Nachhaltig realisiert

Page 1

Werkplatz

Aussenraum und Energielösungen 2023

Nachhaltig realisiert

Spezial

Editorial

Geht es um Nachhaltigkeit, haben wir es stets mit einem Wechselspiel dreier Dimensionen zu tun; im Zentrum steht die ganzheitliche Betrachtung von Umwelteinflüssen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. Sie bildet auch die Grundlage nachhaltigen Bauens: Aus den ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Kategorien lassen sich Schutzziele ableiten, die zur Schonung der natürlichen Ressourcen, zur Begrenzung der Lebenszykluskosten oder zur Bewahrung von Gesundheit, Komfort und Sicherheit beitragen sollen.

Der vorliegende ‹Werkplatz Spezial› versammelt Projekte aus unterschiedlichen Disziplinen, die sich dieser Aspekte aus entsprechend vielfältigen Perspektiven annehmen – von der Aussenraumbeleuchtung bis zur Zertifizierung. Der Fokus richtet sich dabei etwa auf stadtplanerische Modelle wie ‹Smart City›, neue Konzepte der Wärme dämmung auf Basis nachwachsender Rohstoffe oder auf Strategien der Grünflächenoptimierung im urbanen Raum.

So vielfältig die Ansätze und Lösungen auch sind, eins ist ihnen gemeinsam: Sie widerspiegeln einen Wertewandel im Zeichen des umweltbewussten Umgangs mit den Ressourcen. Damit stehen sie exemplarisch für eine Baupraxis, bei der die Prinzipien der Nachhaltigkeit verstärkt und umfassend zum Tragen kommen. 0

Ursula Trümpy, Redaktion Hochparterre

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen 2023 - 1 -
- 25 2 3 4 8 7 1 6

Inhalt

Zumtobel: Smartes Strassenlicht (1)

Seite 4

Hydroplant: Wachsende Räume (2)

Seite 8

Ernst Schweizer: Dezentes Kraftwerk (3)

Seite 12

Minergie: Die Weichen gestellt für den Klimaschutz (4)

Seite 16

Gasser Ceramic: Tragfähig vom Keller bis zum First (5)

Seite 20

Velopa: Die biodiverse Stadt (6)

Seite 24

Kästli Storen: Einheit aus 104 Teilen (7)

Seite 28

BKW: In die Dünen gebettet (8)

Seite 32

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen 2023 - 3 -

Smartes Strassenlicht

Der Energieverbrauch von öffentlicher Beleuchtung lässt sich drastisch senken – das Zauberwort heisst

‹Smart City›-Technologie.

Nach dem Hype um die ‹Smart City› vor ein paar Jahren ist es inzwischen wieder etwas ruhiger geworden in Sachen intelligente Stadt. Doch die technische Entwicklung ist nicht stehen geblieben; vor allem in den Bereichen Licht und Energie sind zahlreiche smarte Produkte und Steuerungssysteme entstanden. Bevor man sie im Stadtmassstab einsetzen kann, werden sie im kleinen Massstab einem Praxistest unterzogen.

Ein solches ‹Smart City›-Pilotprojekt wurde 2022 auf einem Industrieareal in Niedergösgen fertiggestellt. Die «kleinste Smart City der Welt» ist eine Kooperation zwischen dem Gebäude- und Infrastrukturdienstleister Bouygues Energies & Services und dem Beleuchtungsspezialisten Thorn Lighting, einer Marke der Zumtobel-Gruppe. Der rund 8000 Quadratmeter

grosse Showcase auf dem Areal von Bouygues E & S EnerTrans zeigt, wie sich intelligente Lösungsansätze in bestehende Areale und Infrastrukturen implementieren lassen.

Am Anfang einer Beleuchtungssanierung steht die sorgfältige Zustandsanalyse. Dafür wird am Heck eines Autos ein Luxmessgerät installiert. Damit haben die Spezialisten bei einer Fahrt über das Strassennetz im laufenden Betrieb Daten gesammelt, die Aussagen über Zustand, Beleuchtungsstärken oder Beleuch- →

1 Smartes Licht auf dem Parkplatz vor der Denner-Filiale in Amriswil TG

2 In der ‹Smart City› leuchten die Strassenlaternen dank Vernetzung zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Intensität am richtigen Ort. Fotos: Zumtobel Group

- 4 -
1
Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Zumtobel - 52
- 64 3

Thorn Lighting

c/o Zumtobel Licht AG

Thurgauerstrasse 39 8050 Zürich

www.thornlighting.ch

tungsniveau der bestehenden Anlage erlauben. Je nach Bedarf sind auch zusätzliche Analysen aus der Luft mittels Spezialdrohne möglich.

Wenn immer möglich, fokussiert Thorn Lighting im Bereich öffentlicher Beleuchtung auf die Weiterverwendung bereits vorhandener Beleuchtungsinfrastrukturen. Wenn keine zusätzlichen Kandelaber installiert und Leitungen dafür verlegt werden müssen, macht das die smarte Beleuchtungslösung meist einfacher, nachhaltiger, effizienter und damit auch günstiger.

«Rund 40 Prozent Energie lassen sich durch die Kombination von Sensorik und Steuerung einsparen.»

Matthias Peter, Markenverantwortlicher Thorn Lighting

→ Zeitgemässe Beleuchtung soll aber nicht nur Energie sparen helfen, sondern auch umweltverträglich sein. Das geschieht etwa mittels Technologien wie ‹NightTune›, die je nach Uhrzeit und Verkehrsaufkommen warmweisse 2200 Kelvin mit kaltweissen 3000 Kelvin kombiniert. Die richtig konfigurierte Leuchtenoptik reduziert zusätzlich den Lichtstreuverlust. Das ‹Dark Sky›-Gütesiegel garantiert, dass Licht nicht ungewollt nach oben in den Nachthimmel abstrahlt. Das reduziert die Emissionen für Mensch, Tier und Umwelt, und das nächtliche Ökosystem ist bestmöglich geschützt. Die Kombination all dieser Massnahmen ermöglicht es, Licht stets zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Intensität am richtigen Ort einzusetzen. Eine bestehende oder umgerüstete Beleuchtungsinfrastruktur leistet aber noch mehr. Direkt am Lichtpunkt oder am Kandelaber können beispielsweise auch E-Ladestationen, Sicherheitskameras, WiFi-Router oder Umweltsensoren installiert werden.

Geht es um den Strom- und Energieverbrauch, spielt die Steuerung eine massgebliche Rolle: Sie ermöglicht unter anderem geplantes oder dynamisches Ein- und Ausschalten und Dimmen einzelner Lichtpunkte oder ganzer Lichtpunktgruppen. Damit kann der Energieverbrauch massiv gesenkt werden. Matthias Peter, Markenverantwortlicher von Thorn Lighting, spricht von einem Einsparungspotenzial von bis zu 90 Prozent gegenüber einer herkömmlichen Installation mit Natriumdampflampen: «Rund 50 Prozent macht der Austausch der Gasentladungslampe durch LED-Technologie aus. Zusätzliche 40 Prozent lassen sich durch die Kombination von Sensorik und Steuerung einsparen.»

3 Einzelne Lichtpunkte oder ganze Lichtpunktgruppen können automatisch gesteuert werden.

4 Die ‹NightTune›-Technologie lässt die Beleuchtung auf Uhrzeit und Verkehrsaufkommen reagieren.

Die Nachhaltigkeits- und Energiediskussion scheint sich positiv auf die Nachfrage nach ‹Smart City›-Lösungen auszuwirken. Das Pilotprojekt in Niedergösgen etwa ist so gut angekommen, dass sich immer mehr Gemeinden für massgeschneiderte smarte Aussenlichtlösungen interessieren. Thorn Lighting versteht sich dabei als langfristiger Partner – für die Planungs- und Umsetzungsphase wie auch während des gesamten Lebenszyklus einer Anlage. 0

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Zumtobel - 7 -

1 Statt auf Klimaanlagen set zt das Hotel ‹Alma› auf Verdunstungskühlung.

2 Der junge Vertikalgarten musste mehrere Hürden überwinden. Heute reichen viele Kletterpflanzen bereits bis unters Dach.

Wachsende Räume

Vertikalgärten schaffen neue Grünflächen in immer dichter werdenden Städten. Ein Beispiel zeigt, wie sich Natur auch in historische Quartiere integrieren lässt.

- 8 -
1

Im Zürcher Seefeld steht ein Hotel, das so wirkt, als sei es mit seinem Standort verwachsen. Wilder Wein, Berg-Waldreben, Clematis und Pfeifenwinden ranken entlang der zartblauen Fassade. Einige Kletterpflanzen decken fast die ganze Höhe ab, andere, etwa Rosen und Wurstbeeren, umarmen Eingang und Hochparterre. Doch was aussieht wie über Generationen gewachsen, täuscht: Erst vor rund einem Jahr wurde das Jugendstilhaus innen und aussen saniert und als ‹Alma Hotel› wiedereröffnet. Während es zuvor kaum als Gästehaus erkennbar war, lädt nun eine hölzerne Terrasse entlang der Mainaustrasse zum Sitzen ein. Rundherum wächst dichtes Grün.

Das ehemalige Frauenhotel ‹Lady’s First› heisst seit 20 Jahren auch Männer willkommen – ein neuer Name war also überfällig. Es ist das älteste Haus der ‹Sinn & Gewinn Hotels›. Mit dem Umbau wollte die Bauherrin nicht bloss Interieur und Auftritt erneuern. Sie verfolgte auch verschiedene ökologische Ziele, darunter eine Fassadenbegrünung. «Die Voraussetzungen waren aufgrund des Altbaus und der geografischen Ausrichtung der Fassade nicht einfach», sagt Nadine Tschudi

vom Architekturbüro GREGO Jasmin Grego & Stephanie Kühnle, das für den Umbau verantwortlich war. Um ein geeignetes System und die richtige Bepflanzung zu finden, wandten sich die Architektinnen an das Unternehmen Hydroplant.

Als grösste Herausforderung erwies sich der Brandschutz, weil eine Fassadenbegrünung das Brandrisiko erhöht. Auf Erfahrungswerte oder konkrete Richtlinien konnte das Team nicht zurückgreifen – das ‹Alma› ist der erste historische Altbau in Zürich, bei dem eine Fassadenbegrünung realisiert wurde. Die nun entwickelte prototypische Lösung baut auf den Kletterkonstruktionen auf, die sich zwischen den Fenstern nach oben ziehen. Während links und rechts dünne Drahtseile verlaufen, sind die dickeren Mittelstränge mit Sprühleitungen versehen. Im Brandfall schaltet sich die Sprinkleranlage automatisch ein, Abschlussbleche verhindern einen Brandüberschlag auf das Dach.

Anspruchsvoll ist auch der Standort. Statt einheimischer Kletterpflanzen hat das Team deshalb Arten verwendet, die zurechtkommen mit der schattigen

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Hydroplant - 9 -
2

Lage und nicht zu stark verholzen. Michael Hagenauer, damals Projektleiter von Hydroplant, erklärt: «Wir haben möglichst diverse, immergrüne und laubabwerfende Pflanzen mit unterschiedlichen Blühzeiten miteinander kombiniert, um unterschiedliche Höhenstrukturen zu schaffen und Insekten Nahrung und Lebensraum anzubieten.» Besonders die vielen einheimischen Stauden, die in den Rabatten nahe der Terrasse wachsen, ziehen Schmetterlinge und Bienen an. Weil sich das Haus zum See hin leicht absenkt, orientiert sich das Gerüst an der optischen Horizontalen und wirkt so der Neigung korrigierend entgegen.

es ist nicht verschwendet. Indem es verdunstet, findet es in den natürlichen Kreislauf zurück. Der kühlende Effekt ist sogar in zehn Metern Distanz noch spürbar. Und dank des Schattens heizt sich die Fassade tagsüber weniger auf und gibt nachts weniger Hitze ab.» Bei Neubauten lässt sich auch Regen- oder Grauwasser einsetzen. Wird die Begrünung von Anfang an mit eingeplant, ist ihre Umsetzung weniger komplex.

«Wir haben möglichst diverse Pflanzen kombiniert, um Insekten Nahrung und Lebensraum zu bieten.» Michael Hagenauer, ehemaliger Projektleiter Hydroplant

Vertikalgärten schaffen nicht nur Lebensraum für Tiere, sie erleichtern auch den Menschen das städtische Dasein: Das Laub bindet Feinstaub und CO₂, produziert Sauerstoff und bricht den Schall. Es schützt Fassaden vor Schmutz und UV-Strahlen. Vor allem aber trägt es zur Hitzeminderung bei. «Um ihren ‹Leistungsauftrag› vollends erfüllen zu können, brauchen Kletterpflanzen ausreichend Wasser», sagt Hagenauer, «doch

Hagenauer ist überzeugt, dass die Vorteile den Aufwand der Pflegearbeiten langfristig wettmachen werden. Wie Biodiversität und Hitzeminderung derzeit in den Fokus rücken, zeigt sich auch aus anderer Perspektive: Die Fachstelle Naturschutz und Stadtökologie von Grün Stadt Zürich fördert Vertikalbegrünungen gezielt, berät kostenlos und unterstützt Bauvorhaben finanziell. Zurzeit steigen die Anträge stark an – nicht nur für grosse Konstruktionen, sondern auch für kleine Projekte. Alle zusammen sollen einen grünen, biodiversen Flickenteppich bilden, der Zürich auf kommende Sommer vorbereitet. 0

- 10 -
3 →

3 An den Distanzhaltern der mittleren Stahlseile sind Edelstahlleitungen mit Sprühdüsen angebracht, damit die historische Fassade vor Feuer geschützt ist.

4 Unterschiedliche Blühzeiten sorgen das ganze Jahr für Akzente.

5 Vertikalgärten bieten mehrere Vorteile: Sie schützen die Fassaden, fördern die Biodiversität, binden Feinstaub und CO₂, spenden Schatten und kühlen die Umgebung.

Umbau Hotel Alma, 2022

Bauherrschaft: Sinn & Gewinn Hotels

Architektur und Innenarchitektur: GREGO Jasmin Grego & Stephanie

Kühnle Architektur

Fassadenbegrünung und Bepflanzung:

Hydroplant

Seilkonstruktion: Jakob Stahlseile

Hydroplant AG

Neunbrunnenstrasse 50

8050 Zürich

+41 44 942 93 93 info@hydroplant.ch www.hydroplant.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Hydroplant - 11 -
4 4

Dezentes Kraftwerk

Viele Indach-Photovoltaik-Module sind mittlerweile ästhetisch unauffällig. Und dank Konfektionierung lassen sie sich einfach planen und rasch montieren.

Dächer mit Photovoltaik-Modulen fielen in der Schweizer Siedlungslandschaft während langer Zeit auf – weil sie selten waren und die Paneele von Weitem erkennbar. Inzwischen werden jedes Jahr Tausende solcher Anlagen installiert, Tendenz stark steigend. Laut aktuellen Zahlen sind heute 174 217 Anlagen eingebaut, allerdings tragen sie erst 2,8 Terawattstunden (TWh) zur landesweiten Stromproduktion von 66,5 TWh bei. Bis 2035 will der Bund den Stromertrag aus Photovoltaik auf 35 TWh steigern. Flächen dafür stehen schon bereit: Allein die bereits bestehenden und gut geeigneten Dächer und Fassaden können gemäss Bundesamt für Energie 67 TWh Elektrizität pro Jahr erzeugen – mehr als Wasserkraftund Kernkraftwerke zusammen.

des Haushaltsbedarfs. Es bleibt also genug Strom, um auch das Elektroauto der Familie während des ganzen Jahrs zu laden. Das Plus-Energie-Haus erhielt 2021 einen Schweizer Solarpreis.

Beim Modulsystem handelt es sich um ‹Solrif› von Ernst Schweizer AG. «Der Elektriker hat uns das System empfohlen», sagt die Architektin und Bauherrin Myriam Donzallaz. Es sei einfach zu handhaben, er habe gute Erfahrungen damit gemacht, und die Anlage habe vom ersten Tag an funktioniert. «Für mich als Architektin zählte, dass wir sie so in das Dach integrieren konnten, dass die Gesamtwirkung homogen ist», so Myriam Donzallaz.

«Mit ‹Solrif› lassen sich PV-Module bei architektonisch anspruchsvollen Bauten überzeugend integrieren.»

Jedes geeignete Dach trägt zu dieser Produktion bei – auch das vergleichsweise kleine Dach des Passivhauses in Vuadens bei Bulle, 2019 geplant und realisiert von Büro Lutz Architectes. Auf dem Dach wurde eine 48 Quadratmeter grosse PhotovoltaikAnlage montiert, deren 8500-Watt-Leistung den Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner bei Weitem

Peter Buschmann, Leiter Produktmanagement Solarsysteme Ernst Schweizer AG

übertrifft: Jährlich produziert die Anlage 185 Prozent

‹Solrif› ist demnächst seit 25 Jahren auf dem Markt. Inzwischen sind die Solarzellen und die Montage effizienter geworden. «Heute gibt es weniger Spenglerunternehmen. Darum haben wir das Zubehörsortiment ausgebaut und die Montage vereinfacht, damit weitere Handwerksbetriebe die Anlagen montieren können», sagt Peter Buschmann, Leiter Produktmanagement Solarsysteme bei Ernst Schweizer AG.

- 12 -

1 Das Photovoltaik-Indach-Montagesystem

‹Solrif› bei einem Zweifamilienhaus in der Zürcher Gemeinde Kappel am Albis

2 Kleines Dach, grosse Leistung: Passivhaus in Vuadens bei Bulle, entworfen von Lut z Architectes

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Ernst Schweizer AG - 131 2

3 Die Wohnüberbauung Balberst rasse in Zürich Wollishofen wurde mit einem ‹Solrif›Indachsystem realisiert.

4 Auch im landschaft lichen Kontext überzeugend: Bauernhaus mit terrakottafarbenen ‹Solrif›-Solarziegeln

5 ‹Solrif›-Rahmen überlappen einander wie Dachziegel und bieten einen optimalen Regenschut z.

- 143 4

Das Unternehmen fertigt die Paneele nicht selbst, sondern nur die Rahmen für die Partnerfirmen: Sie stellen damit die konfektionierten ‹Solrif›-Module her, die Handwerksbetriebe auf einfache Weise montieren können. «Der Rahmen, den wir fertigen, macht das Modul zum ‹Solrif›-Modul», sagt Peter Buschmann.

Ernst Schweizer AG liefert die ‹Solrif›-Rahmen an die Modul hersteller, die die Module an lokale Anbieter und Handwerksbetriebe verkaufen; derzeit arbeitet die Firma mit sechs Herstellern aus ganz Europa zusammen. Weil deren Paneele im Format stark variieren, ist auch das ‹Solrif›-Spektrum breit. «Jedes Dach ist individuell, und mit dieser breiten Angebotspalette können wir alle Abmessungen abdecken», so Peter Buschmann. Dazu zählen etwa Zellen, die mit farbigem Glas bedeckt sind, beispielsweise im Farbton von Ziegeln: So gleicht sich eine Anlage möglichst unauffällig dem Dach eines denkmalgeschützten Gebäudes an. Es sei auch möglich, nur einen Teil eines Dachs mit ‹Solrif› zu bedecken; Elemente wie Kamine oder Dunstrohre könnten durch Blindpaneele integriert werden. Die Planung des Dachs übernimmt entweder Ernst Schweizer AG direkt oder ein lokaler Anbieter.

Indachsysteme haben den grossen Vorteil, dass sie gleichzeitig das Dach bilden: Dadurch entfällt die Eindeckung mit Ziegeln oder Faserzementplatten, was auch die Traglast reduziert. Auf das bestehende Dach montierte Anlagen sind auch heute noch meist von Weitem sichtbar, während Indachsysteme immer unauffälliger werden – ein grosses Plus für Stadt- und Dorfbilder, wenn man bedenkt, dass die Anzahl dieser Anlagen stark zunehmen soll. «‹Solrif› ist die perfekte Lösung, um Photovoltaik-Module bei architektonisch anspruchsvollen Bauten überzeugend zu integrieren», so Peter Buschmann.

In Zusammenarbeit mit je einer Firma in der Schweiz und in Deutschland lassen sich bei Bedarf sämtliche ‹Solrif›-Module nachbauen, auch wenn der Hersteller ein Mass nicht mehr anbietet oder die Zelltechnologie sich geändert hat. In Sachen Ressourcenschonung, die ebenso dringend ist wie der Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion, ist das ein bemerkenswerter zusätzlicher Vorteil des ‹Solrif›-Systems. Der Geschäftsbereich Fassadenbau von Ernst Schweizer AG bietet zudem massgeschneiderte Module für Fassaden an. 0

Photovoltaik-System ‹Solrif›

- Einfache und schnelle Montage bei Dachflächen mit einer Neigung von 10 bis 70 Grad

- Unterspann- und Unterdeckbahn gegen Kondensat und Feuchte gemäss ZVDH/SIA 232/1

- Holzunterkonstruktion: analog Ziegeldach oder auf vertikaler Konterlattung

- Blindmodule für Hindernisse oder schräge Dachabschlüsse

- Schulung, Beratung und Montageeinweisung vor Ort

- Eigene Planungssoftware: ‹Solar.Pro.Tool›

Vorteile von ‹Solar.Pro.Tool›

- Projekterfassung mit Systemauslegung, Statik, Elektrik und möglichen Alternativen

- Erfassung der Gebäudegeomet rien ab Google, PDF, JPG oder DXF

- Skalierbarkeit; unbegrenzte Anzahl von Planungsprojekten und -versionen

- Planung anhand von mehreren Modulgrössen

- Mehrere Dächer und Häuser in einer Auslegung

- Webbasierter Zugang, auch für ganze Teams, durch Speicherung der Daten in der Cloud

- Support durch Spezialisten von Ernst Schweizer AG

Ernst Schweizer AG

Bahnhofplatz 11

8908 Hedingen ZH

+41 44 763 61 11

info@ernstschweizer.ch www.ernstschweizer.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Ernst Schweizer AG - 15 -
5

Die Weichen gestellt für den Klimaschutz

Strenge Anforderungen, klare Profile, eine gemeinsame Plattform: Die Schweizer Gebäudelabels wollen der Baubranche den Weg in Richtung ‹Netto-Null› weisen.

- 161

1 Das Gebäudelabel Minergie setzt neue Standards im Zeichen des Klimaschutzes –die Zusatzbezeichnung ‹ECO› steht für besonders gesundes und ökologisches Bauen.

Energie sparen ohne Komfortverlust – das wollte Ruedi Kriesi schon in den 1990er-Jahren. Der damalige Leiter der Energiefachstelle des Kantons Zürich tüftelte an Null-Heizenergie-Häusern, lange bevor das Thema die breite Öffentlichkeit erreichte. 1995 definierte Kriesi zusammen mit dem Betriebswirtschaftler Heinz Uebersax den Gebäudestandard Minergie. Die Grundpfeiler Effizienz und Komfort gelten noch heute, doch Minergie hat sich von der Vision zweier Überzeugter längst zum meistverbreiteten Gebäudestandard der Schweiz entwickelt. Zum Minergie-Zertifikat gesellen sich inzwischen das ambitioniertere ‹Minergie-P›, ‹Minergie-A› für Plus-Energie-Häuser und der Zusatz ‹ECO› für besonders gesundes und ökologisches Bauen.

Wie der Standard Minergie hat sich auch sein Umfeld verändert. Spätestens seit dem Beitritt der Schweiz zum Pariser Klimaabkommen 2017 gehören Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien zum Pflichtprogramm bei Neubau und Sanierung. Mit dem Ziel ‹Netto-Null› bis 2050 sind auch die Treibhausgase im Gebäudebereich in den Fokus gerückt. Höchste Zeit also für Minergie, wieder einen Schritt vorauszugehen und – wortwörtlich –neue Standards zu setzen.

und eine bessere Gesamtenergiebilanz präsentieren. Und weil die Hitzetage in Zukunft noch zahlreicher werden, steigen auch die Anforderungen in Bezug auf den sommerlichen Wärmeschutz.

Minergie wird aber nicht nur strenger, sondern auch einfacher, wie der Zusatz ‹ECO› zeigt. Heute umfasst der ‹ECO›-Katalog für Neubauten 80 Kriterien – fortan werden es noch 57 sein. Besonders interessant: Neue Vorgaben in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Gebäudekonzept sollen Nutzungsflexibilität und Wiederverwendung, Rückbaufähigkeit und Wiederaufbereitung fördern.

Mit dem Ziel ‹Netto-Null› bis 2050 sind auch die Treibhausgase im Gebäudebereich in den Fokus gerückt.

Wie die Minergie-Standards 2023 im Detail aussehen, erfährt die Öffentlichkeit bei der Lancierung der angepassten Labels am 13. September. Fest steht jetzt schon, dass der Klimaschutz fortan der dritte Grundpfeiler des Gebäudestandards sein wird. Erstmals wird Minergie verbindliche Treibhausgasgrenzwerte für die Erstellung festlegen. Zudem muss, wer ein Zertifikat anstrebt, künftig eine noch bessere Gebäudehülle nachweisen, mehr Solarstrom produzieren

Für Bauträger und Planerinnen aber mindestens so interessant wie die inhaltlichen Neuerungen ist die zeitgleich stattfindende Harmonisierung von Minergie mit weiteren Gebäudelabels. Die Palette der vom Bundesamt für Energie geförderten Labels ist derzeit breit; dazu zählen nebst Minergie der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK), der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) sowie das ‹2000-Watt-Areal›. Allerdings sind die Labels untereinander schlecht kompatibel und ihre Profile teils unscharf. Aufeinander abgestimmte Berechnungsmethoden, eine neue nationale Label-Plattform und Minergie als einzige Betriebsorganisation sollen den Weg zum Zertifikat ab Herbst übersichtlicher und bequemer machen.

Bei allen guten Aussichten schmerzt ein Verlust: Das ‹2000-Watt-Areal› wird auf der neuen Plattform fehlen. Die Berechnungsmethode, die ihm zugrunde liegt, liess sich mit den übrigen Labels nicht in Einklang

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Minergie - 17 -
- 182

2 Das Zertifikat ‹2000-Watt-Areal› verschwindet – Minergie wird mit einem neuen Areal-Label die Effizienz, den Komfort und den Klimaschutz auszeichnen.

bringen. Minergie und das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) springen mit je einem neuen Areal-Label in die Lücke. Entsprechend den Kernanliegen von Minergie werden beim Minergie-Areal Effizienz, Komfort und Klimaschutz im Vordergrund stehen. Die Mehrheit der Häuser soll ein MinergieZertifikat tragen, hinzu kommen Anforderungen an die Aussenräume, an Mobilität und Organisation. Auch beim SNBS wirkt der Geist des Gebäudelabels im ArealLabel weiter. Das SNBS-Areal soll für umfassende Nachhaltigkeit in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie stehen.

Dass Energieeffizienz und Komfort sich verbinden lassen, bezweifelt heute kaum noch jemand. Und auch wenn sich Ruedi Kriesi mit seiner Forderung nach kontrollierten Lüftungen nicht nur Freunde gemacht hat, ist doch anerkannt, dass seine Vision den energieeffizienten Gebäuden viel Vorschub geleistet hat. Mit den anstehenden Erneuerungen bringt sich Minergie in Stellung, um auch auf dem Weg zu ‹Netto-Null› als Zugpferd voranzugehen. 0

Minergie

Bäumleingasse 22

4051 Basel

+41 61 205 25 50

info@minergie.ch

www.minergie.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Minergie - 19 -

1 Der Wärmedämmstein ‹Capo› vereint beim Einsteinmauerwerk alle

Trag-, Dämm- und Schutzfunktionen.

Fotos: Gasser Ceramic

Tragfähig vom Keller bis zum First

Einsteinmauerwerk trägt, dämmt und schützt nachhaltig. Zum Einsatz kommen dabei die Naturprodukte Ton und Mineralwolle – und neuerdings sogar Schafwolle.

Solche Bauherrschaften wünscht man sich. Armin Etter weiss: «Man sollte die Mauer erst hinterfüllen, wenn sie mindestens zwei Stockwerke umfasst. Dank des Drucks der oberen Steine wird die Mauer unten stabiler.» Armin Etter ist Bauprofi. Als gelernter Maurer führte er 30 Jahre lang seinen KMU-Betrieb für Rohbau-Halbfabrikate. Nun hat er neben seinem eigenen Haus in der Thurgauer Gemeinde Donzhausen ein Mehrfamilienhaus gebaut. Natürlich aus Mauerwerk, genauer: aus 4160 dämmstoffgefüllten Hohlziegelsteinen Typ ‹Capo 365 T6› von Gasser Ceramic. Stabil bis in alle Ewigkeit.

‹Capo› ist ein Einsteinmauerwerk-System, das sich auch für mehrgeschossige Häuser eignet. Rudolf Gasser, Mitinhaber von Gasser Ceramic, nennt sein Produkt

stolz einen «Hochleistungsbackstein». ‹Capo 490› etwa lässt sich bis zu zehn Geschosse hoch verbauen. Das Mauerwerk ist optimal bei der Wärmedämmung (bis zu 0,061 W/m 2K), beim Schallschutz (zwischen 45 und 49 dB) und beim Brandschutz (Brandschutzklas se A1). Da die Isolation bereits in den Backsteinen steckt, kann die Mauer direkt nach dem Vermauern verputzt werden – die Gebäudehülle entsteht also in einem Arbeitsgang. Wünscht die Bauherrschaft, so wie Armin Etter, eine Aussenschale aus Sichtbackstein, kann diese unmittelbar davor gemauert werden, ohne Dämm- und Luftschicht. Ausserdem sind die Fenster direkt nach dem Mauern montierbar und die Räume beheizbar; der Innenausbau lässt sich ohne Verzögerung fortsetzen, auch im Winter. Das bedeutet Zeitersparnis durch effizienten Bauablauf.

- 20 -
1
Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Gasser Ceramic - 21Einstein-Mauerwerksystem ‹Capo› 1 Betondecke 2 Trennanlage und Feuchtigkeitssperre 3 Anset zmörtel / Dämmmörtel 4 Qualitätsmauerwerk ‹Capo› 5 Mörtelpad / Dünnbettmörtel 6 Mörtelbett 7 Deformationslager 8 Mineraldämmung 9 Deckenvormauerung 10 Akustiktrennlager 1 10 1 6 6 7 8 9 2 3 4 4 5 5 3 2

Ein grosser Pluspunkt ist die Nachhaltigkeit des Systems. Rudolf Gasser sagt, die Zeit sei reif, dass man ökologisch baue. Und ‹Capo› sei dafür sehr geeignet: «Man braucht keine Aussenisolation, die in 25 Jahren als Sondermüll entsorgt werden muss. Das steht und bleibt.» ‹Capo›-Modelle haben unterschiedliche Wanddicken, die als Zahl im Modellnamen eingebaut sind: ‹Capo 365 T6› ist 36,5 Zentimeter dick (zusätzlich erhältlich sind die Masse 42,5 und 49 Zentimeter). Ihr zweites Unterscheidungsmerkmal ist die Wärmeleitfähigkeit, also ihr -Wert. Generell gilt: Je besser der Wärmedämmwert, desto geringer die Tragfähigkeit. Das ‹T› steht für ‹thermisch optimiert› – hier liegt der Fokus stärker auf der Wärmedämmung. Steht ein ‹P› im Namen, bedeutet das ‹Primus›; Modelle mit dieser Bezeichnung können stärkere Lasten tragen.

tung pro Modul beträgt 54 Wp, das sind 162 Wp/m2. In der anthrazitfarbenen Fläche der Dachziegel fallen die stromproduzierenden Module kaum auf. Ein Modul nimmt die Fläche von vier Ziegeln ein. Verlegt wird alles zugleich – ein Spengler musste für die Anlage nicht extra aufs Dach.

«‹Capo› ist sehr geeignet für ökologisches Bauen. Man braucht keine Aussenisolation, die in 25 Jahren als Sondermüll entsorgt werden muss.»

Rudolf Gasser, Gasser Ceramic

Armin Etters Tonliebe hat beim Dach nicht aufgehört. Dafür hat er den Glattschiebeziegel ‹GS 20› von Gasser Ceramic gewählt und kombiniert mit 232 Solarmodulen des Photovoltaik-Systems ‹FIT 54›. Auch hier verrät der Name, was das Bauteil kann: Die Leis-

Wenn Bauherr Etter in Zukunft ein weiteres Haus bauen wird, dann kommt, wer weiss, vielleicht ‹Capo LANA› zum Einsatz: Die Weiterentwicklung macht das Mauerwerksystem noch nachhaltiger. Sie ersetzt die bisherige Mineralwolle im Backstein durch Schafwolle. Gasser Ceramic hat dafür kürzlich ein Patent erhalten: für den weltweit ersten Wärmedämmstein mit einer Füllung aus Schafwolle. Im Fall von ‹Capo LANA› stammt dieser im wahrsten Sinn nachwachsende Dämmstoff von Fiwo, einem Ostschweizer Sozialverein. In Kombination mit dem gebrannten Ton wird daraus eine ökologische, ausschliesslich aus Naturbaustoffen bestehende Gebäudehülle in Massivbauweise.

Rudolf Gasser: «Ihre Wolle schützt Schafe im Winter vor Kälte und im Sommer vor Hitze. Warum sollen wir das nicht auch für ein Haus nutzen?» 0

2 ‹Capo›-Backstein, gefüllt mit Mineralwolle

3 ‹Capo 425 LANA›, gefüllt mit Schafwolle

4 Glattschiebeziegel ‹GS 20› in Ant hrazit

5 Indach-Photovoltaik-Solarmodul ‹FIT›

6 Armin Etters Mehrfamilienhaus in Donzhausen: Der gelernte Maurer hat dafür mehr als 4000 dämmstoffgefüllte Hohlziegelsteine von Gasser Ceramic verbaut.

- 22 -
2 4 3 5 →

Gasser Ceramic

Als einer der führenden Schweizer

Hersteller entwickelt, produziert und vertreibt Gasser Ceramic hochwertige Produkte aus Ton: Tondachziegel, Backsteine und das PhotovoltaikSystem ‹Panotron›. Mit sechs Öfen, die an vier Standorten betrieben werden, entwickelt sich der Familienbetrieb seit drei Generationen – mit einer umfassenden Produktpalette, Dienstleistungen nach Mass und einem persönlichen Ansprechpartner vor Ort, in der Deutschschweiz, in der Westschweiz und im Tessin.

Gasser Ceramic

Ziegelei Rapperswil Louis Gasser AG

Ziegelei 8

3255 Rapperswil BE

+41 31 879 65 00

ziegelei-rapperswil@gasserceramic.ch

www.gasserceramic.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Gasser Ceramic - 23 -
6

Biodiverser Stadtraum

Ein besseres Mikroklima, weniger Luftschadstoffe, mehr Biodiversität und geringere Lärmemissionen: Dachbegrünungen werten den Strassenraum auf.

- 24 -
1

Jahr für Jahr zeigt sich der Klimawandel von seiner extremen Seite: Überschwemmungen durch schmelzende Gletscher oder Starkregenfälle häufen sich, und heftige Hitzewellen tragen zum exponentiellen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bei. Ausserdem betrifft der Klimawandel die Biodiversität, und die zunehmende Hitze hat Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Gerade in den Städten nimmt die Hitze besonders stark zu und die Biodiversität besonders stark ab. Das liegt daran, dass Grünflächen immer kleiner werden oder gar verschwinden, während die Bebauung und die Versiegelung ansteigen.

Wenn Pflanzen fehlen, lassen sich Luftschadstoffe weniger gut binden. Der in diesen Mikropartikeln enthaltene schädliche schwarze Kohlenstoff ist das Ergebnis unvollständiger Verbrennung von Brennstoffen. Er absorbiert die Sonneneinstrahlung in der Atmosphäre und trägt dadurch wesentlich zur Klimaerwärmung bei. In ländlichen Gebieten werden Luftschadstoffe von den ausgedehnten Grünflächen aufgenommen, in Städten hingegen können die vielen harten Oberflächen an Gebäuden und die versiegelten Strassenbeläge die Mi kropar tikel nicht binden und filtern. Die Oberflächen aus Asphalt, Beton, Glas oder Verputz heizen sich tagsüber auf und strahlen die Wärme nachts ab. Die Gebäude verhindern zudem, dass frische und kühle Luft neu zuströmen kann. Darum ist es nachts in der Stadt besonders warm. Gefragt sind also Ansätze, die das Stadtklima und die kleinräumige Biodiversität verbessern.

1 Das begrünte Dach des Velounterstands in Fehraltorf: Lebensraum für Flora und Fauna.

2 Auch optisch bietet die Dachbegrünung einen Mehrwert.

Fotos: Velopa AG

Zahlreiche Städte und Gemeinden haben stadtplanerische Massnahmen ergriffen und reagieren mit der Begrünung von Dächern. Dachbegrünungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels in Städten und Gemeinden. Sie fördern die Biodiversität und helfen, das Mikroklima zu verbessern, Luftschadstoffe zu reduzieren und Geräuschemissionen zu mindern. Zudem entlasten sie bei starken Niederschlägen die Kanalisation. Voraussetzung dafür ist ein passendes Bepflanzungskonzept und die fachgerechte Umsetzung mittels geeigneter Komponenten.

Zahlreiche Städte und Gemeinden haben stadtplanerische Massnahmen ergriffen und reagieren mit der Begrünung von Dächern.

Extensive Dachbegrünungen sind meist einschichtig; die Aufbauhöhe ist gering, das Substrat maximal 15 Zentimeter tief. Damit lassen sie sich auch auf Dächern mit geringer Traglast anwenden, zum Beispiel bei Velo- und Personenunterständen, Carports und Garagen. Der Hersteller Velopa bietet Dach- und Wandbegrünungen an, die in diversen Kontexten anwendbar sind. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Cham etwa hat Velopa einen bestehenden Personenunterstand mit einem begrünten Dach nachgerüstet. Anstelle eines Verbundsicherheitsglases schützt nun ein mit Sedum-Matten belegtes Dach die auf den Bus wartenden Menschen vor Regen und Sonne. Die vorkultivierte Vegetationsschicht ist auf einem nicht verrottbaren Trägergewebe gewachsen.

Die Begrünung von Dächern bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber konventionell gestalteten Gebäudeoberflächen. Bepflanzte Dächer sind Lebensräume

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Velopa - 25 -
2

X Bildlegende

X Bildlegende

X Bildlegende

X Bildlegende

Fotos: Vorname Name

- 263

3 Einschichtige Begrünung mit geringer Substrathöhe eignet sich auch für Dächer, deren Traglast begrenzt ist.

für Fauna und Flora und werten das Ortsbild auf. Sie speichern Regenwasser, erzeugen Sauerstoff und heizen sich auch bei Extremtemperaturen nur in geringem Mass auf. An ungestörter Lage können sich wilde Pflanzen- und Tierarten ansiedeln und geben der Natur in Siedlungszonen eine neue Chance. Grüne Dächer schaffen einen Ausgleich bei Bauvorhaben, indem sie Luftschadstoffe binden und Schall schlucken. Und auch konstruktiv bieten sie Vorteile, denn Substrat und Pflanzen schützen die Dachabdichtung und isolieren. Im Gegensatz zu Intensivbegrünungen erfordern extensive Dachbegrünungen zudem keinen dauerhaften Pflegeaufwand, weil sie sich selbst regenerieren.

Die maximale Dachlast beträgt 80 bis 230 Kilogramm pro Quadratmeter. Der geringe Substratauftrag erfordert eine trockenresistente Vegetation. Dachbegrünungen von Velopa beispielsweise bestehen aus anspruchslosem und pflegeleichtem extensivem Niedrigbewuchs, etwa Sedumpflanzen, Wildblumen oder Kräutermischungen. Selbst dort, wo es eher nicht grün ist, sorgen die Dachbepflanzungen für ein Stück Natur und Biodiversität, aber auch für Kühle in der Umgebung – wie bei den Velo- und Motorradunterständen im Areal Gröber in Fehraltorf: Vor den neu entstandenen 36 Mietwohnungen schützt eine Kombination aus der begrünten Überdachung ‹Chalet›, bestehend aus heimischem Fichtenholz, und dem Velounterstand ‹Techflat› die Fahrzeuge der Bewohnerinnen und Bewohner vor Hitze und Feuchtigkeit. Ein sehr mineralischer und damit potenziell heisser Kontext wird also etwas angenehmer für alle. 0

Velopa AG

Limmatstrasse 2

8957 Spreitenbach AG

+41 56 417 94 00

pro@velopa.ch

www.velopa.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Velopa - 27 -

1 WTO-Gebäude in Genf: Aus dem offenen Hof ist ein lichter Innenraum geworden.

2 Eine Sonnenstore für jedes einzelne Glasfeld Fotos: Johannes Marburg

Einheit aus 104 Teilen

Beim umgebauten WTO-Hauptsitz in Genf ist ein ausgeklügelter Sonnenschutz im Einsatz. Er trägt massgeblich dazu bei, dass ein Innenraum wie ein Aussenraum wirkt.

- 281

Innenraum oder Aussenraum? Für den Architekten Georges Épitaux war das keine Frage: Zwei grosse offene Höfe sind das Merkmal des eindrücklichen Gebäudekomplexes, den der Architekt vor 100 Jahren für das Internationale Arbeitsamt (ILO) am Ufer des Genfersees errichtete. Der eine Hof ist annähernd quadratisch und von Büros umschlossen, der andere, von zwei Korridoren flankierte, ist lang und schmal.

Seit gut zehn Jahren ist der schmalere Hof ein Innenraum. Bereits seit 1995 dient das nach dem Schweizer Diplomaten William Rappard benannte Gebäude als Sitz der Welthandelsorganisation (WTO). 2008 beschloss sie, ihr Haus umzubauen und durch einen Neubau zu ergänzen. Dabei nahmen die Architekten von Group 8 den Alt bau unter ihre Fittiche. Sie überdachten den Hof mit einer filigranen Stahlkonstruktion und fachten sie mit transparenten Folienkissen aus EthylenTetrafluorethylen-Copolymer (ETFE) aus.

Die Stahlkonstruktion des Dachs liegt auf der ursprünglichen Traufe in 18 Metern Höhe und ist nach allen vier Seiten hin gekrümmt. Dadurch entsteht eine scheinbar unter Spannung stehende Membran. Damit die Stahlprofile in den Knotenpunkten in einer Ebene aufeinandertreffen, sind diese mehrfach leicht gekrümmt. Rund drei Meter beträgt die Maschenweite dieses Rasters, das mit den ETFE-Kissen ausgefacht ist. Solche Folien zeichnen sich durch ein geringes Eigengewicht und eine hohe Licht- und UV-Durchlässigkeit aus. Das war hier wichtig, denn der Innenraum sollte seine Aussenraumqualitäten weitgehend behalten.

Je durchlässiger jedoch die Dachhaut ist, desto leistungsfähiger muss der Sonnenschutz sein. Das Ziel der Architekten war es, den von der filigranen Stahlkonstruktion geprägten Raumeindruck auch bei Sonneneinfall zu bewahren. Grosse Sonnensegel oder ganzflächig ausfahrbare Stoffbahnen kamen also nicht infrage. →

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Käst li Storen - 29 -
2

Umbau Centre William Rappard, 2008

Rue de Lausanne 154, Genf Bauherrschaft: WTO

Architektur: Group 8, Carouge

Schliesslich haben die Architekten zusammen mit den Konstrukteuren von Kästli Storen eine Lösung gefunden: Sie haben jedes einzelne der 104 Felder des Dachs mit einem separaten Sonnenschutz ausgestattet. So setzt sich die Einrichtung über dem grossen Atrium aus der Nähe betrachtet aus vielen einzelnen Storen zusammen, die in die Felder der Stahlkonstruktion eingefügt sind. Aus der Ferne hingegen, also vom Boden aus gesehen, verschmelzen die 104 Storen und das Stahlgitter zu einer Einheit.

4 Die Walzen sind im Stahlprofil untergebracht.

5 Präzision dank Gegenzugsystem

6 Blick von senkrecht unten auf das Glasdach

7 Längsschnitt durch das Gebäude

8 WTO-Gebäude, Erdgeschoss Pläne: Group 8

Ein Gegenzugsystem führt den Sonnenschutz – die Spezialanfertigung einer Horizontalstore – präzise an die gegenüberliegende Kante. Die von den Architekten und Ingenieuren ersonnene komplizierte Geo metrie der Tragstruktur bewirkt, dass sich der Stoff des Sonnenschutzes über die Diagonale verdreht.

Das Ziel der Architekten war es, den von der Stahlkonstruktion geprägten Raumeindruck auch bei Sonneneinfall zu erhalten.

So nötig der Sonnenschutz bei Sonnenschein ist, so störend tritt er oft bei eingefahrenem Zustand in Erscheinung. Um dies zu vermeiden, haben die Konstrukteure die Walze mit dem aufgerollten Stoff weitgehend unsichtbar im Querschnitt des Stahlprofils untergebracht.

Unsichtbar, aber umso wichtiger ist die Torsionsfeder in der Stoffwalze: Sie sorgt dafür, dass die Store die Schwerkraft überwinden kann und sich horizontal öffnen und schliessen lässt. Bespannt ist die Sonnenschutzkonstruktion mit dem Stoff ‹Soltis 92-2010›. Er bietet einen hohen Blendschutz bei grosser Transparenz. Und so spürt man im ehemaligen Aussenraum, der jetzt ein Innenraum ist, auch bei geschlossenem Sonnenschutz weiterhin Aussenraumat mosphäre. 0

Kästli & Co. AG

Hühnerhubelstrasse 63

3123 Belp

+41 31 340 22 22 info@kaestlistoren.ch www.kaestlistoren.ch

- 30 -
4 5 →
Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - Käst li Storen - 316 7 8
- 322 1

1 Der Lanserhof auf Sylt besticht mit einer eigenen Architektursprache.

2 Loggien im Reetdach bieten geschüt zte Aussenräume.

Fotos: Hans Georg Esch

In die Dünen gebettet

Der Lanserhof auf Sylt ist ein zukunftsweisendes Gesundheitszentrum – harmonisch in die geschüt zte Landschaft integriert, mit ökologischen Materialien konzipiert

und energetisch optimiert.

Der Lanserhof in List auf Sylt ist eine faszinierende Erscheinung: Fremd und doch vertraut erhebt sich ein grosses geschwungenes Reetdach über den Dünen. Unter dem Dach befindet sich ein modernes Gesundheitszentrum, das sich über eine umlaufende gläserne Fassade zur Landschaft hin öffnet. 2022 eröffnet, bietet der Lanserhof 55 Zimmer, einen rund 5000 Quadratmeter grossen Behandlungs­ und Medizinbereich sowie eine Wellness ­ Landschaft mit Salzwasser ­ Innen ­ und Aussenpools, Sauna, Fit nessgeräten und Kletterwand.

Die Lage in einem Naturschutzgebiet und in der Nachbarschaft eines historischen Offiziersheims aus den 1930er ­ Jahren stellte hohe Anforderungen an die Konzeption und Gestaltung des Gesundheitszentrums. In enger Zusammenarbeit mit dem Denkmal ­ und dem Naturschutz ist ein Gebäude entstanden, das sich sensibel in die umgebende Dünenlandschaft einfügt und mit dem traditionellen Reetdach die Baugeschichte des Ortes fortschreibt. So wie sich im äusseren Ausdruck regio­

Durch hochwertige Wärmedämmung und eine besonders kompakte Bauweise konnte der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden.

nalhistorische Formen mit mondän­luxuriöser Gestaltung verbinden, so strebt das gesamte Konzept des Lanserhofs nach der harmonischen Einheit von Landschaft und Architektur, von Innenraum und Aussenraum, von natürlichem Klima und Energie. Seit Jahrhunderten sagt man dem einzigartigen Inselklima auf Sylt eine heilende Wirkung nach – ein idealer Standort also für ein modernes Medical ­ Wellness ­ Resort, dessen Architektur ihrerseits einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben soll. Letzteres geschieht durch ein besonders nachhaltiges Gebäude. Die Verwendung ausgewählter ökologisch und gesundheitlich geprüfter Materialien und eine reduzierte Architektur mit dezenten Formen und Farben tragen zu diesem Konzept bei. Der Bezug zum Aussenraum ist dabei ständig erfüllt: im Erdgeschoss über die grosszügige Verglasung, die Mensch und Natur verbindet, in den Zimmern durch die ins Reetdach eingelassenen Loggien, die jedem Gast einen blickgeschützten Aussenraum mit Sicht aufs Meer oder auf die Dünen bieten.

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - BKW - 33 -

Entworfen wurde der Lanserhof vom renommierten Architekturbüro Ingenhoven Associates, einer Konzerngesellschaft der BKW. Im BKW ­ Engineering ­ Netzwerk vereint sich das Know ­ how von rund 50 Ingenieurs ­ , Architektur ­ , Gutachter ­ und Prüfungsunternehmen. Gemeinsam bilden sie das grösste Engineering ­ Net zwerk im deutschsprachigen Raum. Es wurde gegründet, um hochwertige Ingenieursdienstleistungen aus einer Hand anzubieten und kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Wenig überraschend also, dass der Lanserhof nicht nur äusserlich fasziniert, sondern auch energetisch beeindruckt. Durch eine hochwertige Wärmedämmung und eine besonders kompakte Bauweise konnte der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Die Kom­

bination eines Nahwärme­ und Kältenetzes mit einem gasbetriebenen Blockheizkraftwerk ist Bestandteil einer unabhängigen und nachhaltigen Energieversorgung des Resorts.

Während der Lanserhof architektonisch eine gelungene Verbindung von zeitgemässer Eleganz und regionalen Traditionen darstellt, gelingt ihm gleichzeitig die harmonische Zusammenführung landschaftlicher, energetischer und ökologischer Anliegen. Beides trägt dazu bei, dass der Gast im Einklang mit der Natur neue Kraft und Energie tanken kann. 0

3 Landschaft, Natur und Architektur bilden eine harmonische Einheit.

- 34 -
3

Lanserhof, Sylt

Sylt, 2018–2022

Bauherr: LHS Grund 5 GmbH & Co. KG

Architekt: Ingenhoven Associates, Düsseldorf

Tragwerks­ und Fassadenplanung: Werner Sobek Stuttgart AG

Energiekonzeption und Gebäudetechnik: DS­Plan

Landschaf tsplanung: Ingenhoven Associates/TGP/ENEA

BKW

Viktoriaplatz 2

3000 Bern

+41 58 477 51 11 www.bkw.ch

Werkplatz Spezial - Aussenraum und Energielösungen - BKW - 35 -

Impressum

Verlag Hochparterre AG, Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, +41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag@hochparterre.ch

Geschäftsleitung: Agnes Schmid, Andres Herzog, Werner Huber

Marketing und Verkauf: Agnes Schmid, schmid@hochparterre.ch; Michael Volken, volken@hochparterre.ch

Texte: Redaktion Hochparterre

Gestaltungskonzept: Juliane Wollensack

Covergestaltung und Layout: Barbara Schrag

Produktion: Ursula Trümpy

Korrektorat: Rieke Krüger

Lithografie: Team media, Gurtnellen

Druck: Stämpfli AG, Bern

© Hochparterre, 2023 (Bilder und Pläne bei den Verfassern)

‹Werkplatz Spezial› ist eine Beilage der Zeitschrift Hochparterre, Ausgabe 9 / 23.

Sie versammelt Artikel zu Projekten ausgewählter Schweizer Unternehmen aus der Bau- und Architekturbranche.

Die Texte erscheinen zudem in der Hochparterre-Online-Rubrik ‹Werkplatz›.

hochparterre.ch / werkplatz

- 36 -

hochparterre.ch / werkplatz

Im Auftrag von:

BKW

Ernst Schweizer AG

Gasser Ceramic

Hydroplant AG

Kästli & Co. AG

Minergie

Velopa AG

Zumtobel Licht AG

Sie lesen lieber auf Papier? Dieses Heft hier bestellen.

Lust auf mehr Architektur, Planung und Design? Hochparterre abonnieren!

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.