Human Resources Manager "Ideale"

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IDEALE


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EDITORIAL

Perfektionsstreben

Sven Lechtleitner, Chefredakteur Human Resources Manager

Coverfoto: picture alliance / imageBROKER; diese Seite: privat

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enschen sind fasziniert von märchenhafter Perfektion. Wir erschaffen ideale Welten, in denen nur Gutes existiert oder überwiegt. Und das nicht nur in Gedanken oder als virtuelle Animation, sondern zum Anfassen und Erleben. Das Cinderella-Schloss im Magic Kingdom der Walt Disney World in Florida verkörpert eine heile und magische Welt, die wir in der Wirklichkeit nicht vorfinden. Doch was begeistert uns an einer Attrappe, die geradezu vollkommen überfrachtet erscheint? Vielleicht ist es die Geschichte dahinter: die einer jungen Frau, die ihre Träume verwirklichen möchte und nach etwas Größerem strebt. War es einst ihr Ziel, als Königsgattin dem Aschenputtel zu entwachsen, möchte die Märchenfigur der Neuverfilmung lieber Modedesignerin und Geschäftsfrau werden. Die Ideale sind im Wandel, wenngleich die Geschlechterklischees noch immer wenig zeitgemäß anmuten. Im Kern bleibt eine Botschaft jedoch unverändert: den Sehnsüchten folgen, Großes vorhaben und dabei den eigenen Werten treu bleiben. Auch in der Arbeitswelt haben sich Sehnsüchte und Ideale gewandelt. Galt es früher noch als perfekt, bis zum Ruhestand bei einem Unternehmen zu arbeiten, dabei auf der Karriereleiter ein wenig nach oben zu klettern, steht heute Selbstverwirklichung im Vordergrund. Menschen möchten mit ihrer Arbeit einen Beitrag leisten, etwas bewirken. Sie möchten an Entscheidungen teilhaben, Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens nehmen. Starre Hierarchien o k tober / novem ber 2021

sollen fairer und respektvoller Führung weichen. Beschäftigte wollen Familien- und Berufsleben miteinander vereinbaren. Vor allem aber möchten viele im Job ihren Überzeugungen treu bleiben, nicht jeden Tag ihre Moral- und Wertvorstellungen zurechtstutzen, damit sie zum Unternehmen passen. Viele setzen also auf ein perfektioniertes Arbeitgeber­ image. Dieses Sinnbild wankt jedoch, wenn das Innere nicht hält, was die Fassade verspricht. Tauchen Beschäftigte erst mal in die Unternehmensrealität ein, kommen Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild an die Oberfläche. So schön wir uns manchmal die Arbeitswelt auch vorstellen: Ideale sind eine Sache der Perspektive. Wie Cinderella die Hürden ihrer Zeit zu überwinden versuchte, scheitern manche Jobinteressierte an denen unserer Gegenwart. Für die Idealbesetzung einer Stelle herrschen in den Köpfen schon mal Vorstellungen jenseits von Gleichbehandlungsgeboten. Altersdiskriminierung kommt vor, Personen mit ausländisch klingenden Namen werden seltener zu Interviews eingeladen und zwischen den Geschlechtern klafft nach wie vor eine Gehaltslücke. Die ideale Arbeitswelt liegt auf gewisse Weise in der Ferne, obwohl sie oft zum Greifen nahe scheint. Die Bedürfnisse der Belegschaft auf der einen Seite, die Anforderungen des Unternehmens auf der anderen: Beides zusammenzubringen, wäre perfekt. Und wer könnte besser darauf einwirken als HR? Gestalten wir also eine Arbeitswelt mit gemeinsamen Idealen! 3


20 Was macht Personalarbeit ­wertschöpfend? Wir haben drei ­HR-Profis gefragt: ­Sylvia ­Borcherding (Foto), Arbeits­direktorin bei 50Hertz, ­HR-Professor Stephan ­Fischer und ­Rupert Felder, HR‑Chef bei ­Heidelberger ­Druckmaschinen

Editorial

6 Meine Arbeitswelt Sylvie Nicol ist Personalvorständin bei Henkel und hat beim Antritt ihres Postens auf das berühmte Eckbüro verzichtet

11 Schnappschuss 12 Trennungsgespräche Dos and Don’ts bei Kündigungsgesprächen via Videocall SCHWERPUNKT: IDEALE

MEINUNG 8

Debatte aktuell Wächst die Qualifikationslücke?

16 Ein Hauch von Romantik Was sind Ideale in unserer ­Arbeitswelt? 20 Ideale Personalarbeit Business und Belegschaft stellen hohe Ansprüche an HR‑Verantwortliche. Wie sieht Personal­ arbeit aus, die allen Ambivalenzen gerecht wird? 24 Arbeitgeberimage Was wünschen sich Jobsuchende von Unternehmen?

28 NGOs verfolgen ideelle Ziele. Muss auch die Personalleitung diese leben? Nora Winter ist Head of HR bei der ­Berliner Ernährungs­organisation ProVeg, die sich für ­einen fleischlosen Lebensstil ­einsetzt. Ein Gespräch

28 Personalarbeit in einer NGO Nora Winter, Head of HR bei ProVeg, sagt, sie habe den besten Job der Welt. 34 Altersdiskriminierung Ob zu jung oder zu alt: Wer das Geburtsjahr zum Maßstab macht, wie ideal eine Arbeitskraft zur Stelle passt, diskriminiert Menschen. Worauf HR achten muss 38 Potenzialentfaltung Wie lässt sich unser Gehirn beruhigen, sodass wir in stressigen Situationen dem Ideal unseres Selbst nahekommen? 42 Teilzeit-Utopie Was wäre, wenn wir alle nur noch 20 Stunden arbeiteten? Ein Gedankenexperiment 46 Radikale Ideale Die Journalistin Gülseren Ölcüm hat für die SWR‑Dokureihe Radikale Ideale mit Menschen gesprochen, die für ihre Ideale Ärger mit dem Gesetz in Kauf nehmen. Ein Interview

Fotos: Jan Pauls; Nora Winter; santol / Getty Images; Przemyslaw Iciak / Getty Images; Volkswagen AG

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56 IM FOKUS: ­ FLUKTUATIONSMANAGEMENT

Menschen, die vier Wochen nach einer Corona-Erkrankung weiterhin ­Symptome haben, leiden unter Long Covid. Wie kann HR ihnen helfen, dennoch zurück

48 Gestalten, nicht verhindern Die Verfügbarkeit von Arbeitskraft zu organisieren, ist für viele Unter­nehmen herausfordernd. Wie kann die HR-Abteilung verantwortungsvoll mit Fluktuation umgehen?

in den Beruf zu finden?

VERBAND

ANALYSE

60 Hingehört In dieser Rubrik zeigen wir Ihnen wichtige Podcasts rund um HR, Arbeit und Menschen. In Folge drei: Arbeits­philosophen von Frank Eilers

52 Teamentwicklung Wie lassen sich starke und ­effektive Teams organisationsweit aufbauen?

62 Vom Arbeiterkind ins deutsche Fernsehen Eine Rezension von Pinar Atalays Biografie

76 Strategische Personal­arbeit in der ­Transformation Inga Dransfeld-Haase und Rainer Gröbel stellen ihr neues Buch vor

PRAXIS

64 Reingeschaut Ausgewählte Neuerscheinungen aus dem Bücherherbst

56 Mit Long Covid zurück ins Büro Corona-Symptome können ­Monate anhalten und Betroffene einschränken. Wie kann betriebliches Eingliederungs­ management unterstützen?

66 Sieben Gedanken Laura Drees von der Agentur Protofy über Coaching von ­Mitarbeitenden

74 Editorial 75 Herzlich willkommen Neumitglieder im Kurzinterview

78 Der Personal­management­ kongress in Bildern 80 Gewinnerinnen und Preisträger

68 Aktuelle Urteile

84 Mentale Gesundheit Jimmy Westerheim, Chef der Osloer NGO The Human Aspect im Gespräch LETZTE SEITE

70 Essay Mit der gesetzlichen Regelung zur Abfrage des Impfstatus der Beschäftigten lässt die Politik Arbeitgeber im Regen stehen

86 Fragebogen VW-Personalvorstand ­Gunnar Kilian über die vegane Variante der VW-Currywurst und Corona-Krisenmanagement

RECHT

71 Impressum

48 Wie lässt sich Personalwechsel so gestalten, dass die freie Entscheidung der Beschäftigten den ­Anforderungen des ­Geschäftsmodells entspricht? Die ­Prinzipien des Fluktuations­ managements im Überblick


M E I N U N G

IMPULS

Kündigen, aber mit Gefühl Ein Gastbeitrag von Martha Giannakoudi

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HR gestaltet Arbeitsbeziehungen, in guten wie in schlechten Zeiten. Wie sollten Personalverantwortliche am besten vorgehen, wenn Kündigungen ausgesprochen werden müssen? Und wie führt man eigentlich ein Trennungsgespräch im Homeoffice?

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MEINUNG

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ündigungen lösen starke Emotionen bei Menschen aus: Führungskräfte können sehr enttäuscht sein, weil sie sich ein anderes Verhalten oder eine andere Leistung von ihrem Teammitglied erhofft haben. Mitunter haben sie zu kündigende Beschäftigte vor dem Kollegium verteidigt, sie besonders gefördert, ihnen ein höheres Gehalt eingeräumt, viel persönliche Zeit investiert oder hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit gestellt. Vielleicht war auch das Homeoffice der Auslöser, weil die Begegnungen und die Zusammenarbeit fehlten und man sich auseinanderentwickelt hat. Die Kündigung eines Teammitglieds nehmen Führungskräfte und ihr Umfeld oftmals als Misserfolg oder Scheitern wahr. Dabei müssen Führungskräfte in der Lage sein, die Person von der Sache zu trennen, um transparent und authentisch zu kommunizieren. Natürlich werden auch bei Beschäftigten Emotionen ausgelöst: Die Bandbreite reicht von Erleichterung über Betroffenheit bis hin zu Verbitterung über den Verlust der Arbeitsstelle. Betroffene haben womöglich große Hoffnungen und Erwartungen gehegt, vielleicht im Vorfeld eine andere Stelle gekündigt. Sie haben viel Zeit und Energie eingesetzt und sind ein Stück des Weges mit dem Team und dem Unternehmen gegangen. Bei vielen löst eine Kündigung existenzielle Sorgen aus. Was passiert mit der Familie oder dem Darlehen fürs Haus? Wie ist mit dem eventuellen Gesichtsverlust im Freundeskreis umzugehen?

Abbildung: tomozina / Getty Images

Vorgeschichte einer Kündigung Nicht ausgesprochene Kündigungen sind schlecht für das Team und das Unternehmen. Denn dann wird Arbeitsleistung meist nur teilweise oder gar fehlerhaft erbracht. Das führt zu Mehrarbeit, Frust und Demotivation im Team. Professionelle Kündigungen bringen beiden Seiten etwas: zum einen dem Unternehmen, weil es die Position besser besetzen kann; zum anderen der betroffenen Person, weil es für niemanden gut ist, im falschen Job zu arbeiten und wenn Leistungen nicht anerkannt werden. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber kann betriebliche, verhaltens- oder personenbedingte Gründe haben. In allen Fällen sollte sie gut begründet sein. Stehen persönliche Gründe dahinter, sollte die Führungskraft der jeweiligen Person ein zielgerichtetes, konstruktives und klares Feedback über ihre Stärken, aber auch über ihre Schwächen und o k tober / novem ber 2021

Defizite geben. Es muss ganz klar an- und ausgesprochen werden, dass das gezeigte Verhalten oder die erbrachte Leistung deutlich von den Erwartungen an die Stelle abweicht und nicht ausreichend ist, um das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Das muss über einen gewissen Zeitraum hinweg geschehen, damit der oder die Angestellte die Gelegenheit erhält, das erhaltene Feedback auch umzusetzen. Hilfreich ist es, das Gegenüber um eine Selbsteinschätzung auf einer Skala von eins bis zehn zu bitten und das Ergebnis mit der Einschätzung der Führungskraft abzugleichen. Kommt es dennoch zu einem Kündigungsgespräch, kann die Führungskraft im Dialog Folgendes anbieten: rasch ein Zwischenzeugnis ausstellen, ein Bewerbungscoaching anbieten sowie eine zügige und komfortable Freistellung ermöglichen. In jungen Unternehmen oder auch bei neuen Beschäftigten grassiert oft eine in der Regel unbegründete Angst, man könne willkürlich und aus heiterem Himmel gekündigt werden. Was auch immer die Ursachen für solche Ängste, die in der Folge negative Energie hervorrufen, sein mögen: Unternehmen können diese aktiv mit der Implementierung eines offiziellen Kündigungsprozesses unterbinden. Dabei ist der Prozess dokumentiert, der einer Kündigung vorauszugehen hat. Dieser regelt zum Beispiel Anzahl, Formate und Beteiligte in den vorgelagerten Gesprächsrunden. Denn nur wenn Angestellte sich tatsächlich sicher fühlen, werden sie ihr Leistungspotenzial abrufen können. Ein offen kommunizierter, offizieller Kündigungsprozess im Unternehmen schafft Sicherheit für die Menschen in den Unternehmen, aber auch für die Führungsetage.

Niemals freitags kündigen Wie sieht die Kündigung in Zeiten von Homeoffice aus? Sollten Arbeitgeber trotz Pandemie darauf bestehen, dass Betroffene ins Büro fahren, um das Kündigungsschreiben fristgerecht ausgehändigt zu bekommen und den Empfang zu quittieren? Oder doch lieber die Kündigung per Brief aussprechen, vielleicht sogar per Mail, Telefon oder Videocall? Welcher Weg auch immer gewählt wird: Rechtlich wirksam ist eine Kündigung nur, wenn sie nachweislich zugestellt wird und die Kündigungsfristen gewahrt sind. Ein Beispiel: Die erste Kündigung, die ich gemeinsam mit dem Geschäftsführer eines Unternehmens virtuell ausgesprochen habe, war während des ersten Lockdowns im 13


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Ein Hauch von Romantik Früher war mehr Lametta? Stimmt nicht, zumindest was unsere Arbeitswelt betrifft. Glich der Joballtag einst einer Zweckehe, wird er heute oft mit Sinn-Sehnsüchten aufgeladen, teils gar überfrachtet. Die Utopie im Büro birgt Gefahren – aber ein bisschen Idealismus darf es ruhig sein.

Ein Beitrag von Anne Hünninghaus

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iese Zimmerpflanzen eignen sich ideal fürs Büro“, „Wie viel Körperfett ist ideal?“ und – passend dazu – „Ideale Herbstrezepte“. Bei der News-Suche im Internet wird man zum Begriff „Ideal“ schnell fündig. Er scheint, nun ja, recht beliebig verwendbar zu sein. Gräbt man tiefer, erfährt man, dass der Begriff aus der philosophischen Ästhetik und Ethikvorstellung stammt. Ein Ideal ist der Inbegriff eines Vollkommenheitsmusters, sein Bild erstrahlt in einer Perfektion, an die unsere Realität kaum heranzureichen vermag. Wir belächeln jemanden als Idealisten, der seine hehren inneren Motive verfolgt und dabei die Wirklichkeit verklärt. Wir ermahnen die Träumerin: Sei nicht naiv, verfange dich nicht in unerreichbaren Utopien, lieber der Spatz in der Hand und so weiter. Gleichzeitig ertappen wir uns dabei, dass unser eigener Anspruch, Idealbildern zu entsprechen, wächst. Wir rücken in den sozialen Medien unser Selbst, unser Abendessen und unseren Urlaub in ein möglichst perfektes Licht. Und auch unser Job soll sich Idealen annähern. Über Omas Rat, einen soliden Beruf zu ergreifen, der Status und Einkommen sichert, schmunzeln wir nur. Es geht doch um so viel mehr – oder etwa nicht? Der Unternehmensberater und Publizist Hans Rusinek hat sich mit der Genese dieses Strebens beschäftigt. Er vergleicht die Entwicklung mit der, die die Paarbeziehung im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts genommen hat. Von der einstigen eher zweckgerichteten Ehe mit klarem Fokus auf gegenseitige Versorgung und Familiengründung wurde diese Idee immer weiter zum Ideal angereichert: tief empfundene Liebe, romantische Gesten, eine Innigkeit bis zum letzten Atemzug, die es immer zu erneuern und beteuern gilt. Liebe ist harte Arbeit, heißt es dann manchmal. Aber gilt das auch andersherum?

Foto: swkunst / Getty Images

Der Sinn als Arbeitsmotor

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Einen anhaltenden Glücksrausch versprechen sich von der Arbeit wahrscheinlich die wenigsten. Aber schon eine tiefe Befriedigung. Der Job soll die Gewissheit versprühen, das Richtige zu tun, etwas Sinnvolles. Das beobachtet auch Hans Rusinek, der sich mit der Transformation von Arbeitswelten beschäftigt und dazu lehrt. „Wir sprechen oft von Sinn auf der Arbeit, als sei das schon immer ein mensch17


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Die Wertschöpfenden Ein Beitrag von Sven Lechtleitner

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Business und Belegschaft stellen hohe Ansprüche an HR‑Verantwortliche. Wie sieht Personalarbeit aus, die allen Ambivalenzen gerecht wird? Drei Ideale von HR www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


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nternehmen scheinen den Ruf der jüngeren Generation allmählich ernst zu nehmen. Sie setzen auf nachhaltige Produkte und werben mit ökologisch anmutenden Botschaften. Aber wie wird HR diesem Anspruch nach mehr Nachhaltigkeit gerecht, ohne Greenwashing zu betreiben? Was kennzeichnet eine ideale Personalarbeit darüber hinaus? Das HR-Business-Partner-Modell wirkt starr und scheint in Zeiten der Agilität jedenfalls ungeeignet – zumindest als Pauschallösung. Andere Organisationsformen versprechen einen größeren Nutzen. Außerdem darf Selbstverwaltung weder HR noch die Bedürfnisse der Belegschaft ausbremsen. Es braucht eine Transformation, die Administration abbaut und Prozesse beschleunigt. Ein Überblick, wie dies gelingen kann.

Foto: maximili / Getty Images

HR als ehrbarer Kaufmann „Personalarbeit muss einen Wertbeitrag fürs Unternehmen liefern“, sagt Rupert Felder, Senior Vice President Global HR bei Heidelberger Druckmaschinen. Wie genau dieser Wertbeitrag aussieht, hängt mit der spezifischen Unternehmenssituation zusammen. Dies könne beispielsweise ein Kosten- oder Talentbeitrag sein. Felder sieht HR als eine unterstützende Funktion an. Wichtig seien einfache, schlanke und wertschätzende Prozesse. Für ihn hat HR einerseits die Rolle eines Innenministeriums, also Ordnung im Betrieb zu schaffen, andererseits die eines Außenministeriums, das in die Gesellschaft hineinhorcht. Letzteres kann Verbandsarbeit in Richtung Gesetzgebung sein, meint aber ebenso, das Arbeitgeberbild in der Öffentlichkeit zu prägen. „HR muss Witterung aufnehmen, um gesellschaftliche Tendenzen und Strömungen zu erkennen“, sagt Felder. Und an dem Thema Nachhaltigkeit kommen HR-Verantwortliche kaum vorbei. Doch was sind die konkreten Handlungsfelder für HR in Sachen Nachhaltigkeit? Für Felder steht zunächst die Personalentwicklung im Fokus. Ihr Beitrag stärkt die Bindung zu Talenten und nutzt Potenziale im Interesse und Bedarf des Unternehmens. Digitalisierung und künstliche Intelligenz führen zur Substituierbarkeit bestimmter Berufe. Der demografische Wandel erfordert, stärker auf den Erhalt von Arbeitskraft einzuwirken. „HR muss als Scout fungieren und Chancen o k tober / novem ber 2021

erkennen“, sagt der Personalleiter. Nachhaltigkeit sei aber ebenso ein Thema bei Vergütung, Personalplanung oder Vertragsmanagement – alles im Sinne des nachhaltigen Wirtschaftens. Es ist die Entscheidung des Unternehmens, ob es sich auf kurzfristige Erfolge oder dauerhafte Beziehungen ausrichtet. Im Kern appelliert Felder, Ressourcen nicht zu verbrauchen, sondern sie weiterzuentwickeln. Als vielleicht ersten unternehmerischen Nachhaltigkeitsansatz führt er den ehrbaren Kaufmann im Mittelalter an. Schon damals habe es eine Standesordnung gegeben, die eine gewisse Mindestqualifikation voraussetzte. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch gibt seit mehr als 120 Jahren mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vor, wie Beteiligte in einem Geschäftsbetrieb miteinander umgehen sollten. Heute sind es Gebote und Selbstverpflichtungen, mit denen Unternehmen auf Nachhaltigkeit abzielen. Wichtig bei alledem: kein Greenwashing betreiben. „Glaubwürdigkeit entsteht durch Ehrlichkeit“, sagt Felder. Menschen haben ein Gefühl dafür, was ehrlich gemeint ist und was nicht.

HR als Agile Coach „Die ideale HR-Arbeit ist immer im Kontext der Organisation zu betrachten“, sagt Stephan Fischer, Professor für Human Resources Management an der Hochschule Pforzheim. Er unterscheidet zunächst zwei Perspektiven: die der Beschäftigten und die der Organisation. Demnach nimmt Belegschaft die HR-Funktion dann als Ideal wahr, wenn diese ihre Bedürfnisse wahrnimmt. Die ergänzende Perspektive bezieht er auf die Sicht der Organisation. Dem Wissenschaftler zufolge versteht die Organisation Personalarbeit als ideal, wenn die HR bestmögliche Rahmenbedingungen und Systeme schafft, die auf den Erfolg von Beschäftigten einwirken. Außerdem gibt es noch das Selbstverständnis. Wann ist die eigene HR-Leistung einem Ideal gleichzusetzen? „Wenn sie professionellen Standards entspricht“, antwortet Fischer. Gleichzeitig räumt er ein, dass diese Standards in Literatur und Praxis noch nicht vollumfänglich definiert sind, auch wenn Berufsverbände eine Richtung vorgeben. Als einen Maßstab empfiehlt Fischer Experience Based Practices und Evidenced Based Management. Damit meint er, nicht einfach Praxisbeispiele anderer zu übernehmen, sondern darauf zu schauen, ob es Nach21


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Auf der Suche nach dem Ideal

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Unter einem idealen Arbeitgeber stellen sich alle etwas anderes vor. Während manche auf Jobsuche ein gutes Gehalt anstreben, ist anderen die Work-Life-Balance wichtiger. Doch im Grunde liegen die Vorstellungen gar nicht so weit auseinander. Vor allem mit Ehrlichkeit und Flexibilität können Unternehmen punkten.

ristin Glöckner war bei ihrer Jobsuche rigoros: „Wenn ein Arbeitgeber kein Homeoffice angeboten hat, habe ich ihn gleich aussortiert“, sagt die 33-Jährige, die in den vergangenen Monaten eine neue Herausforderung im Marketing gesucht hat. Als voll berufstätige Mutter wünscht sie sich Flexibilität und eine gute Work-Life-Balance: „Ich möchte Beruf und Familie miteinander vereinen – was das Homeoffice erleichtert.“ Wie ihr geht es vielen Bewerberinnen und Kandidaten heute. Das beobachtet auch Jutta Rump, Professorin für Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Die Generation Y, also alle ab 1980 Geborenen, – zu ihr gehört die Bewerberin Glöckner – habe wie die Generation Z, das sind alle ab etwa 2000 Geborenen, auch schon vor der Pandemie Wert auf einen mobilen Arbeitsplatz gelegt. Trotz alledem waren deutsche Unternehmen in der Präsenzkultur verhaftet. „Vor Corona wurde immer gesagt: Das geht nicht. Corona hat gezeigt: Es geht“, sagt Rump. Seither ist das Homeoffice für viele aus dem Lebensmodell nicht mehr wegzudenken. Aber nur zu Hause zu sitzen und niemanden aus dem Kollegium mehr zu treffen, kommt für die meisten auch nicht infrage. „Es ist die Wahlfreiheit, die die Attraktivität ausmacht“, sagt die Professorin. Dem stimmt Christoph Schmidt (Name geändert) zu. Der 38-Jährige lebt mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn bei München und arbeitet seit Kurzem für den Streaming-­ 24

Service eines internationalen Konzerns. „Wenn ein Arbeitgeber Flexibilität nicht erlaubt, ist das ein No-Go“, findet er. „Die Führungskräfte der alten Schule, die immer noch auf Anwesenheit bestehen, müssen sich klarmachen, dass sie den Arbeitgeber dadurch unattraktiv machen.“ Gerade an einem Standort wie München, an dem sich immer mehr amerikanische Konzerne ansiedelten, sieht er für weniger flexible Unternehmen in Zukunft ein Problem, qualifizierte Talente anzulocken. Viele Arbeitgeber, die während der Pandemie Arbeitszeit und Arbeitsort flexibilisiert haben, sehen das ein und haben bereits angekündigt, nach Corona die Uhren nicht zurückdrehen zu wollen. „Wir leben in einer Zeit, in der Geschwindigkeit eine enorme Rolle spielt“, sagt Expertin Rump. „Um in Balance zu bleiben, ist für Beschäftigte die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben viel wichtiger geworden.“ Die Beschäftigten möchten einmal gewonnene Freiheiten beibehalten. Und angesichts des Fachkräftemangels trauen sich Menschen auf Jobsuche heute auch eher, auch im Arbeitsumfeld für ihre Ideale einzustehen.

Passende Firmenkultur gesucht Marketing-Expertin Kristin Glöckner hat gerade ihren Traum-Arbeitgeber gefunden: Ein mittelständisches IT-Unternehmen in Hannover bietet ideale Bedingungen. Das heißt: sowohl die richtige Mischung aus Homeoffice und Bürotagen als auch eine Firmenkultur, die zu ihr passt. Der www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: vvvita / Getty Images

Ein Beitrag von Julia Wäschenbach


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„Ich habe den besten Job der Welt“

Foto: Proveg

Ein Interview von Jeanne Wellnitz

Nichtregierungsorganisationen verfolgen ideelle Ziele. Muss auch die Personalleitung diese leben? Nora Winter ist Head of HR bei der Berliner Ernährungsorganisation ProVeg, die sich für einen fleischlosen Lebensstil einsetzt. Wir haben sie gefragt, wie aktivistisch ihre HR-Arbeit sein muss, wie sie Mitarbeitende vor dem Burn-out schützt und was sie tut, wenn Jobinteressierte nicht vegetarisch leben.

Frau Winter, wann haben Sie zuletzt Fleisch gegessen? Ich habe 2007 beschlossen, vegetarisch zu leben. Ich erinnere mich noch, dass ich jedoch kurz nach dem Entschluss bei einem Familienbesuch eine Boulette gegessen habe. Damals wollte ich die Entscheidung nicht mit anderen diskutieren und mochte Fleisch auch noch irgendwie. Danach lebte ich komplett vegetarisch – und 2010 ließ ich auch Milch und Eier weg. Warum sind Sie Veganerin geworden? Ich war damals auf einer Demonstration zum G8-Gipfel. In dem Camp, in dem wir wohnten, wurde vegetarisch gekocht. Das fand ich lecker. Da dachte ich: Das kann ich auch. Ich machte mir jedochwenig Gedanken über die Auswirkungen des Fleischkonsums. Politischer wurde diese Entscheidung erst wenige Jahre später: Mir wurde wichtig, Tierleid und Klimaschädigung zu reduzieren. o k tober / novem ber 2021

Fehlt Ihnen Fleisch manchmal? Nein, mittlerweile ekele ich mich sogar davor. Ich esse auch nicht gern die vegetarischen Produkte, die sehr fleischähnlich ist. Diese sind jedoch mitunter für diejenigen wichtig, die eigentlich Fleisch gern essen, es jedoch reduzieren möchten, die sogenannten Flexitarier. Nimmt dieser Trend zum Flexitarismus zu? Absolut! Das Schöne ist: Wenn alle nur ein wenig ihren Fleischkonsum einschränken, braucht es am Ende gar nicht so viele vegetarisch lebende Menschen. Wie sind Sie zu ProVeg gekommen? 2011 habe ich in Dänemark gelebt und bemerkt, dass es dort kaum vegetarische Angebote gab. Ich engagierte mich in meiner Freizeit dafür, übernahm später hierzulande ein Ehrenamt beim Vegetarierbund – dem Vorgänger von ProVeg. Dort organsierte

ich beispielsweise das vegane Sommerfest auf dem Berliner Alexanderplatz. Mein großer Wunsch war damals eine Vollzeitstelle in dieser Organisation, weil sie meinen Werten entspricht. Ich bewarb mich für eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit, bekam aber eine Stelle als Personalerin angeboten. ProVeg befand sich zu diesem Zeitpunkt sehr im Wachstum. Wir hatten damals zwölf Festangestellte. Jetzt, nach acht Jahren, bin ich immer noch dabei, habe mich intensiv weitergebildet und kümmere mich mittlerweile international um die Belange von 170 Mitarbeitenden. Wie sieht Ihre typische Arbeitswoche aus? Ich bin sehr viel in Absprachen mit der internationalen und deutschen Geschäftsführung sowie den Führungsteams. Google Calendar hat diese neue Funktion, durch die ich sehe, wie viel Zeit ich in Meetings verbringe: Es hat mich etwas schockiert, 29


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Aus der Zeit gefallen Ob zu jung oder zu alt: Wer das Geburtsjahr zum Maßstab macht, wie ideal eine Arbeitskraft zur Stelle passt, diskriminiert Menschen. Das kommt häufiger vor, als man denkt. Da Deutschland älter wird, ist der Umgang mit Altersdiskriminierung entscheidend – auch und gerade am Arbeitsmarkt. Ein Beitrag von Mirjam Stegherr

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Abbildung: Yulia Sushkova / Getty Images

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iversität ist für Personalverantwortliche längst ein Thema. Doch bei einem Punkt zeigen die Stellenportale und Karriereseiten wenig Vielfalt: beim Alter. Egal ob Volkswagen, Danone, SAP oder Hello Fresh: Die abgebildeten Personen sind 20, maximal 30 Jahre alt. Sie symbolisieren, dass Unternehmen Nachwuchs suchen. Der ist in Geschlecht und Optik divers, aber nicht alt. Dabei kann sich kaum ein Arbeitgeber leisten, auf die Generation 50plus zu verzichten. Genau in dem Bereich besteht Nachholbedarf. „Ageism“ bezeichnet das Phänomen, dass Personen wegen ihres Alters diskriminiert werden, egal ob jung oder alt. Das ist wie Sexismus und Rassismus eine Diskriminierung, aber weniger bekannt. Die EU-Direktive schreibt die Gleichstellung auch von Generationen vor. Auf Bundesebene verlangt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Personen nicht aufgrund ihres Alters zu benachteiligen. Und in den USA gilt seit 1967 ein spezielles Gesetz gegen Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz. Doch in der Praxis ist vieles Auslegungssache. Es gibt ein Höchstalter für Pilotinnen und Piloten, für die Ausbildung bei der Bundespolizei und sogar für Vorstandsposten bei Konzernen wie beispielsweise BMW. Manuel Gräfe hat den Deutschen Fußball-Bund verklagt, weil er als Schiedsrichter mit 47 Jahren zwangspensioniert wurde. Er sei gesund, nur laut Richtlinie zu alt, um noch Bundesliga-

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spiele zu pfeifen. Der DFB sagt, die Richtlinie mache Platz für Nachwuchs. Wie zeitgemäß das ist, prüfen die Gerichte.

Das „alte Eisen“ wird relativ „Alter sollte nicht ausschlaggebend sein. Doch wenn es sachliche Gründe gibt, wird Altersdiskriminierung toleriert“, sagt Lisa Warth, Expertin für Bevölkerungsalterung bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) in Genf. Um das zu ändern, will die UNECE einen Paradigmenwechsel herbeiführen, wie Warth sagt: Ältere Menschen sollen nicht mehr als Last gesehen werden, sondern als eine Bereicherung. Das gilt auch und gerade für den Job. Über die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland ist heute mindestens 45 Jahre alt. Das Renteneintrittsalter steigt. Und laut einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamts wird es in zehn Jahren mehr Arbeitskräfte geben, die 65 Jahre und älter sind als unter 20-jährige. Das „alte Eisen“, von dem lange die Rede war, wird relativ. In unseren Köpfen aber sei das Bild noch verankert, sagt Warth: „Das größte Problem ist, dass sich Ageism nicht immer so deutlich zeigt. Oft existieren Vorurteile, ohne dass sie den Menschen bewusst sind.“ Dazu gehöre, dass man Ältere als teure Arbeitskräfte sehe, die weniger flexibel und belastbar seien. Viele wollten ältere Menschen nicht

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Ein Om für den Cortex Ist das Gehirn gestresst, können wir unsere Potenziale kaum entfalten. Wie lässt es sich beruhigen, sodass wir in stressigen Situationen dennoch dem Ideal unseres Selbst nahekommen? Ein Gastbeitrag von Sebastian Purps-Pardigol

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ennen Sie das? Das Kind trödelt morgens, eine Autofahrerin nimmt Ihnen die Vorfahrt, ein Nachbar meckert oder eine Kollegin verhält sich mal wieder besonders schwierig. Manchmal können wir diese Situationen einfach meistern. Und in anderen Momenten reagieren wir emotionaler, als uns selbst lieb ist. Doch was macht den Unterschied? Berühren Sie mit dem Finger kurz Ihre Stirn. Direkt hinter den Knochen befindet sich ein bemerkenswerter Bereich des Gehirns: der präfrontale Cortex. In ihm liegen die höheren kognitiven Fähigkeiten von uns Menschen verborgen: vorausschauendes Handeln, Empathie, Kreativität und auch Impulskontrolle. Wenn wir optimalen Zugriff auf diese neuronalen Netzwerke haben, meistern wir viele Herausforderungen des Alltags leicht – und es gelingt uns, in schwierigen Situationen innerlich gelassen zu bleiben. Ich habe mich in den vergangenen Jahren mit vielen Menschen unterhalten, die in ihrem Leben Außergewöhnliches erfahren: mit Friedensmediatoren der Vereinten Nationen, mit Geiselverhandlern der Polizei, mit Fluglotsinnen, mit einem buddhistischen Mönch aus dem Umfeld des Dalai Lama und vielen mehr. Die Erkenntnisse dieser Menschen 38

habe ich mit dem Wissen der modernen Hirnforschung verknüpft. Diese Kombination vermittle ich Führungskräften, damit sie sich in herausfordernden Momenten stabilisieren und ihre Potenziale langfristig besser entfalten können. Potenziale sind die verborgenen Fähigkeiten, die wir alle in uns tragen und die im Laufe unseres Lebens sichtbar werden. Das gelingt besonders dann gut, wenn wir einen optimalen Zugriff auf unseren präfrontalen Cortex haben.

Fassen Sie Gefühle in Worte Stellen Sie sich vor, Sie nähmen an einem wissenschaftlichen Experiment teil und lägen in einem Hirnscanner. Sie sehen auf einem kleinen Monitor emotional ausdrucksstarke Gesichter von wütenden, traurigen oder ängstlichen Menschen und der Hirnscanner zeigt eine hohe Aktivität der Hirnareale an, die für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich sind. Wenn diese Netzwerke zu aktiv sind, stören sie Ihren präfrontalen Cortex – also dem Teil hinter Ihrer Stirn, in dem Ihre höheren kognitiven Fähigkeiten verborgen liegen. In der nächsten Phase bittet die Studienleitung Sie, die Gefühle in diesen Gesichtern zu beschreiben. Sie sagen www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


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Abbildung: metamorworks / Getty Images

so etwas wie: „Ich sehe Wut“ oder „Ich erkenne Schmerz“. Wenige Augenblicke später zeigt der Hirnscanner an, dass die Erregung in Ihrem Kopf sich um 70 Prozent reduziert hat. Sie haben also wieder deutlich mehr Zugriff auf Ihre höheren kognitiven Fähigkeiten zurückerlangt. Das nennt sich Affect Labelling: Sie fassen Gefühle in Worte. Das funktioniert auf zwei Weisen: • Sie beschreiben den Stressor. „Kollege X hat mich im Meeting dumm dastehen lassen“ oder „Meine Partnerin hat mich heute versetzt“ oder „Mein Kind hat den ganzen Morgen gequengelt“. • Sie beschreiben Ihre Reaktion auf den Stressor „Dass Kollege X das getan hat, macht mich wütend“ oder „Dass meine Partnerin mich versetzt hat, enttäuscht mich“. Die Auswirkungen sind nicht nur im Hirnscanner unmittelbar messbar. Auch in Verhaltensexperimenten lässt sich der erhöhte Zugriff auf Ihren präfrontalen Cortex nachweisen: In einer Studie der Ball State University lud man Menschen ein, die nach eigenen Angaben Probleme mit Mathematik hatten. Allen Teilnehmenden offenbarte man, o k tober / novem ber 2021

dass sie in wenigen Augenblicken eine Mathematikklausur schreiben würden. Sie wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe begann nach einer kurzen Pause von sieben Minuten mit der Klausur. Die zweite Gruppe wurde gebeten, diesen Zeitraum zu nutzen, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen: Sie sollten ihre Ängste und Befürchtungen vor der bevorstehenden Aufgabe aufschreiben. Die Wirkung zeigte sich unmittelbar: Als die Teilnehmenden der zweiten Gruppe die Klausur vorgelegt bekamen, hatte sich ihr präfontaler Cortex so sehr beruhigt, dass sie 45 Prozent weniger Fehler machten als die erste Gruppe. Wie könnten Sie selbst diese Methode für sich im Alltag nutzen? • Wann immer etwas geschieht, das Sie auf eine störende Art emotional berührt, sprechen Sie es aus: Benennen Sie unmittelbar – und sei es nur für sich ganz leise – den Stressor. Oder beschreiben Sie, wie Sie sich fühlen. • Gibt es Dinge, die Sie über einen längeren Zeitraum mit sich herumtragen, dann machen Sie sich Notizen. Die Forschung zeigt: Wenn Sie eine Woche lang täglich aufschreiben, was Sie belastet, dann sinkt bereits in diesem kurzem Zeitraum Ihr Blutdruck und Ihr Schlaf verbessert sich. • Geben Sie anderen Menschen immer wieder Raum, Gefühle in Worte zu fassen. Wenn Sie zum Beispiel eine Besprechung beginnen und bemerken, dass Ihr Gegenüber besonders mitgenommen aussieht, fragen Sie: „Wie geht es dir denn heute wirklich?“ Vielleicht hat die Person gerade zwei Tage Homeschooling hinter sich und schon ein kurzer Stoßseufzer – „Ich liebe meine Kinder, aber sie nerven mich gerade entsetzlich“ – hilft ihr, dass die neuronale Übererregung etwas abklingt.

Belohnungszentren im Hirn aktivieren Wir alle tragen das neurobiologische Grundbedürfnis nach Verbundenheit in uns. Haben wir den Eindruck von fehlender Zugehörigkeit, reagiert unser Gehirn auf dramatische Art: Die neuronalen Zentren, die für die Verarbeitung von körperlichem Schmerz verantwortlich sind, werden aktiv. Daher kann man den Verlust wichtiger Beziehungen manchmal sogar körperlich wahrnehmen. Das ist längst nicht alles: Unser Körper schüttet Entzündungsmarker aus, wenn wir uns getrennt von anderen fühlen. Diese Botenstoffe sind für den Heilungsprozess körperlicher Verletzungen wichtig. Ist die Ursache für die Ausschüttung jedoch nicht physisch, sondern psychisch, können sie unser Herz-Kreislauf-System beschädigen. 39


IM FOKUS

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F LU K T UAT I O N S M A N AG E M E N T

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IM FOKUS

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Fluktuation gestalten, nicht verhindern

ie Freiheit der Angestellten, ihrem Unternehmen den Rücken zu kehren, ist eine der größten Herausforderungen für das Human Resources Management. Abhilfe schafft dabei das Fluktuationsmanagement. Es ist ein Konzept, das die Treiber der Fluktuation erklärt und das Handwerkszeug liefert, den Personalaustausch so zu gestalten, dass die freie Entscheidung der Beschäftigten den Anforderungen des Geschäftsmodells entspricht. Welcher Zustand der Fluktuation erstrebenswert ist, lässt sich mithilfe einiger Prinzipien aus der Unternehmensstrategie ableiten. Die Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, müssen selektiv an die Mitarbeiterbedürfnisse und die Anforderungen des Unternehmens angepasst werden.

Die Verfügbarkeit von Arbeitskraft zu organisieren, ist für viele Unternehmen herausfordernd. Wie kann HR verantwortungsvoll mit Fluktuation umgehen?

Prinzipien im Fluktuationsmanagement 1   Fluktuation ist nicht willkürlich. Sie ist keine Naturkatastrophe, sondern die logische Konsequenz externer Gegebenheiten und interner Entscheidungen. Ein wirtschaftliches Unternehmen sollte daher im eigenen Interesse die Verantwortung für die zielgerichtete Gestaltung der Fluktuation übernehmen. Verantwortung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass das Unternehmen schuld daran ist, wenn Mitarbeiter kündigen. Alternativen am Arbeitsmarkt, Ereignisse im Privatleben oder Sachzwänge haben einen großen Einfluss auf solche Entscheidungen und limitieren den Handlungsspielraum des Unternehmens. Doch dies sind die Spielregeln des Fluktuationsmanagements und dieser Umstand darf keine Ausrede sein, abzuwarten.

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Ein Gastbeitrag von Finn Rischke und Jörg Rischke

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2   Fluktuation ist Mittel, niemals Zweck. Fluktuation hat keinen Eigenwert und allein die Folgen des Personalwechsels haben Bedeutung für das Unternehmen. Die Gestaltung der Fluktuation darf daher niemals Selbstzweck sein, sondern muss den übergeordneten Unternehmenszielen dienen, wie Produktivität zu steigern, Kosten zu senken oder Innovation zu beschleunigen. Diese Ziele liefern gleichzeitig einen Maßstab zur objektiven Bewertung. Wenn 49


P R A X I S

EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT

Mit Long Covid zurück in den Job?

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PRAXIS

Die Symptome einer Erkrankung an Covid-19 können Monate anhalten und Betroffene einschränken. Wie das betriebliche Eingliederungs­management beim Wiedereinstieg unterstützen kann Ein Gastbeitrag von Susanne Tiedemann

Foto: santol / Getty Images

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underttausende Menschen, viele im berufstätigen Alter, leiden an den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung – auch bekannt als Long Covid. Nach Schätzungen des Bundesforschungsministeriums beläuft sich die Zahl allein in Deutschland auf rund 350.000. Aktuell ist davon auszugehen, dass etwa zehn Prozent aller Corona-Infektionen Long Covid zur Folge haben. Betroffene berichten auch Monate nach ihrer Infektion von Konzentrationsschwierigkeiten, anhaltender Müdigkeit und tiefer Erschöpfung. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen treten in diesem Zusammenhang auf. Dadurch wird Long Covid über die Pandemie hinaus zu einer Herausforderung für die Arbeitswelt. Arbeitgeber sind nun gefragt, Beschäftigten mit Corona-Spätfolgen gezielt zu helfen und den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Bei Long Covid liegen die Dinge in den Prozessen des betrieblichen Eingliederungsmanagements oft anders als bei anderen Erkrankungen. Zum einen ist das Krankheitsbild sehr uneinheitlich und kann zeitverzögert auftreten, nachdem zuerst alles wieder gut zu sein schien. Zum anderen kommen neben den körperlichen Symptomen bei Long Covid häufig auch psychische Probleme hinzu. Daher stehen die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen im betrieblichen Eingliederungsmanagement stärker im Vordergrund – noch mehr als beispielsweise bei Muskel-Skelett-Erkrankungen oder der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einem Unfall. Die Diagnose Corona-Infektion ist den Arbeitgebern meist bekannt. Ein Grund dafür ist, dass bei einer Quarantäne in der Regel die Bundesländer die Entschädigung für den Verdienstausfall übernehmen. Tatsächlich erleichtert dies den Umgang mit Long Covid in der Praxis des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Denn noro k tober / novem ber 2021

malerweise ist es den Angestellten überlassen, ob sie den medizinischen Grund für ihre Ausfallzeiten im Prozess des betrieblichen Eingliederungsmanagements bekannt geben, um von gezielteren Maßnahmen zu profitieren. Dabei gilt: Je genauer Verantwortliche die Hintergründe einer Arbeitsunfähigkeit kennen, desto gezielter können passgenaue Maßnahmen zur schnellen Wiedereingliederung vorgeschlagen und vereinbart werden. Um es anschaulich zu machen: Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements können neben der stufenweisen Eingliederung mit reduzierten Stunden – das sogenannte Hamburger Modell – vielfältige andere Entlastungen beinhalten. Bei Stressfolgeerkrankungen und mentalen Belastungen zum Beispiel das Herausnehmen aus Frühschichten für Alleinerziehende, die keine alternativen Betreuungsmöglichkeiten haben. Oder die ergonomische Büroarbeitsplatzgestaltung für Menschen mit Rückenproblemen, außerdem Kurse zur allgemeinen Stressreduktion für all jene, die Anzeichen von Stressfolgeerkrankungen zeigen. Diese Maßnahmen sind nur möglich, wenn Betroffene sich im Eingliederungsprozess öffnen und ihre Bedürfnisse transparent machen.

Individualität schlägt Standardverfahren So unterschiedlich Long Covid in seiner Symptomatik sein kann, so variabel können auch die Maßnahmen im betrieblichen Eingliederungsprozess sein. Neben der vorübergehenden Arbeitszeitreduzierung können von Arbeitgeberseite Unterstützungsangebote zur Kinderbetreuung oder zur Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger gemacht werden. Oft helfen auch das Nachhalten von Pausenzeiten durch die Führungskraft, bildschirmfreie Zeiten sowie die 57


R E C H T

E S S AY

Die Abfrage des Impfstatus – das unbekannte ­Wesen? Mit der gesetzlichen Regelung zur Abfrage des Impfstatus der Beschäftigten lässt die Politik den Arbeitgeber im Regen stehen. Ein Essay von Christoph Seidler

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nfang Oktober 2021 waren in Deutschland 64 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Corona geimpft. Mit zunehmender Impfquote können Schutzmaßnahmen sukzessive zurückgefahren werden – auch in der Arbeitswelt. Doch die Impfbereitschaft nimmt ab, und die Herdenimmunität scheint nicht in Reichweite. Für die Arbeitgeber entstehen dadurch verschiedene Herausforderungen. Um Maßnahmen des Gesundheitsschutzes reduzieren zu können, bräuchten sie belastbare Informationen über den Impfstatus der Beschäftigten. Gleichzeitig sind sie angehalten, ihre Beschäftigten je nach Impfstatus unterschiedlich zu behandeln – beispielsweise bei der Auszahlung des Entgeltausfalls für behördlich angeordnete Quarantäne. Die Hoffnung auf klare Vorgaben des Gesetzgebers haben sich bisher nicht bewahrheitet. Darum sind kreative Lösungen gefragt.

Mit Beginn der Impfkampagne kam schnell die Frage auf, ob der Arbeitgeber Auskunft über den Impfstatus der Beschäftigten verlangen darf. Dies ließ sich bis vor Kurzem nur über die datenschutzrechtliche Generalklausel aus § 26 Bundesdatenschutzgesetz begründen. Da der Impfstatus zu den besonders geschützten Gesundheitsdaten im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Datenschutzgrundverordnung zählt, war daher eine Erhebung zum Impfstatus nur zulässig, sofern sie zur Erfüllung arbeitsrechtlicher Pflichten erforderlich war. Praktikabel denkende Unternehmen und ihre Arbeitsrechtsabteilungen wiesen zur Begründung auf die 70

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Grafik: Prostock-Studio / Getty Images

Die rechtliche Situation


IMPRESSUM

erforderlichen Hygienekonzepte hin, die sich mit Kenntnis des Impfstatus flexibler gestalten ließen. Diese Argumentation ist mit der seit September 2021 geltenden gesetzlichen Regelung in Zweifel gezogen. Zwar dürfen nun gemäß § 36 Absatz 3 Infektionsschutzgesetz bestimmte Arbeitgeber (insbesondere Krankenhäuser, Schulen und Kindertagesstätten) den Impfschutz ihrer Beschäftigten abfragen. Umgekehrt scheint die Gesetzgebung aber anzunehmen, alle sonstigen Einrichtungen hätten ein derartiges Bedürfnis nicht oder jedenfalls nur in Einzelfällen. Eine Erhebung des Impfstatus bleibt zwar nach der oben erwähnten Generalklausel aus § 26 Bundesdatenschutzgesetz möglich. Sofern der Arbeitgeber beispielsweise für die Abrechnung des Entgeltausfalls nach Quarantäne wissen muss, ob ein Impfschutz und damit ein Anspruch auf die staatliche Leistung besteht, sollte er den Status erfragen dürfen. Ob allein die Aufstellung eines maßgeschneiderten Hygienekonzepts eine standardisierte Abfrage des Impfstatus erlaubt, erscheint im Lichte der rudimentären gesetzlichen Regelung aber fraglich. Wer als Arbeitgeber angesichts der unklaren Rechtslage keine Bußgeldverfahren riskieren will, muss demnach andere Mittel ergreifen.

Freiwillige Auskunft der Beschäftigten Wenn kein Anspruch auf Auskunft besteht, kann der Arbeitgeber gleichwohl um freiwillige Mitteilung bitten. Doch Freiwilligkeit bedeutet, dass Beschäftigte die Auskunft auch verweigern dürfen. Sanktionen gegen nicht auskunftswillige Beschäftigte, wie eine Abmahnung, wären unzulässig. Um die Auskunftsbereitschaft oder letztlich gar die Impfbereitschaft zu steigern, griffen Unternehmen daher zuletzt zu mehr oder weniger ausgefeilten Ansätzen. Wer auf die Bequemlichkeit der Beschäftigten baute, richtete auf dem Betriebsgelände ein eigenes Impfzentrum ein. Auch die bezahlte Freistellung für einen Impftermin soll Impfwillige unterstützen. Gleichzeitig erfährt der Arbeitgeber anhand der Abmeldung, wer wann den Impftermin wahrnimmt, was wiederum zu Fragen hinsichtlich Speicherung und Nutzung dieser Information führt. Wer noch gezielter steuern will, lobt finanzielle Anreize für Geimpfte aus. Die Zulässigkeit von Impfprämien für die Beschäftigten wird zwar teilweise mit Hinweis auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinterfragt. Eine Differenzierung aufgrund sachlicher Kriterien verbietet dieser Grundsatz aber nicht. Die finanzielle Honorierung der Impfbereitschaft erscheint insoweit auch nachvollziehbar. Denn mit steigender Impfquote sinkt das Risiko von Ansteckungen, Ausfällen und Quarantäneanordnungen innerhalb der Belegschaft. Nach ersten Erkenntnissen entsteht ein effektiver Anreiz allerdings erst, wenn die Prämie einen substanziellen Betrag erreicht. Die Kenntnis über den Impfstatus wäre damit teuer erkauft. Weniger finanzielle Mittel bei gleichzeitiger höherer Aufmerksamkeit erfordern Impflotterien, bei denen Begünstigte aus dem Kreis der Geimpften gelost werden und eine Prämie erhalten. Gewinnen kann nur, wer seinen Impfschutz nachweist. o k tober / novem ber 2021

Herausgeber Rudolf Hetzel Torben Werner (V. i. S. d. P.) Redaktion Sven Lechtleitner (sl) Chefredakteur sven.lechtleitner@quadriga.eu Jeanne Wellnitz (jew) Redakteurin jeanne.wellnitz@quadriga.eu Senta Gekeler (sg) Online-Redakteurin senta.gekeler@quadriga.eu Autoren und Autorinnen der Ausgabe Laura Drees, Martha Giannakoudi, Anne Hünninghaus, Christoph Koch, Sylvie Nicol, Sebastian Purps-Pardigol, Mario Reis, Finn Rischke, Jörg Rischke, Christoph Schönfelder, Christoph Seidler, Mirjam Stegherr, Susanne Tiedemann, Julia Wäschenbach, Pascal Verma Lektorat Christa Melli www.literatur-und-film.de Gestaltung Marcel Franke, Damian Strohmaier Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@quadriga.eu Abonnement Stefanie Weimann aboservice@quadriga.eu Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Benzstraße 12 12277 Berlin Im Internet www.humanresourcesmanager.de/ magazin Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 ­ Fax: 030 / 84 85 92 00 redaktion@humanresourcesmanager.de

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LETZTE SEITE

Der Brückenbauer Gunnar Kilian kümmert sich als Volkswagen-­ Personalvorstand um die Belange von über 660.000 Menschen. Als Corona ausbrach, übernahm er die Führung des Krisenstabs. Für mediales Aufsehen sorgte kürzlich jedoch ein ganz anderes Thema: die VW-Currywurst.

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Ressort die steilste Lernkurve unseres Lebens war. HR war Krisenmanager und unabdingbar für diese Zeit. Den Corona-Lockdown habe ich überstanden, indem … ich mich konzernweit auf eine großartige Mannschaft verlassen konnte. Ohne Teamarbeit wäre es nicht möglich gewesen, innerhalb kürzester Zeit die Gesundheit aller Beschäftigten zu schützen und gleichzeitig den Wiederanlauf der Produktion vorzubereiten. Meine Lieblingszeitung ist … kaum einzugrenzen auf einen Titel. Dafür haben wir in Deutschland zum Glück zu viel gute Presse. Und gut heißt für mich: unabhängig, kompetent, kritisch und fair. Mein erstes Geld verdient habe ich als … Volontär. Als Lokalreporter habe ich ­gelernt, … mich schnell in verschiedenste Themenkomplexe einzuarbeiten – und auch wie wichtig intensives Zuhören ist, um Zwischentöne wahrzunehmen. Das nutzt mir heute noch, wenn … ich zum Beispiel in Gremiensitzungen auf bisweilen sehr unterschiedli-

che Interessenlagen treffe und einen tragbaren Konsens finden muss. Ein Buch, das mich besonders beeindruckt hat, war … Nelson Mandelas Biografie Der lange Weg zur Freiheit. Ein ideales Mittagessen besteht für mich aus … einer ausgewogenen Mahlzeit und unter der Woche auch aus einem kurzen Moment der Ruhe. Bis 2025 will VW auf Produkte aus Massentierhaltung verzichten, indem ... wir noch stärker auf Regionalität setzen. Die Currywurst wird es weiterhin geben, aber eben in der Version 2.0. Die Fragen stellte Jeanne Wellnitz Gunnar Kilian ist Personalvorstand der Volkswagen AG und seit 2020 zusätzlich Vorstand für die Truck & Bus Holding. Im Jahr 2000 startete er in der VW- Kom­ munikation. Nach Stationen im Büro des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch und im Konzernbetriebsrat wurde er 2018 in den Vorstand berufen. Zu seinem Ressort gehört die VW Service Factory, die für die Betriebsgastronomie zuständig ist.

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Foto: Volkswagen AG

Meine erste VW-Currywurst habe ich gegessen, als … ich vor mehr als 20 Jahren meine erste Arbeitswoche bei Volkswagen hatte. Die Kantine war an den „Currywursttagen“ so gut besucht, dass man automatisch mit allen Bereichen und Abteilungen ins Gespräch kam. Die Currywurst war quasi Teil meines Onboardings. Die Medien berichteten, wir hätten sie vom Speiseplan gestrichen, dabei ... gibt es sie noch in anderen Kantinen, weil wir bei so individuellen Fragen wie der Ernährung niemandem Vorschriften machen wollen. Intern reagierten unsere Beschäftigten auf die Entscheidung mit … Zustimmung, da sie allein in Wolfsburg zwischen 16 Kantinen wählen können. Viel mehr beschäftigt mich hingegen das Thema … wie wir mit der Belegschaft den Wandel zum nachhaltigen Mobilitätsunternehmen im kommenden Jahrzehnt gestalten können. Corona hat die HR-Funktion ­verändert, da … Covid-19 rückblickend auch für mein


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