© Basler Zeitung|02.02.2000|Seite: 40
Schüler am Onassis-Wettbewerb Das von der Klasse 2f der Diplommittelschule Basel selber geschriebene Theaterstück «Narkomania» ist zur Teilnahme am Wettbewerb der «Alexander S. Onassis Stiftung» zugelassen worden. Im vergangenen Sommer hatte sich die Schulklasse entschieden, in eigener Regie ein Stück zu konzipieren, dabei trat in einer ersten Arbeitsphase der Schüler Viktor Bogdanovich als Autor hervor. Die Arbeit gelang dabei unerwartet professionell, so dass sich Herbert Blaser, der Regisseur des Schultheaterstücks, dazu entschied, in Zusammenarbeit mit der Produzentenvereinigung «Creative Lines» das Stück «Narkomania» am Autorenwettbewerb der Stiftung Onassis anzumelden. Inzwischen ist das Stück zum Wettbewerb zugelassen worden. Die Stiftung Onassis führt zum zweiten Mal einen internationalen, hochdotierten Theaterwettbewerb durch. Das Stück «Narkomania - The Ballad Of Peter Pan And The Lost Generation», das am kommenden Donnerstag und Freitag (jeweils 20 Uhr) in der Aula der Diplommittelschule aufgeführt wird, nähert sich bildhaft spielerisch den Exzessen von Gewalt, Drogen und Zerstörung. BaZ © Basler Zeitung|21.08.1998|Seite: 29
«Die Lederfresse» in der ehemaligen Kiosk AG Sie ist Aushilfskellnerin. Er ist Möchtegernschriftsteller. Was die beiden verbindet, bringen Nicole Sami und Yves Vaucher zurzeit in dem delikat gespielten Stück «Die Lederfresse» oder «Das Ding an sich: die Kettensäge» von Helmut Krausser auf die Bretter der ehemaligen Kiosk AG an der Güterstrasse 119. Unter der Regie von Andreas Storm und der Produktionsleitung von Herbert Blaserwurde hier am Mittwoch abend vor vollem Hause eine Premiere geboten, deren Inhalt in Endlosspiralen, in immer wieder sich selbst genügender Brutalität verläuft. Er holt sich seine Inspiration aus Horror-Videos, sie erblasst dumm-dumpf über seine blutrünstigen Eingebungen. Mit der Kettensäge und blutverschmierter Metzgerschürze will er die eklige, böse Welt bezwingen. Ledermaske, Gummihandschuhe: Verhüllte Aggression und dekadente Machtgier machen aus Jüngelchen Niemand einen Möchtegern-Terminator: «Ich bin die Lederfresse mit der Kettensäge», exhibitioniert er sich vor dem Spiegel und träumt von seiner alles in Stücke fetzenden Potenz. Sie säuft ihm sein letztes Bier weg - das bringt ihn um den Verstand, erregt bedroht er sie mit dem Brachialinstrument. Das Drama nimmt
seinen Lauf, als die Polizei auftaucht. Am Schluss ein Schuss und aus. Die Botschaft des Stücks ist eine «Rambo-Botschaft» aus Gewalt pur im Irrgarten von Nirgendwo. Sie steht exemplarisch für Wertminderung an sich: alles wird heruntergemacht, abgewürgt, gedemütigt. Die Sehnsucht nach etwas Festem muss ohne Zielvorstellung bleiben. Das Glück, so wird gezeigt, ist ein Stundenhotel. Die Menschen sind böse Kinder und die Welt eine Knetmasse in ihren Händen. Wer sich selbst nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf holt, verreckt. Kraussers «Lederfresse» offenbart die Zersägung aller Botschaften. Der Produktion gelingt die authentische Übermittlung des «No-future-Zeitgeistes» der sechziger Jahre - nicht zuletzt auch mit Hilfe des gekonnt in Szene gesetzten chaotisch-desolaten Bühnenbilds. Alles in allem eine gelungene Inszenierung über Hoffnungs- und Sinnlosigkeit allen Seins, traurig, desperat, spannend und gut in die Hand genommen. Eva-Maria von Sauer Weitere Vorstellungen: Bis Sonntag, 23. August jeweils um 21.30 Uhr, Güterstrasse 119. Samstag nach der Vorstellung «Leatherface»-Party. Mit Kettensäge und Ledermaske will der Möchtegernschriftsteller die böse Welt bezwingen. Foto Tino Briner © Basler Zeitung|15.08.1998|Seite: 41
Das Ding an sich: die Kettensäge Um Identitätsverlust, Einsamkeit und Gewalt dreht sich ein Stück von Helmut Krausser, das als Produktion von «Creative Lines» ab 19. August zu sehen ist. gs. «Die Kettensäge ist im deutschen Gegenwartsdrama das Ding an sich», schrieb der «Spiegel» mit Blick auf Helmut Kraussers «Lederfresse» und andere, ähnlich gelagerte Produktionen, etwa Christoph Schliengensiefs Film «Das deutsche Kettensägenmassaker». Dessen Vorbild, der beinahe schon legendäre Horrorfilm «Das texanische Kettensägenmassaker» spielt auch in Kraussers (*1964) Stück eine hintergründige Rolle - als eine Art Pate. Ein namenloses, randständiges Pärchen. Er wäre gerne Schriftsteller, ist es aber nicht. Er schaut zu viele Horrorvideos, sieht sich von einer entsprechenden Umwelt umgeben, spielt selber schon das Monster «Leatherface» aus Tobe Hoopers
«Kettensägen»-Film. Mit viel Schweineblut arrangiert er dieses seltsame Spiel, das auch Anregung für die schriftstellerischen Versuche sein soll. Sie ist eine Aushilfskellnerin, nicht so weggetreten wie er, spöttisch gegenüber seinem Fimmel, der gefährlich wird, als die Polizei auftaucht. Soweit in aller Kürze die Handlung, die eine Auseinandersetzung mit Identitätsverlust, Einsamkeit und Gewalt sein will. Produziert wurde dieses Stück von «Creative Lines» - als Abschluss einer Trilogie, zu der auch Herbert Blasers«Der Kandidat» und Philipp Ridleys «Der Disney-Killer» gehören. Zumindest das letztgenannte Stück mit seiner fratzenhaften Thematisierung von Angst, sexuellem Missbrauch und Verwahrlosung weist den Weg zur aktuellen Produktion, die ebenfalls eine direkte, sehr direkte Sprache spricht: Die deutsche Presse jedenfalls bemängelte nach der Premiere 1994 in Hamburg, dass «nicht die Entstehung von Gewalt, sondern nur Obsessionen» («Der Spiegel») zu sehen seien, dass Kraussers Stück nur eine «Oberflächenspannung» («Frankfurter Rundschau») zu erzeugen wisse. Man darf also auf die Basler Inszenierung gespannt sein. Mittwoch, 19.8., bis Sonntag, 23.8., in der ehemaligen Kiosk AG an der Güterstrasse 119 (Unterführung SBB). Jeweils 21.30 Uhr. +/- Bar geöffnet. Samstag nach der Vorstellung «Leatherface»-Party. © Basler Zeitung|12.06.1998|Seite: 10
DAS AKTUELLE KULTUR-INTERVIEW Manuel Montañana, in Basel wirkender Komponist und Performer, strebt die Synthese zwischen Klang- und Farbbildern an. Heute Freitag, 12. Juni, belebt er das Restaurant «Zem Alte Schluuch» in Basel mit entsprechenden Farbklängen (ab 22.30 Uhr). Seine dortige Bilderausstellung läuft noch bis Ende Juni. Seit wann bist du nun ein freischaffender Komponist? Seit 1993. Vorher war ich in der Ausbildung in den USA, in Kalifornien. Mit einer Broadway-Show ging ich auf Europatournee und bekam Einblick in Tanztheater und Bewegung. Von klein auf befasste ich mich mit klassischer Musik. Mein Weg führte später via Hardrock zu Jazz, Techno und zum Film. Fluoreszierende Bilder stehen für dich im Zentrum... Jawohl. Jeder Ton hat eine Farbe, jede Farbe hat einen Ton. Das habe ich intuitiv für
mich herausgefunden. Seit vielen Jahren werden ähnliche Licht-Farb-Versuche gemacht. Wenn man von den Welt-Philosophien ausgeht, die sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigen, dann sieht man, dass ich mit meinen Eindrücken richtig liege. Die Frequenz UV (Ultraviolett) ist eine andere Frequenz als das normale Tageslicht. So hat UV einen anderen Einfluss auf Körper und Psyche. Mein Ziel war es, in einem dunklen Raum mit Farben zu arbeiten. So ist die Begegnung mit dem Ultraviolett entstanden. Kannst du den Ablauf des heutigen Abends schildern? Alle meine Kompositionen entstehen aus der Farbe heraus. Bei der Vernissage kann man sich die einzelnen Werke nicht nur anschauen, sondern auch gleich anhören. Nach der Vernissage findet man die Kompositionen in der Jukebox des Restaurants «Zem Alte Schluuch». Zu jedem meiner Bilder gibt es die entsprechende Musik auf CD. Für dieses Projekt erhielt ich auch wertvolle Unterstützung vom hiesigen Kulturund Theaterschaffenden Herbert Blaser. (lm © Basler Zeitung|08.10.1997|Seite: 35
Gesucht: Noch ein Happy-End für diese Welt Mit dem «Happy End Express» beschreitet der für seine skurrilen Ideen bekannte Autor René Schweizer neue Wege. Er hat ein Stück geschrieben, das sich mit Hilfe des Publikums immer weiterentwickeln soll. Der zweite Kongress «Humor in der Therapie» vom kommenden Wochenende im Kongresszentrum der Messe Basel (vgl. auch Seite 27) steht nicht allein im Zeichen einer noch jungen Disziplin innerhalb der Medizinwissenschaft; er wird, am Samstag abend ab 20 Uhr, ergänzt durch ein «humor-medizinisches» Kulturprogramm. Den Abend auf die Beine gestellt haben der bekannte Basler Autor René Schweizer, der eigentliche Initiant dieses Kongresses, und der Regisseur Herbert Blaser, beide vom Verein Schweizer Kulturkonzepte. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht Schweizers neues Theaterstück «Der Happy End Express», ein Stück das am Samstag in seiner Grundidee vorgestellt und ein Jahr später, im Rahmen des dritten Kongresses, uraufgeführt werden soll. Im Stück, sagt Schweizer, machen wir uns auf die Suche nach einem Happy-End für diese Welt. Das Gerüst steht zwar, die Fortsetzung aber bleibt in alle Richtungen offen, denn Zuschauerinnen und Zuschauer werden nach der Aufführung aufgefordert, das Stück mit ih-ren eigenen Ideen weiterzuentwickeln, so dass immer wieder etwas Neues entstehen kann. «Wir gehen einfach drauflos und schauen, was ausgelöst werden kann, welches kreative Poten-tial sich freisetzen lässt.» Das Stück,
sagt Schweizer weiter, soll am Kongress aufgeführt werden, um eine Brücke zu schlagen zwischen Kunst, Wissenschaft und psychologisch angewandtem Humor. Ohne Humor geht gar nichts, auch kein Happy-End. Neben ersten Kostproben aus dem Stück von René Schweizer (er selber liest - nach bewährtem Schweizerbuch-Konzept - alte und brandneue Briefe zum Thema «Happy End Express» vor) bietet der Abend auch Einblick in das, was Humor in der Therapie praktisch bedeuten kann. Auf der Bühne steht etwa kostümiert der Amerikaner Patch Adams, Arzt und Clown in einer Person. Er hat in den USA ein Spital aufgebaut, wo versucht wird, auf völlig neue, humorvolle Art auf die Patienten einzugehen. Im weiteren wird Professor Robert Fry von der Stanford University seine «Therapie for multitudes» vorstellen. Fry weist nach, welch heilende Wirkung das Lachen auf einen Patienten haben kann. Peter de Marchi Mehr Informationen über René Schweizers «Humorschutzgebiete» auch auf Internet: http://www.humor.ch Gruppenbild mit Humor: Daniel Luss, Herbert Blaser, René Schweizer und Peter Rettenmund (v.l.n.r.) vom Verein «Schweizer Kulturkonzepte». Foto Tino Briner © Basler Zeitung|20.12.1996|Seite: 42
«Creative Lines» mit Jean Genets «Splendid's» Jean Genet, 1910 geboren, war Fürsorgezögling, Fremdenlegionär und häufiger Insasse französischer Gefängnisse. In der Zelle begann er zu schreiben. Jean-Paul Sartre sah in Genet einen der letzten Magier der französischen Sprache: «Er tut alles, um die soziale Ordnung, aus der er ausgeschlossen ist, lebensfähig zu erhalten; er braucht die strenge Ausschliesslichkeit dieser Ordnung, um eine Perfektion im Bösen erreichen zu können.» Von seinem 1948 entstandenen Stück «Splendid's» distanzierte sich Genet. Es wurde erst 1994 an der Berliner Schaubühne uraufgeführt. Jetzt hat Herbert Blaserden Einakter in der Übersetzung Peter Handkes in der Messehalle 400 inszeniert. Die Innenarchitektur der Halle bildet den perfekten Rahmen für das tödliche Spiel einer Gangsterbande um Macht, Eifersucht, Grausamkeit und Verzweiflung. Im Hintergrund zwei gläserne, steil aufstrebende Rolltreppen, die sich diagonal kreuzen.
Zwischen zwei mächtige, quadratische Säulen hat die Gruppe «Creative Lines», die gemeinsam für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, eine Bar gestellt. Schwarze Ledersofas und Tische, deren Mitte ein Weihnachtsbaum schmückt, entwerfen das Bild einer anonymen, schmuddeligen Hotel-Lobby voller schmutziger Aschenbecher und halb geleerter Whiskey-Gläser. Dazwischen lümmeln sich die Gangster, schlafend, auf Barhockern hängend, die schwarzen Anzüge zerknittert, unrasiert, übernächtigt. Das Hotel haben sie erobert, aber ihre einzige Geisel, eine amerikanische Millionärin, hat einer von ihnen getötet. Sobald das die Polizei sicher weiss, wird sie das Hotel stürmen. Das tödliche Ende verkündet der Nachrichten-Sprecher in regelmässigen Abständen mit triumphierender Kälte. Spannung entsteht aus den unterschiedlichen Reaktionen der Gangster auf diese Situation. Auch in ihren letzten Stunden machen sie einander keine Geschenke. Da geht es, naturgemäss, um die Hierarchie, wechselnde Loyalitäten, mythische Überhöhungen ihres Aussenseitertums und resignierende Einwilligung in die Erkenntnis, dass sie nun selbst zum Opfer ihrer eigenen Gewalt werden. Zu Haltung und Grausamkeit ermahnt die Bande immer wieder der Grandseigneur der Runde: Inigo Gallo als Scott bleibt professionell-kaltblütig bis zum Ende. Vor seiner Damenpistole herrscht Respekt. Die anderen, allesamt jünger, changieren zwischen Todesangst und Aufbegehren: Marco Hausammann-Gilardi, ein stotternder und zitternder Rafale, Hugo Buser als Bob, eine sehr erotische intellektuelle Ausgabe von Eros Ramazotti (ihm baumelt ein silbernes Kreuz auf der behaarten Brust), Peter H. Fliegel als verunsicherter, gestürzter Anführer Jean, Erich Furrer als Pierrot, der in den heiligen Wahnsinn verfällt, Lukas Spühler als Bravo, ein schillernd-ambivalenter Popstar, der sich als Mörder der Geisel entpuppt, Matthias Kogon als eleganter, glattrasierter Frauenmörder Riton und schliesslich Thomas Monn als zu den Gangstern übergelaufener Polizist, Katalysator der Todesmaschinerie. Am Ende inszenieren die Gangster ein Spiel im Spiel - doch wie das geschieht, dass eine Geisel zweimal erschossen werden kann, und auf welche Weise sich Scotts Prophezeiung, er spüre schon «die Einsamkeit der Zelle an seinen Zehen lecken», nicht erfüllt, das sei hier nicht verraten. Genet jedenfalls distanzierte sich zu Unrecht von seinem spannenden, hintergründigen Stück, das beweist der neue Abend von «Crealive Lines». Wiebke Hüster Weitere Vorstellungen in der Messe Basel, Halle 400, 20.-22.12. 1996, 2.-4. und 6.-9. 1.1997. © Basler Zeitung|11.11.1996|Seite: 23
Jean Genet, Paul Young und eine Party Ein anspruchsvolles Theaterstück wird flankiert von einem Rockkonzert und einer rauschenden Party. Mit diesem Konzept versucht die Gruppe «Creative Lines», ihre neue Produktion über private Sponsoren zu finanzieren. Vor ziemlich genau einem Jahr haben die Leute von «Creative Lines» das Theaterstück «Der Disney Killer» des englischen Autors Philip Ridley in deutscher Erstaufführung auf die Bühne gebracht. Der Inszenierung und der schauspielerischen Leistung der jungen Truppe war damals ein grosser Erfolg beschieden, obwohl es sich beim «Disney Killer» um ein sperriges, nur sehr schwer zugängliches Stück Theater handelt, in welchem in schonungsloser Offenheit und Brutalität das Psychogramm eines Menschen seziert wird. Anspruchsvolles inszenieren Anspruchsvolle und im deutschen Sprachraum un- oder zumindest wenig bekannte Stücke zu inszenieren, ist ein Anliegen dieser Theatergruppe. «Creative Lines» aber hat sich auch zum Ziel gesetzt, nach neuen Finanzierungsmodellen für ihre Produktionen zu suchen, das heisst vor allem, eine grösstmögliche Unabhängigkeit von staatlichen Finanzspritzen zu erlangen. Und die Alternative zur staatlichen Subvention liegt fast zwingend im privaten Sponsoring. Das von der Gruppe erarbeitete Modell sieht vor, neben der zentralen Theaterproduktion ein Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen, das für Sponsoren attraktiv ist. «Wir machen», sagt der Schauspieler Peter Hilton Fliegel, «einen gewaltigen Spagat zwischen einer rein kommerziellen Produktionsweise und völlig unkommerziellen Theaterstücken». Das Sponsoring aber, ergänzt sein «Creative Lines»-Partner Herbert Blaser, dürfe in keiner Weise die Theaterarbeit der Gruppe beeinflussen. Geldgeber müssen voll und ganz hinter dem stehen können, was auf der Bühne gespielt wird. Beim «Disney-Killer» ist dieses Finanzierungsmodell noch nicht so recht zum Tragen gekommen. Aus den damaligen Fehlern aber, sagt Herbert Blaser, hätten sie sehr viel gelernt, und vor allem sei ihnen bei der Vorbereitung zum neuen Stück der renommierte Schweizer Regisseur Lukas Leuenberg als Begleitproduzent mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Er wird die Produktion bis am Ende begleiten. Das neue Stück, das am kommenden 18. November in der Halle 400 der Messe Basel seine Premiere haben wird, heisst «Splendid's» und ist erst vor kurzer Zeit im Nachlass des französischen Autors Jean Genet entdeckt worden.
«Splendid's» erzählt die Geschichte eines gescheiterten Bankraubes und thematisiert damit das Scheitern der Wünsche und Träume einer Gruppe von Menschen, die immer schon am Rande der Gesellschaft gestanden haben - wie der Autor selber auch. Der Übersetzer des Stückes ist kein Geringerer als Peter Handke, und für die Hauptrolle konnte der bekannte Schauspieler Inigo Gallo verpflichtet werden. Konzert und Party Das Rahmenprogramm, das den Sponsoren weitere Werbeflächen bieten soll, setzt sich zusammen aus einem Nachtcafé zum Thema «Gewalt» im Anschluss an eine Aufführung, einem Benefizkonzert am 10. Dezember und einer grossen SilvesterHouse-Party. Für das Benefizkonzert im grossen Festsaal der Messe Basel konnten Paul Young und im Vorprogramm der Blues-Musiker John Collins verpflichtet werden. Der Reinerlös soll vollumfänglich dem Light-House Basel zufliessen. Die Silvester-HouseParty wird im Badischen Bahnhof steigen. Ein grosser Sponsor für die neue Produktion von «Creative Lines» konnte übrigens bereits verpflichtet werden: nämlich die Messe Basel selber, deren Räumlichkeiten in der Halle 400 die passende Umgebung für das Stück von Jean Genet bilden. Peter de Marchi «Creative Lines» (v.l.n.r. Herbert Blaser, Prino Mazzoni, Stefan Gutzwiller und Peter Hilton Fliegel) zeigen sich kreativ bei der Finanzierung ihrer Produktionen. Foto Tino Briner © Basler Zeitung|06.02.1996|Seite: 25
Das Kulturzentrum Roxy hat die Geburtswehen hinter sich Das Kulturzentrum Roxy in Birsfelden hat seinen Platz in der regionalen Kulturszene gefunden. Bereits im ersten Betriebsjahr war es mit 120 Veranstaltungen doppelt so stark ausgelastet wie einst geplant. Probleme bereiten vor allem noch die Finanzen, doch zeichnen sich dank einer in Aussicht gestellten Betriebssubvention des Kantons Baselland und dank der Verpachtung der am Wochenende wiedereröffneten Bar auch hier bereits Lösungen ab. Birsfelden. wit. Wenn Christoph Rudin an der Generalversammlung vom kommenden
Montag das Präsidium des Roxy-Trägervereins an seinen Nachfolger Ueli Kaufmann übergibt, so kann er den mittlerweile über 300 Mitgliedern eine rundweg positive Bilanz der «Einführungsphase» des neuen Kulturzentrums vorlegen. Bereits im ersten Betriebsjahr ist das Roxy nicht nur zum - lange vermissten - Stützpunkt für die freie Theater- und Tanzszene in der Region geworden, auch das Publikum hat auf das Konzept eines Kulturzentrums unmittelbar vor den Toren der Stadt erstaunlich gut angesprochen. Von einer Kindertheaterwoche über ein Kabarett- und Konzert-Festival und Gastspielen von Ensemble-Mitgliedern des Theater Basel bis hin zu zahlreichen Uraufführungen von freien Theater- und Tanzproduktionen bot das Roxy in seiner ersten «regulären» Saison an 120 Tagen Kulturelles für jeden Geschmack. Da ursprünglich nur eine halb so starke Belegung vorgesehen war, musste der auf Freiwilligenarbeit abstellende Trägerverein bereits im Startjahr organisatorisch mehrfach die letzten Reserven mobilisieren. Christoph Rudin ist im Rückblick auf die Einführungsphase dennoch überzeugt, dass das Konzept des Roxy sich in der Praxis als richtig erwiesen hat. Das Roxy will weder Konzertsaal noch Boulevard-Theater mit Konsumation oder intime KellerBühne sein. Anzubieten hat es vielmehr einen technisch gut ausgerüsteten Veranstaltungsraum mit einer mittelgrossen Bühne und einer Zuschauerkapazität von rund 200 Sitzplätzen, in dem freie Theater- und Tanztruppen sich nicht nur präsentieren, sondern ihre Produktionen auch unter professionellen Bedingungen erarbeiten können. Von den Kulturschaffenden, die bisher im Roxy Gastrecht genossen, erntete der Trägerverein bisher denn auch viel Lob. Für Choreograph Patrick Collaud vom Ballet de l'Ambre beispielsweise ist das Roxy «die Bühne schlechthin für das professionelle Tanzschaffen im Raum Basel», und Matthias Klausener vom «Freien Schauspiel Basel» bezeichnet den Roxy-Saal als «wunderbares Theater». Als nicht so optimal wie die räumliche Infrastruktur erwiesen hat sich die Organisation und damit verbunden auch die Finanzierung des Kulturbetriebs. Zahlreiche Gruppen, die im Rahmen des zehnmonatigen «Kantonsfensters» im Roxy arbeiten konnten, waren vom sogenannten Selbstfahrkonzept schlichtweg überfordert. Immer wieder musste der Vereinsvorstand nicht nur bei technischen Problemen, sondern vor allem auch in Sachen Werbung den vom Kanton eingemieteten Gruppen unter die Arme greifen. Auf die Dauer sind diese Aufgaben durch eine rein ehrenamtliche Führung des Hauses nicht zu bewältigen. Der Vereinsvorstand ist deshalb beim Kanton vorstellig
geworden, um die notwendigen Mittel für eine professionellere Führung eines nach höchsten Standards eingerichteten Hauses zu bekommen. Dabei sei dem Trägerverein mündlich zugesichert worden, dass er ähnlich wie vergleichbare Veranstalter (Palazzo Liestal, Brauerei-Keller Laufen) in Zukunft einen Kantonsbeitrag an die Betriebskosten erhält. Zusätzlich zu den 42 000 Franken, die der Kanton Baselland bereits für die zehnmonatige Miete des Saals bezahlt, rechnet der Trägerverein im - auch so noch defizitären - Budget 1996 mit einem Zustupf von 25 000 Franken. (Nach wie vor nur indirekt via den gemeinsamen Fachausschuss Theater und Tanz ist Basel-Stadt an der Finanzierung des Roxy beteiligt.) Damit würde - wie andernorts üblich - der Beitrag, den die Standortgemeinde an einen Betrieb mit regionaler Ausstrahlung zahlt, zumindest verdoppelt. Die Gemeinde Birsfelden subventioniert das Roxy-Programm bisher mit 18 000 Franken jährlich. Die 7000 Franken, um die der Kanton seinen Beitrag aufzustocken gedenkt, sind nach Angaben von Christoph Rudin als Beitrag an die Werbeaktionen gedacht, die der Trägerverein bereits bisher in Form von Plakataushängen, Inseraten und Versänden für die vom Kanton eingemieteten Kulturschaffenden übernommen hat. Neue Bar und Literatur-Matinees wit. Aus den zahlreichen Bewerbern um die Pacht der bisher von Vereinsmitgliedern betriebenen «Roxy Bar» hat der Vereinsvorstand dem in der Basler Gastronomieszene bestens bekannten Duo Herbert Blaserund Robert Schröder den Zuschlag gegeben. Robert Schröder war massgeblich an der Neukonzeptionierung des Kleinbasler Restaurants «zem alte Schluuch» beteiligt, während sein Partner sich auch als Produzent von Kulturprojekten einen Namen gemacht hat. Unter den beiden neuen Pächtern wird die Roxy Bar nicht nur an Veranstaltungstagen, sondern rund ums Jahr von Donnerstag bis Samstag ab 17 Uhr geöffnet sein. Mit der Verpachtung der Bar hat der Trägerverein auch einem weiteren Anliegen stattgeben können, das von der «Werkstatt ArbeiterInnen Kultur» (WAK) an ihn herangetragen wurde. Aus Anlass des 20-Jahre-Jubiläums der WAK finden zwischen dem 11. Februar und dem 31. März öffentliche Sonntagsmatinees mit Lesungen von WAK-Autoren im Foyer des Roxy statt. Zusätzlich zu diesen mit Barbetrieb verbundenen Lesungen sind auch bereits einige weitere Kultur-Events im Roxy bereits fest vorprogrammiert. Am kommenden Samstag gastiert im Rahmen der Pestalozzi-Ausstellung im Ortsmuseum das Zürcher Vaudeville-Theater in Birsfelden und im März sind Maria Thorgevsky und Dan Wiener sowie Christian Zehnder mit ihren neuen Produktionen im Roxy zu sehen. Gespannt sein darf man auch auf die Premiere des neuen Programms der
Kultband «Stiller Has'», die ihr Konzert im letzten Herbst krankheitsbedingt absagen mussten, dafür aber dieses Frühjahr gleich in Viererbesetzung im Roxy für Stimmung sorgen wird. Am Samstag wurde im Rahmen eines Kulturfestes im Kulturzentrum Roxy, dem ehemaligen Birsfelder Kino, die Bar wieder-eröffnet. Ihre Umsätze sollen dazu beitragen, die finanziellen Probleme des Zentrums zu mindern. Foto Dominik Labhardt © Basler Zeitung|22.01.1996|Seite: 20
Drogenstammtisch diesmal als Fest Vollständige Legalisierung aller Drogen forderte der Sozialwissenschafter Günter Amendt am Drogenstammtisch. Da dieser seinen fünften Geburtstag feierte, standen am Freitag abend für die über zweihundert Interessierten Kerzen auf den Tischen und Unterhaltungsnummern auf dem Programm. so-. Für einmal ging es festlich zu am traditionellen Drogenstammtisch, was nicht heissen soll, dass es nichts zu diskutieren und reflektieren gab. Der Freitag abend in der Kasernen-Reithalle, als «Drogenstammtisch-Fest» angesagt, war nicht einem aktuellen Thema oder einem drängenden Drogenproblem gewidmet, sondern dem eigenen 5-Jahre-Jubiläum - ein berechtigter Anlass zu Selbstdarstellung und Rückschau, die auch unterhaltend sein durfte. Dass es dabei nicht blieb, dafür sorgten die gewohnten Diskussionen und Stellungnahmen; für einmal in vorgegebenem strukturellen Rahmen. Der Fernsehmoderator Heinz Margot führte das Publikum, das bei Wurst und Käse im Kerzenlicht sass, über zweihundert Nasen stark, durch ein buntgewürfeltes Programm. Talk-Show und Referat fehlten darin ebensowenig wie - zum Beispiel eine Hundedressurnummer. Im Eröffnungsgruss, den der Drogendelegierte Thomas Kessler stellvertretend für den verhinderten Regierungspräsidenten Jörg Schild abgab, lobte Kessler die demokratische Qualität des Stammtischs, bei dem die Behörden nur Gast sind. In Zukunft müsse der Stammtisch aber in die Tiefe gehen und in der gleichen Art andere tabuisierte Themen überprüfen, die als Ursache hinter Suchtverhalten stehen. Als Beispiele nannte Kessler Sozialpolitik oder die Zukunftsperspektiven der Jungen. Es folgte eine szenische Lesung von Albi Klieber und Herbert Blaser, saxophonisch
untermalt von Christina Volck, mit einem Sack voll Eiswürfeln auf der Bühne und einem fordernden Inhalt, der sich nur schwer zusammenfassen lässt. (Textprobe: «!Sterndynamo in der Maschinerie ¬Nacht-!».) Bevor daraufhin die Chansonnière Véronique Muller zur Gitarre griff und Mundartlieder spielte, trat der Sozialwissenschafter Günter Amendt auf die Bühne und hielt das Referat, das einen grossen Teil des Publikums angelockt hatte. «So etwas wie den Drogenstammtisch gibt es in der ganzen Bundesrepublik nicht», bemerkte der in Hamburg und Zürich tätige Sozialwissenschafter. Trotzdem sei die drogenpolitische Lage in der Schweiz nach wie vor prekär, weil das Problem in den Sog von Parteipolitik geraten sei und nun auf einen «Technokratendeal» hinauszulaufen drohe - nämlich dass eine «medizinalisierte» Heroin- und Methadonabgabe eingeführt werde, aber «nichts, was die politischen und ökonomischen Folgen des Handels mit illegalisierten Drogen zu mildern vermag». An der Prohibition festzuhalten, das sei jetzt schon abzusehen, werde sich als historischer Fehlentscheid der «politischen Klasse» erweisen. Einzig eine entideologisierte Drogenpolitik und Legalisierung wären fähig gewesen, den Heroinund Kokainmarkt zusammenbrechen zu lassen und den Aufbau neuer Märkte im Osten zu verhindern. Amendts Referat geriet über lange Strecken zum engagierten Plädoyer für die in der Schweiz hängige Legalisierungsinitiative «DroLeg». Besonders fiel ihm auf, dass alle drogenpolitischen Innovationen aus den Kleinstaaten Niederlande und Schweiz zu kommen scheinen. Amendt schloss mit dem Hinweis auf die Suchtbereitschaft, die etwas mit der «allgemeinen Lage der Subjekte» zu tun haben müsse. Die Diskussion darüber habe gerade erst begonnen und führe letztlich zur Systemfrage. Nach der Pause hielten ehemalige und heutige Exponenten des Stammtischs Rückblick in einer Talk-Show. Teilnehmer waren Ex-Regierungsrat Peter Facklam («Ich hatte verschiedene Befindlichkeiten gegenüber dem Stammtisch»), Ex-Pfarrer Hans Lanz («In Zürich, wo ich mittlerweile daheim bin, gibt es das immer noch nicht»), seinerzeitiger Rheingasse-Schreinermeister Emil Lemblé («Zürcher können halt nicht so gut reden wie Basler»), Delegierter Thomas Kessler («Der Stammtisch spielt eine ganz zentrale Nebenrolle»), Grossrat Emil Ehret («Nach kurzer Zeit zogen Anwohner, Drögeler und ihre Betreuer am selben Strang»), Gassenzimmer-Leiter Walter Meury («Ich vermisse heute am Drogenstammtisch die Drogenabhängigen») und Rheingasse-Kioskfrau Trudi Hartmann («Der Stammtisch hat mir irgendwie Hoffnung gegeben»). Der Abend fand seinen Ausklang in den Vorführungen von Snoopy, Moses und Hannibal, dressiert von Martin Remagen, und in Tanzmusik von «Les Demi Mür»,
wie sich die nicht vollzähligen Mitglieder von «Les Mür Mür» bezeichneten. Chronologie der Ereignisse avo. Während fünf Jahren hat sich der in der Schweiz und im Ausland wohl einmalige Drogenstammtisch als eine Art Bürgerforum zur Verständigung der direkt von der Drogenproblematik betroffenen Bevölkerung in Basel gehalten - obwohl keine Institution ihn künstlich am Leben erhält und er auch keine festen Strukturen aufweist. In dieser Zeit ist viel geschehen. Hier eine Kürzestchronologie der Ereignisse: " 1989/90. In der Kleinbasler Bevölkerung regt sich immer lauter der Unmut wegen den Drogensüchtigen, die am Lindenberg in der neu eröffneten Einrichtungen Fixerstübli und Gassenküche verkehren. Schliesslich eskaliert die Situation, als in einer unbewilligten Demonstration der Spritzenaustauschbus vor dem Fixerstübli gewaltsam am Betrieb gehindert wird. " September 1990: In der Kulturwerkstatt Kaserne setzen sich rund 200 Anwohnerinnen und Anwohner, Geschäftsleute, Drogenabhängige, sozial Tätige und Kulturschaffende an einen Tisch, um in einer ersten gemeinsamen Diskussion die Eskalation zu stoppen. " Oktober 1990: Im Riehentorstübli findet der erste «Drogenstammtisch Kleinbasel» statt. Von da an treffen sich im Fasnachtskeller des Volkshauses regelmässig 60 bis 80 Personen. " 21. Januar 1991: Mit der Gründung eines Aktionskomitees unter der Leitung der Ärztin Silva Keberle wird der Drogenstammtisch zu einer aktiven Institution. Folgende Ziele werden konkret formuliert: Entlastung und Dezentralisierung der Kleinbasler Drogenszene, Informationsvermittlung nach innen und aussen, Kontaktpflege mit anderen Organisationen, Behörden und Politikern, Problembewältigung im Gespräch. " Februar/Juni 1991: Der Drogenstamm errichtet ohne Bewilligung das Fixerstüblein II zwischen Kunsthalle und Elisabethenkirche. Nach anfänglichen Problemen kann der Betrieb aufrechterhalten werden, bis sich im gleichen Jahr das staatliche Gassenzimmer I etabliert hat. Das Engagement für zusätzliche Gassenzimmer geht weiter. " 1992 bis 1996: Mit der Inbetriebnahme der Gassenzimmer II beim Kunstmuseum und III an der Heuwaage wandelt sich der «Kleinbasler Drogenstammtisch» 1992 zur Gesprächsrunde «Drogenstammtisch Basel», an der auch regelmässig
Fachreferenten, Politiker und Behördenvertreter teilnehmen. Auch thematisch weitet sich der Drogenstammtisch aus: Über die Jahre hinweg kommen alle aktuellen Themen der Drogenpolitik - vom Folienrauchen oder Ecstasy-Schlucken über die kontrollierte Heroinabgabe bis hin zu den Volksinitiativen «Jugend ohne Drogen» und «DroLeg» - zur Sprache.Wegen der heterogenen Zusammensetzung droht der Drogenstammtisch vor allem in der turbulenten Anfangsphase, aber auch später, immer wieder auseinanderzubrechen. Mit der Entwicklung einer liberalen Basler Drogenpolitik und deren vom Drogenstammtisch mitbeeinflussten Akzeptanz in der Basler Bevölkerung geht der Anteil an Drogenstamm-Gästen «mit roten Köpfen» mit der Zeit zurück. Auch die komplexer gewordene Drogenproblematik hat das Engagement im Vergleich zu Fixerstübli-Zeiten etwas abflauen lassen. Heute wünschen sich die Mitglieder des Aktionskomitees bereits wieder «eine aktivere Beteiligung von kritischen und betroffenen Personen». Die hier verkürzt wiedergegebenen Informationen stammen aus der Broschüre «Fünf Jahre Drogenstammtisch». Sie enthält auch Beiträge von aktiven «Drogenstammgästen» wie Spenglermeister Emil Ehret, Kioskfrau Trudi Hartmann, Gassenarbeiter Klaus Meyer, Armin Faes vom Bankverein oder Christian Meidinger von der Kantonspolizei. Bezug bei: Aktionskomitee Drogenstammtisch, p. A. Oberer Rheinweg 25, 4058 Basel. (10 Franken). Auch eine Theateraufführung durfte am Drogenstammtisch nicht fehlen. Foto Michael Würtenberg © Basler Zeitung|13.10.1995|Seite: 35
Offene und verdrängte Ängste gs. Zwischen Realismus und Alptraum ist es angesiedelt, das Theaterstück «Der Disney-Killer» des jungen englischen Autors Philip Ridley: Es handelt von den beiden Geschwistern Presley und Haley, die nur mit der Aussenwelt in Kontakt treten, um ihr Grundnahrungsmittel, nämlich Schokolade, zu kaufen. In ihrer Isoliertheit führen sie ein Leben mit psychopathologischen Zügen: Ängste und Alpträume einerseits, Beruhigungsmittel und Schokolade andererseits prägen das abwechslungslose Leben der beiden Geschwister. Bis eines Nachts Cosmo Disney und sein Begleiter Mistgabel Cavalier auftauchen. Disney bestreitet seinen Lebensunterhalt als vermeintlicher Show-Star, der zum Ekel und Nervenkitzel der Zuschauer lebende Insekten verspeist; sein Compagnon trägt eine Ledermaske, um sein hässliches Gesicht zu verbergen. In die bedrohlich krankhafte Monotonie des geschwisterlichen Alltags drängt sich also ein wenig Vertrauen erweckendes Duo.
Produziert wird dieses Stück um offene und verdrängte Ängste von «Creative Lines» in Zusammenarbeit mit «phf theaterproduktionen». «Creative Lines» ist ein Verein mit zwei Zielsetzungen: Zum einen werden Theaterproduktionen und andere kulturelle Projekte verwirklicht, zum andern will man eine Art Dienstleistungsbetrieb für andere Kulturschaffende sein, welcher sich um ein professionell gestaltetes Umfeld bemüht - ein Porträt des Mitinitianten Herbert Blasererschien in der BaZ vom 5. September. Aufgeführt werden die heftigen Bilder des «Disney-Killers» im Kellertheater des Schönen Hauses am Nadelberg 6. Premiere ist am 25. Oktober um 20.30 Uhr. © Basler Zeitung|05.09.1995|Seite: 30
Sponsoren für die freie Theaterszene Der Verein «Creative Lines» will der freien Theaterszene in der Region neue Perspektiven eröffnen. Mit Sponsorengeldern soll versucht werden, eine qualitativ hochstehende und professionelle Produktionsarbeit zu gewährleisten. pdm. Die freie Theaterszene hat in der Schweiz einen sehr schweren Stand. Gute Ideen und handwerkliches Können scheitern nur zu oft an den fehlenden Rahmenbedingungen. Die staatlichen Gelder fliessen spärlich, und die Finanzknappheit in allen Kantonen hat diesen an sich nicht sehr üppigen Strom nochmals dünner werden lassen. Dazu kommt die mangelnde Professionalität im ganzen nichtkünstlerischen Umfeld (Produktion, Werbung etc.). Ständig nur darüber zu lamentieren, dass der Boden für die freie Theaterszene karg ist, bringt niemanden recht weiter, haben sich die beiden Schauspieler Herbert Blaserund Peter Hilton Fliegel, der Graphiker Stefan Gutzwiller sowie der Sprachstudent Primo Mazzoni gesagt - und sie haben «Creative Lines» gegründet. Ziel dieses Vereins, erklärt Herbert Blaser, ist es, den freien Theaterproduktionen in und um Basel ein professionelles Profil zu geben. Die zweifellos guten und originellen Ideen der Theaterschaffenden in der freien Szene würden oft unter mangelhafter Ausführung auf dem Gebiet der Produktion leiden. Genau an diesem Punkt will «Creative Lines» einsetzen. Dass es ganz ohne staatliche Hilfe nie gehen wird, weiss auch Herbert Blaser. Aber auch Theaterproduktionen müssen sich den Herausforderungen des freien Marktes stellen - etwas, was die Sparten Film und Musik längst erkannt haben. Private Theater dagegen würden nur noch dann ohne staatliche Hilfe überleben, wenn sie sich der Ästhetik des Fernsehens anpassen oder überhöhte Eintrittspreise verlangen. «Creative Lines» aber versucht, Vorstellungen kostendeckend zu verkaufen. Potentielle Käufer sieht HerbertGlaser - neben den Zuschauern natürlich - bei Veranstaltern, Firmen und auch Stiftungen.
Um Sponsoren anwerben zu können, muss eine attraktive Gegenleistung geboten werden. Der Verkauf von Werbeflächen ist da nur ein Teil. Eine Nennung in allen Publikationen von «Creative Line» biete einem Sponsor die Möglichkeit einer Imageverbesserung und erschliesse zugleich den Zugang zu einer Gruppe von Menschen, die normalerweise von der Fernseh-und Printwerbung nicht oder kaum erreicht werde. Ferner sollen den Sponsoren verbilligte Billette angeboten werden, die wiederum imagewirksam an Angestellte oder Kunden abgegeben werden können. Darüber hinaus, ergänzt HerbertGlaser, sei «Creative Lines» auch an direkten Leistungen interessiert (Hilfe beim Aufbau einer Infrastruktur, Organisation des gastronomischen Rahmens von Veranstaltungen, Unterstützung bei der Erschliessung von gemeinsamen Zielgruppen etc.). Die Initianten von «Creative Lines» haben sich ein sehr hohes Ziel gesteckt: «Theater auf hohem Niveau zu vernünftigen Preisen produzieren.» Die Palette des Angebotes soll dabei möglichst breit sein. Uraufführungen sollen neben Klassikern stehen, eine Tragödie der Antike solle ebenso ihren Platz haben wie amerikanische Stücke der Gegenwart. Dabei soll jedes Projekt einem Thema oder einem Autor gewidmet sein. Das Kernstück der Produktion soll jeweils die Aufführung eines Stückes sein. Dazu kommt dann ein ausführliches Rahmenprogramm mit anderen Sparten wie Tanz, Musik, Malerei oder Lesungen. Drei Uraufführungen hat das Team von «Creative Lines» seit ihrer Gründung vor knapp drei Jahren bereits auf die Beine gestellt: die Einmannfassung der «Neuen Leiden des jungen W.» von Ulrich Plenzdorf, «Petite Mouche» von Felix Bertschion und «Der Kandidat» von HerbertGlaser selber, ein Stück, das übrigens der junge Basler Filmemacher Stephan Laur verfilmen will. Ende Oktober steht bereits die nächste Produktion an: «Der Disney-Killer» des englischen Autors Philip Ridley. Herbert Blaserwill freien Theaterproduktionen professionelles Profil geben. Foto Briner