Das informierte Modell

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Themenheft von Hochparterre, Juni 2015

Das informierte Modell

Building Information Modeling, kurz BIM, verspricht eine genauere Planung. Im Zentrum steht ein 3-D-Modell, das alle wichtigen Informationen über den Bau vereint.

BIM heisst: erst digital, dann real. Das 3-D-Computermodell nimmt das gebaute Haus vorweg.

4 Mo dell für alles

Die Planungszusammenarbeit muss neu organisiert werden.

8 « BIM zwingt alle, vom selben zu reden » Fünf Fachleute diskutieren über künftige Planungsprozesse.

12 Honorare verlagern

BIM führt in den ersten Planungsphasen zu mehr Aufwand.

1 4 Klarheit dank 3-D

IttenBrechbühl planen für das Paul Scherrer Institut.

16 Klein anfangen

Werknetz Architekten setzten BIM für ein Mehrfamilienhaus ein.

18 Ein gläsernes Projekt

Jessenvollenweider arbeiten an einem neuen Amtshaus in Basel.

Editorial

Dreidimensional planen

Unsere Welt wird immer digitaler: Ob Bücher, Zeitungen oder Magazine, aus Papier und Tinte werden Bits und Bytes, die vom Server auf unsere Geräte rauschen. Mit Building Information Modeling, kurz BIM, wandert auch die Planung stärker in den Computer, sie wird so besser vernetzt und genauer. Der zweidimensionale Grundriss wird zum informierten 3-D-Modell, an dem Architekt, Fachplaner und Bauherr gemeinsam arbeiten. In den USA, Skandinavien und England ist BIM schon breit abgestützt. Nun werde die Methode auch in der Schweiz Fuss fassen, sagen Experten voraus. Erste BIM-Projekte sind in Arbeit. Der SIA erarbeitet ein Merkblatt und organisiert mit dem Verein ‹ buildingSMART › im Juni die Tagung ‹ BIM-Einführung in der Schweiz ›. Hö chste Zeit also, auch hierzulande einen genaueren Blick auf BIM zu werfen.

Dieses Themenheft erklärt, wie das informierte 3-DModell die Planung verändert und welchen Nutzen kleine wie grosse Architekturbüros daraus ziehen. Im Gespräch erörtern ein Architekt, ein Bauherr, ein Haustechnikplaner, ein BIM-Spezialist und ein Softwarefachmann die Chancen und Risiken der modellbasierten Planung. Der Artikel zu den Leistungen schlüsselt auf, wie sich BIM auf die Honorare auswirkt, da der Architekt früher genauer zeichnen muss. Drei Beispiele aus der noch jungen Praxis schliessen das Heft ab. Sie zeigen konkret, wie BIM bei einem Mehr familienhaus, bei einem Bürogebäude und bei einem Forschungslabor die Zusammenarbeit der Planer beeinflusst. Und sie machen klar: Damit das informierte Modell Realität wird, braucht es Architekten, die sich experimentierfreudig in diese neue digitale Welt vorwagen. Damit die Versprechen nicht in der digitalen Wolke hängen bleiben, bringen die Illustratoren des Züricher Grafikstu dios Flag – Bastien Aubry und Dimitri Broquard –die wichtigsten Elemente von BIM mit spitzer Feder vom Computer wieder aufs Papier. Andres Herzog

Impressum

Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon 044 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag @ hochparterre.ch, redaktion @ hochparterre.ch

Verleger und Chefredaktor Köbi Gantenbein Verlagsleiterin Susanne von Arx Konzept und Redaktion Andres Herzog, Roderick Hönig

Illustration Flag, Zürich; Bastien Aubry, Dimitri Broquard, www.flag.cc Art Direction Antje Reineck Layout Juliane Wollensack Produktion René Hornung

Korrektorat Lorena Nipkow, Elisabeth Sele Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Somedia Production, Chur Herausgeber Hochparterre in Zusammenarbeit mit ‹ buildingSMART ›, ComputerWorks, CRB, IttenBrechbühl

Bestellen shop.hochparterre.ch, Fr. 15.—

Inhalt

Modell für alles

BIM bildet alle Gebäudeinformationen digital und in 3-D ab, vom Entwurf über den Bau bis zum Betrieb. Damit verändert sich die Planungszusammenarbeit grundlegend.

CAD ist erst am Anfang. In den Neunzigerjahren holte der Computer den Architekten vom Reissbrett an den Desktop. Doch egal ob Maus oder Lineal: Am Ende kommen nach wie vor Grundrisse oder Schnitte auf Papier heraus, flach und abstrakt wie eh und je. BIM – Building Information Modeling – will die Planung komplett digitalisieren. Seit einigen Jahren geistern die drei Buchstaben durch Planungsbüros in der Schweiz, sorgen für Kopfschütteln oder leuchtende Augen, meist aber für Stirnrunzeln. Für Paul Curschellas, Präsident des Vereins ‹ buildingSMART ›, der die neue Technik in der Schweiz verbreiten will, ist klar: « Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich BIM durchsetzen wird, die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. »

Die modellbasierte Planung bildet wichtige Informationen über ein Gebäude, dessen Räume und Bauteile digital ab, und zwar von A bis Z: vom Entwurf über den Bau bis zum Betrieb. Kern ist ein dreidimensionales Computermodell, das mit Daten zu Hersteller, Kosten, Raumgrösse, Terminen oder Mengenangaben verknüpft ist. Es basiert nicht auf einer ‹ dummen › G eometrie, wie sie zum Beispiel für Visualisierungen ausreicht, sondern auf einem informierten Modell. So weiss jedes Fenster und jede Tür, was sie ist, wie gross sie ist, wohin sie aufgeht, wer sie herstellt oder gar wer die Ersatzteile liefert. Das soll die Zusammenarbeit zwischen Architekt, Fachplaner und Unternehmer bis zum Facility Manager vereinfachen. Die neue Planungsmethode ist deshalb ein Grundsatzentscheid. Die Vorteile greifen erst, wenn alle mitmachen.

BIM ist eine Methode, keine Software. Die Auswirkungen im Büroalltag des Architekten sind darum grösser, als sie bei der Einführung von CAD waren. Nicht die Art der Plandarstellung ändert sich, sondern die Planung an sich. « BIM macht die Planung sichtbar », erklärt Curschellas. « Die Visualisierung erleichtert allen Beteiligten die Zusammenarbeit und die Koordination. » D er Bauprozess werde effizienter, auch bei Grossprojekten blieben die Kosten im Griff und die Termine im Lot, so das Versprechen. Curschellas zitiert eine Studie, laut der die Fehlerquote sinkt und die Planungsqualität um 22 Prozentpunkte zunimmt. Das Resultat: Egal ob Innenausbau, Einfamilienhaus oder Spital, « man baut effizienter und setzt die Mittel effektiver ein – Geld und Material », ist Cur schellas überzeugt. Die Digitalisierung sei wichtig, damit das stark fragmentierte Bauwesen konkurrenzfähig bleibe.

In der Praxis stösst die modellbasierte Planung bei den Architekten allerdings auf Skepsis. Das zeigte das erste ‹ BIMcamp ›, das der Verein ‹ buildingSMART › 2014 an der ETH Zürich organisierte. Der Andrang war gross: 120 Interessierte kamen. Doch die Fragen waren zahlreich: Mein Holzbauer arbeitet analog, was bringt mir also BIM ? Mein CAD-Programm spricht eine andere Sprache als jenes des Tragwerksplaners, verliere ich nicht zu viel Zeit beim Übersetzen ? Wer die neue Methode einsetzt, muss genau zeichnen und viele Infos abfüllen, lohnt sich dieser Aufwand für meinen kleinen Betrieb ?

Little BIM im kleinen Büro

Philipp Wieting ist Architekt und kein Technikfanatiker. Dennoch setzt der Firmeninhaber von Werknetz Architektur in Zürich konsequent auf BIM. « Wir sind ein kleines Büro und müssen effizient arbeiten, um grosse Projekte realisieren zu können », s agt er. Die neue Planungsmethode komme der Architektur zugute, ist Wieting überzeugt. Schon im Entwurf setzt er aufs Computermodell. Dieses kennt die Flächen der Räume und Abmessungen der Bauteile, die sich auf die Kosten auswirken. « S o können wir früh abklären, welche Fassade oder welches Volumen überhaupt finanzierbar ist. » D er Computer übernimmt auch andere Knochenarbeit. Er zählt zum Beispiel Türen und Fenster, um Bauteillisten zu erstellen, oder rechnet Flächen und vergleicht sie mit dem Raumprogramm. Der Architekt hat mehr Zeit für den Entwurf. Und das digitale Modell helfe, Etappen oder Varianten zu visualisieren, sagt Wieting: « Das erleichtert die Kommunikation. Jeder weiss, wovon man redet. » Auch mit Nachbarn sei es einfacher, mit Visualisierungen zu verhandeln. Laien könnten Pläne und Schnitte schwer lesen.

Die Grenzen sind allerdings fliessend. Werknetz arbeitet bisher vor allem bürointern BIM-basiert. Wieting spricht von ‹ little BIM › im Unter schied zu ‹ big BIM ›, wo ganze Fachplanerteams auf ein Modell zugreifen. Extern liefern die Architekten nach wie vor Schnitte und Pläne. Diese generiert der Computer automatisch aus dem Modell. « D er Plan ist nur noch ein Abfallprodukt », erklärt Wieting. Das sei effizienter. « Wir können es uns nicht leisten, fünf Personen anzustellen, die Schnitte zeichnen. » Das heisst aber auch: Das Modell muss exakt gezeichnet sein. Sonst ist der Plan daraus nutzlos.

Natürlich sei der Aufwand am Anfang höher, gibt Wieting zu. « D och das zahlt sich im Verlauf der Projektabwicklung aus. » Voraussetzung sei allerdings, dass man sich auf die Software einlasse, denn BIM ist techniklastig.

Text:
Andres Herzog

Stets informiert: Das 3-D-Modell ist mit Daten zu Herstellern, Kosten, Raumgrössen, Terminen oder Mengenangaben verknüpft.

Es brauche ein Flair für den Computer, für neue Werkzeuge, für Experimente. Dennoch: « Die Metho de ist keine Spielerei, es geht im Kern immer um Wirtschaftlichkeit. » Dass viele Architekten nach wie vor zweidimensional zeichnen, kann er nicht verstehen. BIM ist zwar noch eine Baustelle. Doch: « Man muss irgendwann damit anfangen », sagt Wieting und fragt: « Wie ausger eift ist der Planungsprozess denn heute ? » Jemand zeichnet Striche auf ein Papier, die ein anderer interpretiert und dann damit weiterarbeitet ? Effizienz geht anders.

Planen in der Wolke

Das Potenzial der modellbasierten Planung wird zurzeit erst ausserhalb des Architekturbüros ausgeschöpft. Dann nämlich, wenn alle Fachplaner damit arbeiten, wird die Zusammenarbeit vereinfacht: Statt Pläne zu drucken, tauschen die Planer digitale Modelle aus, deren Daten zum Beispiel in der Cloud – also auf einem Server im Internet – zusammengeführt werden. Dieses Komplettmodell hilft, an Koordinationssitzungen den Überblick zu bewahren. Und es ermöglicht präzise Kontrollen: Der Bauphysiker rechnet die Energiewerte an seinem Teilmodell. Der Statiker simuliert Erdbeben. Der HLK-Planer lädt die relevanten Elemente in seine Software, die automatisch prüft, ob es zu Kollisionen kommt, ob also zum Beispiel alle Rohre in den Schacht passen. Das Ziel: Fehler bereits in der Planung ausmerzen und nicht erst auf der Baustelle. ‹ Erst digital, dann real bauen ›, lautet das Motto. Damit sollen die Qualität der Planung und die Genauigkeit der Kostenvorhersage steigen. Und die Transparenz zunehmen: Der Entwurf lässt sich mit Daten unterfüttern, die helfen, früh wichtige Entscheide zu fällen.

Zudem automatisiert BIM Routinearbeiten. Das rechnet sich vor allem bei technisch komplizierten Grossprojekten wie Spitälern oder Flughäfen. Bei einem Wettbewerb kann der Veranstalter per Knopfdruck prüfen, ob ein Projekt das Raumprogramm erfüllt, wie lange der Arbeitsweg der Krankenschwester im Spital ist oder ob die Fluchtwege eingehalten werden. Das klingt verlockend für Bauherren, birgt aber die Gefahr in sich, dass diese zu viele Informationen verlangen. Dann müssen Architekten Daten einfüllen, die später niemand benötigt. Es ist darum wichtig, am Anfang zu definieren, wer das Modell verwendet und welche Informationen es enthält.

Big BIM im grossen Büro

Andreas Jöhri ist Verwaltungsratspräsident des Architekturbüros IttenBrechbühl, das lange Erfahrung mit Grossprojekten hat. Jöhri sieht in BIM kein Allheilmittel. « S eit zwanzig Jahren redet man in der Baubranche von 3-D-Modellen und Daten », sagt er. Doch passiert sei bisher wenig. Sein Büro verwendet die modellbasierte Planung vor allem bei komplexen Projekten wie Spitälern, Labor- oder Forschungsbauten. Allerdings sei kein Projekt bisher konsequent ‹ gebimt › wor den, sondern nur dort, wo es sinnvoll ist. « Viele verkaufen die neue Methode als eierlegende Wollmilchsau und schüren damit die Erwartungen », s agt Jöhri. Wichtig seien Erfahrungen aus der Praxis, die zeigen, wo BIM tatsächlich einen Vorteil bringt. IttenBrechbühl prüft am Modell Kollisionen, zieht daraus Rauminfos oder nutzt es für die Koordination mit den Fachplanern. Voraussetzung für eine gewerkeübergreifende Zusammenarbeit ist allerdings, dass alle das digitale Modell austauschen können. Das Stichwort dazu heisst: Open BIM. Das offene Dateiformat IFC erlaubt, Modelle aus CAD-Programmen zu importieren und zu exportieren. Es ist vergleichbar mit DXF in der Plandarstellung oder mit PDF im Druckbereich. Dennoch muss von Anfang an

klar sein, wer welche Software einsetzt. Sonst reden die Programme aneinander vorbei. « Es gibt no ch viele Stolpersteine bei der Software », sagt Jöhri. Aktualisiere ein Büro sein Programm ohne Absprache, seien Fehler vorprogrammiert. Darum geben Bauherren wie Roche nicht nur die Methode, sondern auch die Software vor.

Ein Hauptproblem ist laut Jöhri das Abbild der rollenden Planung. Am Anfang arbeitet der Architekt mit ‹ weichen › Mo dellen, die sich noch verändern, da der Bauherr oft nicht weiss, was er genau will. « Darin zeichnet der Fachplaner dann Kanäle und Rohre ein, die viel zu detailliert sind in diesem frühen Stadium. » D er ‹ L evel of Detail › definiert, wie detailliert ein Mo dell gezeichnet wird. 100 enthält nur Flächen und Volumen, 300 entspricht den Ausführungsplänen, 600 dem fertiggebauten und eingerichteten Haus. Es ist wichtig, am Anfang abstrahiert zu modellieren, damit der Aufwand für Änderungen nicht explodiert. Doch da das 3-D-Modell keinen Massstab kennt, verleitet es dazu, zu genau zu zeichnen, insbesondere jene Bauteile, die fixfertig aus dem Katalog eingefügt werden. Ohnehin sei das 3-D-Modell nicht immer hilfreich, meint Jöhri. « Viele Details zeichnen wir nur im Plan, das wäre im Modell zu aufwendig. » Zudem: « D er Polier auf der Baustelle arbeitet immer noch mit einem Plan und nicht mit einem iPad. » Das Endprodukt bleibt also zweidimensional. BIM-tauglich zu modellieren stellt hohe Anforderungen an den Architekten: Er muss viel von der Konstruktion und Planung verstehen und gleichzeitig flink mit CAD-Programmen hantieren können. « In vielen Bür os fehlt das Know-how », stellt Andr eas Jöhri fest. « Die meisten zeichnen nach wie vor zweidimensional. »

Die Planung wer de mit BIM nicht rationeller, meint Jöhri. « D er Planungsaufwand wird sogar grösser. » Trotz Vorbehalten glaubt er an die Methode, wenn sie mit Mass eingesetzt wird. « D er Architekt kann den Bauprozess besser koordinieren, die Bauqualität erhöhen und komplexe Bauten mit höherer Sicherheit planen. » Dab ei gilt: Je komplizierter ein Projekt, desto grösser der Nutzen.

Auf die Schweiz zugeschnitten

Im Ausland ist BIM zum Teil breit abgestützt, insbesondere in den USA, darum auch die vielen englischen Begriffe. Grossbritannien, Holland, Dänemark, Finnland und Norwegen schreiben die Methode bei öffentlichen Bauaufgaben vor. Die EU empfiehlt ihren 28 Mitgliedstaaten, die modellbasierte Planung ab 2016 bei öffentlichen Bauten anzuwenden. Was muss geschehen, damit BIM auch in der Schweiz Fuss fasst ? « Die Bauwirtschaft funktioniert in jedem Land anders », sagt Paul Curschellas. Es brauche deshalb Anpassungen an die lokalen Eigenheiten, denn es gehe um die Planung der Planung.

« Wir müss en den Architekten etwas die Angst nehmen », sagt Andreas Kling, Chef der Firma ComputerWorks, die Software wie Vectorworks oder Solibri Model Checker in der Schweiz vertreibt. Viele Experten würden zu hohe Erwartungen schüren. Dänemark regle die Anwendung mit einem 950-seitigen Dokument zu Tode, sagt Kling, und in den USA, die mit der neuen Planungsmethode am weitesten sind, schlage das Pendel bereits wieder zurück. Man weiss inzwischen: Ein Gebäude bis zur letzten Schraube zu modellieren, bringt nichts. Gefragt sei ein Mittelweg, der je nach Projekt andere Parameter verlange. Denn schon einfache Modelle brächten viel, sagt Kling.

Viele Architekten sehen in BIM einen weiteren Standard, der ihre Arbeit einschränkt. Kling sieht das anders: « Die Methode ist eine Chance, den Architekten wieder mehr Kontrolle zu geben. » Wer das Modell führt, hat die Fäden in der Hand. Für Fachplaner oder Unternehmer wird

es schwieriger, auf der Baustelle zu improvisieren. Voraussetzung ist allerdings, dass der Architekt der BIM-Meister ist – und nicht der HLK-Planer oder der GU. « Heute sind es vor allem die Bauherren und die Generalunternehmer, die BIM verlangen », sagt Kling.

Ähnlich argumentiert Paul Curschellas: « D er Architekt wird so wieder zum Baumeister, der die Konstruktion beherrscht und die ganze Baustelle überblickt .» Viele Architekten würden sich heute stark auf den Entwurf konzentrieren. Mit dem Modellieren lernten sie wieder, mit Räumen und Bauteilen umzugehen. « Die Architekten werden die Vorteile rasch erkennen », ist sich Curschellas deshalb sicher. Der Druck werde aber auch von Bauherren oder der öffentlichen Hand kommen. Der SIA arbeitet an ei -

nem Merkblatt zu BIM und plant zusammen mit ‹ buildingSMART › und ander en Organisationen eine Initiative, um das digitale Bauen in der Schweiz zu fördern. Hierzulande gibt es erst ein paar Dutzend Projekte, die BIM in der einen oder anderen Form einsetzen. Noch ist vieles offen: Wie viele Daten sind hilfreich ? L ohnt sich die Methode auch bei kleinen Projekten ? Auch stellen sich Fragen zum Honorar siehe Seite 12 . Zudem: Das Modell deckt den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes ab, samt Unterhalt und Betrieb. Doch dazu gibt es in der Schweiz noch kaum Erfahrungen. BIM wird kommen. Wie umfangreich und in welcher Form, das steht noch in den Sternen. Klar ist aber: Architekten, die sich auf die modellbasierte Planung einlassen, werden den Kurs mitbestimmen können.

Vielfalt bewahren und Transparenz schaffen

Hier wird die Grundlage für effiziente Planung gelegt: Die Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung ( CRB ) entwickelt zusammen mit den Fachverbänden und im Auftrag der Schweizer Bauwirtschaft seit 1959 Standards für die Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken. Standards wie der elementorientierte Baukostenplan eBKP oder der Normpositionen-Katalog NPK schaffen die Grundlage für die Planung und Ausführung von Bauwerken. Dank Klassifizierungssystemen in den Bereichen Hochbau, Gebäudetechnik, Tief- und Untertagebau sowie der durchgehenden systematischen Gliederung der Produkte schafft CRB in der Schweiz eine einheitliche Verständigungsbasis in drei Sprachen.

Und was bedeutet BIM für die CRB-Standards ? « BIM ist eine Methode, bei der unsere Arbeitsmittel optimal genutzt werden können, um baurelevante Informationen strukturiert vom Planer an den Unternehmer übermitteln

« Schweizer Baukultur ist viel individueller. »

Myriam Bernauer, Leiterin Entwicklung & Technologie bei CRB zu können », sagt Myriam Bernauer, Leiterin Entwicklung & Technologie bei CRB. Ihre Abteilung beschäftigt sich intensiv mit der modellbasierten Planung und sucht nach Möglichkeiten, wie sich die CRB-Standards einfach und zweckmässig integrieren lassen. « Die Adaption von BIM ist in der Schweizer Bauwirtschaft nicht ganz so einfach wie in anderen europäischen Ländern, da die Baukultur und die Architektur von Gebäuden viel individueller sind », erklärt Bernauer. Es gilt also, die Standards so anzupas-

sen, dass diese Vielfalt erhalten bleibt und die Anwender der Methode weiterhin von der Rechts- und Kostensicherheit sowie Transparenz profitieren, die die CRB-Standards ermöglichen. Das Ziel ist klar: Planer sollen mit allen Produkten von CRB in allen SIA-Phasen ‹ bimen › können. « S o wird der Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten noch leichter und der gesamte Bauprozess noch transparenter », b etont Bernauer.

Resultate aus dem Musterhaus

Das CRB-Anwenderhandbuch zur elementorientierten Kostenplanung basiert auf einem Musterhaus, das einzelne Bauteile, etwa Wand, Fenster oder Türe, definiert. An diesem Musterhaus hat CRB nun untersucht, wie sich der elementorientierte Baukostenplan mit BIM anwenden lässt. Das Musterhaus war allerdings bisher nur zweidimensional abgebildet. Im Auftrag von CRB hat das Architekturbüro Aardeplan ein BIM-Modell erstellt und beurteilt. « Das Re sultat ist positiv », s agt Manfred Huber von Aardeplan. « B ei einem Level of Detail von 200 funktioniert der eBKP bereits heute gut, etwa für eine Kostenschätzung. » Nun ist man dab ei, die gewonnenen Erkenntnisse auch auf den Kostenvoranschlag oder die Leistungsbeschreibung zu übertragen. Derzeit arbeitet Aardeplan an einem detaillierteren Modell des Musterhauses. Es hilft, die CRB-Standards auf BIM-Tauglichkeit zu überprüfen, und es zeigt auf, wie BIM-Modelle gegliedert werden müssen. Bei der elementorientierten Kostenplanung ist die Zukunft also schon fast da. Noch nicht ganz so weit sei der Normpositionen-Katalog NPK. Huber: « Hier sind no ch Anpassungen nötig. » CRB arb eitet darum weiter daran, seine Standards für die modellbasierte Planung optimal nutzbar zu machen. Denn BIM werde in der Schweiz in den nächsten Jahren vermehrt angewendet, ist Bernauer überzeugt. Sie vergleicht den Wandel mit der Einführung von CAD: « Am Anfang meines Architekturstudiums zeichnete fast niemand am Computer », erinnert sie sich. « B eim Diplom griffen dann nur noch wenige zur Tusche. » Die Umstellung auf BIM werde ähnlich verlaufen: « Nach der zögerlichen Anfangsphase wird es plötzlich schnell gehen. » ●

« BIM zwingt alle, vom selben zu reden »

Fünf Fachleute diskutieren darüber, ob sich BIM auch für kleinere Projekte lohnen kann und ob Architektinnen und Architekten dereinst nur noch dreidimensional planen.

Gesprächsleitung:

Roderick Hönig

Noch ist BIM – zumindest in der Schweiz – ein grosses Versprechen: mehr Effizienz, weniger Planungsfehler, bessere Kostenschätzung. Was leistet BIM wirklich ?

Marco Waldhauser: Zuallererst bringt BIM mehr Ordnung in die Planung zurück. Denn die weitverbreitete rollende Planung, also wenn quasi der Bau vor den Plänen fertig ist, ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Wenn das 3-D-Modell eines Gebäudes richtig gebaut wird, steigt die Qualität der Planung. Welche Auswirkungen BIM auf die Kosten hat, wird sich zeigen. Ich frage mich aber: Was ist die Alternative ? Die nächsten zwanzig Jahre so weitermachen wie bisher ? Das kann sich, glaube ich, niemand vorstellen. Die vielen Möglichkeiten haben uns schachmatt gesetzt. BIM kann uns helfen, Prozesse zu ordnen und so aus der Sackgasse herauszukommen.

Jean-Luc Perrin: BIM wir d zu einer Kostensenkung führen, davon bin ich überzeugt. Denn Probleme auf der Baustelle lösen ist teuer. Derzeit wird dafür viel zu viel Honorar aufgewendet. BIM hilft, sie viel früher zu erkennen und damit zu vermeiden. Als Bauherr möchte ich mich doch möglichst wenigen Planungs- und Bauprozessen aussetzen, die ich nicht steuern kann. BIM macht eine Bauherrschaft wieder mündiger und steigert die Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers. Und es macht die Planung transparenter: Werden die Reserveflächen eingehalten ? Hab en alle Rohre in den Steigzonen Platz ? Wie ho ch werden die Lebenszykluskosten sein ? Nur im BIM-Mo dell kann ein Bauherr solche Fragen prüfen. Zudem kann ich Leistungsverzeichnisse früher und umfassender zusammenstellen, was die Preise in der Beschaffung senkt.

Andreas Jöhri: Effizienter kann man nur dort werden, wo man vorher weniger effizient war. BIM alleine verhindert keine Planungsfehler. Tatsächlich kann aber eine Bauherrschaft die richtige Entscheidung früher treffen, wenn die Architekten die Grundlagen für eine Entscheidung früh

liefern. Schwierig ist allerdings, dass bei BIM ein grosser Teil des Abstraktionsgrades verloren geht, der vorher geholfen hat, ein Projekt richtig zu entwickeln. Teilweise zeichnen die Haustechniker schon konkrete Anlagen ein, während wir Architekten mit den Bauherren noch diskutieren, ob die Wand am richtigen Ort ist. Das macht einen Planungsprozess nicht effizienter.

Paul Curschellas: BIM macht mögliche Konflikte früher sichtbar, die Transparenz steigt, und es bietet eine Grundlage für das integrative Arbeiten. Und je früher im Planungsprozess Lösungen für Konflikte gefunden werden, desto

« Heute wird zu viel Honorar verwendet, um Probleme auf der Baustelle zu lösen. »

Jean-Luc Perrin ist Spitalmanager im Direktionsstab des Felix-Platter-Spitals, Basel.

weniger kostet ihre Korrektur. Seien wir ehrlich: Wer bei Planungsbeginn nicht in der Lage ist, ein virtuelles Modell zu bauen – wie soll er es dann auf dem Bauplatz können ? Das BIM-Modell zwingt alle Beteiligten, vom selben zu reden. Die Methode fordert mehr Organisation und Management von den Architekten. Man muss Prozesse gestalten und die Form der Zusammenarbeit, die Methoden definieren und erst dann das Modell bauen. Kurz: Das virtuelle Modell kommt vor dem realen Bauwerk. →

Planung ist Teamarbeit: BIM verlangt eine engere Zusammenarbeit zwischen Bauherr, Architekt, Bauingenieur und Fachplaner.

Kosteneffizienz klingt immer gut. Was trägt BIM konkret dazu bei ?

Paul Curschellas: Es liegt in der S ache des Bauens, dass zu Beginn einer Planung noch nicht alle Faktoren bekannt sind und sich diese im Verlauf des Projekts verändern. Das ist eine der Herausforderungen für die Projektsteuerung. Mehraufwand, Fehler und Ineffizienz können die Folgen sein. Architekten und Ingenieure, die das virtuelle Modell beherrschen, können ihre Kompetenz bei der früheren und genaueren Kostenanalyse steigern. Das Vorausmass etwa und das Ausmass kann direkt dem Modell entnommen werden. Und sind die Bauteilqualität und der Preis bekannt, erübrigt sich die Frage nach den Kosten.

Andreas Jöhri: Ab er wo passieren denn die Fehler ? Meine Erfahrung zeigt: Die Fehler auf der Detailebene, also etwa Konstruktionsfehler, werden vom Architekten dreidimensional gar nicht abgebildet. Das Koordinationsproblem mit der Haustechnik lösen Kollisions-Checker wie Solibri gut. Wenn aber etwas vergessen geht oder konzeptionelle

« Wenn konzeptionelle Fehler passieren, dann nützt auch ein 3-D-Modell nichts. »

Andreas Jöhri ist Architekt und Energieingenieur. Er ist Partner und VR-Präsident von IttenBrechbühl, Basel.

Fehler passieren, nützt auch ein 3-D-Modell nichts. Um sie zu verhindern, müssen wir die Methode verändern –BIM hilft, sie zu visualisieren.

Jean-Luc Perrin: BIM verkürzt endlose und unproduktive Planersitzungen. Ausserdem kann der Architekt dem Bauherrn damit einfacher und schneller aufzeigen, was seine nachträglichen Änderungen kosten.

Der Gesamtleistungswettbewerb zum Felix-Platter-Spital war der erste in der Schweiz, der auch ein BIM-Modell forderte.

Die Anforderungen waren hoch.

Sind Sie zufrieden mit dem Resultat ?

Jean-Luc Perrin: Ja, s ehr. Die integralen Modelle, die die Teams geliefert haben, waren von sehr hoher Qualität. Sie haben geholfen, auch die inneren Qualitäten eines Projekts beurteilen zu können, Einblick in die Projektreife zu nehmen. Ich bin mir bewusst, dass wir viel verlangt haben. Aber es war ja auch ein Gesamtleistungswettbewerb mit Kostendach und vorgegebener Qualität.

Was würden Sie heute anders machen ?

Jean-Luc Perrin: Heute wür de ich eine noch tiefere Detaillierung der Geometrie verlangen. Auch würde ich das BIM-Modell integral in die Bewertung des Projekts miteinbeziehen. Es wurde ja beim Wettbewerb gar nicht juriert. Gezeigt hat sich aber auch: BIM macht aus einem schlechten Planerteam kein gutes.

Andreas Jöhri: Sie können die Anforderungen schon erhöhen. Doch der Aufwand fürs BIM-Modell muss im Wettbewerb entschädigt werden.

Marco Waldhauser: Die BIM-Anforderungen beim Wettbewerb fürs Felix-Platter-Spital waren völlig unsinnig, viel zu detailliert. Es wurden Leistungen verlangt, die weit ins Bauprojekt hineingingen. Vergütet wurde aber nur der Wettbewerbsaufwand. Viele Teilnehmer haben unzählige Stunden ins Modell statt in den Entwurf gesteckt. Wenn schon, dann sollte BIM als Zusatzanforderung definiert und entsprechend entschädigt werden. Statt ein BIM-Modell zu verlangen, das auch der Bauherr lesen kann, sollte der Bauherr vielmehr eine Jury zusammenstellen, die kompetent genug ist, den Beitrag auch ohne BIM zu beurteilen. Paul Curschellas: D er Wettbewerb hat die Nachfrage deutlich gemacht. Viele gute Architekten, Ingenieure und Generalunternehmen haben darauf reagiert: Für die erste Stufe haben sich neun Generalplanerteams gemeldet, in der zweiten waren es noch vier. Noch aber ist die Nachfrage grösser als das Angebot. Zunehmend werden private und öffentliche, mittlere und grosse Projekte mit der Anforderung BIM ausgeschrieben. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Bereitschaft, BIM anzuwenden, bei Planern, Architekten und Ingenieuren rasch grösser wird.

Ist BIM für alle Bauaufgaben und Projektgrössen sinnvoll ?

Andreas Hängärtner: Wir hab en die Erfahrung gemacht, dass es für Projekte ab zehn Millionen Franken sinnvoll ist. Allerdings wird sich das ändern: Wenn das Arbeiten in drei Dimensionen für Architekten so normal wird wie das Planen in zwei Dimensionen, steigt der Nutzen und nicht der Aufwand. Viele Architekten stellen die Wirtschaftlichkeit der Methode bei kleineren Projekten infrage.

Jean-Luc Perrin: Ich bin da ganz anderer Meinung: BIM ist für alle Projekte sinnvoll, klein oder gross. Das Modell funktioniert ja auch als Bauwerksdokumentation, und der Bauherr kann es für die Bewirtschaftung und Wartung brauchen. Die Gebäude werden immer ‹ intelligenter ›, immer mehr Sensoren kommen ins Haus. Die Daten, die sie liefern, werden im 3-D-Modell, das dem effektiv gebauten Haus entspricht, abgebildet.

Andreas Jöhri: B ei uns ist der BIM-Treiber die Komplexität der Bauaufgabe. Bei einem Gebäude, etwa aus den Bereichen Pharma oder Forschung, bestimmt die Haustechnik den Entwurf mit. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass alle Fachplaner dreidimensional arbeiten.

« Wenn Arbeiten in drei Dimensionen normal wird, steigt der Nutzen, nicht der Aufwand. »

Andreas Hängärtner ist BIM-Experte und Produktmanager bei ComputerWorks, Basel.

Paul Curschellas: BIM fördert die integrative Arbeitsweise. Habe ich mir die Methode einmal als Person oder als Unternehmen angeeignet, werde ich sie einsetzen – unabhängig von der Projektgrösse oder -art. Wieso zu Fuss gehen, wenn ich Fahrrad fahren kann ?

Marco Waldhauser: Ergibt die Unterscheidung zwischen grossen und kleinen Projekten überhaupt einen Sinn ? Wenn ein Architekt oder Haustechniker BIM einmal in seinem Büro etabliert hat, wird er nur noch so arbeiten. Wir sind

« Es braucht eine Bildungsinitiative und Standards zum Bauen mit BIM. »

Paul Curschellas ist Präsident von ‹ buildingSMART › und Leiter von ‹ buildup ›, einem Spin-off der ETH Zürich.

daran, unsere Prozesse für alle Projekte anzupassen, teilweise sogar rückwirkend. Für mich stellt sich vielmehr die Frage nach der Informationstiefe der Modelle. Und wie findet man die richtige Informationstiefe des Modells in jeder Phase ?

Andreas Jöhri: Das Problem sind die umfangreichen Bibliotheken der CAD-Programme: Per Mausklick kann ich fertige Elemente zusammensuchen und ins Modell einfügen. Das führt zu komplett unterschiedlichen Detaillierungsebenen in ein und demselben Modell, wenn unterschiedliche Fachplaner daran arbeiten. Das heisst, ein Modell ist zwar bis hin zur Dichtungslippe von Fenstern informiert, der Entwurf aber noch gar nicht abgeschlossen.

Andreas Hängärtner: Das stimmt: In vielen CAD-Programmen sind die Bauteile zu hoch vorinformiert. Viele dieser Informationen sind für das BIM-Modell gar nicht notwendig. Gleichzeitig findet der Architekt aber genau dieses Fenster, das er im Kopf hat und einbauen will, nicht im Katalog. Zudem meinen viele Architekten, sie müssten von Anfang an für ein BIM-Modell sehr viele Informationen erfassen. Das führt dazu, dass sie ihr Modell überinformieren, dann wird es unbrauchbar. Die frühzeitige Fehlererkennung ist keine Frage des Detaillierungsgrades.

Marco Waldhauser: Es braucht Vorgaben von den Verbänden zu allgemeingültigen ‹ L evels of Detail › ( LOD ). Wie viele D etails in welcher Phase es braucht, sollte nicht jedes Büro für sich selbst definieren. Die Erfahrung zeigt, dass viele BIM-Modelle in frühen Phasen viel zu viele Informationen in sich tragen. Mit solchen Modellen kann man nicht produktiv arbeiten.

Jean-Luc Perrin: B eim Wettbewerb des Felix-Platter-Spitals haben wir vorgegeben, nur Installationen ab einer gewissen Dimension zu zeichnen. Das heisst, zur elektrischen Verdrahtung wollten wir noch keine Pläne sehen. Wie lernt der Architekt, mit BIM umzugehen ?

Paul Curschellas: Hier stellen wir ein D efizit fest. Die Schulen unterrichten am Markt vorbei, vermitteln die nötigen Grundlagen nicht. Die rund 25 0 00 Schweizer Planungsunternehmen, hauptsächlich KMUs, können die BIM-Ausbildung aber nicht übernehmen. Es braucht deshalb eine Bildungsinitiative in den unteren, mittleren und oberen Lehrgängen. Zudem fehlen Richtlinien und Standards zum Bauen mit BIM. Der SIA hat den Ball aufgenommen. Derzeit arbeitet eine Kommission das BIM-Merkblatt 2051

( SIA MB 2051 ) aus. Auch bei den Themen Leistungen, Honorierungen und Bestimmungen sind die Planer noch ohne Standards unterwegs, hier können Rechtsunsicherheiten entstehen. Bei den Bauteildaten geht es den Planern und der Industrie nicht viel besser, auch hier braucht es Regeln, Klassifizierungen.

Jean-Luc Perrin: Ich warne davor, den Verbänden allein den schwarzen Peter zuzuschieben und sie Richtlinien ausarbeiten zu lassen. Nützlicher wären Empfehlungen, die auf Erfahrungen, auch auf solchen anderer Länder, basieren.

Andreas Hängärtner: Viele Anwender sind noch nicht in der Lage, ein richtig informiertes BIM-Modell zu erstellen. Wir empfehlen in unseren Schulungen und Beratungen eine Abstimmung vor Planungsbeginn: Beim Inselspital in Bern haben wir den verschiedenen Planerteams geraten, jeweils dieselbe Gebäudeecke mit ihrem eigenen Programm zu modellieren. So können Fehler beim Austausch frühzeitig erkannt und verhindert werden.

Andreas Jöhri: Die Anforderungen an die Zeichner erhöht sich mit BIM deutlich, zusammen mit den vielen anderen Anforderungen, die in den letzten Jahren dazugekommen sind. Irgendwann wird aber von CAD-Zeichnern einfach zu viel verlangt. Im Büroalltag heisst das, dass die Person, die alle Anforderungen erfüllt, nicht mehr am Computer sitzt, sondern Projekte leitet. Wir müssen weit vorne anfangen und unseren Mitarbeitern zuerst einmal das dreidimensionale Zeichnen von Grund auf beibringen.

Marco Waldhauser: Mit der Ausbildung der Projektleiter oder der Zeichner alleine ist es nicht getan. Mit BIM ändert sich nicht nur die Methode, sondern der ganze Prozess. Wir glauben: BIM ist Chefsache, er oder sie muss die Methode im Büro etablieren.

« M it BIM ändert sich nicht nur die Methode, sondern der ganze Prozess. »

Marco Waldhauser ist Mit inhab er von Wald haus er + Hermann Ingenieurbüro, Münchenstein.

Wie könnte man die Honorarfrage fair regeln ?

Jean-Luc Perrin: Die Honorarfrage ist obsolet, denn wer BIM richtig anwendet, gewinnt. Für einen Bauherrn hat das Modell ja mehrfachen Nutzen. Das muss ihm etwas wert sein.

Marco Waldhauser: Will ein Bauherr BIM zum ersten Mal anwenden und verlangt vom Architekten dafür, einen BIMManager einzusetzen, dann sollte der Auftraggeber diese Leistungen auch speziell vergüten. Wenn die Methode schon erprobt ist, ist das nicht zwingend erforderlich. Oft ist es sinnvoll, Honorarprozente innerhalb der Phasen zu verschieben. Denn mit BIM hat man zu Beginn eines Projekts mehr Aufwand, in der Ausführung etwas weniger.

Paul Curschellas: Bis anhin war BIM, das virtuelle Gebäude, nicht Teil des Werks. Der Werkumfang nimmt mit dem digitalen Bauinformationsmodell zu. Die Abgeltung sowie die rechtlichen Aspekte müssen vom SIA geregelt werden. ●

Honorare verlagern

BIM vergrössert den Aufwand der Architekten zu Beginn der Planung. Das macht eine Verlagerungen der Honorare nötig. Die SIA-Ordnung lässt dafür genug Spielraum.

Viele Architekten hören beim Thema BIM vor allem eines: Aufwand. Und fragen besorgt: Wer bezahlt ? D er Architekt Manfred Huber versteht, dass seine Kollegen aufgeregt sind: « Das hat ab er vor allem mit Unwissen und Unsicherheit zu tun .» Hub er ist Mitgründer des Architekturbüros Aardeplan und Präsident der SIA-Kommission 2051. Die Zahl steht für ein Merkblatt, das der Verein derzeit zum Thema BIM ausarbeitet und das voraussichtlich 2017 erscheint. Deutschland hat bereits einen entsprechenden Leitfaden. Es sei wichtig, dass es in der Schweiz ebenfalls ein Grundgerüst gebe. Dieser Leitfaden soll zur Verständigung beitragen. Er definiert Begriffe, beschreibt Prozesse und Organisationsformen – und zeigt auf, worauf bezüglich L eistung und Honorierung zu achten ist.

« Grunds ätzlich hat BIM alleine keinen Einfluss auf die Honorare », s agt Huber. Ob der Architekt mit Tusche, Maus oder BIM-Modell arbeitet, ist ihm überlassen. Die Methode ist egal, was zählt, ist das Resultat: das gebaute Haus. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Der SIA unterscheidet zwischen Grundleistungen, die der Architekt im Regelfall zu erbringen hat, und Zusatzleistungen für besondere Wünsche des Bauherrn. Für die Grundleistungen sollen sich mit BIM die Planungskosten nicht erhöhen, doch sie verlagern sich: Der Architekt muss früher detaillierter planen und modellieren. Bisher entfiel rund ein Drittel des Honorars auf das Vor- und Bauprojekt. Huber: « Die ser Anteil könnte steigen, dafür wird er in der Ausschreibung und Ausführungsplanung sinken. » D er SIA definiert in einer Tabelle, wie viele Honorarprozente für die einzelnen Phasen der Planung vorgesehen sind. « D er Architekt kann diese aber in Absprache mit dem Bauherrn verschieben », erläutert Huber. Er kann von der Ausführungsplanung zum Beispiel ein paar Prozentpunkte in die Projektierung verfrachten. Allerdings gibt es dazu in der Schweiz noch kaum Erfahrungswerte. Anders sieht es mit BIM-Leistungen aus, die über die Arbeiten hinausgehen, die für die Erstellung nötig sind. Vereinfacht lässt sich sagen: Wenn der Bauherr direkt Erkenntnisse aus dem Modell zieht, muss er dies extra vergüten. Das gilt zum Beispiel, wenn die Daten so aufbereitet sind, dass der Bauherr damit das Raumprogramm auswerten kann, wenn sie beispielsweise darauf ausgelegt sind, die Wege des Pflegepersonals im Spital zu berechnen. Oder wenn der Bauherr nach Schlüsselübergabe ein Modell will, das für den Unterhalt und Betrieb zugeschnitten ist. Optimiert der Architekt aber zum Beispiel die Fluchtwege in seinem Entwurf – eine Aufgabe, die er sowieso erledigt – gilt dies nicht als Zusatz-, sondern als Grundleistung. « Es ist einfach: Verlangt der Bauherr BIM-Leistungen, die über den gewohnten Planungsablauf hinausgehen, muss er diese entschädigen », erklärt Hub er.

Die Honorarordnung des SIA gibt dem Architekten weitere Optionen in die Hand um zu reagieren. Gibt der Bauherr einen Planer vor, der in der neuen Planungsmethode noch Anfänger ist, was zu mehr Arbeit führt, kann der Architekt das Honorar mit dem Teamfaktor korrigieren. Macht der Bauherr Vorgaben zum digitalen Modell, die ihm einen Mehrwert bieten und die sich durch die ganze Planung ziehen, so rechnet der Architekt die speziellen Umstände mit ein. Für Huber ist darum klar: « Die Honorarordnung bietet heute schon genug Spielraum. » Erst b ei der nächsten Revision in ein paar Jahren werde man die neuen Erfahrungen einarbeiten.

Strukturierte Planung

BIM wirft weitere Fragen zu den Kosten auf. Manche behaupten, die Methode verschiebe den Aufwand vom Fachplaner zum Architekten. Dieser baut ein genaueres Modell, mit dem zum Beispiel der Energieberater einfacher rechnen kann. Doch Huber schüttelt den Kopf. « Normalerweise profitieren alle Beteiligten gleich, auch die Arbeit des Architekten wird mit dem Modell effizienter. » S ei dies nicht der Fall, könne man Honorarteile verschieben. Das müsse aber abgemacht werden, bevor die Planung beginne. BIM strukturiert die Planung. Am Anfang steht die Frage: Wer stellt wem welche Information wie und wann zur Verfügung. Die Organisation muss also von Beginn an klar definiert sein. « Das ist keine neue Erfindung », s o Huber, « ab er erst BIM verlangt klare Antworten darauf. » Die modellbasierte Planung ist am Anfang aufwendiger, dafür präziser. Voraussetzung ist jedoch, dass der Bauherr weiss, was er will. Doch viele Auftraggeber merken erst während der Planung, dass sie einen Raum mehr oder doch keine Holzfassade wollen. Wenn das Modell sauber gezeichnet sei, könne man rasch Änderungen vornehmen. Doch Huber mahnt: « Die r ollende Planung gibt es im Bauwesen erst, seit wir mit dem Computer zeichnen. Sie ist keine gute Option. » Planen bedeute weiterhin entwerfen und verwerfen. Mit der neuen Methode wisse man allerdings früher, « ob man auf den Holzweg geraten sei ». Und was, wenn das Volk oder der Bauherr ein Projekt bachab schickt ? « Dann hat man etwas mehr Geld in den Sand gesetzt », räumt Huber ein. Im Gegenzug hätten aber die Planer viele Erkenntnisse schon bei Projektbeginn gewonnen. Man verhindere also Planungen, die in der berühmten Schublade versenkt werden. Zudem seien die Ausgaben für Vorstudien verglichen mit den gesamten Baukosten verschwindend klein.

Und wem gehört das Modell, wenn die Hausschlüssel übergeben wurden ? « Wer es gebaut hat, hält auch die Rechte daran », hält Hub er fest. Der SIA regelt klipp und klar: Ist nichts anderes vereinbart, erhält der Bauherr nur gedruckte Unterlagen. Will er die Rechte am Modell, muss er diese speziell vergüten. Und grundsätzlich gilt bei allen Fragen zu BIM: Sie sollten am Anfang der Planung und nicht am Schluss geregelt werden. ●

Text:
Andres Herzog

Mehr zu tun am Anfang: BIM verschiebt Leistungen von der Ausschreibungs- und Ausführungsplanung ins Vor- und Bauprojekt. Entsprechend fallen Honorare früher an.

Klarheit dank 3-D

Der Röntgenlaser des Paul Scherrer Instituts bedingt ein neues Gebäude. Modellbasierte Planung hilft, die hohe Komplexität zu meistern.

Bis 2016 realisiert das Paul Scherrer Institut ( P SI ) den Freie-Elektronen-Röntgenlaser, SwissFEL, mit dem Forscher die Entstehung neuer Moleküle verfolgen oder den Aufbau von Proteinen und Materialien untersuchen können. Der Röntgenlaser soll knapp 740 Meter lang werden. Gebaut wird die Grossanlage in unmittelbarer Nähe des Instituts im Würenlinger Wald – grösstenteils unterirdisch. « Die G ebäude und die Haustechnik sind mehrheitlich erstellt », erklärt G ery Janzi, Koordinator für Gebäude und Infrastruktur beim PSI, « ab Juni wer den wir erste Maschinenteile einbauen. » In der Ausschreibung für den Totalunternehmer forderte die Bauherrschaft eine 3-D-Koordination mit Kollisionsprüfung, die auch die Maschinen für den Röntgenlaser umfasste. « Wegen der hohen Komplexität der Anlage war für uns eine dreidimensionale Darstellung aller Gewerke ein Muss », s o Janzi. Nicht zuletzt auch aus Kostengründen: « Die Raumverhältnisse sind sehr eng, und bei einer Gebäudelänge von fast 740 Metern spielt es eine Rolle, ob ein Gebäude einen halben Meter höher ist. »

Die 2012 formulierte Anforderung der Bauherrschaft gab für die Architekten und Gebäudetechnikplaner den Ausschlag, die Anlage mit BIM zum planen. Denn die geforderte 3-D-Darstellung inklusive Kollisionsprüfung ist integraler Bestandteil der Methode. « Wir erhofften uns davon auch eine höhere Planungssicherheit », erinnert sich Marc Pancera vom Architekturbüro IttenBrechbühl, der die BIM-Planung des Projekts technisch koordiniert, « vor allem wegen der Komplexität der hochinstallierten Anlage. » Zudem sind die Dimensionen des Baus aussergewöhnlich: Die Decke über dem Untergeschoss ist wegen des Strahlenschutzes 150 Zentimeter und der darüber installierte Doppelboden weitere 65 Zentimeter stark.

Mehr Spielraum für die Architektur Mit einer BIM-Planung sind auch die Fachplaner von Anfang an mit an Bord: « Das war bei diesem sehr technischen Projekt enorm wichtig », erläutert Pancera. Trotzdem blieben Zweifel und Unsicherheiten, weil man das erste Mal konsequent so arbeitete. Diese bestätigten sich aber nur zum Teil: « Aktuell üb erwiegen die positiven Aspekte », stellt Pancera fest. Der Planungsaufwand von Architekten und Gebäudetechnikplanern sei in der Anfangsphase zwar klar höher gewesen. Gründe dafür sieht er in der mangelnden Übung mit der neuen Methode, gleichzeitig müssten viele Informationen zu einem früheren Zeitpunkt verfügbar sein. Ein grosses Plus seien aber die Koordinationssitzungen vor dem Modell.

Das sieht auch Gery Janzi so: « Die Kollisionsprüfungen haben sich sehr bewährt. » Er hofft, dass b eim Einbau der Anlage möglichst wenige Anpassungen notwendig sein werden. Zwar habe es Zeit gebraucht, bis jeder Fach-

planer eingesehen habe, dass die Methode Vorteile bringe. Zudem sei das Aktualisieren der Plandaten trotz BIM immer noch ein Thema. « Ab er indem wir Sperrkörper für die einzelnen Gewerke definiert haben und Spielregeln, was der Einzelne tun muss, wenn er diese verlässt, haben wir eine praktikable Basis geschaffen. » Einen weiter en grossen Pluspunkt sehen die Fachleute darin, dass die Architekten mit der neuen Planungsmethode mehr Einfluss gewinnen – vorausgesetzt, sie nehmen die Koordination der Planung selbst an die Hand. « S chon sehr früh konnte bestimmt werden, wo die Bereiche für die Lüftung oder die Elektroleitungen sind », erinnert sich Pancera an den Start der Planungen. Die Funktion des BIM-Koordinators, der auch den Informationsfluss managen soll, sieht er deshalb klar auf Seiten der Architekten – entweder im Planungsbüro oder als Vertretung der Bauherrschaft.

Datenaustausch muss klappen

Für Pancera hat das PSI-Projekt bisher gezeigt, dass für die Arbeit mit BIM nicht nur das 3-D-Modell wichtig ist, sondern auch die Frage, wann man mit welchem Detaillierungsgrad arbeitet: « S onst kommt es zu einem Overload an Informationen. » Im D oppelboden mussten zum Beispiel früh viele Details gelöst werden. Hier habe die Abstraktion mit den Sperrkörpern geholfen, konzeptionelle Entscheide zu fällen. Zentral seien auch die Schulung der Mitarbeitenden und die Bereitschaft der Bauherrschaft, Zeit in die Planung zu investieren.

Ein wichtiges Anliegen ist aus Sicht von Janzi die Frage, wer mit welcher Software arbeitet: « Dass alle mit der gleichen Software arbeiten, ist meist nicht praktikabel, weil ein Maschinenbauer ein anderes Werkzeug hat als ein Gebäudetechniker. » Als o setzt man auf Open BIM: Jeder verwendet seine eigene Software, die Architekten etwa Vectorworks, die Bauherren Catia. Die Daten können dann über eine IFC-Schnittstelle ausgetauscht werden. « Was bedingt, dass bei einem Software-Update auch die anderen Programme aktualisiert werden », weiss Janzi aus Erfahrung. Beim PSI-Projekt führten die Softwareversionen zu Problemen, als man die Leitungen einmass. Die Planer wichen auf visuelle Kontrollen aus. Trotz dieser Schwierigkeiten sieht Pancera die Lösung bei Open BIM: « Die Mitarb eitenden können mit ihrer gewohnten Software arbeiten, und mit den technischen Schnittstellen lassen sich gleichzeitig die Verantwortlichkeiten klären, die es sowieso abzusprechen gilt. » ●

SwissFEL, Villigen Bauherrschaft: Paul Scherrer Institut ( PSI ), Villigen

Architektur: IttenBrechbühl, Basel Totalunternehmer: ARGE Equifel Suisse, Zürich

Planung Gebäudetechnik: ahochn, Dübendorf, und Enerpeak Salzmann, Baden

Auftrag:

Bieterverfahren, 2012 Investitionsvolumen ( inkl. Beschleuniger und Experimente ): Fr 275 Mio. Fertigstellung: 2016

Text:
Jutta Glanzmann Gut

Das Budget im Griff: BIM verspricht eine genauere Planung, insbesondere die Kosten lassen sich früher und präziser vorhersagen.

Klein anfangen

An einem einfachen Mehrfamilienhausprojekt in Hergiswil hat Werknetz Architektur BIM getestet. Ihr Fazit: Gute Erfahrungen bei anfänglich leicht höherem Aufwand.

Eine Eigentums- und sechs Mietwohnungen, 1500 Quadratmeter Geschossfläche, knapp fünf Millionen Franken Baukosten. Werknetz Architektur baut in Hergiswil ein Mehrfamilienhaus, wie es vielerorts steht. Keine Technikorgie, keine Grossbaustelle, alles übersichtlich. Trotzdem planen die Architekten mit einem digitalen Modell. Lohnt sich das ? « Auf jeden Fall », sagt Philipp Seer von Werknetz Architektur. Natürlich gelte, je grösser das Projekt, desto mehr schenke BIM ein. Doch nur schon eine simple Geometriekontrolle zahle sich aus.

Die Erwartungen an BIM sind laut Seer oft zu hoch. Er plädiert darum dafür, einfach anzufangen und die Möglichkeiten der Technik Schritt für Schritt zu nutzen: « Es braucht einen spielerischen Ansatz, um sich an die neue Planungsmethode heranzutasten. » Da kam das Projekt in Hergiswil gerade gelegen: eine gute Grösse, um mit der gewerkeübergreifenden modellbasierten Planung Erfahrungen zu sammeln. Der Bauherr hatte dies nicht gefordert, aber er schätzte die Visualisierungen.

BIM sei fürs Büro kein Mehraufwand, erklärt der Architekt: « Wir zeichnen alle Projekte dreidimensional. » Aufwendig sei jedoch der Austausch unter den Planern. « Die Software aufeinander abzustimmen, braucht am Anfang einen gewissen Mehraufwand », hat S eer erfahren. Die Architekten haben rund 15 Stunden investiert, bis die Schnittstellen zwischen den Programmen eingerichtet waren. Diesen Zusatzaufwand führen sie separat auf, als Forschung und Entwicklung sozusagen. Die CAD-Werkzeuge werden mit BIM wichtig. Arbeitet der Fachplaner mit dem gleichen Programm, ist der Austausch einfacher, und ist das Team einmal eingespielt, funktioniert BIM gut. Die Architekten versuchen darum, möglichst mit jenen Fachplanern zu arbeiten, die die neue Methode bereits kennen, damit der anfängliche Mehraufwand tief bleibt.

Nicht alle arbeiten am Modell

Das Modell wurde in erster Linie für die Koordination mit den Haustechnikplanern verwendet. Von einem durchgängigen Prozess könne man bei ihrem Projekt noch nicht sprechen. Die Leitungen des Elektroplaners modellierten die Architekten von Hand, da dieser nicht ‹ bimt ›. Der Bauingenieur erhielt zwar ein Modell, doch da der Import in seine Software nicht klappte, baute er es mit den Grundrissen selbst nach. Das Modell lagerte auch nicht auf einem Server in der Cloud, dafür sei die technische Text:

Hürde zu gross, meint Seer. Stattdessen fügten die Architekten und die Haustechnikplaner ihre Modelle jeweils vor den Koordinationssitzungen zusammen. Gleichzeitig tauschten sie weiterhin Pläne aus, denn niemand habe sich komplett auf einen neuen Arbeitsablauf eingelassen. Die konventionellen Grundrisse und Schnitte waren das Sicherheitsnetz, das den Planern den Mut gab, sich auf neues Terrain zu wagen. Das funktionierte: « B ald schauten die meisten nur noch auf das Modell », s childert Seer. Während der Sitzung ermöglicht das digitale Modell einen virtuellen Baustellenrundgang. Alle sehen, wo sich die Rohre kreuzen, wo die Probleme sind. « Pläne sind s ehr abstrakt. Am Modell arbeitet man direkter », s o Seer. Die Planer haben vor allem räumliche Fragen abgestimmt: Ist der Schacht genug gross ? Wo verlaufen die Lüftungsrohre ? Wurden die Raumhöhen eingehalten ? Die se Fragen haben die Planer von Hand am Modell kontrolliert. Eine automatische Prüfung ergebe bei der Grösse dieses Projekts keinen Sinn. Dank dem digitalen Modell mussten die Architekten für die Sitzung aber weniger vorbereiten. Alle Informationen sind an einem Ort vereint. Pläne müssen keine nachgeführt werden, das Planmanagement entfällt weitgehend. Die Grundrisse und Schnitte wurden erst vermasst, nachdem die Details im Modell abgestimmt waren. « S o konnten wir effizienter koordinieren », stellt Seer fest. Die Architekten zogen zudem die Mengenangaben für die Ausschreibung aus dem Modell.

Für die Haustechnikplaner von W & P Engineering war es die erste Erfahrung mit BIM. « Wie gut es sich bewährt, ist noch schwierig zu sagen », s agt Geschäftsinhaber Christoph Waser. Die Vorteile sind für ihn aber klar: « Wir konnten früher ins Detail gehen, die Installationen besser koordinieren und das Heizsystem mithilfe des 3-D-Modells auslegen. » D er Aufwand sei vertretbar, meint er. « Wenn aber der Bauherr gegen Schluss noch Änderungen wünscht, wird es mit BIM aufwendiger. » Waser hofft, dass die Ausführungsplanung nun einfacher wird. Er glaubt, dass sich die modellbasierte Planung bei dieser Projektgrösse bereits lohnt – vorausgesetzt, das Planerteam ist einge spielt. Auch für Architekt Philipp Seer hat sich der Test gelohnt. Für ihn ist klar: « BIM wird kommen. Wir sind auf dem richtigen Weg. » ●

Mehrfamilienhaus

Grossmatt 4, Hergiswil NW

Bauherr: privat

Architektur: Werknetz

Architektur, Zürich

Bauingenieur: Schubiger

Bauingenieure, Hergiswil

Haustechnikplanung: W & P

Engineering, Stansstad

Geschossfläche: 1488 m 2

Baukosten: ca. Fr. 5 Mio.

Fehler früher ausmerzen: Am Computermodell überprüft der Architekt von Hand oder automatisiert, ob Bauteile kollidieren.

Ein gläsernes Projekt

BIM braucht in der Pilotphase Zeit und Nerven – dafür ist die Planung transparenter. Das zeigt das Projekt für den Neubau des Amts für Umwelt und Energie in Basel.

Das Amt für Umwelt und Energie der Stadt Basel zieht von Kleinhüningen an die Spiegelgasse ins Stadtzentrum, wo Jessenvollenweider Architekten nach gewonnenem Wettbewerb einen Neubau planen. Bereits im Konkurrenzverfahren forderte die Stadt BIM als Methode für die Planung, Erstellung und Bewirtschaftung. Gründe waren die damalige Diskussion um die Planung des Felix-Platter-Spitals und der in der Branche spürbare Druck aus dem europäischen Raum, die modellbasierte Planung auch in der Schweiz einzusetzen. « Die Vorstellung, was die Arbeit mit BIM für den Planungs- und Bauprozess konkret bedeuten würde, war bei allen Beteiligten sehr vage », erinnert sich Claus Brunner, Fachkoordinator beim Büro Waldhauser + Hermann, das die Hauste chnik plante. Zu Beginn s etzten sich Architekten und Gebäudetechniker deshalb nochmals mit der Bauherrschaft zusammen und zeigten die Chancen und Risiken auf. « Hilfreich waren dabei auch die Erfahrungen, die Marco Waldhauser rund zehn Jahre zuvor mit der neuen Methode in Finnland gemacht hatte », sagt Brunner. Danach entschied man, mit dem Neubau als BIM-Pilotprojekt zu starten.

Die Stadt erhoffte sich so eine höhere Planungssicherheit, Variantenstudien bereits in der Projektphase und eine bessere Kontrolle von Kosten, Terminen und Qualität. Das aktuell vorliegende ‹ Vorprojekt plus › erlaubt eine Kostengenauigkeit von plus / minus zehn Prozent und garantiert eine erhöhte Planungssicherheit. Das Generalplanerteam unter Leitung von Jessenvollenweider schätzt das erarbeitete Resultat positiv ein: Das Modell ist überschaubar, mit einem regelmässigen Raster relativ gleichförmig aufgebaut, und die Anforderungen waren klar definiert, zum Beispiel bezüglich Energie. Denn das Haus soll ein Leuchtturm für nachhaltiges Bauen werden. « Wir sind überzeugt, dass BIM sich künftig als Methode etablieren wird », s agt Lorenz I. Zumstein von Jessenvollenweider.

BIM fördert den Dialog

BIM-Experten von ComputerWorks haben die Planer technisch unterstützt und ausgebildet. Zudem zog man zu Beginn der Planung mit Friedrich Häubi und Manfred Breit von der Fachhochschule Nordwestschweiz zwei Experten bei, die mit allen Fachplanern zwei BIM-Workshops durchführten. « B ereits nach zwei Stunden stiegen wir in die Besprechung des Projekts ein », erinnert sich Claus Brunner. Schwierig war aus seiner Sicht die fehlende Erfahrung mit 3-D-Modellen. So verlief der Datenaustausch zwischen den Computerprogrammen wegen fehlender Angaben und Schnittstellenproblemen noch nicht wunschgemäss, weshalb Waldhauser + Hermann einzelne Elemente nachmodellieren mussten.

Als positiv beschreibt Brunner die Zusammenarbeit in den Koordinationssitzungen, an denen die Modelle zusammengeführt und an die Wand projiziert wurden. Mögliche Problempunkte waren schneller sichtbar als mit der herkömmlichen Planungsmethode. Zudem führten die Planer Kollisionsprüfungen durch. « Eine cloudb asierte BIM-Plattform ist das Ziel für die weitere Phase », erläutert Brunner. Da das Gebäude in Holzbauweise realisiert wird, bietet BIM auch für die Vorfertigung ein grosses Potenzial. Obwohl er den Mehraufwand auf einen Drittel schätzt, zieht er ein positives Fazit: « Man spricht s ehr früh miteinander, und das Verständnis für die Anliegen der anderen Fachplaner wächst. »

Koordination ist wichtig

Seitens der Architekten gab es keinen Widerstand gegen BIM, Unsicherheiten aber schon. « Die S anitär- und Elektroplaner hatten die Befürchtung, dass sie bloss zusätzlichen Aufwand haben », sagt Zumstein. Also planten sie klassisch, und der dafür notwendige Platzbedarf wurde zuvor festgelegt. Diese Grobkoordination der Gewerke habe sehr gut geklappt: « Die Tiefe der Planung, die wir bereits am Ende des Vorprojekts erreicht haben, gibt es sonst nicht. » Insge samt ist das 3-D-Gebäudemodell viel transparenter. Zweidimensionale Pläne hätten ein grosses Potenzial für Missverständnisse. Ein weiterer Vorteil ist die Planung der Planung: « Man muss festlegen, was es für den Prozess braucht und welcher Planer welche Angaben zu welchem Zeitpunkt benötigt. » Eher s chwierig war der Umgang mit der Software. Der Datenaustausch klappte nicht immer wie gewünscht und brauchte oft viel Zeit. « Auch die Erfahrung mit 3-D-Modellen war unterschiedlich », s o Zumstein. Ein eingespieltes und koordiniertes Planungsteam ist laut dem Architekten die Basis für die modellbasierte Planung, ebenso sind ein Koordinator und das BIM-Handbuch ein Muss. Im Gegensatz zur klassischen Projektabwicklung sind frühe Konzeptentscheide zwingend notwendig. Und die Bauherrschaft muss definieren, wie sie das Modell für die Bewirtschaftung einsetzen will. Doch diese Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. « Ich bin gespannt, wie die BIM-Bilanz in ein paar Jahren aussehen und welche Auswirkungen BIM auf aktuelle Normen und Verordnungen haben wird », s agt Zumstein. Im Moment ruht das Modell allerdings. Der Kanton Basel-Stadt muss zuerst grünes Licht für den Neubau geben. ●

Amt für Umwelt und Energie AUE, Basel

Architektur / Generalplaner: Jessenvollenweider

Architektur, Basel Planung Energie, Nachhaltigkeit, Gebäudetechnik: Waldhauser + Hermann, Münchenstein

Auftrag: Wettbewerb, 2013

Investitionsvolumen: Fr 15,8 Mio.

Fertigstellung geplant: 2018

Text:
Jutta Glanzmann Gut

Modellbasiert planen von A bis Z: Das 3-D-Modell unterstützt den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks, im Uhrzeigersinn, vom Entwurf über die Ausführungsplanung zur Kontrolle. Auch die digitale Fertigung und die Baustellenorganisation profitieren vom Modell. Schliesslich liefert es Daten zum Unterhalt und Betrieb, zum Umbau oder gar zum Abbruch.

Das informierte Modell

Pläne zeichnen war gestern. Mit Building Information Modeling, kurz BIM, wird der zweidimensionale Grundriss zum informierten 3­D ­Modell, an dem Architekt, Fachplaner und Bauherr gemeinsam arbeiten. Das Versprechen: eine besser vernetzte und kostengenauere Planung. Noch gibt es in der Schweiz erst ein paar Dutzend Projekte, die auf die modellbasierte Planung setzen. Dieses Heft erklärt, wie die Methode den Büroalltag verändert, wägt Chancen und Risiken ab und berichtet an drei Beispielen aus der noch jungen Praxis.

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