Human Resources Manager "Humor"

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HUMOR


HR Excellence Awards 2022 Gehören Sie zu den Besten in der HR-Branche? Dann reichen Sie Ihre innovativen Leuchtturmprojekte ein. Early Deadline

Late Deadline

Final Deadline

Jury Sitzung und Award Show

25. August 2022

05. September 2022

15. September 2022

25. November 2022

Alle Infos finden Sie auf hr-excellence-awards.de


EDITORIAL

Situationskomik

Sven Lechtleitner, Chefredakteur Human Resources Manager

Coverbild: [M] Thomas Stockhausen / Getty Images; diese Seite: privat

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rinnern Sie sich noch an die Fernsehserie Strom­ berg – also an den Büroalltag der fiktiven Capitol Versicherung? Die Satire rund um den Abteilungsleiter der Schadensregulierung M bis Z, Bernd Stromberg, gespielt von Christoph Maria Herbst, nimmt die Arbeitswelt gehörig auf die Schippe. Die Charaktere und Geschichten sind frei erfunden, werden gefüllt durch überspitzte Stereotype und Vorurteile. So gilt der Vorgesetzte Stromberg als fachlich inkompetent, schiebt Aufgaben ab und hat zwischenmenschlich so seine Defizite, auch wenn er stets behauptet, gut mit Menschen zu können. Doch ganz aus der Luft gegriffen sind solche Persönlichkeiten dann wohl doch wieder nicht. Sonst wäre das Format kaum ein solcher Erfolg gewesen. Ein Stück Realität steckt in jeder Komödie. Humor gehört zur Arbeitswelt dazu – sei es Satire, ein Spaß im Team oder ein Lachen im Vorstellungsgespräch. Manchmal ist es auch die Situationskomik, die einen Moment lustig macht. So wunderte ich mich eines Morgens bei der Arbeit, wer denn das Büro umgeräumt hat. Als dann jemand an der offenen Tür vorbeilief und mich irritiert anschaute, wurde mir klar: Ich bin hier irgendwie im falschen Film. Ich war doch tatsächlich eine Etage zu früh aus dem Aufzug gestiegen und saß an einem fremden Schreibtisch. Die Etagen in dem großen Gebäude sahen einfach alle gleich aus. Diese Geschichte sorgte für recht viel Heiterkeit unter den Kollegen. j u n i / j u l i 20 22

Apropos: Kennen Sie den Spielfilm Die Tru­man Show, in dem US-Schauspieler Jim Carrey einen Versicherungsangestellten spielt, der Hauptdarsteller einer Fernsehserie ist, ohne davon zu wissen? Die Filmfigur Truman Burbank geht ihrem Alltag nach, wird aber den Gedanken nicht los, dass mit der heilen Vorortidylle etwas nicht stimmt. Als ein Scheinwerfer des Fernsehstudios vom Himmel auf den Gehweg fällt, werden die nagenden Zweifel Realität. Es gibt Momente im Arbeitsleben, die erinnern mich an diesen Film. Das kann ein Meeting, Workshop oder Gespräch sein. Hin und wieder ergeben sich irrwitzige Situationen im Beruf, in denen ich auf einen herunterfallenden Scheinwerfer warte. Nach dem Motto: Wo ist die Kamera? Mal bin ich mit diesem Gedanken alleine, mal vereint mit Gleichgesinnten. Auch wenn wir Humor äußerst individuell erleben – was manche als ernst deuten, treibt anderen die Lachtränen in die Augen –, ist doch kaum etwas befreiender als gemeinsames Lachen. Vielen unter uns ist jedoch gegenwärtig das Lachen vergangen. In Zeiten der Kriege und Pandemie braucht es einen sensiblen Umgang mit Humor. Vor allem ist Empathie gefragt. Wer anderen zu einem Lächeln verhilft, löst damit vermutlich nicht die Missstände dieser Welt, kann aber den Tag eines Menschen erhellen – im Privaten wie im Beruf. Auch wenn in dieser Ausgabe keine Witze gerissen werden – wie Sie es beim Schwerpunkt Humor vielleicht erwarten würden –, wünsche ich Ihnen hier und da ein Schmunzeln im Gesicht. 3


58 Arbeiten unter der Sonne Italiens: Soge­ nannte Workations sind ein Trend, dem immer mehr Unternehmen nachgehen.

Editorial

8 Debatte aktuell Braucht es Kündigungsfristen?

SCHWERPUNKT: HUMOR

6 Meine Arbeitswelt Ali Mahlodji, Berater und ­Speaker

18 Lockerlassen Über Humor am Arbeitsplatz 22 Tiktok und HR Passt das zusammen? Wir stellen vier HR-Tiktok-Kanäle vor. 28 Witzige Stellenanzeigen Kaum ein Unternehmen versucht, mit Witz passende Leute zu finden. Eine Ausnahme ist die Kommunikationsberatung Cocodibu.

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Ali Mahlodji hat als Jugendlicher die Schule abgebrochen. Heute hilft er Menschen, den Sinn ihres Lebens zu finden.

32 Business-Satire Über die Absurdität des ­Managementalltags 36 Zwischen Humor und Ernst Wir haben einen Anwalt und eine Comedyautorin gefragt, welche Rolle Humor in ihrem Joballtag spielt. 40 Gender Joke Gap Warum Frauen in der Businesswelt wenig zu lachen haben. Ein Interview mit Tabea Scheel 46 Humorcoachings Können sie Führungskräften tatsächlich dabei helfen, lustiger zu werden? 50 Humorvolle Videocalls Ein Gespräch über Eisbrecher, den Umgang mit Spaßbremsen und die Frage, wann Humor peinlich wird 54 Die Frohnatur Die Komikerin Lisa Feller im Porträt

Fotos: www.stefanjoham.com; Piabo PR_Visual Pro Lab; Tiktok; Stefan Pick; Tobias Bugala

MEINUNG

13 Schnappschuss 14 Purpose Ist der Purpose, den sich derzeit so viele Unternehmen geben, die coolste Sache seit Erfindung des Marketings? Eine Kritik

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IM FOKUS: ­ WORKATION 58 Sonne und Laptop Arbeit und Urlaub – passt das zusammen? ANALYSE 66 Business Continuity ­Management Beim BCM bleibt HR meist ­außen vor. Warum ist das so?

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PRAXIS 70 Unternehmenspodcasts Tipps für erfolgreiche Audio­ formate

Die Komikerin Lisa Feller steht mit Soloprogrammen auf der Bühne und ist gern gesehene Gästin bei Comedyshows. Über Humor als Beruf und seine Wirkung im Großen wie Kleinen

74 Hingehört Sibylle Stippler vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung stellt den Podcast KOFA auf dem Sofa vor. 76 Schimpf und Klage Die Journalistin Juliane Schreiber hat eine Gesellschaftskritik über den Terror des Positiven geschrieben. Eine Rezension

78 Reingeschaut Ausgewählte Neuerscheinungen aus dem Bücherfrühjahr

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Der PMK 2022

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#BPMbewegt

80 Sieben Gedanken Unternehmensberater Franz Herrlein über Age Management

100 Students@BPM

RECHT

102 Fragebogen Der Pionier der Lach­forschung, Michael Titze, über therapeutischen Humor und seinen Lieblingswitz

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Aktuelle Urteile

84 Essay Was auf HR-Verantwortliche in Sachen Hinweisgeberschutz­ gesetz zukommt 85

Impressum

VERBAND 90

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Editorial

91 Neue Leitungen der ­ Regional- und Fachgruppen 96

Ehrenmitgliedschaft

Die junge Generation ist auf Tiktok. Wie HR Platz auf dem Kanal findet – und warum wilde Tanzeinlagen und witzige Memes dafür gar nicht so wichtig sind.

97 Digitale Kompetenz­ entwicklung

LETZTE SEITE


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HUMOR

Einfach lockerlassen

Wer am Schreibtisch weder schimpft noch schluchzt, scheint ausreichend gut drauf zu sein. So wirkt es in Zeiten wie diesen zumindest. Dabei hat Humor am Arbeitsplatz gigantisches Potenzial, die Stimmung aufzulockern und Innovationskraft zu wecken. Warum auch Scherzkekse kompetente Menschen sein können und HR Spaß im Unternehmen fördern sollte. Ein Beitrag von Anne Hünninghaus 18

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Abbildung: francescoch / Getty Images

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tmar Kastner wirkt auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Keynote-Speaker, wie er da im Anzug auf der Bühne steht und selbstgewiss vor großem Business-Publikum doziert. Mühelos webt er unzählige Anglizismen in seinen Wiener Schmäh und beginnt eine Formel für Unternehmenserfolg auf den Flipchart zu kritzeln. „Positiv auf die Zielerreichung wirkt Begeisterung, also Z = B“, erklärt er. „B muss nun allerdings dividiert werden durch ‚JAM‘.“ Und das steht, führt der HR-Experte fort, für die Jammerleistung in den Teams, also wie häufig sich deren einzelne Mitglieder täglich über ihr Arbeitsumfeld beklagen. „Im Ministerium hatten wir damals eine Gesamtjammerleistung von 1,2 Giga-JAM“, schiebt er huldvoll nickend hinterher und meint damit das Umweltministerium, in dem er gearbeitet hat. Spätestens jetzt ist beim Betrachten des Youtube-Videos klar: Das kann er nicht ernst meinen. Kastner ist Wirtschaftskabarettist. Nach seinem Studium baute er die Abteilung für Personalentwicklung im österreichischen Umweltministerium auf und leitete sie lange Zeit. Parallel machte er Witze auf Kleinkunstbühnen – bis ihm aufging, dass das eigentliche Kabarett in der Arbeitswelt stattfindet. Im Jahr 2000 gründete er also die SAPOMSCHT Holding, das Akronym steht für ein wahres Buzzword-Sammelsurium: Systemic Approached Personnel Organisational Management Processes Services Consulting Hupfburg & Training. Seither tritt er in Beratermanier auf Konferenzen, bei Start-ups und Dax-Konzernen auf. Kastner möchte sie entlarven, die Wichtigtuereien und Eitelkeiten der NewWork-Elite, die sich an ihren hochdekorierten Titeln weidet. Damit stichelt er sein Publikum besonders gern. „Im Humor muss immer ein bisschen Schmerz dabei sein“, findet der Wiener. „Man muss sich ertappt fühlen, um sich befreien zu können.“ Einen Vorteil hat also, wer das Business kennt – und es somit zu spiegeln versteht. Die Weltlage ist gerade wenig lustig. Angesichts von Krieg, Pandemie und wirtschaftlichen Nöten, die allerorten auf die Stimmung drücken, ist Kastners Kunst besonders gefragt. Die Nachfrage der Firmen sei zurzeit groß. Humor richte auf, sei ein wahrer Resilienzbooster, sagt der Kabarettist im Gespräch ganz unironisch. Eine Kultur der Lockerheit zu schaffen, in der gescherzt und gelacht werden darf, darin sieht er für Unternehmen, insbesondere für HR, eine Aufgabe mit 19


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HUMOR

Tiktok Tiktok und und HR HR– – passt passt das das zusammen? zusammen? Wer neue Talente sucht, muss sie in ihrem Lebensumfeld abholen. Für die Generation Z ist dieser Ort immer häufiger Tiktok. Wie HR Platz auf dem Kanal findet – und warum wilde Tanzeinlagen und witzige Memes dafür gar nicht so wichtig sind Ein Beitrag von Anna Friedrich

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u welchem Rewe-Job gehört diese Kleidung? So wirklich spannend klingt diese Frage nicht. Doch auf Tiktok kommt sie gut an – weil sie cool dargestellt ist. Azubi Jonas wechselt sein Outfit per Fingerschnips, wird vom Verkäufer zum Metzger und dann zum Kommissionierer. Einmal trägt er ein graues Hemd, einmal eine weiße Arbeitskluft, dann ein schwarzes Polo­ shirt. Er dreht sich, lacht, spielt mit der Kamera. Nach 30 Sekunden ist das Video vorbei – und in den Kommentaren diskutiert die Community. Die einen freuen sich, weil sie alles richtig geraten haben. Die anderen kommentieren, 22

dass sie lieber bei Aldi oder Edeka einkaufen. Doch hier und da gibt es auch Kommentare wie: „Ab welchem Alter darf man bei euch arbeiten?“ oder „Kann man auch ohne Abschluss bei Rewe anfangen?“. Genau das ist es, was Rewe mit dem Karriere-Account @rewekarriere bezwecken will: Der Lebensmittelkonzern will sich als Arbeitgeber ins Gespräch bringen und mit einem Blick hinter die Kulissen zeigen, warum die Arbeit an der Käsetheke oder im Lager spannender ist, als viele denken. Für das Unternehmen ist Tiktok nämlich vor allem eins: das Sprachrohr zur Generation Z. Rund ein Drittel der Deutwww. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


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schen zwischen 14 und 29 Jahren ist auf dem Kurzvideodienst aktiv. „Fast die Hälfte der jungen Leute auf Tiktok ist bereits nicht mehr auf Instagram oder Facebook unterwegs und damit nur noch exklusiv über diesen Kanal zu erreichen“, sagt Justine Geloneck, HR-Expertin Employer Branding bei Rewe und verantwortlich für den Tiktok-Kanal. Es geht darum, die jungen Leute abzuholen. Und dabei spielt es keine Rolle, dass Jonas gar kein echter Rewe-Azubi ist, sondern ein sogenannter Content-Creator. „Er transportiert die Rewe-Kultur sehr authentisch für den Bereich Markt“, sagt Geloneck.

HR hat noch Luft nach oben Auch Kaufland, Edeka, Mercedes-Benz und zahlreiche andere Unternehmen sind auf der Plattform präsent. Doch während Edeka vor allem Rezepte teilt und Mercedes-Benz seine neuesten Autos bewirbt, geht Rewe einen anderen Weg: Der Konzern ist gleich zweifach auf Tiktok unterwegs. Der Corporate-Account @rewe_de postet Videos rund um Ernährung und Nachhaltigkeit. Der Karriere-Account @rewekarriere ist das Zuhause von HR. Zwei bis drei Posts pro Woche setzen die Personalverantwortlichen ab. Dass heute alles reibungslos läuft, verdankt Geloneck einer komplexen Vorarbeit. „Wir wussten, dass wir Freiheit für unseren Content brauchen und einen schlanken Abstimmungsprozess“, sagt sie. Deshalb wurde die Tiktok-Strategie im Vorfeld detailliert mit dem Social-Media-Team aus dem unternehmensinternen Marketing ausgearbeitet, die Vorstandsetage segnete das Konzept ab. Darin steht unter anderem die inhaltliche Ausrichtung des Kanals: Rewe will so oft wie möglich Videos mit eigenen Beschäftigten drehen. Wenn externe Content-Creator das übernehmen, dann müssen sie zur Marke passen. Und: Feste Zielvereinbarungen gibt es nicht. „Wir testen, was wir erreichen können. Am Anfang haben wir vor allem Reichweite aufgebaut, inzwischen probieren wir, das Engagement unserer Community zu erhöhen“, sagt Geloneck. Tiktok sei vor allem ein Imagekanal, man wolle als positiver, authentischer und nahbarer Arbeitgeber in der Zielgruppe wahrgenommen werden. Damit das im Alltag auch kurzfristig funktioniert, werden Videos auf dem kurzen Dienstweg freigegeben. Nur ein kleines Arbeitsteam aus HR und Marketing nimmt sie final ab. Hier zeigt sich das Erfolgsgeheimnis eines HR-Accounts bei Tiktok: Die Videos müssen authentisch und spontan sein, gerne natürlich auch witzig – aber Humor j u n i / j u l i 20 22

Genau hinschauen Tiktok steht zwar gerade hoch im Kurs, hat aber auch seine Schattenseiten. Diese Punkte sollten Sie auf dem Schirm haben Anfang des Jahres geriet Tiktok unter Druck: Eine zehnjährige Italienerin starb, als sie sich für eine Mutprobe selbst stranguliert hatte. Das Ziel der sogenannten Blackout-Challenge, die auf dem Kanal gerade in Mode war, ist es, in Ohnmacht zu fallen – indem User hyperventilieren, sich die Luftröhre mit einem Gürtel abschnüren oder anderweitig das Atmen unterbinden. Für das junge Mädchen endete dieser Trend tödlich, und Aufsichtsbehörden weltweit schlugen Alarm. Tiktoks Algorithmus spielt jene Inhalte aus, die er für besonders relevant hält. Solche mitunter gefährlichen Challenges stehen dabei hoch im Kurs, immerhin animieren sie zum Nachmachen und damit die Community dazu, Videos bei Tiktok hochzuladen. Mit gesundem Medienkonsum hat das nichts zu tun. Deswegen fordert der Daten- und Jugendschutz weltweit, dass Tiktok konsequenter Alterskontrollen durchführt und Inhalte besser kuratiert. Dazu kommen zahlreiche gesundheitliche Beschwerden bei jungen Menschen wie Konzentrationsschwäche und Essstörungen, die im Zusammenhang mit dem Konsum des Netzwerks stehen. Auch Mobbing und sogenanntes Cybergrooming, bei dem vor allem Kinder und Teenies ungewollt Kontakt zu Fremden haben, alarmieren Eltern und den Jugendschutz. Tiktok gibt sich engagiert: Man arbeite an den Problemen, Privatsphäre und Sicherheit der Nutzenden hätten oberste Priorität. Doch die Realität ist eben auch, dass hinter Tiktok der chinesische Konzern ByteDance steht. Immer wieder gibt es Berichte über Propagandavideos, Zensur und Fake News auf der Kurzvideoplattform. Wollen Unternehmen Tiktok nutzen, sollten sie also genau hinschauen. Vor allem beim Datenschutz: Tiktok sammelt zahlreiche Daten derer, die angemeldet sind – was damit passiert, ist nicht klar. Tiktok nennt mehr als 4.500 Partnerunternehmen, die auf die Daten zugreifen können. Umso wichtiger ist es auch für Unternehmen, eine Firewall für jeweils genutzte Smartphones zu installieren. Unternehmen und HR-Abteilungen, die den Kanal nutzen, sollten sich zudem ihrer besonderen Verantwortung angesichts der jungen Zielgruppe bewusst sein.

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HUMOR

Murmeln statt Kicker Bei Stellenanzeigen hört der Spaß auf. Kaum ein Unternehmen versucht, mit Witz und Ironie passende Leute zu finden. Eine Ausnahme ist die Münchener Kommunikationsberatung Cocodibu. Mit jeder Menge stupider Arbeit, einer Büroausstattung aus den Sechzigern und Murmeln statt Kickertisch hat sie vor einiger Zeit versucht, Talente zu gewinnen. Ist dies gelungen? Ein Gespräch mit dem Agenturgründer

Ein Interview von Petra Walther

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Fotos: NeilLockhart / Getty Images; threeseven / Getty Images; Raimund Verspohl / Cocodibu; Mihov / Getty Images

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Herr Faltin, wie kam es zu der Stellenausschreibung, in der Sie nach einer PR-Trulla oder einem PR-Fuzzi gesucht haben? Christian Faltin: Als wir uns damals intern über die Stellenbeschreibung ausgetauscht haben, haben wir uns darüber geärgert, dass im Prinzip immer alle Stellenanzeigen gleich sind: Alle Unternehmen geben an, flache Hierarchien zu haben, alle bieten ungefähr Vergleichbares an Benefits an. Und alle suchen Teamplayer, die lernfähig sind. Kurz: Inhaltlich gibt es keine großen Unterschiede bei den Stellenanzeigen. Eigentlich bräuchte man gar nichts zu den Anforderungen schreiben, da der Standard für Stellenanzeigen weitgehend bekannt ist. Wer will schon sozial inkompatible und inkompetente neue Leute? Daher kam uns die Idee, einfach mal das komplette Gegenteil zu kommunizieren und die Klischees unserer Branche auf die Schippe zu nehmen. Wie haben die Menschen auf den ungewöhnlichen Text reagiert? Die öffentliche Resonanz war riesengroß. Wir bekamen viele Anfragen von Radiostationen und Zeitungen sowie Zeitschriften. Das kam sicherlich vor allem dadurch, dass wir die Stellenanzeige nicht nur in den sozialen Medien gepostet, sondern auch online – also ganz real – geschaltet haben. j u n i / j u l i 20 22

Christian Faltin ist Gründer und Geschäftsführer der Münchner Kommunikations­ agentur Cocodibu und beschäftigt 14 Menschen. Vor der Gründung im Jahr 2007 arbeitete der studierte Kommunikationswissenschaftler als Journalist für diverse Wirtschaftsund Marketing-Fachmedien und war zudem Leiter Unternehmenskommunikation bei Kirch New Media.

Haben Sie auch mehr Bewer­ bungen erhalten als sonst? Ja, es gab deutlich mehr Bewerbungen. Allerdings waren unter ihnen viele Menschen, die nicht zu unserer Zielgruppe gehören. Ein Großteil von denen hat dies auch offengelegt:

Sie haben uns geschrieben, dass sie die Stellenausschreibung unheimlich lustig fänden und sich sehr gerne bei uns bewerben möchten – auch wenn sie wüssten, dass sie nicht in unser Raster passen: Beispielsweise war ein Rentner dabei, der geschrieben hat, dass sein früherer Job alle Kriterien erfüllt hätte und er deswegen geeignet sei. Vielen anderen fehlten leider Grundqualifikationen für den Job wie etwa ein guter Schreibstil oder ein Verständnis dafür, wie Medien funktionieren. Daneben hatten wir natürlich auch einige ernsthafte Bewerbungen erhalten. Ich würde jedoch sagen, nicht wesentlich mehr als auf andere Stellenanzeigen auch. Waren die ernsthaften Bewer­ bungen zumindest kreativer ­aufbereitet als sonst? Es haben sich einige von ihnen die Mühe gemacht, sich im Tenor unserer Stellenanzeige zu bewerben – à la „Ich habe eigentlich gar keine Lust, aber ich brauche das Geld …“. Manche haben implizit Bezug auf die Anzeige genommen, in der wir unter anderem 150.000 Instagram-Follower und ein „ortografiesches Gespür“ gefordert haben. Sie schrieben: „Ich habe zwar nur 2.000 Instagram-Follower, aber ich kann trotzdem nicht schreiben.“ Wir hatten mitunter das Gefühl, dass einige die Anzeige dankbar aufgenom29


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HUMOR

Jetzt mal ernsthaft, bitte In manchen Berufen ist Sprücheklopferei weitgehend tabu. In anderen bildet sie gar die Essenz der Arbeit. Wir haben einen Anwalt und eine Comedyautorin gefragt, welche Rolle Humor in ihrem Joballtag spielt – und worin die jeweiligen Herausforderungen dabei liegen. Auch HR sollte davon einige Tipps beherzigen. Ein Beitrag von Anne Hünninghaus

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ennen Sie den schon: Treffen sich ein Personalmanager, eine Journalistin und ein Polizist …? Schon gut, ertappt, es gibt keinen Witz, der so beginnt. Aber grundsätzlich existieren Scherze über Berufsgruppen so lange, wie die jeweils verspottete Zunft selbst. Besonders wer im juristischen Bereich arbeitet, kann davon ein Liedchen singen. Dass etwa Richterinnen und Anwälte besonders oft zur Zielscheibe werden, liegt vermutlich an ihrem Image: Sie gelten dem Klischee nach als regeltreu, steif und ohne Sinn für Humor. Doch das muss natürlich nicht so sein – verboten sind Witze weder in Kanzleien noch im Gerichtssaal – sie sollten nur wohlüberlegt und vorsichtig dosiert sein. Andersherum besteht der Arbeitsalltag in der Comedybranche oder anderen kreativen Bereichen auch nicht aus permanenter Pointenproduktion begleitet von schallendem Gelächter. Wir haben zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen Tätigkeiten gefragt, wie sie es mit dem Humor im Job so halten. ***

Der Rechtsanwalt Michael Felser ist eine rheinische Frohnatur und Chef ­einer Anwaltskanzlei in Brühl bei Köln. Sein Schwerpunkt liegt im Arbeitsrecht. An Vorurteilen ist oft etwas dran. Auch an dem, dass unsere juristische Zunft nicht unbedingt bekannt ist für ihren Humor. Der Beruf ist nun einmal stark regel- und auch 36

statusorientiert, daher wählen ihn oft eher konservative Menschen. Und sich den ganzen Tag mit der Rechtslage zu befassen, stimmt nicht unbedingt lustiger. Natürlich erwarten auch Mandantinnen und Mandanten Ernsthaftigkeit von uns. Zu mir ist noch nie jemand gekommen und hat gesagt: „Sie haben den Ruf, ein lustiger Anwalt zu sein, deshalb möchte ich von Ihnen beraten und vertreten werden.“ Es birgt sogar eher die Gefahr, dass einem Seriosität abgesprochen wird. Eher ist es anerkannt, wenn man als bissig gilt. Auch im Richterstand ist Humor nicht immer gern gesehen. Wenn Menschen vor Gericht stehen, zum Beispiel in einem Sorgerechtsstreit, würden sie scherzhafte Bemerkungen vermutlich als beleidigend oder arrogant empfinden, weil sie ihr Anliegen herabwürdigen. In meinem Beruf auf Humor zu verzichten, kommt für mich trotzdem nicht infrage. Denn er hat – bewusst eingesetzt – wichtige Funktionen. In ersten Beratungsgesprächen nutze ich gern scherzhafte Wendungen, um Dinge und Verhaltensweisen zu vereinfachen. Zum Beispiel kläre ich über die wichtigsten Fehlerquellen mit dem Bild der fünf apokalyptischen Reiter auf. Und wenn ich merke, dass mein Gegenüber, zum Beispiel nach einem Jobverlust, traurig ist oder Angst verspürt, lässt sich das über Humor ebenfalls abfedern. Dann nehme ich einfach die Gegenseite auf den Arm – in meinem Fall als Arbeitsrechtler sind das oft Unternehmen oder Behörden. Das nimmt ein bisschen die Schwere, ermöglicht es der Person, sich von der Last ihres Falls zu distanzieren. Meine Mandantinnen und Mandanten selbst würde ich aber niemals verballhornen. www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


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Foto: privat

„ Man sollte sich bewusst sein, dass wir uns mit dem Einsatz von Humor auch potenziell aufs Glatteis begeben.“   Michael Felser, Rechtsanwalt

Humor kann wirksam sein, um eine angespannte Situation aufzulockern. Man sollte sich aber bewusst sein, dass wir uns damit auch potenziell aufs Glatteis begeben: Der Einsatz von Humor erfordert in unserem Berufsstand gute Menschenkenntnis, vorsichtige Dosierung und Souveränität. Wenn jemand noch nicht ganz souverän ist, kann das schiefgehen. Als Referendar hätte ich mich vieles noch nicht getraut, und auch heute erlebe ich manchmal heikle Situationen. Als mich ein Richter im Prozess über eine Abfindung einmal fragte, ob wir uns einigen können, erwiderte ich: „Ja, aber wenn jetzt schon wieder der übliche Vorschlag von 0,5 Monatsverdiensten pro Arbeitsjahr kommt, können wir genauso gut im Vorraum des Gerichts einen einarmigen Banditen aufstellen.“ Das war natürlich frech und es wurde kurz still im Saal. Er hätte meinen Spruch als Vorwurf auffassen können, er würde wie ein Geldspielautomat immer dieselbe Option unterbreiten. Aber er nahm es gelassen, auch weil wir uns bereits gut kannten. In einem mir unbekannten Gericht würde ich mich aber nicht so weit aus dem Fenster lehnen. j u n i / j u l i 20 22

Wenn ein Witz nicht so ankommt wie geplant, entschuldige ich mich immer damit, dass ich Rheinländer bin. Unser Humor hier ist eben etwas robuster als anderswo. Oft geht es bei Prozessen für meinen Geschmack zu verbissen zu, vor allem wenn Anwältinnen und Anwälte ex­trem ehrgeizig sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es klüger sein kann, persönlich zu werden, im Sinne davon, eine Verbindung zueinander herzustellen. Das funktioniert vor allem über Humor. Natürlich sollte man gegenüber der Gegenseite in der Sache hart bleiben. Aber wir kommen schneller zu Ergebnissen, wenn wir einander nicht beißen, sondern uns auf einer menschlichen Ebene begegnen. Wie man Humor auslebt, ist immer auch eine Sache des Naturells. Und ein bisschen kommt es auch auf das Rechtsgebiet an. Meine Kanzleikollegin ist Anwältin für Familien- und Erbrecht. In ihren Fällen ist Empathie deutlich wichtiger als Humor. Worauf sollten Führungskräfte in stark regelorientierten und ernsten Berufsgruppen achten? Tipps von Kirsten Haenle, Betriebswirtin und zertifizierte Humor-Trainerin/-Coachin  Humor kann ein Türöffner sein – auch in sehr auf Seriosität bedachten Branchen. Wichtig ist, dass hier vor allem sozialer Humor eingesetzt wird, der die Stimmung auf37


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Auf den Spuren des Gender Joke Gap Hat unsere Gesellschaft ein Problem mit humorvollen Frauen? Studien zeigen: allerdings. Vor allem im Job. Ein Interview mit der Humorforscherin Tabea Scheel

Abbildung: [M] wikimedia.org, NADOFOTOS / Getty Images

Ein Interview von Jeanne Wellnitz

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Frau Scheel, eine Untersuchung unter 150 Studierenden aus Kanada ergab, dass ein Großteil der Befragten Humor in einer Beziehung wichtig findet. Es gab jedoch einen pikanten Unterschied: Nämlich in der Frage, was die Personen unter Humor verstehen. Frauen meinen damit Männer, die sie zum Lachen bringen. Männer verstehen unter Humor Frauen, die über ihre Witze lachen. Sind Männer dementsprechend humorvoller als Frauen? Wichtig ist, dass wir hier zunächst von Statistik reden, also von Menschengruppen und nicht von einzelnen Personen. Denn: Die Unterschiede innerhalb von Frauen- und Männergruppen sind bedeutend größer als die Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern. Es gibt also extrem witzige Männer und unglaublich humorbefreite Männer – und bei Frauen ist es genauso. Frauen ­favorisieren im 41


HUMOR

Durchschnitt eher Situationskomik und Wortspiele, sie liefern spontanen Humor, während Männer tatsächlich im Schnitt auf mehr Witze abfahren. Das ist ein häufiges Problem im Studiendesign: Es wird ein Cartoon gezeigt und dann soll eine witzige Unterschrift getextet werden. Das sind dann die Studien, in denen die Männer bislang besser abgeschnitten haben. Studien ergaben auch, dass Frauen eher wohlwollende Humorstile nutzen und aggressive Scherze von Männern häufig missbilligen. Als Frauen in Untersuchungen jedoch sexistische Witze über Männer vorgelegt wurden, war das Gelächter groß. Der Feminismus brachte das Genre Männerwitze dann zum Blühen. Zeigen diese Ergebnisse dass Frauen doch aggressiven Humor favorisieren, nur eben nicht auf eigene Kosten? Es gibt ältere Studien, da wurden den Teilnehmenden sexistische Witze auf Kosten von Frauen gezeigt: Die Männer lachten sich schlapp, die Frauen nicht. Das Ergebnis war, dass Männer humorvoller als Frauen seien. Dann folgten Studien, in denen sexistische Witze auf Kosten von Männern den Frauen präsentiert wurden und andersherum. Da hat gleichermaßen das jeweilige Geschlecht, das betroffen war, weniger gelacht. Interessant war jedoch, dass die Männer sich viel stärker angegriffen fühlten als die Frauen, wenn Witze auf ihre Kosten gemacht wurden. Was ist, wenn gleichgeschlechtliche Gruppen unter sich sind? Dann stehen sie sich vermutlich in nichts nach, was fiese, zotige und sexistische Witze auf Kosten des anderen Geschlechtes betrifft. Ist es somit ein Klischee, dass Frauen keinen aggressiven Humor haben? 42

Wenn wir die vier Humorstile für Studien abfragen, haben Männer beim aggressiven Humor höhere Raten. Generell hadern Menschen jedoch, aggressiven Humor zuzugeben. Bei solchen Befragungen kontrollieren sich die Teilnehmenden auch selbst. Und gerade Frauen haben einschlägige Stereotype, mit denen sie aufgewachsen sind, nach denen sie sich richten – Aggression ist dabei sozial unerwünscht. Auch Männer müssen viele Stereotype erfüllen, nur eben andere. Eine Tendenz ist jedenfalls

Tabea Scheel ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität Flensburg. Sie ist spezialisiert auf die Wirkung verschiedener Humorstile im Arbeitsalltag.

auch, dass Frauen eher zu selbstabwertendem Humor neigen. Männer setzen dafür ein Kreuzchen bei Aussagen über Verhalten wie: Ich lache über andere Menschen, wenn diese einen Fehler machen. Warum nutzen Frauen selbstabwertenden Humor?

Meistens, damit sie von anderen gemocht werden. In meinem Humortraining sage ich ihnen gern: Ihr müsst nicht die absoluten Witzeerzählerinnen werden, aber bitte trainiert euch ab, euch selbst witzelnd runterzumachen. Was nicht heißt, dass Frauen nicht auch einmal etwas Derbes raushauen sollen. Aber aggressiver Humor schafft generell Distanz zu anderen Menschen. Lässt sich Humor gut messen? Wenn wir Transkriptionen auswerten, lässt sich Humor kaum herauslesen, weil die Tonhöhe oder das Lachen fehlt. Man muss sich auch fragen: Was möchte ich herausfinden? Möchte ich wissen, wie die Humorstile mit Wohlbefinden zusammenhängen, muss das abgefragt werden. Das wurde schon häufig recht valide ermittelt: Es gibt zum Beispiel Studien, wo die Mitarbeitenden den Humor der Führungskräfte einschätzen. Es gibt auch Beobachtungsstudien aus dem Speed-Dating-Kontext, die Verhalten aufzeichnen und versuchen, es zu interpretieren. Verhaltensbeobachtungen sind jedoch sehr aufwendig. Und was kam bei den Mitarbeiterbefragungen raus: Sind die Führungskräfte hierzulande humorvoll? Konsens ist, dass aggressiver Humor im Arbeitskontext nicht so gut ankommt. Außer die Leute haben eine gute Beziehung zu der Führungskraft. Dann war positiver und negativer Humor gut für das Klima. Wenn sie jedoch eine schlechte Beziehung zur Führungskraft hatten, war Humor immer schwierig, egal ob er gut oder schlecht war. Das heißt also, das Wohlbefinden und die Humorstile hängen sehr von der Beziehungsqualität ab. Ist es hilfreich, wenn Teammitglieder untereinander über Vorgesetzte witzeln, um beispielsweise www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: privat

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Ein wenig Humor kann bei Führungskräften wahre Wunder bewirken. Doch längst nicht jeder Mensch schüttelt die Pointen aus dem Handgelenk. Dafür gibt es mittlerweile vielerorts Humorcoachings. Können diese tatsächlich dabei helfen, lustiger zu werden?

Ein Beitrag von Lars-Thorben Niggehoff

Abbildung: Koldunova_Anna / Getty Images

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s muss ein kurioses Bild gewesen sein, das sich den Leuten im Berufsverkehr zwischen New Jersey und New York bot. Mitten im Blechmeer frustrierter Autofahrer saßen in einem Fahrzeug zwei Herren, der eine war mit einer Schweinenase, der andere mit einem Elefantenrüssel ausgestattet. Die beiden Herren waren keine Verrückten, auch keine Geburtstagsclowns auf dem Weg zum nächsten Gig. Es handelte sich um Paul E. McGhee und Willibald Ruch, zwei angesehene Psychologen, der eine aus den USA, der andere aus Österreich. Die Nasenaktion war für sie Feldforschung, denn McGhee und Ruch beschäftigen sich seit vielen Jahrzehnten mit Humor. „Ich fand das erst albern, aber die Wirkung war erstaunlich“, erinnert sich Ruch, der heute Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich ist. „Die Leute um uns herum, die ansonsten furchtbar gestresst waren, entspannten sich plötzlich.“ Auch er selbst habe sich über die Aktion diebisch gefreut und in die eigene Kindheit zurückversetzt gefühlt. Das Experiment der Psychologen zeigt: Humor kann eine positive Wirkung haben, sowohl auf denjenigen, der ihn zeigt, als auch auf jene, die ihn erleben. Damit stellt sich die Frage: Kann man diesen gezielt einsetzen, etwa als Führungskraft, die für das eigene Team eine bessere Arbeitsatmosphäre schaffen will? Das Angebot an Humorcoachings für Führungskräfte, das seit Jahren wächst, zeigt zumindest, dass diese Idee eine gewisse Kraft entfaltet hat. 47


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Die Frohnatur Die Komikerin Lisa Feller steht mit Soloprogrammen auf der Bühne und ist gern gesehene Gästin bei Comedyshows. Über Humor als Beruf und seine Wirkung im Großen wie Kleinen

Foto: Stephan Pick

Ein Porträt von Sven Lechtleitner

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„ Comedy ist ein Quereinsteiger­ beruf, der ­keine andere ­Möglichkeit lässt.“

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ls sich Lisa Feller in einem Anflug von Motivation Sportbekleidung zulegen möchte, landet sie schließlich in einer grell ausgeleuchteten Umkleidekabine bei H&M. „Hier dreht also der Tatort seine Pathologieszenen“, sagt sie, während eine Verkäuferin namens Babe Nachschub heranschafft. Hüpfend will Lisa Feller in eine Stretchhose gelangen und fühlt sich dabei wie ein Schlafsack, den man vergebens versucht, wieder in den Beutel zu stecken. Schallendes Gelächter im Publikum. Das Stück gehört zu den Klassikern der Comedienne, die sie oft als Zugabe spielt. Auf Youtube hat das Video zum H&M-Hosenkauf knapp 400.000 Aufrufe. Wenn sie die Nummer auslässt, beklagt sich schon mal die ein oder andere Person unter ihren Fans. Die Stimme von Feller hört sich heiser an, als sie sich in das Videomeeting für dieses Gespräch schaltet. Am Abend zuvor sei es spät geworden, sagt sie und lacht in die Laptop-Kamera. Nach einer Fernsehaufzeichnung für die neue Show von Cindy aus Marzahn ging es mit Kollegen und anderen Comediennes in eine Bar. Im Moment sitzt sie in einem Hotelzimmer in Halle (Saale). Dass die gebürtige Düsseldorferin in einem Hotel übernachtet, ist eine Ausnahme. Meistens fährt die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen nach Auftritten heim, um morgens die Kinder für die Schule fertig zu machen – egal wie kurz die Nacht j u n i / j u l i 20 22

ist. Diesmal reist sie für mehrere Tage am Stück. Von Halle (Saale) geht es nach Weinheim, wo Feller abends ihr aktuelles Soloprogramm Ich komm jetzt öfter! spielt, danach weiter über Bad Wildbad, Zürich und Herne bis nach Hause in ihre Wahlheimat Münster.

Karriereweg Ihren Weg zur Comedy beschreibt die 46-Jährige mit den Worten: „Halb zog es sie, halb sank sie hin.“ Sie habe es immer auf die Bühne gezogen. Aber dass sie mal Komikerin werden würde, wusste sie in jungen Jahren noch nicht. Der Grund: Comedy ist kein Ausbildungsberuf, den jemand einfach ergreifen und lernen kann. „Es ist ein Quereinsteigerberuf, der keine andere Möglichkeit lässt“, sagt Feller. Schon in der Schule war sie immer die Lustige. Wer eine Klasse unterhält, sucht eine Art von Bühne. Anfangs wollte sie Schauspiel studieren. Bei einem Vorsprechen an einer staatlichen Schauspielschule merkte sie, dass es das nicht ist. Sie sei rückwärts wieder raus gegangen. Feller bevorzugt eher die Improvisation. Ihre Leidenschaft für Comedy und Unterhaltung war ihr klar, aber nicht, dass oder wie man damit Geld verdienen kann. Als sie das erste Mal Geld für einen Auftritt bekam, dachte sie: „Wie blöd sind die denn!? Das macht doch Spaß.“ Feller entschied sich zunächst für eine kaufmännische Ausbildung und ein Grundschullehramtsstudium mit Hauptfach katholische Religion in Münster. Die Arbeit in der Schule und mit Kindern machte ihr Spaß. Dennoch schlug sie nach dem ersten Staatsexamen den Weg in Richtung Entertainment ein. „Ich habe mich für was anderes entschieden, aber nicht gegen das Andere“, sagt sie. Es ging als Radiomoderation zum Inselradio nach Mallorca, der Kontakt entstand über einen Dozenten. Schon während ihres Studiums moderierte sie beim Münsteraner Hochschulradiosender Radio Q. Ein Jahr lang machte Feller auf einem Kreuzfahrtschiff Walk-Act-Comedy. Gemeinsam mit einer Freundin spielte sie an Bord in lustigen Kostümen Mitreisende und lernte dort den Umgang mit Publikum. Ihren ersten Stand-up-Comedy-Auftritt hatte sie beim Funkhaus des Westdeutschen Rundfunks – ein Vorläufer der Sendung NightWash. Es folgten Auftritte beim Quatsch Comedy Club und der Ladies Night. Der Durchbruch gelang Feller im Jahr 2009 durch die Fernsehsendung Schillerstraße. Das Konzept der Improvisationscomedy war genau ihr Ding. Eine Freundin schickte ihr damals die Anzeige der Fernsehproduktion. Sie ging zum Casting und wurde am Ende unter rund 150 Leuten 55


IM FOKUS

Büro mit Weitblick Workation ist die Verbindung von Arbeit und Urlaub. Das klingt widersprüchlich, ist aber ein Trend, den immer mehr Unternehmen erlauben und mit neuen Richtlinien organisieren. Ein Beitrag von Mirjam Stegherr

Foto: Piabo PR_Visual Pro Lab

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ine Wiese mit Pinien und Zypressen statt einer kahlen Wand mit Holzegal: Zwei Wochen lang wird Juliane Seack dieser Hintergrund begleiten. Immer wieder wird sie erklären, dass es kein virtueller Hintergrund ist, den man im Videocall sieht, sondern ein echter: Sie sitzt mit ihrem Laptop im Garten des Casale del Gallo, einem Anwesen rund 20 Kilometer südlich von Rom. Seack ist Head of People Development und eine von 30 Mitarbeitenden der PR-Agentur Piabo, die in Italien erproben, was als Trend aktuell die Arbeitswelt zu revolutionieren scheint: Workation. Die Wortschöpfung aus „Work“ und „Vacation“ verbindet zwei Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören: Arbeit und Urlaub. Laut Internationaler Tourismusmesse ITB ist es ein Trend des Jahres 2022. 23 Prozent der Befragten können sich laut Erhebung des Anbieters Holiday Extras vorstellen, ihre Arbeit mit dem Urlaub zu verbinden. Den Weg bereitet für diesen Trend haben die Auswirkungen des Coronalockdowns: das Arbeiten von zu Hause aus. Laut einer Umfrage des Verbands Bitkom wollen knapp neun von zehn Erwerbstätigen mindestens teilweise weiterhin im Homeoffice arbeiten. 71 Prozent sagen, mobiles Arbeiten sollte stärker genutzt werden. An 59


IM FOKUS

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diesem Punkt kommt Workation ins Spiel: Die Arbeit kommt mit an den Urlaubsort. Das kann in Deutschland sein oder im Ausland, wo immer Erholung und Abwechslung lockt. „Aus dem Fenster geschaut: Regen, Leute mit schlechter Laune, Deutschland. Ins Internet geschaut: günstige Flüge, Kolleg:innen mit Bock, Workation gebucht. Hola, Las Palmas!“, twittert Andreas Weck im Februar. Eine Woche arbeitet der Journalist mit einem Vierer-Team auf Gran Canaria. Sie teilen sich eine Wohnung, eine Küche und einen Esstisch, den sie zum Arbeitsplatz umfunktionieren, einen Garten mit Terrasse, Pool und Hund. Es ist bereits am Morgen 18 Grad warm. Weck trinkt Kaffee im Garten, eine Kollegin pflückt Papayas und Guaven vom Baum. Jeder startet auf seine Weise in den Tag. Bis sich alle um 9:30 Uhr treffen – zur Redaktionskonferenz mit dem Team in Deutschland. Weck ist Ressortleiter für Arbeitsthemen bei t3n, der Plattform und dem Magazin für digitale Wirtschaft. Das Konzept Workation kennt er, eine Kollegin hat es über Monate genutzt, ist durch Osteuropa gereist und über die Kanarischen Inseln. Der Verlag hinter t3n sitzt in Hannover. Um Arbeitskräfte zu gewinnen, habe er bereits vor Jahren eingeführt, dass Mitarbeitende drei Tage die Woche remote arbeiten dürfen, sagt Weck. Mit Corona fielen die letzten Büropflichttage. Heute können Mitarbeitende frei entscheiden, wo sie wohnen und wirken wollen. Der Verlag schaffe die Möglichkeit, das zu realisieren.

Kündigungswelle und Wettbewerbsvorteil Mitte November im nasskalten Berlin. Drei Piabo-Kolleginnen sitzen zusammen, seit eineinhalb Jahren arbeiten

„ Es gibt eine intrinsische Motivation, den eigenen Job gut zu machen. Das ist unabhängig davon, ob die Person zu Hause sitzt oder in einem Landhaus in ­Italien.“   Juliane Seack, Head of People Development, Piabo 60

Wegbereiter für Workation Professionelle Workation-Angebote versprechen einen guten Arbeitsplatz und schnelles Internet. Diese Angebote gibt es mittlerweile bei etlichen Reiseanbietern, ob bei Aldi oder Tui, die Mitarbeitenden in den eigenen Hotels Rabatte bietet. Expedia hat mit Work from Here eine Plattform eingerichtet, die Unterkünfte vermittelt und bei der Planung helfen soll. Workation.de hat eine kleine Übersicht über Co-Working-Space und Hotels, ob in Mecklenburg-Vorpommern oder Bali. Der Shooting-Star der Branche ist aber Selina: ein Start-up aus Panama, das Co-Working-Plätze in 145 Destinationen weltweit listet und über 100 Millionen US-Dollar Startkapital eingesammelt hat.

sie vorwiegend remote. Es wäre toll, sich mal wieder zu sehen, arbeiten wie vor der Pandemie. Warum nicht an einem Ort, an dem es wärmer und sonniger ist, an dem man draußen sitzen und zusammen etwas erleben kann? Aus der Idee wird ein Konzept, das Casale del Gallo der perfekte Ort: Es hat einen Garten, zwei Pools, drei Häuser, 15 Schlafzimmer. Es gibt mehrere Wohnzimmer, Esszimmer und Arbeitsplätze, drinnen und draußen. Es ist ländlich und trotzdem zentral, von Deutschland aus fährt ein Nachtzug nach Rom. 30 der 110 Angestellten wollen laut Umfrage mitfahren. Sie teilen sich in zwei Gruppen für jeweils zwei Wochen auf. Die Agentur bezahlt die Unterkunft. Den Rest tragen die Reisenden selbst. So startet Ende März das Workation-Projekt von Piabo. „Die Pandemie hat allen viel abverlangt“, sagt Agenturpersonalchefin Seack. Mobile Arbeit sei in der Agentur längst etabliert, bis zu drei Monate können Mitarbeitende auch aus dem Ausland in Anspruch nehmen. Es habe sich durchgesetzt, dass es irrelevant sei, wo jemand arbeite, das Vertrauen sei da: „Es gibt eine intrinsische Motivation, den eigenen Job gut zu machen. Das ist unabhängig davon, ob die Person zu Hause sitzt oder in einem Landhaus in Italien.“ Knapp die Hälfte der Arbeitnehmenden in Deutschland würde gerne ab und zu von einem anderen Ort aus arbeiten. Das zeigt eine Studie von Expedia aus dem Jahr 2021. Ein Drittel sagt, es würde sie entspannter und glücklicher machen, fast ebenso viele geben an, produktiver zu sein. Laut einer Umfrage von EY würde mehr als die Hälfte der Beschäftigten kündigen, wenn ihnen nicht die nötige Flexiwww. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


RECHT

E S S AY

Gesetzentwurf zu Whistleblowing läutet Kulturwandel ein

Ein Essay von Jan Heuer und Christoph Seidler

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n jüngster Vergangenheit zeigte sich die Bedeutung des Whistleblowing an Fynn Kliemanns medial umfangreich beleuchteten Fall. Der 34-Jährige hatte in der Vergangenheit als Influencer und Musiker größere Bekanntheit erlangt. Zu Beginn der Coronapandemie hat er Masken vermarktet, die unter fairen Bedingungen und in Europa produziert worden seien. Öffentlichkeitswirksam präsentierte eine Investigativrecherche des ZDF Magazin Royale im Mai 2022 den Vorwurf: Die Produktion sei größtenteils in Asien und offenbar unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen erfolgt. Zudem habe Kliemann wissentlich fehlerhafte Masken an Unterkünfte für Geflüchtete geliefert. Der Vorwurf von Irreführung der Öffentlichkeit und moralisch fragwürdigen Geschäftspraktiken wurde umso lauter, weil der Influencer zuvor die hohen ethischen Standards seiner geschäftlichen Aktivitäten stark betont hatte und dafür unter anderem mit einem Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden war. Medienberichten zufolge hat zudem mittlerweile die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Fynn Kliemann wegen Betrugsverdachts eingeleitet. Wie die Redaktion des ZDF Magazin Royale an die Erkenntnisse kam, ist nicht bekannt. Maßgeblich dürften ihnen aber Informationen vorgelegen haben, die dem Magazin aus dem unmittelbaren persönlichen und geschäftlichen Umfeld von Kliemann zugespielt wurden. So veröffentlichte die Fernsehsendung unter anderem Chatprotokolle und E-Mails, die in der Schlussfolgerung jemand weitergereicht haben muss. Ein klassischer Fall von Whistleblowing also. Der Begriff „Whistleblowing“ bezeichnet üblicherweise die Aufdeckung von verheimlichten Missständen durch sogenannte Hinweisgebende – also Whistleblower – aus der eigenen Organisation heraus. Häufig wird der Begriff verwendet für Beschäftigte, die rechtswidrige oder moralisch fragwürdige Handlungen im Unternehmen ans Licht bringen.

Umsetzung der EU-Richtlinie stockt Bereits vor einigen Jahren hat die Europäische Union das Thema für sich entdeckt und im Herbst 2019 die sogenannte EU-Whistle­ 84

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Grafik: Prostock-Studio / Getty Images

Nachdem die Umsetzung der EUWhistleblower-Richtline in deutsches Recht lange aufgeschoben wurde, liegt nun ein neuer Gesetzentwurf vor. Was auf HR-Verantwortliche in Sachen Hinweisgeberschutzgesetz zukommt


IMPRESSUM

blower-Richtline verabschiedet. Dahinter steht die Idee, dass in der Regel Beschäftigte in Unternehmen Rechtsverstöße als Erste wahrnehmen. Sie sollen durch die Errichtung von Meldestellen und schützende Vorschriften motiviert werden, ihre Beobachtungen preiszugeben. Die Richtlinie beschränkt sich auf die Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht und erfasst dessen klassische Bereiche von Daten- bis Verbraucherschutz. Den Mitgliedstaaten ist es allerdings freigestellt, den Anwendungsbereich auf Verstöße gegen nationales Recht zu erweitern. An dieser Erweiterung war in der Großen Koalition ein erster Entwurf eines Umsetzungsgesetzes gescheitert. Die Union wollte seinerzeit nicht, dass auch Meldungen zu Verstößen gegen deutsches Recht – zusätzlich zum Unionsrecht – vom Schutz erfasst sind. Im Dezember 2021 lief die Umsetzungsfrist für die EU-Whistleblower-Richtlinie schließlich ab. Deutschland konnte nicht liefern und kein Gesetz vorweisen. Seit Anfang 2022 läuft nun ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Und das zeigt offenbar Wirkung: Mittlerweile hat das von Marco Buschmann geführte Bundesjustizministerium einen angepassten Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vorgelegt. Dieses befindet sich derzeit in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung, bevor es – wohl nach der Sommerpause – für Beratungen in Bundestag und Bundesrat geht. Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet wird.

Was im neuen Entwurf steckt Die wesentlichen Regelungen für Unternehmen lassen sich so zusammenfassen: Ab einer Größe von 50 Beschäftigten besteht die Verpflichtung, eine interne Meldestelle für Hinweisgebende einzurichten. Größere Unternehmen ab 250 Beschäftigten müssen dies unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes tun, kleinere Unternehmen bis 249 Beschäftigte bekommen Zeit bis Dezember 2023. Eingehende Meldungen müssen innerhalb bestimmter Fristen bearbeitet werden: Spätestens nach sieben Tagen muss die hinweisgebende Person eine Bestätigung des Eingangs der Meldung erhalten und nach drei Monaten muss ihm oder ihr der Stand zu Folgemaßnahmen mitgeteilt werden. Die Vertraulichkeit der Bearbeitung der Meldung ist sicherzustellen und Hinweisgebende sind vor Repressalien geschützt: Das Arbeitsverhältnis darf nicht gekündigt, eine Beförderung nicht versagt und eine Entfristung nicht aufgeschoben werden. Im Zweifel müssen Arbeitgeber beweisen, dass folgende Benachteiligungen nicht im Zusammenhang mit einer Meldung des Hinweisgebenden stehen. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro pro Verstoß.

Whistleblowing im Unternehmensinteresse

Herausgeber Rudolf Hetzel Torben Werner (V. i. S. d. P.) (Quadriga Media) Dr. Emmanuel Siregar (BPM) Redaktion Sven Lechtleitner (sl) Chefredakteur sven.lechtleitner@quadriga.eu Jeanne Wellnitz (jew) Redakteurin jeanne.wellnitz@quadriga.eu Senta Gekeler (sg) Online-Redakteurin senta.gekeler@quadriga.eu Charleen Rethmeyer (cr) Werkstudentin charleen.rethmeyer@quadriga.eu Autoren und Autorinnen der Ausgabe Anna Friedrich, Stefan Häseli, Ingo Hamm, Franz Herrlein, Jan Heuer, Anne Hünninghaus, Lars-Thorben Niggehoff, Christoph Seidler, Mirjam Stegherr, Paula Thurm, Pascal Verma, Petra Walther Lektorat Christa Melli, Gaby Flemnitz Gestaltung Marcel Franke, Damian Strohmaier Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@quadriga.eu Abonnement Stefanie Weimann aboservice@quadriga.eu Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Benzstraße 12 12277 Berlin Im Internet www.humanresourcesmanager.de/ magazin Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 ­ Fax: 030 / 84 85 92 00 redaktion@humanresourcesmanager.de

Aus Sicht von Unternehmen werden wahrscheinlich weniger die drohenden Bußgelder die Motivation für eine zügige Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben sein. Vielmehr dürfte die Sorge eine Rolle spielen, dass Beschäftigte sich an andere Stellen außerhalb des Unternehmens wenden, wenn sie intern keine geeigneten Kanäle finden. Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes j u n i / j u l i 20 22

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Der ­Unbeschwerte Michael Titze ist ein Pionier der Lach­ forschung. Für ihn ist Lachen ein therapeu­ tisches Mittel und Humor das Ergebnis einer rhetorischen Strategie.

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Menschen, die sich um ihre Reputation im Wissenschaftsbetrieb wenig scherten. Einer davon war William Finley Fry, der 1964 die physiologische Lachforschung, die Gelotologie, aus der Taufe hob. Von der Universität Stanford, an der er als Psychiater lehrte, erhielt er keinerlei Unterstützung. Er wurde als exzentrischer Spinner belächelt. Fry ließ sich nicht beirren und hatte sowohl als Gelotologe und als Humortherapeut weltweiten Erfolg. Menschen, die viel lachen, haben Erfolg im Beruf, weil … Lachen die psychosomatischen Lebensgeister weckt. Wenn wir unbeschwert lachen, schalten wir eine habituelle Selbstkritik aus, die ein soziales Zusammensein erschwert. Lachen verbindet Menschen zwanglos miteinander. Lachen ist … zunächst eine effiziente Körperertüchtigung, indem es die Atmung und den Blutkreislauf auf Touren bringt. Dadurch werden die Lungen durchlüftet und das Gehirn wird mit Sauerstoff versorgt. Gleichzeitig gerät das Zwerchfell in Schwingung, sodass Leber, Galle, Milz und der Magen-Darm-Trakt kräftig durchgeknetet werden. Lachen baut Stresshormone und Aggressionen ab und stärkt das Immunsystem.

In brenzligen Situationen ist ­Lachen wichtig, weil … es eine Reaktion der emotionalen Entlastung ist. Dieses befreite Lachen setzt gerade dann ein, wenn wir merken, dass wir aus einer problematischen Lebenssituation in eine völlig unerwartete Richtung hineingekommen sind. Eine Person, die mich zuverlässig zum Lachen bringt, ist ... der Komiker René Schweizer, der leider nicht mehr unter uns weilt. Er brillierte durch seine skurrilen Anfragen an Behörden. Mein Lieblingswitz lautet: Fragt eine Urologin: „Brennt es beim Wasserlassen?“ Antwortet die Patientin: „Nö, angezündet habe ich es noch nicht.“ Die Fragen stellten Jeanne Wellnitz und Charleen Rethmeyer

Michael Titze ist promovierter ­Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Humor-Coach (HCDA). Er befasst sich seit vierzig Jahren mit den Auswirkungen des Lachens auf Körper und Geist und publizierte zu diesem Thema eine Reihe von Fachbüchern, zuletzt Wer zuletzt lacht … Die Kunst humorvoller Selbstbehauptung.

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Foto: Tobias Bugala

Zuletzt herzhaft gelacht habe ich … in einer Lachyogagruppe, als wir das Löwenlachen praktizierten, bei dem mit heraushängender Zunge und gespreizten Fingern brüllend gelacht wird. Das Lachen, das im Lachyoga durch einfache Atem-, Dehn- und Pantomimeübungen geübt wird, hilft, eine sympathische Körpersprache zu trainieren. Wenn wir grimmig dreinschauen, halten wir die Menschen in unserem Umfeld unweigerlich auf Distanz. Sozial attraktiv ist nur die unbeschwerte Mimik. Zur Forschung über therapeu­ tischen Humor bin ich gekommen, als ich … in meiner Tätigkeit als Psychotherapeut bemerkte, dass viele Personen, die Wirklichkeit zu ernst nehmen. Misserfolge, soziale Zurücksetzungen sowie Fehler auf der Arbeit werden als so gravierend empfunden, dass es zu Niedergeschlagenheit, Scham oder Angst führt. In dieser unheilvollen Verstrickung schafft ein Lachen Distanz. Indem Menschen lernen, ihre dunklen Gedanken auf die Schippe zu nehmen, ironisieren sie negatives Denken. Das Lachen als ernst zu nehmenden Forschungsgegenstand zu etablieren, erforderte … die Initiative von nonkonformistischen


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