31 %

22 %

36 %

25 %

20 %

28 %

41 %

34 % 23 %

10 %

33 %

5% 22 %

32 %

7% 19 %

41 %

7%

7%

15 %

15 %

32 %

26 %

53 % 41 %

47 % 34 %

Kryptowährung

10 %

35 %

9%

Sensorik

7%

32 %

24 %

Process Mining

19 %

11 %

29 %

Smart Contracts

18 %

26 %

Internet of Things (IoT)

27 %

9%

Virtual Reality/ Augmented Reality

7% 32 %

Software Agents/Bots/ No-Collar Workforce

13 %

Autonome Technik

16 %

Blockchain

39 %

Robotics

45 %

DIE STUDIENREIHE Die Studienreihe „Future of Compliance“ von Compliance ­ M anager, Deloitte und Quadriga Hochschule Berlin verfolgt das Ziel, die ­ kontinuierliche Anpassung der Compliance-Strukturen aufgrund des sich ­ stetig ändernden Umfeldes zu beleuchten und die damit einher­ gehenden Herausforderungen und Trends auf jährlicher Basis zu a ­nalysieren.

Basierend auf den Ergebnissen aus dem Jahr 2017, wurden für dieses Jahr ­ die Schwerpunktthemen Kundenorientierte C ­ompliance und D ­igitalisierung festgelegt. Insgesamt über 350 Compliance-­ Verantwortliche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen dazu im Frühjahr 2018 an einer Online-Befragung teil. ­ Compliance ­ M anager veröffentlicht die Ergebnisse der Studie im Rahmen einer kleinen Serie.

Die Studienergebnisse erhalten Sie kostenfrei unter www.compliance-manager.net und www.deloitte.com/de/cga

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Compliance Manager 3/18

Ein extrinsisch an den Mitarbeiter herangetragenes Erfordernis zur Regeltreue wird wirkungslos sein und greift auch zu kurz. Wie weckt man aber das Eigeninteresse am regelkonformen Verhalten bei den Mitarbeitern?

E

Ein gut etabliertes Compliance Management System ist aus der Struktur eines erfolgreichen Unternehmens nicht mehr wegzudenken. Diese Erkenntnis hat sich in vielen Führungsetagen durchgesetzt.

Entsprechend erfährt Compliance Management derzeit einen regelrechten Boom.

Dennoch hat sich in manchen Unternehmen die Bedeutung von Compliance Management noch nicht bis in alle Bereiche des Unternehmens durchgesetzt. Wenn nicht sogar als bedrohlich oder störend wahrgenommen, wird Compliance Management in diesen Unternehmen aber zumindest weitgehend von der Belegschaft ignoriert. Die Gründe hierfür können in einer unzureichenden Kommunikation

TEXT UWE SCHOUMAKERS

Wie umgehen wir das

der Zielsetzung des Compliance Management Systems liegen, bei der der Schwerpunkt auf Anforderungen liegt, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden.

Die intrinsischen Motivationsfaktoren werden dagegen oft vernachlässigt.

Ziel des Compliance Management Systems Welches Ziel Compliance Management verfolgt, ist vermeintlich leicht zu definieren: Compliance bedeutet Regeltreue. Das Ziel ist es demnach, zu erreichen, dass alle Akteure im Unternehmen bestehende interne und externe Regelwerke einhalten. Dieser extrinsisch moti-

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Compliance Manager 3/18

Hase-Igel-Rennen?

vierte Ansatz erzielt beim einzelnen Mitarbeiter nur wenig Wirkung und greift für eine erfolgreiche Umsetzung des Compliance Managements im betrieblichen Alltag zu kurz. In einer leistungsorientierten Umgebung werden Regeln als etwas Störendes empfunden, das dem eigenen Erfolg im Wege steht. Grenzen werden ausgetestet und die Hemmschwelle, sich über Regeln hinwegzusetzen, wird mit jedem Regelbruch, der nicht bemerkt oder geahndet wird, geringer. Auch wenn wir über Regelwerke sprechen, deren Einhaltung kein Gegenstand von Diskussionen sein kann, so ist letztlich auch Compliance Management nichts anderes als ein internes Dienstleistungsangebot, das, wie jedes andere Serviceprodukt auch, verkauft werden will.

Selbstverständlich ist es möglich, damit zu argumentieren,

dass nicht regeltreue Mitarbeiter Konsequenzen fürchten müssen. Das aber würde bedeuten, mit der Angst zum Beispiel vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Entlassung zu arbeiten. Die wesentliche Motivation für die Einhaltung von Regeln besteht dann in der Vermeidung von Sanktionierungen. Eine Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Einhaltung von Regeln kann so nicht erreicht werden.

Stattdessen werden Mitarbeiter Wege finden, um ihr nicht regelkonformes Verhalten zu verbergen, oder nach Entdeckung neue regelwidrige Methoden entwickeln, um ihre Ziele auf möglichst einfachem Wege zu erreichen. Dieses Hase-Igel-Rennen wird der Compliance Manager niemals gewinnen können und es fügt dem Unternehmen langfristig Schaden zu, weil gegenseitiges Vertrauen und nachhaltige

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Geschäftsentwicklung durch viele Störfaktoren beeinträchtigt und Ressourcen verschwendet werden.

Regeltreue aus ­Eigeninteresse

Compliance Manager 3/18

„In Verbindung mit e ­iner serviceorientierten

Eine höhere Aussicht auf nachhaltige Regeltreue bietet die Fokussierung auf die intrinsische Motivation, also das Eigeninteresse an regelkonformem Verhalten. Ohne Zweifel ist dieser Ansatz deutlich beschwerlicher als das bloße hierarchisch-disziplinarische Umsetzen der Regeltreue.

In Verbindung mit einer serviceorientierten Strategie und der Kommunikation des Mehrwertes ist so jedoch eine wesentlich bessere Akzeptanz des Compliance Managements erzielbar. Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, den Nutzen von Regeln zu erkennen und sie als etwas Positives zu begreifen. Regeln definieren nicht nur Grenzen, sondern auch den Freiraum, innerhalb dessen Mitarbeiter

Compliance­-Strategie und der Kommunikation des Mehr­

sich eigenverantwortlich bewegen können. Sie geben Orientierung und Sicherheit und machen die Konsequenzen unseres Verhaltens vorhersehbarer. Die wichtigste Erkenntnis über Regeln ist aber, dass sie ein Spiel überhaupt erst möglich machen. Fußball hätte ohne Ebenezer Cobb Morley, der im Jahre 1863 die ersten Fußballregeln festlegte, niemals seine heutige Popularität entwickeln können. Analog gilt für Unternehmen, dass Märkte von ihren konstitutionellen Regeln leben, auf deren Einhaltung geachtet werden muss, damit das System langfristig funktioniert. Der einzelne Abweichler wird das im Moment seines Regelverstoßes nicht so sehen, aber die Gruppe wird verstehen, dass sie davon profitiert, den Abweichler wieder auf Linie zu bringen.1 Um ein Maximum an Akzeptanz für die Rahmenbedingungen, unter deren Einhaltung der Geschäftszweck verfolgt wird, zu erreichen, kann sich der Compliance Manager eines durch Simon Sinek unter dem Namen ‚Golden Circle‘ populär gewordenen Management Tools bedienen. Vereinfacht gesagt, beschreibt Sinek nichts anderes, als dass die Frage nach dem ‚Warum‘ im Vordergrund stehen soll.

Eine von Sineks Kernaussagen – „People don’t buy what you

do, they buy why you do it!“ – eignet sich sehr gut, um das Konzept auf das Compliance Management zu übertragen.

Es genügt demnach nicht, den Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, welche Regeln vorhanden und zu befolgen sind, sondern es ist noch viel wichtiger zu vermitteln, warum diese Regelwerke zum Erfolg des Unternehmens beitragen und von Vorteil für jeden einzelnen Mitarbeiter sind.

wertes lässt sich eine wesentlich bessere Akzeptanz ­ des C ­ompliance Managements erzielen.“

Das ‚Warum‘ des Compliance ­Managements Intrinsische Motivation wird allgemein als Interesse und Freude an der Tätigkeit beschrieben. Die etwas weitergehende Definition, die zusätzlich die „Kohärenz von externen Zielen und internen Werten und Standards“2 nennt, eignet sich sehr gut, den Mehrwert von Compliance Management darzustellen. Eingebunden in eine gezielte interne und insbesondere auch externe Kommunikation, kann sich das Compliance Management System zu einem zusätzlichen Alleinstellungsmerkmal entwickeln. Geschäftspartner beurteilen es positiv, wenn die geschäftlichen Aktivitäten eines

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Unternehmens im Einklang mit den formulierten Werten und Standards sind. Diese Übereinstimmung schafft Authentizität, und Authentizität schafft Vertrauen. Vertrauen in das Unternehmen, aber auch in jeden einzelnen Mitarbeiter, der dies wiederum positiv als Wertschätzung seiner Arbeit wahrnimmt. Das Ziel des Unternehmens, langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, wird also ebenso unterstützt wie das Streben der Mitarbeiter nach Anerkennung. Zusätzlich wird den Beschäftigten das Gefühl vermittelt, das Richtige zu tun, so wie es in einer häufig verwendeten Definition von Integrität beschrieben wird: das Richtige tun, auch wenn niemand hinsieht. Im Idealfall üben die Mitarbeiter ihre Tätigkeit im Kontext ihres eigenen Wertesystems aus, wenn sich dieses mit den Werten des Unternehmens deckt.

Dies ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Unternehmenswerte bevorzugt bottom-up erstellt werden sollten, statt sie aus der Unternehmensleitung heraus über die Or-

„Die Mitarbeiter streben danach, das Beste aus sich ­ herauszuholen. ­Compliance Management bietet die ­Möglichkeit, ­Mitarbeiter in i ­hrem Streben nach Entwicklung zu unterstützen, ­ da es sich intensiv mit den Prozessen und Abläufen im ­Unternehmen beschäftigt.“

47 ganisation zu stülpen. Der Grad der Identifikation mit dem Wertesystem des Unternehmens ist so deutlich höher und wird zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor für die Motivation zu regelkonformem Verhalten. Das Reden und Handeln der Beschäftigten kann letztlich nur dann in Übereinstimmung mit den postulierten Unternehmenswerten sein, wenn die Mitarbeiter sich und ihre eigenen Werte darin wiederfinden.

Ein weiteres wesentliches ‚Warum‘ liegt schlicht in der Natur des Menschen, denn es sind nicht nur egoistische, sondern auch fundamental kooperative Prozesse, die menschlichen Kulturen zu Grunde liegen.3 Der Hang zur geteilten Intentionalität, also der Fähigkeit, mit anderen Menschen ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und gegenseitige Verpflichtungen einzugehen, führt zwangsläufig zur Schaffung sozialer Institutionen, sprich Verhaltensweisen, die durch wechselseitig anerkannte Normen und Regeln bestimmt werden. Dem einzelnen Mitarbeiter mag es nicht

immer bewusst sein, aber im Kontext dieser Zusammenhänge strebt er permanent danach, Kooperationen einzugehen.

Tatsächlich sind nur wenige Menschen in der Lage, dauerhaft ohne eine kulturelle Gruppe zu überleben, die über entsprechende soziale Praktiken verfügt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Mitarbeiter selbst ein größtmögliches Interesse daran hat, sich bestehenden Normen zu unterwerfen, um weiterhin von der Kooperation profitieren zu können. Oder einfacher ausgedrückt: Menschen möchten zu den ‚Guten‘ gehören, damit sie weiter als Teil der Gruppe akzeptiert werden. Dieser Wunsch nach Eingruppierung in die ‚Guten‘ existiert tatsächlich in fast allen Menschen, auch in denen, die sich nachweislich schon eines Regelbruches schuldig gemacht haben. Die Kriminalpsychologie spricht hier von der Neutralisation. Eine höhere Macht oder das soziale Umfeld werden dann von Regelbrechenden als Rechtfertigung herangezogen. Im Umfeld eines Unternehmens kann es „Die Firma verdient doch schon genug Geld“ oder „Ich werde nicht fair behandelt“ sein.

Ein weiteres Eigeninteresse des Mitarbeiters an Compliance Management liegt in dem Streben nach Entwicklung.

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M OT I VAT I O N

Die Hochspringerin Mariya Lasitskene war nach ihrem letzten Sprung bei den Europameisterschaften 2018 in Berlin unzufrieden und sie hatte nicht den Ansatz eines Lächelns auf den Lippen, obwohl sie soeben Europameisterin geworden war. Die Enttäuschung darüber, dass sie die von sich selbst abverlangte Sprunghöhe nicht erreicht hatte, war größer als die Freude über die Goldmedaille und sie verlieh dieser Enttäuschung mit einem Schlag gegen eine Bank Ausdruck.

Selbstverständlich arbeiten Spitzensportler auf den Gewinn von Medaillen und Titeln hin. In ihrem täglichen Training konzentrieren sie sich aber darauf, sich weiterzuentwickeln und das Maximum aus sich selbst herauszuholen. Diese mentale Haltung wird auch im Wettkampf benutzt und führt dann im Ergebnis zu einer bestmöglichen Platzierung.

Auch Mitarbeiter eines Unternehmens streben danach, aus sich selbst das Beste herauszuholen. Compliance Ma-

nagement bietet die Möglichkeit, Mitarbeiter in ihrem Streben nach Entwicklung zu unterstützen, da es sich intensiv mit den Prozessen und Abläufen im Unternehmen beschäftigt. Von den dabei erzielten Veränderungen und Verbesserungen profitiert nicht nur das Unternehmen insgesamt, sondern auch jeder beteiligte Mitarbeiter. Andere Techniken, neue Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit oder veränderte Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten können das Ergebnis sein. Und auch wenn Optimierungen von Geschäftsprozessen häufig in der Reduzierung von Arbeitsplätzen münden, nimmt der einzelne Mitarbeiter die Verbesserung seines eigenen Arbeitsumfeldes positiv wahr und hat ein Interesse daran, Teil dieser Entwicklung zu sein.

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Compliance Manager 3/18

Das ist unsere Aufgabe Compliance Management ist eine herausfordernde Kommunikationsaufgabe. Es genügt nicht, bestehende und zu beachtende interne und externe Regeln zu verbreiten, sondern der Compliance-Verantwortliche hat auch die Aufgabe, sein Dienstleistungsprodukt zu vermarkten. Der Weg zum Erfolg führt dabei über eine ausgewogene ‚Push-and-Pull‘-Strategie, wobei der Teil ‚Push‘, also das Hineindrängen des Compliance Managements in die Abläufe und den Alltag der Mitarbeiter, über verschiedene Kommunikationswege und Tools relativ einfach zu bestreiten ist. Wichtig ist, dass dabei nicht, wie es leider häufig geschieht, ein Spiel mit der Angst entsteht, denn Regelbefolgung allein aus dem Interesse, Rechtsfolgen oder Nachteile zu vermeiden, hat eine sehr geringe Halbwertszeit.

Langfristig erfolgreicher ist dagegen der ‚Pull‘, der darauf

setzt, bei den Mitarbeitern einen Bedarf für das Compliance Management als internen Dienstleister zu wecken und die Regeltreue aus intrinsischer Motivation zu fördern.

Uwe Schoumakers ist als Corporate Compliance Manager für die CellMark-Gruppe tätig und verantwortet das Compliance-Programm des weltweit tätigen schwedischen Handelsunternehmens. Er ist Betreiber der Seite complianceForum.net und ist als Autor und Vortragender tätig.

Quellen: 1 Vgl. Michael Tomasello: Warum wir kooperieren, S. 43 Tobias M. Hoffmann: Motivation im Führungskontext von Sozialunternehmen, S. 60 3 Vgl. Michael Tomasello: Warum wir kooperieren, S. 13

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