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Eingemeindung nach Linz 1938
„Die großen Zukunfstaufgaben, die der Stadt Linz im Rahmen des wirtschaftlichen Aufbaues der Ostmark harren, haben zu einem für die Stadtgeschichte sehr bedeutsamen Ereignis geführt: Am 30. September 1938 wurden die Gemeinden Ebelsberg und St. Magdalena und die am rechten Donauufer liegenden Gebietsteile der Gemeinde Steyregg nach Linz eingemeindet. Um die Be- deutung dieser Eingemeindungen, die die Grenzen des Stadtgebietes zugleich nach Norden und Südosten um ein großes Stück voranschieben, richtig einschätzen zu können, sei darauf hingewiesen, dass das Linzer Stadtgebiet damit um mehr als zwei Drittel seines bisherigen Umfanges wächst und nun eine Fläche von über 90 Quadratkilometer umfasst.“1
Hitlers Pläne
Die Eingemeindung von Ebelsberg ist als integraler Bestandteil der Vision Adolf Hitlers zu sehen, seine Jugendstadt als Musterbeispiel deutscher Städtebaukunst auszugestalten. Linz sollte damit vor allem Wien, jenen „Schmelztiegel“, den der Führer so verachtete, bzw. Budapest, das er hingegen bewunderte, in den Schatten stellen. Dementsprechend groß bemessen war auch der Raumvoranschlag. Zwischen 300.000 und 350.000 Menschen sollten inmitten monumentaler Bauwerke hier ihre Heimat finden. Umso dringender gestaltete sich die Frage der Raumbeschaffung im Hinblick auf die zu errichtende Großindustrie: Hermann Göring gab die Entscheidung über den Bau des Hüttenwerks in Linz schon zweieinhalb Wochen nach dem Anschluss, am 26. März 1938 bekannt2 und verlangte, bereits im Mai mit dem Bau zu beginnen. Fieberhaft musste nach möglichen Standorten gesucht werden.
„Zuerst beging man den heutigen Standort der Hütte Linz in Linz/St.Peter, anschließend die Varianten Pichling-Asten, Enns-St.Valentin und Welser Heide bei Marchtrenk. Ein Standort an der Ennsmündung oder in der Welser Heide wurde sofort von allen Beteiligten aufgrund der Geländeschwierigkeiten ausgeschlossen. Bei der Beurteilung der Varianten Linz/St. Peter und Pichling-Asten traten die Vertreter der Alpine und des Militärs für Asten, die Beamten des Wiener Landwirtschaftsministeriums für Linz ein.“3 Vor allem ist es den Einwänden des „Reichsnährstandes“ zuzuschreiben, dass die Entscheidung schlussendlich nicht auf Pich- ling und Asten, sondern auf St.Peter fiel. Und das obwohl am heutigen Standort mit höheren Grundablösen und mit größerer Staub- bzw. Lärmbelästigung für das Stadtgebiet zu rechnen war.
Bei einem Besuch der Werke 1941 erklärte Hitler, auch er wäre über die bestehende Variante froh, weil er „immer wollte, dass das Hütten- werk das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt Linz werde.“4 Im Falle anderer Standorte, wie jenem im Raum Asten-Pichling, befürchtete Hitler die Tendez der Industrieanlagen Richtung Enns bzw. die Entstehung einer eigenen Stadt5. So wären Linz jene Steuereinnahmen entgangen, die sie als „Unterhaltungskosten“ für Hitlers „weitreichende Pläne“ gebraucht hätte6.
Schnelle Verhandlungen
Trotz alldem setzte der Oberbürgermeister von Linz, Sepp Wolkerstorfer, die im Frühjahr 1938 begonnenen Eingemeindungsverhandlungen mit den Gemeinden Ebelsberg, Asten, St.Magdalena, Steyregg, Leonding und Puchenau fort. Der Platzbedarf war nach wie vor auch Richtung Süden gegeben: Zum einen rechnete
Links: Das Eingemeindungsübereinkommen mit Ebelsberg, welches am 14. Oktober 1938 unterzeichnet wurde.
Am 1. November des Jahres hörte der Ort als eigenständige Gemeinde auf zu existieren und gehört seither zur Landeshauptstadt Linz.
In Ebelsberg, so berichtet die Pfarrchronik, wurden beispielsweise die katholischen Vereine - KFO (Katholische Frauenorganisation) sowie Pfadfinderschaft St. Georg - liquidiert5. Sie stellten im März/April 1938 ihre Tätigkeit ein.
In der gesamten Ostmark musste zum Teil die schulische Infrastruktur für den HJ-Dienst in Anspruch genommen werden, da es an ge- eigneten Heimlokalen fehlte. In Ebelsberg konnte die Hitlerjugend hingegen die so genannte „Starhembergvilla“ requirieren. Schon zu Beginn des Krieges sollte die HJ zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens unterstützend eingesetzt werden und wurde zu diesem Zweck 1939 aufgestockt. Nach 1940 formierten sich auch in Ebelsberg HitlerjugendFeuerwehrscharen, die im Gasthaus „Schwarzer Bock“ einquartiert waren6
Sie sollten vor allem bei den Luftschutz-, Löschund Bergezügen mitwirken, denn schon 1940 war beinahe die Hälfte der Ebelsberger Florianijünger zum Kriegsdienst eingerückt7
NSV - Volkswohlfahrt
Mit fortwährender Kriegsdauer schwanden die Möglichkeiten, Nahrungsmittel über weitere Distanzen herbeizuführen. Lokale Versorgungseinrichtungen mussten geschaffen und die Lebensmittelverteilung organisiert werden. Dazu diente u.a. die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV). Strukturell gliederte sie sich in Gaue, Kreise, Orte und Zellen. Als kleinste Einheit umfassten die so genannten „Blocks“ etwa 40 bis 60 Haushalte. Während des Krieges begann sich die Volkswohlfahrt immer mehr um originär staatliche Aufgaben wie die Betreuung von Schwangeren, Kindern und Jugendlichen zu kümmern. Eine Niederlassung der „Hilfsstelle Mutter und Kind“ befand sich im Haus Ebelsberg Nr. 4 am Fadingerplatz.
1940 übernahm die NSV die Schweinezucht der Mühle in Au. Die geläufige Bezeichnung des Objekts („Mehrmühle“), welche auf Robert Mehr (soz. Bürgermeister von Linz 1927 bis 1929) verweist, konnten die Nationalsozialisten natürlich nicht hinnehmen und benannten es in „Aumühle“ um8
Anschließend entstanden östlich des Mühlengebäudes Stallungen zur Schweinemast. Insgesamt 1.000 Tiere sollten in dem zwischen 1941 und 1943 erbauten Vierkanter Platz finden. „Die notwendige Sicherung unserer Volksernährung aus eigenem Boden erfordert auch vom Ernährungshilfswerk [der NSV] höchste Kräfteanspannung, um trotz der Schwierigkeiten möglichst viel Fleisch und Fett durch Verwertung aller erfassbaren Küchenabfälle zu erzeugen. Ich erwarte deshalb von allen zuständigen Dienststellen, daß sie sich mit äußerster Energie für diese kriegswichtige Aufgabe einsetzen.“9 Aus diesem Rundschreiben des Hauptamtes für Volkswohlfahrt vom 19. September
1944, die den Mastbetrieb in der Aumühle zum größten in ganz Oberösterreich werden ließ. Gegen Kriegsende konnte die Produktion immer noch gesteigert werden, obwohl die Anstalt mehrmals von Bomben getroffen worden war.
Plänen zufolge, sollten ab 1942 auch schwererziehbare Jugendliche in der Aumühle untergebracht werden, was aber keineswegs die Fortführung der Landwirtschaft und Schweinemast behindert hätte. Vielmehr sollten die Jugendlichen in den Arbeitsprozess integriert werden: „Die schwere aber dich ausgleichen- de Arbeit auf den Feldern, im Garten, in den Ställen, ist ohne Zweifel besonders dazu geeignet, die eingewiesenen Jungen zu körperlich und seelisch gesunden Menschen zu machen. [Diese sollten] unter der Leitung eines Stammpersonals, das aus in moralischer und fachlicher Beziehung einwandfreien Männern besteht, im landwirtschaftlichen Betriebe in möglichst selbständiger und verantwortlicher Weise arbeiten.“10
Totaler Krieg
Der fortschreitende und schließlich „totale Krieg“, den Joseph Goebbels 1943 im Berliner Sportpalast proklamierte, blieb aber nicht allein auf die Schlachtfelder der Welt beschränkt. Auch in der Heimat wurde Krieg spürbar. Während sich der Begriff „Heimatfront“ im ersten „Weltenbrand“ eher symbolisch verstand, wurde er im zweiten schreckliche Realität.
Die deutsche Initiative auf den Schlachtfeldern im Osten ging zusehends verloren, eine ganze Armee wurde an der Wolga zerrieben und der Verbündete Japan erklärte den USA den Krieg. Alle, die zum damaligen Zeitpunkt noch an Siege glaubten, wurden - abgesehen von einigen Verblendeten - spätestens 1943 eines Besseren belehrt, als die ersten deutschen Städte in Flammen aufgingen. Die alliierten Bomber hatten Deutschland erreicht, und es war nur mehr eine Frage der Zeit, ehe auch der „Luftschutzkeller des Reiches“, die Ostmark mit Wiener Neustadt, am 13. August 1943 zum Angriffsziel werden sollte. Erste Kriegsmüdigkeit machte sich auch unter den Soldaten breit, von denen der eine oder andere desertierte und in die Heimat, auch nach Ebelsberg, floh. So liegt ein Bericht von einem Fahnenflüchtigen vor, der 1943 seine hier lebende Gattin besuchen wollte, dabei aber von einem Gendarmen ertappt wurde. Man spricht heute noch von „Lebensrettung“, dass der Deserteur durch guten Willen nicht verhaftet worden war11 unterkünfte geschaffen worden. So sah man es im Lager 25 als großen Vorteil, dass sich nur jeweils vier Familien einen Eingang teilen mussten. Hingegen waren die Zimmer im benachbarten Lager 115 entlang eines Ganges angeordnet. Ein Umstand, der sich bei einer Belegung von 18 – 20 Familien besonders nachts bemerkbar machte. Sanitäre Anlagen waren entweder in mangelnder Anzahl vorhanden (z.B 2 Klosette für 95 Menschen39), oder funktionierten nicht ordnungsgemäß, wie eine Häufung von Instandsetzungsanträgen beweist.40
Dann begann der Zahn der Zeit an den hölzernen Unterkünften zu nagen: „Die Verschallungsbretter [sic!] sind so stark eingetrocknet, daß sie die Außenwände nicht mehr dicht abschließen, sich im Winter einerseits Eis ansetzt und andererseits bei Schneetreiben der Schnee fast durchdringt“41, hieß es 1951.
Die Bevölkerungszahl der Ebelsberger Lager ist in der nebenstehenden Tabelle angegeben. Die ethnische Belegung war jedoch keinesfalls homogen: In Ufer 3 waren neben 26,6% Österreichern überwiegend Sudetenund Buchenlanddeutsche untergebracht.42 Hingegen war in Ufer 6 mit 9,9% nur ein geringer Teil Inländer sowie Volksdeutsche, dafür aber Ungarn, Rumänen, Polen, Ukrainer und Jugoslawen.43 Im Lager 43 lebte ein Großteil Sudetendeutsche, daneben auch Rumänen, Polen, Tschechen und Zigeuner.44
Gerade letztere Gruppe war immer wieder Stein des Anstoßes. So schrieb der Ebelsberger Pfarrer: „Besonders lästige Bettler waren Zigeuner […]. Zur Caritas fanden sie, aber den Gottesdienst besuchten sie nie.“45 Die Ethnien grenzten sich im Regelfall innerhalb des Lagers voneinander ab, hatten aber allesamt außerhalb mit Anfeindungen zu kämpfen. Den Ausdruck „Lager-G’sindl“ musste sich so mancher Zeitzeuge gefallen lassen. Auch in der Volksschule, die im September 1946 von einem Viertel „Ausländern“ besucht war (333 Ö./111 Ausl.)46, soll es zu verzerrter Benotung gekommen sein.47
Besonders das „Marinelager“ 43 stand im Verruf: „Dieses Lager war die Bannmeile von Linz. […] Es war so arg, berichtet man, daß ein Polizist es nicht waagte [sic!] allein hinaufzugehen.“48 und „Die Bewohner waren gefürchtet; Raufereien an der Tagesordnung;“ 49 steht in der Pfarrchronik zu lesen. Diebe wurden stets dort zu allererst verdächtigt, sodass das Lager wegen eines gestohlenen Schweines eines Tages von der Polizei umstellt war (der Dieb wurde anschließend aber im Lager Asten ausfindig gemacht).50
Die Anfeindungen von außen schweißten vor allem die Jugendlichen zusammen. Noch heute werden Treffen abgehalten.
Ende der Lager
Im Laufe der 50er Jahre kam ein Integrationsprozess in Gang. 1952 wurden die Barackenlager in „Wohnsiedlungen“ umbenannt und ihre Einwohner, sofern sie das Land nicht bereits verlassen hatten, mit Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (zumindest auf dem Papier) in die Gesellschaft aufgenommen.
Bis zum Anfang der 60er Jahre hatte der Wohnungsbau in Linz immense Fortschritte gemacht, wodurch nun auch Plätze für die Lagerbevölkerung frei wurden. „Die Datierung der Liquidierung des Lagers 25 ist nicht eindeutig festzumachen. Der Plan der Stadt für das Jahr 1956 führt das Lager noch, während die Schulchronik der Hauptschule Ebelsberg feststellt: „Am 25.6. und 28.6.55 fanden die Einschreibungen für das Schuljahr 1955/56 statt. Durch die Abwanderung eines der hiesigen Lager macht sich ein Schülerrückgang bemerkbar.“ 51 Lager 115 verschwand mit dem Bau der Hillerstraßensiedlung (siehe Kapitel: Ufer, Seite 312).
Als letzte Barackensiedlungen in Ebelsberg verschwanden Nr. 43 und 43a. „Die Stadtrandsiedlung ‚Marinelager’ hört auf zu sein. […] Am 19.8. [1966] wurden die letzten Reste angezündet. Dem gleichen Schicksal erlag auch das ‚Friedhofslager’. Es brannte 2 Tage, nachdem die brauchbaren Sachen weggeräumt wurden.“52
1 Kreczi Hanns (1995): Mein Tagebuch 1945 – Das Kriegsende in Linz, 247
2 „8. Ruhe und Ordnung ist unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Gegen Plünderer wird schärfstens eingeschritten.“ Amtliche Mitteilung der Stadt Linz, 05.05.1945. Faksimile in: Kreczi (1995), 235
3 vgl. AStL, NS-Zeit, B 71; vgl.: Sommer (1998), 31
4 vgl.: Amtsblatt der Landeshauptstadt
Linz, Nr. 1/1953, 13f. Andere Quellen (Linz: Aufbau und Leistung, 541) sprechen von 20 Schweinen, 14 Kühen, einem Stier und vier Pferden.
5 Anna Mehr wurde nach dem Verkauf ihres Gutes an die NSV als Verwalterin weiter beschäftigt. Dort waren auch Zwangsarbeiter untergebracht, die anscheinend nicht menschenwürdig behandelt worden waren.
5a vgl. OÖN, 19.09.1945
6 www.ooegeschichte.at, 19.01.2006
7 vgl. Slapnicka (1986), 88ff
8 vgl. ebd.
9 Kreczi (1995), 247
10 Zeitzeugen K.E., R.M u. K.A., 2005
11 AStL, NS-Zeit, B55; zit. Nach: Sommer (1998), 30
12 „41st Tank Battalion On May 9, 1945, at 0001, the war with Germany was over. The next few days were spent in processing thousands of prisoners and in giving aid to refugees of the German prison camps. Finally, we moved into the former SS barracks near Linz and settled down to the peaceful vocation of waiting”.
13 Tweraser (1995), 33ff
14 AStL Besatzungsangelegenheiten, Schuber 119
15 Korrespondenz zur Gewährung von Ausnahmen nach §27, Verbotsgesetz 1947 vom 9.8.1948 in Privatbesitz.
16 vgl. Putz (1995), o.S.
16a OÖN, 21.09.1949, 3
17 Rittenschober (Man. 2006), o.S.
18 Dokument in Privatbesitz
19 StatJBL 1949
20 Linz 1945-1954: Aufbau und Leistung, Linz 1955, 541
21 vgl. ebd.
22 vgl. ebd.
23 Amtsblatt der Landeshauptstadt
Linz, Nr. 1/1953, 13
24 vgl.: Linz 1945-1954: Aufbau und Leistung, Linz 1955, 542
25 Kurt Tweraser: US-Military Government“
26 www.usfava.com/USFA_StaList.htm
27 Meyers Konversationslexikon (1895), V, 637
28 Michael John
29 Stadtmuseum Nordico „Prinzip Hoffnung“, 365
30 Michael John
31 www.usfava.com/USFA_StaList.htm
32 OÖLA: Schachtel 12, Fasz. 15, Ums. 41/52
33 OÖLA: Monatsbericht der DP-Dienststellen für August 1950 BH Grieskirchen III, Fasz. 190 der DP-Dienststelle für Oktober 1950 Präs., Schachtel 52).
„B-Gendarmerie vor 50 Jahren, Seite 62“: Erinnerungen des Gend.Abt. Insp. Johann Fiedler vgl.: Lackner (1987), 237
John (1995) in Prinzip Hoffnung, 216
N. bei der Ebelsberger Lager
Drei Bauten der um 1964 entstandenen Hillerstraßensiedlung waren ausschließlich für ehemalige Lagerbewohner vorgesehen. Die Baracken wurden im Zuge dieses Wohnprojekts abgetragen. Eine eigene Lagerschule, später sogar ein Kindergarten, wurden im Amtslager 115 eingerichtet.