Magazin pressesprecher 5/18 "Konkurrenz"

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Quadriga Media Berlin GmbH

Ausgabe 5/18

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KONKURRENZ

Klassentreffen: Highlights und Gewinner des Kommunikationskongresses in Berlin

Vorsicht, heiß! Brandbriefe von CEOs sollen aufrütteln. Doch nicht selten verfehlen sie ihr Ziel. Die Gründe

Anziehende Arbeitgeber: Viele Unternehmen setzen auf Dresscodes oder gar Uniformen. Ist das noch zeitgemäß?



E D I TO R I A L

Alles außer Konkurrenz „Die geschickteste Art, einen Konkurrenten zu besiegen, ist, ihn in dem zu bewundern, worin er besser ist“, hat der Schriftsteller Peter Altenberg einmal gesagt. Ich finde, der Mann hat Recht – solange die Bewunderung nicht in staunendes Erstarren mündet, sondern in aktives Handeln umgesetzt wird. Wer kennt sie nicht, die schlauen Sprüche? „Ein bisschen Wettbewerb hat noch keinem geschadet.“ „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ „Die Konkurrenz schläft nicht.“ Gähn. Ist der dauernde Gedanke an sie nicht ermüdend? Manchmal schon, wenn wir ehrlich sind. Aber zu wissen, dass da jemand ist, der besser sein möchte als man selbst, kann eben auch anspornen. Trotz des Blicks auf die Mitbewerber ist es dabei wichtig, stets bei sich zu bleiben – und sich selbst treu. Schließlich soll Konkurrenzdruck am Ende nicht dazu führen, dass wir uns verbiegen. Wie Sie ihm widerstehen, erfahren Sie in unserer neuen Ausgabe, liebe Leser. In ihr beleuchten wir das Titelthema aus verschiedenen Perspektiven. Die Recherche war aufschlussreich: Wir werfen mit Ihnen einen Blick in die Provinz ebenso wie

auf den ewigen Wettstreit zwischen Klein und Groß. Ein Olympiasieger berichtet vom mitunter zermürbenden Selektionsdruck im Leistungssport. Und von einer Verhaltensbiologin lernen wir, dass es zwischen Affenhaus und Arbeitswelt erstaunlich viele Parallelen gibt. Unserem neuen Konzept treu bleibend, hat außerdem auch diesmal wieder ein Künstler Cover sowie Titelstrecke illustriert. An dieser Stelle übrigens ein Glückwunsch an Sie: Wo Sie das Heft in diesem Moment in den Händen halten, haben Sie nämlich möglicherweise einen Konkurrenten ausgestochen – den um die Erstlektüre des pressesprecher. Viel Freude beim Lesen und beste Grüße

Jens Hungermann Chefredakteur

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I N H A LT

Inhalt 5/ 2018

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Editorial Forum: Kommentar, Glosse & Feedback Zuckerbrot & Peitsche Recht Bücher Sprecherkarte Impressum Kein Kommentar

TITELHEMA: KO N KU R R E N Z

26 Frage des Antriebs Konkurrenz kann uns anspornen – oder lähmen. Plädoyer für mehr Gelassenheit zur rechten Zeit.

28 Klein gegen Groß

AGENDA

Manche Märkte sind von Giganten geprägt. Wie findet ein kleiner Konkurrent da überhaupt Gehör?

8 Zuckerbrot & Peitsche Freelancerin Alexandra Maschewski über ungewollte, hochagentourige Vertrautheit

32 Positionsgerangel Zwischen Affenhaus und Arbeitswelt zeigen sich erstaunliche Parallelen. Eine Biologin erklärt.

10 Das war der #kk18

14 Von den Besten lernen

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Impressionen vom

Kommunikationskongress in Berlin

Die Gewinner des BdPAwards verraten Ziele, Strategie und Aha-Effekte ihrer Arbeit.

16 Risiko Autocomplete Warum bei Google im Zusammenhang mit Politikern oft nach intimen Details gesucht wird.

20 Alarm, Alarm! Brandbriefe dienen Vorständen als probates Mittel der Krisenkommunikation. Zu Recht?

16

38 Provinzpose „Hidden Champions“ müssen härter um kluge Köpfe buhlen als große Konzerne. Auf die Strategie kommt es an.

42 Blick in die Branche Wie setzen sich Kommunikatoren intern gegen das Marketing durch? Einblicke aus der aktuellen BdP-Studie

46 Earned vs. owned Unternehmen sind nicht länger auf externe Medien angewiesen. Doch wann und wie verfängt ihr Content?

50 Wettstreit mit Boot Ruder-Olympiasieger Andreas Kuffner über den aufreibenden Kampf um die begehrten Plätze im Achter.

Googles Autocomplete-

Funktion bedient die Neugier nach privaten Details. Das ist riskant. 4

Oktober/ November 2018

Fotos: Jana Legler; Adam Bixby; Saksham Gangwar; Illustration: Bo Soremsky

Highlights und Impressionen vom Kommunikationskongress Ende September in Berlin


I N H A LT

PRAXIS

RECHT

54 Neuigkeiten(t)räume

66 m/w/divers

Warum immer mehr Ministerien und Landesbehörden Newsrooms einrichten und wie das ihre Arbeit verändert

Um Scheinbewerbern keine Angriffsfläche zu geben, müssen Stellenausschreibungen klug formuliert sein.

58 En Blog Corporate Blogs werden für Unternehmen zum beliebten Mittel der Kommunikation. Eine Analyse

60 Ach, guck! Vernetzte Screens statt Schwarzes Brett: Nutzen und Grenzen des Tools für die Interne Kommunikation

KARRIERE

68 Ziemlich anziehend Kleider machen nicht nur Leute, sie prägen auch das Bild von Konzernen. Sind Dresscodes zeitgemäß?

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Konkurrenz im Tierreich: Was wir von Affen lernen können und welche erstaunlichen Parallelen es zur Arbeitswelt gibt. Ein Interview mit Verhaltens-

62 In English, please

biologin Barbara Niedner

Wenn Unternehmen ihre Unternehmenssprache ändern, sollten sie behutsam vorgehen.

68 Welche Botschaft senden Dienstuniformen? Und ist standardisierte Berufsbekleidung in unserer heutigen Gesellschaft noch zeitgemäß?

74 Verband Kommunikationskongress, Speakersnight, Kommentar, Mitgliederversammlung, neue Mitglieder plus Rückblicke der Fach- und Landesgruppen

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AGENDA

Das war der #kk18 1.600 Teilnehmer, 198 Referenten, vier Keynotes , ein zentraler Gedanke auf dem Kommunikationskongress in Berlin: Kommunikation benötigt Mut. Nicht immer – aber immer öfter. Unser Rückblick Fotos JANA LEGLER, LAURIN SCHMID UND KASPER JENSEN


Zum Zeitpunkt des Kongresses noch Kommunikationschef der Deutschen Post DHL Group, demnächst in gleicher Position bei Bosch: Christof Ehrhart

Peter Vajkoczy, Direktor der Klinik für Neurochirurgie an der Berliner Charité, sprach mit Leidenschaft über Leidenschaft in seinem Beruf.

Like Ice in the BCC: Kurze Erfrischung während einer Panel-Pause

Zum Thema „Gute Lobby, schlechte Lobby?“ diskutierten Gitta Connemann (CDU/CSU), Jörg-Andreas Krüger (WWF), Sebastian Frevel (von Beust & Coll) und Christian Maertin (Bayer, v.r.n.l.).

Gäste im „Presseclub“ (v.r.n.l.): Ansgar Graw (Die Welt), Julia Bönisch (SZ.de), Jan Schulte-Kellinghaus (RBB), Harald Martenstein (Die Zeit / Tagesspiegel).

Anna Martinsohn (Deutscher Jagdverband)

ZDF-Journalistin Dunja Hayali erhielt für ihre Keynote über Regeln im Umgang mit Hass im Netz viel Applaus.

Prominentester Gast der Gala Speakersnight: Dorothee Bär (3.v.l.), Staatsministerin für Digitalisierung.


Ganz privat, das war einmal Googles Autovervollständigung ist einerseits zwar sehr hilfreich und bequem, andererseits aber hochgradig gefährlich. Von pikanten Einträgen bleibt nicht einmal verschont, wer gar nichts zu verbergen hat. Daraus können heikle Dynamiken entstehen.

Foto: Adam Bixby

Von STEPHAN G. HUMER


AGENDA

Googelt man deutsche Spitzenpolitiker, wird schnell deutlich, dass Privates – medial stets die riskanteste Kategorie im Leben von Prominenten – hoch im Kurs steht. Tippt man den Namen von Bundesaußenminister Heiko Maas in das Suchfeld ein, poppt als automatisch ergänzender Begriff „twitter“ auf, direkt danach folgen Stichworte wie „körpergröße“, „größe“, „frau“, „freundin“ und „kinder“. Erst an siebter Stelle wird „russland“ angeboten, was mit Maas’ (amtsbezogener) Einstellung zu tun haben dürfte – und damit der erste „politische“ Vorschlag ist. Olaf Scholz, dem laut „Deutschlandtrend“ nach Maas zweitbeliebtesten Politiker des Landes, ergeht es nicht anders: Mit ihm verbindet Google ebenfalls Privates wie „größe“ und „ehefrau“ – ansonsten technokratische Angelegenheiten wie „mdb“, „twitter“, „facebook“ oder „email“. Politische Themen? Bis auf den Begriff „schwarze null“: Fehlanzeige. Mithilfe von Quantität Qualität bestimmen, nur so können wir uns angesichts der riesigen Datenmengen im Internet orientieren. Dazu dienen Bewertungssysteme, Rankings, Klickzahlen – Methoden, Services und Tools. Menschen folgen dieser Quantifizierung. Denn in einer Zeit, in der keine klaren Rollenvorbilder mehr existieren, in der die Arbeit am eigenen Selbst, das Herausbilden einer eigenen Identität zu einer immer professionelleren Bastelaufgabe wird, kommen Lösungen, die schnell und intuitiv Halt bieten, gut an. Der Wettbewerb ist hart, deshalb verbessert Google seine Services permanent, und dieser Vorwärtsdrang macht auch vor der altehrwürdigen Suchfunktion – immer noch das Kerngeschäft des Megakonzerns – nicht halt. Einer der wohl spannendsten Entwicklungsschritte ist dabei das eben beschriebene Google Suggest, auch bekannt als Autocomplete: Noch während des Tippens eines Suchbegriffs werden Ergänzungsvorschläge geliefert, die zum bereits ein-

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Aus üblen Gerüchten können schnell griffig ausformulierte, durchaus plausibel erscheinende (weil von Google hervorgehobene) Informationseinheiten werden. Die können zwar nicht belegt, aber auch nie mehr vollständig aus dem kollektiven Gedächtnis eliminiert werden.

gegebenen Präfix passen. Im nächsten Jahr feiert diese Funktion in Deutschland bereits zehnjähriges Jubiläum.

Bettina Wulff und der Gerüchtekreislauf Das Feature sorgte in der vergangenen Dekade für besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Erinnert sei an die ehemalige „First Lady“ Bettina Wulff, die 2012 gegen Google klagte. Der Grund: Autocomplete unterbreitete bei Eingabe ihres Vor- und Nachnamens unter anderem den Vorschlag „Escort“ und lieferte damit eine Reaktion auf das – seinerzeit medial stark begleitete – Gerücht, sie habe einst als Escort-Dame gearbeitet. Der Konzern versuchte die Verantwortung für das Befeuern des wenig schmeichelhaften Suchtrends durch Rückzug auf die Technik zu umgehen: „Google

schlägt diese Begriffe nicht selbst vor – sämtliche in Autovervollständigung angezeigten Begriffe wurden zuvor von Google-Nutzern eingegeben“, so die Aussage in der Presse. Die „Qualität“ der Begriffsvorschläge für den Namen „Bettina Wulff“ entstand somit durch die Quantität der Anfragen, oder wie es der damalige Pressesprecher von Google, Kay Oberbeck, formulierte: Die Begriffe seien „das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren, inklusive der Popularität der eingegebenen Suchbegriffe“. Die Nutzer trugen also maßgeblich zur Popularität bei – und exakt das kann das entscheidende Problem sein. Denn wie das Beispiel illustriert, können aus üblen Gerüchten schnell griffig ausformulierte, durchaus plausibel erscheinende (weil von Google hervorgehobene) Informationseinheiten werden. Die können zwar nicht belegt, aber auch nie mehr vollständig aus dem kollektiven Gedächtnis eliminiert werden. Menschen greifen diese Informationen auf, widmen sich ihnen und verstärken dadurch den Gerüchtekreislauf – ganz zum Ärger der davon betroffenen Person.

Betont wird, was beliebt ist Doch selbst wenn man, so wie Bettina Wulff, gegen ehrverletzende Vorschläge vor Gericht zieht und eine Löschung bestimmter Inhalte erwirkt, was Wulff letztendlich im Jahre 2015 in einem außergerichtlichen Vergleich mit Google erreichen konnte, ändert dies nichts an der generellen Funktionsweise von Google Autocomplete: Was besonders beliebt ist, wird besonders betont – völlig unabhängig vom Wahrheitsgehalt oder potenziellen Risiko für die betroffene Person, deren Name mit einem Begriff verbunden wird. Promis und Autocomplete – das ist und bleibt somit eine ganz besondere Beziehung. Selbst die eher als nüchtern und abgeklärt geltende Bundeskanzlerin Angela Merkel wird vor allem mit 17



T I T E L KO N KU R R E N Z

Die Futtertröge der Macht Im Gerangel um Positionen zeigen sich zwischen Affenhaus und Arbeitswelt erstaunliche Parallelen. Die Verhaltensbiologin und Führungskräftetrainerin Barbara Niedner im Interview über Konkurrenzverhalten bei Tier und Mensch Interview ANNE HÜNNINGHAUS

Illustration: Bo Soremsky; Foto: Privat

Frau Niedner, Konkurrenz belebt zwar den Markt, genießt aber im Zwischenmenschlichen keinen guten Ruf. Meistens wird sie mit Neid und Missgunst konnotiert. Ist das gerechtfertigt? B ARB ARA NIEDNER: Verhaltensbiologisch gesehen beschreibt Konkurrenz einfach den Wettbewerb um knappe Ressourcen und darum, agil wandlungsfähig zu sein, um sich an vorhandene Umweltbedingungen wie aktuell die Digitalisierung anpassen zu können. Im biologischen Kontext ist dieser Wettbewerb – solange es nicht zu Monokulturen kommt, die gezielt Konkurrenz ausschalten – sehr positiv. Aber auch Neid ist nichts Schlechtes, sondern das beste Controlling dafür, dass man an Einfluss gewinnt. Wenn andere uns beneiden, wissen wir, dass wir selbst vorangekommen sind. Nur wer es schafft, Missgunst auszuhalten, hat die Fähigkeit, überhaupt oben anzukommen. Das betrifft Individuen genauso wie Firmen oder Branchen. Neid „von oben“ betrachtet mag nicht schlecht sein. Aber was, wenn ich es bin, der ihn verspürt – zum Beispiel weil statt meiner immer nur die Kollegen um mich herum befördert werden? Anstatt darüber zu jammern, muss ich mich fragen: Was habe ich dazu beigetragen, dass die Oberen nicht auf mich aufmerksam werden? Das ist wiederum Controlling in Bezug auf meine eigene natürliche Autorität. Wenn andere mich übergehen, hat das

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eine Alarmfunktion – jetzt bitte aufwachen und die eigene Präsenz steigern! Natürliche Autorität erscheint allerdings – wie der Name schon suggeriert – als etwas Gegebenes, das ich entweder habe oder nicht. Kann ich sie trainieren? Teilweise. Es gibt Menschen, die werden niemals zu Führungspersönlichkeiten. Denn dafür brauche ich ein gewisses Standing und muss soziale Fähigkeiten für die Gruppe nutzbringend einbringen. An wen erinnern Sie sich, wenn Sie eine Feier verlassen? Ganz sicher haben nicht alle 200 Personen einen Eindruck hinterlassen, sondern die mit einer speziellen Ausstrahlung und Körpersprache. Natürliche Autorität ist aber nicht nur für Führung vonnöten, sondern in einem gewissen Maß auch für meine alltägliche Arbeit, egal ob es darum geht, einen Text zu schreiben, der Aufmerksamkeit bei Menschen erzielt, oder mein Projekt zu präsentieren. Fachlich komme ich nicht weiter, wenn die anderen mich nicht wahrnehmen – es geht wieder um Aufmerksamkeit. Expertise und selbstbewusstes Auftreten können wir sehr wohl beeinflussen. Werde ich kreativer, wenn ich den Druck der Wettbewerber spüre? Ja, je mehr Konkurrenz ich habe, desto mehr muss ich auf Trab bleiben, um mich durchzusetzen mit meinen Ideen. Wenn wir keine Konkurrenz hät-

Als promovierte Verhaltensbiologin und Keynotespeakerin bringt Barbara Niedner die Prinzipien der Natur, die sich über Millionen von Jahren agil wandlungsfähig angepasst hat, in die digitale Ära. In Unternehmen trainiert sie die natürliche Autorität von Führungskräften und Projektverantwortlichen. Im Buch „Agil ohne Planung“ beschreibt sie die Erfolgsstrategien der Natur.

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T I T E L KO N KU R R E N Z

Zu mir oder zu dir? Earned Media vs. Owned Media: Statt auf das Wohlwollen und Interesse externer Medien zu hoffen, bespielen Unternehmen eigene Kanäle mit Content. Die Vorteile liegen auf der Hand. Aber was ist mit den Nachteilen?

Illustration: Bo Soremsky; Foto: Mindshare

Von MIRJAM STEGHERR

Die Herzensdamen heißen Bild, Süddeutsche oder FAZ, die Verehrer Daimler, Coca-Cola oder Aktion Mensch. Unternehmen und Verbände kämpfen darum, die Wünsche der Medien zu erfüllen und sie für gute Geschichten zu begeistern. Earned Media heißt das Konzept, was übersetzt bedeutet: Pressestellen verdienen sich Berichte. Doch die Zeiten ändern sich. Auf Facebook und Instagram entdecken Kommunikationsabteilungen inzwischen zunehmend eigene Kanäle. Mit Websites, Magazinen, Podcasts und TV-Sendungen bringen sie ihre Geschichten in die Öffentlichkeit. Plötzlich sind Bild, Süddeutsche und FAZ nur noch eine Option von vielen. Unternehmen setzen auf Owned Media, auf eigene Medien. Das bekannteste Beispiel ist Red Bull. Der Getränkehersteller ist ein Contentlieferant, samt Verlag und „Media House“. Das Red Bulletin gehört zu den hauseigenen Magazinen, ebenso wie Bergwelten, Terra Mater, Servus und der Sender Servus TV. Red Bull produziert obendrein Filme und Bücher, hat eine Medienstiftung („Quo Vadis Veritas“) und ein Medienportal („Addendum“). „Red Bull hat eine Tradition, spannende Geschichten zu erzählen“, sagte Andreas Kornhofer, Chef des Verlags, im Mai auf dem Europäischen Zeitungskongress. Geschichten von Sprüngen, Flügen, Fahrten und einem Sturz durch die Stratosphäre – damit hat das Unternehmen eine ganze Nische besetzt.

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„Der Bedarf ist da, auch für eine kleine Zielgruppe Informationen anzubieten und sich zu positionieren. Das ersetzt die Pressearbeit nicht, aber es ergänzt sie.“ Katja Brandt, Mindshare

„Red Bull nimmt aus den Events die Kraft, eigene Medien zu unterhalten. So eine Kraft haben viele Marken nicht“, sagt Katja Brandt, CEO der Agentur Mindshare, die unter anderem Red Bull betreut. Zu einer so intensiven Owned-Media-Strategie würde sie vielen Unternehmen nicht raten. Aber jeder, der eine gute Geschichte erzählen kann, sollte das auf seinem eigenen Kanal tun: „Der Bedarf ist da, auch für 47


Anziehende Arbeitgeber Kleider machen Leute – und prägen den Stil und Auftritt eines Unternehmens. Viele Firmen legen Wert darauf, dass Mitarbeiter sich an Dresscodes halten oder gar einheitliche Uniformen tragen. Aber ist standardisierte Berufskleidung in einer individualisierten Arbeitswelt noch zeitgemäß? Von SARAH SOMMER

die Details der neuen Dienstkleidung – entworfen vom Promi-Designer Guido Maria Kretschmer. Weinrot statt knallrot! Die Damen dürfen nun, man stelle sich das vor, im Dienst einen Rock tragen! Und es gibt sogar eine Jeans!

Kleidung als ein Mittel der Kommunikation Warum interessiert es so viele Menschen, welche Kleidung Angestellte eines Unternehmens bei ihrer täglichen Arbeit tragen? „So wie Menschen im Privatleben mit ihrer Kleidung bestimmte Botschaften vermitteln, ihren Status und ihre eigene Identität unterstrei-

Foto: Saksham Gangwar

Dunkelblauer Anzug mit Sakko oder Blazer, Weste mit Nadelstreifen, weißes Hemd, knallrote Krawatte oder Halstuch, Uniformmütze, rote Streifen, rotes DB-Logo: So kennen Bahn-Kunden ihre Zugbegleiter. 15 Jahre lang stattete die Deutsche Bahn ihre circa 43.000 Servicemitarbeiter in Zügen und an Bahnhöfen mit der weitgehend unveränderten blau-roten Uniform aus. Seit August tragen nun 250 Mitarbeiter testweise eine neue Uniform – eigentlich keine große Sache, könnte man meinen. Und doch berichteten deutschlandweit Medien von Tageszeitungen über Wirtschaftsmagazine bis hin zum Klatschblatt aufgeregt über


KARRIERE

chen wollen, so nutzen auch Unternehmen die Kleidung ihrer Mitarbeiter als Kommunikationsmittel“, sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln. „Das Corporate Design soll sich auch in der Kleidung der Mitarbeiter ausdrücken, die damit für eine bestimmte Unternehmenskultur und das Image der Unternehmensmarke steht.“ Wenn ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn, dessen Mitarbeiter täglich rund sechs Millionen Fahrgästen und Kunden in Bahnhöfen, Zügen und Service-Centern begegnen, seine Mitarbeiter neu einkleidet, fragen sich also viele Menschen: Was will das Unternehmen uns damit sagen? In einer Arbeitswelt und Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen und die Loyalität und Bindung von Arbeitnehmern zu ihren Arbeitgebern abnimmt, sind gemeinsame Dresscodes für Unternehmen jedoch nicht nur ein Signal nach außen. Sondern sie sind vor allem ein Mittel, im Innern ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen. „Man weiß, dass Menschen ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe auch dadurch ausdrücken, dass sie ihren Kleidungsstil an die anderen Mitglieder einer Gruppe anpassen“, sagt Müller-Thomkins. „Mit einer einheitlichen Dienstkleidung signalisieren Unternehmen: Wir sind ein Team. Du gehörst dazu.“

Positive Reaktionen aus der Belegschaft Wenn ein Unternehmen, wie die Deutsche Bahn, in moderne Dienstkleidung investiert und dazu gar populäre Designer wie Kretschmer engagiert, ist das daher auch eine wichtige Botschaft nach innen. Es signalisiert den Mitarbeitern: Ihr seid uns wichtig. So sieht das jedenfalls Matthias Waha, bei der Deutschen Bahn verantwortlich für die interne und externe www.pressesprecher.com

„Wer seine Unternehmensbekleidung morgens gerne aus dem Schrank holt und mit Stolz trägt, der macht am Ende auch einen noch besseren Job.“ Matthias Waha, Deutsche Bahn

Kommunikation zur neuen Unternehmensbekleidung. „Die Verbesserungen kommen natürlich zuerst den Kolleginnen und Kollegen zugute, die jeden Tag im Kundenkontakt sind. Gleichzeitig macht die neue Unternehmensbekleidung den Außenauftritt des ganzen Unternehmens moderner und sympathischer. Wichtig bei der neuen Kollektion war auch, dass trotz einheitlicher Kleidung mehr Individualität möglich ist. Deswegen das sogenannte Kleiderschrankprinzip“, erklärt Waha. Heute ein Kleid, morgen die Jeans mit dem Strickcardigan? Solange Kunden die Mitarbeiter am Bahnhof und im Zug auf den ersten Blick als solche erkennen, sei das kein Problem. Die neue Uniform wird seit Sommer 2017 von einer gemeinsamen Projektgruppe aus rund 60 operativen Mitarbeitern wie Zugbegleitern und Kundenbetreuern, Experten aus dem Marketing und der HR sowie dem Unternehmen Guido Maria Kretschmer Corporate Fashion entwickelt. „Der noch bis November andauernde Tragetest wird von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen begleitet“, sagt Waha. Im Social Intranet der Bahn gibt es zudem Berichte über die Testimonials der verschiedenen Geschäftsbereiche.

Via Kommentarfunktion diskutieren auch andere Mitarbeiter über die neue Kollektion. „Mittlerweile haben wir sogar Anfragen aus anderen Unternehmensbereichen, wie etwa der Verwaltung, ob man einzelne Stücke nicht fürs Büro haben könnte“, berichtet Waha. „Aus steuerrechtlichen Gründen ist das nicht so einfach umsetzbar, auch wollen wir Verwechslungen vermeiden.“ Dennoch zeigten solche Reaktionen, dass die neue Unternehmenskleidung gut ankomme. Und auch die Bahn-Kunden haben etwas davon: „Wer seine Unternehmensbekleidung morgens gerne aus dem Schrank holt und mit Stolz trägt, der macht am Ende auch einen noch besseren Job“, ist Waha überzeugt. Für das Staatsunternehmen Deutsche Bahn, das pro Tag rund 7,4 Millionen Menschen in Bahnen und Bussen befördert, seien die Mitarbeiter im täglichen Kundenkontakt immer auch Botschafter des Unternehmens. Waha: „Zufriedene Mitarbeiter in einer zeitgemäßen Uniform: Das zahlt auf unser Image als sympathischer Dienstleister ebenso ein wie auf unsere Arbeitgeberattraktivität.“

Markenschuhe für die Mitarbeiter Moderne Kleidung und Accessoires als Motivationsschub für die Mitarbeiter – auf dieses Prinzip setzen auch Konzerne wie Telekom und Lufthansa. Der Luftfahrtkonzern etwa bestellte jüngst bei Adidas eigens produzierte Turnschuhe mit dem Firmenlogo, die exklusiv den Mitarbeitern des Unternehmens zur Verfügung stehen. Die Telekom ließ im Sommer ebenfalls für ihre Mitarbeiter Adidas-Sneaker in der Unternehmensfarbe Knallpink herstellen und verschenkte sie als „kleine Anerkennung“ für die Mitarbeiter – damit man die „Magenta-Familie in Zukunft sogar am Schuhwerk erkennt“. 69


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