Alex Ewerth Amelie Guth Annette Meincke-Nagy Annette Streyl Christian Hahn
Karlotta Freier Katja Ruge Klaus Klinger Klaus Staeck Konstanze Habermann
Claudia Rößger Edith Held Eva Schwab Frederick Vidal Friederike Just Gaby Bergmann Heinrich Heidersberger Hieronymus Proske Joseph Beuys
Marc Lüders Margarete Adler Markus Lüpertz Martin Bronsema Paolo Pellegrin Peter Buechler Rudi Kargus Swaantje Güntzel Uli Bittmann
Taylor Wessing #005 Kunst & Gesellschaft
Alex Ewerth Amelie Guth Annette Meincke-Nagy Annette Streyl Christian Hahn
Impressum Kuration Galerie Holthoff Fischers Allee 70 22763 Hamburg www.galerie-holthoff.de mail@galerie-holthoff.de Ausstellungsort Taylor Wessing Hanseatic Trade Center Am Sandtorkai 41 20457 Hamburg www.taylorwessing.com Idee/Konzept: Taylor Wessing und Galerie Holthoff Gestaltung: Büro für Belange und Angelegenheiten, Hamburg Druck: RESET ST. PAULI Druckerei GmbH, Hamburg Ausstellungsdauer Mai – Oktober 2022 Termine für Führungen durch die Ausstellungen finden Sie unter www.galerie-holthoff.de Titel Swaantje Güntzel ›Anna, carrying plastic wrapped fruit‹ Diasec, 2019, 100 × 66,7 cm Auflage: 3/7 plus 1 AP Foto: Henriette Pogoda, VG Bildkunst Bonn, 2022 Auflage: 250 Hamburg, Mai 2022
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Karlotta Freier Katja Ruge Klaus Klinger Klaus Staeck Konstanze Habermann
Taylor Wessing #005 Kunst & Gesellschaft Claudia Rößger Edith Held Eva Schwab Frederick Vidal Friederike Just Gaby Bergmann Heinrich Heidersberger Hieronymus Proske Joseph Beuys
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Marc Lüders Margarete Adler Markus Lüpertz Martin Bronsema Paolo Pellegrin Peter Buechler Rudi Kargus Swaantje Güntzel Uli Bittmann
Alex Ewerth ›Fuge‹ Acrylfarbe auf Tapete, Fotografie auf Gase 2019, 50 × 120 cm Musik und die Frage ihrer Übersetzung in eine sichtbare Welt ist Thema ihrer musikbezogenen künstlerischen Arbeiten. In Gemeinschaftsprojekten mit Musikern geht sie am Beispiel von Johann Sebastian Bachs Werk ›Das wohltemperierte Klavier‹ dieser Frage nach. Wie kann eine visuelle Lösung für das ständige ›Im-WerdenBegriffen-sein‹ eines musikalischen Kunstwerks und das Dauerhafte dahinter aussehen? Die angespielten, in Schwingung versetzten Klaviersaiten sind mit Acrylfarbe präpariert. Während der Pianist J. S. Bachs ›Das wohltemperierte Klavier‹ spielt, wird die frische Acrylfarbe auf eine Tapetenrolle geschleudert.
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Amelie Guth ›Gib mir meine Zitronen‹ Öl auf Papier 2008, 131 × 90 cm Die Arbeit aus der Serie ›Gauguin in Berlin‹ entstand während der Zeit der Künstlerin in Berlin. Die Models – angesprochen in Cafés oder Zufallsbegegnungen – posieren in altmeisterlicher Manier für die Künstlerin. Im Stile des klassischen Portraits entstehen Persönlichkeitsstudien, ganz im Sinne der impressionistischen Malerei.
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Annette Meincke-Nagy ›Frau mit Kopftuch‹ Cellulose, Quarzsand, Pigmente 2022, 54 cm »Als Kind der sechziger Jahre, gab es für mich nichts Schöneres, als wenn meine Mutter sich ihr Kopftuch umband. Es erschien mir als das ultimative Symbol für Weiblichkeit und Schönheit. Noch heute liebe ich die Klarheit und Konzentration die entsteht, wenn das Gesicht davon umrahmt wird. In diesem Fall verstärken die geschlossenen Augen zusätzlich die Konzentration nach Innen. Ruhe, Stille und Einkehr werden möglich, in der wir uns mit uns selbst verbinden können und im Idealfall innere Freiheit und Frieden entsteht, und uns so den Weg weisen kann im Aussen zu Frieden und Freiheit zu gelangen.«
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Annette Streyl ›Palast der Republik‹ Wolle 2001, 32 × 88 × 180 cm Maßstab: 1:100, Auflage: 3/3 plus 2 AP »Architektur als gebautes Symbol politischer, gesellschaftlicher, kultureller und privater Ansprüche«. Die Hamburger Künstlerin begann vor gut 20 Jahren mit der Serie, in der sie Architektur im Verhältnis 1:100 nachstricken lässt. Diese Konzeptreihe beinhaltet ca. 15 Arbeiten, die sie in unterschiedlicher Form präsentiert. Einmal lapidar über einer Wäscheleine hängend, ihrer realen Form beraubt, und einmal über einem tragenden Gerüst von der Decke baumelnd.
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Christian Hahn ›genetic‹ Öl auf Leinwand 2009, 250 × 230 cm »Das Bild ist anläßlich einer Ausstellung im Denver Art Museum entstanden. Es bezieht sich auf den Umstand, dass in den USA primär genmanipulierter Mais angebaut wird. Ich habe den Mais überdimensional vergrößert, um einerseits eine Bedrohlichkeit zu erzeugen, und die Frage zu stellen, wohin die ›Optimierung‹ noch führen soll. Die Feuerwehrmänner stehen für Schutz und Katastrophe. Und natürlich mochte ich die Vorstellung, dass es auch so aussieht, als ob sie die Maispflanzen gießen – oder bekämpfen sie diese?!«
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Claudia Rößger ›Pussy Riot‹ Eitempera und Öl auf Leinwand 2012, 110 × 90 cm Das Bild pussy riot malte ich 2012. Zu diesem Zeitpunkt standen in Moskau Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch vor Gericht. Sie hatten als feministische, regierungs- und kirchenkritische Punkrock-Band in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein ›Punk-Gebet‹ abgehalten. Mit dieser Aktion protestierten sie gegen die Allianz von Kirche und Staat. Vor der Verkündung des Urteils erklärten sie folgendes: Jekaterina Samuzewitsch: »Normalerweise wird erwartet, dass Angeklagte im Schlusswort Reue zeigen, die begangene Tat bedauern oder mildernde Umstände aufzählen. Bei mir und bei meinen Kolleginnen ist das absolut unnötig. […] Wieder einmal sieht Russland in den Augen der Weltgemeinschaft anders aus, als Wladimir Putin es bei seinen täglichen internationalen Begegnungen darstellen möchte. Alle von ihm versprochenen Schritte auf dem Weg zum Rechtsstaat sind ganz offenkundig nicht vollzogen worden.« Nadeschda Tolokonnikowa: »Im Grunde genommen wird in diesem Prozess nicht über die drei Sängerinnen der Gruppe Pussy Riot verhandelt. Wäre es so, dann hätten die Vorgänge hier absolut keine Bedeutung. Dies ist eine Verhandlung über das gesamte Staatssystem der Russischen Föderation, das zu seinem eigenen Unglück in seiner Grausamkeit gegen die Menschen, seiner Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Ehre und Würde, so gern das Schlimmste zitiert, was in der russischen Geschichte je geschehen ist. Diese Imitation eines Gerichtsverfahrens kommt dem Muster der ›Gerichtstroiken‹ der Stalinzeit nahe.« Marija Aljochina: »Wir sind nicht schuldig, davon spricht die ganze Welt. Sie spricht davon auf Konzerten, im Internet, in der Presse. Und sie spricht davon in Parlamenten. […] Nachdem ich fast ein halbes Jahr im Untersuchungsgefängnis verbracht habe, ist mir klargeworden, dass das Gefängnis Russland im Miniaturmaßstab ist.«
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Edith Held ›Begüm 1 und 2‹ aus der Serie Tuerks Print auf Hahnemühle Photo Rag 2013, 80 × 112 cm, Edition 3 plus 1 AP Die Fotografin Edith Held, geboren im Schwarzwald, führt uns mit Seele, Zartgespür und Gegenwärtigkeit ausgestattet, nahe an das Leben und die Menschen heran. Das Tragische hat sein Komisches, in jedem Ernst liegt auch Leichtigkeit. Humor ist der Schlüssel, mit dem Edith Held uns eine Welt aufsperrt, die wir sonst nicht sehen könnten. Anders wirklich als in der Realität. Jede ihrer Inszenierung spiegelt Wahrhaftigkeit zurück und doch bleibt das allerletzte Geheimnis gewahrt. Ganz so als schaue man in ein Märchenbuch. Edith Helds Bilder führen keinen Monolog, sie sprechen mit uns und erzählen Geschichten, die lange nachhallen.
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Eva Schwab ›Nearer My God to Thee‹ Wachs, Öl auf Nessel 2016, 115 × 85 cm Eva Schwab, in Frankfurt am Main geboren, studierte Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Markus Lüpertz, bei dem sie 1996 als Meisterschülerin abschloss. Der Titel ihrer malerischen Collage ›Nearer My God to Thee‹, bezieht sich auf den Choral, der 1912 beim Untergang der Titanic gespielt worden sein soll (basierend auf dem gleichnamigen Gedicht der englischen Dichterin Sarah Flower Adams). In ihrer ›séance fiction‹ versammelt Sie anthroprozäne Szenarien, Hybridwesen aus Popkultur und Kunstgeschichte, Absurdität und paradoxe Kommunikation neben Themen um virtuelle Normalität, Konsum, Instabilität und Ohnmacht. Schwab bedient sich hierfür der Technik der Enkaustik, einer auf heissem Wachs basierenden Maltechnik, das der Leinwand eine pergamentartige Anmutung und Oberfläche verleiht.
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Frederick Vidal ›Königin‹ Diasec im Schattenfugenrahmen / schwarzes Aluminum 2020, 150 × 120 cm, Auflage 5 plus 2 AP Frederick Vidals Interesse gilt den Oberflächen, den Strukturen und Texturen, die sich – materiell oder optisch, als Produkt zersetzender oder neue Ordnungen begründender Prozesse – an den Rändern urbaner Realität ansammeln. In seiner Arbeit sucht er Orte auf und widmet sich Objektgruppen oder einzelner Gegenstände, die als Schattenfiguren des zivilisatorischen Fortschritts eine besondere Beziehung zum Menschen unterhalten würden – wenn ihre Ausblendung, ihr Ausschluss aus den Prozessabläufen unseres Alltags nicht so umfassend gelingen würde. Die Konnexität zwischen Mensch und Biene, der unschätzbare Wert der Leistung dieses Insekts für unsere Lebensgrundlage bleibt ebenso ›unsichtbar‹ wie ihr viel diskutiertes, durch den Menschen verursachte Verschwinden. Vidal versteht es als seine Aufgabe als Künstler Themenfelder fotografisch herauszuarbeiten, die im Dunkeln liegen, und Bildwelten zu schaffen, die für Außenstehende ansonsten verborgen blieben.
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Friederike Just ›Flintenweib‹ Acryl auf Holz 2021, 100 × 70 cm Die Bilder von Friederike Just sind als Selbstbefragung zu deuten – die Selbstbefragung einer starken Persönlichkeit, die sich vor keinen Themen oder Rezensionen scheut. Sie wagt die Weiblichkeit prall und lasziv zu zeigen und gleichzeitig in psychische Abgründe zu blicken. Dabei bleibt Sie bockig und eigenwillig; das Klischee von vorgefertigten Bildern aus Werbung und der medialen Welt wird von ihr freudvoll in der Luft zerrissen und neu komponiert. Mensch und Tier sind dabei oftmals in einer irritierenden Koexistenz zu sehen.
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Gaby Bergmann ›»spell it, please«‹ Aus der Serie ›Kyrillisch. Form und Vielfalt eines europäischen Alphabets.‹, Monotypie, Kalligrafie 2022, 42 × 22 cm ›»Ф wie Frau«‹ Print mit Linienzeichnung und Kalligrafie 2022, 42 × 58 cm Eine künstlerische Recherche »Eine Rede haftet nicht, wenn man sie in Wasser schreibt«. Konstantin-Kyrill (826 – 869) Wie und warum wird ein Alphabet erfunden? Das kyrillische Alphabet entstand im 9. Jahrhundert. Es sollte der slawischsprachigen gerade christianisierten Bevölkerung der Region ermöglichen, die Texte der heiligen Schrift in ihrer eigenen Sprache zu schreiben. Das war eine Entscheidung von großer kultureller und auch politischer Tragweite, vor dem Hintergrund der Rivalitäten zwischen Ostrom (Byzanz) und Westrom.
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Heinrich Heidersberger ›#9100_32.1 & 32.2, Schichtwechsel, Wolfsburg‹ Pigmentdruck auf Baumwollpapier, Hahnemühle PhotoRag Barytha, Kaschiert auf Alu-Dibond 1961, 100 × 100 cm, Auflage 15 plus 2 AP Eines der markantesten Bilder aus dem Buch ›Wolfsburg – Bilder einer jungen Stadt‹ von Heinrich Heidersberger zeigt den Schichtwechsel, dessen Rhythmus den Wolfsburger Puls mitbestimmt. Wo früher täglich tausende von Mitarbeitern auf einer Holzbrücke den Mittellandkanal überquerten, strömen sie heute durch einen modernen Tunnel – fast wie zur Stoßzeit in einer U-Bahnstation einer Metropole. An dieser Nahtstelle zeigen große Tafeln die Bilder Heidersbergers, der Anfang der 1960er Jahre mit seiner Kamera vom Leben in den Straßen und von der Arbeit im Werk erzählt. Seine Bilder zeigen die modernen Architekturen und idyllischen Landschaften einer dynamischen, vorwärtsstrebenden Stadt im Wirtschaftswunderland. Und sie stehen für ein einfühlsames und bis heute identitätsbildendes Portrait der jungen Stadt. Heinrich Heidersberger, 1906 in Ingolstadt geboren, verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Dänemark, studierte Architektur in Graz, um 1928 nach Paris zu gehen, wo er sich bei Fernand Leger in die Académie Moderne einschrieb und schliesslich zur Fotografie wechselte. Nach dem 2. Weltkrieg avancierte er zu den führenden Architekturfotografen in Deutschland. Nach Station in Salzgitter und Braunschweig lud ihn die Stadt 1961 nach Wolfsburg ein, wo er bis zu seinem Tod 2006 lebte und arbeitete. Sein Werk umfasst ca. 130.000 Bilder aus den Gebieten Architektur, Reportage, Industrie und Werbung sowie algorithmische Experimente. Seit 2002 wird das Werk durch das Institut Heidersberger mit Sitz im Schloss Wolfsburg archiviert, aufgearbeitet und publiziert.
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Hieronymus Proske ›eyes shut‹ Acryl auf Leinwand 2021, 90 × 135 cm Immer mehr Menschen sehen sich gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Krieg, religiöse Diskriminierung, politische Verfolgung, Zerstörung der Umwelt, Hunger, Armut. Wird es uns je gelingen diese Geißeln aus der Welt zu schaffen? Und wer kann sich sicher sein, nicht selbst eines Tages seine angestammte Heimat verlassen zu müssen?
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Joseph Beuys ›Zirkulationszeit: Kreuz für Saturn‹ Radierung und Kaltnadel Werksverzeichnis Schellmann Nr. 437, handsigniert und nummeriert (75) 1982, Papier 51,5 × 38 cm, Platte 10 × 17,7 cm ›Tränen: Seiltänzerin‹ Radierung und Aquatinta Werksverzeichnis Schellmann Nr. 535, Nachlassgestempelt (Museumsausgabe), nummeriert (XXV), vom Sohn Wenzel Beuys signiert 1985, Papier 65,5 × 49 cm, Platte 27,5 × 21 cm ›Zirkulationszeit: Zirkulationszeit‹ Radierung Werksverzeichnis Schellmann Nr. 438, handsigniert, mit ›H.C.‹ bezeichnet und nummeriert (28) 1982, Papier 65,5 × 50 cm, Platte 41,4 × 30,4 cm Joseph Beuys gilt als einer der politischsten Künstler der zeitgenössischen Kunst. Als großer Anhänger der Anthroposophie ging es ihm in erster Linie um eine Veränderung unserer Gesellschaft. Dabei war eines seiner Hauptthemen die Transformation – wie wandelt man beispielsweise Alltag in Glück oder Angst in Zuversicht.
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Karlotta Freier ›venus 02‹ NFT 2022 Karlotta Freier (geb. 1991 in Berlin) ist Malerin und Illustratorin in New York. In 2021 hat sie mit einem Master of Fine Arts ihr Studium an der SVA in New York abgeschlossen. Sie zeichnet regelmäßig für Internationale Publikationen wie The New Yorker, The New York Times, Die Zeit und Der Spiegel. Seit 2016 hat sie ihre Arbeiten mehrfach in Solo und Gruppenaustellungen in Deutschland den USA und China gezeigt. Ihre Arbeit wurde in 2018 und 2021 vom ADC Young Ones Award ausgezeichnet. Seit 2020 unterrichtet Karlotta Freier Illustration an der Academy of Arts in Hangzhou, 2021 sprach Sie als Gast an der Parsons in New York und MICA in Baltimore.
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Katja Ruge ›Roland TB-303, Roland CR-78, Moog Minimoog‹ Print auf Barytpapier, kaschiert auf AluDiBond 2006, 60 × 80 cm, Auflage: 1/3 plus 1 AP »Kann denn Liebe Synthie sein?« Meine Aufgabe in dieser Photo Serie war es, einen Hintergrund zu finden, der den Sound dieser legendären Drum Machines und Synthesizer moduliert und begreift. Beides, Objekt und Ornamente gehen eine besondere Beziehung ein, sie verbinden sich auf perfekte Weise und lassen diese Maschinen fast leben, sie werden zum Portrait mit einer wichtigen Botschaft und Geschichte. Fast so als würden sie sich selber spielen und hören. Roland TB-303 Erfunden hat die TB-303 der Japaner Tadao Kikumoto 1982. Sie wurde als einfacher Ersatz eines den Musiker begleitenden E-Bassisten entworfen und kann über ein passendes Kabel mit den Drumsynthesizern der TR-Reihe (›Transistor Rhythm‹) desselben Herstellers synchronisiert werden. Der Synthesizer war ursprünglich für Sologitarristen konzipiert worden, die mit der Kombination TB303 und TR-606 kostengünstig in den Genuss von Schlagzeug- und Bass-Begleitung kommen sollten. Aufgrund ihres für den ursprünglichen Einsatzzweck eher ungeeigneten Klanges war sie in der Anfangszeit bei der eigentlichen Zielgruppe nur mäßig erfolgreich, trotz des angemessenen Preises von 730,- DM. Für Roland war das Gerät daher ein Flop, weshalb man schon 1984 die Produktion wieder einstellte. Die letzten Geräte wurden für weniger als 200,- DM ausverkauft. Roland CR-78 Ist ein Drumcomputer, der 1978 auf den Markt kam. Obwohl das Gerät nach heutigen Standards primitiv wirkt, stellte es für die damalige Zeit eine enorme Verbesserung der Drumcomputer Technologie dar. Wenn man das hölzerne Gehäuse und die eingespeicherten Rhythmen wie Walzer, Rock, Tango, Bossa Nova oder Rumba betrachtet, ist es naheliegend, dass die Designer den CR-78 im Wesentlichen als ein Begleitinstrument für Orgeln gesehen haben. Er wurde jedoch ein beliebtes Instrument bei New-Wave- und Elektronikmusikern in den späten 1970er und den frühen 1980er-Jahren. Die Maschine ist auch auf einigen bekannten Liedern zu hören, wie zum Beispiel ›Heart of Glass‹ von Blondie oder ›In the Air Tonight‹ von Phil Collins. Moog Minimoog Dieser analoge, einstimmige (monophone) Synthesizer wurde vom Pionier Robert Moog in den USA entwickelt, am 24. Januar 1970 erstmals der Fachwelt vorgestellt und bis 1981 produziert. Die Prototypen werden in die Modellreihen A und B kategorisiert, während die in kleinen Stückzahlen gebaute Reihe C an Musiker zum Testen vergeben wurde. Verkauft wurde schließlich die Modellreihe D. Somit sind alle heute außerhalb von Museen anzutreffenden Minimoogs vom Modell D.
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Klaus Klinger ›Affe‹ Multiple-Marmor-Steinguss 2021, ca. 25 cm, Auflage 13/15 plus 1 AP Klaus Klinger, ehem. Schüler von Gerhard Richter, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und war Mitbegründer der Wandmalgruppe Düsseldorf und des Vereins Farbfieber. Seit 1980 organisierte er interkulturelle Projekte, arbeitete in Nicaragua, Chile, Brasilien, Namibia, Senegal und vor allem in Kuba. Viele Wandbilder malte Klaus Klinger zusammen mit Kinder- und Jugendgruppen, die darin ihre Vorstellungen von der Welt aufzeichneten. Ein anderer wichtiger Teil sind seine plastischen Arbeiten, Masken, Figuren und Großobjekte, die er für Aktionen im öffentlichen Raum schuf. Aktionen, die sich auf aktuelle ökologische, soziale und friedenspolitische Fragen beziehen und die sich in den letzten Jahren vor allem rassistischer Tendenzen in der Gesellschaft entgegensetzen. Der Affe mit Maschinengewehr ist sein Statement gegen Waffengewalt.
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Klaus Staeck ›Zurück zur Natur‹ Plakat, 7/120 1985, 59,4 × 84 cm Als Grundlage der Montage diente ein Gemälde von Édouard Manet. »Ich versuche weiter, ein Störer der bequemen Verhältnisse zu sein. Nichts ist erledigt, lautet mein Credo. Die unverschuldet Schwachen gegen den Übermut der Starken zu verteidigen, darum geht es mir nach wie vor. Wenn ich irgendwo Ungerechtigkeit wittere, will ich etwas dagegen tun.« Klaus Staeck: Interview mit Die Tageszeitung vom 28. 02. 2018
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Konstanze Habermann ›Katharina‹ Fotografie gerahmt 2022, 30 × 40 cm, Auflage: 1/3 plus 1 AP ›Donata‹ Fotografie gerahmt 2022, 30 × 40 cm, Auflage: 1/3 plus 1 AP ›Absorption‹ Klappaltar, mixed Media Die fiktive Glaubensgemeinschaft ›Chapel of Thirst‹ hat für den entwurzelten Stadtmenschen alle Antworten parat, um seine diffuse innere Leere zu füllen. ›Befreie dich und spüre die Erlösung‹ lautet eines der Gebote – welches als einziges nicht mit dem Appell ›entbehre‹ beginnt. Denn Erlösung bekommt hier wer gibt, abgibt, sich erleichtert. Die Priesterin der Vergebung nimmt dankend all diesen Ballast entgegen, den monetären Gegenwert des selben besonders gerne.
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Marc Lüders ›Figur 718-6-2‹ Öl auf Ilfochromeprint 2011, 120 × 21 cm ›Figur 718-7-3‹ Öl auf Ilfochromeprint 2011, 120 × 21 cm Marc Lüders ist ein Hamburger Künstler, der in einer kongenialen Verbindung von Fotografie und Malerei verbindet. Die beiden gezeigten Arbeiten zeigen zwei transparente, verschwindende Personen in einer Umgebung, die leider nur noch Geschichte ist. Das ehemalige Schwimmbecken in Hamburg Altona, das Bismarckbad.
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Margarete Adler ›Stumme Dienerinnen oder Porträt Seika, Abguss in Polyurethan, Ölfarbe, Messingdraht Ein Kimono für die Toten‹ 2018/19, 50 × 70 × 41 cm, Auflage 3/3 plus 1 AP Eine der wichtigsten japanischen Tugend von Frauen ist stille Demut und Bescheidenheit. Ehefrauen dienen auch heute stumm der Familie und dem Ehemann. Shinin awase bedeutet ›falsche Seite‹ und meint das Wickeln des Kimonos nach links. Nur die Toten tragen den Kimono zur ›falschen Seite‹. Die Farbe Weiß wird bei Tod und Hochzeit getragen.
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Markus Lüpertz ›Das Grundgesetz‹ Handgemalte Bronzeskulptur, monogrammiert und nummeriert 2013, 36 × 16 × 10 cm, Auflage: 353/950 Buch, in Leder gebunden mit Goldschnitt 19 aufklappbare farbige Bildseiten, mit Essay von Peter Sloterdijk Auflage: 353/950 Exemplare, im Impressum signiert und nummeriert 2013, 45 × 32 cm Es ist das wichtigste Buch der Bundesrepublik Deutschland, das Grundgesetz. Vor 70 Jahren wurde es geschaffen und mit ihm die deutsche Demokratie – ein Meilenstein nach der NS-Diktatur, denn in ihm sind Grundrechte wie Menschenwürde, Wahlrecht, freie Meinungsäußerung, Gleichbehandlung oder Religionsfreiheit verankert. Seit seiner Unterzeichnung am 23. Mai 1949 steht das Grundgesetz als Garant einer neuen und freiheitlichen Zukunft. Deshalb hat der renommierte Maler, Bildhauer, Musiker und Dichter Markus Lüpertz die zentralen Grundrechte der Deutschen in 19 eindrucksvollen, großformatigen Gemälden interpretiert, die in dieser in Leder gebundenen und mit einem Goldschnitt versehenen Luxusausgabe des Grundgesetztes auf 19 aufklappbare Seiten anzusehen sind. Die zugehörige 35 Zentimeter hohe Bronzeskulptur zeigt einen auf vielen Bildern wiederkehrenden, antikisierten Torso in der für den Künstler so typischen, köperbewussten Formensprache.
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Martin Bronsema ›500 Herren‹ aus der ›Knaurs Lex‹-Serie, Mischtechnik 2019, 76 × 56 cm (gerahmt) Sämtliche Porträtköpfe der beiden Lexika sind mit Filzstift behandelt, der Frauenanteil der Abbildungen beträgt ca. 5% (lila makiert).
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Paolo Pellegrin ›o.T.‹ Hafen Hamburg, Motive aus einer Werkgruppe von großformatigen Silbergelatine Abzügen, gerahmt in schwarzem Holz mit kleiner Schattenfuge, ohne Glas 2015, 65 × 185 cm, Auflage 5 plus 2 AP Paolo Pellegrin wurde in Rom geboren, nach dem Architekturstudium begann er als professioneller Fotograf zu arbeiten und gehört zu den weltweit besten Fotojournalisten; er hat fast alle Konflikte und Tragödien seiner Generation dokumentiert, von Revolutionen und Kriegen bis zu Umwelt- und Naturkatastrophen. Pellegrin möchte mit seiner Arbeit eine Brücke schlagen, er nutzt Fotografie um die Oberfläche zu hinterfragen und zum Nachdenken anzuregen. Bei seinen vielen Besuchen in Hamburg verzauberte ihn der Hafen, es sind die Bilder eines Sehnsuchtortes.
Peter Buechler ›Realität / Fiktion‹ Fahne, gerahmt 2020, 104 × 78,5 cm, Auflage: 3/5 plus 2 AP Peter Buechler ist ein Sammler und Entdecker, der seine Kunst, seine Objekte oftmals zufällig findet und aus diesen Funstücken etwas neues macht. Die Assoziation zur Objektkunst ist dabei nicht von der Hand zu weisen.
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Rudi Kargus ›Suchen‹ Öl auf Leinwand 2019, 80 × 120 cm Ohne Einsamkeit als Grundzug menschlicher Existenz kam die Kunst wahrscheinlich nie aus. Einsamkeit hat viele Gesichter: das moderne Individuum wird zur vereinzelten Kreatur in einer dystopen Welt. Auch zu zweit, auch in der Gruppe gibt es keine Gemeinsamkeit. Erschöpft, gebeugt und müde scheint der Mensch in der von ihm gestressten Welt mehr zu existieren als zu leben.
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Swaantje Güntzel ›Stereoskopie‹ Papier, Kunststoff 2021, 37,5 × 29,9 cm, Unikat ›NORDSEE / Ü-Eier‹ Öl auf Leinwand, diverse Kunststoffe 2018, 59 × 89 cm, Unikat Ölbild, inspiriert von Patrick von Kalckreuths ›Schaumkronen auf Wogender See‹ (1950), das von einem chinesischen Kopisten in ›Dafen Village‹ in Shenzhen, China im Auftrag der Künstlerin angefertigt wurde. Der Ölfarbe wurden Plastikpartikel beigemischt, die aus geschredderten Überraschungseiern gewonnen wurden. Die Überraschungseier stammen aus einem Container, der sich auf dem Weg nach Russland befand und im Sturmtief Axel im Januar 2017 vor Langeoog havarierte. ›SEESTÜCK II‹ Diasec 2020, 80 × 120 cm, Auflage: 3/5 plus 1 AP, Hamburger Kunsthalle Im August 2020 inszenierte sich Swaantje Güntzel in der Hamburger Kunsthalle vor dem Werk ›Das Eismeer‹ von Caspar David Friedrich. Die Künstlerin betrachtet die arktische Seelandschaft während sie zwischen Plastikflaschen sitzt, die zuvor aus der Elbe und anderen Gewässern Hamburgs gefischt wurden. Fotos: Henriette Pogoda, VG Bildkunst Bonn, 2022
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Ulrich Bittmann ›Wie Catherine den weißen Hund Öl auf Leinwand ins Auge fasste‹ 2021/22, 140 × 180 cm Eine Leerstelle ist allgemein in der Kunst ein Stilelement, das die Betrachtenden zu einer eigenständigen Interpretation des Gesehenen oder Gelesenen einlädt. Bedeutung und Gehalt von künstlerischen Leerstellen erschließen sich nicht unmittelbar aus dem Kontext eines Bildes oder eines literarischen Werkes. So verhält es sich auch mit der ›leeren‹ Fläche in diesem Bild, dem weißen Hund. Eine Leerstelle kann ein Tabu berühren. Etwa ein Familientabu, das das Sprechen über bestimmte Erlebnisse verhindert. So war es in meiner Generation fast typisch, dass der Vater ein lebenslanger Geheimnisträger blieb. Eine Leerstelle kann auch eine kritische politische Information thematisieren, die nicht in den öffentlichen Diskurs gelangen soll. Die verhinderte Äußerung wird zum weißen Elefanten im Raum, oder eben zum weißen Hund.
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