1990
1989
1988
1987
1986
1985
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1974
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1973
1972
Bis heute - die Zeitschrift „NOVUM - WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ FH Mainz, Kommunikationsdesign WS 2009/10
WORLD OF GRAPHIC DESIGN
BIS HEUTE – Die Zeitschrift „NOVUM“ fh mainz, Kommunikationsdesign ws 2009/10
1
2
VORWORT BIS HEUTE – DIE ZEITSCHRIFT NOVUM Im Wintersemester 2009/10 galt es die Zeitschrift
tungsbereich − insbesondere für Kommunikations-
„Gebrauchsgraphik“, die bislang in den Regalen
design − von Interesse sind.
unserer Bibliothek in einen langen Dornröschen-
Aufgabe war es, die Primärliteratur systematisch
schlaf gefallen war, wieder wach zu küssen. Es galt
zu erfassen und auszuwerten, d.h. nach zentralen
wahrlich einen besonderen Schatz zu heben, hatte
Textaussagen und Bildern aus den Zeitschriften zu
sich die bereits 1924 gegründete Zeitschrift doch
fahnden, die dann − zusammen mit weiterführender
einer umfassenden Berichterstattung zu grafischen
Literatur − die Grundlage der einzelnen Beiträge
und typografischen Fragen verschrieben, so dass
bildeten. Die Wahl der Themen war frei gestellt und
sie schnell zum Vorbild für andere Graphik-Design-
so spiegeln die hier wiedergegebenen Texte zum ei-
Zeitschriften avancierte.
nen zwar charakteristische Themenfelder und Dis-
Aus heutiger Perspektive fasziniert zum einen, wie
kussionen dieser berühmten Gestaltungszeitschrift,
sich die gestalterischen Charakteristika von Heft
zum anderen aber auch die individuellen Interessen
zu Heft weiterentwickeln, zum anderen die Vielfalt
der Studierenden wider.
und Intensität der theoretischen Beiträge. So finden
Diese Textsammlung kann und will keinen reprä-
sich kenntnisreiche Überlegungen zur Plakat- und
sentativen
Reklamekunst, zum gebrauchsgrafischen Erschei-
leisten. Was sie aber sehr wohl anbieten kann, sind
nungsbild großer Konzerne, zur Schaufenster- oder
ungewöhnliche Blickwinkel auf Designgeschichte;
Verpackungsgestaltung ebenso wie zum zeitgenös-
keine schnellen oder oberflächlichen Schnappschüs-
sischen Werbefilm oder zur Schriftgestaltung sowie
se bzw. Screenshots, sondern Versuche, einzelne
typografischen (Detail-)Fragen.
Themen und Fragestellungen quasi in detailreicher
1972 ging aus der „Gebrauchsgraphik“ die Zeit-
Nahaufnahme genauer zu fokussieren.
schrift „Novum“ hervor, die bis heute aktuelle Ent-
Dass diese individuellen Beiträge die nun vorliegen-
wicklungen im Kommunikationsdesign reflektiert.
de Form angenommen haben, ist den Studierenden
Entsprechend visualisieren die Hefte die Abkehr
zu verdanken, die sich in Redaktions-, Organisa-
vom strengen „Schweizer Stil“ und die Hinwendung
tions- und Gestaltungsgruppen zusammengeschlos-
zu postmoderner Expressivität. Ihr Pendant findet
sen und weit über den üblichen Arbeitsaufwand ei-
diese Entwicklung natürlich auch auf der inhaltli-
nes Theorieseminars hinaus bei der Konzeption und
chen Seite, spiegeln die Artikel doch auch immer
Gestaltung dieser beiden Bände eingebracht haben.
den jeweiligen Zeitgeist wider: Von psychodeli-
Dabei gilt mein besonderer Dank Alexandra Fuka-
schen Einflüssen über die schrillen Experimente der
zawa, Stefan Zahm und Daniel Büche, die das Ge-
Punk- und New-Wave-Bewegung bis hin zu neueren
staltungskonzept nicht nur erarbeitet, sondern auch
und neuesten Entwicklungen im Kommunikations-
engagiert umgesetzt haben.
designhistorischen
Gesamtüberblick
design, wie sie sich aus den Bedingungen der Digitale ergeben.
Prof. Dr. Petra Eisele
Mein Dank gilt den Teilnehmerinnen und -teilnehmern der Seminare „Wachgeküsst − die Zeitschrift Gebrauchsgraphik“ und „Bis heute − die Zeitschrift Novum“, die sich von der Idee begeistern ließen, alle Jahrgänge Nummer für Nummer in mühevoller Arbeit zu durchkämmen, um nach immer wiederkehrenden Themen zu fahnden, die für den Gestal-
3
4
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS
#1. NOVUM – WORLD OF GRAPHIC DESIGN #1.1
Die Zeitschrift Novum – World of Graphic Design
#1.2
Covergestaltung
Alexandra Fukazawa
9-15
Verena Hasler
17-23
#2. ÖKOLOGIE #2.1
Nach und Nach – Nachhaltig
Ilho Jung
27-31
#3. WERBUNG #3.1
ADC – Der Art Directors Club
Sabrina Merten
35-39
#4. FOTOGRAFIE #4.1
Dokumentarfotografie in der Novum am Beispiel von Heimrich Riebesehl
Kathrin Reinfrank
43-49
#5. CORPORATE #5.1
Globales Denken, lokales Handeln – ein Leitsatz für Unternehmen?
#5.2
Trend: Corporate Book
Stefanie Kapp
Sarah Nickel
53-61 63-69
#6. TYPOGRAFIE #6.1
Herb Lubalin: Schriftschmied und Regelbrecher
Anne Walter
73-79
#7. BUCHGESTALTUNG #7.1
Lies mich!
#7.2
Novum für Kinder
Désirée von Canal
83-87
Janosch Baum
89-95
#8. PLAKATE/KALENDER #8.1
Die Entwicklung des Filmlakats in Deutschland
#8.2
Die 100 besten Plakate Deutschland, Österreich, Schweiz
#8.3
Der Werbekalender damals und heute
Selcuk Kunt & Ingo Reinheimer Anna Merz
Sergej Chursyn & Waldemar Erz
99-105 107-113 115-121
#9. KONTRAST #9.1
Back to Black – Der Fokus auf das Wesentliche
Malte Weinmann
125-129
#10. DREIDIMENSIONALES DESIGN #10.1
Papier als kreativer Werkstoff
#10.2
Dreidimensional inszinierte Räume
Irina Vidiborskaia & Juliana Kromberg
133-141
Jina Kim
143-147
#11. KOMMUNIKATION IM RAUM #11.1
Otl Aicher – Die 70er Jahre und eine Bewegung zur Autonomie
#11.2
Piktogramme/Orientierungssysteme
Stefan Zahm
Sabine Eckert
151-155 157-163
#12. DIGITALES DESIGN #12.1
Generative Gestaltung
#13. ANHANG
Lena Giovanazzi & Sylvia Reuther
167-173
176-183
5
Cover der Novum, 1.1972– 3.1977
6
7
8
#1.1
NOVUM – WORLD OF GRAPHIC DESIGN
Alexandra Fukazawa
DIE ZEITSCHRIFT NOVUM – WORLD OF GRAPHIC DESIGN Die „novum - World of Graphic Design“ gilt als eine der ältesten und bekanntesten Fachzeitschriften im Bereich Grafik und Design. 1924 gegründet, schafft sie es auch heute noch, die Leser durch interessante Inhalte und klare Gestaltungsprinzipien zu begeistern.
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#1.1 novum world of graphic design : die zeiscthrift novum – world of graphic design
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
01
I
m Jahre 1972, 24 Jahre nach der Gründung der „Gebrauchsgraphik“, bekam die Fachzeitschrift, die über Entwicklungen und Ereignisse im Grafik- und Kunstbereich weltweit berichtet, einen neuen Namen: „NOVUM – Gebrauchsgraphik“ (Abb.01). Mit diesem Titel begann ein neuer Abschnitt für das wohl bekannteste Grafikmagazin der Welt.Zu Beginn der siebziger Jahre wurde intensiv über die technischen Entwicklungen und deren mögliche Auswirkungen auf Grafik und Kunst diskutiert. Man kritisierte oft, dass Grafiker nicht mehr als Künstler wahrgenommen werden und sehr viele Aufträge an große anonyme und „geistlose“ Werbeagenturen vergeben wurden, deren gestalterischen Fähigkeiten nicht gerade die besten seien. [01] 1978 beispielsweise appellierte der Chefredakteur der „NOVUM – Gebrauchsgraphik“, Hans Baumeister, an die großen Gestaltungsabteilungen, sie sollten das gestalterische Niveau nicht noch weiter sinken lassen. [02]
10
02
Doch der Wandel der Zeit und die fortschreitende Entwicklung der Technik waren nicht mehr zu stoppen. So passt sich auch „NOVUM – Gebrauchsgraphik“ den Gegebenheiten an und berichtete den Lesern von den neusten Ideen und Anregungen auch im Bereich Technik. Auch die Berufsbezeichnung des Grafikers, der in den Gründungsjahren der „NOVUM – Gebrauchsgraphik“ nur einen sehr kleinen Berufszweig darstellte, wurde nun zu „Grafik–Designer“ geändert. [03] Denn, so Dieter Urban 1979, „Design ist die Kunst, Ästhetik mit Funktion zu verbinden“. [04] Zu Beginn der 1980er Jahre nahm die „NOVUM – Gebrauchsgraphik“ ein neues Thema in ihr Inhaltsverzeichnis auf: „Junior–Design“. In dieser Rubrik konnten junge Designer und Studenten ihre Werke präsentieren und so die Leser auf den jüngsten und aktuellsten Stand im Bereich „Visuelle Kommunikation“ bringen. Man stellte 1983 jedoch fest, dass man nicht nur nach vorne, sondern auch des öfteren einen
03
Blick in die Vergangenheit werfen sollte. Mit der neuen Spate „novum-project“ gab es einen Rückblick auf alte Entwürfe und wie sie nun als neue „Re–Produkte“ wieder auf einer ganz andern gedanklichen Ebene verwendet werden. [05]
Im Jahr 1989 feierte „NOVUM – Gebrauchsgraphik“ seinen 60. Geburtstag und an dieser Stelle erinnerte Herausgeber Erhardt D. Stiebner wieder an die Ziele und Absichten der Fachzeitschrift, nämlich mit Profis und Anfängern neue Wege im Bereich Grafikdesign zu beschreiten. [06] Immer mehr spürt man die Macht der Massenmedien und der Neuen Medien, die nicht nur die Aufgaben des klassischen Grafikers veränderte, sondern auch neue Berufe hervorrief. Die neue Medienwelt mit Computern und digitalen Arbeitsmöglichkeiten macht Bild-Farb-Ton-FormGeschmackserlebnisse immer komplexer und bietet dadurch noch mehr Spielraum kreativ zu arbeiten und zu gestalten. Der Computer
05 01
Cover der „novum – Gebrauchsgraphik“ Januar 1972
http://www.novumnet.de/de/world-of-novum/geschichte. html 02
Cover der „novum – Das Forum für Kommunikati-
onsdesign“ Januar 2000 (Maria Müller, Peter Martin) http://www.novumnet.de/de/world-of-novum/geschichte. html) 03
Cover der „novum – WORLD OF GRAPHIC
DESIGN“ Oktober 2007 (Twopoints) http://www. novumnet.de/de/world-of-novum/geschichte.html) www.novumnet.de
05
Videos auf „www.novumnet.de“ ermöglichen eine
Einblick in die Produktion des Magazins
04
wird unumgänglich das neue Werkzeug des Designers, die neue „Schiefertafel“ auf der man das Gestalten auf eine ganz andere Art und Weise wahrnimmt. Auch „NOVUM – Gebrauchsgraphik“, die sich ab 1997 „novum – Das Forum für Kommunikationsdesign“ (Abb. 02) nennt, möchte diesen neuen Entwicklungen in Sachen Computer und Internet nicht nachstehen und so erscheint Mitte der 1990er Jahre die erste Homepage zur Fachzeitschrift. Im Jahr 2001 stellt „novum – Das Forum für Kommunikationsdesign“, das nun ihren Namen in „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ (Abb. 03) geändert hat, ihre neue Internetseite www.novumnet.de vor. Diese Seite im Internet soll auf keinen Fall eine Konkurrenz zur gedrucken Version von „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ darstellen, sondern viel mehr eine Art Ergänzung. (Abb. 04, 05) Dort steht der Leser in einem engen Kontakt zur Redaktion und zu andern Lesern. Aktuelle Ereignisse, die in der monatlichen Ausgabe
04
keinen Platz mehr gefunden haben, werden im Internetportal für alle veröffentlicht. Stellenanzeigen oder Ausstellungstermine können hier eingesehen und auch selbstständig hochgeladen werden. All diese technischen Errungenschaften verhelfen uns zu einem viel schnelleren und auch problemloseren Leben. Das Internet bietet eine unvorstellbar große Plattform an Informationen und technisch nahezu perfekt ausgearbeitete Computerprogramme machen es fast jedem Laien möglich, Fotos wie ein Profi zu bearbeiten. Es ist sehr schwer für ein Printmedium weiter interessant und aktuell zu bleiben, wo das Internet viel umfangreicher, schneller und auch billiger informieren kann. Doch „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ schafft es durch seine Einzigartigkeit noch immer, sich von der Konkurrenz im Internet und in den Printmedien abzuheben und gehört deshalb zu den erfolgreichsten und ältesten zweisprachigen Designmagazi-
nen weltweit. Trotz der Schnelllebigkeit, welche die neuen Medien mit sich bringen, ist die Redaktion von „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ stets darauf bedacht sich Zeit für den Leser zu nehmen und diesen über die neusten Entwicklungen und Vorkommnisse zu unterrichten. Dieser Aufgabe sind sich die Chefredakteure seit 1924 treu geblieben: „Sie stecken Energie und Herzblut in ein Objekt, das lebt.“[07] Dieses Forum für kreativen Austausch soll keine Grenzen kennen und lebt von seinen kreativen Lesern, deren Meinungen und Ideen, von Interesse aus der ganzen Welt. „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ hat sich immer den Umständen und zeitlichen Veränderungen angepasst und so neue Leser gewonnen, die, wie die alten auch, die vielen Wandlungen der Zeitschrift sehr schätzen. Heute hat die Fachlektüre 22 000 Leser bei einer Auflage von 13 000 Zeitschriften pro Monat in 70 verschiedenen Ländern der Welt.
11
#1.1 novum world of graphic design : die zeiscthrift novum – world of graphic design
06
Der „novum – PLUS“ – Index ist seit 2001 auf dem
Cover jeder „novum-World of Graphic Design“ abgebildet (novum – WORLD OF GRAPHIC DESIGN/ August 2009) 07
Zurückhaltendes Layout für kreativen Inhalt
(novum – WORLD OF GRAPHIC DESIGN/April 2009)
06
07
Die meisten Leser sind Studenten und Selbständige im Alter von 20 bis 28 Jahren. Noch immer sind von dieser breiten Masse an Lesern 76% Grafiker, was beweist, dass „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ seiner ursprünglichen Zielgruppe über die ganzen Jahre nie untreu wurde. [08] Trotzdem findet man heute nicht nur Berichte über Grafik-Design in dem bekannten Fachmedium, sondern auch Themen wie Typogra-
12
fie, Illustration, Werbung, Plakat-Magazingestaltung, Fotodesign und Neue Medien. Seit 2000 gibt es die Kategorie „novum – PLUS“, in der man sich auf 5 bis 20 Seiten intensiv mit einem bestimmten Thema auseinander setzt. (Abb. 06) Produziert und gedruckt wird die Zeitschrift in München im Stiebner Verlag, sie wird herausgegeben durch Dr. Jörg D. Stiebner und Erhardt D. Stiebner. Einmal im Monat erscheint die neue „novum.
WORLD OF GRAPHIC DESIGN“, sie ist für 11 Euro im Zeitschriftenhandel und im Internet weltweit erhältlich. ZURÜCKHALTENDES LAYOUT FÜR KREATIVEN INHALT Viele Leser der „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ sind von dem klaren und zurückhaltenden Erscheinungsbild begeistert (Abb. 07). Das reduzierte Layout gibt dem bun-
08
08
Ein Layoutbeispiel aus der „novum–WORLD OF
GRAPHIC DESIGN“ im April 2009 09
Ein klares Schriftbild verhilft zu einem entspannte
Lesefluss „novum–WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ im April 2009
09
ten und kreativen Inhalt mehr Freiraum sich zu entfalten und zu wirken. Die Zeitschrift will als Bühne gelten, die wichtige Inhalte angemessen präsentiert und will nicht selbst als Hauptdarsteller fungieren (Abb. 08). Seit 1924 ist man sich im Bezug auf das Format treu geblieben; 230×297 mm ist das Fachmagazin groß und hat im Schnitt 82-90 Seiten, damit eine Dicke von 5-8mm und ein Gewicht von ca. 1000g, die mit einer klassischen Lumbekbin-
dung geklebt werden. Seit 1999 wir das matt gestrichene „HELLO Silk“ Papier von Deutsche Papiere im Offsetdruck verwendet, das ein Gewicht von 150g/m² hat. Im Jahr 2001 begann man mit der Umschlagveredlung und einzelnen Papierproben innerhalb des Magazins, was bis heute sehr beliebt ist. Das Layout, das dieses Papier, ziert ist immer das Gleiche geblieben: ein Satzspiegel von 205×271mm, aufgeteilt in ein 2, 3 und 4
Spaltenraster, wobei eine Überlagerung zweier Raster üblich ist. Eine Schriftgröße von 10pt verhilft zu einem angenehmen Lesefluss. Das typografische Erscheinungsbild wechselte in den letzten Jahrzehnten öfters, da auch die Schrift des Magazins immer modern sein sollte. Seit 1999 verwendet man die „Neue Helvetica T1“ in den Überschriften und die „Caslon Book BE“ im Fließtext, die einen angenehmen Lesekomfort bieten (Abb. 09, 10-13).
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#1.1 novum world of graphic design : die zeiscthrift novum – world of graphic design
ABCDEFGHIJKLM NOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklm nopqrstuvwxyz 1234567890 11
ABCDEFGHIJKLM NOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklm nopqrstuvwxyz 1234567890 12
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ABCDEFGHIJKLM NOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklm nopqrstuvwxyz 1234567890 10
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Die besondere Covergestaltung mit ihren heute auch haptischen Merkmalen macht die bekannte Fachzeitschrift zu einem beliebten Sammlerobjekt (Abb. 14). Mit einem ausgeglichenes Konzept, mit einem Coprate Design, das sich seit 1972 fünfmal änderte und seit 2003 gut zum Magazin passt, kann „novum - World of Graphic Design“ auf 85 Jahre interessante Berichterstattung zurückblicken.
Grundsätzlich ist man daran interessiert, den Leser weltweit gerecht zu werden und nie langweilig zu sein. Offen für jede Art von Anregung oder Ideen, hat auf dieser Plattform schon so mancher junger Designer oder Student an Bekanntheit gewonnen. Regelmäßige Umfragen und der Gedanke, den Leser immer schneller und aktueller zu informieren, treibt die Redaktion von „novum. WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ an und lie-
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Schriftbeispiel aus der „novum – WORLD OF GRA-
PHIC DESIGN “im Oktober 2009 S.9 11
Die „Neue Helvetica T1 Heavy Condensed 87“ ist im
Kolumnentitel in den Überschriften, Bildnummerierungen, als Initial und im Paginatitel zu sehen 12
Die „Caslon Book BE“ wird im Fließtext verwendet
und als Seitenzahl 13
Die „Caslon Book BE Italic“ ist win den Unterüber-
schriften und in den Bildnachweisen zu finden
fert der Leserschaft ein „novum“ auf das man jeden Monat immer wieder gespannt sein darf. [09]
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Ein Cover im „Bölling Prägedruck“ sorgt nicht nur für
ein visuelles sondern auch haptisches Erlebnis (Fedrigoni) („novum – WORLD OF GRAPHIC DESIGN“/April 2009)
ENDNOTEN [01] Baumeister, Hans: novum. In: novum – Gebrauchsgraphik (München), Nr. 09, 1978, S. 2 [02] Baumeister, Hans: novum. In: novum –Gebrauchsgraphik (München), Nr. 09, 1978, S. 2 [03] Stiebner, Erhardt D.: Ein halbes Jahrhundert. In: novum –Gebrauchsgraphik (München), Nr. 1, 1979 [04] Urban, Dieter: novum über novum. In : novum – Gebrauchsgraphik (München),Nr. 7, 1979 [05] Urban, Dieter: novum über novum. In: novum – Gebrauchsgraphik (München), Nr. 3, 1983 [06] Stiebner,
Erhardt D.: Sechs Jahrzehnte. In: novum – Gebrauchsgraphik (München), Nr. 10, 1989, S.11 [07] Ullrich, Bettina: 80 years of inspiration. In: novum – WORLD OF GRAPHIC DESIGN (München), Nr.5, 2004, S.2 [08] Mediadaten „novum – WORLD OF GRAPHIC DESIGN “: http://www.novumnet.de/de/service-kontakt/mediadaten.html 27.10.2009 [09] lat. „Neues“, „Modernes“
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#1.2 die zeitschrift novum : covergestaltung
Verena Hasler
COVERGESTALTUNG Die Covergestaltung der „Novum“ visualisiert nicht nur neue Trends und Veredelungstechniken, sondern entspricht auch aktuellen gesellschaftspolitischen Wandlungen, indem sie etwa Umweltaspekte besonders berücksichtigt. Seit 1972 gestalten verschiedene zeitgenössische Designer und Künstler, die vom Redaktionsteam in München ausgewählt werden, das Cover der Zeitschrift.
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#1.2 die zeitschrift novum : covergestaltung
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
01
Z
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u Zeiten der Gebrauchsgrafik wird überwiegend mit gezeichneten Illustrationen und fotografischen Arbeiten gestaltet. Der Name der Zeitschrift steht meist in einfacher Druckschrift am oberen Rand des Covers und wird ab und zu in die Titelgestaltung eingebunden. Ansonsten sind die Cover zum großen Teil zeitgenössisch. Die erste Ausgabe unter dem neuen Namen „Novum“ erscheint im Januar 1972. Hier kann man schon deutliche Veränderungen bei der Covergestaltung sehen. Der neue Titel „NOVUM – Gebrauchsgrafik“ behält die ursprüngliche Position am oberen Rand des Covers, jedoch wird mit dem Logo anfangs noch experimentiert, was sich auch in der gesamten Covergestaltung zeigt: „In den siebziger Jahren richtete sich der Fokus eindeutig auf pädagogische Sujets und im Anschluss an die Umstellung auf Fotosatz (09/79) erscheint mit der Schrift Univers ein visuell schlichtes und funktionales Layout, das den redaktionellen –
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und zunehmend revolutionären – Inhalten über Post-Modernismus und Computer-Design zu widersprechen schien.“ [01] Als dann Ende der 1970er Jahre Grafiker „kaum noch als Künstler angesehen werden“ [02], droht das gestalterische Niveau der Grafiker im Allgemeinen zu sinken. [03] So versucht auch der Chefredakteur Hans Baumeister mit der Covergestaltung diesem entgegenzuwirken. Neben modernen Motiven werden auch gezeichnete oder illustrierte Motive für die Covergestaltung verwendet, um so den Anschluss an die künstlerische Ader des Berufes Grafiker nicht zu verlieren und an die Anfänge des Grafik-Designs zu erinnern. Anfang der 1980er Jahre gibt es einen neumodischen Bruch in der Covergestaltung der „Novum“. Es werden vermehrt aktuelle Einflüsse aus Werbung, Politik und Zeitgeschichte in die Gestaltung mit aufgenommen, die sich auch auf die Themen in der Zeitschrift beziehen. So wird in der Juli – Ausgabe 1981 beispielsweise
über die Frankfurter Agentur „Young&Rubicam“ berichtet, die neben vielen namhaften Kunden auch für die Schokoladenmarke „Milka“ tätig ist. Auf dem Titelbild sind violettfarbene grasende Kühe zu sehen, die einen Ausschnitt einer zeitgenössischen Milka-Anzeige darstellen. Diese Ausschnitte aus Anzeigen findet man Anfang der 1980er Jahre häufig in der Covergestaltung der „Novum“. Auch die Typografie und das Logo der „Novum“ hat sich mit dem Wechsel des Jahrzehnts verändert. So steht „Novum Gebrauchsgrafik“ nicht mehr nur klein am oberen Rand des Covers in einer Zeile, sondern steht zweispaltig oben rechts und wird auch farblich an das Titelbild angepasst. Gegen Ende der 1980er Jahre bekommen die Cover mehr und mehr einen flächen- und formenbezogenen Stil. Es wird viel mit kubischen Formen und Flächen gearbeitet, die sich deutlich von den bisherigen Cover differenzieren. Auch bei der Farbgebung wird stark an den
01
Der aktuelle Titel der Zeitschrift
02
Covergestaltung mit Veredelung
03
Überblick über die Covergestaltung
bis 2002
03
Stil der Zeit angelehnt und mit kräftigen Volltonfarben gearbeitet. Bei manchem Cover werden ganze Regenbogen-Paletten verwendet (12/88). Im September 1991 ist auf dem Umschlag der „Novum“ eine Akt-Fotografie zu sehen, die nachträglich mit digitalen Medien von dem Fotodesigner Walter Fogel in ein Bodypainting verwandelt wurde. Mit den 1990er Jahren kommen immer mehr freie Grafiker und Künstler zur Titelgestaltung der „Novum“. Gegen Ende des 20. Jahrhundert wird die Covergestaltung immer mehr an die digitalen Medien angepasst. So findet man ab 1993 immer mehr Fotografien, die mit experimenteller Technik und Fotocollagen zu einem Cover gestaltet sind (11/94) und sich auch an die futuristischen technischen Grafiken anlehnen. Ein weiterer bedeutender Bruch in der Geschichte der Zeitschrift gibt es Anfang 1996. Mit der April-Ausgabe verändert die Zeitschrift ihre inhaltliche und gestalterische
Ausrichtung, um dem Leser mehr Lesekomfort bieten zu können. Dies spiegelt sich auch im Titel wider. Einer der wichtigsten Änderungen ist die neue Subline der „Novum“, die sich von nun an „Novum – Das Forum für Kommunikations Design“ nennt. Erstmalig stehen auch „Hinweise auf die interessantesten Beiträge schon auf dem Titel“ [04] um somit erstmalig die Covergestaltung auch mit Typografie und inhaltlichem Wissen anzureichern und dem Leser „mehr Lesekomfort zu bieten“. [05] Bisher konnte man lediglich anhand der gewählten Titelgestaltung etwas über den Inhalt der Ausgabe erahnen und das Cover präsentierte sich auch im Vergleich zu anderen Zeitschriftencover nach wie vor sehr reduziert. Jedoch wurden nie mehr als drei Themen auf dem Cover vorgestellt um die Seite nicht zu überladen. Mit dem Jahreswechsel 1998/1999 führt „Novum“ das „Novum plus Magazin“ ein, das auf jedem Titel unten mit kurzer Erläuterung ge-
nannt wird. Des Weiteren wird die Subline „Das Forum für Kommunikations Design“ unter das Logo der „Novum“ gestellt und auf „Forum für Kommunikations Design“ reduziert. Auch der leichte Schlagschatten hinter dem Logo fällt weg. 2003 ändert sich bis heute letztmalig die Themenvorstellung auf dem Cover. Im Oktober werden die bis dahin einfach und kurz erläuterten Themen durch einen neuen und frischeren Button ausgewechselt. Der Button wird an jedes Cover individuell angepasst, so ist der Button häufig auch mit der Hintergrundfarbe des Titels eingefärbt. Gibt es für den Button keine individuelle Farbzuweisung, so ist er schwarz-weiß. Im oberen Teil wird das Thema der aktuellen „Novum plus“-Ausgabe vorgestellt; dieses steht immer in Versalien rechts neben dem „Novum plus“Logo, das meist in weißer Schrift gesetzt ist. In dem mittleren Teil des Buttons sind, wie auch schon vorher, drei Themen aus dem Innenteil
19
#1.2 die zeitschrift novum : covergestaltung
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
04
05
kurz mit Head- und Subline erläutert. Im unteren schwarzen Teil steht die in dieser Ausgabe präsentierte Veredelungstechnik, wenn es keine gibt, bleibt der untere Teil schwarz. NEUES JAHRTAUSEND, NEUES MEDIUM: DRUCKVEREDELUNG Mit jeder Ausgabe, die sich näher an die Jahrtausendwende hin bewegt, wurde auch die Gestaltung der Cover futuristischer und lehnte sich mehr und mehr an das Zeitgeschehen an. Inhaltlich wurde vermehrt über gro-
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ße Agenturen und deren Werbekampagnen gesprochen; dies wurde auch auf dem Cover sichtbar. Die Wende ging hin zu konzeptionellem Design, innovativen Ideen und neuen Ansätzen in der Werbung.[06] Zu dieser Zeit stellten sich ab und an Papierfirmen bei der Redaktion vor, die außergewöhnliche Papiere und Druckveredelungen präsentierten [07] und bei der Redaktion großes Interesse auslösten. So gab es im April 2000 ein von dem Art Direktor Oliver Klyne gestaltetes Cover mit dem Hologramm-Papier von Schneidersöhne, das
schon sehr an die heutigen Druckveredelungen der Cover erinnert. Die Redaktion widmete sich von da an verstärkt dem Thema Haptik: In vielen Ausgaben wird ein anderes Veredelungsverfahren oder Feinpapier präsentiert. Mit der September-Ausgabe 2000 folgte ein Cover aus einem Mineralis-Papier, auf dem mit einer Veredelung durch Thermolack ein Ausschnitt einer Animation von Christian Weiß zu sehen ist. Dies ist auch die letzte Ausgabe der „Novum - Forum für Komunikationsdesign“, da in diesem Monat der Wechsel zu dem bis heute
04
aktueller Coverbutton seit
Oktober 2003 05
06
aktuellen Titel „Novum World of Grafic Design“ stattfindet. Auch aktuelle Ereignisse aus Politik und Umwelt wurden für die Covergestaltung berücksichtigt. So wurde das Cover der letzten Jahresausgabe Ende 2001 passend zur Währungsumstellung von der D-Mark (DM) mit den neuen Währungszeichen auf dem Erlebnisfeinpapier gestaltet (ebenfalls Art Direktor Oliver Klyne). Passend zu diesem Thema wurde auch ein sehr spezielles Papier der Firma Clasen-Papier verwendet, das zu 100% aus
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recycelten und geschredderten DM-Scheinen besteht, die bei genauerem Hinsehen auch erkennbar sind. Ab 2004 wurden die Veredelungsserie in der Zeitschrift eingeführt, die auch immer auf dem Cover präsentiert werden. Von da an wurden die Cover immer wieder von Künstlern und Designern gestaltet, die von ihrer Arbeitsweise zu den einzelnen Veredlungstechniken passen. So gibt es eine Auswahl an Designern und Papierfirmen, die sich bei der Redaktion vorgestellt haben und sich bereit erklärt ha-
Cover der Juni – Ausgabe 2008
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Cover der Dezember – Ausgabe 2001
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Cover der Dezember – Ausgabe 2006
ben, ihre Veredlungstechniken und gestalterischen Fähigkeiten in die Covergestaltung mit einzubringen. So wird zu jeder Ausgabe eine passende Veredlungstechnik und wiederum ein zur Veredlungstechnik passender Künstler ausgewählt.
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#3.1 Die Zeitschrift Novum : Covergestaltung
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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Die Sommer Ausgabe Juli 2008
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Veredelungscover der Juli Ausgabe im
Jahr 2007 10
Überblick über die Covergestaltung von
2002 bis heute
EINE GENUSS FÜR DESIGNER – BESONDERE COVER „Cover Dezember 2006” (Abb. 07) Die Idee und Gestaltung der Dezember-Ausgabe 2006 kam von einer Praktikantin, die in der Kreativabteilung des Verlages ihr Praktikum absolvierte. Jede/r Praktikant/in darf im Laufe des Praktikums bei „Novum“ ein eigenes Cover entwickeln, gestalten und bei der Realisation mitwirken – so gibt es in regelmäßigen Abständen ein Cover, das von Praktikanten gestaltet ist. Das Cover wurde passend zu dem „Novum plus“-Thema „Luxury“ mit stilbildenden Elementen für Luxus in Farben wie Gold und Silber gestaltet. Es zeigt eine stilisierte Dame mit Pelz und Hut, die in lange wehende Haare und ein Hutband übergeht. Diese wurde ebenfalls wie die angedeutete Perlenkette der Dame beflockt und mit verschiedenfarbigem Glitterlack versehen.
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„Cover Juli 2007” (Abb. 09) Auf die Coveridee dieses etwas anderen Covers kam das Redaktionsteam der „Novum“, indem es sich mit der Veredelungstechnik Thermolack auseinander setzte. Die Raffinesse des Lackes ist, dass er durchsichtig wird, wenn er mit Wärme in Berührung kommt. So reicht schon ein Handauflegen auf die mit Lack veredelten Flächen. Der Lack wird transparent und enthüllt somit Dinge, die sonst verborgen bleiben oder bewusst erst bei näherem hinsehen sichtbar werden. Hierzu fällt Art Direktor Oliver Klyne ein befreundeter Zeichner und Illustrator aus München ein, der Pin-up Girls zeichnet. Der Illustrator entwirft eigens für diese Ausgabe ein Pin-up. Das Kleid und das Logo der „Novum“ sind mit Thermolack veredelt, so dass beim Berühren des Covers das Kleid des Girls transparent wird und das Novum Logo in Flammen aufgeht.
Cover Juli 2008 (Abb. 08) Diese „Novum“ ist ein sehr besonderes Exemplar, da sie nicht nur von ihrer äußeren Erscheinung anders aussieht, sondern auch der Innenteil ein anderes Layout hat. Grundgedanke war, die Zeitschrift im Sommer einfach und bequem mit an den Strand oder ins Freiband nehmen zu können und so entwickelte man in Kooperation mit „Megapac“ eine tragbare Zeitschrift mit Henkeln, die natürlich passend dazu im Querformat angelegt ist. EIN ECHTES NOVUM Da das Thema „Covergestaltung“ weder in der Zeitschrift selbst noch seitens des Verlags thematisiert wird, stützt sich mein Text auf eigene Recherchen und Interpretationen, die vornehmlich auf meiner Beobachtung als Kommunikationsdesignerin basieren.
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ENDNOTEN [1] Vergleiche: http://www.novumnet.de/de/world-of-novum/exklusiv-im-web/design-aktuell/novum85-jahre-designgeschichte.html?no_cache=1, 12.12.09 16:23 Uhr) [2] Zitat von Chefredakteur Hans Bausmeister, Quelle unbekannt [3] Zitat von Chefredakteur Hans Bausmeister, Quelle unbekannt [4] Erhardt D. Stiebner Novum, Editorial, Seite 1, Ausgabe 4/1996) S. 1 [5] Zitat Erhardt D. Stiebner
Novum, Editorial, 1, Ausgabe 4/1996), S. 1 [6] Pippo Lionni & AssociĂŠs, konzeptionelles Denken als wichtige Maxime, Ausgabe 7/1997, Novum, S. 48-55 [7] Emailkontakt vom 18.12.09 12:49 Uhr mit Art Direktor Oliver Klyne
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Cover der Novum, 4.1977– 7.1983
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#2.1
ÖKOLOGIE Ilho Jung
NACH UND NACH NACHHALTIG Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist heute mehr denn je omni-präsent und setzt Trends in der Industrie und im gesellschaftlichen Konsumverhalten. So erobern Biomärkte die Stadt und machen dem herkömmlichen Warenhandel Konkurrenz. Diese reagieren darauf und überschwemmen ihre Regale mit Produkten Prädikat „Bio“. In der Werbung sehen wir neuerdings Autos, bei denen man den Eindruck gewinnen könnte, am Ende des Tages sei mehr Benzin im Tank als bei der Abfahrt. [01]
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#2.1 ökologie : nach und nach nachhaltig
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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elbstverständlich ist die Ökohysterie auch der Zeitschrift „Novum“ nicht entgangen. So verkündet Chefredakteurin Bettina Schulz im Editorial der Oktoberausgabe 2009, dass wir das ökologische Umdenken ein großes Stück weit den Gestaltern zu verdanken haben. Jahrzehntelang hätten Gestalter ihren Öko- und Biokunden gepredigt, dass Grün zwar an für sich eine schöne Farbe sei, aber diese auch ästhetisch ansprechend eingesetzt werden müsse, um Erfolg zu haben. [02] Schaut man aber auf die gesamten „Novum“-Ausgaben zurück, stellt man leider fest, dass dem Prozess des Ökoerfolges kaum Aufmerksam gewidmet wurde. Plakate und Illustrationen, die Umwelt thematisiert haben, waren in der „Novum“ zwar immer wieder vertreten, doch waren diese nur Aushängeschilder diverser DesignWettbewerbe ohne jeglichen inhaltlichen Diskurs/Diskussion, was den Eindruck erweckt, es entstehe beim Designer nur dann ein Um-
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weltbewusstsein, wenn es um Wettbewerbe und Auszeichnungen gehe. UMWELTGESTALTUNG & NACHHALTIGKEIT Doch fand eine inhaltliche Auseinandersetzung mit „Umweltgestaltung“ bereits in den fünfziger Jahren statt, als der Deutsche Werkbund eine Tagung zum Thema „Die große Landzerstörung“, initiiert hatte. Dort wurde die Schattenseite einer Industriegesellschaft, die im Rausch des Wirtschaftens auf Verbrauch und Verschleiß ausgerichtet ist und die Auswirkungen auf ihre Umwelt ignoriert, drastisch vor Augen geführt. Mit Umweltgestaltung war nicht nur das Handeln im ökologischen Sinne gemeint, sondern vielmehr die Erhaltung oder sogar Verbesserung menschlicher Lebensumwelten, in der das Individuum Sinnzusammenhänge erkennen und sich in einer immer komplizierter werdenden Welt orientieren kann. Der Designer wurde aufgefordert, Verantwor-
tung gegenüber individuellen Bedürfnissen und der Gesellschaft als Ganzes zu tragen. Dieses veränderte Designverständnis übte in den siebziger Jahren großen Einfluss auf Neugründungen von Design-Institutionen aus, unter anderem das IDZ, ein international ausgerichtetes Design-Zentrum, welches das neue Umweltbewusstsein in öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen umsetzte. So propagierte das IDZ beispielsweise mehr Eigeninitiative und inspirierte den Verbraucher, selbst Möbel nachzubauen. Ziel war es unter unmittelbarer Mitarbeit der Öffentlichkeit Denkanstöße zu geben und individuelle Kreativität zu fördern. [03] Die Idee des alternativen Designs griff auch der Japaner Hideyuki Oka in seinem in den sechziger Jahren veröffentlichten Buch „How to Wrap Five Eggs“ auf, indem Verpackungsmethoden gesammelt und dokumentiert wurden, wie die japanische Landbevölkerung in DIY-Manier Materialien, die entweder ohne-
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How to wrap five eggs, 1965
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Design Ecology!, Mymuesli, 2008
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Bastelei mit der Mymueslie-Dose
veröffentlicht im Müsli-Blog, 2008 04
Design Ecology!, Pangea Organics,
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Design Ecology!, Twist, 2008
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hin während ihrer Arbeit anfielen oder in ihrer natürlichen Umgebung vorkamen für Transport und Lagerung ihre Produkte verwendeten. [04] DiesesVerpackungsdesign, das damals aus der Kritik gegenüber der industriellen Massenproduktion dokumentiert wurde, fasziniert bis heute nicht nur durch ihre Nachhaltigkeit, sondern auch durch ihre Ästhetik. Verpackungsdesign demonstriert, wie mit Innovation und Kreativität Schönheit erlangt wird und offenbart dem Designer Alternativen, attraktiv mit dem Thema Ökologie umzugehen. DESIGN & NACHHALTIGKEIT Dank neuer Technologien in der Herstellung von Materialien ist der Designer heute nicht ausschließlich auf Handmade-Lösungen beschränkt, sondern kann mittels zielgerichteter und konsequenter Gestaltung Nachhaltigkeit präsentieren und sie attraktiv im Markt positionieren. Das Ergebnis schmückt sich mit facettenreichen formalen Strategien, wie
minimalistischem Purismus, schlichter Eleganz, spielerischer Naivität, barocker Opulenz oder glamouröser Extravaganz, die den hohen ästhetischen Anspruch der Zielgruppen gerecht werden wollen. [05] Statt beispielsweise einer braunen recycelbaren Papiertüte versendet Mymueslie den MüsliMix, der online individuell aus 75 möglichen Bio-Zutaten zusammengesetzt und bestellt werden kann, in einer Pappdose aus recycelten Kartonagen mit einer hauchdünnen Aluminiumschicht (Sieben Mikrometer) bedampft. Da der Fremdstoffanteil nur 1,5 Prozent groß ist, dürfen sie laut des Zulieferers ins Altpapier. Das Unternehmen empfiehlt, Deckel und Boden dem Kunststoffrecycling zuzuführen, da sie aus Polypropylen sind und aufgrund ihrer weißen Farbe leicht recycelt werden. Außerdem rät Mymuesli, die Dosen für andere Zwecke zu nutzen, etwa als Sammelbehälter für Rollerblade-Rollen, Pinsel oder Dokumente. Ab und zu schicken Kunden auch Fotos ihrer
Nutzungsvorschläge. Das Design ist bestimmt durch das Logo, das betont poppig gestaltet ist und sich so gegen das oft traditionell gehaltene Image von Getreideprodukten abgrenzt, bei dem man gerne auf Mühlen oder Ähren setzt. Anders als bei Mymuesli wurde für die Produkte von Pangea Organics mit strenger Typo, klarem Raster, stark abstrahierte Illustrationen und einem harmonischen Farbcode eine visuelle Sprache kreiert, die prägnant und aufrichtig die beiden zentralen Werte – Wellness und Nachhaltigkeit – transportiert. Der Spezialist für Gesichts- und Körperpflegeprodukte setzt 25 Prozent des Gewinns für das Pangea-Institute ein, eine NonprofitInstitution, die sich mit Nachhaltigkeitsforschung beschäftigt und Fortbildungen im Bereich nachhaltiges Leben und nachhaltige Geschäftspraktiken anbietet. [06]
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#2.1 ökologie : nach und nach nachhaltig
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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Die Verpackungen bestehen aus einer kompostierbaren Pappox, aus 100 Prozent post consumer waste, die Samen von Pflanzen wie süßes Basilikum oder Amaranth enthält. Auch die übrigen Umverpackungen enthalten diese Samen und lassen sich einpflanzen. Das Konzept gewann verschiedene Preise, wie den „Best New Packaging Design Award“ der 2006 Natural/Organic Products Europe Tradeshow. Die Flaschen sind aus gefrostetem Glas und per Siebdruck beschriftet, um Plastikaufkleber zu vermeiden. Nicht weniger erfolgreich läuft es für das Unternehmen Twist, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Reinigungsmittel zu revolutionieren. Twist kombiniert Design und Umweltverantwortung miteinander, indem sie eine Partnerschaft mit der Umweltorganisation Global Response eingehen und ihre Kunden ermuntern, sich an deren Kampagnen zu beteiligen. 99,97 Prozent des eigenen Mülls werden bei Twist in der eigenen Produktion
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wieder eingesetzt. Die voll biologisch abbaubaren Schwämme und Tücher werden durch eine Banderole umhüllt, verziert durch eine minimalistische Logotype in Kombination mit verschiedenfarbigen Ringelementen, die Assoziationen an Seifenblasen wecken, wobei die Farbkombinationen von Produkt zu Produkt wechseln. Um die Wiederverwendung der recycelbaren Pappverpackungen anzuregen, hat Twist sie so konzipiert, dass man sie in Vogelfutterspender oder Mobiles verwandeln kann. Hierfür sind auf die Innenseiten der Verpackungen entsprechende Faltanweisungen aufgedruckt. Auf der Website können Besucher Fotos ihrer gebastelten Werke zur Schau stellen. Laut dem Buch „Design Ecology! – Neo-Grüne Markenstrategien“ unterstützt U2-Frontmann Bono Twist mit einem Video, in dem er beim Singen jede Menge Haushaltspapier abwickelt und damit eine Art Müllorgie feiert. [07]
NACHHALTIGKEIT HALTEN Die Beispiele zeigen eindrucksvoll die Rolle des Designers in dem 50-jährigen Prozess des ökologischen Umdenkens. Doch gilt es heute für den Designer mehr denn je Haltung zu wahren, um sich von den Trittbrettfahrern, die von dem Erfolg wirtschaftlich profitieren möchten, klar abzugrenzen. Damit der Prozess nicht mit einem Trend auf hört, ist es Aufgabe des Designers zum einem die Unternehmen zu zwingen, ökologisch zu handeln und dies aufrichtig zu kommunizieren und zum anderem das Interesse der Konsumenten am Umweltthema langfristig wach zu halten, indem sie auf die Bedürfnisse und den hohen Designanspruch der Zielgruppen eingehen. Dabei müssten Designer allerdings auch eigene Gewohnheiten in Frage stellen. Für Gestalter, die Verantwortung übernehmen und Nachhaltigkeit vorleben möchten, ist eine Weiterbildung zu Materialien und umwelterträglicher Produktionsverfahren unabdingbar.
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ENDNOTEN [01] Spiekermann, Erik: Löchrige Typen. In: form (Basel), 229, 2009, S. 24 ff [02] Schulz, Bettina: Öko auf Erfolgskurs. In: Novum (München), Nr. 10, 2009, S. 03 [03] Vgl. Eisele, Petra: BRDesign. Deutsches Design als Experiment seit den 1960er Jahren, Köln 2005 [04] Oka, Hideyuki: How to wrap five eggs (Nihon no dento pakkeji). Japanese design in traditional packaging. With a foreword by George Nelson. Tokyo 1967. Vgl. zudem: Beuttel, Bianca: Nachhaltig nachhaltig. In: Page (Ulm), Oktober 2010,
Nr. 10, S. 30-36. [05] Nachtwey, Jutta u. Judith Mair: Design Ecology! Neo-Grüne Markenstrategien, Mainz 2008 [06] Nachtwey, Jutta u. Judith Mair: Design Ecology! Neo-Grüne Markenstrategien, Mainz 2008 [07] Nachtwey, Jutta u. Judith Mair: Design Ecology! Neo-Grüne Markenstrategien, Mainz 2008
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Cover der Novum, 8.1983– 6.1991
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#3.1
WERBUNG
Sabrina Merten
ADC Der Art Directors Club für Deutschland: Seelenbalsam für die „alten Hasen“, Genickbrecher für Anfänger? Eine Auszeichnung im Wettbewerb bedeutet oft Ruhm und Erfolg. Sie kann ein Karrieresprungbrett sein – oder sie bedeutet die totale Überlastung der jungen Kreativen. Trotzdem ist sie heiß begehrt und der ADC seit Jahrzehnten immernoch Impulsgeber der Kommunikationsbranche.
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#3.1 werbung : adc
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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er Art Directors Club für Deutschland ist der Impulsgeber für die Kommunikationsbranche und Gradmesser für außergewöhnliche, herausragende Kommunikationslösungen (Abb. 01). [01] Als Verein wurde er 1964 in Düsseldorf gegründet und hat heute seinen Sitz in Berlin (Abb. 02). Derzeit besteht er aus 557 führenden Kreativen aus den Bereichen Werbung, Wort, Bild, Design, Editorial, Fotografie, Illustration, Funk, Film, Interaktive Medien und räumliche Inszenierung. [02] Der ADC hat sich zur Aufgabe gemacht, innovative Kommunikationslösungen durch Wettbewerbe, Veranstaltungen und Publikationen zu fördern und gerade auch den Nachwuchs zu stärken, indem er ihn an internationale Standards heranführt. Geleitet wird der ADC von einem ehrenamtlich arbeitenden, zwölfköpfigen Vorstand, der von den Mitgliedern für die Amtsperiode von zwei Jahren gewählt wird. Der Art Directors Club für Deutschland (ADC) e.V. ist außerdem der Dachorganisati-
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on ADC of Europe angeschlossen, die 1990 gegründet wurde. [03] WAS BISHER GESCHAH [04] 1964: Der Art Directors Club für Deutschland wird am 3. April nach der Idee von Hubert Troost und Gunter Ott in Düsseldorf mit 27 Mitgliedern gegründet. 1965: Das erste ADCAnnual erscheint. 1971: Erstmalig wird „Faces“ initiiert, eine Veranstaltungsserie des ADC, in der verschiedene Agenturen ihre Unternehmensprofile vorstellen. Im ADC sind so viele Nicht-Artdirektoren, dass er sich umbenennt in „Conceptors Club“. 1972: Der Club tauft sich wieder um in ADC. 1988: Der Club beschließt, in Zukunft ohne Präsidenten weiterzumachen, dafür mit 12 aktiven Vorständen. 1996: Nach 34 Jahren ehrt der Club erstmals eine Frau: Jutta Matthiesen, Marketingchefin für Sierra Tequila, wird Kundin des Jahres. 1997: Neue Wettbewerbskategorie: Neue Medien. 2003: Neue Wettbewerbskategorien:
Kommunikation im Raum und Dialogmarketing. 2004: Der ADC gründet zusammen mit der Steinbeis-Hochschule das Internationale ADC-Institut, das einen MBA für Kreative in Medien, Werbung, Entertainment und Marketing vergibt. 2006: Erstmals erscheint das Kreativmagazin „beef “, eine gemeinschaftliche Produktion von HORIZONT und ADC. 2008: Aus dem ADC-Wettbewerb wird das ADC Festival: Sechs kreative Tage mit Jurysitzung, Ausstellung, Kongress und Awards-Show. DER WETTBEWERB: GRADMESSER DER KOMMUNIKATIONSBRANCHE David Ogilvy, ehemaliger Vorstand des ADC, sprach einst von der „Big Idea“: „Selbst wenn sie extrem fleißig sind, werden sie niemals zu Ruhm und Ehre gelangen, sollten sie nicht zugleich Big Ideas haben. Solange ihre Werbung keine Big Idea enthält, wird sie am Verbraucher vorbeiziehen wie ein Schiff in der Nacht.“ [05] Um diese „Big Ideas“ zu finden, um Besse-
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ADC-Logos: 1922 bis Heute
Quelle: http://www.underconsideration. com/speakup/archives/001344.html (06.12.2009)
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res vor Gutem zu prämieren, findet alljährlich der ADC-Wettbewerb statt. Hier werden die klugen, kreativen Köpfe hinter den aktuellen Werbekampagnen in insgesamt 26 Kategorien geehrt. [06] Teilnehmen darf jeder Urheber, jede Person oder Firma mit Arbeiten, an denen sie beteiligt waren. Ferner müssen die Arbeiten im Auftrag eines Auftraggebers realisiert und während dem letzten und dem laufenden Jahr publiziert worden sein. [07] Im ADC-Wettbewerb geht es um Ideen, die neu sind und richtungsweisend – Ideen, die überraschen und überzeugen, die nachhaltig kommunizieren. Ideen, die verkaufen. Bewertet wird nach fünf festgelegten Kriterien: Originalität – ist die Arbeit originär und originell? Klarheit – kommuniziert die Arbeit ihre Inhalte verständlich? Kraft – bewirkt die Arbeit eine Bewusstseinsveränderung? Machart – ist die Arbeit handwerklich überzeugend? Freude – beglückt, berührt oder bereichert die Arbeit? Geehrt wird mit fünf verschiedenen Aus-
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ADC-Büro Berlin bei Nacht
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ADC-Annual: Das Jahrbuch 2009
Quelle: Verlag Hermann Schmidt Mainz
zeichnungen. [08] Die besten Ideen kommen ins ADC-Jahrbuch. Wie die nationalen Clubs veranstaltet auch der 1990 gegründete ADC of Europe einmal im Jahr einen Wettbewerb. Beim „Best of European Design and Advertising Award“ nehmen automatisch alle Goldund Silbermedaillengewinner der jeweiligen nationalen Kreativwettbewerbe teil. [09] DAS JAHRBUCH: ADC-ANNUAL Inzwischen berühmt und jedes Jahr aufs Neue heiß diskutiert ist die größte Publikation des ADC: das Jahrbuch, in Fachkreisen auch „Kreativbibel“ genannt (Abb. 03). Es erscheint jeweils wenige Monate nach dem ADC Wettbewerb und ist eine Fundgrube für neue Formen der Werbung. Alle ausgezeichneten und preisgekrönten Arbeiten und seine Macher werden hier veröffentlicht. Somit wird das Beste gezeigt, was deutsche Werber, Designer, Zeitschriftengestalter, Fotografen u.v.m. innerhalb eines Jahres geleistet haben. Der Verlag Her-
mann Schmidt Mainz sorgt dafür, dass die Bücher seit Jahren auch in bester gestalterischer Qualität daherkommen. DER NACHWUCHSWETBEWERB UND SEIN „SUSHI” „Die Idee war, die Arbeit der Junioren einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und von einer kompetenten Jury beurteilen zu lassen. Die Entwicklung des Wettbewerbs, jedes Jahr mehr Einsendungen und mehr Interesse der Öffentlichkeit, gab dem ADC recht und den jungen Talenten ein Forum für ihre Arbeit.“ [10] Seit fast 30 Jahren sucht der ADC den besten Nachwuchs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Drei verschiedene Auszeichnungen gibt es für die jungen Kreativen: „Student des Jahres“ wird man mit der besten Seminararbeit, „Talent des Jahres“ mit der besten Abschlussarbeit und „Junior des Jahres" mit der besten Praxisarbeit – allerdings nur, wenn man maximal zwei Jahre im Job ist. Der Wett-
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#3.1 werbung : adc
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bewerb richtet sich an Studenten und Absolventen aus Fachrichtungen wie Grafik-Design, Visuelle Kommunikation, Fotografie, Werbefilm, digitale Medien, Szenographie oder Text sowie junge Berufsanfänger wie Texter, Art Direktoren, Illustratoren, Designer oder Fotografen. Seit 1998 erscheint jährlich die Wettbewerbsdokumentation „sushi“, in der die prämierten Arbeiten gezeigt werden (Abb. 04). [11] Für die Gewinner der begehrten Auszeich-
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nungen ist dies oft eine Art Karriere-Turboantrieb. „Doch Vorsicht. Denn manchmal stürzt ein Talent auch relativ schnell wieder ab, weil die Ansprüche und die Verantwortung, die man ihm aufgebürdet hat, zu groß waren für die junge Kreativschulter“, warnt Christoph Herold in einem Artikel über den Wettbewerb. [12] Trotz aller Erfolge, Nachwuchsförderung und hohem Ansehen, gibt es aber auch zahlreiche Kritiker: Insbesondere Produktde-
signer, Verkäufer, PR-Leute und Promoter sehen sich noch vor den Werbern als Väter des Erfolgs eines Produkts. Mit dieser Crux lebt der ADC Deutschland nun schon Jahrzehnte; nicht schlecht, wie man immer wieder an den Erfolgen ablesen kann. [13] Denn – fragen sie sich doch einmal selbst – was wäre jedes noch so praktische, schöne und nützliche Produkt ohne eine gute Werbung, die genau diese Qualitäten verdeutlicht?
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ADC-Sushi: Cover Nr. 1-11.
Von der Autorin zusammengestellt
ENDNOTEN [01] ADC über ADC, http://www.adc.de/club/uebersicht.html (26.11.2009) [02] Stand: November 2009 [03] ADC über ADC, http://www.adc.de/club/uebersicht.html (26.11.2009) [04] Zusammengefasst und gekürzt von der Autorin. Gefunden in der Kategorie „Chronik“ unter http://www.adc.de, 5. November 2009, auf der aktuellen, erneuerten Website nicht mehr erschienen. [05] Leu, Olaf: Art Directors Club Deutschland. In: Novum (München), Nr. 12, 1993, S. 14 [06] Acht Bereiche mit 14 Hauptkategorien und 12 Craft Kategorien. Anmerkung d. Autorin: Craft (engl.), = Handwerk, Kunstfertigkeit (nach http://dict.leo.org). Klassische Medien: Print, Out-of-Home, Film, Film Craft, Audio, Audio Craft. Digitale Medien: Digitale Medien, Digitale Medien Craft. Dialogmarketing/Promotion/Media: Dialogmarketing, Promotion, Media. Design: Literatur, Design. Editorial: Editorial, Editorial Craft. Räumliche Inszenierung: Kommunikation im Raum, Kommunikation im Raum Craft, Events, Events Craft. Generic Craft: Text, Typografie, Fotografie, Illustration, Musik und Sound. Ganzheitliche Kommunikation: Ganzheitliche Kommunikation. Quelle: http://www.adc.de/fileadmin/ user_upload/Downloads/0_ADC_Teilnahmebedingungen_Allgemein.pdf (26.11.2009) [07] Sämtliche
Hinweise zur Teilnahme unter: http://www.adc.de/fileadmin/user_upload/Downloads/0_ADC_Teilnahmebedingungen_Allgemein.pdf (26.11.2009) [08] Auszeichnung für eine Arbeit, die den ADC Kriterien entspricht. Bronze für eine Arbeit, die in ihrer Kategorie Maßstäbe setzt. Silber für eine außerordentlich kreative Arbeit in ihrer jeweiligen Kategorie. Gold für eine Arbeit, die besonders herausragend ist und ihre jeweilige Kategorie neu definiert. Grand Prix für eine bahnbrechende Arbeit, die eine kategorieübergreifende Innovation aus dem Kreis aller Goldmedaillen ist. Quelle: http://www.adc.de/fileadmin/user_ upload/Downloads/0_ADC_Teilnahmebedingungen_Allgemein.pdf (26.11.2009) [09] Quelle: Kategorie „Wettbewerb“ unter http://www.adc.de, November 2009, auf der aktuellen, erneuerten Website nicht mehr erschienen. [10] Herold, Christoph: Der ADC-Nachwuchswettbewerb. In: Novum (München), Nr. 5, 1997, S. 36ff. [11] Vgl.: http://www.adc.de/festival/nachwuchswettbewerb.html (2.12.2009) [12] Vgl.: Herold, Christoph: Der ADC-Nachwuchswettbewerb. In: Novum (München), Nr. 5, 1997, S. 36ff. [13] Vgl.: Urban, Dieter: Competitions. Art Directors Club Deutschland. In: Novum (München), Nr. 4, 1999, S. 24
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Cover der Novum, 7.1991– 2.1996
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FOTOGRAFIE
Katrin Reinfrank
DOKUMENTARFOTOGRAFIE IN DER NOVUM AM BEISPIEL VON HEINRICH RIEBESEHL
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#4.1 fotografie : dokumentarfotografie in der novum am beispiel von heinrich riebesehl
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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1964 (aus der Serie Happenings, 1964-1965) - Joseph Beuys
(Aktion „Kukei, akopee-Nein!, Braunkreuz, Fettecken, Modellfettecken“), Silbergelatineabzug, Heinrich Riebesehl http://de.photography-now.com/popup_ausst_1.php?id_ ausstellungen=T09739 (letzer Zugriff: 11.01.2010)
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ARUM FOTOGRAFIE IN DER NOVUM? Ich beziehe mich in meinem Text auf die Designzeitschrift „novum“, die seit 1972 in Deutschland erscheint und sich vornehmlich mit Grafik beschäftigt. Bei der Themenrecherche in der Zeitschrift bin ich darauf gestoßen, dass trotzdem regelmäßig auch Fotografie darin zu finden ist. Oft werden bestimmte Genre oder Fotografen und Fotografinnen und ihre Arbeitsweise mit Arbeitsproben vorgestellt. Ich möchte mich daher mit der Frage beschäftigen, welche Rolle Fotografie in diesem ausdrücklich als Designzeitschrift konzipierten Magazin spielt: Was hat Fotografie in einer Zeitschrift für Grafikdesign verloren? Ich möchte mich dabei der Dokumentarfotografie widmen, da sie meiner Meinung nach zunächst am wenigsten mit der GrafikdesignAusrichtung der „novum“ zu tun hat, aber dennoch, zumindest in der Anfangszeit des
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Erscheinens, eine Rolle spielt und des Öfteren in der „novum“ vertreten ist. Bereits im ersten „novum“-Jahrgang 1972 findet sich eine Fotoserie von Wolfgang Taube und Rena Trurnit über Gefängnisinsassen sowie ein fotografisches Experiment von Heinrich Riebesehl. In späteren Jahrgängen sind solche expliziten Beiträge über Dokumentarfotografie und deren Experimente selten bis gar nicht mehr zu finden. Vielmehr findet im Lauf der Jahre ein Wandel statt, indem immer mehr Wert auf vermarktbare oder grafiknahe Fotobeiträge gelegt wird. So gibt es in späteren Jahrgängen eher Beiträge über Foto-Grafik, Werbefotografie sowie Vorstellungen von Firmen oder einzelnen Fotografinnen und Fotografen, die in der Werbebranche tätig sind. Davon arbeiten zwar einige zusätzlich auch im dokumentarischen Bereich, das wird allerdings eher als schmückender Randkommentar erwähnt.
DIE DOKUMENTARFOTOGRAFIE Die Dokumentarfotografie beinhaltet das lateinische Wort documentum, das Beweisstück. Der Begriff „Dokumentarfotografie“ begann sich langsam zu entwickeln, denn bis Mitte der 1930er Jahre wurde Fotografie „per se“ als „dokumentarisch“ angesehen, denn die Fotografie hatte sich zur Aufgabe gemacht, die „Realität“ im gewissen Sinne „festzuhalten“ oder zu „kopieren“, kurzum, ein Beweisstück abzubilden. Dieser Glaube war noch nicht durch unrealistische Darstellungen oder Manipulationen getrübt. Mit der Zeit jedoch machte es ein Wandel im Medium Fotografie notwendig, sie in verschiedene Arten oder Genre zu unterscheiden. Fotografie wurde nun nicht mehr als seelenloses Festhalten von Tatsachen, sondern als subjektive künstlerische Ausdrucksform angesehen. „Ich verstehe unter ehrlicher, ungekünstelter Fotografie, dass man sie als Medium benutzt. Jeder
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(aus der Serie Menschen im Fahrstuhl),
Heinrich Riebesehl http://de.photography-now.com/popup_ausst_2. php?id_ausstellungen=T09739 (letzer Zugriff: 11.01.2010)
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Stoff kann verschieden interpretiert werden und erfordert die phantasievolle und intelligente Objektivität hinter der Kamera.“ [01] Ende der 1930er, Anfang der 1940er Jahre wurde Fotografie vermehrt als soziales Dokument eingesetzt. Beeinflusst war dieser neue Ansatz durch die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise in den USA, welche die 1930er Jahre nachhaltig prägte. Die sozialen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen veränderten auch die Sichtweise vieler Fotografinnen und Fotografen. Vor allem in der US-Zeitschrift „LIFE“ spiegelte sich später diese Tendenz sehr deutlich wider. Als „Schaufenster zur Welt“ wurden Menschen und Dinge, Gesten und Empfindungen hinter Mauern und in verborgenen Räumen gezeigt und dokumentiert. Es folgten Zeiten des Krieges und des Grauens. Auch hier tat die Dokumentarfotografie ihren Dienst. Von ungeschönter Kriegsberichterstattung bis zu ästhetisch schöner Kriegsdarstel-
lung (vor allem für Propagandazwecke) war nun alles auf dem Bildermarkt vertreten. Den Weg um die Welt fanden die Bilder vor allem durch die Möglichkeiten der elektronischenr Bildübermittlung. In der Nachkriegszeit wurde die Dokumentarfotolandschaft vor allem durch die Agentur „Magnum“ geprägt, einer Fotoagentur von und für Fotografinnen und Fotografen. Die anfängliche Tendenz der Nachkriegsberichterstattung ging über in das Fotografieren von Fotoessays. Es ging nun darum, die Grenzen der Dokumentarfotografie auszuloten: „Es interessiert mich nicht, neue Dinge zu fotografieren. Ich will die Dinge neu sehen.“ [02] So begannen einige Fotografinnen und Fotografen in den 1960er Jahren, sich mehr mit der Bilderwelt von Alltagsthemen direkt vor ihrer Nase zu befassen. Ende der 1960er, zu Zeiten der Studentenbewegung, wurde auch die Fotografie von einem
tief greifenden Wandel erfasst. Sie zeichnete sich in dieser Zeit durch Experimentierfreude und Enthüllungen aus. Gleichzeitig sollten die mit Texten versehenen großen Fotoessays über Woodstock, die Studentenrevolten oder den Vietnamkrieg ein Gegengewicht zur Berichterstattung im Fernsehen sein. Jetzt ging es wieder darum, die Ereignisse und Besonderheiten einer Zeit festzuhalten – zu dokumentieren. Damit spielte der dokumentarische Anspruch von Fotografie auch in den späten Sechziger und frühen Siebziger Jahren eine wichtige Rolle. HEINRICH RIEBESEHL Bereits im ersten Jahr der „novum“ wurde noch über Dokumentarfotografie berichtet. Im Lauf der Zeit wandelten sich dann die Berichte in dem Grafikdesign-Magazin; Fotografie spielte eine immer untergeordnetere Rolle. Möglicherweise war es in der Anfangszeit des
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#4.1 fotografie : dokumentarfotografie in der novum am beispiel von heinrich riebesehl
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Magazins noch ein Anliegen, möglichst breit gefächert zu experimentieren – wie es eben auch in der Fotografie zu dieser Zeit üblich war. Auch Heinrich Riebesehl, dem ich mich im Folgenden besonders widmen möchte, stellt in der Juni-Ausgabe 1972 sein fotografisches Experiment „Selbstdarstellungen“ [03] vor. Heinrich Riebesehl, geboren 1938 in Lathen an der Ems, gilt mittlerweile als einer der bedeutendsten Fotografen seiner Generation. Neben seiner Drogistenlehre entwickelte er in den 1950er Jahren sein Interesse an der Fotografie und sammelte mit Reportagefotos für die Lokalzeitung erste Erfahrungen. Von
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1963 bis 1965 studierte er bei Prof. Dr. Otto Steinert an der Folkwang-Hochschule für Gestaltung in Essen. Während seiner Studienzeit fotografierte Riebesehl häufig Happenings. So entstand auch das bekannteste Bild von ihm, das Joseph Beuys mit blutender Nase zeigt. Nach seinem Studium arbeitete er als Pressefotograf, diesmal als Bildjournalist für die Hannoversche Presse. In dieser Zeit entstanden die Serien „Gesichter“ und „Menschen im Fahrstuhl“, für die er im Pressehaus in Hannover die mit ihm im Fahrstuhl mitfahrenden Menschen fotografierte. Im „novum“-Artikel wird hierzu aus einem Ausstellungskatalog des Kunstvereins Hannover zitiert: „Riebesehl
macht keine Schnappschüsse und er portraitiert auch keine Individuen, er hält vielmehr diese zwar banale, aber aufschlussreiche Situation fest: Menschen in einer Zwischensituation, in der sie nicht sind (oder nicht sein müssen), was zu sein sie vorgeben.“ [04] Für diese Arbeit erhielt Riebesehl auch internationale Aufmerksamkeit. 1968 begann er an der Fachhochschule Hannover zu unterrichten, wo er später (19841997) auch als Professor für Kunst tätig wurde. Um 1970 gelang Riebesehl der internationale Durchbruch durch seine subjektiven Fotografien, die dem „Magischen Realismus" zugeordnet werden können. Gemeinsam mit anderen Fotografen eröffnete er 1972 in Hannover die
03/04 Ein
fotografisches Experiment:
Selbstdarstellungen, Heinrich Riebesehl novum 06/1972 (S. 8-11.)
„Spectrum-Fotogalerie“, eine der ersten Fotogalerien in Europa. Hier sollte der Fotografie als junger Kunstform mehr Raum gegeben werden. Zu dieser Zeit arbeitete Riebesehl auch an seinem fotografischen Experiment „Selbstdarstellungen“, welches er in der „novum“ erstmals veröffentlichte. Bei dieser Arbeit war er weniger als Fotograf, sondern vielmehr als Regisseur oder Konzeptgeber hinter den Kulissen tätig. Über das Zustandekommen dieser Bilder schreibt er selbst: „Angeregt durch die Selbstauslöserfotos allein reisender Touristen, habe ich anlässlich einer Veranstaltung die Besucher gebeten, sich selbst mit der automatisch arbeitenden Kamera
04
zu fotografieren. Der Zeitpunkt des Auslösens konnte von den Abgebildeten mit Hilfe einer elektrischen Auslösetaste selbst bestimmt werden. Um durch meine Anwesenheit mögliche Beeinflussung auszuschließen, befanden sich die Personen allein mit der Kamera in einem abgeschlossenen Raum. Die Auswahl der Teilnehmer habe ich dem Zufall überlassen und außerdem jeden gebeten, nur einmal den Auslöser zu betätigen. Somit war bei der späteren Auswahl der fertigen Fotos eine subjektive Auswertung nicht möglich.“ [05] Nun stellt sich allerdings die Frage, ob hier überhaupt noch von Dokumentarfotografie gesprochen werden kann, vor allen Dingen, wenn der Fotograf selbst gar nicht mehr fotografiert.
Riebesehl tritt in dieser Arbeit so weit wie möglich in den Hintergrund, mit dem Ziel, ein möglichst authentisches Bild der Protagonisten zu bekommen. Er richtet alles so ein, dass er gar nicht anwesend sein muss und überlässt den fotografierten Menschen selbst den Moment des Auslösens. Damit gelangt er geschickt an die Selbstsicht der Menschen. Jede Sicherheit oder Unsicherheit wird so ungeschminkt sichtbar. Dies macht den Reiz dieser Bilder aus: sie wirken dadurch dokumentarisch. Sie zeigen einen Moment der Selbstbestimmung der Objekte, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit – etwas, das nicht wieder verbessert oder beschönigt werden kann und
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#4.1 fotografie : dokumentarfotografie in der novum am beispiel von heinrich riebesehl
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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letztendlich für sich selbst steht. Der Mensch in seiner Natürlichkeit vor einer Kamera – ein sehr faszinierendes Ergebnis. „Seine Serie „Situationen und Objekte“ (19701977) umfasst poetische, oftmals traumhaft und surreal anmutende Einzelbilder, bei denen visuelle Erlebnisse und persönliche Empfindungen im Mittelpunkt stehen. Sie wurde 1978 als erste Monographie eines lebenden deutschen Fotografen veröffentlicht. Nur zwei Jahre später erschien Riebesehls Publikation „Agrarlandschaften“, eine Serie, in der er die Aufnahmegegenstände direkt und ohne fototechnische Manipulation abbildet und die ihn als frühen Vertreter der wirklichkeitsbeschreibenden Fotografie in Deutschland bekannt machte.“ [06] Peter Sager nennt diese Fotografien „lakonische Fotografien einer lakonischen Gegend“ [07]. Diese direkte Abbildung der Aufnahmegegenstände, hier der Landschaft, machte ihn als frühen Vertreter der Wirklichkeitsbeschreibenden Fotografie in Deutschland bekannt. Somit
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prägte er auch maßgeblich den Begriff der Dokumentarfotografie zu seiner Zeit. ZUKUNFT DER DOKUMENTARFOTOGRAFIE – EINE EINSCHÄTZUNG. So wie die Dokumentarfotografie aus der Zeitschrift „novum“ verschwand, so verschwand sie auch aus vielen anderen Zeitschriften. Zeitschriften, die sich ausschließlich mit Dokumentarfotografie befassten, verschwanden nach und nach vom Markt. Heute begegnet man solchen Fotos häufiger in Museen oder einschlägigen Ausstellungen als in Magazinen. Gerade durch den Wandel der Dokumentarfotografie zum Fotojournalismus wurde beim Publikum ein neuer Wunsch nach mehr Quantität und Aktualität sehr deutlich spürbar. Grund dafür ist vielleicht die Bilderflut, die uns im digitalen Zeitalter eine Art Reizüberflutung beschert, nicht nur eine Bilderflut der stehenden Bilder, sondern auch der bewegten Bilder.
Der Wunsch nach Klarheit ist heute wieder zu erkennen, der Wunsch nach einem Foto, das eine Geschichte zu erzählen vermag und dabei nicht beliebig wird. So steigt seit der Jahrtausendwende wieder der Wunsch nach dem zeitgenössischen dokumentarischen Foto, zumindest im Galeristen- und Wissenschaftsbereich. Im Werbebereich ist ein Trend zum dokumentarisch, schnappschussartigen Foto zu erkennen. Es wird sich zeigen, wie sich dieses Genre weiterhin entwickelt.
05 Schillerslage
- Hannover (Agrarlandschaften) Oktober
1978. Gelatinesilberabzug, Heinrich Riebesehl http://www.artnet.com/Artists/LotDetailPage.aspxlot_id =7CA83B68BD8F5E6C54EEC1C92B542339
ENDNOTEN
[01] Abbot, Berenice, 1941; zit. n. Blecher, Helmut: Fotojournalismus, Hamburg, 2001, S. 26 [02] Haas, Ernst; zit. n. Blecher, Helmut: Fotojournalismus, Hamburg, 2001, S. 41 [03] Hilten, Theodor, Selbstdarstellungen. Ein fotografisches Experiment von Heinrich Riebesehl, Hannover. In: novum 06, 1972, S. 8-11 [04] Kat. Kunstverein Hannover, zit. n. Hilten, Theodor, Selbstdarstellungen. Ein fotografisches Experiment von Heinrich Riebesehl, Hannover. In: novum 06, 1972, S. 8-11 [05] Hilten, Theo-
dor, Selbstdarstellungen. Ein fotografisches Experiment von Heinrich Riebesehl, Hannover. In: novum 06, 1972, S. 8-11. [06] http://www.photography-now.com/popup_ausst_5.php?id_ausstellungen=T09739 (Letzter Zugriff: 18.01.2010)
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Cover der Novum, 3.1996– 6.2001
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#5.1
CORPORATE
Stefanie Kapp
GLOBALES DENKEN, LOKALES HANDELN – EIN LEITSATZ FÜR UNTERNEHMEN?! In der Zeit der Globalisierung müssen die Unternehmen unterschiedliche nationale Zielgruppen ansprechen. Anhand von in der „novum“ veröffentlichter Artikel soll die Entwicklung der Markenkommunikation hinsichtlich wachsender international ausgerichteter Firmentätigkeit aufgezeigt werden. Zudem wird sich der Kernfrage, inwiefern dabei eine standardisierte oder differenzierte Marketingstrategie verfolgt wird, gewidmet.
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#5.1 corporate : globales denken, lokales handeln – ein leitsatz für unternehmen?!
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
01
A
uch wenn Ladenketten wie Marks & Spencer, Marken wie Levi's oder Gucci oder Werbekampagnen für CocaCola überall auf der Welt zu finden sind: Der Geschmack der Käufer ist nicht so einfach zu globalisieren, wie Forscher noch Mitte der achtziger Jahre prophezeiten. [01] So kann schon die Geschmacksrichtung von Coca-Cola light innerhalb Europa variieren. Als ein weiteres Beispiel für das differenzierte Angebot eines Produkts wird in dem Artikel „Die unvereinten Nationen“ die an nationale Vorlieben angepasste Grundkollektion von Fossil genannt. [02] Der vorliegende Text wird weitere Beispiele auf Grundlage des in der „novum“ veröffentlichten Materials aufführen, anhand dessen die Entwicklung des interkulturellen Marketings sowie der Unternehmenskommunikation in Anbetracht der zunehmenden Globalisierung aufgezeigt werden soll. Außerdem soll die Frage, ob man die Aussage „Globales den-
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02
ken, lokales Handeln“ von Geert Hofstede für Marketingkonzepte global agierender Firmen standardisieren kann, behandelt werden. [03] DIE MARKE UND IHRE ENTWICKLUNG Zur Einführung in die Thematik wird in diesem Abschnitt kurz die Funktion der Marke erklärt, um dann einen kleinen Einblick in die Entstehung der Unterenehmensidentität zu geben. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass hinter einem erfolgreichen Produkt eine individuelle Marke steht. Diese sollte auf einer eigenständigen Persönlichkeit aufgebaut sein und die Grundlage aller Kommunikationswege und Verhaltenweisen bilden, um sich im wettbewerbsstarken Markt von der Konkurrenz abzuheben. Damit eine langfristige Vetrauensbasis zwischen Kunden und Produkt aufgebaut werden kann, ist es wichtig, dass die Marke in den drei Handlungsfeldern, dem Verhalten (Corporate Behaviour),
der Kommunikation (Corporate Communication) und dem visuellen Erscheinungsbild (Corporate Design) einheitlich und kontinuierlich sowohl nach innen als auch nach außen auftritt und sich immer flexibel weiterentwickelt. Idealerweise stimmen das definierte Selbstbild des Unternehmens mit dem vom Konsumenten wahrgenommenen Corporate Image (Fremdbild) überein, das von „subjektiver, medialer und praktischer Erfahrungen“ geprägt und „– je nach Bezugsgruppe – enorm variabel“ ist. [04] Die Entwicklung der Unternehmensidentität (Corporate Identity) wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika in Gang gesetzt. Am Anfang wurde unter diesem Begriff die Entwicklung eines Erscheinungsbildes und später das nach außen kommunizierte Image verstanden. Erst mit der wachsenden Bedeutung der strategischen Ausrichtung in den 1970er Jahren wurde zunehmend die Wichtigkeit der Unternehmensidentität erkannt.
01-02
Die zunehmend internationale
Unternehmensausrichtung der British Airways und der Deutschen BA soll anhand des neuen Erscheinungsbildes zum Ausdruck gebracht werden 03-04
Ein Beispiel für eine differenzierte
Werbestrategie ist die hier gezeigte Whisky-Werbung, die jeweils an die nationalen Trinkgewohnheiten angepasst ist
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In Deutschland gelten das von Peter Behrens um 1907 einheitlich umgesetzte „Firmengesicht“ für das Unternehmen AEG als Vorreiter. Aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkrieges wurde in Deutschland die Wichtigkeit einer Corporate Identity, deren Entwicklung im Idealfall die Vorrausetzung für den Erfolg einer Marke ist, erst viel später erkannt. Bedeutenden Einfluss auf die Identitätsentwicklung von Unternehmen in Deutschland hatte Otl Aicher mit der ganzheitlichen C.I.-Entwicklung der Olympischen Spiele 1972. In den 1970er Jahren kam es zu einer Vielzahl von internationalen C.I.-Entwicklungen wie z.B. von KLM, Audi, Volkswagen, C&A, Philipps, Braun AG, Beiersdorf AG. Ausschlaggebend hierfür war die zunehmend internationale Ausrichtung der Unternehmen. [05]
04
INTERKULTURELLE MARKETINGSTRATEGIEN ANGESICHTS ZUNEHMENDER GLOBALISIERUNG In diesem Abschnitt soll die Entwicklung der Unternehmensidentität und ihre Werbeund Kommunikationsstrategie anhand einer Auswahl von in der „novum“ veröffentlichten Artikel aufgezeigt werden. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der zunehmenden Globalisierung der Unternehmen. In der Zeit von 1985 bis Mitte der 1990er Jahre ist zu beobachten, dass die „novum“ vermehrt Artikel veröffentlicht hat, die die Entwicklung einer Unternehmensidentität sowie eines neuen Erscheinungsbildes beschreiben. [06] Das folgende Beispiel kann als Referenzbeispiel für Unternehmen gelten, die sich in den 1990er Jahren zunehmend auf eine internationale Firmentätigkeit ausgerichtet haben. Die neu definierte C.I. für die British Airways und die Deutsche BA zog eine zunehmend auf unterschiedlich regionale Zielgruppen ausgerichtete Unternehmenstätigkeit
mit sich, was anhand eines neuen Kommunikations-Design-Konzeptes visualisiert werden sollte. Deshalb intergrierte man in das Erscheinungsbild mehrere Entwürfe internationaler Künstler, die in ihren Bildern ein Abbild ihrer Heimat zum Ausdruck bringen sollten. [07] (Abb. 01, 02) Mitte der 1980er Jahre wird in der „novum“ mehrmals von Werbekonzepten berichtet, die erkennen lassen, dass fest definierte Alleinstellungsmerkmale immer wichtiger werden, um sich von den Konkurrenzprodukten abzuheben. Mit entsprechenden Werbebotschaften wird sich gezielt einer klar definierten Zielgruppe zugewendet. [08] Der Artikel „Anzeigenwerbung für Whisky“ von 1986 war einer der ersten Artikel in der „novum“, der die Tendenz einer Werbestrategie erkennen ließ, die gezielt auf die unterschiedlichen kulturellen Zielgruppen eingeht. In den meisten Bildmotiven der Whisky-Werbung wird auf die Trinkgewohnheiten der jeweiligen Nation eingegangen. So wird der Whsiky
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#5.1 corporate : globales denken, lokales handeln – ein leitsatz für unternehmen?!
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in den Werbeanzeigen einmal vornehmlich chambriert genossen (Abb. 03) oder der Inhalt der Werbung erinnert an die Trinkweise der Seeleute von damals (Abb. 04) . [09] Ein weiteres Beispiel, das sich lokal angepasster Werbestrategien widmet, wird in dem Artikel von 1997, der sich den Werbeaktionen des Goethe-Instituts für Deutsch als Fremdsprache widmet, beschrieben. Das Institut
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hat „ein buntes Panorama länderspezifischer Aktionen“ vorzuweisen. [10] So wird in Japan „neugierig auf Albert Einstein und die Bremer Stadtmusikanten, deutsches Gemüt und deutsche Sinnlichkeit“ gemacht; in Frankreich hingegen wird mit „Liebe und Leidenschaft“ geworben. [11] (Abb. 05, 06) Ein Beispiel für die expandierende Globalisierung von Firmen in den 1990er Jahren stellt
die zielgruppengerechte Einstiegskampagne einer karibischen Biermarke dar. Diese hat sich auf dem deutschen Markt, dessen Biermarkt von konventionellen Marken übersättigt ist, mit einem „freakigen“ unkonventionellen Internetauftritt in der jugendlichen Szene zu etablieren versucht. [12] (Abb. 07) Der 2004 erschienene Artikel, der sich den von Mercedes Benz in Auftrag gegebenen Messe-
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10 05-06
Das Goethe-Institut wirbt in unter-
schiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Attributen für die deutsche Sprache 07
Die karibische Bierbrauerei ist ein Beispiel
für die zunehmende Internationalisierung in den 1990ern: Mit einem unkonventionellen Onlineauftritt versucht die Marke auf dem gesättigten deutschen Biermarkt Fuß zu fassen. 08-10
Die Messeauftritte von Mercedes-Benz
sind jeweils den lokalen Bedürfnissen vor Ort angepasst (Bild 08: Genf, Bild 09: Tokyo, Bild 10: Paris)
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konzepten in Tokio, Genf und Paris widmet, zeigt ein aktuelles Beispiel einer Corporate Architecture-Konzeption, der eine kulturell differenzierte Zielgruppenstrategie zugrunde liegt. Die Marke „tritt den Menschen in den verschiedenen Ländern nicht als fremde deutsche Marke entgegen, sondern geht ... auf den jeweiligen kulturellen Rahmen ein.“ [13] (Abb. 08-10) Aufzuzeigen sind in diesem Zusam-
menhang zwei strategisch unterschiedlich aufgebaute Beispiele für Kundenmagazine, die von den Unternehmen seit Mitte der 1990er zunehmend als wichtige Form kontinuierlicher Kundenbindung angesehen werden. 1997 wurde von der Marke Audi AG beschlossen, zusätzlich zu der deutschen Hauszeitschrift eine internationale sowie eine italienische Ausgabe zu produzieren. [14] Die Strategie des
von Benetton herausgegeben Kreativmagazins Colors ist es hingegen, eine „gemeinsame visuelle Sprache zu finden, die jeder auf der Welt versteht.“ [15] Im gleichen Zusammenhang gibt der Leiter des Magazins jedoch zu, dass es mit diesem einheitlichen Konzept „auch schwieriger geworden ist die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen.“ [16] Bis auf das zuletzt vorgestellte Beispiel des
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#5.1 corporate : globales denken, lokales handeln – ein leitsatz für unternehmen?!
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Kundenmagazins Colors sind alle bisher aufgeführten Marketingstrategien individuell auf kulturelle Vorlieben eingegangen. Diese Tatsache könnte damit zusammenhängen, dass die vorgestellten Werbestrategien gezielt auf die breite Mittelschicht ausgerichtet sind. Bei dieser Gruppe sind die nationalen Unterschiede am deutlichsten ausgeprägt. Erklären könnte man sich dieses Phänomen aufgrund
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der Tatsache, dass diese Schicht genug Geld hat, um sich ihrem Geschmack entsprechende Produkte zu leisten, ihr Budget aber nicht für Marken globaler Trendsetter ausreicht. [17] Im Folgenden sollen Referenzbeispiele für Marken mit einheitlichen Werbe- und Kommunikationskonzepten aufgezeigt werden. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür stellt die international ausgerichtete Unternehmenskom-
munikation der deutschen Firma Picard dar. Mit dem entwickelten Konzept für einen Produktkatalog von 1998, der sich der „Art und Fashion“-Inszenierung bedient (Abb. 11), debütierte „die Marke den europäischen und asiatischen Markt“. [18] Der Luxusgüterhersteller ist mit seiner einheitlichen Werbestrategie weltweit erfolgreich, da er eine elitäre Zielgruppe anspricht. Laut dem Autor des Buches „Der
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Großen Erfolg hatte die Luxusmarke
Picard mit der global standardisierten "Art und Fashion"-Werbestrategie 12-13
Coca-Cola ist bis auf kleine
Nuancierungen ebenfalls mit einer global einheitlichen Werbestrategie erfolgreich
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Gentlemen“ folgt die Elite „einem einheitlichen Dresscode. Sie unterwirft sich überall willig dem Diktat der Trends.“ [19] Dass Marken wie McDonald’s, Coca-Cola (Abb.12, 13) oder Levi's Jeans ebenfalls mit globalen Marketingmethoden erfolgreich agieren können, liegt wohl daran, dass sie im Wesentlichen die jugendliche Zielgruppe ansprechen. [20] Sie weist im Wesentlichen ähnliche Inter-
essen und Wesenzüge auf. Dennoch werden auch bei diesen Marken „andere – wenngleich geringfügige Nuancierungen – vorgenommen“ – wie schon in der Einleitung anhand der verschiedenen Geschmacksrichtungen von CocaCola light aufgezeigt. [21] Eine ganz aktuelle und interessante Markenstrategie weist die Marke Juchheim auf. Das Unternehmen, das im Jahre 2007 in der „no-
vum“ vorgestellt wurde, verkauft deutsche Backkunst in Japan. Das Besondere dieser Marke ist die Verschmelzung der deutschen Wurzeln und der modernen japanischen Kultur in seinem Erscheinungsbild. Die Berücksichtigung beider Kulturen in der Unternehmenskommunikation garantiert der Konditorei seinen enormen Erfolg. [22] (Abb. 14-16)
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#5.1 corporate : globales denken, lokales handeln – ein leitsatz für unternehmen?!
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FAZIT: DIE WERBESTRATEGIE MUSS ZIELGRUPPENGERECHT AUSGERICHTET SEIN Auch wenn es kein Patentrezept für interkulturelles Marketing gibt, lässt sich anhand der aufgeführten Beispiele folgendes Fazit formulieren: Die Wahrnehmung von Farben und Symbolen, die traditionellen Wurzeln und Gewohnheiten sowie Wertevorstellungen verschiedener Nationen können ungemein variieren. Durch die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen ist eine differenzierte Produktstrategie sowie eine entsprechend angepasste Werbesprache immer wichtiger geworden und heute fast unabdingbar. Bei zielgruppenspezifischen Differenzierungen muss jedoch unbe-
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dingt darauf geachtete werden, dass – entsprechend Geert Hofstedes Richtlinie „Globales Denken, lokales Handeln“ – eine konsistente, der Unternehmensphilosophie angemessene Ansprache verfolgt wird, um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Konsumenten zu wahren. [23] Ein Unternehmen sollte sich bewusst sein, dass eine zielgruppengerechte Ansprache nicht nur – wie anhand der aus der „novum“ aufgeführten Beispiele - kulturellen Ursprungs sein kann. Die Unterschiede können auch soziologischen, ethnischen oder religiösen Ursprungs sein. Somit muss die Kommunikation „je nach Fall ... lokal, mal regional, mal global“ angepasst werden. [24]
Luxusmarken, die mit ihren Produkten und ihrer Kommunikation die Oberschicht ansprechen, können mit einer einheitlichen Werbestrategie weltweit erfolgreich sein. Auch die Marken, die vor allem auf die jugendlichen Konsumenten ausgerichtet sind, können mit einer global standartisierten Marketingsprache zu recht kommen. Wobei auch hier geringfügige Anpassungen vorgenommen werden müssen.
14-16
Das Backunternehmen Juchheim
kann sich erfolgreich auf dem japanischen Markt behaupten, da es in seinem Erscheinungsbild seine deutschen Wurzeln sowie die moderne japanische Kultur berücksichtigt
16
ENDNOTEN [01] Hüttl, Tina: Die unvereinten Nationen. In: Spiegel (Hamburg), Nr. 12, 2004, S. 7. [02] Hüttl, Tina: Die unvereinten Nationen. In: Spiegel (Hamburg), Nr. 12, 2004, S. 8-11. [03] Hofstede, Geert:
Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management, München 2006. [04] Corporate Identity und Corporate Design. Neues Kompendium, hrsg. v. Matthias Beyrow, Petra Kiedaisch und Norbert Daldrop. Ludwigsburg 2007, S. 8-61. [05] Corporate Identity in Europa. Strategien, Instrumente, erfolgreiche Beispiele, hrsg. v. Klaus Schmidt. Frankfurt a. M. 1994, S. 15-20. [06] Vergleich: Leu, Olaf: Telekom. In: novum (München), Nr. 6, 1994, S. 41; Halas, John: Telecom. In: novum (München), Nr. 3, 1984, S. 18. [07] Nitsch, Brigitta: Neue Corporate Identity für British Airways und Deutsche BA. In: novum (München), Nr. 10, 1997, S. 69. [08] U.a.: Cristoph, Tobias: Anzeigenwerbung für Fotokameras. In: novum (München), Nr. 8, 1985, S. 30-35; Lehmann, Horst F.: Anzeigenwerbung für Computer. In: novum (München), Nr. 10, 1985, S. 38-45; Cristoph, Tobias: Anzeigenwerbung für Tabakwaren. In: novum (München), Nr. 5, 1984, S. 38-45. [09] Christoph, Tobias: Anzeigenwerbung für Whisky. In: novum (München), Nr. 1, 1986, S. 30-35. [10] Schalle, Susanne: Lust auf Deutsch? Sympathiewerbung für eine Sprache. In: novum (München), Nr. 9, 1998, S. 44. [11] Schalle, Susanne: Lust auf Deutsch? Sympathiewerbung für eine Sprache. In: novum (München), Nr. 9, 1998, S. 45. [12] Richter, Uwe: Beer from Outer Space. Eine Brauerei aus Argentinien geht ins Internet. In:
novum (München), Nr. 3, 1998, S. 62. [13] Rohrer, Christoph und Michael Keller: Tokio, Genf, Paris: Drei starke Auftritte. In: novum (München), Nr. 6, 2004, S. 38. [14] Lechner Herbert: „Audi – das Magazin“. Vorsprung durch Design. In: novum (München), Nr. 8, 1997. S. 10-15. [15] Andersen, Kurt: Back to the roots - Colors. In: novum (München), Nr. 9, 2004, S. 10. [16] Andersen, Kurt: Back to the roots - Colors. In: novum (München), Nr. 9, 2004, S. 10. [17] Hüttl, Tina: Die unvereinten Nationen. In: Spiegel (Hamburg), Nr. 12, 2004, S. 11. [18] Schaller, Susanne: Inszenierung eines Accessoires. Der neue Picard-Katalog. In: novum (München), Nr. 7, 1998, S. 32. [19] Hüttl, Tina: Die unvereinten Nationen. In: Spiegel (Hamburg), Nr. 12, 2004, S. 11. [20] Ulrich, Bettina: Leuchtende Weihnachtszeit. In: novum (München), Nr. 12, 2002, S. 36-37; Schaller, Susanne: Marken erleben online. In: novum (München), Nr. 9, 2003, S. 42-43. [21] Strunz, Herbert und Monique Dorsch: Internationale Märkte, Oldenbourg 2001, S. 97. [22] Moosmann, Christine: Deutsche Backkunst in Japan. In: novum (München), Nr. 6, 2007, S. 44. [23] Lokal oder Global? Strategien und Konzepte von Kommunikations-Profis für internationale Märkte, hrsg. v. Klaus-Peter Johannsen und Ulrich Steger, Frankfurt am Mainz 2001, S. 12. [24] Lokal oder Global? Strategien und Konzepte von Kommunikations-Profis für internationale Märkte, hrsg. v. Klaus-Peter Johannsen und Ulrich Steger, Frankfurt am Mainz 2001, S. 12.
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#5.2 corporate: trend : corporate book
Sarah Nickel
TREND: CORPORATE BOOK Dem Bereich der Unternehmenskommunikation wird immer mehr Bedeutung zugemessen. Eine spezielle Gattung stellt dabei das Firmenbuch dar. Doch was genau umfasst den Begriff des „Corporate Books“? Wie entstand dieses Genre; wie entwicklete es sich? Und vor allem: Was dürfen wir in Zukunft noch von dieser besonderen Publikationsform erwarten?
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#5.2 corporate : trend: corporate book
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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eit 2002 findet der Begriff „Corporate Book“ mehr und mehr Verwendung. Er lehnt sich an die bereits existierenden Begriffe der „Corporate Identity“ und des „Corporate Designs“ an und meint ein Unternehmensbuch: „Unter Corporate Books versteht man alle Arten von gedruckten Publikationen, die von Unternehmen herausgegeben werden, über den Umfang von 48 Seiten hinausgehen und zu einem besonderen, meistens einmaligen Anlass erscheinen.“ [01] Anlässe sind beispielsweise Festschriften zu Firmenjubiläen oder Vorstellungen neuer Prämienprodukte. Diese besondere Form des Buches wird zu Werbezwecken veröffentlicht und dient somit der Kundenbindung und -pflege. Es kann ein Geschenkbuch eines Unternehmens sein und
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im Auftrag des Unternehmens gedruckt werden oder, je nach öffentlichem Interesse, auch in einem Verlag erscheinen. DIE ANFÄNGE Mit Beginn des neuen Jahrtausends setzten sich Unternehmen zunehmend mit ihrer eigenen Firmen-Philosophie auseinander und dementsprechend gewinnt das Thema der Unternehmenskommunikation zunehmend an Bedeutung. Ohne das der Begriff „Corporate Book“ bekannt war, hat Otl Aicher bereits in den 1980er Jahren diese neue Buchform erarbeitet, als er zusammen mit Gerd Bulthaup das Buch „Die Küche zum Kochen“ (Abb. 01) veröffentlichte, in dem sich der Küchenhersteller „bulthaup“ mit der Geschichte und dem Themenfeld „Design
und Küche“ befasste [02]. Nachdem Aicher dann Mitte der 1980er Jahre zusammen mit FSB, einem Hersteller von Tür- und Fenstergriffen, begann, sich mit dem Themenfeld „Greifen und Griffe“ (Abb. 02, 03) auseinander zu setzen – Erkenntnisse, die 1987 unter dem gleichnamigen Titel in einem „Corporate Book“ publiziert wurden [03] – löste Aicher den Trend hin zum Corporate Book aus. TRENDENTWICKLUNG Das „Forum Corporate Publishing“ [FCP] wurde 1999 von Mediendienstleistern in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet und kürt jährlich auch das beste „Corporate Book“. Nur vereinzelt stellt die „Novum“ ab 2001 in knapper Form Neuerscheinungen dieser Un-
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Otl Aicher [bulthaup]: „Die Küche zum Kochen. Das
Ende einer Architekturdoktrin.“ 02 + 03 Otl
Aicher, Robert Kuhn [FSB – Franz Schneider
Brakel]: „Greifen und Griffe“ 04, 05
„RWE Bau-Handbuch mit EnEV 2007“
Herausgeber und Verlag: VWEW Energieverlag GmbH, Frankfurt – Berlin – Heidelberg
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ternehmensbücher vor. Seit 2006, erst sieben Jahre nach der Gründung des Forums, berichtet die Zeitschrift jährlich einmal über das Forum und dessen Statistiken im Bereich „Corporate Publishing“. WIE ENTSTEHT EIN „CORPORATE BOOK“? Ein Unternehmen beauftragt eine Agentur oder einen Verlag mit einem „Corporate Book“. Meist verlangt die Arbeit daran einen großen Aufwand: Die Inhalte müssen redaktionell, wissenschaftlich oder/und journalistisch aufgearbeitet und die Ergebnisse konzeptionell und gestalterisch umgesetzt werden: „Es gibt zunehmend Beispiele, dass namenhafte Fachverlage und große Werbeagenturen einen attraktiven CP-Auftrag an Land ziehen und da sie ihn selbst nicht bewältigen können, ein
FCP-Mitglied [Forum Corporate Publishing] damit beauftragen müssen“, sagt Manfred Hasenbeck, erster Vorsitzender des FCPs. [04] In der „Novum“ von Juli 2002 bis Dezember 2003 erschien monatlich ein Interview zwischen Peter Martin und Daniel Karczinski und einem Vertreter der Grafikszene. Diese Artikel befassten sich auch mit dem Corporate Design der Zukunft. Bruno Redelberger, für den Bereich Corporate Design der AUDI AG zuständig, äußerte sich im Interview folgendermaßen: „Das ist wirkliches Kommunikationsdesign: In der Lage zu sein, die Seele einer Marke zu erfassen und sie zum Ausdruck zu bringen.“ [05] Ein Corporate Book eignet sich also perfekt, um Markenidentität und –werte zu vermitteln. Deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit dem Unternehmen so wichtig.
ARTEN DES BUCHES UND POSITION DES UNTERNEHMENS Beim „Corporate Book“ unterscheidet Petra Kiedaisch, Geschäftsführerin der avedition GmbH, ein informierendes und erzählendes Konzept. Das informierende Konzept beschränkt sich auf reinen Faktentransfer. Es umfasst Handbücher, Fachbücher und Berichte. Seit mehr als 30 Jahren bewährt sich etwa das von neutralen Fachautoren verfasste „RWE Bau-Handbuch“ (Abb. 04, 05), ein praxisorientiertes Standardwerk für energiesparende Bau- und Haustechnik. Es hat einen Umfang von nahezu 1000 Seiten und enthält über 900 Grafiken und Tabellen. Zielgruppe sind Architekten und Bauplaner; es wird aber auch in Schulen wie Hochschulen als Lehrmittel eingesetzt.
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#5.2 corporate : trend: corporate book
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Das erzählende Konzept wird auch „Storytelling“ genannt. Bereiche sind Festschriften, Imagebücher und Dokumentationen besonderer Events. Geschichten sollen auf emotionale Weise für das Unternehmen werben und bieten eine bessere Form des Lesegenusses als es eine Kundenzeitschrift durch die Flut ihrer Werbeinformation ermöglichen kann. Ein besonders gelungenes Beispiel ist meines Erachtens das Unternehmensbuch: „MINI. The Book“ (Abb. 06, 07), das anlässlich des 100. Geburtstags des Erfinder
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des „MINI Classic“ und dem Launch des neuen MINI 2006 erschienen ist. Zielgruppe sind Design-Liebhaber, Gestalter und AutomobilFans gleichermaßen. Auf 200 Seiten wird die Geschichte des neuen MINI dargestellt. Zehn Künstler und Fotografen aus aller Welt setzen das Auto spannend in Szene. Das Fahrzeug wird als Teil eines Lebensgefühls und Bereich einer Lifestyle-Welt inszeniert. Eine Unterteilung in informierende und erzählerische Konzepte ist meist direkt ersichtlich.
Ideal fände Kiedaisch aber eine Kombination aus beidem. Jedoch gibt es meiner Meinung nach auch Publikationen, die weder Faktentransfer betreiben, noch Geschichten erzählen, etwa das Unternehmensbuch „20 Gründe wider den VSF“, das zum 20. Jubiläum des Verbunds Selbstverwalteter Fahrradbetriebe [VSF] erschien (Abb. 08, 09) . Auf humorvolle Weise werden hier zwanzig gängige Vorurteile über den Verein aufgeführt. Das Buch zeigt eine völ-
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09 06+07 „ MINI
The Book.“
Herausgeber: Bayrische Motorenwerke AG u. Mini Brand Management Realisation: Hoffmann und Campe 08+09
„Zwanzig Gründe wider den VSF“
Herausgeber: VSF Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe e.V. Realisation: echtweiß | Corporate Design 10
„Warum sind Sie reich, Herr Deichmann? Die
Deichmann-Story: über den Umgang mit Geld und Verantwortung.“ Herausgeber und Realisation: Scm R. Brockhaus
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lig andere Herangehensweise an das Thema „Festschrift“. Ein sehr interessanter Aspekt ist, welche Position ein Unternehmen im Buch einnimmt. Es kann eindeutig als Herausgeber in Erscheinung treten. Dies ist unter anderem bei Statements oder Fachbüchern von Vorteil, bei dem ein Unternehmen Präsenz zeigt. Manchmal kann es aber auch für das Unternehmen hilfreich sein, im Hintergrund zu bleiben. „Warum sind Sie reich, Herr Deichmann?
Die Deichmann Story: über den Umgang mir Geld und Verantwortung.“ (Abb. 10), eine Biografie zum achtzigsten Geburtstag des Firmengründers und zugleich zur Eröffnung der 1000. Filiale, kann dafür als Beispiel dienen. Verfasst wurde das Buch von den Autoren Andreas Malessa und Hanna Schott. Aus einer vermeintlich neutralen Perspektive geschrieben, wirkt das Buch sichtlich glaubwürdiger.
EIN ALLESKÖNNER Das Corporate Book ist ein wahrer Alleskönner: „Gut drei Duzend internationale Studien belegen mittlerweile, dass CP-Publikationen den Markenwert erhöhen, den Umsatz steigern und die Kundenbindung unterstützen.“ Ein Unternehmen kann auch neue Themenfelder für sich besetzen, so geschehen im zahlreich prämierten und qualitativ hochwertigen Buch: „Discover Steel #3: Das große Stahlbuch. Zutaten, Köche und Rezepte“ von Tys-
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#5.2 corporate : trend: corporate book
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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senKrupp (Abb. 09, 10). Beruhend auf dem Begriff des „Stahlkochens“ wird gekonnt vom klassischen Bild des Kochens ein Bogen zur HighTech-Produktion von Stahl geschlagen. WIRKUNG: DIE EMOTIONALE KRAFT Es ist die Aufgabe des Layouts Gefühle zu transportieren: „Schneller als jeder Text kann Gestaltung Emotionen auslösen, Begehrlichkeit wecken, Identifikationen erzeugen“, meint Theo Probst-Bartolomee, Creative Direktor wdv Gesellschaft für Medien und Kommunikation. Fotos, Zeichnungen und Texte können dies vermitteln und hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Der beste Beleg dafür, wie eine solche Beziehung geschaffen werden kann, stellt „Das Wörterbuch Ohrenkuss“ (Abb. 11, 12), dar, das anlässlich des zehnten Geburtstags des Magazins „Ohrenkuss“ erschien und in dem Menschen mit Down-Syndrom in eigenen Texten ihre ganz persönliche Sicht der Dinge erzählen.
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AUSBLICK Große Konzerne wie BMW, Siemens oder Audi haben den Wert eines Unternehmensbuchs zeitig erkannt. In Zukunft werden „Corporate Books“ wohl auch in mittelständischen Unternehmen zunehmen. Bezüglich des BCP Best Corporate Publishing 2008 heißt es: „Gerade die optische Qualität von Unternehmenspublikationen hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Das stellen die Ergebnisse des Wettbewerbs erneut unter Beweis.“ Auch nimmt die Zahl der Einsendungen zum Wettbewerb und die Mitgliederzahl des FCP jährlich zu. Die Vielfalt an gestalterischen Möglichkeiten ist riesig und längst nicht voll ausgeschöpft. Neue Konzepte, ungewöhnliche Layouts und Materialien warten darauf, zum Einsatz zu kommen. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das „Corporate Book“ in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Wenn mehr Unternehmen diese Form der Kommunikation entdecken
und sie gekonnt nutzen, hat es vermutlich eine Tragweite, die wir momentan noch gar nicht ermessen können. ANHANG Es gibt einen Studiengang „Corporate Publishing“. Dieser kostet 5.500 Euro pro Semester (www.LeipzigSchoolOf Media.de). Weiterhin wird ein kostenpflichtiger Weiterbildungskurs von der „Akademie des deutschen Buchhandels“ und dem „Forum Corporate Publishing“ angeboten (www.buchakademie.de). Einige Agenturen haben sich auf den Bereich des „Corporate Books“ spezialisiert, z.B.: „Hoffmann und Campe“, „avedition“, „Knesebeck“ und „Companions“.
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„Discover Steel #3: "Das große Stahlbuch" Zuta-
ten, Köche und Rezepte.“ Herausgeber: ThyssenKrupp AG Realisation: haefelinger + wagner design GmbH 13+14
„Ohrenkuss. Das Wörterbuch“
Herausgeber: Andreas Malessa u. Hanna Schott [downtown - werkstatt für kultur und wissenschaft, Bonn] Realisation: Kesselskramer, Amsterdam
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ENDNOTEN [01] Beyrow, Matthias; Petra Kiedaisch u. Norbert W.: Corporate Identity und Corporate Design. Neues Kompendium, Ludwigsburg 2007 [02] Aicher, Otl: Die Küche zum Kochen. Das Ende einer Architekturdoktrin, München 1983. [03] Aicher, Otl u. Robert Kuhn: Greifen und Griffe. Brakel 1987. [04]
Zehn Jahre Forum Corporate Publishing. Ein Interview mit Manfred Hasenbeck, Erster Vorsitzender des FCP. In: Novum (München), Nr. 09, 2009, S. 20. [05] Martin, Peter u. Karczinki, Daniel: Branding Interface. In: Novum (München), Nr. 8, 2003, S. 16-19. [06] Lechner, Herbert: Ein Forum für Corporate Publishing. In: Novum (München), Nr. 5, 2006 (Beilage "Novum plus"), S. 36 f. [07] Lechner,
Herbert: Dialog der Medien. In: Novum (München), Nr. 11, 2008, S. 22. [08] Die Gedanken, Ideen und Emotionen der Menschen erscheinen ungeschönt und orthografisch unverändert in Wörterbuchform. Illustriert wird das Buch durch authentisch wirkende Porträts von Menschen mit Down-Syndrom. Ins Leben riefen das Projekt Ohrenkuss Bärbel Peschka und die Humangenetikerin Katja de Braganca durch eine Förderung der Stiftung Volkswagen. [09] Lechner, Herbert: Corporate Publishing: Starke Töne im Medienkonzert. In: Novum (München), Nr. 9, 2008, S. 22 f.
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Cover der Novum, 7.2001– 8.2005
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#6.1
TYPOGRAFIE
Anne Walter
HERB LUBALIN: SCHRIFTSCHMIED UND REGELBRECHER Herb Lubalin zählte viele Erfolge auf den verschiedenen Gebieten der Visuellen Kommunikation, aber am kreativsten war er in der Schriftgestaltung, einem Bereich, in dem er in seiner Zeit so dominierend war, wie wenige andere. In Lubalins Händen wurde aus Typografie mehr als nur die „Strukturierung von Text“ oder eine „leserfreundliche Organisation“. Er war der Vater der konzeptuellen Typografie.
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#6.1 typografie : herb lubalin : schriftschmied und regelbrecher
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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T
EXT IST KÖRPER UND GEIST, TYPOGRAFIE IST KLEIDUNG UND AUFTRETEN. Die Buchstaben einer abgetippten Schreibmaschinenseite haben die Anonymität von Menschen auf einer Tribüne aus 150 Metern Entfernung betrachtet – alle mit dem Anspruch einer genormten Sitzplatzgröße, unabhängig von ihrem Körpergewicht. Die Buchstaben einer gestalteten Anzeigenseite haben die Persönlichkeit von Menschen, aus der Nähe betrachtet – jeder an dem Platz, an dem er sich optimal entfalten kann. Schriftarten haben menschliche Züge: groß, klein, fett, mager, alt, alltäglich, apart, erfolgreich, ausgeglichen, kräftig, usw. Schriften haben Namen, Familien, Charaktere und werden als Typen bezeichnet – wie Menschen. Die Schriftart entspricht der Stimme, der Schriftcharakter dem Dialekt, die Schriftgröße der Lautstärke, die Interpunktion dem Rhythmus. Typografie hat die Funktion, Sprache ihrem
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Inhalt gemäß zu dokumentieren und den Text so zu strukturieren, dass sich eine leserfreundliche, interessante Organisation ergibt. Die visuelle Ästhetik in der Gestaltung mit Schrift gründet sich auf gegensätzlich dosierten Disharmonien – „Goldener Schnitt“: Zwei gleiche Hälften sind langweilig, ausgewogene Kontraste wirken harmonischer. Ein einzelner Buchstabe im großen freien Umfeld hat den Blickfang eines einsamen Menschen in einer großen Halle – oder steht im Kontrast zu einer Menschenmenge in einem winzig kleinen Zimmerchen. Herbert – „Herb“ – Frederick Lubalin war ein mehrfach ausgezeichneter US-amerikanischer Grafikdesigner und einer der bedeutendsten Schriftgestalter der 1960er und 1970er Jahre. [01] Seine vielschichtige Aufgabe bestand darin, einer Botschaft visuellen Ausdruck zu verleihen, um Produkte zu verkaufen. Sein grafisches Konzept vereinte Textmaterial, Kunst
und Typografie. Er brach mit Typo-Regeln, Tabus und typischen Erkennungszeichen des bisherigen Typo-Designs und gab ihm Persönlichkeit. Lubalin war der Vater der konzeptuellen Typografie. Buchstaben sind nicht mehr nur eine Form, sondern werden zu Objekten mit Bedeutung (Abb. 01). Anfang des 19. Jahrhunderts bestand Werbung meist aus einer grob angefertigten einseitigen Anzeige, die lediglich die wichtigsten Informationen beinhaltete: wo gibt es was zu kaufen und wie viel kostet es. Zu jener Zeit haben vor allem Hersteller von „PatentMedicine“ Anzeigen (Abb. 04) aufgegeben. Zusammen investierten sie nur sieben Millionen Dollar und es gab weniger als 100 Werbeagenturen. Anfang der 1980er Jahre gab es nahezu 10.000 Werbeagenturen. Und nur die 100 wohlhabendsten amerikanischen Firmen alleine investierten über 12 Milliarden Dollar für Produktwerbung. Lubalin machte bereits
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Logo „Mother & Child“, 1965. Entworfen für ein
In: Novum (München), Nr. 6, 1984, S. 4–11.
Magazin, das niemals veröffentlicht wurde. Vgl. Snyder,
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Gertrude und Alan Peckolick: Herb Lubalin: Art Direc-
Jahr unbekannt. Vgl. Quelle: www.paris.blog.lemonde.fr
Anzeige für ein Schmerzmittel, gestaltet von Lubalin,
tor, Graphic Designer and Typografer, New York 1985.
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Logo „Marriage“, 1965. Logo „Families“, 1980. Vgl.
Jahr 1866. Vgl. Quelle: www.sonofthesouth.net
„Patent Medicine“ Anzeigen in einer Zeitung aus dem
Quelle: www.38one.com 02 Zitat von Herb Lubalin. Vgl. Urban, Dieter: Typografie: Luxus oder Notwendigkeit?
Anfang der 1940er Jahre den ersten Schritt in Richtung international anerkannter Grafik in New York. [02] AVANT GARDE – „DIE MEIST-MISSBRAUCHTE SCHRIFT DER WELT.“ TONY DI SPIGNA [03] Eigentlich sollte Avant Garde keine Schrift werden. 1968 entstand in New York die Idee für eine Zeitschrift mit diesem Titel (Abb. 05). Es sollte ein intelligentes, fröhliches Kunst- und
Politmagazin werden, für Leute, die ihrer Zeit voraus waren. In Anlehnung an den Start eines Flugzeugs entwickelte Lubalin das Logo der Zeitschrift – einzigartig und vollkommen neu. Als Werber und Art-Direktoren die Buchstaben für ihre eigene Arbeit verwenden wollten, wurde 1970 das Logo zum Alphabet (Abb. 06) ausgebaut. Wenig später konnte man sich Headlines bei Photo Lettering in Avant Garde setzen lassen, doch die Setzerei benutzte die Schrift ohne
Genehmigung. [04] Um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben, erstellte Tom Carnase einen Satz Schriftmusterkarten. [05] Mit diesen bewarb er sein Büro Lubalin Smith Carnase als die einzige autorisierte Avant-Garde-Setzerei. Bald konnten sie sich vor Aufträgen kaum noch retten. Als Folge wurde 1970 die International Typeface Corporation (ITC) durch Herb Lubalin, Aaron Burns und Ed Rondthaler gegründet. Kaum eine Schrift gibt derart lupenrein einen
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#6.1 typografie : herb lubalin : schriftschmied und regelbrecher
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Zeitgeist wider, wie die konstruierte Avant Garde. Sie stammt aus einer Zeit eines ungetrübten Technikglaubens: Der erste Mondbesuch stand bevor. Die Zeitgebundenheit macht Avant Garde für heutige Kommunikationsaufgaben unbrauchbar – es sei denn man gestaltet 70er-Jahre-Zitate – was aber Typo-Laien wenig stört. [06] Die revolutionäre Idee hinter ITC: Schriften entwerfen und unabhängig vom Satzsystem verfügbar machen. Eine wesentliche Vorraus-
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setzung für die Verbreitung neuer Schriften war der Fotosatz, der in den 1970er Jahren nach und nach den Bleisatz ersetzte. Die Neuerung bestand darin, dass Drucksachen nicht mehr aus Bleilettern oder -zeilen zusammengesetzt wurden, sondern über reprografische Belichtungstechniken gewonnen wurden. [07] Die Fotosatzgeräte der 1970er und 1980er wurden mit Bestandteilen der Computertechnik aufgestückt und wurden so auch für den Mengensatz produktionstauglich. Lubalin
wuchs in dieser Zeit des technischen Wandels auf. Balancierend am Rande der typografischen Unmöglichkeiten (Avant Garde) war er ein Vorreiter beim Gebrauch des Fotosatzes – oder des Missbrauchs, wie manche Kritiker sagen. Aber Regeln waren, wie er merkte dazu da, gebrochen zu werden. Lubalin löste sich von der alten Vorstellung von Weißraum und der Regel „weniger ist mehr“. Er glaubte, dass „mehr“ besser sei und dass es die ganze Seite belebe. [08] Die Erfin-
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Avant Garde Zeitschriften-Cover, Ausgabe 4, 13, 11,
5, 14 (v.l.n.r.), 1968–1970. Vgl. Quelle: www.flickr.com 05 06
dung des Fotosatzes ließ einen ungeheuren Bedarf an neuen Auszeichnungsschriften entstehen, wobei der Stil der ITC stark von ihren Schriftgestaltern geprägt wurde – dem Zeitgeist entsprechend, runde, plakative Formen, teils verspielt mit eigenwilligen Ligaturen und Zierbuchstaben. [09] Um die Fülle an neuen Schriften weltweit verfügbar zu machen, brachte Lubalin 1973 die Hauszeitschrift „U&lc.“ heraus. [10] Bislang waren Schriften und deren Lizenzie-
Avant Garde Gothic Schriftbeispiel. Vgl. Quelle:
www.blogotype.co.uk
rung an das jeweilige Satzsystem eines Schriftenherstellers gebunden. „DIE FRAGE IST, WIE WIR LESER ANSPRECHEN KÖNNEN, DIE DURCH IHR PAUSENLOSES FERNSEHEN ABGELENKT SIND. DIE ANTWORT IST SCHRIFT! BESSERE SCHRIFT UND EINE GANZE MENGE MEHR DAVON!“ ROGER BLACK (1988) [11] Die 1970er Jahre waren eine Zeit des heftigen Umbruchs für die ganze Werbebranche, aber wenn es um die Ankündigung der
eigenen Produkte ging, blieben die großen Schrifthersteller bei der alten Form: streng, möglichst edel, übersichtlich und klar strukturiert. Und dazwischen die U&lc. Was heute bereits Klassiker-Status hat, erschien damals als bestauntes Experiment. Im eigentlichen Sinne war dieses internationale Typojournal (Abb. 07), ein Schriftmusterblatt, das die neuen, der ITC zur Verfügung stehenden Schriften in besonders appetitlichen Anwendungen präsentieren sollte. Je-
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#6.1 typografie : herb lubalin : schriftschmied und regelbrecher
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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doch ist es auch eine Fachzeitschrift, die die Vorteile der neuen Satztechnologie behandelt. Äußerlich wirkt die „U&lc.“ wie eine Zeitung, ist allerdings innen von Lubalin komplett durchgestaltet. Seine Fähigkeit, Maßstäbe und Schattierungen, Farben und Kontraste zu handhaben, ohne die Funktion dabei aus den Augen zu verlieren, ist beeindruckend. Er betonte die Unterschiede zwischen Schriftart, Schriftgrad und Schriftvarianten, arbeitete
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Gegensätze heraus und überbrückte sie mit Akzenten, Linien, Verzierungen und Abbildungen und erzielte damit Lösungen, die oft witzig waren und selten nur klug konstruiert wirkten. Fast drei Jahrzehnte nach Lubalins Tod kann man sagen, dass sein starkes Gespür für gute Typografie das Werbe-, Magazin- und Verpackungsdesign so sehr veränderte, dass man diese Ära als „Lubalinesque“ bezeichnen
könnte. Ohne ihn würden wir vielleicht immer noch langweilige, gesichtslose Anzeigen gestalten, weil wir nichts anderes kennen. Heute machen wir Design für Kommunikation, wie es Lubalin uns vorlebte.
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„U&lc.” Cover von Herb Lubalin, aus diversen
Jahren. Vgl. Quelle: www.paris.blog.lemonde.fr 08
Herb Lubalin, 1975. Vgl. Snyder, Gertrude und Alan
Peckolick: Herb Lubalin: Art Director, Graphic Designer and Typographer, New York 1985. Abb. Kapitelanfang Typografisches
Selbstportrait für eine
Ausstellung im American Institute of Graphic Arts, ohne Jahresangabe. Vgl. Snyder, Gertrude und Alan Peckolick: Herb Lubalin: Art Director, Graphic Designer and 08
Typografer, New York 1985.
ENDNOTEN [01] Herbert – „Herb“ – Frederick Lubalin wurde im März 1918 in New York City geboren und starb dort im Mai 1981. [02] Vgl. Snyder, Gertrude und Alan Peckolick: Herb Lubalin: Art Director, Graphic Designer and Typographer, New York 1985. [03] Tony Di Spigna war Partner von Lubalin, vgl. Quelle: www.100besteschriften.de [04] Photo Lettering war eines der ersten Schrifthäuser, das die Technik des Fotosatzes erfolgreich für kommerzielle Typografie genutzt hat. [05] Tom Carnase war Partner von Lubalin und Mitentwickler der Avant Garde Schrift. [06] Edward Ronthaler begann bereits 1936 den manuellen Fotosatz zu entwickeln. [07] Dauerhafte lichttechnische Reproduktion von Vorlagen, ähnlich
wie in der Fotografie. [08] Vgl. Snyder, Gertrude und Alan Peckolick: Herb Lubalin: Art Director, Graphic Designer and Typographer, New York 1985. [09] Für Hervorhebungen im Text oder Textstrukturen eingesetzte Schriften, z.B. kursiv, Halbfett, Kapitälchen etc. [10] Upper and lower case (Groß- und Kleinbuchstaben) [11] Roger Black war Redaktioneller Mitarbeiter bei der „U&lc.“, vgl. Quelle: Lechner, Herbert: U&LC – Der Revolutionäre Klassiker. In: Novum (München), Nr. 3, 2006, S. 18–19.
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Cover der Novum, 9.2005– 12.2009
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#7.1
BUCHGESTALTUNG
Désirée von Canal
LIES MICH! Wie kommt ein Buch zu seinem Cover? Das ist manchmal gar nicht so leicht zu beantworten. Ein fertiges Buchcover muss viele Hürden nehmen, bis es vom Leser in Augenschein genommen werden kann. Wie groß diese Hürden manchmal sein können und was Verlage, Agenturen und der Markt damit zu tun haben, versucht der folgende Artikel zu durchleuchten.
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#7.1 buchgestaltung : lies mich!
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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enn man heute in eine Buchhandlung geht, erkennt man das Genre eines Buches bereits am Cover. Was bedeutet, dass es guten Büchern droht, in der Banalität der Gestaltung unterzugehen. Ebenso wird literarische Massenware durch einheitliche Covergestaltung, vor allem innerhalb eines Genres, deutlich hervorgehoben. Der Trend zur Vereinheitlichung wird immer konkreter. Wie es zu dieser Entwicklung kam und warum es so schwer ist diesem Trend auszuweichen, bzw. ob das nötig ist, möchte ich im Folgenden erläutern. Anfang der 1970er Jahre erlebte die Buchcovergestaltung einen regelrechten Aufschwung. Durch neue Drucktechniken wie Farbdrucke und Veredelung lagen plötzlich völlig neue Möglichkeiten vor den Gestaltern. Doch der Markt ist auch hier richtungsgebend. Jürgen Spohn äußert sich im September '72 in der „Novum“ dazu: „Die Argumente der Verlagsvertreter werden zunehmend gewichtiger – und damit das Kriterium bestmöglicher Verkäuflichkeit, das zwangsläufig ein Mittelmaß gestalterischer Aussagen zur Folge hat“. [01] Hier zeigt sich bereits der Riss, der in der Branche entstehen sollte. Auf der einen Seite stehen die Verlage, die ihre Auflagen steigern und ihre Bücher gewinnbringend auf den Markt werfen wollen. Auf der anderen Seite stehen die Gestalter, die sich diesem Dogma nicht fügen wollen und den Leser mit einer individuellen Buchcovergestaltung an die Verlage binden möchten. Das Buch wird zum werbenden Objekt, das die Kunden über die Schaufenster in die Buchhandlungen locken soll. 1984 zeigt Dieter Zembsch, dass auch ein anderer Ansatz möglich ist. Ihm ist es sehr wichtig, als Grafiker auch den Inhalt eines Buches zu erfassen, um aus ihm heraus, inhaltlich motiviert, zu gestalten. Entsprechend spiegeln seine Schutzumschläge das wider, was er beim Lesen des Textes an Inspirationen und Emotionen aufgenommen hat. Zembsch ist sich trotz allem bewusst, dass dies nicht der übliche Weg ist, ein Buchcover zu gestalten. Er hält fest, dass „einigen Autoren erst verständlich gemacht werden musste, dass die Arbeit eines Buchgestalters eine ebenso selbständige, kreative Arbeit ist, wie das Schreiben und dass sie vor allem dazu eingesetzt wird, das Geschriebene an das Pu-
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blikum zu bringen.“ [02] Ähnlich geht es Carol Carson von Alfred Knopf Publishers. Auch sie will einen „House Look“ vermeiden, „obwohl sie sich der Tradition des Hauses Knopf durchaus bewusst ist und für jeden einzelnen Umschlag einen gleichbleibend hohen gestalterischen Standard anstrebt, ist das endgültige Ergebnis doch nur allzu oft ein Kompromiss zwischen dem, was Lektoren, Autoren und deren Ehegatten, Marketingfachleuten, literarischen Agenturen oder Werbeleitern vorschwebt.“ [03] Liegt hier eventuell der Kern des Problems? Sind es zu viele Verantwortliche, die einen guten Entwurf zerreißen und doch wieder nur Einheitsbrei daraus kochen? Um das zu ergründen, muss man sich den Weg von einer Idee bis zu einem fertigen Buch einmal vor Augen führen. VON DER IDEE ZUM BUCHCOVER Der Lektor kauft ein Buch ein, das dann einen Platz im Programm des jeweiligen Verlages bekommt. Ist dieser Platz festgelegt, wird davon das Werbebudget abhängig gemacht und ein Coverbriefing erstellt. Die Werbeabteilung eines Verlages entschiedet dann, an welche Agentur der Auftrag vergeben wird. Bei diesem Briefing sitzen dann Lektorat, Werbe-, Marketingfachleute, Vertrieb und die Agentur zusammen. Die Agentur brieft dann wiederum ihre Gestalter, die bis dahin noch keine Textzeile zu lesen bekommen haben. Anschließend treffen sich die eben erwähnten Instanzen wieder und sprechen über die ersten Entwürfe. Dieser Vorgang lässt sich so weit wiederholen, bis die Mittel erschöpft sind. Schlussendlich entscheidet die Verlagsleitung und der Vertrieb über den Coverentwurf, wobei das Lektorat nur wenig Einfluss hat. [04] WANN KAM ES ZUM BRUCH? Kann man rückblickend sagen, wann es zu dieser Entwicklung hin zum genrespeziefisch gestalteten Buch kam, oder wer den Anfang machte? Exakt lässt sich das sicher nicht mehr rekonstruieren, da viele kleine Schritte zusammen kamen, bis dieser Trend geboren wurde. Einige Hinweise sind jedoch in der „Novum“ datiert: Henes Maier beispielsweise entwickelte für den Bereich der Kriminalromane eine durchaus richtungsweisende Technik im Hinblick auf eine genrespeziefische Gestaltung, indem er mit tiefschwarzem Vorsatzpapier
und einer gezielt eingesetzten Typografie eine „Kriminalstimmung“ unterstreichen will. [05] Für ihn kommt es darauf an, dass das „Auge mitkäuft“. Es braucht also nicht nur einen Gestalter, der sein Handwerk versteht, sondern auch einen Verleger mit Weitsicht und einem „Qualitätsverständnis“, das beim Leser ankommt. Der Verlag handelt schließlich nach dem Markt. So sagt auch Anne Bubenzer, die als freie Lektorin arbeitet: „Gute Agenturen liefern für Titel, die sich auch nur ansatzweise außer der Norm bewegen, immer mindestens einen Ausreißerversuch. Das sind häufig die Vorschläge, die bei den einzelnen die meiste Sympathie hervorrufen, sich jedoch in der Regel als marktuntauglich erweisen.“ [06] Bereits seit 1965 wird auf der Frankfurter Buchmesse von der Stiftung Buchkunst ein Preis für das schönste deutsche Buch vergeben. In diesem Wettbewerb gibt es auch eine Kategorie für Taschenbücher, die nach einem strengen Kriterienkatalog bewertet werden. Der Wettbewerb spiegelt also gewisse Trends wieder, könnte aber deutlich mehr Einfluss haben. Herbert Lechner äußert sich in der „Novum“ zu diesem Thema folgendermaßen: „Viele Verleger, Hersteller, Buchkünstler nutzen den Ansporn dieses Wettbewerbs und den aus einer Auszeichnung zu ziehenden Werbeeffekt. Andere verzichten bewusst auf eine Teilnahme, sei es aus der Erkenntnis der eigenen Produktqualität oder aus Desinteresse.“ [07] 2000 vertiefte Lechner in der „Novum Plus“ zur Frankfurter Buchmesse diese Gedanken, indem er eine Veränderung in der Qualität der Gestaltung feststellte. „Doch nicht nur solche Spitzentitel, auch Massenware wird zunehmend liebevoller betreut, während früher meist nur Archivbilder mehr oder weniger inhaltsfrei zugefügt wurden. Ja, nicht selten entsteht der Eindruck, der beauftragte Umschlaggestalter hätte das Buch sogar gelesen!“ [08] BUCHGESTALTUNG IN DER KRISE? Das perfekte Rezept für ein Buchcover gibt es nicht. Man kann sich dem nur annähern. Am flexibelsten können hier natürlich die kleinen Verlage arbeiten, die oft auch beim Inhalt ihrer Bücher auf Risiko setzen. Volker Oppmann, Gründer des Verlags Onkel & Onkel bringt es 2008 auf den Punkt: „Ich glaube, dass wir uns gerade in einer spannenden Umbruchphase befinden: Während die großen Verlagskon-
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zerne weiter wachsen und immer schwerfälliger (und damit langweiliger) werden, entsteht neuer Raum für Klein- und Kleinstverlage, die durch aufregende neue Konzepte zum Innovationsmotor der Branche werden.“ [09] Aber auch in großen Verlagen ist man sich der Qualität experimenteller Entwürfe bewusst. So sagt Anne Bubenzer: „Experimentelle Entwürfe werden immer wieder gemacht und müssen gemacht werden, damit sich die Gestaltung weiter entwickelt. Oft werden ex-
perimentelle und andersartige Gestaltungen gezielt in Auftrag gegeben, das heißt man gibt die Parole aus, der Gestalter möge sich von den herkömmlichen Covern entfernen.“ [10] Ein Beispiel hierfür ist die „Chemie des Todes“ (Simon Beckett, Rohwolt), (Abb. 01). Hier hat sich nach langem Debattieren ein sicher nicht einfacher Entwurf durchgesetzt, der das Buch sehr interessant gemacht hat. Auch „Feuchtgebiete“ (Charlotte Roche, Dumont) hat nicht nur durch den Inhalt für Diskussionsstoff ge-
sorgt. Das leuchtend pinke Cover geht sehr ironisch auf den Inhalt ein (Abb. 02). Es bleibt festzustellen, dass der Leser wieder animiert werden muss, den Klappentext zu lesen, weil ihn das Design dazu gebracht hat, das Buch in die Hand zu nehmen. Erst dann ist die Gestaltung wieder so sehr bei sich selbst, dass man von den geltenden Dogmen, der genrespeziefischen Gestaltung, absehen kann und dem Leser über das Cover den Text zugänglich macht.
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#7.1 buchgestaltung : lies mich!
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http://www.ullsteinbuchverlage.de/mdia/
0000457636.jpg, hier zu sehen bei Ullstein. 02 02
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http://duenenwanderer.ďŹ les.wordpress.com/
2008/10/chemie.jpg, Taschenbuch.
INTERVIEW MIT ANNE BUBENZER. FREISCHAFFENDE AUTORIN UND LEKTORIN, ARBEITETE ZULETZT BEIM ROHWOLT VERLAG IN HAMBURG. Welche tt sind notwendig, bis ein fertiges Buchcover entwickelt ist? Nachdem der Lektor oder die Lektorin ein Buch eingekauft hat (oft auf Exposé- oder Gutachtenbasis) und entschieden worden ist, welchen Platz es im Programm einnehmen soll - Spitzentitel, Schwerpunkttitel oder 3. Reihe – wird ein Coverbriefing erstellt. Die Festlegung auf den Programmplatz entscheidet über das Werbebudget für den jeweiligen Titel. Häufig liegt zu diesem Zeitpunkt noch kein Text vor, lediglich eine Inhaltsangabe oder Text in der Originalsprache. Das Coverbriefing enthält: kurze Inhaltsangabe, eine Zielgruppendefinition (welches Alter, für Interessierte von welchen Büchern, Zeitschriften und Filmen und anderen Medien), Vergleichstitel, Abgrenzungstitel, Referenzcover und Abgrenzungscover, Stimmung des Textes. Erwünschte Kernaussage. Dieses Briefing geht zunächst an die hausinterne Werbeabteilung, die entscheidet, welche Grafikagenturen mit der Covergestaltung betraut wird. Rowohlt arbeitet beispielsweise regelmäßig mit drei Agenturen. Die Werbeabteilung prüft das Briefing, bevor man sich mit den Vertretern der Agentur zusammensetzt. Zum Briefingtermin erscheinen: Lektorat, Werbung/Marketing, Vertrieb und Agentur. Das Lektorat stellt die Titel vor, der Vertrieb gibt eine Markteinschätzung aufgrund vorheriger Erfahrungen mit Autor/Genre/Verkaufszahlen ab. Die Agenturvertreter sind nicht notwendigerweise die Gestalter der Covervorschläge. Die Agentur brieft ihre Gestalter und legt einige Wochen später Vorschläge vor. Wiederum kommen die verschiedenen Abteilungen zusammen und geben ihre Einschätzung der Cover ab. Dabei wird entschieden, ob weitere Vorschläge erfolgen müssen, oder ob man sich bereits für einen Vorschlag erwärmen kann. Oft sind die vorgesehenen Mittel für einen Titel schon mit drei Entwürfen erschöpft und man entscheidet sich für den am besten anmutenden Entwurf. Entscheidend dabei ist, dass das Cooperate Design der Firma berücksichtigt ist, die Marktanteile im entsprechenden Genre Erfolg versprechend gesichert sind, die Zielgruppe eindeutig angesprochen ist und die gewünschte Verkaufsaussage und USP getroffen wurde. Die letzte Entscheidung über einen Coverentwurf liegt ausschließlich beim Verlag. Genauer gesagt bei der Verlagsleitung und beim Vertrieb. Das Lektorat wird zwar gehört, hat aber wenig Mitbestimmungsrecht. Daher finden sich oftmals verkäufliche Cover auf Büchern, die wenig mit dem Inhalt zu tun haben.
Wie schätzen sie die Stimmenverteilung ein, wenn es um konkrete Entscheidungen geht? Bzw. wie geht man in der Branche mit experimentellen, aufregenden Entwürfen um? Experimentelle Entwürfe werden immer wieder gemacht und müssen gemacht werden, damit sich die Gestaltung weiter entwickelt. Oft werden experimentelle und andersartige Gestaltungen gezielt in Auftrag gegeben, das heißt man gibt die Parole aus, der Gestalter möge sich von den herkömmlichen Covern entfernen. Gute Agenturen liefern für Titel, die sich auch nur Ansatzweise außer der Norm bewegen, immer mindestens einen Ausreißerversuch. Das sind häufig die Vorschläge, die bei den einzelnen die meiste Sympathie hervorrufen, sich jedoch in der Regel als marktuntauglich erweisen. Plant der Verlag den Neuauftritt eines Autors oder ein „Überraschungsangriff “, sind experimentelle Entwürfe durchaus gefragt (siehe Simon Beckett). Haben genrefreie Bücher aufgrund ihrer nicht eindeutigen Gestaltung, auf dem Markt überhaupt eine Chance? Genrefreie Bücher, also das, was in der Branche als Up-market – Literatur verkauft wird, ist die einzige Literatur, die sich nicht eindeutige Gestaltung leisten kann. Die Zielgruppe ist anders definiert als die des Massmarket und wird mit anderen Signalen zum Kaufen angeregt. Natürlich hat diese Literatur auf dem Markt eine Chance – doch es liegt in der Natur der Sache, dass die Auflagen geringer sind, da die Zielgruppe wesentlich kleiner ist. Wünschen sie sich mehr Kreativität in der Buchcovergestaltung? Bei einem Titelvolumen von 6.000 belletristischen Neuerscheinungen pro Jahr ist der Buchmarkt aufs Äußerste gefordert, sich immer wieder neu zu erfinden und doch wieder erkennbar zu bleiben. Der wirkliche Spielraum für Kreativität ist dabei sehr eingeschränkt und wird meines Erachtens gut genutzt. Wenn ja, wo liegt ihrer Meinung nach der Fehler? Beim Gestalter oder beim Verlag? Ich denke nicht, dass man wirklich von Fehlern sprechen kann. Die Gestalter erfüllen ihre Vorgaben. Die Verlage erfüllen ihre Vorgaben. In der Schnittmenge liegt ein Ermessensspielraum, in dem sich alle begegnen können und in dem die innovative Weiterentwicklung stattfinden kann und muss.
ENDNOTEN 01 Spohn, Jürgen: Deutsche Buchumschläge. Ergebnis des Wettbewerbs „Der werbende Umschlag '72“. In: „Novum“, (München), 1. Jg., 09.1972, S. 2 – 9. 02 Erb, Hans F., Buchumschläge von Dieter Zembsch. In: „Novum“, (München), 11. Jg., 01.1983, S. 20 – 28. 03 Sommese, Lanny: Alfred Knopf Publishers. In: „Novum“, (München), 18. Jg., 05.1990, S. 34 – 41. 04 Interview mit Anne Bubenzer, 2009, (siehe Anhang). 05 Stein, Charlotte: Henes Maier. In: „Novum“, (München), 18. Jg., 12.1990, S. 20 – 25.
06 Interview mit Anne Bubenzer, 2009, (siehe Anhang). 07 Lechner, Herbert: Die schönsten deutschen Bücher. In: „Novum“, (München), 24. Jg., 02.1996, S. 38ff. 08 Lechner, Herbert. Mord als schöne Kunst betrachtet. In: „Novum“, (München), 28. Jg., 10.2000, S. 40ff. 09 Schulz, Bettina: Visueller Rock'n'Roll. In: „Novum“, (München), 36. Jg., 12.2008, S. 40. 10 Interview mit Anne Bubenzer, 2009,
(siehe Anhang).
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#7.2 buchgestaltung : novum für kinder
Janosch Baum
NOVUM FÜR KINDER Kinderbücher in der Zeitschrift „Novum“
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#7.2 buchgestaltung : novum für kinder
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
01
P
ÄDAGOGISCHE ANSÄTZE, ZIELGRUPPEN, MARKTPROGNOSE Das 20. Jahrhundert ist möglicherweise das Jahrhundert des Kinderbuches gewesen; die Verlage brachten noch nie so viele qualitativ-hochwertige Bücher heraus. [01] Dabei verweist diese Qualität nicht nur auf die Illustrationen, sondern auch zusätzlich auf pädagogische Konzeptionen. Eltern achten beim Kind meist überwiegend auf das Emotionale, doch müssen sowohl rationale als auch emotionale Fähigkeiten entwickelt werden. [02] Das Bilderbuch kann beide Felder bedienen. Durch überschaubare Formen eines illustrierten Spiels beispielsweise wird den Kindern die Umwelt näher gebracht (Abb. 01). So
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02
können neue Lernspiele einem eintönigen Alltag entgegen wirken und gestalterisch wie pädagogisch einer fördernden Erziehung entsprechen. [03] Außerdem bedeutet spielerisch Lernen sicherlich später in der Schule leichter Lernen. [04] Die Anregung der Kreativität erfolgt zusätzlich durch Vorlesen, Zeigen, Erklären und Mitmachen. [05] Ein Beispiel dafür ist die in den sechziger Jahren entwickelte Bussi-Bär-Serie, eine erste wissenschaftlich empfohlene Spiel- und Vorschule (Abb. 02), [06] da die Zeitschrift vielfältige Angebote wie Bilder-Wörter-Legespiele, Bastelbögen, Märchen und Geschichten enthält. [07] Märchen stellen einen Gegenpol zum Rationalen dar. [08] Sie gewinnen auch in die-
sem Jahrhundert an pädagogischer Wirkung durch die Fiktion der Erzählungen oder der Darstellungen. [09] Gute Kinderbücher sollten die Fantasie der Erwachsenen und der Kinder zugleich beflügeln, sozusagen das Kind in uns allen ansprechen. [10] Eine weitere Innovation ist der Einsatz von Fremdsprache im Kinderbuch. Während die Texte in eigener Sprache das Fundament für die Grundbegriffe bilden, dienen fremdsprachliche Texte zur Orientierung. [11] Dadurch identifiziert sich das Kind leicht mit der fremdsprachigen Literatur und eine andere Dimension der Völkerverständigung entsteht: Die Welt des Gefühls erschließt sich durch eine andere Sprache. [12] Dazu müssen natür-
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Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. In: Novum (München), Dezember 1972, S. 50.
02
Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. In: Novum (München), August, 1983, S. 36-37
03
Autor unbekannt: Kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 30-
31. 04
Fletcher, Alan: Alan Aldridge, London. Informationen zu dem Kinderbuch „Der Schmetterlingsball und das Graß-
hüpferfest“. In: Novum (München), Juli, 1974, S. 3.
lich parallel sittliche Wertevorstellungen vermittelt werden, um Toleranz zu schaffen. [13] Wenn Kinder fremdsprachige Kinderbücher noch nicht lesen können, kann man die Bücher mit Audiomedien unterlegen, während der Inhalt in jedem Fall eindeutig aus dem Bild hervorgehen sollte. [14] Was auch in diesem Jahrhundert gleich bleiben wird, ist die Zielgruppe. Kinderbücher werden meist von Kindern gelesen, aber eher selten von ihnen gekauft. [15] Somit richtet sich der Fokus auf die Eltern, deren Konsumverhalten mehr durch Wiedererkennung von Verlags- und IllustratorenNamen gelenkt wird. [16] Kinder hingegen mögen die Bücher am liebsten, zu denen sie
einen persönlichen Bezug haben. [17] Die Prognosen für die Zukunft sind gegensätzlich: Einige sehen in Film, Computer und Fernsehen die Ursache für sinkende Verkaufszahlen, andere sehen darin eine Förderung zur Lust aufs Bilderbuch, doch ist die Qualität und die Auswahl entscheidend. [18] Eins darf m.E. wie auch immer nicht passieren: dass das Bilderbuch zur Reflexion dieser Medien verkommt. [19] VERBINDUNGEN VON TEXT UND BILD, STILMITTEL, TECHNIKEN Wie schafft man es, sich als Kinderbuchillustrator im 21. Jahrhundert gegen die anderen Medien abzugrenzen? Bestand kann in diesem
04
Geschäft nur haben, wer Einfallsreichtum, Überraschungen, überzeugende Technik und Humorbegabung mitbringt. [20] Gute Illustration vernetzt die Literatur mit dem Bild, [21] steht also in synergetischer Beziehung zum Text. [22] Dabei wird durch das Bild eine neue Bedeutungsebene geschaffen, die zu einem gefühlsbetonteren und fantasieanregenden Zugang verhilft. Kurz, es „lässt dem Betrachter das Gelesene deutlich werden.“ (Abb. 03). [23] Die Inspirationen für originelle Illustrationen sind so verschieden wie die Menschen selbst, die sie zu Papier bringen. Sie sind zu finden in der hauseigenen Fachbuchsammlung, in Meisterwerken verschiedenster Maler, Illustratoren und Comiczeichner, in Kunstepochen,
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#7.2 buchgestaltung : novum für kinder
05
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05
Walter, Elvira: Markus Zöller. Die
farbenfrohen Abenteuer des Pinocchio. In: Novum (München), April, 2005, S. 74. 06
Baumeister, Hans: Bilderbücher. In:
Novum (München), Dezember, 1976, S. 9 07
cm: Petra Pfaffenholz. Eine Bilder-
buchkarriere. In: Novum (München), September, 2001, S. 27. 08
Sommese, Lanny: Spielbilderbücher. In:
Novum (München), August, 1981, S. 56. 09 06
in der Tierwelt, in fernen Kontinenten, in Büchern, Bildern und Filmen oder aber auch zu Hause bei der eigenen Familie. [24] Das traditionelle Mittel der Kinderbucherzählung ist es, Alltägliches in ungewöhnliche Proportionen bringen. [25] Aus den Inspirationen entspringen Zauberer, Tiere als Tiere, Tiere als Menschen, Menschen als Tiere, Fabelwesen und immer wieder Katze und Maus, die Starken und die Schwachen. [26] „Auch der
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Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In:
Novum (München), Februar, 1997, S. 45
Drachen wird hier zum freundlichen Partner des kleineren und schwächeren: des Kindes.“ [27] Damit die Spannung erhalten bleibt, müssen diese ungewöhnlichen Proportionen in abwechslungsreiche Layouts und Kompositionen verpackt werden. Dabei entstehen Illustrationen voller Eigenleben und außergewöhnlicher Perspektiven. Das Handwerk der Farbkompositionen ist gerade auch für die jüngeren Konsumenten mitentscheidend bei
der Gesamtbewertung. Die ausdrucksstarke Gestaltung schafft es dann auch, den erwachsenen Leser in den Bann zu ziehen (Abb. 05). Der eigenständige Stil ist bei der Fülle an Konkurrenz schwer zu behaupten, doch hängen das Abheben von der Norm und die Originalität meist auch an dem Grad der Bemühung und der Kondition. Die unterschiedlichen Techniken, die angewendet werden, verursachen auch die ver-
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schiedenen Eindrücke. Dabei erzeugt die Intensität der Farbpigmentierung entweder seichte, harmonisch wirkende oder auffallend knallige Bilder (Abb. 06, 07). Präzise oder frei geschwungen, detailiert oder grob, leuchtend oder matt, beruhigend oder aufwühlend, die Gegensätze haben kein Ende und lassen dem Gestalter eine unzählige Auswahl an Verknüpfungsmöglichkeiten. Die Maltechnik bedient sich zusätzlich verschiedenster Anwendun-
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gen: Spritzpistolen, Gouache, Tusche, Aquarell, Polychromos, Kreide, Marker, Buntstift, Temperafarben und Computerbearbeitungen, um nur einige zu nennen und natürlich wieder alle Arten der Synthese. Ein besonderes Augenmerk gilt am Ende der Technik von Klappbilderbüchern (Abb. 08). Beweglich, kurios gestaltet, mechanisch und dreidimensional begeistern und faszinieren sie den Betrachter mit Steckbildern, Leporellos,
Aufstell-, Zieh- und Stehauf bildern, Verwandlungsbildern mit Jalousie-Effekt sowie dreidimensionalen Bildern. [28] Dadurch gewinnt das Buch sofortige Aufmerksamkeit, weil es ein aktives Eingreifen des Lesers erfordert. [29] Die ersten Klappbilderbücher erfand der englische Verleger Robert Sager im 18. Jahrhundert zwecks der Unterhaltung. [30] Eine Idee, die ihr Ziel bis heute nicht verfehlt hat.
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#3.1 buchgestaltung : novum für kinder
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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pg: Heli Hieta. Märchen mit
magischer Anziehungskraft. In: Novum (München), März, 2001, S. 26.
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ILLUSTRATOREN Die Zeitschrift „Novum“ selbst stellt 1997 und 2001 folgende Kinderbuchillustratoren und Illustratorinnen vor: Silvio Neuendorfs Bildern entnimmt man schnell, dass er Spaß und Disziplin in der Arbeit vereinigt. Das macht wohl sein hoher Anspruch an sich selbst in technischer und inhaltlicher Qualität. Er studierte 1988 bis 1994 an der FH Aachen, wo er sich 1989 für die Illustration bei Professor Endrikat entschied und seitdem Arbeiten veröffentlicht. Inspirationen dafür holt er sich von seinen Fachbüchern, um die bunte, märchenhafte, abenteuerliche, durch Kinderaugen gesehene Welt wei-
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terhin mit Ernsthaftigkeit, Gewissenhaftigkeit, Spaß und ohne Designeranzug für Kinder zu illustrieren (Abb. 09). [31] Die Illustratorin Heli Hieta war schon als Kind davon überzeugt, Irrealitäten erzeugen zu können. Das Studium der Kunsterziehung an der Universität Helsinki für Kunst und Design verhalf ihr den Kindheitstraum auch zu verwirklichen. Ein Fünftel an Neuerscheinungen in Finnland sind Kinder und Jugendliteratur, somit hat man es dort nicht leicht, sich einen Namen zu machen. Doch mit dem Märchen „The Princess‘ Wings“ [32] sollte sich dieser wohl verbreitet haben. Hietas Arbeiten zeichnen sich aus durch originelle Bildkompositionen, die ihre individuelle Fantasie zum Vorschein bringen. Ihr Stil ist
auch geprägt von gekonnter Theatralik. Die Inspiration holt sie sich übrigens durch Giotto und Renaissance-Malereien (Abb. 10). [33] FAZIT Man muss keine Angst haben das Kinderbuch als Medium zu verlieren. Es ist konzeptionell sowie technisch mehr als vieles andere dazu geeignet dem Kind sowohl Spaß als auch Nutzen zu geben. Dieses Medium versteht es wohl wie kein anderes, sanft und unaufdringlich Groß und Klein in seine Welt zu schleusen und sie am Ende ebenso sanft wieder zu entlassen, was der Art der Wesen, für die es gemacht wurde, auch am besten entspricht.
10.2
ENDNOTEN [01] Baumeister, Hans: Bilderbücher. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 2. [02] Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. In: Novum (München), Dezember, 1972, S. 48- 53. [03] Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. In: Novum (München), Dezember, 1972, S. 48- 53. [04] Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. In: Novum (München), August, 1983, S. 36-39. [05]
Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. In: Novum (München), August, 1983, S. 36-39. [06] Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. In: Novum (München), August, 1983, S. 36-39. [07] Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. In: Novum (München), August, 1983, S. 36-39. [08] Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. In: Novum (München), Dezember, 1972, S. 48- 53. [09] Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. In: Novum (München), Dezember, 1972, S. 48- 53. [10] Sommese, Lanny: Kind und Buch. Versuch einer Standortbestimmung. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 11f. [11] Maier, Wolfgang: Mehrsprachige Bücher für Kinder! In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 38. [12] Maier, Wolfgang: Mehrsprachige Bücher für Kinder! In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 38. [13] Maier, Wolfgang: Mehrsprachige Bücher für Kinder! In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 38. [14] Maier, Wolfgang: Mehrsprachige Bücher für Kinder! In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 38. [15] Sommese, Lanny: Kind und Buch. Versuch einer Standortbestimmung. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 11f. [16] Sommese, Lanny: Kind und Buch. Versuch einer Standortbestimmung. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 11f. [17] Sommese, Lanny: Kind und Buch. Versuch einer Standortbestimmung. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 11f. [18] Alexandre, Alexandre: Zur Situation des Kinderbuches in Frankreich. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 9. [19] Baumeister, Hans:
Bilderbücher. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 2. [20] Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In: Novum (München), Februar, 1997, S. 45f. [21] Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In: Novum (München), Februar, 1997, S. 45f. [22] cm: Petra Pfaffenholz. Eine Bilderbuchkarriere. In: Novum (München), September, 2001, S. 26-29. [23] Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In: Novum (München), Februar, 1997, S. 45f. [24] Richter, Uwe: Ein Kinderkalender(GER). In: Novum (München), Juni, 1995, S. 40ff. Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In: Novum (München), Februar, 1997, S. 45f. Bahnholzer, Cornelia: Marcelino Truong. Zwischen Paris und Vietnam oder Asien als Leidenschaft. In: Novum (München), Januar, 1998, S. 36-41. Fehlau, Ewald: Die Magie der Bilder. Der Traum vom eigenen Comic. In: Novum (München), März, 1998, S. 48-51. Schulze, Hans-W.: Inga Glasenapp. Pauls Party, ein Kinderkochbuch der anderen Art. In: Novum (München), Mai, 1998, S. 48-51. pg: Heli Hieta. Märchen mit magischer Anziehungskraft. In: Novum (München), März, 2001, S. 24-29. cm: Petra Pfaffenholz. Eine Bilderbuchkarriere. In: Novum (München), September, 2001, S. 26-29. [25] Baumeister, Hans: Bilderbücher. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 2. [26] Autor unbekannt: Ikonographie. Tiere im Bilderbuch. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 49-57. [27] Autor unbekannt: Fiktion. In: Novum (München), Dezember, 1976, S. 18-27. [28] Sommese, Lanny: Spielbilderbücher. In: Novum (München), August, 1981, S. 48-56. [29] Sommese, Lanny: Spielbilderbücher. In: Novum (München), August, 1981, S. 48-56. [30] Sommese, Lanny: Spielbilderbücher. In: Novum (München), August, 1981, S. 48-56. [31] Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. In: Novum (München), Februar, 1997, S. 45f. [32] Hieta, Heli (illus.) Prinsessan siivet (The princess's wings) Helsinki: Otava, 1999, 32 Seiten [33] pg: Heli Hieta. Märchen mit magischer Anziehungskraft. In: Novum (München), März, 2001, S. 24-29.
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Cover der Novum, 1.1972– 3.1977
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#8.1 plakate/kalender : die entwicklung des filmplakats in deutschland
Selcuk Kunt & Ingo Reinheimer
DIE ENTWICKLUNG DES FILMPLAKATS IN DEUTSCHLAND Die Zeitschrift „Novum“ präsentiert von Zeit zu Zeit Künstler, die auch innovative Filmplakatideen umgesetzt haben. Nur wer entscheidet was innovativ, was „mainstream“ ist. Warum sehen die heutigen Filmplakate aus, wie sie aussehen und wie sahen Filmplakate früher aus? Die folgenden Seiten geben einen kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte des Filmplakats – begrenzt auf Filme, die es in Deutschland zu sehen gab.
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#8.1 plakate/kalender : die entwicklung des filmplakats in deutschland
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
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W
as für Plakate allgemein gilt, Aufmerksamkeit zu erregen und Überzeugungsarbeit zu leisten, gilt insbesondere für Filmplakate. In seiner werblichen Grundfunktion hat das Filmplakat den Komponenten Wirksamkeit, Auffälligkeit und Blickfang wie jedes andere Plakat in irgendeiner Form, Genüge zu leisten. Gegenüber Plakaten für andere Branchen, etwa der Markenartikelfabrikation, muss es aber in wesentlich kürzerer Zeit seine Werbewirksamkeit entfalten, da der Film in seinem Marktwert ein auf eine relativ kurze Laufzeit ausgerichteter Gegenstand ist. Das erfolgreiche Plakat muss darum schon beim flüchtigen Vorbeihuschen des Blickes – aber auch bei der sorgfältigen Betrachtung – seine Wirkung tun. Appellierend an Gefühle und Phantasie des Betrachters versucht das Filmplakat stets zweckgebunden, mit dem Ziel der Verkaufsförderung, dem Kinobesuch, den potentiellen Kunden zu überzeugen.
100
Wie letztendlich der Publikumsgeschmack in den vergangenen Jahren getroffen wurde und wie sich der Adressat der Werbemaßnahme nach Meinung der Gestalter am Besten überzeugen ließ, darüber gilt es in dieser Arbeit einen kurzen Überblick zu geben. Die Erfolgsquote des einzelnen Filmplakats lässt sich nicht ermitteln, auch können in diesem Rahmen nur grobe Charakterisierungen vorgenommen werden, da im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Thematik schnell klar wurde, wie vielseitig das Thema Filmplakatentwicklung nur allein in Deutschland ist. Einige wichtige Eckdaten der Filmgeschichte, die damit verbundene Einflussnahme auf die Plakatgestaltung und nennenswerte Plakatkünstler, auf die im Folgenden eingegangen wird, mögen in diesem Umfang zwar nur kurz genannt werden, stellen aber in ihrer Summe ein Mindestmaß dar, welches genannt werden sollte, um überhaupt ein „heutiges Filmplakat“ einordnen zu können.
DIE ENTWICKLUNG DER FILMPLAKATE IN DEUTSCHLAND Direkt mit der Frage nach der Beeinflussung des Publikums hängt auch die Betrachtung des Wirkungskreises und der Wirkungselemente zusammen. Das Filmplakat tritt dem Betrachter heute vor allem an Litfasssäulen, Plakatwänden, Schaukästen des Kinos, sowie innerhalb des Kinos entgegen. Der Ursprung des Filmplakats liegt einer mutmaßenden Quelle nach allerdings im Handzettel – man könnte in der heutigen Zeit auch den Begriff „Flyer“ nutzen. Grundsätzlich der schwierigen und sehr speziellen Aufgabe, etwas zweidimensional zusammenzufassen, was sich in der Dimension der Zeit entwickelt, befindet sich das Filmplakat folglich in einer paradoxen Situation: Es hat eine diffizile Gratwanderung zwischen Erzählung und konzentrierter Skizze zu vollziehen, bei der es vieles auf einmal sagen muss und doch nicht alles verraten darf. [01]
09
07
06 01 »Kill
Bill« (2003). Entwurf: Anonym / Druck: Anonym
02 »Cinématographe
Lumière« (1895/96). Entwurf:
M.Auzolle / Druck: Imprimerie E. Pichot, Paris 03 »Union-Kinematographen-Theater«
(1907). Entwurf:
Anonym / Druck: Kornsand 04 » Sumurun«
(1910). Entwurf: Julius Klinger / Druck:
Hollerbaum & Schmidt 05 »Die
Tochter des Alchmisten« (1908). Entwurf: Ano-
nym / Druck: Friedländer 06 »Das
Cabinet des Dr. Caligari« (1920). Entwurf:
Erich Ludwig Stahl und Otto Arpke / Druck: Anonym 07 »Der
Golem wie er in die Welt kam« (1920). Ent-
wurf: Anonym/Druck: Dinse & Eckert 08 »Fräulein
Raffke« (1923). Entwurf: Theo Matejko /
Druck: Eckert 09 »Madame 07
Es soll keine Geschichte vortragen, muss aber in verdichteter Form soviel enthalten, dass es die Neugier des Betrachters auf den propagierten Film weckt. Dabei hat es immer darauf zu achten, dass es seine Plakatwirkung nicht verliert. Bereits die Brüder Lumière bedienten sich 1895 und 1896 für ihren „Cinématographe Lumière“ des Bildplakats (Abb. 02) als Werbemittel und – wenn auch mit Vorbehalt – kann man hier die Geburtsstunde des Filmplakats ansetzen. [02] In Deutschland weisen um 1900 die Plakate nicht annährend die inhaltliche noch formale Qualität der Bildmotive auf, wie es zu dieser Zeit in Frankreich der Fall war. Mit einfachsten Mittel, wie Aufkleber wurden Blankoplakate zu Kinematographenplakaten umgemünzt. Eine weitere Vorstufe der Filmplakate bildeten Affichen wie die sogenannten Kunstreklame-Plakate. Diese beinhalteten ein – bereits vorgedruckt – applaudierendes Publikum.
Dubarry« (1919). Entwurf: Robert Leo-
nard / Druck: Anonym
Der Lichttheaterbesitzer konnte den Namen seines Kinos in den Plakatkopf drucken und sein Wochenprogramm in die Mitte einkleben. Jene Art und Weise hatte noch starken schaustellerhaften Charakter, was sich mit steigender Anzahl fest eingerichteter Kinos bald ändern sollte, die gesellschaftliche Etablierung des Kinos war ab 1907 in voller Fahrt. Dies bewog dann wohl auch das „Union-KinematographenTheater“ in Frankfurt am Main ein eigens nur für sich werbendes Plakat drucken zu lassen. Es zeigt die amerikanische Symbolfigur „Uncle Sam“ auf einer Erdkugel, zwischen den Beinen den Atlantik, je ein Bein auf der amerikanischen und der europäischen Seite. Das Plakat (Abb 03) betont die länder- und kontinentenübergreifende Macht des Kinematographen und nimmt dabei unabsichtlich die spätere marktbeherrschende Stellung des amerikanischen Films vorweg. [03] In den nächsten Jahren wurden Kinoplakate zunehmend von renommierten Plakatkünst-
lern entworfen. Im Zuge der Etablierung immer größerer Kinos, der Herausbildung eines Verleihwesens mit wachsendem Bedarf an Plakaten, entstanden auch zwei unterschiedliche Auffassungen, wie ein Plakat aufgebaut zu sein hat. Der „Kinematograph“ veröffentlichte 1911 einen Artikel, der es sich zum Inhalt machte über das moderne und unmoderne Plakat zu richten und auch das Publikum in zwei Klassen zu teilen. Dem Laien auf der einen Seite, der ein täuschend natürliches Gemälde bevorzugt – das unmoderne Plakat und dem Zuschauer, der dem modernen Plakatstil verfallen ist, mit „dekorativ, einfach oder flächig wirkender Darstellungsweise.“ [04] [05] „Alle Filmplakate zwischen 1912 und 1914/15 sind also unter dem Blickwinkel (...) des „Wettstreits“ zwischen „Lithographenplakat“und „Künstlerplakat“ zu betrachten.“(...) Als „Kunstplakate“ (Abb 04) galten solche Plakate, die von anerkannten Gebrauchsgrafikern gestaltet und bis auf wenige Ausnahmen von
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#8.1 plakate/kalender : die entwicklung des filmplakats in deutschland
10
ihnen auch signiert wurden und den »modernen« Tendenzen folgten. (...) Die »Lithographenplakate« hingegen waren jene anonymen Plakate«, (...) die »eher sensationell-abenteuerlich und trivial« gehalten waren. [06] [Abb 05] Das 1917 gegründete »Bild- und Filmamt« war das koordinierende und gleichzeitig zensierende Organ während der Kriegszeit. Das deutsche Filmplakat konnte während des Ersten Weltkrieges noch mehr an Boden gewinnen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich mit Berlin und München zu Beginn der 20er Jahre die beiden wichtigsten Film- und Plakatzentren in Deutschland herausgebildet hatten. Die 20er Jahre selbst bedeuteten für das Filmplakat einen bedeutenden Schub an kommerziellen und zunächst auch künstlerischen Produktivkräften. Im Filmplakat dieser Jahre konnten im wesentlichen vier stilistisch-formale Strömungen bestimmt werden: Neben dem Expressionismus waren es die »realistische« zeichnerische
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Manier, der Konstruktivismus und das dem Gemälde ähnliche Plakat. Das Flächenplakat, zunächst noch in wesentlichen Exemplaren präsent, doch schon im Rückzug vor zeichnerisch-illustrativen bzw. malerisch empfundenen Gestaltungsmitteln, spielte ab Anfang der 1920er offenbar zunächst keine Rolle mehr. [07]
Mit Filmen wie »Das Cabinet des Dr. Kalligari« [Abb 06] oder »Der Golem wie er in die Welt kam« [Abb 07] können expressionistische Beispiele angeführt werden, dessen Hauptvertreter Josef Fenneker war. Als Vertreter der zeichnerisch orientierten Richtung ist der Wiener Theo Matejko zu nennen. Das Plakat zum Film »Fräulein Raffke« [Abb 08] oder »Madame Dubarry« [Abb 09] verdeutlichen dies. Eine zirkusähnliche Affinität weisen u.a. Plakate von Fritz Potter auf, wie in »Der Geisterzug« [Abb 10] – »naiv-schematische(n), mitunter puppenhaften Figurenzeichnungen«. Ein fotorealistisch arbeitender Vertreter, Willy
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Dietrich, schuf das Filmplakat zu »Großstadtschmetterling« [Abb 11]. Reformbewegungen gegen den Historismus, den Jugendstil, den Expressionismus und die vorherrschenden Ausdrucksformen brachten eine Hinwendung zur Fotomontage und zum Schriftplakat. »Asphalt« (1929) [Abb 12] von Alfred Herrmanns setzte die Typografie in den Vordergrund. Jan Tschichold kombinierte die Fotomontage mit konstruktivistischen Einflüssen und dem neutralen Schriftplakat für die Plakate des »Phoebus-Palasts« [Abb 13]. 1931/32 erreichte die Filmplakatwerbung ihren Höhepunkt und war auch während dem Nationalsozialismus ein wichtiges unterstützendes Werbemittel – weg vom »rein kommerziellen Werbeinstrument zum ideologisch-politischen Funktionsträger« hin. [08] Allerdings griff die Zensur zum Wohle des »volkstauglichen« Plakats in einem solch qualitativ korrigierendem Maß ein, so dass es keine herausragen-
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»Der Geisterzug« (1927). Entwurf: Fritz Pötter /
Druck: Grasnick 11
»Grosstadtschmeterling« (1929). Entwurf: Willy Diet-
rich / Druck: R. Spiegel 12
»Asphalt« (1929). Entwurf: Alfred Hermann /
Druck: August Scherl 13
»Orient-Express« (1927). Entwuf: Jan Tschichold /
Druck: F. Bruckmann 14
»Das unsterbliche Herz« (1939). Entwurf: Peter
Pewas / Druck: Deutscher Verlag 15 »Jud
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den gestalterischen Neuorientierungen gab. Technisch aufwendige Gestaltung durch z.B. Fotomontagen, Überblendungen oder »dramatisch-effektvolle Konstellationen« blieben eine Ausnahme, wie das Werk von Peter Pewas »Das unsterbliche Herz« [Abb 14]. Während des Nationalsozialismus entstand das böswillige, diabolisch anmutende »Jud Süss«-Plakat (1940) von Bruno Rehak [Abb 15]. Diese illustrativ-malerische Art der Volkstümlichkeit blieb auch 1942 noch einziges Ausdrucksmittel. [09] Die Kriegserfahrungen und die damit verbundenen körperlichen und seelischen Entbehrungen, aber auch das Bedürfnis nach wirtschaftlicher, sowie politischer Sicherheit machte diese Generation zu einem Filmpublikum, welches danach strebte ihre Träume verbildlicht zu bekommen. Reine, klar ersichtliche Gefühle, wie tiefe Zuneigung oder Hass ließen sich durch einfache Bildsprache auf die stellvertretenden Plakate dieser Zeit übertragen. [10] Darbietung der »Heilen Welt«
Süss« (1940). Entwurf: Bruno Rehak / Druck:
August Scherl
in den Heimatfilmen war der Ausdruck von idyllischen Wunschträumen. [11] [Abb 16] Die »Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft« (FSK) hatte zudem ab 1953 eine Stellung inne, die regulierend auf »künstlerische Entgleisungen« einwirkte. Zusätzlich zu den volksschützenden Richtlinien der FSK kamen die vom Filmverleih vorgeschriebenen Buchstabengrößen der Schauspielernamen oder des Titelschriftzuges. [12] Der Filmmarkt nach dem Krieg wurde durch zahlreiche ausländische Stars erweitert. In Kombination mit stellvertretenden Momentaufnahmen wurden diese immer mehr in Szene gesetzt. Die Namen der Schauspieler rückten immer mehr in den Vordergrund und wurden selbst zum werbenden Element. Die Inszenierung der Nachkriegshelden wurde in den 60er Jahren noch perfektioniert. Allein der Name oder das Gesicht eines solchen Stars genügte um den Film vielversprechend erscheinen zulassen. [Abb 17]
Der »siegesgewohnte naive Held« der 50er und 60er wandelte sich zum »problembewussten Helden« der 80er, dem »Gegenspieler und oft genug Opfer einzelpersönlicher und allgemeinfeindlicher Erscheinungen des modernen Computerstaates«. [13] [Abb 18] Mal abgesehen davon, dass die psychedelische Kunst der 70er nur schwer rational zu erklären ist, waren vermutlich die zu dieser Zeit entstandenen Filmplakate entweder grafisch an die Zielgruppe adaptiert oder genau das Gegenteil war der Fall – bewusst nicht adaptiert. [Abb 19] Die Plakate zu Heimatfilmen, Darstellungen von glücklichen, zufriedenen Gesichtern wichen in den nächsten Jahren vermehrt dem Action-Helden. Die Filmplakate wurden immer »reißerischer«. Die 90er Jahre bis heute wurden vor allem durch den technischen Fortschritt in der Filmindustrie geprägt, der sich auch auf die Plakatgestaltung auswirkte. Die aufwendig animierten Filme verlangten nach noch
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#8.1 plakate/kalender : die entwicklung des filmplakats in deutschland
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lauteren Plakaten. Wenn man davon ausgeht, dass die zweidimensionale Form der Filmplakate irgendwann nicht noch »reißerischer« werden kann, bleibt nur die Reduktion, um wieder aufzufallen. [Abb 01] Hier kam in den vergangenen Jahren vermehrt das Symbol als Protagonist zum Einsatz. [Abb 20] FILMPLAKAT – EIN NOVUM Wenn man sich durch all die vergangenen Ausgaben der „Novum“ liest, stets mit einem Auge auf das Schlagwort »Filmplakat« schielend, dann finden sich einige sehr interessante Artikel über dieses Thema. Überwiegend werden hier besondere Ausdrucksformen einzelner Künstler gezeigt. Diese »Exkurse« hinsichtlich des gängigen Filmplakats stellen – ähnlich wie schon in vergangener Zeit – gelungene abwechslungsreiche, teilweise sehr abstrakte Visualisierungen der Filmthematik dar. Die nationalen Grenzen, die Geschichte
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eines Landes und die damit verbundene Einflussnahme auf die Plakatgestaltung, lassen jedoch nur sehr schwer verallgemeinernde oder vergleichende Schlüsse der Plakate untereinander zu. Vielmehr macht es den Eindruck, als ob durch die Tatsache der Abbildung der Gedankenanstoß gegeben werden soll, sich mit einer Thematik auseinanderzusetzen. Für den großen Blick über den Tellerrand ist die „Novum“ an dieser Stelle zu bewundern. W W W.FILMPOSTER-ARCHIV.DE
16 »Die
Glocken von St. Marien« (1945). Entwurf:
Anonym / Druck: Anonym 17 »Der
Herr der sieben Meere« (1955). Entwurf:
Rolf Goetze / Druck: Anonym 18 »Die
Legende von Paul & Paula« (1974).
Entwurf: Klaus Vonderverth / Druck: Anonym 19 Superman
(2006). Entwurf: Anonym /
Druck: Anonym 20 »Rambo«
(1974). Entwurf: Klaus Vonderverth /
Druck: Anonym
ENDNOTEN [01] Hans Hillmann, Zur Gestaltung von Filmplakaten: Katalog Filmplakate, München 1965. [02]
Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 137. [03] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 145. [04] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 167. [05] Niko: Ein wundervolles Plakat, in: Kinematograph, 5. Jg. 1911, Nr. 241 v. 9. 8. 1911. [06] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 168 ff. [07] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 458 fff. [08] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 462 ff. [09] Kamps, Johannes: Studien zur Geschichte
des deutschen Filmplakats von Anfang bis 1945, Wiesbaden 1999 – 2000, S. 447. [10] Pantel, Volker: Das Buch der Filmplakate. (1945 bis 1965). 2.Auflage 1984 und 1987, Günter Albert Ulmer Verlag, S. 12. [11] Pantel, Volker: Das Buch der Filmplakate. (1945 bis 1965). 2.Auflage 1984 und 1987, Günter Albert Ulmer Verlag, S. 220. [12] Pantel, Volker: Das Buch der Filmplakate. (1945 bis 1965). 2.Auflage 1984 und 1987, Günter Albert Ulmer Verlag, S. 8. [13] Pantel, Volker: Das Buch der Filmplakate. (1945 bis 1965). 2.Auflage 1984 und 1987, Günter Albert Ulmer Verlag, S. 12 f. [02] Eberhard Hölscher, Walter Leonhard, Artes Decorativas, 21. Jg., 08.1950, S. 41 – 48 [13] Eberhard Hölscher, Emil Preetorius, 21. Jg., 09.1950, S. 17 – 32 [14] Eberhard Hölscher, Neucke, Marken und Signete, 21. Jg., 11.1950, S. 49 – 54 [15] Franz Hermann Wills, Schutzmarken und Signete Berliner Graphiker, 22. Jg., 06.1951, S. 30 – 35
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#8.2 plakate/kalender : die 100 besten plakate deutschland, österreich, schweiz
Anna Merz
DIE 100 BESTEN PLAKATE DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH, SCHWEIZ Einmal jährlich wird in der „Novum“ eine Auswahl der prämierten Arbeiten aus dem Wettbewerb „Die 100 besten Plakate Deutschland, Österreich, Schweiz“ gezeigt. Zudem werden alle ausgezeichneten Arbeiten in einem jährlich erscheinenden Katalog publiziert und sind auf zahlreichen Ausstellungen, unter anderem in Berlin und Luzern, zu sehen.
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#8.2 plakate/kalender : die 100 besten plakate deutschland, österreich, schweiz
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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„Die Preußen kommen“ 1985,
Erhard Grüttner (Maxim-GorkiTheater, Berlin) 02
„Heidi 01“ 2001, widmer_
heer_visuelle_gestaltung, Zürich (Stadt Zürich) 03 „Literaturfestival 01
I
m Hausarchiv des Deutschen Historischen Museums in Berlin befindet sich ein Schriftstück aus dem Frühjahr 1964, unterzeichnet von Peterpaul Weiss und Hellmut Rademacher mit folgendem Wortlaut: „Hiermit schlagen die Unterzeichneten vor, jährlich in den Räumen des Mf DG (Museum für Deutsche Geschichte, d. V.) – möglichst in der Eingangshalle – eine Sonderausstellung zu veranstalten unter dem Motto: Die besten künstlerischen Plakate der DDR des Jahres. [...] Die Realisierung dieses Vorschlags würde von grosser kulturpolitischer Bedeutung sein und könnte für unsere zeitgenössische Plakatkunst ausserordentlich anregend wirken.” [1] Zwei Jahre später wurde dieser Vorschlag in die Tat umgesetzt. Zum ersten Mal schrieb der Zentralvorstand des Verbandes Bildender
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Künstler Deutschlands den Wettbewerb „Die Besten Plakate des Jahres“ in der damaligen DDR aus. Im gleichen Jahr wurde jedoch in Westdeutschland der vom Bund Deutscher Grafik-Designer e.V. organisierte Wettbewerb bereits zum 17. Mal durchgeführt und auch in Ungarn, der Schweiz und Großbritannien gab es bereits seit mehreren Jahren einen nationalen Plakatwettbewerb. [2] Gleich zur ersten Ausschreibung, die sich an alle Plakatkünstler der DDR sowie Auftraggeber und Drucker richtete, wurden 360 Arbeiten eingereicht, die von einer 20-köpfigen Jury beurteilt wurden. Diese setzte sich zusammen aus Hans Baltzer (Vorsitzender), Peterpaul Weiss und Klaus Wittkugel (stellvertretende Vorsitzende), sowie namhaften Gestaltern, Mitgliedern des Ministeriums,
Karlsruhe“
2002, Dennis Orel Stuttgart
Designtheoretikern und Druckern. Die eingereichten Arbeiten wurden in den Kategorien „politische Plakate“, „wirtschaftliche Plakate“, „Filmplakate“, „Veranstaltungs- und Ausstellungsplakate“, „Plakate für gesellschaftliche Propaganda“, „Sport-“ und „Theaterplakate” nach ihrer künstlerischen Qualität, dem drucktechnischen Standard sowie einer werblichen Komponente beurteilt und waren nach dem Wettbewerb für den Fundus des Museums der Deutschen Geschichte in Berlin bestimmt. Nach einer Ausstellung aller eingereichten Arbeiten wurden die Ausgezeichneten in Form eines Kataloges publiziert. 14 Jahre später (1980) wurde der Wettbewerb in „Die 100 besten Plakate des Jahres“ umbenannt und fortan unter der Leitung des „Verband der Grafik-Designer e. V.” organisiert.
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Des Weiteren wurde die jährlich wechselnde Jury auf 12 Mitglieder begrenzt. Zudem passte man sich den internationalen Standards an, indem auch die Jury-Mitglieder aufgefordert wurden, eigene Arbeiten einzureichen, die wiederum von einem eigenen Kritikerkreis bewertet wurden. [3] 1986 wurden dann außer politischen und werbenden Plakaten auch soziale Arbeiten in den Wettbewerb aufgenommen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden 1991 die beiden ehemals getrennten Plakatwettbewerbe als „Die 100 besten Plakate des Jahres“ zusammengeführt und unter der Leitung des 1990 gegründeten VGD (Verband deutscher Grafikdesigner e.V.) rasch weiter entwickelt. Es gab Neuerungen in der Jury-Besetzung
(50% Gestalter der neuen Bundesländer und 50% der alten Bundesländer) sowie in der Kategorisierung, die 1995 schließlich gänzlich abgeschafft wurde. Trotz stets steigender Zahl der eingereichten Arbeiten wurde 2001 ein neuer Trägerverein „100 Beste Plakate e.V.“ unter Vorsitz des Schweizer Grafikdesigners Niklaus Troxler gegründet. In diesem Zusammenhang wurden die beiden bis dahin national ausgelobten Wettbewerbe „Die 100 Besten Plakate des Jahres“ (Deutschland) und „Schweizer Plakate des Jahres“ zusammengefasst. Gleichzeitig wurde auch Österreich aufgenommen, so dass der Wettbewerb seit 2001 „Die 100 Besten Plakate Deutschland, Österreich, Schweiz“ heißt. [4] „100 beste Plakate war und ist offen für alle Themen, Gestaltungsmittel und Handschrif-
ten – das macht die Besonderheit der 100 besten aus.“ [5] Entsprechend finden sich hoch budgetierte Auftragsarbeiten neben studentischen und eigens kreierten experimentellen Arbeiten, und so stellt der Umstand, dass es keine Zulassungsbeschränkung gibt, wohl den größten Unterschied zu den Biennalen dar. Seit dem Zusammenschluss steigt die Teilnehmerzahl kontinuierlich: Für 2008 wurden insgesamt 1521 Arbeiten eingereicht und die 100 Besten werden - wie jedes Jahr - in einem Katalog zusammengefasst, der seit 2001 vom Hermann Schmidt Verlag in Mainz verlegt wird.
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#8.2 plakate/kalender : die 100 besten plakate deutschland, österreich, schweiz
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THEMATISCHE UND GESTALTERISCHE ENTWICKLUNG DES WETTBEWERBS Vor dem Zusammenschluss des Wettbewerbs 1991 waren die Gestalter der DDR in ihren stilistischen Mitteln sehr eingeschränkt. Bestimmte exotische Papiere, Farben, Schriften oder Fotografien standen ihnen nicht zur Verfügung oder waren verboten. Ebenso wurden bestimmte Themen ausgespart oder immer wieder aufgegriffen. Zur gleichen Zeit orientierten sich die Plakatgestalter der alten Bundesländer oft an Trends aus anderen Ländern, so dass im Wettbewerb oft nur Nachempfindungen dieser Strömungen zu sehen waren. Auf beiden Seiten schien die Situation also eingefahren, so dass der Zusammenschluss neuen Wind in den Wettbewerb brachte. [6] „Die DDR-Plakatkunst hatte ihre eigene Spezifik. Sie war geprägt von einem intensiven Lehrer-Schüler-Verhältnis an den Kunsthoch-
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schulen, von ganz eigenen und speziellen formalen und künstlerischen Ausdrucksformen, bei denen das malerische und zeichnerische Moment eine enorme Bedeutung hatte [s. Beispiel Abb. 1]. Die Typografie hat gute Traditionen (Leipzig) und spiegelt sich in herausragenden Plakaten wider, ohne neue technische Möglichkeiten ganz außer Acht zu lassen. Im Gegensatz dazu hat das fotografisch angelegte Plakat eine geringere Rolle als beispielsweise in Westdeutschland gespielt. Als Ursache dafür sind vor allem Unzulänglichkeiten in der technischen Ausstattung zu nennen.“ [7] So hat jeder Abschnitt des Wettbewerbs seine Eigenheiten, die natürlich durch die künstlerischen sowie medientechnischen Entwicklungen seiner Zeit beeinflusst sind. Während das „malerische Moment“ bei den DDR-Gestaltern im Vordergrund stand, waren die 1990er Jahre geprägt von Computergrafiken sowie abstrak-
ten Formen, die mich oftmals an die Kunst von Wassily Kandinsky erinnern. Anette Lenz [8] schreibt 1999: „Die Anfangseuphorie der Computertechniken, die sich selbst zum Stil mutierten, scheint (wegen Reizüberflutung?) abgeklungen zu sein.“ [9] Heute werden dem Betrachter oftmals dreidimensional anmutende Schriftzüge präsentiert, aber auch mit Farb- und Transparenzflächen wird viel gearbeitet. Ein anderer Trend ist die Rückbesinnung auf das Analoge. Einige Arbeiten haben einen digitalen Entstehungsprozess, wirken aber letztendlich so als seien sie einer analogen Technik entsprungen, andere sind wirklich ohne Computer gestaltet und wurden erst im letzten Schritt digitalisiert (s. Abb. 2 und 3). Interessant ist auch, dass viele Gestalter heute den realen Raum nutzen und sich von der Zweidimensionalität des ursprünglichen Plakats entfernen. Beispiele dafür sind die Ar-
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beiten: „Overweight?“ (s. Abb. 4) und „CitylightPoster“ (s. Abb. 5) aus dem Jahr 2003. Hier wird der öffentliche Raum für eine Art gestalterische Installation genutzt – Arbeiten, die in früheren Phasen des Wettbewerbs so nicht auftauchen. Zudem hat sich im Laufe der Jahre der Umgang mit Typografie verändert. Auch wenn es in den frühen Wettbewerbsjahren schon „Typo-Plakate“ gab – wie z.B. „Filmmuseum Potsdam“ von Wolf-Dieter Pfennig (s. Abb. 6) – nimmt die Anzahl der prämierten typografischen Arbeiten insgesamt zu. Teilweise wird Typografie in sehr reduzierter Form eingesetzt oder aber direkt in das Bild integriert und gewinnt so an eigenem „Bildcharakter“, wie in der Arbeit „Syphilis - Lass Dir nichts anhängen“ von Christof Nardin und Thomas Geisleer (s. Abb. 7). Insgesamt ist zu diagnostizieren, dass immer weniger von Hand illustriert und stattdessen computerbasierte Gestal-
tung dominiert, welche zunehmend filigraner gestaltet wird. Eine weitere Beobachtung, auf die allgemeine Veränderung der Plakatgestaltung bezogen, scheinen mir die genutzten Grössen(unterschiede). So scheint es beispielsweise in der Fotografie eine Tendenz Richtung Makro-Fotografie zu geben. Des Öfteren werden Teile eines Ganzen oder aber auch real sehr kleine Dinge in einer mikroskopischen Vergrößerung dargestellt (s. Abb. 8). Auch der Mut zum Weißraum scheint mit den Jahren gewachsen zu sein und auch Größenunterschiede in der Typografie nehmen zu. Thematisch lag das Augenmerk in den ersten Jahren des Wettbewerbs noch hauptsächlich auf dem politischen Plakat. Dies hat sich durch die veränderten staatlichen Strukturen und die Internationalisierung des Wettbewerbs verändert. Nach und nach wurden
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„Overweight?“ 2003, Alan Vladusic (Fitnesscenter)
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„Citylight-Poster“ 2003, Heye&Partner GmbH
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„Filmmuseum Potsdam“ 1991, Wolf-Dieter Pfennig
immer mehr Kulturplakate prämiert, welche bis heute den zahlenmäßig größten Teil des Wettbewerbs ausmachen. Seit der 1999er – Ausschreibung fällt zudem eine zunehmende kreative Präsenz auch von namhaften Werbeagenturen aus Deutschland auf. Eine weitere thematische Veränderung scheint mir die soziale Verantwortung der Gestalter zu sein. Nicht nur in Form von Kampagnen für soziale Institutionen, sondern auch im Selbstauftrag thematisieren die Designer und Künstler immer häufiger verschiedene soziale Themen wie „Integration“, „Obdachlosigkeit", „Straßenkinder“, „Ausländerfeindlichkeit“ und viele mehr (s. Abb. 9 und 10). FUNKTION DES WETTBEWERBS Die Funktionen des Wettbewerbs sind zahlreich und von großer Bedeutung für Gestalter. Wie aus dem Schreiben von Peterpaul Weiss
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#8.2 plakate/kalender : die 100 besten plakate deutschland, österreich, schweiz
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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und Hellmut Rademacher aus dem Jahre 1964 hervorgeht, war die Grundidee, die zeitgenössische Plakatkunst durch neue Inspiration zu beleben und gleichzeitig einen Weg zu finden, diese langfristig und zugänglich zu archivieren. [10] Es war ein bedeutendes Anliegen, das Plakat als Alltagskulturgut auch für die folgenden Generationen zu erhalten. Durch die Modernisierung der Technik, den immer größer werdenden Erfolg von Radio und Fernsehen befürchtete man zudem, das zeitgenössische Plakat könnte an künstlerischer, kultureller, politischer und werbender Bedeutung verlieren. Durch einen Wettbewerb ließ sich die Plakatszene wieder ins Gespräch bringen. Und nicht nur die Plakate selbst lieferten Gesprächsstoff – ein Wettbewerb setzte die
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Zusammenkunft vieler verschiedener Gestalterpersönlichkeiten sowie potenzieller Auftraggebern voraus, die dadurch in Kontakt traten und so berufliche Beziehungen auf bauen bzw. auffrischen konnten. In gewissem Sinne dient dieser Wettbewerb also neben der Werbung für das Plakat an sich auch der Werbung für einzelne (Plakat-)Gestalter. Durch das jährliche Zusammentreffen und den regen Kontakt untereinander sowie mit Auftraggebern, kulturellen Institutionen und Druckern verbessert sich die Auftragslage einzelner Designer und Büros. Gleichzeitig erleichtert man durch den Wettbewerb auch jungen Gestaltern den Einstieg in die professionelle „Szene“. Die Jury setzt jedes Jahr erneut auf einen Mix aus junger, experimenteller Gestaltung und den
größer budgetierten Arbeiten der erfahrenen Werber und Gestalter. Einige der namhaften Plakatgestalter – unter ihnen Anke Feuchtenberger, Henning Wagenbreth, Wolf-Dieter Pfennig, Fons Hickmann und Uwe Loesch – tauchen im Laufe der letzten 20 Jahren immer wieder im Wettbewerb auf. Einige von ihnen sind über diesen Zeitraum hinweg mit ihren eigenen Arbeiten vertreten. Andere, die als Professoren an Kunst- und Designhochschulen unterrichten, finden sich als Betreuer der studentischen Arbeiten wieder. Dadurch drängt sich mir die Frage auf, ob die mittlerweile über 1.500 Einreichungen jährlich, tatsächlich anonym behandelt werden oder aber der Wettbewerb als Werbung für einzelne Gestalterpersönlichkeiten fungiert.
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„Syphilis - Lass Dir nichts anhängen“ 2006, Christof
Nardin und Thomas Geisleer (homed, Wien) 08
„Radiovisionen“ 2007, 2einhalb (tesla Berlin e.V.)
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„Integration“ 2004, Noah Bonsma, Michael Flückiger
und Sabrina Tiller, CH Bern (Hochschule der Künste Bern) 10
„www.aktionsprogramm2015.de“ 2004, Markus Gröpl
(Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ GmbH)
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ENDNOTEN [1] 128 Plakate aus 30 Jahren Wettbewerb „Die 100 Besten Plakate des Jahres“, hrsg. v. Verband der Grafik-Designer e.V. Berlin 1996. [2] Vgl. 128 Plakate aus 30 Jahren Wettbewerb “Die 100 Besten Plakate des Jahres“, hrsg. v. Verband der Grafik-Designer e.V. Berlin 1996. [3] Auf der Plakat-Biennale
in Warschau war eine Juroren-Ausstellung zu diesem Zeitpunkt bereits selbstverständlich und auch wenn man sich mit diesem Wettbewerb inhaltlich bewusst von den Plakat-Biennalen in Warschau und Lahti abheben wollte, diente vor allem Warschau in organisatorischer Hinsicht als gutes Beispiel. [4] Man wollte dadurch den Wettbewerb auf eine internationale Ebene bringen, das Niveau anheben und erhoffte sich einen festen Platz in der europäischen Plakatszene. Zudem war es so möglich eine gesicherte, privat
finanzierte Basis zu schaffen. Vgl. 128 Plakate aus 30 Jahren Wettbewerb „Die 100 Besten Plakate des Jahres“, hrsg. v. Verband der Grafik-Designer e.V. Berlin 1996. [5] Büchner, Hermann: Showroom. 100 beste Plakate. In: Novum (München), Nr. 08, 2004, S. 24. [6] Vgl. Friedl, Friedrich: Poster. 100 beste Plakate. In: Novum (München), Nr. 12, 1996, S. 48-59. [7] http://www.100-besteplakate.de/vor_2001/index.htm (26.11.2009, 11.00) [8] Mitglied der Jury im Ausschreibungsjahr 1998 [9] Lenz, Anette: Showroom. 100 beste Plakate. In: Novum (München), Nr. 07, 1999, S. 16. [10] Vgl. 128 Plakate aus 30 Jahren Wettbewerb „Die 100 Besten Plakate des Jahres“, hrsg. v. Verband der Grafik-Designer e.V. Berlin 1996.
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#8.3 plakate / kalender : der werbekalender damals & heute
Sergej Chursyn, Waldemar Erz
DER WERBEKALENDER DAMALS & HEUTE Der Kalender ist eins sehr populäres Medium. In ihm stabilisieren wir unser Zeitgefühl und nutzen ihn zugleich als gefälliges Anschauungsobjekt. Die Kombination aus Wandschmuck und hohem Informationswert ist einzigartig und bietet eine zielgruppengenaue Werbung. Die Möglichkeiten und Grenzen im Auftritt, in der Präsentation und im Umsetzen von Visionen führte zu den unterschiedlichsten Kalendern und deren Ausdrucksformen.
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#8.3 plakate / kalender : der werbekalender damals & heute
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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S
eit langer Zeit zählt der Kalender zu den beliebtesten und gängigsten Werbemitteln. Ein Werbekalender als Werbeartikel bietet mehr als eine pure Erinnerungsfunktion: Originell gestaltet und das Unternehmenslogo an der richtigen Stelle platziert, wird er zu einem gern gesehenen Blickfang zu Hause oder im Büro. GESCHICHTE DES KALENDERS Das Wort Kalender bezieht sich auf die lateinischen Begriffe „calendarium“ (Schuldbuch) und „calendae“, die ersten Tage eines Monats, an denen Darlehen ausgezahlt und Rückzahlungen oder Zinsen fällig wurden.
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Bereits im vierten Jahrtausend v. Chr. führten die Ägypter das 365-tägige Sonnenjahr ein. Der heute übliche Kalender geht jedoch auf den von Gaius Julius Cäsar eingeführten Julianischen Kalender zurück. Die Monate hatten eine Länge von 30 oder 31 Tagen (außer Februar mit 28 Tagen), an die alle vier Jahre ein Schalttag angehängt wurde. Da der Julianische Kalender jedoch länger als das Sonnenjahr ist, wuchs der Unterschied zum Sonnenjahr bis ins 16. Jahrhundert auf ca. 10 Tage an. Der 1582 von Papst Gregor XIII. eingeführte Gregorianische Kalender beseitigte diesen Fehler und löste die zahlreichen anderen Kalenderformen ab.
KALENDERFORMEN Die gebräuchlichen Formen von Kalendern sind Wand- und Taschenkalender. Beim Taschenkalender unterscheidet man zwischen Kalenderblock (Abreißblock) und Kalenderheft (Notizbuch). Letztere dienen meistens als Terminkalender. Der wohl am meisten verwendete Kalender neben dem Notizkalender ist der Themenkalender. Er dient hauptsächlich als Dekorationsmittel und deckt dabei alle denkbaren Themen ab: Architektur, Erotik, Küche (Rezepte), Kunst und Illustration, Literatur, Natur, Tiere, Sport, Wissen etc. Seit der Erfindung des Computers haben sich elektronische Kalendarien sehr stark verbrei-
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01,
Van Houten GmbH; L&S
Werbeagentur; (1978) 02, 03
plastischer Chromolux
Kalender; Zander Feinpapiere GmbH (1973) 04
Calender 75; Offset 94 (1975)
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tet, da sich spezielle Softwareprogramme exzellent dazu eignen, Kalendarien zu berechnen und übersichtlich darzustellen. Digitale Kalender erlauben es zudem, schnell eine Terminplanung vorzunehmen und zusätzlich eine Erinnerungsfunktion einzutragen. DIE KALENDERSCHAU Ab 1950 fand im Landesgewerbeamt BadenWürttemberg in Stuttgart eine jährliche Kalenderschau statt, die vom „Grafischen Klub“ organisiert und verwaltet wurde. Ziel dieser Ausstellung war es, Grafikern, Fotografen, Reprofachleuten und Buchbindern die Möglichkeit zu bieten, bekannt zu werden. [01]
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Außerdem war es eine gute öffentliche Werbung für die Druckindustrie, die mit der Zeit immer neuere und bessere Druckverfahren ermöglichte. Ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Werbekalender als starkes Marketinginstrument entdeckt – der bis dato übliche Tagesabreißblock wich einem Monatskalendarium. Zudem steigerten sich die Formate der Kalender von A4 bis auf A2. Selbstverständlich hat sich die Technik ebenfalls weiter entwickelt. Es wurden gußgestrichene Papiere verwendet, erst weiß dann farbig, ohne und mit Struktur. Die Kleinbildfotografie mit ihren bewusst einkalkulierten Unschärfen
wurde immer öfter als Stilmittel eingesetzt. Des Weiteren wurden große Fortschritte in der Reprografie, in der Pigmentierung der Druckfarben und in den Veredelungs- und Bindetechniken gemacht.[02] Nicht zuletzt der Siegeszug des Offsetdrucks und des Siebdruckverfahrens – eine Entwicklung, die sich auch in der Zeitschrift „Novum“ manifestierte. Als Fachzeitschrift für Grafik-Design verfolgte sie die jährlich stattfindenden Kalenderwettbewerbe und die öffentlichen Präsentationen von Kalender-Ausstellungen, die sich steigender Besucherzahlen erfreuen konnten. Bei der Kalenderschau gab es keine Platzvergabe und keine Gewinner. Die Bewertungs-
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#8.3 plakate / kalender : der werbekalender damals & heute
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kriterien waren noch nicht festgelegt und die großen Firmen legten leider noch zu wenig Wert auf ein gut gestaltetes Kalendarium. „Große, fette Ziffer sind häufig nur verwirrend und dem gesamten Erscheinungsbild abträglich.“ [03] DER NOVUMKALENDERWETTBEWERB Bezogen auf die Kalendergestaltung stellen die siebziger Jahre ein höchst kreatives Jahrzehnt dar. Aus den Erfahrungen der vorangegange-
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nen Jahrzehnten resultierte der im Jahre 1975 ausgelobte „Novum“- Kalenderwettbewerb für vorbildlich gestaltete Kalender, die Werbung für ein bestimmtes Unternehmen bzw. eine Institution machten. Die Jury bewertete die Einreichungen nach folgenden vier Kriterien: Design: Originalität, Konsequenz, Typografie, Bildflächenaufteilung. Bild: Gestaltungsqualität der Abbildungen (Fotos/Illustrationen). Inhalt: Originalität, Werbeansicht und die Präsentation des Produktes bzw. der Dienst
leistung, Konsequenz. Druck: Umsetzung in das für die Motive am besten geeignete Druckverfahren, Qualität des Ergebnisses, die Arbeit des Reproduktions- und Druckfachmannes, denn so die Begründung von Erhard Stiebner 1978: „Der eine oder andere hat durch die falsche Wahl des Druckverfahrens mit dem Blick auf die Kosten, gut gestaltete Kalender kaputt gemacht.“ [04] Bis in die späten achtziger Jahre galt der Werbekalender als Unternehmenswerbung auf höchstem Niveau,
10
05 „ Kunst
im Halbrunden–Fächer aus 3 Jahrhunderten“;
MD Papier GmbH (1991) 06, 07 „ Klang
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der Farbe–Duft des Bildes“; Druckfarbenfa-
brik Gebr. Schmidt (1990) 08
„Naturkraft Farbe“; Druckfarbenfabrik Gebr. Schmidt
(1994) 09 „ HB–Für 10 „ Die
Leute mit Laune“; HB-Zigaretten (1993)
Zeit in den Kulturen“; Druckfarbenfabrik Gebr.
Schmidt (1995)
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sowohl auf gestalterischer wie auch auf technischer Ebene. DER UMBRUCH IM KALENDERWETTBEWERB Anfang der Neunziger wird die Computertechnologie/-software immer mehr in die Druckvorstufe mit eingebunden. Printarbeiten werden fast ausschließlich am Computer erarbeitet und produziert. Ältere fotografische und mechanische Techniken der Druckvorstufe wurden fast vollständig durch digitale Verfahren verdrängt. [05]
Mit Beginn der neunziger Jahre verändern sich auch die technischen und gestalterischen Prämissen. Hatten früher die grafischen Betriebe, die grafische Industrie und ihre Zulieferfirmen durch neue Papiere, Druck- oder Veredelungstechniken die Kalendergestaltung als hervorragende Möglichkeit erkannt, ihre Leistungen kundenorientiert zu visualisieren, versuchte nun Schrilles und Vordergründiges Aufmerksamkeit zu erregen. In der Folge wurde der Kalender immer weniger als ernstzunehmen-
des Marketinginstrument angesehen, sondern mehr als Präsent: „Der Kalendergestalter erarbeitet kein neues Produkt mehr, er verarbeitet es nur noch. Die Erfinder sind weniger geworden: Entweder werden Stile unreflektiert übernommen oder einmal erfolgreich gewesene Konzepte (in eigener Sache plagiiert).“ [06] Der zwanzigste Novum-Kalenderwettbewerb 1995 war zugleich auch der letzte. Olaf Leu bezeichnete das „Werbemedium Kalender“ als schwach positioniert: „Ein Grund ist die Ver-
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#8.3 plakate / kalender : der werbekalender damals & heute
12
11, 12 „One
year of endless pain“; Endless Pain
(2002) 13
Ford „Schaltjahr-Kalender“; Ford Werke
GmbH (2008) 14 „ Wurst
Advenstkalender“; Könecke Fleisch-
warenfabrik (2008) 15
DHL-Overnight-Calendar; DHL (2009)
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änderung der Kommunikationsstrategien, die Hand in Hand mit der technischen gehen.“ [07] Das Vertrauen und Zutrauen, dass der Kalender ein außergewöhnliches, über ein Jahr lang wirkendes Marketinginstrument sei, ist aufgeweicht. Der Kalender kann sich in den neuen Kommunikationsstrategien nicht behaupten. Er bringt nicht mehr das, was er früher brachte, selbst wenn es nur ein Beitrag zur Kultur oder Kultivierung des Unternehmensimages war. Das digitale Zeitalter veränderte die Sehweise von Umworbenen, was sich natürlich auf den Werbekalender negativ auswirkte.
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DER WERBEKALENDER HEUTE Zwar ist der Werbekalender in Form eines Wettbewerbs aus der „Novum“ verschwunden– das Marketinginstrument Kalender bleibt jedoch nach wie vor ein wichtiges Thema in der Werbung. Grund dafür ist zum einen die dauerhafte Werbepräsenz des Kalenders. Ein ganzes Jahr wird das Produkt oder die Dienstleistung konsequent beworben. Zum anderen sind bei der Gestaltung des Werbekalenders mittlerweile kaum Grenzen gesetzt. Sie lassen sich komplett an Kundenwünsche anpassen und können so einen individuellen Charakter erreichen, der fast vergessen lässt, dass es sich nur um ein Werbegeschenk handelt. Die heu-
tigen Kalender haben schon längst den Printbereich verlassen. Der Ford Schaltjahr-Kalender, der wie ein Schaltgetriebe aussieht, ist ein perfektes Beispiel dafür. Selbst der altbekannte Abreißkalender entdeckt neue Kommunikationsmöglichkeiten (DHL Overnight Calendar). Was den Kalenderwettbewerb betrifft, so gibt es auch heutzutage zahlreiche Wettbewerbsveranstalter der Werbebranche wie ADC, Cannes und ClioAward, die den Werbekalender in ihre Kategorien einbeziehen und weiter pflegen.
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ENDNOTEN
[1] Der Graphische Klub Stuttgart ist eine Gemeinschaft zur Förderung der Drucktechnik und Buchkultur. [2] Reprografie ist ein Sammelbegriff für alle Verfahren der dauerhaften lichttechnischen Reproduktion von Vorlagen. [3] Kuhn, Hans: Kalenderschau. In: Novum (München), Nr. 5, 1972,S. 4 [4] Stiebner, Erhardt: 3. Novum-Kalenderwettbewerb. In: Novum (München), Nr. 4, 1978, S. 4 [5] Herstellungsweg
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eines Druckerzeugnisses bis zur endgültigen Druckvorlage [6] Urban, Dieter: 14. Novum-Kalenderwettbewerb. In: Novum (München), Nr. 4, 1989, S. 9 [7] Leu, Olaf: 20. Novum-Kalenderwettbewerb. In: Novum (München), Nr. 4, 1995, S. 6
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Cover der Novum, 4.1977– 7.1983
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#9.1
KONTRASTE
Malte Weinmann
BACK TO BLACK - DER FOKUS AUF DAS WESENTLICHE Alles ist bunt, könnte man meinen, doch in letzter Zeit zeigt sich ein neuer Trend in der Welt der Kreativen. Fotografen, Illustratoren, Künstler, Werber und Grafiker besinnen sich auf Schwarz und Weiß. Es bedeutet einen Schritt zurückzugehen, den Fokus wieder auf das Wesentliche zu legen. Farbe lenkt ab, Schwarzweiß ist ehrlicher und zeigt ungeschönt die Wahrheit.
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#9.1 kontraste : back to black – der fokus auf das wesentliche
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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och was hat es eigentlich mit dieser Farbe, die physikalisch gesehen eigentlich gar keine ist, auf sich. Assoziationen dazu reichen von Tod und Trauer über Eleganz bis hin zum Mystischen. [01] Schwarz ist naturwissenschaftlich betrachtet die Abwesenheit von sichtbarem Licht und wird somit als unbunte Farbe bezeichnet. Tiefes Schwarz auf Weiß, kein Kontrast ist höher, der Umgang in der Gestaltung dadurch aber auch nicht gerade einfach zu beherrschen. Variationen mit Grauabstufungen ermöglichen einen weitaus größeren Gestaltungsfreiraum als man annehmen könnte. Doch woher dieses Verlangen nach Klarheit? Sind unsere Sinne reizüberflutet mit überflüssigen Information und den bunten Grafiken unseres Multimedia-Zeitalters? Der Versuch scheint angebracht, auch mal anders als gewohnt visuell zu kommunizieren.
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FOTOGRAFIE BACK TO THE ROOTS Die Anfänge der Fotografie waren monochrom, sieht man heute schwarzweiße Bilder, so haben die Fotografien doch ihren ganz eigenen Reiz. Durch unsere farbige Umgebung ziehen solche Bilder Blicke wieder stärker auf sich. Es ist eine visuelle Differenzierung, Zeitlosigkeit und Reduktion, die immer wieder fasziniert.[02] Man konzentriert sich mehr auf das Motiv, die Aussage einer Fotografie steht im Mittelpunkt. Der Betrachter verweilt länger und denkt nach. (Abb. 01) Gerade in der Mode, die oft wechselnden Farbtrends folgt, sind die Werbefotografien der hochwertigeren Marken meist in Schwarzweiß gehalten. Es strahlt Eleganz und Klassik aus, Marken wie Jockey, Bruno Banani, Boss, Einhorn und Jacques Britt setzen in ihren Anzeigen auf diesen Weg der Kommunikation. Die Qualität und Struktur von Stoffen der Kleidungsmarke lassen sich in schwarzweiß einfach besser abbilden, Farbe ist hier gar
nicht nötig. (Abb. 02) Anders ist es bei Sport- und Casual-Wear. Hier geht es eben gerade um Trends, um Lifestyle, indem Farbe eine durchaus wichtige Rolle spielt. TRÜBSINNIGE ILLUSTRATOREN Was ist denn nur unter den Illustratoren los? Trauer, Trübsinn oder ist es das graue, nasskalte Wetter? Wenige farbenfrohe Illustration sind zu sehen, in der aktuell beim Hermann Schmidt Verlag erschienenen Reihe „Freistil– The Black Issue.“ Von schlechter Laune oder gar Trübsinn keine Spur. Es war eine bewusste Entscheidung hin zum Schwarzweiß. Ein ganzes Buch mit Illustrationen, ohne wie sonst üblich in Farbe herauszubringen, brachte den Verantwortlichen vorerst einige schlaflose Nächte und Kopfzerbrechen. [03] Der Markt ist überfüllt mit bunten Illustrationsbüchern, braucht man unbedingt Farbe, kann es nicht ebenso gut in Schwarzweiß funktionieren? Das Konzept
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Galerie Grauwert, www.grauwert.de
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Kampagne für Einhorn /Agentur: Leonardt & Kern
Werbung Gmbh 03
Freistil Black: Best of European Commercial Illustra-
tion (Gebundene Ausgabe / 500 Seiten) Verlag: Schmidt (Hermann), Mainz; Auflage: 1 (16. März 2009) 04
B/Lack: Jenseits der Monochromie von Antonia
Henschel(Autor), (Taschenbuch / 196 Seiten)Verlag:
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Schmidt (Hermann), Mainz; Auflage: 1., Erstauflage (15. April 2009)
stand also und es kam an, bei SchwarzweißIllustrationen sieht man zudem, wer wirklich zeichnen kann! [04] (Abb. 03) Ein weiteres Buch mit dem Titel „B/Lack“, herausgebracht von Antonia Henschel, Geschäftsführerin von Sign Kommunikation, das sich mit der Farbe Schwarz beschäftigt, untersucht die Wirkungsweise, die unbunte Farbe im Kontext von Licht, Helligkeit und Kontrast. Grauwerte werden erkundet, ebenso wie die Wahrnehmung von Schwarz. (Abb. 04) Denn Schwarz ist eben nicht gleich Schwarz, im oberen Eck des Buches ist tiefes 100 Prozent Schwarz gedruckt, direkt nebenan in anderen Mischungen, zum Beispiel ein sattes Blau, oder schimmerndes Rotschwarz. So erkennt man den erstaunlich großen Facettenreichtum der Farbe. [05] Es kommt immer darauf an, wie und in welchen Umfang man Schwarz in der Gestaltung einsetzt, es entsteht schnell eine unterschiedliche Wirkung für den Betrachter. „Forscher kreieren das schwärzeste Schwarz aller Zeiten“, so lautet der Titel eines beim
Spiegel-Online erschienenen Berichts. Das finsterste Schwarz findet man dort, wo kein Licht existiert. Das des Nano-Forschers Pulickel Ajayan von der Rice University in Houston, Texas, schluckt immerhin 99,95 Prozent allen Lichtes. (Abb. 05) Düsterer sind da nur schwarze Löcher, die absolut kein Licht reflektieren. Es ist ein Material, wie ein Teppich, bestehend aus winzig, kleinen, eng zusammengerollten Kohlenstoffnanoröhrchen und es reflektiert gerade einmal 0,045 Prozent des Lichtes. Die Röhrchen sind so dicht aneinandergereiht, dass diese einen Grossteil des Lichtes absorbieren. Versuche mit anderen Wellenlängen, wie Infrarot- und ultraviolettem Licht befinden sich momentan in der Testphase. Interessant wird dieses Material wahrscheinlich für die Rüstungsindustrie. Zum Beispiel bietet dieser Stoff neue Wege zur Tarnung.[06] Von wegen Tarnung, Auffallen, um die Ecke gedacht, so die Frankfurter Werbeagentur Mindshare. Unter dem Claim „Knorr bringt
Farbe auf den Tisch“ sollte eine passende Internet-Anzeige entwickelt werden. Um die neue Produktpalette an Suppen möglichst auffallend auf der Website von RTL zu platzieren, wurde die ganze Seite in schwarzweiß gehalten. Nur der Anzeigenbereich, den Absender Unilever komplett buchte, blieb für die Knorr-Anzeige in Farbe. [07] (Abb. 06) Dies zog die Aufmerksamkeit der User direkt auf das neue Produkt. Nach den Angaben von Mindshare stiegen die Zugriffszahlen an Usern auf die Knorr-Website danach um 20 Prozent. Ein gelungener Coup, der zeigt wie wirkungsvoll der Umgang mit Farbe oder eben gerade das Weglassen von Farbe an den richtigen Stellen sein kann. DIE SCHWARZE KUNST So werden Berufsausbildungen bezeichnet, die in Verbindung zum Buchdruck stehen. Das Schwarz bezieht sich im klassischen Sinn auf die Druckerfarbe von Büchern und Zeitungen.
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#9.1 kontraste : back to black – der fokus auf das wesentliche
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Heutzutage werden mit den entsprechenden Programmen wie Fontlab und Adobe Indesign, Schriften und Layouts schnell und komfortable erstellt. (Abb. 07) Eine radikale Veränderung, doch in der Typografie bleibt man allerdings auch im Zeitalter der Personal Computer, in der ersten Phase bei Schwarz und Weiß. Es geht um das genaue Platzieren von Schrift und die Lesbarkeit; um nicht abzulenken kommt der Kontext von Farbe und Grafik erst danach. Type auszuwählen und im Zusammenspiel mit Weißraum so anzuordnen, dass dennoch Spannung entsteht, dass ist die Kunst der Ty-
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pografen. [08] Schwarz & Weiß nicht außergewöhnlich, dennoch wird es immer wieder eingesetzt, um zu kommunizieren. Das hohe kreative Potential ist noch lange nicht ausgereizt, keine (Nicht-)Farbe bietet interessantere und vielfältigere Wege, Dingen visuell eine Sprache zu verleihen. Nicht eine andere Farbe hat in so vielen Kulturkreisen eine unterschiedliche Bedeutung und Auffassung. Schwarz eine unbunte Farbe, die fasziniert, und in gewissen Zeitabständen scheint es zu einen kleinen Hype zukommen, gerade in der Kreativwelt. Dabei keimt dieser Trend auf und
ebbt nach einiger Zeit wieder ab. Schwarz ist dennoch immer da und bleibt dabei so interessant und mystisch wie das Schwarz der Nacht seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte und ist tief verankert in unserer Kultur. (Abb. 08)
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Pulickel Ajayan von der Rice University in Houston,
Texas Bildrechte: Reuters Link: http://www.spiegel.de/ fotostrecke/fotostrecke-28097-3.html 06
Agentur Mindshare Kampange für Knorr, Mindshare
Werbeagentur 07
Abbildung: Layout der Zeitschrift Twen
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Galerie Grauwert, www.grauwert.de
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ENDNOTEN [01] Vollmar, Klausbernd: Das Geheimnis der Farbe Schwarz. Südergellersen: Martin 1988 [02] Jaitner, Peter: schwarzweiß / black and white. In: Novum (München), 29, 11. 2000, S. 37. [03] Dohmann, Antje: Gestaltung schwarzweiß in: Hamburg, 15, 7. 2009, S. 44. [04] Dohmann, Antje: Gestaltung schwarzweiß in: Hamburg, 15, 7. 2009, S. 43. [05] Dohmann, Antje: Gestaltung schwarzweiß in:
Hamburg, 15, 7. 2009, S. 46. [06] Datum des Zugriffs: 13.01.2010 http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/0,1518,528990,00.html [07] Dohmann, Antje: Gestaltung schwarzweiß in: Hamburg, 15, 7. 2009, S. 44. [08] vgl. Jaitner, Peter: Novum Plus: schwarzweiß / black and white. In: Novum (München), 29, 11. 2000, S. 47.
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Cover der Novum, 8.1983– 6.1991
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#10.1
DREIDIMENSIONALES DESIGN
Irina Vidiborskaia & Juliana Kromberg
PAPIER ALS KREATIVER WERKSTOFF Papier ist allgegenwärtig und längst nicht nur ein Träger von Informationen und Ideen, sondern ein künstlerisches Medium, das sich immer wieder neu erfindet. Viele Künstler und Designer nutzen die Eigenschaften dieses wandelbaren und vielseitigen Werkstoffes und erschaffen daraus die unterschiedlichsten Kunstwerke, von kleinen Objekten und Pop-Up Büchern bis zu gewaltigen Installationen und 3D - grafischen Arbeiten.
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#10.1 dreidimensionales design : papier als kreativer werkstoff
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
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Coverillustration von Leo Monahan
(Novum 05, 1991) 02
Illustration für Zeitschrift von Leo
Monahan (Novum 12, 1990) 03
Illustrationen von Helen Musselwhite
(Novum 11, 2009)
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apier ist ein sehr faszinierendes Material und der vielleicht wichtigste Werkstoff unserer Zivilisation. Die ersten Papierbögen wurden ungefähr 200 Jahre v. Chr. in China hergestellt. Im Kunsthandwerk und der Volkskunst ist Papier schon sehr früh beliebtes Werkmaterial gewesen. Die älteste Form der Gestaltung mit Papier ist wohl die japanische Faltkunst, das Origami, welches bereits vor der Entdeckung des Papiermachens entwickelt wurde. Heute ist das Papier aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es begegnet uns tagtäglich, aber wir nehmen es nicht richtig wahr, da Bilder und Texte die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken. Dabei gerät das Material beinahe völlig in den Hintergrund: „Papier ist fast ausschließlich Trägermedium für Informationen - ein stummer Diener für Wörter und Bilder. [01] Es entwickelt sich immer mehr zu einem Wegwerfprodukt, dessen Wert man
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immer weniger zu schätzen weiß. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sich dieses Material gerade bei jungen Künstlern und Designern immer größerer Beliebtheit erfreut. Denn die Anwendungsmöglichkeiten vom Papier sind unerschöpflich. Es wird in vielen Bereichen eingesetzt - auch in Kunst, Design und Architektur, wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Disziplinen immer mehr zu verschmelzen scheinen. Dieser Werkstoff ist beweglich und gleichzeitig stabil, unendlich variabel und lässt sich in fast jede beliebige Form bringen. Die Vielfalt der Arbeiten reicht von kleinen Objekten und Figuren bis hin zu großen Installationen und Skulpturen sowie dreidimensionalen grafischen Räumen und Filmanimationen. Dass das Thema „Papier“ für die Zeitschrift „Novum“ eine wichtige Rolle spielt, belegt die Tatsache, dass sich einmal jährlich eine ganze Ausgabe der in der „Novum“ enthaltenen
„Novum Plus“ diesem Thema widmet und verschiedene Papiersorten, aber auch viele kreative Ideen rund um das Papier vorstellt. Außerdem werden zahlreiche Wettbewerbe aufgeführt, bei denen sich meist junge Studenten aus unterschiedlichen Hochschulen mit diesem Werkstoff auseinandersetzen, damit experimentieren und gestalten, um die breite Öffentlichkeit auf „die Rolle des Papiers vor dem Hintergrund zunehmender Elektronisierung“ [02] aufmerksam zu machen. Sie entziehen dem Papier seine vordergründige und technische Funktion und verleihen ihm neue künstlerische Dimensionen. Schon 1925 hatte Josef Albers die schöpferische Nutzung des Papiers als Werkstoff im Vorkurs am Dessauer Bauhaus eingesetzt. Heute bringen Ausstellungen und Konferenzen, wie „Paperart“ [03] oder „Creative Paper Conference“ [04] Papierkünstler aus aller Welt zusammen.
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EIGENE BILDERWELTEN AUS PAPIER „Novum“ stellt viele Künstler und Designer vor, die sich dem Material Papier gewidmet haben. Einige Werke von ihnen wurden auch auf dem Cover des Magazins verewigt, wie das Cover mit der Papierillustration von Leo Monahan (geb. 1933) in der Ausgabe 05/1991 (Abb. 01), der in geduldiger Kleinarbeit dreidimensionale Papierskulpturen erschafft (Abb. 02). Diese Papierbilder wirken sehr beeindruckend auf den Betrachter, wahrscheinlich weil man den Bildern die mühevolle Arbeit ansieht. Der Unterschied zu den herkömmlichen Schattenrissbildern ist, dass Monahans Bilder nicht sparsam, sondern opulent und nicht schwarzweiß sondern farbig sind. Sie erscheinen nicht als Schattenriss, sondern werden von vorn beleuchtet. Durch Überlagerung und Schattenwurf bekommen die Illustrationen räumliche Tiefe und dreidimensionale Wirkung. Seine Kindheit verbrachte Leo Monahan in
den Black Hills von South Dakota. „Dort, unter Holzfällern, Farmern, Indianern und Cowboys, hat er vielleicht auch angefangen, die Welt auf seine Weise zu sehen: in klaren, starken Konturen, leuchtend, romantisch, natürlich, frisch: ein amerikanischer Traum.“ [05] Seine ersten Papierskulpturen fertigte er 1960. Ein Jahr zuvor gründete er ein Studio für Design, wo er unter anderem Kinoplakate und Schallplattencover gestaltete. Nebenbei baute er sein Image als Papierillustrator weiter aus. Nachdem er 1987 dem Werbe-Buisness endgültig den Rücken kehrte, arbeitete er ausschließlich als unabhängiger Papierillustrator. Seine Papierskulpturen waren in der Verlagsund Werbebranche sowohl national als auch international sehr gefragt. Möglicherweise weil solche Bilder eine viel größere Aufmerksamkeit erzielen als herkömmliche Techniken wie Illustration oder Fotografie. In seinen Bildern verarbeitet Leo Monahan oft Eindrücke
aus seiner Kindheit in den Black Hills, mit einfachen Motiven aus der Natur. Masken, Federn, Boote und Vögel erscheinen sehr häufig. Sein Engagement für die Kunst der Papierskulptur hat ihm zahlreiche Auszeichnungen gebracht, einschließlich des „Life Achievement Award“ von der „Society of Illustrators“, Los Angeles. Eine ähnliche Technik wendet auch Helen Musselwhite an, die sich „mit Haut und Haar dem Papier verschrieben hat.“ [06] Sie erweckt Bilder zum Leben, die mit ihrer Tiefenwirkung verzaubern. Mit ihren Skulpturen schafft sie einen kleinen „Mikrokosmos - ein Wald, in dem sich viele Tiere tummeln oder aber ein Garten, in dem die schönsten Blumen blühen.“ [07] Alle ihre Arbeiten entstehen in liebevoller Handarbeit (Abb. 03). Ein weiterer Papierillustrator, der eine ganz andere Technik anwendet, ist Bertrand le Pautremat. Geboren 1954 in Paris, war er 1980 bis 1990 als Fotograf in der Werbebran-
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#10.1 dreidimensionales design : papier als kreativer werkstoff
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che tätig, wobei er hier seine Leidenschaft für das Papierfalten entdeckte. Sechs Jahre lang verdiente le Pautremat tagsüber sein Geld mit Werbefotografie und nachts arbeitete er an seinen Papierfiguren. Seine Technik ist aus der traditionsreichen Kunst des Origamis hervorgegangen. Le Pautremat faltete zuerst Tiere, Flugzeuge und beschäftigte sich dann mit dem Falten von Menschen. Später kombinierte er seine beiden Fähigkeiten: das Falten und das Fotografieren. Für seine Papierskulpturen verwendete er ganz dünnes Farbpapier, das seinen Werken eine charakteristische Note gab. Er fotografierte diese Objekte mit Durchlicht, um sie noch luftiger wirken zu lassen (Abb. 04): „Dadurch wurden nicht nur die übereinanderlappenden Partien seiner Figuren sichtbar, man konnte auch die Beschaffenheit der Papierstruktur erkennen. Mal glatt und fein, mal rau und grob. „Das Papier wird noch papierener,
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subtiler, magischer.“ [08] Le Pautremat hat damit einen neuen Stil, fast eine „neue Kunstform“ erfunden. Ein Hauptelement seiner Arbeiten ist die „imitierte Räumlichkeit“. Obwohl seine Faltarbeiten eigentlich flach sind, wirken sie dennoch dreidimensional. Diese Faltbilder faszinieren, fallen auf und eignen sich deswegen gut für viele verschiedene Werbezwecke: „Für Bertrand Le Pautremat ist das Papier ein Ausdrucksmittel, wie für andere der Bleistift oder die Farbe.“ [09] POP-UP-BÜCHER UND 3D-KARTEN „Die Welt ist nicht flach... warum sollten es Bücher sein?“ [10] Viele Designer sind der Meinung, dass „jedes Design, das dem Betrachter Interaktivität abverlangt, eher im Gedächtnis bleibt und dass die vermittelte Information eher beim Leser ankommt als alles, was nur auf flachem Papier
präsentiert wird.“ [11] Das Aufmachen eines solchen Objektes wird zu einem Abenteuer, da der Betrachter aktiv in die Gestaltung eingreifen kann. „Er liest das Werk nicht nur, er erfährt es gleichsam und eröffnet sich dadurch neue Wege der individuellen Interpretation. Das Umblättern einer Seite oder das Ziehen an einem Papierstreifen enthüllt neue Dimensionen oder Ebenen, bringt oftmals Überraschungen und eröffnet uns neue Wahrnehmungsmöglichkeiten.“ [12] Solche interaktiven Techniken, auch Pop-Ups genannt, wurden durch Lothar Meggendorfers Spielbücher Ende des 19. Jahrhunderts sehr populär. Das Besondere an diesen Büchern war, dass sie ergänzend zur üblichen zweidimensionalen Gestaltung und der normalen Art des Lesens und Betrachtens noch mechanische Bewegungsabläufe erforderten bzw. Dreidimensionalität schafften. Lange
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Illustration für ein Einkaufszentrum von
Bertrand Le Pautremat (Novum 08, 1998) 05, 06
Das Architektur-Paket von Ron van der
Meer, ArsEdition, 1997 (Novum 01, 1998) 07
Das IQ/EQ-Paket von Ron van der Meer und
Ad Dudink, ArsEdition, 1997 (Novum 01, 1998)
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galten diese Bücher als bloße Kinderbelustigung. Dass diese „lebenden Bilderbücher" auch im Zeitalter von Gameboy und Videospielen nichts an ihrer Attraktivität verloren haben, zeigen aktuelle Beispiele. In jüngster Zeit sind es vor allem die „Buch-Pakete" des Holländers Ron van der Meer, die dem Genre neue Aufmerksamkeit bescheren. Van der Meer war der erste Papierkünstler, dem klar war, dass sich Erwachsene genauso für PopUp-Bücher begeistern können wie Kinder. Er kombinierte anspruchsvolle Themen mit verständlichen Texten zusammen mit faszinierenden und dreidimensionalen Papierskulpturen, die aus der aufgeklappten Doppelseite förmlich herauswachsen (Abb. 05, 06, 07). Er war überzeugt, dass der Lerneffekt der Pop-UpBücher viel größer ist als der gewöhnlicher Sachbücher. „Ron van der Meer betont, dass man solche Bücher im Gegensatz zu norma-
len Büchern immer und immer wieder gern zur Hand nimmt.“ [13] Seine Bücher zu Architektur, Musik und Psychologie sind internationale Bestseller und werden von Fans weltweit gesammelt. „Kuriose Einlagen wie Steckbilder, Leporellos, Aufstell-, Zieh- und Stehauf bilder, Verwandlungsbilder sowie dreidimensionale Bilder betonen den Inhalt so stark, dass sie sofort die Aufmerksamkeit auf sich lenken und den Leser dazu bewegen, manuell in die Handlung einzugreifen.“ [14] Daher werden Pop-Up-Mechanismen auch in der Gestaltung von 3D-Karten und Werbesendungen angewendet. Außerdem heben sie sich durch den Überraschungseffekt vorteilhaft von der übrigen langweiligen Werbepost ab, da Bewegung eben auch immer Aufmerksamkeit erzeugt. Außerdem laden solche Papierkarten zum Spielen, Ausprobieren und Nachdenken ein.
3D - GRAFISCHE RÄUME Mit der Digitalisierung entwickelte sich auch ein Drang zum Analogen und persönlichen Erleben. Viele Designer aus verschiedenen Bereichen entscheiden sich dafür, nicht mehr ausschließlich in zwei Dimensionen, sondern stattdessen intensiv im Raum zu arbeiten. Sie verlassen ihre Schreibtische und inszenieren aus allen erdenklichen Materialien grafische Räume, die sie zu Magazintiteln, Illustrationen und Postern verwandeln. „Die Materialisierung ist eine Gegenreaktion auf die gleichzeitige Virtualisierung unserer Umwelt.“ [15] Und gerade das Material Papier bietet enorme Möglichkeiten für dreidimensionales Design. Durch die Rückkehr in die analoge Welt versuchen die Designer ihren Arbeiten etwas Menschliches und Persönliches zu geben, womit sie sich von der perfekten, glatten und vektorisierten, digitalen Welt abgrenzen.
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So auch der in Kanada geborene junge Designer Julien Vallée, der in seinen Kreationen (Abb. 08, 09, 10) gerne analoge handgemachte und digitale Techniken miteinander verbindet. Er fertigt grafische Räume, die er dann mit einer Fotokamera abfotografiert und am Computer weiter bearbeitet. Dabei entstehen Plakate, Illustrationen und außergewöhnliche Stop-Motion-Filme. Er benutzt den Computer als Werkzeug, mit dessen Hilfe er seine Bilder verbessern kann; er soll jedoch niemals zum Hauptbestandteil seines Design-Prozesses gehören. Er sagt über seine Arbeit: „I like to use manual art well endorsed by the various technological tools available in order to make the bridge between manual and virtual art.“ [15] Sein beliebtes Material ist das Papier, weil es neutral, recycelbar und überall verfügbar
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ist. Außerdem ergänzt er: „I like to use it in a way that allows me to communicate a message first, and then the audience notices that it's made out of paper and perhaps then they want to take a closer look at it.“ [16] Die Begeisterung für solche von Hand erstellten Werke hat vor allem in den letzten Jahren zum einem wegen ihrer Originalität und Kreativität, aber auch wegen ihrer Handwerklichkeit sehr zugenommen. Man könnte sagen, dass dies wahrscheinlich die wichtigste Entwicklung im heutigen Grafikdesign ist. PAPIER(T)RÄUME Dass Papier nicht nur Basis für die Kunst ist, sondern selbst zum Kunstwerk werden kann, beweisen die faszinierenden Wandinstallationen von Andreas Kocks. Der 1960 in Ober-
hausen geborene Künstler konzipiert große raumübergreifende Installationen, die sich auf den jeweiligen Raum einlassen. Diese fertigt er aus ausgeschnittenem, schwerem, unbearbeitetem weißem oder grafitbeschichtetem Papier, das in mehreren Schichten über- und ineinander liegt. Durch die Schnitte ins Papier, mit denen Kocks die Flächen vor- und zurückspringen lässt, ergibt sich ein spannungsreicher Reliefcharakter. Die monumentale Wandinstallation „Der Big Bang“, die wie eine Explosion (Abb. 11, 12) mit großer Geschwindigkeit in den Raum hinausjagt, hat die Ausmaße von etwa sechzehn Metern Länge und drei Metern Höhe und ragt mit seinen Spitzen über die Decke in die Eingangshalle des Bürozentrums von TBWA in Wien hinaus: „Statische Wandflächen geraten in
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Kampagne für MTV-ONE von Julien Vallée &
Dixon Baxi (Papercraft: Design and Art with Paper, Berlin 2009) 10
Covergestaltung von Julien Vallée für das Buch „Tan-
gible“ (Papercraft: Design and Art with Paper, Berlin 2009) 11, 12 12
Bewegung, es entsteht ein plastischer, lebendiger Bildraum, dessen Ebenen sich in Licht und Schatten abziehen. An Wand, Boden und Decke angebracht und zumeist ortsspezifisch entwickelt, stellen diese Installationen mit ihrer organischen Dynamik die orthogonalen Grenzen des architektonischen Raumes in Frage.“ [17] Diese allem Anschein nach spontane und zufällige Explosion ist alles andere als willkürlich entstanden. Hinter solchen Installationen steht immer ein „langwieriger Prozess des Erforschens, Schaffens und Findens.“ [18] Bei allen seinen Arbeiten macht Andreas Kocks zunächst immer viele Skizzen, die er dann mehrmals schneidet und übereinander legt und verschiedene Wölbungen und Schnitte ausprobiert. Wie eine urgewaltige organische
„The Big Bang“ Wandinstallation von Andreas
Kocks in TBWA Wien 2008 (Novum 04, 2009)
Materie, ein erkaltender Strom, dehnt sich und wächst das Papier, trotz jeglicher Schwerkraft, in alle Richtungen des Raumes. Die Betrachter werden dazu eingeladen, sich in einem Dialog mit dem Raum auseinanderzusetzen. So können sie selbst erleben, wie der Ort zum Geschehen wird. Außerdem, so ergänzt Andreas Kocks, können die Besucher ihrerseits zu „Entdeckern der Wechselwirkung von skulpturalem und architektonischem Raum werden.“ [19] Den Werkstoff Papier entdeckte Kocks erst nachdem er einige Zeit mit Stahl, Holz und Bronze gearbeitet hatte. Heute gehören Papier, Schere und Klebstoff zu seinen Hauptwerkzeugen. „Um den Eindruck von Tiefe und Bewegung zu erzielen, genügen bei Papier oft schon leichte Wölbungen oder Abhebungen
von wenigen Millimetern. Das Spiel von Licht und Schatten tun dann sein übriges – übereinander montierte und mit Grafit gefärbte Papierschichten wirken unglaublich plastisch und fast dynamisch“ [20], erzählt der Künstler über die Vorzüge des Materials. Und so offenbart uns Andreas Kocks mit seinen Papierkunstwerken eine weitere Facette des vielseitigen Stoffes Papier auf eine raumfüllende und beeindruckende Weise. „Papier ist ein sinnlicher Werkstoff, weckt Emotionen und ist doch wandelbar.“ [20] Diese Eigenschaften griff das Designer- und Künstlerduo, Petra Eichler und Susanne Kessler, auf und kreierte einen Scherenschnittwald, einen begehbaren Ort der Stille. Das Projekt „sounds of silence“ war damit geboren. Es beinhaltete mehrere Rauminszenierungen in leerstehen-
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den Gebäuden in der Innenstadt von Frankfurt (Abb. 13, 15). „Jede Installation bezog die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ein und hatte das Ziel, den Alltagslärm auszuklammern und den Betrachter an einen poetischen Ort der Stille zu entführen.“ [21] Mit dieser Papierinstallation brachten Eichler und Kessler ein Werk hervor, das unter dem Namen „The kind of silence people only dream of “, „mit der stillen Kraft der Zerbrechlichkeit arbeitet.“ [22] Dieses Kunstwerk besteht aus elf 4 x 6 Meter großen Scherenschnitten, die sich zu einem lebensgroßen, begehbaren Papierwald zusammenfügen. Warum die beiden Frankfurter Gestalterinnen gerade das Material Papier gewählt haben, erklären sie folgendermaßen: „weil es jedem vertraut ist, zunächst nicht nach Innovation aussieht und fragil wirkt.“ [23] Bei dieser Rauminstallation wurde das Tyvekpapier verwendet, weil es sehr reißfest, robust und widerstandsfähig ist. Wäh-
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rend der Entstehung war Handarbeit gefragt, denn die auf den Papierbahnen gedruckten Waldmotive wurden von den Künstlerinnen von Hand ausgeschnitten und anschließend hintereinander in einer bestimmten Anordnung quer im Raum aufgehängt. Im Auftrag des Juweliers Van Cleef & Arpels gestalteten Petra Eichler und Susanne Kessler für die Biennale des Antiquaires 2008 einen achtzig Quadtratmeter großen Stand. Dieser bestach durch seine ungewöhnliche Formen von Gartenlandschaften (Abb. 14). Als Inspiration dienten dem Künstlerduo die Entwürfe der aktuellen Schmuckkollektion, die unterschiedlichen Stile der klassischen Gartenarchitektur und die Natur selbst. Im Grand Palais Paris wurde von Eichler und Kessler ein Schauraum mit vier Scherenschnittgärten aufgebaut. Diese Papiergärten dienten als eine zauberhafte und einzigartige Bühne für die wertvollen Schmuckstücke. In die Außenwände wurden
vier Miniaturlandschaften eingebaut, die den Besucher faszinierten und dazu einluden, einen kleinen Spaziergang durch die Papiergärten und Schmucklandschaften im Innern zu unternehmen. Jede Scherenschnittkomposition wies durch passende Musik und die Farbveränderung der LED-Beleuchtung eine ganz eigene Atmosphäre auf. „Auf diese Art erzählen Papiergärten und Schmuckstücke kleine Geschichten, in denen sich die Betrachter verlieren können und je tiefer sie blicken, desto mehr gibt es zu entdecken...“ [24] Wie die Zeitschrift „Novum“ uns aufgezeigt hat, ist das Papier ein sehr variationsreiches und faszinierendes Medium. Es ist heute aktueller denn je und wird von den Designern geliebt und geschätzt, denn: „Solange unsere Phantasie grenzenlos bleibt, wird uns Papier in immer neuer Form über den Weg laufen.“ [25]
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„The kind of silence people only dream of “ Raum-
installation von Petra Eichler und Susanne Kessler in Frankfurt am Main 2005 (Novum 05, 2007) 14
Standgestaltung von Petra Eichler und Susanne
Kessler für den Juwelier Van Cleef & Arpels im Grand Palais, Paris 2008 (Novum 03, 2009)
ENDNOTEN [01] Avella, Natalie: Paper Engineering: Papier als 3D-Werkstoff, München 2004, S. 4. [02] Spieker-
mann, Erik: Plakatwettbewerb „Papier & Kommunikation“. In: novum (München), Nr. 7, 1984, S. 1825. [03] Die PaperArt ist eine Ausstellung zum Thema Papierkunst. Seit 1986 findet sie alle zwei Jahre im Papiermuseum Düren und im Leopold-Hoesch-Museum statt. Dort stellen Künstler aus verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern Kunstwerke vor, die aus Papier geschaffen wurden oder die Papier enthalten. [04] Creative Paper Conference ist eine Veranstaltung, die von Novum seit 2006 alle zwei Jahre veranstaltet wird. Dort treffen sich Designer mit Vertretern der Druck-, Veredelungs- und Papierbranche, tauschen sich aus, inspirieren sich und knüpfen Kontakte. Es finden viele Vorträge und Diskussionen rund um das Papier statt und bei der Ausstellung kann man die vielseitigen Möglichkeiten des Papiers hautnah erleben. [05] Zahn, Heribert: Leo Monahan. In: novum (München), Nr. 12, 1990, S. 32. [06] Schulz, Bettina: Märchenwelten. In: novum (München), Nr. 11, 2009, S. 48. [07] Richter, Uwe: Paper-Artist. Bertrand le Pautremat. In: novum (München), Nr. 8, 1998, S. 28. [08] http://www. contours-art.de/de/artists/lepautre/index.htm (Stand: 30.11.2009) [09] Hans Hartung: http://www.
bochum.de/C125708500379A31/vwContentByKey/W272FAGN734BOLDDE (Stand: 30.11.2009) [10] Avella, Natalie: Paper Engineering: Papier als 3D-Werkstoff, München 2004, S. 7. [11] Avella, Natalie: Paper Engineering: Papier als 3D-Werkstoff, München 2004, S. 8. [12] Avella, Natalie: Paper Engineering: Papier als 3D-Werkstoff, München 2004, S. 96. [13] Carothes, Martha und Lanny Sommese: Spielbilderbücher. In: novum (München), Nr. 8, 1981, S. 48. [14] Nixon, Ziggy: http://www.gosee. de/news/photography/booklet-interview-mit-robert- klanten-gestalten-verlag-3168 (Stand: 30.11.2009) [15] Nixon, Ziggy: http://www.xymara.com/index/designerscorner/Interviews/17519/julien-vallee-1. htm (Stand: 30.11.2009) [16] Schulz, Bettina: Papier(t)räume. In: novum (München), Nr. 5, 2008, S. 10. [17] Warning, Wilhelm: http://www.andreaskocks.com/text.html (Stand: 12.11.200) [18] Schulz, Bettina: Papier im Raum. In: novum (München), Nr. 4, 2009, S. 45. [19] Schulz, Bettina: Papier im Raum. In: novum (München), Nr. 4, 2009, S. 45. [20] Moosman, Christine: Sounds of silence. In: novum (München), Nr. 5, 2007, S. 44. [21] Moosman, Christine: Bäumchen wandel dich. In: novum (München), Nr. 3, 2009, S. 40. [22] Schiffe aus Papier, hrsg. v. Siegfried Stölting. Lilienthal 1989, S. 9.
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#10.2 dreidimensionales design : dreidimensional inszenierte räume
Jina Kim
DREIDIMENSIONAL INSZENIERTE RÄUME Seit einiger Zeit tendiert Gestaltung in die dreidimensionale Richtung, weg vom Bildschirm, zurück zur Handarbeit. Häufig wird im Team, im Studio oder anderswo inszeniert, Typografie gebastelt oder aus Objekten zusammengesetzt. Alles jedenfalls fotografiert, um es am Ende meistens wieder auf Papier zu bringen.
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#10.2 dreidimensionales design : dreidimensional inszenierte räume
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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AS SIND DREIDIMENSIONALE GRAFISCHE RÄUME? Der Gestalter arbeitet abhängig von dem Projekt digital oder analog und hat manchmal das Gefühl, dass sich mit dem Bildschirm dazwischen einfach nichts simulieren lässt. Oder bei der Verwendung des Computers mit den Gestaltungsprogrammen kann das Ergebnis am Monitor jedoch kalt und langweilig erscheinen. Es geht um Formate, um Farben, um Gewichtungen. Der Computer an sich ist auch ein formatloses Medium. Man kann zwar heraus- oder hineinzoomen, aber die echten Dimensionen erfährt man erst, wenn man ein Objekt in der Hand hält. Deswegen verwenden Gestalter auch einen analogen Ansatz. Sie nutzen dabei alle erdenklichen Materialien für ihre Bildkompositionen, wie beispielsweise Draht, Strasssteine, Papier, Holz und Luftballons. Sogar Schuhe und Möbel werden als Gestaltungsmittel eingesetzt. Somit wird ihre eigene Fantasie nicht länger
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nur auf Papier festgehalten, sondern gestaltet sich in einem Raum. Dieses materialintensive, konzeptuelle Design stellt heute einen internationalen Trend dar. Es handelt sich um die dreidimensionalen, grafischen Rauminszenierungen, die am Ende fotografiert und daraufhin auf ein zweidimensionales Medium gebracht werden. Dabei entstehen neue, eigenartige und suggestive Bildwelten. WIE HABEN SICH DIE GRAFISCHEN RÄUME IM LETZTEN JAHRHUNDERT ENTWICKELT? Die Tendenz hin zu eigentümlichen Rauminstallationen sieht man ursprünglich in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, insbesondere im Dada und Surrealismus. Dada siedelte zwischen sinnlich überraschender Absurdität und konstruktiv klarer Vernunft an. Die Arbeiten von Dada zeigen die Idee der Massenkultur. [01] Ein gutes Beispiel ist der Merzbau von Kurt Schwitters. In seinem Atelier hatte er zahlreiche kleine Hohlräume aus Pappe oder Papier
geschaffen, die alle von unterschiedlichster Größe, Form und Richtung waren. In diesem Raum mit geometrischen Formen wurde der Betrachter in seine eigene persönliche und emotionale Welt, mit einem Wechselspiel aus Licht und Schatten, geführt. [02] Es gibt Beispiele von Schallplattencovers in den 1960er Jahren, mit denen die Idee der dreidimensionalen inszenierten Räume antizipiert wird, so das Schallplattencover des Beatlesalbums „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club“. Peter Blake, der das Cover gestaltet hat, stellte ein Gruppenbild mit den berühmten Figuren aus Pappe zusammen, wie zum Beispiel Oscar Wilde, Marlene Dietrich, Albert Einstein, C.G. Jung, Bob Dylan, Karlheinz Stockhausen oder Karl Marx. Dazwischen stehen die Beatles vor einem kleinen Blumenbeet, in dem ihr Name aus Hyazinthen gleichsam geformt wurde. Durch die Verwendung weiterer figürlicher Elemente wirft das Bild einen ironischen Witz auf. [03]
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Rauminstallation „Merzbau“
von Kurt Schwitter 02
Schallplattencover des
Beatles-Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club“ 03 + 04+ 05
Rauminstallation
„Um was es nicht geht” von Pixelgarten 03
WAS VERSTEHT MAN ABER UNTER DIESER MÜHEVOLLEN, INSZENIERTEN GESTALTUNG UND WIE WIRKT SIE GENAU? Dreidimensionale inszenierte Arbeiten sind meistens individuell, spielerisch, eigenhändig. Sie scheinen intuitiv und frei zu sein. Dabei gibt es verschiedene Darstellungstechniken und Ausdrucksmittel: Basteln mit Kartons, Nähen oder Zusammensetzen von Objekten. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit „Um was es nicht geht“ von Pixelgarten. Sie setzen Dinge in Szene, die fantasievoller und grotesker nicht sein könnten. Die Vorraussetzungen für dieses Experiment waren ein Raum und alle Dinge, die sich in diesem Raum befanden; zwei Personen, ein fester Zeitrahmen und der Plan jeden Tag ein Bild entstehen zu lassen. Daraus visualisierten die zwei jungen Designerinnen fantasievolle und skurrile Bildwelten. [04] Da uriniert ein Mann rosarote Farbe an die weiße Wand, ein Staubsauger macht sich selbständig und saugt eine Frau auf, angefangen bei
der Frisur, eine Explosion wird in comichafter Bildsprache inszeniert, die voll ist von humorvollen und anspielungsreichen Ideen. Dabei dominieren helle, fröhliche Farben. Mit solchen Arbeitprozessen hat der Gestalter selbst Spaß und die Arbeit erzeugt ein interessantes, ungewöhnliches Bild, das es im realen Leben nicht gibt, aber aus wirklichen Materialien erstellt wurde und mit der Hand berührt werden kann. Es ist eigentlich viel einfacher, die Szene mit dem digitalen Ansatz zu gestalten – einfach mit den Fingern auf die Tastatur klopfen und fertig. Aber der handwerkliche Ansatz, so wie hier ein großes Stück Papier mühsam z.B. gefaltet, geschnitten und geklebt wird, fasziniert und berührt uns emotional mit Fantasie, Neugier, Irritation und Wärme. Der Fantasie der Designer ist bei räumlichen Gestaltungsumsetzungen keine Grenzen gesetzt und dient zur Erweiterung der Dimensionalität.
Das Porträt zeigt die drei jungen Designer von „Disturbance“ vor einem comicmäßigen, schwarzen Grafikhintergrund. Das gesamte Bild lässt die realen Personen mit dem zweidimensionalen Hintergrund verschmelzen. Die Kombination beziehungsweise der Kontrast zwischen realen Figuren (Wirklichkeit) und der gemachten Bildwelt (Illusion) wirkt attraktiv und emotional auf den Betrachter. Die grafische, räumliche Inszenierung ist keine Nachahmung von Realität, sondern eine individuell interpretierte Wirklichkeit. Durch den unwirklichen Raum und den Objekten wird die reale Welt aber kommentiert. Das Plakat „The great Illusion“ von Elliot Earls zieht theatralische Parallelen zwischen Tod, Liebe und Schlaf. Die Besonderheiten dieser Themen liegen in einer Grauzone des menschlichen Bewusstseins, in der die Verletzlichkeit und der drohende Verlust des eigenen Selbst offenbar wird. In der Vermengung dieser Übergangswelten liegt eine unendliche Quelle für
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#10.2 dreidimensionales design : dreidimensional inszenierte räume
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skurrilen Humor-Trennlinien-Verwischen und Verwunderung einflößen. [05] Im Raumbild ist eine möglichst vielseitig einsetzbare und gute Form wichtig. Die gebastelten Entwürfe mit Zuckerwürfeln von dem französischen Gestalter „Akatre“ ist auch ein gutes Beispiel: In die Arbeit wurde von den Designern viel Zeit und Mühe investiert, obwohl sie dafür keine komplizierten typografischen Regeln beziehungsweise digitalen Techniken oder Maschinen benötigten. Auch wenn man einen Fehler macht, kann der Arbeitprozess nicht rückgängig gemacht werden, so wie in Grafikprogrammen. Aber man sieht deutlich, dass die Räumlichkeit der Buchstaben aus Zuckerwürfeln durch Licht und Schatten spannugsvoll vertieft wird. Noch ein weiteres Beispiel ist ein internationales Typografieprojekt in der Schweiz, das unter dem Motto „We make Fonts“ erschien. In dem Projekt wurde ein dynamischer, professioneller Raum mit analogen Techniken entwickelt. Die holländische Designgruppe von Underware
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formierte das Wort „dream“ aus Einkaufswagen auf dem Parkplatz eines großen Supermarktes. [06] Diese experimentelle Arbeit im Team ist aktionsmäßig und einmalig, da sie nur an einem ganz bestimmten Ort und zu einer festen Zeit (nur für eine Nacht!) inszeniert wurde. Dadurch konnte die Sache aussagekräftig und berührend auf den Punkt gebracht werden. Bei diesem Raumbild spielen die Materialien noch eine besondere Rolle. Einkaufswagen als Gegenstände selbst haben ganz eigenartige Botschaften und Formen, in der jeder Betrachter durch seine eigene Erfahrung unterschiedlich stark angezogen wird. ZURÜCK ZU DEN ANALOGEN GESTALTUNGEN Uns faszinieren aber die guten, wiederkehrenden und handwerklichen Raumeindrücke, die uns emotional mit Fantasie, Neugier, Irritation und Wärme rührt. Man sieht durch die analoge, mühevolle und intransigente Arbeit anspruchsvolle visuelle Treue, die sich nachhaltig ins Gedächtnis der Menschen einprägen.
Sogar scheint das Ergebnis mehr als Wahrheit zu nähren. Dabei ist die Methode und die subjektive Eigenart der Rauminstallationen wichtig. Mit analogen Methoden eine dreidimensionale Welt zu formen und sie wieder in die Fläche zurückkehren zu lassen, verschiebt die üblichen Grenzen von Räumlichkeit, Materialität und Dimensionalität. Die Handhabung traditioneller Techniken wie z.B. von gebastelten Pappfiguren, skurrilen Stillleben, ausgeschnittenen Lettern oder Einkaufswagen usw. ist originell, ästhetisch, spielerisch und haptisch. Dreidimensionale grafische Räume mit fantasievoller Atmosphäre und Charakter sind der Ausgangspunkt eines neuen konzeptuellen Designs mit einem Mix gegenwärtiger Tendenzen, wie die Wiederkehr von Handarbeiten und Street Art. Diese Art der Rauminszenierung ist sehr attraktiv und effektiv, um eigene Sinnlichkeit und originelle Emotion auf den Punkt zu bringen.
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Coverdesign für Magazin I.D von Disturbance
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Plakat „The great Illusion“ von Elliot Earls
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Typogrfische Aktion von Underware
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Plakat für Danse Show von Yeves Musart von Akatre
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Kampagne für Edinburgh Festival 2008 von Marque
Creative
ENDNOTEN [01] Hermann Korte, Die Dadaisten, Berlin, 2003 [02] vgl. http://www.merzbau.org/Schwitters.html [03] Steven Heller, Dreidimensionale grafische Räume. Basel, 2009, S. 11-15. [04] Staff Writer, Die Pixelgärtner, In: form, Basel, Nr. 214, 2007, S. 92-95. [05] vgl. Uleshka, Tangilbe, »High Touch Visuals«, Basel, 2009, S 6-7 [06] Susannev Schaller, We make Fonts, In: Novum, München, Nr.11, 2006, S.
54-55. Moosmann, Christine: Kreative Handarbeiter. In: Novum (München), Nr.11, 2006, S. 46-47. Moosmann, Christine: Willkommen im Papiergarten. In: Novum (München), Nr.05 , 2007, S. 52-53. Moosmann, Christine: Design im Raum. Bäumchen wandel dich. In: Novum (München), Nr.03, 2009, S. 40-41. Sommese, Lanny: Marque. Marque Creative. In: Novum (München), Nr.03, 2009, S. 22-25.
Bettina, Schulz: 3D-grafische Räume. In: Novum (München), Nr.04, 2009, S. 43. Schaller, Susanne: Antoine+Manuel. In: Novum (München), Nr.07, 2009, S 61-63. Muckle Sophia: Dreidimensionale grafische Räume. Basel 2009. Uleshka: Tangilbe. High Touch Visuals, Basel 2009. Commentz, Sonja: Tangible. High Touch Visuals, Basel 2007. Stereographocs. Graphics in new Diemensions, hrsg. v. Victor Cheung. Hong Kong 2008. Keller, Jenny: Sichtbare Düfte. In: form (Basel), Nr. 225, 2009, S. 56-59. Bofinger, Karin: Infografiken des Unwissens. In: form (Basel), Nr. 223, 2008, S. 74-79.
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Cover der Novum, 7.1991– 2.1996
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#11.1
KOMMUNIKATION IM RAUM
Sabine Eckert
OTL AICHER – DIE 70ER JAHRE UND EINE BEWEGUNG ZUR AUTONOMIE Imagewerbung für das Gasteiner Tal und Isny eine Stadt in Schwarz Weiß.
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#11.1 kommunikation im raum : otl aicher – die 70er jahre und eine bewegung zur autonomie
EINE HEADLINE REIN, DAS WÄR FEIN
Hier is a supa Platzl für a bisserl Einleitung, consectet autpat, si te tat. Alisim vercilit augait alis dunt ipsum zzril ullan vullam, vero odipsustrud mod enis autpat, consecte etummod iamconulla autat ilis nosto dolut vulpute con ea consenim aliquat ing eriusto con veliquismod magna feuis nim er ad magna accummod magna acipit ipisi tat.
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er Ursprung des Denkens und der Arbeit von Otl Aicher liegen in seinen Erlebnissen im Nationalsozialismus. Für Aicher stand stets das „pragmatische Machen“ über dem romantischen, geistigen Idealismus, in dem er die Wurzel des Erfolges der Nazi-Ideologie sah. Das Machen von Form, Gestaltung, Typografie, Objekten und Architektur waren für Aicher stets Ausdruck einer inneren Haltung. Ähnlich wie die Gestaltung des deutschen Pavillons von Sep Ruf und Egon Eiermann auf der Weltausstellung 1958, stehen Otl Aichers Erscheinungsbilder für große deutsche Unternehmen (ZDF, Lufthansa) und die Olympischen Spiele für ein anderes Deutschland. Der schnörkellose, rationale und funktionale Charakter seiner Arbeiten demonstriert dem Ausland eine „optische Läuterung“ der jungen Bundesrepublik. Das visuelle Leitbild für die Olympiade 1972 war als Gegenentwurf zu den Spielen in Ber-
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lin 1936 gedacht. Im Mittelpunkt stand die Idee der „heiteren Spiele“, die musisch und unpolitisch sein sollten. Auf Pathos und heldische Überhöhungen wurde verzichtet. [01] Die konsequente Einheitlichkeit war das entscheidende visuelle Merkmal der Olympiade. Alle Elemente des Erscheinungsbildes wurden aus einem kleinen Repertoire farblicher und formaler Motive nach strengen Gestaltungsgesetzten entwickelt. Entgegen nationalistischer Selbstdarstellung zielte das System der entstandenen Piktogramme auf internationale Verständigung: eine klare, eindeutige, kulturneutrale, visuelle Sprache. NEUE GRAFISCHE LINIE DES GASTEINER TALS Zu Beginn des Jahres 1974 wurde Otl Aichers drittes Werk (nach olympischer Zeitrechnung) aus der Taufe gehoben. Getauft auf den Namen „Neue grafische Linie des Gasteiner Tals“, war es eine neue architektonische Linie Gasteins. Das Gasteiner Tal hatte aufgrund
seiner Bädertradition ein überwiegend älteres Publikum zu Gast. So war Badgastein beinahe das Schlüsselwort für die Zufluchtsstätte leidender, betuchter Herrschaften, die im urbanen Gesicht dieses Ortes Genesung suchten. Dieses Image wollte Badgastein loswerden und sich auch jüngeren Leuten als Kur- und Wintersportzentrum präsentieren. Dazu hat es nicht nur ein paar ältere Bauten geopfert und durch das neue Kur-Zentrum dem überwiegend vertikal gegliederten Ortsbild eine Horizontale eingezogen, sondern auch Otl Aicher beauftragt, dem urbanen Akzent einen grafischen zur Seite zu stellen. [02] (Abb. 01) Aicher konzipierte eine Reihe von Bildern, die die Besonderheiten der Landschaft, der Stadt Bad Gastein an sich und des neuen Skigebietes darstellten. Dabei verwendete Aicher ausschließlich die Farben Rot, Schwarz und Weiß, die für die Landesfarben Österreichs stehen. Das Signum, ein leicht überarbeitetes vergrößertes „g“, aus dem Schriftfont der
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03 01
Plakate für das Gasteiner Tal, 1974.
Identitätskonzept für Bad Gastein. Vor der Verwirklichung von Isny konzipierte Aicher ein ähnliches Konzept für die Stadt Badgastein in Österreich. 02/ 03
Grafische Repräsentation der
Wälderlandschaft Isnys, 1976. Das Erscheinungsbild Isny startete als kleines Projekt, aus dem am Ende insgesamt 120 Bildelemente bezüglich der Landschaft, der Erholungs- und Freizeitangebote, Kultur bis hin zur Esskultur Isnys, hervorgingen.
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Univers [03] 57 [04] , stand für das Gasteiner Tal. Für den Mengentext und die Headlines wurden ebenfalls Schriftschnitte der Univers verwendet. Durch das betont rationale Design sollte es Aicher gelingen, dass jeder, der das neue KurZentrum Badgastein betritt augenblicklich den Melkschemel vergessen würde. Das Projekt wurde allerdings nie realisiert. Es scheiterte wohl daran, dass die ländlich, traditionell, folkloristische Gemeinde mit dem neuen Erscheinungsbild des Gasteiner Tals nicht unter einen unter einen Hut zu bringen war. ISNY EINE STADT IN SCHWARZWEISS 1976 nahmen Aicher und der damalige Verkehrsamtsleiter der Stadt Isny Rudi Winkler diese außergewöhnliche Idee für Touristikwerbung wieder auf. Isny im Allgäu ist ein kleiner Kurort unweit vom Bodensee gelegen. Ein typisches Stück Allgäu, umgeben von der bunten Schönheit der Vorgebirge der Alpen. Statt blauem Himmel und grüner Wiesen ver-
suchte Aicher die Stadt Isny mit schwarz-weißen, absolut geometrischen und präzisen Zeichnungen einladend erscheinen zu lassen. Zusammen mit Rudi Winkler erkundete Aicher die Umgebung und machte erste Skizzen für eine Serie mit - bis zu diesem Zeitpunkt - achtzig Zeichnungen. Insgesamt entwarf Otl Aicher 120 Bildelemente aus verschiedenen touristisch relevanten Themenfeldern, wie Landschaften, Gebäude- und Stadtansichten, landschaftliche Arbeit, Pflanzen, Tiere und Menschen bei Freizeit und Sport, stilisiert zu schwarz-weißen Symbolen. (Abb. 2-6) Der ländlich, idyllische Kurort wurde „eine Stadt in Schwarz und Weiß“. Fernab von bunten Panoramabildern mit denen andere Kurorte um Touristen werben. Über dieses „fotofreie“ Erscheinungsbild streiten sich heute noch viele Marketingfachleute. In Fachkreisen jedoch löste es Begeisterung aus. Durchaus nicht so öffentlich, wie die Olympischen Spiele, erhielt das Projekt große Anerkennung durch diverse Designausstellungen. 1977 wurde das Projekt in der
Pädagogischen Hochschule Weingarten vorgestellt. Weitere Ausstellungen folgten in Darmstadt, „Stadt Design“ und in Stuttgart, „Werbung einer Stadt - am Beispiel Isny im Allgäu“. Außerdem erhielten die Plakate beim Wettbewerb „Die goldene Reisekutsche“ den zweiten Preis. Allerdings standen auch bei dieser Arbeit einige Bewohner Isnys dem ausgesprochen radikalen Projekt etwas skeptisch gegenüber. Auch Touristen bemängelten das Erscheinungsbild als zu trist und zu sehr vom Verstand geprägt. Aichers Konzept zählt aber gerade diese misstrauische Kritik zu den Stärken im Isny-Erscheinungsbild. „Die Intensität dieser Kombination ist ähnlich wie Null und Eins. Schwarz ist der Mangel jeder Farbe, Weiß die Summe aller Farben. Es ist eine grundlegende Kombination wie ja und nein, wie positiv und negativ. Eine Stadt in Schwarzweiß bedeutet eine Stadt voller Vielfalt und Gegensätze.“[05] Otl Aicher [06]
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#11.1 kommunikation im raum : otl aicher – die 70er jahre und eine bewegung zur autonomie
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Headline Sommerplakat Isny, 1976.Das Kon-
zept: Ideografische Zeichnungen die sich gemäß der Jahreszeit ändern lassen. 07
Auszug aus der umfangreichen Sammlung der
Bildelemente ohne Kontext. Die einzelnen Bildelemente wurden zu einem flexiblen grafischen Baukastensystem. Zu jedem Anlass austauschbar und erweiterungsfähig. 04
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Seit Ende der 1980er Jahre wirbt Isny sowohl mit den Motiven von Otl Aicher, welche vor allem auf Plakaten, Stelen und Souvenirs anzutreffen sind, als auch mit Landschaftsfotografie. (Abb. 05, 06) Einen offiziellen Auftrag für das neue Erscheinungsbild erteilte die Stadt zunächst nicht. Aichers Ehefrau Inge Aicher Scholl hatte an der Volkshochschule Isny gelesen, dass die Stadt auf der Suche nach einem Grafiker war, der neues Marktmaterial für das Touristikbüro, sowie ein Plakat für die Volkshochschule entwirft und den Kontakt mit den Stadtbeamten hergestellt. Aicher lehnte den Auftrag aus Prinzip zunächst ab, überdachte seine Entscheidung und willigte schließlich doch ein, sich dem Projekt anzunehmen. Das damals wie heute neuartige, betont rationale und in
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seiner Wirkung außergewöhnlich strenge Design sollte im Nachhinein zu einem stilistischen Merkmal von Aicher werden. Begriffe, wie Stil oder Stilbildung gehörten zu jener Sorte mit denen man Aicher jagen konnte. Da aber die Imagewerbung der Städte in beiden Fällen aus ein und derselben Werkstatt kommen und diese auch zu erkennen ist, kann meines Erachtens, getrost von einem Stil gesprochen werden. Die Persönlichkeit Aichers muss allerdings für seine Auftraggeber eine Herausforderung gewesen sein – man könnte auch sagen er hat sie gequält. Aicher postuliert zwar, dass sich die Lösung aus einer Sache heraus entwickeln müsse, im Mittelpunkt seines Arbeitsprozesses stand dann aber auch oftmals er selbst, seine Theorien, Prinzipien und der Versuch als
autonome Persönlichkeit Entscheidungen zu treffen. Diejenigen aber, die mit Aicher in den Clinch gegangen sind, haben von seiner Arbeitsweise und Persönlichkeit durchaus profitiert. Setzte ein Auftraggeber Aichers Forderungen um, wurden die jeweiligen Unternehmen zur Autorität ihres Produktbereiches.
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ENDNOTEN [01] Vgl.: Beil, Brigitte: Das visuelle Erscheinungsbild für die Spiele der XX Olympiade München 1972. In: Novum, (München), Nr.7, 1972, S. 3-56. [02] Vgl.: Luidl, Philipp: Otl Aicher „Après Olympia“. Image Werbung für das Gasteiner Tal. In: Novum, (München), Nr. 7, 1972, S. 49 f. [03] Univers, ein Schriftsatz aus der Werkstatt des Schweizer Typografen Adrian Frutiger. [04] 57, die Bezeichnung einer Schrifttype aus dem Schriftsatz der Univers. [05] Übersetzung zit. n. Rathgeb, Markus: Otl Aicher,
New York 2006, S. 146. ebd. Zit. im Orig. „The intensity of this combination is like zero and one. Black meaning the absence of all color, white is the sum of all colors. It is a fundamental combination like yes
and no, like positive and negative. A town in black and white means a town in the unity of contrasts.” [06] Otl Aicher, innenseiten des krieges, Frankfurt 1985, S. 15. Rathgeb, Markus: Otl Aicher, New York
2006, S. 146 ff. Aicher, Otl: Typographie. Berlin 1989. Originalreproduktion der 2. Auflage 1992. Mit einem Beitrag von Josef Rommen und einer Biografie von Florian Pfeffer.www.aicher-otl.de, www.isny. de, www. szon.de/...isny.../isny_artikel,-Otl-Aichers-Zeichenwelt-macht-Lust-auf-mehr-_arid,2806582. html szon.
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#11.2 kommunikation im raum : piktogramme/orientierungssysteme
Stefan Zahm
PIKTOGRAMME/ORIENTIERUNGSSYSTEME Im Jahre 1920 entwickelte Otto Neurath mit der sog. „Wiener Methode“ ein Bildsystem zur anschaulichen Darstellungen von Statistiken. Viele Jahre später erst entdeckte man, dass Piktogramme auch ein wichtiges Mittel zur Orientierung sind und sich aufgrund ihrer Sprachunabhängigkeit auch bei den Olympischen Spielen bestens eignen. Aber auch sonst sind Piktogramme heutzutage allgegenwärtig.
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#11.2 kommunikation im raum : piktogramme/orientierungssysteme
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in Piktogramm (von lateinisch pictum - Bild, griechisch gráphein - schreiben) ist ein einzelnes Bildsymbol, das eine Information durch vereinfachte, grafische Darstellung vermittelt. Es bezieht sich meist auf einen realen Gegenstand, der stilisiert oder typisiert gezeigt wird. „Piktogramme sind Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller möglichen kulturellen, visuellen und ästhetischen Wahrnehmungsmöglichkeiten. Sie sind die visuelle Essenz eines Objektes und Schlüsselbilder mit universeller Verständlichkeit auf globaler Ebene.“ [1] PIKTOGRAMME HEUTE/ANWENDUNGSGEBIETE Piktogramme finden sich heutzutage überall. In vielen Bereichen sind sie nicht mehr wegzudenken bzw. ist eine Orientierung ohne sie nicht mehr vorstellbar. Das sind zum einen Orte an denen man sich
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zurecht finden muss, wie z. B. Bahnhöfe, Flughafen, Ausstellungen/Messen, Sportstätte, Hotels, Kauf häuser, Straßenverkehr sowie andere öffentliche Einrichtungen und Bauten. Zum anderen findet man Bildsymbole bei Gebrauchs- und Verbrauchsgütern, wie Waschmaschinen (und Waschanleitung in der Kleidung), Bedienungsanleitungen, Automaten, Icons im Computer, Zubereitungsbeschreibung auf Lebensmittelverpackungen, Spielanleitungen u.v.a.m.. Hauptanwendungsgebiete von Piktogrammen sind jedoch Leitsysteme. Diese koordinierten Zeichenkomplexe bauen auf einheitlichen Gestaltungsrastern auf, welche aus dem Bedürfnis des Menschen heraus entstehen, sich an neuen unbekannten Orten schnell zurecht zu finden. Dafür bedienen sich Leitsysteme der Piktogramme, die sowohl den Eigenheiten/Charakteristika der Umgebung angepasst werden als auch der visuellen Kommunikation
gerecht werden, um systematisch zu informieren und zu orientieren. [2] VORTEILE Der grundsätzliche Vorteil bei Piktogrammen ist, dass sie im Gegensatz zur geschriebenen Sprache auf einen Blick erfasst werden. Eine Wegskizze beispielsweise führt schneller zum Ziel als eine Wegbeschreibung, wohingegen die Wegbeschreibung zielsicherer sein kann, wenn es z. B. darum geht, einen bestimmten Rechtsanwalt aufzusuchen. Ein sehr großer Vorteil an Piktogrammen ist, dass sie in inhaltlicher und formaler Hinsicht, sprach- und kulturneutral und daher weltweit einsetzbar sind. Das gilt sogar innerhalb eines Landes mit seinen verschiedenen Völkergruppen, wie z. B. Indien. Hier herrschen starke kulturelle, traditionelle, sprachliche (14 Hauptsprachen, 1600 Dialekte) und soziale Unterschiede (60 Prozent Analphabeten). [3]
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Bedienrad einer Spiegelreflexkamera
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Verpackungshinweise
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Funktionsaufzählung einer Digitalkamera
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Waschanleitung
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Bildstatistik. Bildquelle: siehe [4]
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ENTSTEHUNGSGESCHICHTE Im Jahr 1924 ersuchte Dr. Otto Neurath in Wien zu einer Ausstellung über Wohnungsbau ein erstes Bildzeichen-System zu schaffen. Damit wollte er erreichen, dass die Öffentlichkeit sachlich über sozialhygienische Maßnahmen (Säuglingssterblichkeit, Tuberkuloseerkrankungen usw.) aufgeklärt wird, aber auch die Mechanismen der Weltwirtschaft transparent gemacht werden. Die sonst fehlende Systematik der optischen Darstellungsweisen (Kurven, Diagramme,
Bänder usw.) erweisen sich seiner Meinung nach als zu abstrakt und schwierig zu erkennen. Seine Bildsprache sollte die Relationen und Zusammenhänge ins Bewusstsein bringen mit dem Ziel, die konkrete Lebenslage der Menschen zu verbessern. [4] Aus der Motivation heraus, eine weltweit einheitliche Bildsprache zu kreieren entwickelte er sein System ISOTYPE (International System of Typographic Picture Education). Er forderte damit auch auf, den Ehrgeiz des Gestalters (und damit seinen persönlichen
Ausdruck) zurückzunehmen. Die Priorität der Gestaltung sollte auf international genormten Sachbildern liegen, ohne unnötige Details. [5] Rudof Modley (ehem. Mitarbeiter Neuraths) setzte seine Bestrebungen in den USA fort und gründete die Firma Pictograph Corporation (Piktogramme für Statistiken). 1937 veröffentlichte er ein Buch „How to use pictorial statistics“ [6] über Piktogramme und deren Verwendung.
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#11.2 kommunikation im raum : piktogramme/orientierungssysteme
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PIKTOGRAMME FÜR OLYMPIA Aufgrund der Sprachunabhängigkeit von Piktogrammen entdeckte man den Nutzen auch für die Olympischen Spiele. Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass diese stilisierten Bilder nicht nur zur Orientierung dienen, sondern auch wichtige Bilder sind, mit denen die mediale Landschaft einer Olympiade konstituiert wird. Sie werden bei TV-Übertragungen, in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit benutzt und prägen den Eindruck der Menschen von den olympischen Wettkämpfen. Sie visualisieren nicht nur die olympische Idee, sondern auch die Kultur des Gastgeberlandes (Abb. 08, 09). Erstmals im Piktogrammstil (auf Schildern und Zuschauertickets) eingesetzt wurden Umrisszeichnungen von Sportlern bei der Olympiade in London 1948. (Abb. 11) [6]
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Die ersten geplanten Piktogramme entstanden 1964 für die Olympiade in Tokio vom japanischen Grafiker Katsumi Masaru, der eine charakteristische, typische Form der jeweiligen Sportart stark vereinfacht darstellte. Individuell aufgefasste Stilisierungen unterstreichen die Bewegung, wobei unwichtige Einzelheiten weggelassen wurden, um die grafische Wirkung zu verstärken. (Abb. 12) [7] Die für Tokio entstandenen Piktogramme wurden später für die Weltausstellung in Osaka 1970 und die im selben Jahr stattfindende Winterolympiade in Sapporo weiterentwickelt. (Abb. 13) Ab 1967 waren Piktogramme dann fester Bestandteil in umfassenden Leitsystemen, z. B. bei der Expo 1967 in Montreal und der Olympiade 1968 in Mexico City. Jetzt zeigten die Piktogramme eine bezeichnende Einzelheit, die für die jeweilige Sportart cha-
rakteristisch war, als ein Teil für das Ganze. Durch die starke Vereinfachung und ausschnitthafte Konzentration erhöhte sich die Lesbarkeit. (Abb. 14) [5] Im Winter 1968 wurden bei der Olympiade in Grenoble neue grafische Mittel eingesetzt, die eine lebendige, filmartige Wirkung erzielen sollten und auf Distanz die Illusion der Bewegung ergeben aber gleichzeitig signethaft bleiben sollten. (Abb. 15) [7] Bei der Olympiade München 1972 perfektionierte Otl Aicher das Bildzeichensystem, das Masaru Katsumi für Tokio entworfen hatte. Er entwickelte ein strenges (genormtes) Bildraster, in dessen quadratische Einheit alle Darstellungen auf eine formal durchgängige Linie eingeordnet waren. [7] Nur wenige Balken und Striche der selben Stärke, die wiederum nur horizontal, vertikal und im 45° Gradwinkel
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die Piktogramme der Olympiade in Sydney 2000
sollten Vitalität und Spontaneität aufgreifen und auf charakteristische Weise das Gastland repräsentieren. Als zentrales Element hatte man den Bumerang vielseitig 12
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eingesetzt. Bildquelle: siehe [9] 09
die Piktogramme für die Olympischen Sommerspiele
2008 in Beijing haben die chinesische Siegelschrift als Grundlage. Sie vereinen piktografische Elemente der alten Inschriften auf Schildkrötenpanzern und Knochen sowie der Inschriften auf Bronzen mit simplen Merkmalen modernen Designs. Bildquelle: blog.koormann.de/files/ piktogramme-peking-olympia-2008.php 10 Olympische
Sommerspiele 1988 in Seoul. Bildquelle:
Ota Yukio: Pictogram Design, Japan 1987. 11 13
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Eintrittskarten für die Olympischen Spiele 1948 in
London. Bildquelle: london2012.com/blog/2009/12/ getting-my-hands-on-a-piece-of-1948-games-history.php 12
Olympische Sommerspiele 1964 in Tokio. Bildquelle:
siehe [7] 13 Olympische
Winterspiele 1970 in Sapporo. Bildquelle:
Ota Yukio: Pictogram Design, Japan 1987. 14
Olympische Sommerspiele 1968 in Mexico City.
Bildquelle: siehe [7] 15
Olympische Winterspiele 1968 in Grenoble. Bildquelle:
siehe [7] 16 14
eingesetzt werden sollten, zeigten die Sportler in Aktion. (Abb. 16) Für Aicher war es essentiell wichtig, bei der Gestaltung seiner Piktogramme Standards festzulegen und eine klare, visuell eindeutige Sprache jenseits gestalterischer Moden und Trends zu erarbeiten. Ob Piktogramme bei Massenveranstaltungen jedoch tatsächlich wirksam sind, war in den 1970er Jahren noch nicht klar, bzw. noch nicht wissenschaftlich abgesichert. [5] ENTWICKLUNG VON PIKTOGRAMMEN Bei der Entwicklung gilt es bestimmte Faktoren zu beachten. Hierbei müssen Fragen behandelt werden, die den Zusammenhang zwischen der visuellen Darstellung der Zei-
Olympische Sommerspiele 1972 in München. Bildquel-
le: Ota Yukio: Pictogram Design, Japan 1987.
chen und ihrer Bedeutung klären (Semantik). Des weiteren muss die Beziehung der Zeichen untereinander betrachtet werden (Syntaktik) sowie die Beziehung der Zeichen zum Betrachter (Pragmatik). [8] Semantischer Faktor Wie gut repräsentiert das Piktogramm seine Botschaft? Ist es national und international verständlich? Ist es für alle Altersgruppen moderat? Ist das Piktogramm leicht zu erlernen? Wird es schnell akzeptiert? Enthält das Piktogramm Elemente, die sich nicht auf den Inhalt beziehen?
Syntaktischer Faktor Verhält sich das Piktogramm als Ganzes einheitlich zu anderen Piktogrammen? Stimmen sie in Stil, Linienstärke, Flächenaufteilung, Größenverhältnissen, Farbverteilung, Abständen zwischen den Zeichen, Überlappung, Rahmung und Platzierung überein? Widerspricht es einem anderen Piktogramm? Pragmatischer Faktor Wo nimmt man das Zeichen war? Stimmen die Lichtbedingungen, wird es von anderen Zeichen überblendet? Bleibt das Piktogramm auf geringe und große Distanz weiterhin identifizierbar? Ist es dort besonders gefährdet verunstaltet zu werden? [8]
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#11.2 kommunikation im raum : piktogramme/orientierungssysteme
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Vergleich und Bewertung von international angewand-
ten Kofferpiktogrammen (siehe auch Abb. 2). Bildquelle: siehe [10] 18 Bewertungstabelle 19
für Abb. 1. Bildquelle: siehe [10]
Entstandene Symbole für das amerikanische Verkehrs-
ministerium. Bildquelle: siehe [10] 20 + 21
Entfernungstest für das Aufhängen von Schildern
mit Piktogrammen. Bildquelle: siehe [10]
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WEITERE HERANGEHENSWEISEN Das „American Insitute of Graphic Arts (A.I.G.A.) hatte bei der Entwicklung eines Leitsystems für das amerikanische Verkehrsministerium in den 1970er Jahren einen weiteren Punkt mit einfließen lassen. Aus den 24 besten Leitsystemen der Welt pickten sich die Grafiker aus jedem das Beste heraus, um schließlich zum einzigartigen Design zu kommen. (Abb. 17-19) Dabei wurden jeweils die Fragen gestellt: 1. Ist die Bedeutung klar? 2. Fügt es sich in das System ein? 3. Ist die Zeichnung lesbar? Die entstandenen Symbole wurden auf Syntax und Pragmatik mit ständiger Kontrolle des „Publikums“ aufgebaut – ganz im Gegensatz zu Otl Aichers „starren“ Systems. So wurden im Entstehungsprozess Kreativsitzungen mit dem Personal der Krankenhäuser
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abgehalten,sowie Interviews und Skizzen des Publikums mit einbezogen. Zur endgültigen Auswahl wurde noch ein mal ein abschließender Publikumstest durchgeführt sowie Entfernungstests und weitere Tests zur Linienstärke, Größe usw. (Abb. 20, 21) [9] Als das Design fertig war, kam man zu folgendem Schluss: 1. Die Effektivität der Symbole hängt von der Einfachheit der Aussage ab. 2. Undersign ist besser als Oversign 3. Symbole sind nur brauchbar, wenn sie Teil des Systems sind. [10] FAZIT Piktogramme sind auch heute noch fester Bestandteil in fast allen Bereichen des täglichen Lebens und werden sicher weiterhin (sogar noch verstärkt) Einsatz finden. Wie auch bei Logos lösen einmal gelernte Piktogramme beim Betrachter Schemabilder aus, die im weiteren Verarbeitungsprozess des Ge-
hirns unbewusst mit bekannten Informationen abgeglichen, verknüpft und somit in Zukunft schneller abgerufen werden können. In der schnelllebigen und hochtechnisierten Zeit braucht der Mensch klare und schnell verständliche Wegweiser, um sich in der mit Informationen überladenen Umwelt zurechtzufinden. Die Motivation und Geduld, sich lange mit der Navigation, sei es im Straßenverkehr, im Handy oder in den Teils riesigen Gebäudekomplexen zu beschäftigen, ist nicht sonderlich groß. Auch liest heute niemand mit Begeisterung eine Bedienungsanleitung. Stattdessen fliegt man nur schnell über QuickStart-Anleitungen und erwartet eine übersichtliche Bedienstruktur am Gerät selbst. Und nicht nur aus Platzgründen arbeitet man auch hier mit kleinen Abbildungen – den Piktogrammen.
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ENDNOTEN [1] Zitat: Stefan Dziallas, Iconwerk. Quelle: Selbstverständlich schön. Interview mit Stefan Dziallas. In: Novum Gebrauchsgrafik (München), Ausgabe 10/2009, S. 32-34. [2] Urban Dieter: Visual Images. 79 Symbole. In: Novum Gebrauchsgrapfik (München), Ausgabe 2/1982, S. 44-47. [3] Poovaiah, Ravi: Piktogramme für Krankenhäuser (IND). In: Novum Gebrauchsgrafik (München), Ausgabe 10 /1985, S. 12-15. [4] Hartmann, Frank und Erwin K. Bauer: Bildersprache. Otto Neurath [5] Aicher, Otl und Martin Krampen: Zeichensysteme der visuellen Visualisierungen, Wien 2006. [6] Modley, Rudolf: How to use pictorial statistics, Harper and Kommunikation, Stuttgart 1977.
Brothers Verlag (New York/ London 1937). [7] Diethelm Walter und Marion Diethelm: Signet Sig[8] Lacher, Simone und Johannes Hoffmann: Piktogramm. Seminararbeit nal Symbol, Zürich 1976. Semiotik, HGK Zürich 2003 [9] Moosmann, Christine: Eventdesign. Dabei sein ist alles (Olympiade 2000). In: Novum Gebrauchsgrafik (München), 11, 2004, S. 44. [10] Sommese, Lanny: Symbol. Ein Zeichensystem für das amerikanische Verkersministerium. In: Novum. (München). 6, 1977, S. 22-31.
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Cover der Novum, 3.1996– 6.2001
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#12.1
DIGITALES DESIGN
Lena Giovanazzi und Sylvia Reuther
GENERATIVE GESTALTUNG Betrachtet man die Linien der Ambush-Serie von Eno Henze im Detail, vermutet man einen menschlichen Zeichenduktus hinter den zittrigen, willkürlich verlaufenden Linien. In der Gesamtheit zeigt sich jedoch eine Gleichmäßigkeit und Präzision, die ohne Computer nicht umsetzbar gewesen wäre. Dieser spannende Effekt zeigt eine von unzähligen Möglichkeiten, die das generative Design eröffnet.
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#12.1 digitales design : generative gestaltung
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Keine kurzen, keine geraden Linien, überkreuzend und berührend, zufällige Verwendung von vier Farben, einheitlich verteilt mit der maximalen Dichte, die ganze Fläche wird bedeckt. [01]
Herangehensweise generativer Gestaltung erklären. Es werden gezielt Algorithmen, also Handlungsanweisungen, formuliert, die zu bestimmten Ergebnissen führen sollen. Im Alltag treffen wir ständig auf Algorithmen; wir gehen intuitiv damit um. Unzählige Handlungsabläufe sind in unserem Kopf gespeichert, andere sind schriftlich oder bildhaft formuliert, z.B. Bedienungs- und Auf bauanleitungen, Kochrezepte, Spielvorschriften oder Partituren in der Musik. [03] Die Umsetzung von Algorithmen in der generativen Gestaltung geschieht durch Programmierung. Dieser vollkommen veränderte Entwurfsprozess stellt völlig neue Anforderungen
S
o oder ähnlich lauteten Anfang der 1970er Jahre Sol LeWitts Anweisungen für seine Wandbilder, die er durch andere Personen ausführen ließ. Absicht war es, trotz vieler feststehender Bedingungen, vielfältige und unerwartete Ergebnisse zu erzielen. Abbildung 01 zeigt eine von vielen möglichen Resultaten. [02] An diesem Konzept Sol LeWitts lässt sich die
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und erfordert im Vergleich zum konventionellen Vorgehen eine objektivere, sachlichere Haltung des Gestalters. Die gestalterische Idee muss in Form von abstrahierten Regeln so übersetzt werden, dass sie vom Rechner interpretiert und verarbeitet werden kann. Die Ergebnisse, die nach der Verarbeitung zurückgegeben werden, dienen dann als Grundlage, um das generative System weiter zu verbessern oder Parameter zu verfeinern. Spannende Ergebnisse werden durch die gezielt eingeschränkte Verwendung des Zufalls erzeugt. Die strenge Computerästhetik kann somit aufgebrochen werden. Auch wenn Autorschaft und individuelle Intention in den
01
Wall Drawing #65 von Sol
LeWitt. http://www.nga.gov/exhibitions/ lewittinfo.shtm 02
Detailaufnahme aus Overnewsed
but uninformed, Stefan Bräutigam 03
Was bietet das Web 2.0. Aus:
Overnewsed but uninformed, Stefan Bräutigam 04
Welchen Nachrichtengehalt haben
Blogs. Overnewsed but uninformed, Stefan Bräutigam
03 / 04
Hintergrund rücken und spontane Expressivität gar nicht mehr möglich ist, scheint dennoch ein persönlicher Ausdruck des Gestalters durch - wenn auch reduzierter als es bei konventioneller Gestaltung der Fall ist. So zeigt sich beispielsweise bei Datenvisualisierungen ein subjektiver Ausdruck durch die Art der Abstraktion und den Umfang, in dem Daten präsentiert werden. [04] ANWENDUNGSGEBIETE Generative Gestaltung umfasst, anders als Computerkunst, auch Aufgaben aus Design und Architektur. Die wichtigsten Anwendungsmöglichkeiten im Bereich Kommunikationsde-
sign stellen Datenvisualisierungen, generative Erscheinungsbilder und Zeichensysteme dar. DATENVISUALISIERUNGEN Wir haben es heute mit einer stetig wachsenden Informationsflut zu tun, die das Interesse an einer klaren Informations-Ästhetik stetig erhöht. Durch die Veranschaulichung abstrakter Daten und Zusammenhänge in einer grafischen, visuell erfassbaren Form können komplexe Zusammenhänge einem breiteren Publikum leichter zugänglich gemacht werden. Zu den gebräuchlichen Diagrammtypen kommen beispielsweise Mappings, Netz-, Zeiger-, Ring-, Matrix-, Prozess- und Mole-
kulardiagramme hinzu. Je bekannter die Inhalte sind, desto abstrakter kann die Grafik gestaltet sein. Inhalte, die als weniger bekannt vorausgesetzt werden, sollten einfacher verständlich visualisiert werden. Innovative Informationsgrafiken zeigt die Diplomarbeit von Stefan Bräutigam „Overnewsed but uninformed“, die 2007 an der Fachhochschule Mainz entstand. (Abb. 02, 04) Sie wurde vielfach publiziert und ausgezeichnet. Die Arbeit durchleuchtet die komplexe Nachrichtenvermittlung durch die vielfältigen Medien der heutigen Zeit. Die erste Abbildung zeigt eine Grafik zu den Neuerungen des Web 2.0; das zweite Beispiel
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#12.1 digitales design : generative gestaltung
05
visualisiert den Nachrichtengehalt von Blogs und den zeitlichen Verlauf von Blog-Aktivitäten verschiedener Städte. [05] GENERATIVE ERSCHEINUNGSBILDER Auch im Bereich Corporate Design werden die Möglichkeiten der generativen Gestaltung immer häufiger eingesetzt. Es können theoretisch unendlich viele Formen und Visualisierungen generiert werden. Da den Inhalten jedoch die gleichen Grundprinzipien und Regeln zugrunde liegen, werden sie immer als
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zusammengehörig empfunden. Der Vorteil ist die große Flexibilität und die ständig mögliche Aktualisierbarkeit. Erscheinungsbilder, die auf der Visualisierung von aktuellen Daten beruhen, ändern sich ständig und geben jederzeit über einen bestimmten Umstand Aufschluss. Bekannte Beispiele für generative Gestaltung im Bereich Corporate Design stellen das Logo für die Expo in Hannover dar, das aus einer statischen Wortmarke und einer flexiblen Bildmarke besteht oder das variable Casa da Música Logo von Sagmeister, das jeweils
eine unterschiedliche Ansicht des Konzertgebäudes in Porto zeigt und in seiner Farbigkeit an sein Umfeld angepasst werden kann. [06] (Abb. 05, 06) Im Rahmen einer Diplomarbeit an der UdK Berlin entwickelte Michael Schmitz das „Evolving Logo“ für das Max Planck Institute of Molecular Cell Biology and Genetics in Dresden. Es beruht auf evolutionären Theorien und ist inspiriert von Conways Zellulärem Automaten (Modell zur Simulation von Zellsystemen) mit dem Titel „Game of Life“ (1970) (Abb. 07). Es wird immer wieder eine Viel-
05, 06
Casa da Música Erscheinungs-
bild von Sagmeister. Aus: Bohnacker, Hartmut (u.a.): Generative Gestaltung. S.129. 07
Evolving Logo von Michael
Schmitz. Aus: Bohnacker, Hartmut (u.a.): Generative Gestaltung. Entwerfen, programmieren, visualisieren, Mainz 2009, S.145-147.
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zahl an Logovarianten generiert, bei denen Dichte, Aktivität und Geschwindigkeit mit den Gegebenheiten des Instituts - Anzahl der Mitarbeiter, Veröffentlichungen und Finanzierung - abgeglichen werden. Die Logovariante, die das Institut am besten repräsentiert und zusätzlich genug Stimmen von den Mitarbeitern bekommt, wird in den Medien verwendet. Das „Evolving Logo“ verändert sich also parallel zur Entwicklung des Instituts. [07]
GENERATIVE ZEICHENSYSTEME Ein weiterer Anwendungsbereich des generativen Designs stellen Zeichensysteme dar, die z.B. Schriften, Piktogramme oder Muster ergeben. Eine Gestaltungs-Möglichkeit ist durch die Manipulation vorgegebener Schriften, durch Mischung, Nachzeichnung, Auflösung etc. gegeben. Modular aufgebaute Zeichensysteme, die häufig geometrische Formen als Grundlage haben, ergeben eine besonders große Variationsvielfalt. Ende 2005 erschien in der „Novum“ das gene-
rative Schriftsystem „Ortho-Type“, entwickelt von Enrico Bravi, Mikkel Crone Koser und Paolo Palma. (Abb. 08, 09) Durch Veränderung der Variablen Länge, Breite, Tiefe, Dicke, Farbe und Rotation kann der Anwender nicht nur das Aussehen der Schrift verändern, sondern sie auch an vorhandene Räume und Gegebenheiten anpassen. Obwohl diese Arbeit eher als Wahrnehmungsexperiment gedacht ist, kann man Resultate des Schriftgenerators im Post Script Format exportieren, um es dann in gedruckter Form zu verwenden. [08]
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#12.1 digitales design : generative gestaltung
08
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Philipp Steinweber analysiert in seiner Diplomarbeit „Generative Typograf ie“, die 2008 an der FH Salzburg entstand, generative Design-Strategien für Display-Schriften. Mit vvvv, einer datenstromorientierten Programmiersprache mit grafischer Benutzeroberfläche, wird eine spielerische Interaktion durch Berührung der Ausgabefläche möglich. (Abb. 10-15) FASZINIERENDE BILDWELTEN Die generative Gestaltung eröffnet vielfältige neue Möglichkeiten, die im herkömmlichen Design nie gegeben waren. Vor allem die unbegrenzte Variationsvielfalt, die ständige Aktualisierbarkeit sowie die Möglichkeit, den Benutzer interaktiv miteinzubeziehen, sind
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Gründe für die zunehmende Verbreitung der generativen Gestaltung. Zwar scheinen viele Gestalter die veränderten Anforderungen, über Quellcodes zu einem visuellen Ergebnis zu kommen, als Hindernis anzusehen, doch mehr und mehr Bücher und Online-Foren bieten Hilfestellung, indem sie Tutorials und vorgefertigte Codes zur Verfügung stellen. Auch in den Gestaltungsstudiengängen wird das Kursangebot im technischen Bereich zunehmend erweitert, um Gestaltung und Programmierung – zwei Bereiche, die bislang eher getrennt waren – stärker zusammen zu führen. Diese Entwicklung macht es den Studierenden leichter, einen Einstieg in die generative Gestaltung zu finden und erweitert den
Spielraum über die Funktionen der Grafikprogramme hinaus. John Maeda, ein Wegbereiter der generativen Gestaltung, sieht Werkzeuge, die uns Grafikprogramme zur Verfügung stellen, lediglich als Nachahmer der analogen Techniken an, während die generative Gestaltung völlig neue Möglichkeiten eröffnet: Ob man einen Strich mit einem Stift oder mit der Maus zeichnet, macht keinen Unterschied. Die wahre Herausforderung besteht darin, die besonderen Eigenschaften eines neuen Mediums zu entdecken und herauszufinden, wie man einen computergenerierten Strich erzeugen kann, den man ohne Computer nie zeichnen, sich nicht einmal vorstellen könnte. [09]
08, 09
Ortho-Type. Aus: H,L:
Schrift im rechten Winkel: Das Projekt Ortho-Type. In: Novum (München), 12, 2005, S. 24 10 - 15 Generative
Typografie.
Diplomarbeit von Philipp Steinweber. http://phl.kontxt.net/ generative-typography/
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ENDNOTEN [01] http://www.nga.gov/exhibitions/lewittinfo.shtm. Frei übersezt durch die Autorinnen. [02] Corporate Identity und Corporate Design, hrsg. von Matthias Beyrow, Petra Kiedaisch und Norbert W. Daldrop, Ludwigsburg 2007. [03] Die Algorithmische Revolution. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung des ZKM Karlsruhe, 2008. [04] Data Flow. Visualising information in graphic design, hrsg. von Robert Klanten. Berlin 2009. [05] Overnewsed but uninformed. Diplomarbeit von Stefan Bräutigam,
FH Mainz 2007. [06] Bohnacker, Hartmut (u.a.): Generative Gestaltung. Entwerfen, programmieren, visualisieren, Mainz 2009, S. 128. [07] Bohnacker, Hartmut (u.a.): Generative Gestaltung. Entwerfen, programmieren, visualisieren, Mainz 2009, S. 144. [08] H,L: Schrift im rechten Winkel: Das Projekt Ortho-Type. (Rubrik: Focus: Typografie) In: Novum (München), Nr. 12, 2005, S. 24. [09] Maeda, John: Design by Numbers. Cambridge 2001, S. 175, frei übersetzt durch die Autorinnen.
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Cover der Novum, 7.2001– 8.2005
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„bis heute“ SEMINAR WS 09/10 FH MAINZ, PROF. DR. EISELE
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ANHANG
VERWENDETE PRIMĂ„RLITERATUR Novum 1. Jahrgang 1972 Kuh, Hans: KODAK-Farbfotokalender-Wettbewerb. Ergebnis des Kodak-Farbfoto Kalenderwettbewerbs. Ausgabe: Mai 1972 Beil Brigitte: Das visuelle Erscheinungsbild fĂźr die Spiele der XX Olympiade MĂźnchen 1972. Ausgabe: Juli 1972 Spohn, JĂźrgen: Deutsche Buchumschläge. Ergebnis des Wettbewerbs „Der werbende Umschlag '72“. Ausgabe: September 1972 Wills, Franz Hermann: Spielen und Lernen. Ausgabe: Dezember 1972 (ILTEN 4HEODOR 3ELBSTDARSTELLUNGEN %IN FOTOGRAlSCHES %XPERIMENT VON (EINRICH Riebesehl, Hannover. Ausgabe: Juni 1972 Martini, Maria: UrgeschĂśpf aus Abfallprodukten. Ausgabe: Juni 1972 Novum 2. Jahrgang 1973 Weisensee, Rainer: Ausstellungsgestaltung von Albrecht Adl. Ausgabe: Januar 1973 Ramsberger, Ingeborg: Persische KinderbĂźcher von heute. Ausgabe: Februar 1973 Beh, Toni: Festival der Kalendermacher. Ergebnis des Kodak-Farbfoto Kalenderwettbewerbs. Ausgabe: April 1973 Kuh, Hans: Opas Kalender ist tot. Es lebe der 3D Kalender. Ausgabe: Mai 1973 Kuh, Hans: Opas Kalender ist tot-Es lebe der 3-D Kalender. „‘73 Design“! . Ausgabe: Mai 1973 Kuh, Hans: Zwei neue Auszeichnungsschriften fĂźr den Fotosatz. Ausgabe: Juni 1973 Ramsberger, Ingeborg: ZeitgenĂśssische japanische KinderbĂźcher. Ausgabe: September 1973 Novum 3. Jahrgang 1974 Luidl, Philipp: Otl Aicher “Après Olympiaâ€?. Image Werbung fĂźr das Gasteiner Tal. Ausgabe: Juli 1974 Fletcher, Alan: Alan Aldridge, London. Informationen zu dem Kinderbuch „Der Schmetterlingsball und das GraĂ&#x;hĂźpferfest“. Ausgabe: Juli 1974 Novum 4. Jahrgang 1975 Baumeister, Hans: Kalender 1975. Ausgabe: April 1975 Novum 5. Jahrgang 1976 Baumeister, Hans: Kaufkalender 1976. Ausgabe: August 1976 !LEXANDRE !LEXANDRE :UR 3ITUATION DES +INDERBUCHES IN &RANKREICH !USGABE Dezember 1976 Autor unbekannt: Realität. Ausgabe: Dezember 1976 Autor unbekannt: Fiktion. Ausgabe: Dezember 1976 Autor unbekannt: Kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt. Ausgabe: Dezember 1976 Autor unbekannt: Vorschule. Ausgabe: Dezember 1976 Autor unbekannt: Das Sachbilderbuch. Ausgabe: Dezember 1976 Autor unbekannt: Ikonographie. Tiere im Bilderbuch. Ausgabe: Dezember 1976 Baumeister, Hans: BilderbĂźcher. Ausgabe: Dezember 1976 Maier, Wolfgang: Mehrsprachige BĂźcher fĂźr Kinder! . Ausgabe: Dezember 1976 Sommese, Lanny: Kind und Buch. Versuch einer Standortbestimmung. Ausgabe: Dezember 1976 Novum 6. Jahrgang 1977 Stolte, Klaus: Die 50 besten Werbekalender. Ausgabe: Januar 1977 !LEXANDRE "AUMEISTER !LEXANDRE (ANS "ILDERBĂ CHER %INE !USWAHL INTERNATIONALER Neuerscheinungen. Ausgabe: Dezember 1977 Novum 7. Jahrgang 1978 Chourgnoz, Jean-Marie: Kalender. Konsequent und originell. Ausgabe: April 1978 Baumeister Hans: novum. Ausgabe: September 1978
Novum 8. Jahrgang 1979 Stiebner Erhardt D: Ein halbes Jahrhundert. Ausgabe: Januar 1979 D. Stiebner, Erhardt: 4. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1979 Urban Dieter novum Ăźber novum. Ausgabe: Juli 1979 Novum 9. Jahrgang 1980 Urban, Dieter: 5. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1980 Novum 10. Jahrgang 1981 Urban, Dieter: 6. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1981 +INSER "ILL 3OMMESE ,ANNY (ERB ,UBALIN UND DAS 4YPO *OURNAL i5 LC w !USGABE Juni 1981 Carothes, Sommese, Martha und Lanny: SpielbilderbĂźcher. Ausgabe: August 1981 Sommese, Lanny: SpielbilderbĂźcher. Ausgabe: August 1981 Novum 11. Jahrgang 1982 Urban Dieter: Visual Images. 79 Symbole Ausgabe: Februar 1982 Urban, Dieter: 7. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1982 Novum 12. Jahrgang 1983 Erb, Hans F.: Buchumschläge von Dieter Zembsch. Ausgabe: Januar 1983 Urban Dieter: novum Ăźber novum. Ausgabe: März 1983 Urban, Dieter: 8. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1983 Schneider, Angela C.: Gestaltung von Spiel- und Lernheften. Ausgabe: August 1983 Schneider, Angela C.: GlĂźckwunschkarten zum Jahreswechsel. Ausgabe: September 1983 Novum 13. Jahrgang 1984 Halas, John: Telecom. Ausgabe: März 1984 Urban, Dieter: 9. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1984 Christoph, Tobias: Anzeigenwerbung fĂźr Tabakwaren. Ausgabe: Mai 1984 5RBAN $IETER 4YPOGRAlE ,UXUS ODER .OTWENDIGKEIT !USGABE *UNI 3PIEKERMANN %RIK 0LAKATWETTBEWERB u0APIER +OMMUNIKATIONh !USGABE September 1984 Novum 14. Jahrgang 1985 Ade, Albrecht: Papier-Ideen. Ausgabe: Januar 1985 Urban, Dieter: 10. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1985 Christoph, Tobias: Eine Typo-Zeitschrift. Ausgabe: April 1985 Christoph, Tobias: Anzeigenwerbung fĂźr Fotokameras. Ausgabe: August 1985 Lehmann, Horst F.: Anzeigenwerbung fĂźr Computer. Ausgabe: Oktober 1985 Poovaiah Ravi: Piktogramme fĂźr Kranakenhäuser (IND). Ausgabe: Oktober 1985 Sommese, Lanny: Die Gruppe Pushpin, Lubalin, Peckolick. Ausgabe: Oktober 1985 Novum 15. Jahrgang 1986 Christoph, Tobias: Anzeigenwerbung fĂźr Whisky. Ausgabe: Januar 1986 Leu, Olaf: Ein Kalenderprojekt. Ausgabe: März 1986 Urban, Dieter: 111. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1986 Novum 16. Jahrgang 1987 Urban, Dieter: 12. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1987 5RBAN $IETER 4EXT UND 3CHRIFT !USGABE !UGUST Mante, Harald: „Papierszenen“. Ausgabe: August 1987
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anhang : verwendete primärliteratur
Novum 17. Jahrgang 1988 Urban, Dieter: 13. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1988 Novum 18. Jahrgang 1989 Luidl, Philipp: Eine KalenderbroschĂźre. Ausgabe: Februar 1989 Urban, Dieter: 14. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1989 Stiebner Erhardt D.: Sechs Jahrzehnte. Ausgabe: Oktober 1989 Novum 19. Jahrgang 1990 Leu, Olaf: 15. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1990 Sommese, Lanny: Alfred Kopf Publishers. Ausgabe: Mai 1990 Halas, John: Dreidimensionale Karten. Ausgabe: Juni 1990 Stein, Charlotte, Henes Maier. Ausgabe: Dezember 1990 Zahn, Heribert: Leo Monahan. Ausgabe: Dezember 1990 Novum 20. Jahrgang 1991 0mAUM -ARTIN 6ERPACKUNGSENTWĂ RFE !USGABE *ANUAR Leu, Olaf: 16. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1991 Suchland, Harry C.: Papierstrukturen. Ausgabe: April 1991 Richter, Uwe: Art for Survival. Ausgabe Mai 1991 0mAUM -ARTIN !NTONIO $Ă“AZ !SOCIADOS !USGABE .OVEMBER Novum 21. Jahrgang 1992 Richter, Uwe: Norbert Stockhaus. Ausgabe: März 1992 Leu, Olaf: 17. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1992 Nees, Roswitha: Michael Marschall. Ausgabe: Juli 1992 Novum 22. Jahrgang 1993 Urban, Dieter: Recycling-Papier. Ausgabe: Januar 1993 Soltek, Stefan: Umweltschutz. Ausgabe: März 1993 Leu, Olaf: 18. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1993 Leu Olaf: Art Directors Club Deutschland. Ausgabe: Dezember 1993 Eichholz, Armin: Papiertiere. Ausgabe: Dezember 1993 Novum 23. Jahrgang 1994 Leu, Olaf: 19. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1994 Leu, Olaf: Telekom. Ausgabe: Juni 1994 Novum 24. Jahrgang 1995 Leu, Olaf: 20. Kalenderwettbewerb. Ausgabe: April 1995 Richter, Uwe: Ein Kinderkalender(GER). Ausgabe: Juni 1995 Novum 25. Jahrgang 1996 Lechner, Herbert: Die schĂśnsten deutschen BĂźcher. Ausgabe: Februar 1996 Schaller, Susanne A.: Carlo Angelini Graphic Design. Feeling fĂźr Kunst und Kunde. Ausgabe: Juli 1996 Sommese, Lanny: Altes trifft auf Neues. Ausgabe: September 1996 Friedl Friedrich: Poster. 100 beste Plakate. Ausgabe: Dezember 1996 N.N. : 128 Plakate aus 30 Jahren Wettbewerb “Die 100 Besten Plakate des Jahres“. Ausgabe: 1996 Novum 26. Jahrgang 1997 Zahn, Heribert: Silvios Fabelwelt. Ausgabe: Februar 1997 Herold Christoph: Der ADC-Nachwuchswettbewerb. Ausgabe: Mai 1997 Soltek, Stefan: „Zeitraffer“. Kalender von Uwe Loesch. Ausgabe: Mai 1997 0mAUM -ARTIN 0APERTIME VON &ERNANDO -EDINA 6ON )NSPIRATION ZUR +ONZEPTION Ausgabe: Juli 1997 Lechner Herbert: „Audi – das Magazin“. Vorsprung durch Design. Ausgabe: August 1997 Nitsch, Brigitta: Neue Corporate Identity fĂźr British Airways und Deutsche BA. Ausgabe: Oktober 1997 Novum 27. Jahrgang 1998 Bahnholzer, Cornelia: Marcelino Truong. Zwischen Paris und Vietnam oder Asien als Leidenschaft. Ausgabe: Januar 1998 Lechner, Herbert: Ron von der Meer und die ArsEdition. BĂźcher, die klappen. Ausgabe: Januar 1998 Fehlau, Ewald: Die Magie der Bilder. Der Traum vom eigenen Comic. Ausgabe: März 1998 Richter, Uwe: Beer from Outer Space. Eine Brauerei aus Argentinien geht ins Internet. Ausgabe: März 1998 Schulze, Hans-W.: Inga Glasenapp. Pauls Party, ein Kinderkochbuch der anderen Art Ausgabe: Mai 1998
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Schaller, Susanne: Inszenierung eines Accessoires. Der neue Picard-Katalog. Ausgabe: Juli 1998 Richter, Uwe: Paper-Artist. Bertrand le Pautremat. Ausgabe: August 1998 3CHALLER 3USANNE ,UST AUF $EUTSCH 3YMPATHIEWERBUNG FĂ R EINE 3PRACHE !USGABE September 1998 Novum 28. Jahrgang 1999 Urban Dieter: Competitions. Art Directors Club Deutschland Ausgabe: April 1999 Lenz Anette: Showroomm: 100 beste Plakate. Ausgabe: Juli 1999 Novum 29. Jahrgang 2000 Lechner, Herbert: Mord als schĂśne Kunst betrachtet. Ausgabe: Oktober 2000 Jaitner, Peter: Novum Plus: schwarzweiĂ&#x;. Black and White Ausgabe: November 2000 Ulrich, Bettina: Der Ultimative „Kik“. Ausgabe: Dezember 2000 Novum 30. Jahrgang 2001 pg: Heli Hieta. Märchen mit magischer Anziehungskraft. Ausgabe: März 2001 cm: Petra Pfaffenholz. Eine Bilderbuchkarriere. Ausgabe: September 2001 Novum 31. Jahrgang 2002 Lechner, Herbert: Kunst-Stoff. Ausgabe: Februar 2002 B, U: Typesystem Generation. Ausgabe: August 2002 Benaburger, Stefan: Klein, aber oho! . Ausgabe: Oktober 2002 Is: Seymour Chwast. Die KinderbĂźcher von Seymour Chwast. Ausgabe: November 2002 Ulrich, Bettina: Leuchtende Weihnachtszeit. Ausgabe: Dezember 2002 Ulrich, Bettina: Festive mailings. Ausgabe: Dezember 2002 Novum 32. Jahrgang 2003 Lechner, Herbert: Spielmacher. Ausgabe: April 2003 Lechner, Herbert: BĂźcherbewegung. Ausgabe: April 2003 Lechner, Herbert: Häuser aus Papier. Ausgabe: April 2003 Schaller, Susanne: Geniestreiche ohne Grenzen. Ausgabe: April 2003 Martin, Peter u. Karczinki, Daniel: Branding Interface. Ausgabe: August 2003 Schaller, Susanne: Marken erleben online. Ausgabe: September 2003 Novum 33. Jahrgang 2004 Ullrich Bettina: 80 years of inspiration. Ausgabe: Mai 2004 Rohrer, Christoph und Michael Keller: Tokio, Genf, Paris: Drei starke Auftritte. Ausgabe: Juni 2004 BĂźchner Hermann Showroomm: 100 beste Plakate. Ausgabe: August 2004 Andersen, Kurt: Back to the roots – Colors. Ausgabe: September 2004 Moosmann Christine: Eventdesign. Dabei sein ist alles (Olympiade 2000) Ausgabe: November 2004 Novum 34. Jahrgang 2005 Walter, Elvira: Markus ZĂśller. Die farbenfrohen Abenteuer des Pinocchio. Ausgabe: April 2005 Schaller, Susanne: Erlebnis Papier! . Ausgabe: April 2005 Schaller, Susanne: Meisterwerke der VerfĂźhrung. Ausgabe: April 2005 cm: Marco Wagner. Geschichten aus dem Wunderland. Ausgabe: Juni 2005 H, L: Schrift im rechten Winkel. Das Projekt Ortho-Type. Ausgabe: Dezember 2005 Novum 35. Jahrgang 2006 ,ECHNER (ERBERT 5 ,# $ER 2EVOLUTIONĂ‹RE +LASSIKER !USGABE -Ă‹RZ Dr. Eimert, Dorothea: Paper Art - Papier und Kunst, Papier als Kunst. Ausgabe: April 2006 Moosmann, Christine: Kreative Handarbeiter. Ausgabe: November 2006 Schaller, Susanne: Ecal- We make Fonts. Mit Feder, Maus und Einkaufswagen Ausgabe: November 2006 Schulz, Bettina: Sinn und Sinnlichkeit. Ausgabe: Dezember 2006 Lechner, Herbert: Ein Forum fĂźr Corporate Publishing. Ausgabe: 2006 (Beilage "Novum plus"), Novum 36. Jahrgang 2007 Moosmann, Christine: Gestaltung als zweite Natur. Ausgabe: Februar 2007 Moosmann, Christine: Willkommen im Papiergarten. Ausgabe: Mai 2007 Moosman, Christine: Sounds of silence. Ausgabe: Mai 2007 Moosman, Christine: Willkommen im Papiergarten. Ausgabe: Mai 2007 Moosmann, Christine: Deutsche Backkunst in Japan. Ausgabe: Juni 2007 Schulz, Bettina: GrĂźne Welle. Ausgabe: August 2007 Schulz, Bettina: Green Design Festival. Ausgabe: Oktober 2007
Novum 37. Jahrgang 2008 Lechner, Herbert: Papier auf neuen Wegen. Ausgabe: April 2008 Schulz, Bettina: Papier(t)räume. Ausgabe: Mai 2008 Lechner, Herbert: Corporate Publishing:. Starke TĂśne im Medienkonzert. Ausgabe: September 2008 Lechner, Herbert: Dialog der Medien. Ausgabe: November 2008 Moosman, Christine: Hereinspaziert. Ausgabe: November 2008 Schulz, Bettina: Visueller Rock'n'Roll. Ausgabe: Dezember 2008 Novum 38. Jahrgang 2009 Moosman, Christine: Musik zum anfassen. Ausgabe: Februar 2009 Moosmann, Christine: Design im Raum. Bäumchen wandel dich. Ausgabe: März 2009 Sommese, Lanny: Marque. Marque Creative. Ausgabe: März 2009 ( , )NFOGRAlKEN !USGABE -Ă‹RZ Moosman, Christine: Bäumchen wandel dich. Ausgabe: März 2009 3CHULZ "ETTINA $ 'RAlSCHE 2Ă‹UME !USGABE -Ă‹RZ "ETTINA 3CHULZ $ GRAlSCHE 2Ă‹UME !USGABE !PRIL Bettina, Schulz: Papier im Raum. Ausgabe: April 2009 Schulz, Bettina: Papier im Raum. Ausgabe: April 2009 Schulz, Bettina: Papierblätter. Ausgabe: April 2009 Schulz, Bettina: SchneidersĂśhne präsentiert „Paper couture“. Ausgabe: Juli 2009 Schaller, Susanne: Antoine+Manuel. Ausgabe: Juli 2009 Moosmann, Christine: Spiel mit mir. Ausgabe: September 2009 B, S: Rasterfahndung. Zeichensatz-Entwicklung. Ausgabe: September 2009 N.N.: Iconwerk. Selbstverständlich schĂśn Ausgabe: Oktober 2009 Moosmann, Christine: Be Part of the Action. Ausgabe: Oktober 2009 -OOSMANN #HRISTINE +RITISCHE 'ElLDE !USGABE /KTOBER Schulz, Bettina: Der Ă–kologiche Eid. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Die Zukunft gestalten. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Fishing in an Ocean of Plastic. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Leben und Arbeiten im Einklang mit der Natur. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Ă–ko auf Erfolgskurs. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Ă–kologischer LesegenuĂ&#x;. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Umwelt und Druck. Ausgabe: Oktober 2009 Schulz, Bettina: Märchenwelten. Ausgabe: November 2009
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IMpressum Herausgeber Prof. Dr. Petra Eisele Projekt Entstanden in der Lehrveranstaltung ,,Bis Heute“ (Wintersemester 2009/2010) im Fach Designtheorie des Studiengangs Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Mainz/University of Applied Sciences Fachbereich Gestaltung Holzstr. 36 55116 Mainz Deutschland www.f h-mainz.de Redaktion Prof. Dr. Petra Eisele ORAGNISATIONSteam Kathrin Reinfrank, Anna Merz, Sergej Chusyn, Waldemar Erz, Il-Ho Jung, Selcuk Kunt, Janosch Baum, Juliana Komberg, IrinVidiboskaia, Verena Hasler, Stefanie Kapp, Sabrina Merten REDAKtionsteam Ingo Reinheimer, Anne Walter, Désirée von Canal, Sarah Nickel, Sabine Eckert Gestaltungsteam Lena Giovanazzi, Sylvia Reuther, Alexandra Fukazawa, Stefan Zahm, Jina Kim, Malte Weinmann
Buchgestaltung Alexandra Fukazawa, Daniel Büche, Stefan Zahm Covergestaltung/ DRUCKEREI Sören Dittmar Index Digital, Wiesbaden
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Bis heute - die Zeitschrift „NOVUM - WORLD OF GRAPHIC DESIGN“ FH Mainz, Kommunikationsdesign WS 2009/10
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