pressesprecher 1/2021: Digital First

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Quadriga Media Berlin GmbH

Ausgabe 1/21

www.pressesprecher.com

Digital First Nichts als die Wahrheit? Wie Kommunikationsverantwortliche zum schwierigen Thema Lügen stehen.

Hilfe für ältere Menschen Warum sich Magdalena Rogl ehrenamtlich in einem Pflegeheim engagiert.

An der Spitze Wer die Kommunikation in den 30 führenden Dax-Unternehmen leitet.


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#DPOK2021


E D I TO R I A L

Digital Clubhouse, Clubhouse und noch mal Clubhouse. Im Januar gab es für die Kommunikationsbranche kein wichtigeres Thema. Die Coronakrise schien überwunden, der Lockdown besser erträglich. Den Clubhouse-Hype habe ich mit Befremden wahrgenommen. Natürlich ist es schön, wenn erwachsene Menschen sich für etwas begeistern können und neugierig sind. Weniger schön ist es, wenn aufgrund der Tatsache, ein neues iPhone zu besitzen, der Tenor ist, dass man selbst zur digitalen Avantgarde gehört. Alle anderen: Bitte draußen bleiben! Ich halte es für eine zentrale Kompetenz von Kommunikationsverantwortlichen, sich in unterschiedliche Menschen hineinversetzen zu können und deren Lifestyles und Meinungen zu verstehen. Offenheit und das Verlassen der eigenen Bubble sind notwendig. Nur so lässt sich ein Gefühl dafür entwickeln, wie man verschiedene Zielgruppen erreicht. Zu Clubhouse habe ich für die „pressesprecher“Website etwas geschrieben. Die Kurzfassung: Die Audio-App bietet die Möglichkeit, unkompliziert Diskussionen zu starten. Das lässt sich auch in der professionellen Kommunikation nutzen. Ich halte den Trend zu Bewegtbild für stärker und sehe deshalb in Clubhouse ein begrenztes Potenzial. Worum geht es in dieser Ausgabe? Auf Seite 58 haben wir eine Übersicht der Kommunikationschefinnen und -chefs der Dax-30-Unternehmen erstellt. Sie sind im Schnitt 51 Jahre alt. 18 Männer stehen zwölf Frauen gegenüber. Es mangelt weiterhin an Diversität an der Spitze. Wir gehen der Frage www.pressesprecher.com

nach, ob Pressesprecher*innen lügen dürfen und wie man das vermeiden kann. Magdalena Rogl von Microsoft berichtet auf Seite 14, welche Erfahrungen sie aktuell im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Pflegeheim macht. Digitale Hauptversammlungen sind ein weiteres Thema. Wir beleuchten, wie Unternehmen mit Serien und Dokumentationen im Netflix-Stil Storytelling betreiben. Silvie Rundel, Kommunikationschefin des „Zeit“-Verlags, spricht im Interview darüber, wie sie digitale Formate in der internen Kommunikation eingeführt hat und wie die Journalist*innen der Wochenzeitung darauf reagiert haben. Wir stellen vier Kommunikationskampagnen zum Impfen vor und analysieren, mit welcher Strategie Bündnis 90/ Die Grünen in den Bundestagswahlkampf zieht. Welchen Medien gibt Angela Merkel Interviews? Mehr dazu ab Seite 12. In eigener Sache: Der „pressesprecher“ wird mit der Juli-Ausgabe einen neuen Namen bekommen. Im August zieht unsere Website nach. Am 2. und 3. September findet in Berlin übrigens der Kommunikationskongress statt. Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!

Volker Thoms, Chefredakteur 3


I N H A LT

MEINUNG

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Sichtbare CEOs Hasso Mansfeld plädiert dafür, dass sich CEOs in der Öffentlichkeit mehr für die Interessen der Wirtschaft einsetzen. Ein Gastkommentar.

8 Lügen oder nicht? Kommunikationsverantwortliche können immer in die Bredouille geraten, lügen zu müssen. Wie sollen sie damit umgehen?

12

Angela Merkel gab ARD und ZDF jeweils sechs Interviews in dieser Legislaturperiode. Andere Leitmedien vernachlässigte die Kanzlerin.

10 „No Comment“ Vier Kommunikationsprofis erklären, wie sie es mit der Wahrheit halten. MENSCHEN

12 Merkels Interviews Angela Merkel gibt bevorzugt TV-Medien wie ARD, ZDF und RTL Interviews. Andere Leitmedien vernachlässigt sie.

14 Helfen in der Pflege Magdalena Rogl von Microsoft engagiert sich ehrenamtlich in einem Pflegeheim. Was erlebt sie dort?

16 Kaesers Abschied

24

Storytelling à la Netflix: Wie Unternehmen versuchen, mit aufwändigen Serien und Dokumentationen zu punkten. 4

Joe Kaeser ist nicht mehr Siemens-CEO. Seine Ära zeigte, wie schwierig es für Topmanager ist, Worte und Taten in Einklang zu bringen.

18 Am Puls der Bayern Anna-Lena Müller wechselte von Volkswagen zu Siemens. Ihr Job: die Partnerschaft des Technologiekonzerns mit Bayern München mit Leben füllen. D I G I TA L E KO M M U N I K AT I O N

20 Digitaler Flurfunk Digitalexpertin Katja Nettesheim erklärt im Interview, wie sich über die Distanz soziale Interaktion angenehm gestalten lässt.

24 Vorbild Netflix Unternehmen wie BMW, Bayer und die S-Bahn Berlin investieren in aufwändige Serien und Dokus. Storytelling im Netflix-Stil.

28 Website-Check Was macht die Website der Deutschen Telekom so gut? Ein Berater analysiert die Seite Schritt für Schritt.

30 Hauptversammlungen Hauptversammlungen werden 2021 wieder überwiegend digital stattfinden. Welche Erfahrungen machten Unternehmen im vergangenen Jahr?

34 Corporate Influencer Markenbotschafter spielen in Pandemie-Zeiten für das Gemeinschaftsgefühl eine wichtige Rolle.

38 „Die Zeit“ Silvie Rundel, Kommunikationschefin des „Zeit“-Verlags, über interne Kommunikation, die Rolle von Giovanni di Lorenzo und das Image des Verlags. Januar / Februar 2021

Fotos: Lufthansa; ZDF/Svea Pietschmann

Inhalt 1/ 2021

3 Editorial 6 Sprecherspitze 74 Sprecherkarte 75 Impressum 84 Auf Twitter


I N H A LT

44 CEOs auf Linkedin CEOs, die eher selten im Rampenlicht stehen, können auf Linkedin wichtige Stimmen werden.

Annika Schach und Thomas Lüdeke stellen das Berufsbild des Communications Business Partners vor.

PRAXIS

AGENTUREN

46 Impfkampagnen

64 Fragebogen

Die Covid-19-Impfung läuft stockend. Mit welchen Botschaften wollen Kampagnen zur Impfung gegen FSME, Masern und Meningitis überzeugen?

50 Inklusive Fotos Worauf Organisationen achten sollten, die Diversität und Inklusion in Fotos sicherstellen wollen.

54 Ein Tag bei der SBK Katrin Edelmann leitet die Kommunikation der Krankenkasse SBK. Was macht ihren Arbeitsalltag aus?

56 Newsroom der Polizei Reza Ahmari erklärt, warum er bei der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen einen Newsroom eingeführt hat. KARRIERE

58 Top-Kommunikatoren Fotos: Thomas Trutschel/Photothek; picture alliance/dpa/Axel Heimken

62 Business Partner

Wer leitet die Kommunikation der Dax-30-Konzerne? Eine Übersicht.

Kathleen Kleibrink von der Agentur achtung! Mary beantwortet Fragen zu ihrem Job und zur Branche.

66 Hoffen auf regieren Die Grünen ziehen mit einer Projektagentur in den Bundestagswahlkampf. Deren Chef Matthias Riegel setzt auf die Parteispitze als Team.

38

Silvie Rundel, Kommunikationschefin des „Zeit“-Verlags, über digitale Formate in der internen Kommunikation, den 75. Geburtstag der Wochenzeitung und die Zusammenarbeit mit Giovanni di Lorenzo.

BÜCHER

70 Rhetorische Finessen Jeanne Wellnitz rezensiert das Buch „Kampfrhetorik“ von Thomas Wilhelm Albrecht. KO LU M N E

72 Widersprüche René Seidenglanz sieht in der Kommunikation der Politik viele Widersprüche. Er fordert die Entscheidungsträger auf, ihr Handeln besser zu erklären.

46

Das Thema „Impfen“ ist in der Öffentlichkeit präsent wie nie. Mit welchen Botschaften Kampagnen dazu motivieren wollen, sich impfen zu lassen.

76 Verband Veranstaltungshighlights, Wissenschaftskommunikation, Neumitglieder. www.pressesprecher.com

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MEINUNG

Wegducken gilt nicht

Foto: privat, getty images/Andrey Kuzmin

Der Kommunikationsberater Hasso Mansfeld erwartet von Führungskräften von Unternehmen, dass sie sich öffentlichen Debatten stellen und für die Position der Wirtschaft eintreten. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Fernsehzuschauer viele neue Menschen kennengelernt: vor allem Virologen und Epidemiologen. Die Politikergarde ist sowieso omnipräsent. Eine Gruppe fehlt weitgehend: die Wirtschaft. Das geht seit Jahren so. Deutsche Vorstände beteiligen sich wenig an Debatten und meiden die Talksendungen von ARD und ZDF. Nun wundern sich die Redaktionen über die Zurückhaltung der deutschen Industriebosse und werfen ihnen genau das vor. Offenkundig kommt in den Diskussionen Langeweile zwischen immer denselben Gästen mit immer denselben Ansichten auf. Mit der Meinungsharmonie kommt die Monotonie. Die Redaktionen sähen die Rollen gerne verteilt: Auf der einen Seite sollen die Guten stehen, diejenigen, die für Klimaschutz eintreten, die Windkraft gut finden, wenn sie nicht die Landschaft verschandelt, und die Bahn, wenn keine Bäume neuen Strecken geopfert werden. Auf der Seite der Bösen stehen die Vertreter des Kapitalismus, angetrieben von niedriger Profitgier. Nur: Die in der Rolle der Bösewichte wollen nicht mehr. Ist es nicht verständlich, wenn Pressechefs ihren Vorständen abraten, sich in krawalligen Talkshows aufgeregten Aktivisten zum Fraß vorzuwerfen? So einfach ist es leider nicht. Vorstände können sich nicht in ihre Wagenburg zurückziehen und sich dann gegenseitig versichern, dass der Zeitgeist auf Antikapitalismus gedreht ist – gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vorstände werden dafür bezahlt, dass sie ihre Unternehmen verantworwww.pressesprecher.com

tungsvoll führen und Gewinne erwirtschaften. Für diese Grundposition sollen sie mutig in der Öffentlichkeit einstehen. Die Angst vor dem Shitstorm scheint die Manager zu lähmen. Manche von ihnen glauben, in der Beliebtheitsskala aufzusteigen, wenn sie sich auf der linken Spur an den Umweltaktivisten vorbeidrängeln. Solche Anbiederungsversuche sind fatal. Da gerät Siemens in die Kritik, weil es sich am Bau eines Kohlekraftwerks in Australien beteiligt. Anstatt die Transaktion zu verteidigen, schlägt der Siemens-Vorstandschef einer Aktivistin einen Posten in einem Aufsichtsgremium ausgerechnet von Siemens Energy vor. Der Befreiungsversuch wirkte verzweifelt; ein zentrales Kontrollorgan des

Unternehmens wurde als Quatschbude beschädigt. Manager sollen als oberste Angestellte ihres Unternehmens hochwertige Produkte und exzellente Dienstleistungen anbieten, Ressourcen und Umwelt dabei schonen und Arbeitnehmer fair behandeln. Manager sollen davon leben, dass ihr Unternehmen Erfolg hat. Ihre Aufgabe ist es, für die Grundpfeiler unserer Marktordnung einzutreten, für freien Wettbewerb und Gewinnorientierung – und nicht willfährig jenen hinterherzulaufen, die sich unsolidarisch gegen unsere Marktordnung wenden. Es ist zudem unsolidarisch von den Managern, auf der einen Seite vom Gewinnstreben der Unternehmen zu profitieren und andererseits diejenigen Kollegen, die sich für die Imperative der sozialen Marktwirtschaft einsetzen, im Regen stehen zu lassen. Als sich Topmanager in Deutschland noch nicht „CEO“ nannten, sondern Vorstandsvorsitzende, waren sie mutiger. Manager wie Alfred Herrhausen von der Deutschen Bank oder Karlheinz Kaske von Siemens suchten die gesellschaftliche Debatte. Ihnen wäre nicht im Traum eingefallen, Gegner unserer Marktordnung für den Aufsichtsrat vorzuschlagen. Im Gegenteil, kämpferisch setzten sie sich für die freie Marktwirtschaft ein. Manager sollten für ihre Grundwerte eintreten. Dabei sollten sie nicht mit dem Mainstream paktieren. Unsere Marktordnung verdient Manager, die streitbar für ihre Werte einstehen. ×

Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmens- und Kommunikationsberater unter anderem für Firmen der Tabak-, Glücksspiel-, Finanz- und der Chemiebranche. Seine Projekte wurden viermal mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet.

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MEINUNG

Dürfen Pressesprecher lügen?

Aufrichtigkeit ist alles „Lügenpresse“ war 2014 das Unwort des Jahres. „Alternative Fakten“ hieß es 2017. Ihre Aktualität haben beide bis heute leider nicht verloren. Im Gegenteil. Dem Edelman Trust Barometer 2021 zufolge ist das Vertrauen in Institutionen wie Regierungen und Medien weltweit erschüttert. Und das ist kaum verwunderlich, betrachtet man zum Beispiel die falschen Behauptungen der ehemaligen Trump-Regierung, Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Corona oder die Lügen im Wirecard-Skandal. Unwahrheiten wurden schon immer verbreitet, in Zeiten von Social Media fallen sie jedoch auf einen fruchtbareren Nährboden. Und jetzt? Persönliche Integrität und ein starkes Wertebewusstsein müssen wegweisend für unser Handeln sein! Ich bin der Überzeugung, dass man langfristig nur erfolgreich sein kann, wenn man glaubwürdig ist. Das gilt für Pressesprecher wie für ihre Vorgesetzten in der Unternehmensleitung. Unwahrheiten zu kommunizieren, ist keine Option. Das erscheint auf den ersten Blick allerdings leichter, als es in der Realität ist. Nicht immer liegen alle relevanten Informationen vor. Auch ist der Zeitdruck, 10

Presseanfragen zu beantworten, oft hoch. Daher will ich spezifizieren: Absichtlich und wider besseres Wissen Unwahrheiten zu kommunizieren, ist keine Option, Aufrichtigkeit ist alles. Dabei ist Aufrichtigkeit aber nicht mit unüberlegter Offenherzigkeit zu verwechseln. Sich diesem Prinzip verpflichtet zu fühlen und danach zu handeln, ist der Grundsatz integrer Kommunikation – egal ob in Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft. × Nina Schwab-Hautzinger ist seit November 2020 als Head of Corporate Communications & Government Relations bei BASF tätig.

Mehr als Megafone der Chefs Die PR mag große Worte. Und was ist ein größeres Wort als „Wahrheit“? Aus ethischer Sicht ist die Situation eindeutig: Lügen sind böse. Die Wahrheit ist gut. Operativ wird es im Kommunikationsalltag schon schwieriger. Wann genau verlassen wir die Wahrheit? Ist das schon der Fall, wenn wir unangenehme Details aussparen? Ist „wahrheitsgemäß“ die rettende Wortfloskel? Es hilft nicht, die Problematik schönzureden. Informationen zu for-

men, gehört in unserem Beruf dazu. Was aber definitiv nicht dazugehört, ist das wissentliche Verbreiten von Stuss. Und da hilft als Ausrede auch nicht, dass der Chef ein „Trumpeltier“ ist. Die Wahrheit zu biegen, kann manchmal Spaß machen. Ein Fundament für eine dauerhafte Glaubwürdigkeit als Organisation oder Person ist das allerdings nicht. Der eigene moralische Kompass sollte in der Lage sein, zu bewerten und daraus die nötigen Schlüsse zu ziehen. Am Ende ist die entscheidende Frage: „Kann ich dazu stehen, was ich hier erzähle?“ Wahrscheinlich kann man sogar große Erfolge feiern mit der Verbreitung von Lügen und Unsinn. Denn heute kann man nicht nur in Sekunden den größten Quatsch erzählen. Nein, man findet auch garantiert jemanden, der diesen glaubt. Nur sollte es im öffentlichen Meinungsaustausch nicht um die Versammlung der meisten Deppen oder die geschickteste Täuschung gehen. Das ist keine „Alternative“. Wir sind mehr als die Megafone unserer Chef*innen. Als Kommunikatoren müssen wir kritisch bleiben – nach innen und außen. Und vor allem gegenüber uns selbst. Ohne professionelle Reflexion könnte jeder diesen Job machen. × Max Niklas Gille ist seit Oktober 2020 Head of Communications bei Ceconomy.

Januar / Februar 2021

Fotos: 2 x privat

Kommunikationsverantwortliche müssen die Interessen ihres Arbeitgebers gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Vier PR-Profis antworten, inwieweit sie sich der Wahrheit verpflichtet fühlen.


MENSCHEN

Für ältere Menschen da sein Warum Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland, ehrenamtlich in einem Pflegeheim arbeitet Interview: CAROLIN SACHSE-HENNINGER

Will auf die schwierige Situation in der Pflege aufmerksam machen: Magdalena Rogl.

Auf meine E-Mail-Anfrage für dieses Interview kam ein Autoreply zurück, mit der Bitte um Geduld: Wegen pubertierender Kinder zu Hause müssten Sie E-Mails dreimal lesen, um sie zu verstehen. Wie geht es Ihnen im Augenblick? Ich glaube, das Autoreply beschreibt den Status quo sehr gut. Es geht uns gut, und ich weiß, dass wir im Vergleich zu anderen Familien privilegiert sind: Mein Mann und ich können im Homeoffice arbeiten, unsere Kinder sind schon relativ groß, so dass wir uns wenig Sorgen machen müssen. Aber es ist eine Herausforderung, die verschiedenen Bälle in der Luft zu jonglieren und beim Homeschooling den Überblick zu behalten.

Das Thema Ansteckung war recht schnell vom Tisch, da ich vor jedem Dienstantritt auf Covid-19 getestet werde. Über den Zeitfaktor habe ich schon nachgedacht. Aber in den letzten Monaten habe ich viel Zeit mit meiner Familie verbracht, weil zum Beispiel Businesstrips weggefallen sind. Und meine Teenager sind froh, wenn sie am Wochenende auch mal Zeit für sich haben. Also waren wir uns einig. Und ich merke, wie gut es mir tut, wieder etwas Soziales zu tun.

Sie haben immerhin Zeit und Kraft für ein anspruchsvolles Ehrenamt – seit Dezember helfen Sie regelmäßig in einem Pflegeheim aus. Was hat Sie dazu motiviert? Ich habe mich schon während des ersten Lockdowns vor einem Jahr gefragt, welche Relevanz mein Job hat und wie ich in der aktuellen Situation helfen kann. Als die München Klinik, der hiesige städtische Klinikverbund, freiwillige Pflegekräfte suchte, habe ich mich gemeldet. Ich habe ja vor meinem Quereinstieg in die Digitalbranche als gelernte Kinderpflegerin gearbeitet. Mit der zweiten Welle im Oktober kam ein konkretes Angebot, und seit Mitte Dezember helfe ich im Pflegeheim aus, über die Weihnachtsfeiertage und Silvester sehr oft, jetzt immer samstags. Wie hat Ihre Familie angesichts des hohen Zeitfaktors und der Ansteckungsgefahr reagiert? 14

Wie haben die Menschen im Pflegeheim auf Sie reagiert? Extrem positiv. Das ist für mich die größte Motivation. Die Bewohnenden leben aufgrund der aktuellen Situation isoliert. Besuche sind nur unter strengen Vorkehrungen möglich. Früher gab es im Pflegeheim viele Gemeinschaftsaktivitäten, einen großen Zusammenhalt. Jetzt können sich die Menschen nicht mehr komplett frei im Haus bewegen. Da ist ein neues Gesicht eine tolle Abwechslung. Ich bin für sie immer „das junge Mädchen“. Welche Aufgaben übernehmen Sie? Ich unterstütze die Besuchsorganisation, die ein großer logistischer Aufwand ist. Die Besuchenden kommen zu festen Terminen, müssen dann Formulare ausfüllen, einen Corona-Test machen und anschließend auf das Ergebnis warten. Dann helfe ich ihnen in die Schutzkleidung, führe sie in den Besuchsraum und hole die Bewohnenden dazu. Ansonsten helfe ich, wo ich kann – Dokumente kopieren, Dinge von A nach B bringen oder auch mal Putzlappen verteilen. Januar / Februar 2021


T I T E L D I G I TA L E KO M M U N I K AT I O N

Die S-Bahn Berlin orientiert sich bei ihrer Serie „Das Netz“ an „4 Blocks“. Der Schauspieler Rauand Taleb spielt in beidem mit.

Ein bisschen wie Netflix sein Unternehmen wollen mit Serien zum Binge-Watching und mit Dokus Geschichten erzählen. Einige Firmen binden ihre Botschaften geschickt in Unterhaltungsformate ein. Von VOLKER THOMS

Als das Fernsehen noch der maßgebliche Kanal für Bewegtbild war, galten 30 Sekunden als Standardlänge für Werbespots. Internet und Social Media haben das Format aufgebrochen. In einem längeren Zeitraum lassen sich leichter emotionale Geschichten erzählen. Netflix und Amazon sind die Benchmark. Sie haben die Lust auf Serien und Dokumentationen neu entfacht. Unternehmen machen sich das zunutze, indem sie ihrerseits solche Formate entwickeln. Das Wort „Netflix“ in die Kommunikation zu integrieren, soll Videos für jüngere Zielgruppen interessant machen. Die zur Deutschen Bahn gehörende S-Bahn Berlin kündigte ihre fünfteilige 24

Serie „Das Netz“ mit der Headline „Krasses Format! ‚4 Blocks‘-Darsteller werben in Miniserie für die Berliner S-Bahn“ an. Die Unterzeile lockt mit „Serienformat im Netflix-Stil“. Die BMW Group hat ebenfalls eine Kurzserie herausgebracht. Der Automobilkonzern schreibt im begleitenden Pressetext, dass „Chasing the iNext“ im „Stil von StreamingDiensten“ gehalten sei. Binge-Watching ist ausdrücklich erwünscht. In der BMW-Serie geht es darum, einen Blick auf das neue „visionäre Superauto“ zu erhaschen: den Elektro-SUV iNext. In sechs etwa sieben Minuten langen Folgen führt BMW die Zuschauenden ins Zentrum der Fahrzeugentwicklung.

Begleitet von ironischen Kommentaren des Sprechers gibt es Interviews mit Ingenieuren, Projektmanagern und Designern und dazu Hintergrundinformationen rund um Mobilität, Klimaschutz, künstliche Intelligenz und Technologie. Es wechseln Einblicke in Forschung und Entwicklung mit Drohnenaufnahmen, Natur, historischen Bildern, Hightech und kalkuliertem Blödsinn, wenn beispielsweise zottelige Aliens in Golf Carts auf dem Mars cruisen. PR-Botschaften werden bewusst überspitzt darJanuar / Februar 2021


T I T E L D I G I TA L E KO M M U N I K AT I O N

Silvie Rundel arbeitet seit 15 Jahren für den „Zeit“-Verlag.

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Januar / Februar 2021


Foto: privat

T I T E L D I G I TA L E KO M M U N I K AT I O N

Perfektion mit Mut zur Lücke Silvie Rundel leitet die Unternehmenskommunikation und den Bereich Veranstaltungen der „Zeit“-Verlagsgruppe. Im Interview spricht sie über digitale Formate in der internen Kommunikation, den 75. Geburtstag der Wochenzeitung und warum auch mal improvisiert wird. Interview: VOLKER THOMS

Frau Rundel, wenn man an „Die Zeit“ denkt, „Die Zeit“ organisiert Veranstaltungen. Mit kommen einem als Erstes die Wochenzeitung „Speakerz“ gehört auch eine Sprecheragentur zum und „Zeit Online“ in den Sinn. Dabei ist die Verlag. Inwieweit akzeptieren Ihre Journalistinnen Verlagsgruppe deutlich breiter aufgestellt. Wofür und Journalisten, dass es solche Formate braucht, steht der Verlag als Unternehmen? um Geld zu verdienen? Unser Leitbild trifft das meiner Meinung nach sehr gut: „Wir Die Sprecheragentur gehört zu unserer Tochtergesellschaft sind das Medium für den gesellschaftlichen Diskurs und Convent, die sich auf Profit-Veranstaltungen konzentriert. Es gibt im Haus ein großes Verständnis dafür, dass ein Verlag mit begleiten Wandel mit Zuversicht. Jeder in unserem Unternehmen bringt sich jeden Tag mit neuen Gedanken ein. Die Meiunterschiedlichen Geschäftsfeldern Geld verdient. Wichtig ist nung der anderen respektieren wir.“ Und: es, klare Grenzen zu ziehen: Die Redaktion „Unsere Werte sind Unabhängigkeit, Resmuss vollkommen unabhängig von kaufmänpekt und Zuversicht.“ Es gibt eine hohe Vernischen Belangen sein. Bei uns werden Sie bundenheit zur Marke. Wir sind ein Haus zum Beispiel keine Vermischung dahingeder unterschiedlichen Meinungen. Und die „Die Redaktion muss hend finden, dass über kommerzielle VeranZuversicht taucht nicht umsonst zweimal staltungen im redaktionellen Teil berichtet vollkommen unabauf. wird. Es erscheinen Anzeigen oder AdverAm Ende heißt es, und darüber gab es hängig von kaufmäntorials. durchaus Diskussionen: „Du veränderst die nischen Belangen Wie würden Sie das Arbeitsklima bei ‚Zeit‘. Die ‚Zeit‘ verändert dich.“ Ich finde, der „Zeit“ beschreiben? das stimmt. Das Unternehmen hat sich in sein.“ den vergangenen 15 Jahren stark veränHöflich, freundschaftlich, familiär. Wir arbeiten über Abteilungsgrenzen hinweg. dert – durch die Kraft der Mitarbeiterinnen Man tauscht sich aus und spinnt gemeinund Mitarbeiter. Als ich anfing, waren wir gerade mal 400 Leute, fast alle saßen hier sam an neuen Projekten. Es gibt eine große in Hamburg. Jetzt sind wir 1.200 an mehreren Standorten. Liebe zur Marke und zu den Produkten. Was uns in der PandeEs herrscht eine große Innovationskultur im gesamten Haus, mie sehr fehlt, sind Feierlichkeiten. Wie zum Beispiel unsere Weihnachtsfeier. Da wird bis fünf Uhr morgens getanzt. und es macht Freude, sich einzubringen. www.pressesprecher.com

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PRAXIS

Einmal impfen, bitte! Die Impfung zum Schutz vor einer Covid19-Erkrankung und der verpatzte Impfstart dominieren die mediale und politische Agenda. „Deutschland krempelt die Ärmel hoch“ heißt die Kommunikationskampagne der Bundesregierung zur CoronaSchutzimpfung. Es gibt aber noch andere Kampagnen zu Impfungen, die weniger breite Zielgruppen im Fokus haben: gegen Masern, FSME und Meningitis zum Beispiel.

BUNDESZENTRALE FÜR G ­ ESUNDHEITLICHE AUFKL ÄRUNG (BZGA)

„Deutschland sucht den Impfpass“

Botschaften Die Kampagne unterstützt das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Region Europa, die Ausbreitung von Masern zu verhindern. Sie informiert darüber, dass Masern keine harmlose

46

Kinderkrankheit sind und auch Erwachsene, die nicht immun sind, an Masern erkranken können. Die Kampagne greift auf, dass Masern durch die Impfung wirksam verhindert werden können, und motiviert zum Impfcheck. Eine zentrale Botschaft ist zudem, dass Geimpfte nicht nur sich selbst schützen, sondern auch andere, die nicht geimpft werden können. Kanäle Die Kampagne umfasst sowohl personalkommunikative Elemente wie Printmedien (Broschüre, Praxisplakate) zur Unterstützung der ärztlichen Impfberatung, die Website www.impfen-info.de mit erklärenden Videos, Impfvortrag für Multiplikatoren als auch massenmediale Elemente wie Großflächenplakate,

Kampagnen-Landingpage mit interaktivem Impfcheck, Kinospot und Hörfunkspots. Erfolge Daten einer bundesweiten Bevölkerungsbefragung der BZgA aus dem Jahr 2018 zeigen, dass grundsätzlich immer mehr Menschen in Deutschland eine positive Einstellung zum Impfen haben. Gut drei Viertel (77 Prozent) der 16- bis 85-Jährigen bezeichnen sich selbst als Impfbefürworter. Etwa ein Sechstel hat teilweise Vorbehalte. Sechs Prozent haben eine „(eher) ablehnende“ Haltung gegenüber dem Impfen. Der Anteil derjenigen, die Impfungen „befürwortend“ gegenüberstehen, ist im Untersuchungszeitraum von 2012 bis 2018 signifikant gestiegen. Zudem halten etwa 82 Prozent

die Masernimpfung für sich selbst für „(besonders) wichtig“. Unter den Befragten, die 1970 oder später geboren sind, ist dieser Anteil mit 83 Prozent vergleichbar hoch. Dennoch ist die Empfehlung zur Impfung nur 28 Prozent bekannt. Kampagnenzeitraum Die Kampagne startete 2012. Ein Relaunch erfolgte 2015. Die Kampagne ergänzt die Medien zur Masernimpfung im Kindesalter. Mit Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes im März 2020 informieren das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Robert Koch-Institut (RKI) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) darüber auf der gemein­ samen Internetseite www.masernschutz.de.

Januar / Februar 2021

Foto: BZGA

Zielgruppen „Deutschland sucht den Impfpass – Gegen Masern geimpft?“ richtet sich vor allem an Jugendliche und nach 1970 geborene Erwachsene mit unvollständigem Impfschutz. Die Kampagne greift damit die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) auf, die allen nach 1970 geborenen Erwachsenen eine Impfung gegen Masern empfiehlt, sofern sie in der Kindheit nur einmal beziehungsweise noch nicht gegen Masern geimpft wurden oder dies nicht so genau wissen.


KARRIERE

Wer leitet die ­Kommunikation der Dax-30-­ Unternehmen? Auf Twitter Die Personen an der Spitze der Kommunikationsabteilungen der 30 Dax-Unternehmen halten sich mit ihrer Präsenz auf Twitter zurück. 21 sind dort mit eigenen Accounts vertreten. Die meisten beschränken sich auf das Posten oder Retweeten von Unternehmensinhalten. Die höchste Zahl an Follower*innen haben Clarissa Haller von Siemens und Philipp Schindera von der Deutschen Telekom, die beide recht viel mit Personen aus der Kommunikationsszene, Stakeholder*innen und Journalisten*innen interagieren. Jörg Howe von Daimler und Jörg Eigendorf von der Deutschen Bank folgen auf den Plätzen. Sie teilen vor allem CorporateInhalte. Selten bringen sich die Top-Kommunikator*innen aus den Konzernen über ihre Accounts in Diskussionen ein.

In deutschen Konzernen liegt die Verantwortung für die Unternehmenskommunikation weiterhin hauptsächlich in männlicher Hand. In 18 der 30 Dax-Unternehmen leiten Männer die Kommunikationsabteilung. Dem stehen zwölf Frauen gegenüber. Der Altersdurchschnitt beträgt 51 Jahre. Sigrid DalbergKrajewski von Delivery Hero ist mit 31 Jahren die jüngste Leiterin einer Kommunikationsabteilung vor Juliane Kieslinger von Deutsche Wohnen, die 38 Jahre alt ist. Beide Unternehmen sind noch recht neu im Dax. Harry Roegner von Linde ist mit 65 Jahren der erfahrenste Dax-Kommunikationschef vor Jörg Howe von Daimler mit 63 Jahren. ×

Unternehmen

Kommunikationschef*in

User*innen-Name

Follower*innen

Siemens

Clarissa Haller

@clarissahaller

5.783

Deutsche Telekom

Philipp Schindera

@schindera

5.029

Daimler

Jörg Howe

@Joerg_Howe

4.752

Deutsche Bank

Jörg Eigendorf

@JoergEigendorf

4.178

SAP

Nicola Leske

@NicolaLeske1

1.479

Allianz

Sabia Schwarzer

@sabiaschwarzer

886

Delivery Hero

Sigrid Dalberg-Krajewski

@SigridKrajewski

761

Bayer

Michael Preuss

@michapreuss

719

Volkswagen

Nicole Mommsen

@nicolemommsen

529

Infineon

Bernd Hops

@BerndHops

392

Deutsche Post

Monika Schaller

@Monika_Schaller

331

E.ON

Lars Rosumek

@Lars_Rosumek

272

Continental

Felix Gress

@FelixGress

224

Henkel

Carsten Tilger

@ctilger

161

Covestro

Matthias Poth

@matthias_poth

138

BASF

Nina Schwab-Hautzinger

@schwab_nina

123

RWE

Stephanie Schunck

@schunck_st

88

Fresenius

Matthias Link

@MatthiasFJLink

35

Adidas

Jan Runau

@JanRunau

Deutsche Wohnen

Juliane Kieslinger

@J_Kieslinger

MTU Aero Engines

Eckhard Zanger

@Zanger_MTUAero

Beiersdorf

Anke Schmidt

Nicht auf Twitter

BMW

Maximilian Schöberl

Nicht auf Twitter

Deutsche Börse

Ingrid M. Haas

Nicht auf Twitter

Fresenius Medical Care

Miriam Schroer

Nicht auf Twitter

HeidelbergCement

Christoph Beumelburg

Nicht auf Twitter

Linde

Harry Roegner

Nicht auf Twitter

Merck

Thomas Möller

Nicht auf Twitter

Munich Re

Andreas Lampersbach

Nicht auf Twitter

Vonovia

Klaus Markus

Nicht auf Twitter

Konto ist privat 26

22 Konto ist privat

Stand: 18. Februar 2021

58

Januar / Februar 2021


Die Konferenz für Employer Branding und Arbeitgeberattraktivität

27. & 28. Mai 2021 Berlin & Digital

ZUSAMMEN.WACHSEN

Keynote von Maike van den Boom, Glücksforscherin und Bestsellerautorin der Bücher „Wo geht’s denn hier zum Glück?“ und „Acht Stunden mehr Glück.“:

Ein Glück kommt selten allein, außerdem Best Cases aus der Praxis, Workshops mit Employer Branding Experten, spannende Diskussionsrunden und Networking Tickets: www.gravity-conference.com


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