Jahrbuch 2012
Home electronics Jahrbuch 2012 / Vernetztes Wohnen
vernetztes wohnen
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FAC H BUCH
2012
in Zusammenarbeit mit
Länderbericht [ Schweiz ]
Führendes Zentrum für die Weiterentwicklung des Intelligenten Wohnens in der Schweiz ist das iHomeLab der Hochschule Luzern.
Wachsendes Interesse In der schWeIz // Text: René Senn; Bilder: Archiv
Auffallend ist, dass hierzulande das Fachwissen der Bauherren rund um die Thematik Intelligentes Wohnen stark zugenommen hat. Im Gewerbe jedoch ist weiterhin Umdenken vonnöten, das durch neue Technologien und Standards erzwungen wird. Auch in der Schweiz nimmt das Thema Steigerung der Energieeffizienz dank vernetztem Wohnen immer mehr Raum ein.
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ie Schweizer Wohnbevölkerung ist an Heimvernetzung interessiert, und das spezifische Wissen über die Möglichkeiten und den Nutzen nimmt deutlich und spürbar zu. Das Fachwissen der Bauherren rund um die Thematik Intelligentes Wohnen hat stark zugenommen. Gerade die Messe
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Bauen und Modernisieren, die jährlich in Zürich stattfindet und in deren Rahmen eine Sonderschau zum Thema Intelligentes Wohnen durchgeführt wird, zeigt dies deutlich. Die Endkunden sind viel besser informiert als noch vor einigen Jahren. Konkrete Fragen zu spezifischen Themen und die klare Vorstellung, wie etwas
realisiert werden soll, zeigen auf, dass die Bauherren sich bereits intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Ein erfreulicher Wandel aus Sicht der Branche. War früher noch die Angst vor der Technik-Abhängigkeit bei den Konsumenten vorherrschend, ist es heute das Interesse, die Frage nach dem Nutzen. ��
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�� Erschwerend ist allerdings immer noch, dass viele potenzielle Kunden zwar schon von Heimvernetzung gelesen haben, jedoch nicht auf Anhieb verstehen, worum es geht und welchen Nutzen ihnen ein vernetztes Heim bringen könnte. Hier müssten die Firmen vermehrt informieren und beraten können, was nicht bei allen der Fall ist.
Breite des Intelligenten Wohnens auf den Markt wagen, zunehmend Kooperationen mit Partnern ein. So schliessen sich immer mehr Systemintegratoren aus der Elektrowelt mit Firmen aus der Unterhaltungselektronik-Branche zusammen. Dadurch entstehen ein sehr interessanter Mix und eine Win-Win-Situation, denn beide Firmen können dem Kunden das Optimum bieten, ohne dabei etwas zu Generationenkonflikt verlieren. Und natürlich profitieren die im Gewerbe Kunden vom gebündelten Wissen, durch Lücken gibt es sicher noch beim Wissen das in der Installation und Ausführung in den Installations-, Elektro-, Audio- und Fehler vermieden werden können. MitR/TV-Unternehmen. Viele dieser Unter- tels solcher Kooperationen lässt sich auch nehmen planen nach wie vor konventi- mehr aus den Anlagen herausholen, da onell. Vielfach besteht auch ein Genera- die vernetzte Technik besser beherrscht tionenkonflikt. Das führt dazu, dass an wird. Hausvernetzung interessierte Kunden noch zu oft auf Firmen treffen, die kein woher kommt das interesse? entsprechendes Angebot führen oder Auf www.intelligenteswohnen.com läuft Fragen nicht zufriedenstellend beant- seit 2010 eine Umfrage zu den Interessenworten können. In vielen Fällen raten segmenten. Spitzenreiter sind seit Beginn solche Unternehmen dem Endkunden die Multimedia-Netzwerke mit 36 %, sogar davon ab, eine Vernetzung zu reali- gefolgt von der Energieeffizienz mit 27 sieren. Vorgeschobene Gründe dafür, die und dem Komfort mit 20 %. Sparen und das eigene mangelnde Wissen kaschieren Spass liegen mit 10, bzw. 6 % auf den beisollen, sind: Technik-Abhängigkeit, der den letzten Plätzen. Dies zeigt, dass die hohe Preis und die scheinbar nicht ausge- Interessierten vor allem die technischen reifte Technik. Das ist sehr schade, denn Möglichkeiten der Heimvernetzung ausHausvernetzung ist heute kein exotisches schöpfen, damit ihren Wohnkomfort und exorbitant teures Installationskon- erhöhen und ihre Liegenschaft zukunftszept mehr, sondern „State of the Art“, fähig machen wollen. also modernste verfügbare Technik und Eine weitere Möglichkeit, Projekte im gehörte heute eigentlich zur Standardaus- Intelligenten Wohnen nach Interessenrüstung. segmenten zu strukturieren, bietet die Ein weiterer Grund dafür, dass Heim- Aufteilung der Gebäude-Netzwerk- Initivernetzung noch nicht Standard ist, ative (siehe Grafik Seite 104) Sie gliedert liegt vielleicht auch daran, dass in einer das Intelligente Wohnen in die drei Stuaktuellen Prüfungsaufgabe für eine fen einfachen, mittleren und hohen AusElek t roinstallateur-Klasse die Lehrlin- baustandard. Diese Stufen unterscheiden ge immer noch abgeschlaufte und nicht sich in der Dichte der einzelnen technisternförmige Verkabelungen planen schen Anwendungen in den Wohnräumüs sen. Kann es sein, dass einige Lehrer men und dadurch natürlich auch in der immer noch die gleichen Aufgaben wie Anzahl vorhandener Multimediasteckdovor fünf Jahren in ihrer Schublade haben? sen und Bodendosen bzw. -kanäle sowie Es ist definitiv Zeit für ein Umdenken. in der Anzahl vorhandener Leerrohre, um auch für zukünftige Entwicklungen kooperationen bei den gerüstet zu sein. inteGratoren Ein grosses Wachstum verzeichnen Auf der anderen Seite gehen Firmen, die derzeit die Multiroom-Systeme. Diese sich mit einem Angebot über die gesamte werden immer massentauglicher und
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lassen sich zunehmend mit der „konventionellen“ Bus-Gebäudetechnik verbinden. Ein Zentral-Aus-Befehl an der Wohnungstüre löscht nicht mehr nur das Licht, sondern schaltet auch das gesamte Audiosystem im Haus auf Standby. Bei der Rückkehr steuert der Button „Welcome“ auch das Licht sowie gleichzeitig den Lieblingssender im Radio.
renovationsmarkt als schlummerndes potenzial Während im Zusammenhang mit Intelligentem Wohnen leider hauptsächlich vom Neubau gesprochen wird, liegt gerade in der Renovation bzw. im Nachrüsten ein sehr grosses Potenzial. Eine Berechnung der Gebäude-Netzwerk-Initiative GNI zeigt, dass der Renovationsmarkt unter objektiv betrachteten Gesichtspunkten rund dreimal grösser ist als derjenige der Neubauten. Werden jährlich rund 40 000 Wohnungen und EFHs neu gebaut, sind es bei den Renovationen rund 115 000 Objekte, bei denen eine Nachrüstung im Bereich Intelligentes Wohnen ein Thema sein könnte. Bei einem durchschnittlichen Preis von rund 3‘600 Franken für eine Investition ins Intelligente Wohnen wären das bereits 414 Millionen Franken Marktpotenzial alleine im Bereich Nachrüsten. Rechnen wir mit einer Investition von 4500 Franken pro Objekt, ergibt sich ein Potenzial 517 Millionen Franken.
bustechnoloGie und ftth auf wachstumskurs Aussagekräftige Marktzahlen sind rar, Studien existieren nur wenige. KNX Swiss erfasst ihre Marktzahlen und verzeichnet über die letzten Jahre und auch in diesem Jahr ein Wachstum von deutlich über zehn Prozent, was nicht jede Technologie von sich behaupten kann. Gehen wir davon aus, dass die Geschäfte im Wohnbau noch überproportional zunehmen, dürfte das Wachstum im Bereich des Intelligenten Wohnens in absehbarer Zeit auf nahezu 20 % pro Jahr steigen. Zügig voran kommt zur Zeit der Ausbau der Glasfasernetze in der Schweiz. Sowohl in der Deutschschweiz als auch
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Moderne Gebäude müssen mehr können als nur sehr gut Isoliert zu sein. Die dezentrale Stromerzeugung z.B. mit Photovoltaik bringt auch ganze neue Anforderungen an die Gebäudetechnik mit sich.
in der Romandie und im Tessin treiben Swisscom und örtliche EVUs den Ausbau des Glasfasernetzes voran. Unterdessen hat der VSEI, der Verband der Schweizerischen Elektro-Installationsfirmen, in seinem Ausbildungsprogramm seit 2010 bereits über 790 Personen zu den Grundlagen der FTTH-Installation ausgebildet. Angesichts dieses Glasfaserbooms sollte eigentlich jedem klar sein, dass eine
Den eigenen Energieverbrauch genau überwachen und optimieren, eine Funktion die zur Zeit auf grosses Interesse stösst.
zukunftsfähige Heimverkabelung in jeden Wohnraum, bzw. in jede Wohnung gehört.
Koordination über die Gni Der führende Interessensverband zum Thema Intelligentes Wohnen ist die Initiative Intelligentes Wohnen, die mit Deutschland und Österreich kooperiert. Die Initiative ist eine Arbeitsgruppe des
MinergieModul rauMkoMfort Im Renovationsbereich bieten vor allem die Systeme zur Regelung der Raumtemperatur einen sehr grossen Nutzen. Dank ihnen lassen sich bei den Heizkosten, und diese stellen den grössten Posten beim Energiebedarf im Wohnbereich dar, Einsparungen von rund 30% erzielen. Hier setzen die GNI und ihre Mitglieder grosse Hoffnungen auf das Minergiemodul Raumkomfort, das ab 2012 definitiv verfügbar sein wird. Minergie-Module gab es bisher für Fenster, Holzfeuerstätten, Türen, Komfortlüftung, thermische Solaranlagen, Leuchten, Sonnenschutz, Wand- und Dachkonstruktionen. Mit dem Modul Raumkomfort soll nun auch die Haussteuerung ins Minergie-Konzept eingebunden werden. Zertifiziert werden können Systeme zur energieeffizienten Regelung des Raumklimas, das heisst der Temperatur, Feuchtigkeit und Luftqualität sowie der Beleuchtung und der Beschattung. Die einzelnen Komponenten eines solchen Systems, zum Beispiel Heizung, Leuchten, Storen usw., sind miteinander vernetzt und liefern sich gegenseitig Informationen, dank denen Energie gespart werden kann. Statt also an einem heissen Tag übermässig zu kühlen, wird der Wohnraum automatisch optimal beschattet. Die zertifizierten Systeme eignen sich für den Einsatz in üblichen Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie in vergleichbaren Umgebungen wie Hotel- oder Heimzimmern. Firmen, die solche Gebäudeautomations-Systeme anbieten, können bei der von der GNI bestimmten Zertifizierungsstelle einen Antrag auf Zertifizierung stellen. Wird er genehmigt, dürfen sie ihr System mit dem Minergie-Logo versehen. Die Zertifizierungsstelle prüft in der Folge mit Stichproben, ob die Systeme zweckmässig in Betrieb genommen wurden.
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Vereins Gebäude-Netzwerk-Initiative GNI. Mit der Sonderschau Intelligentes Wohnen an der Messe Bauen & Modernisieren informiert die Fachgruppe bereits seit dem Jahr 2007 jährlich über Neuigkeiten und Trends aus dem Umfeld des Intelligenten Wohnens. Das Publikumsinteresse ist jeweils gross. Sehr wichtig für die Information ist auch die neutral formulierte Broschüre „Richtig vernetzt in die Zukunft“, die von Herstellern und Verbänden der Branche gemeinsam verfasst wurde und seit 2010 auf www.intelligenteswohnen.com gratis zum Download bereit steht. Auf dieser Website ist zudem eine umfassende, einfach verständliche Animation aufgeschaltet, die den Nutzen einer Heimvernetzung im Detail erklärt. Auf Zeichnungen eines Hauses und seiner einzelnen Räume können verschiedene Funktionen wie Rollläden, Heizung, multimediale Vernetzung usw. angeklickt werden, worauf in einem Fenster deren Vorteile kurz erklärt werden. Die Website bietet darüber hinaus umfassendes Basiswissen zum Intelligenten Wohnen für Laien und Fachleute.
denKfabriK iHomeLab
In der Schweiz ist vor allem die Hochschule Luzern mit ihrem iHomeLab das führende Zentrum in der Weiterentwicklung des Intelligenten Wohnens. Unter der Leitung von Prof. Alexander Klapproth beschäftigt es sich mit Gebäude- ��
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Länderbericht [ Schweiz ] Grundausbau Standard
Hoher Ausbaustandard
2-10%
Übersicht der GNI über die Ausbaustufen im Intelligenten Wohnen.
Ethernet (TCP/IP )
Audio-MultiroomSystem
WLAN
Graphisches Bedienpanel
TV-Anlagen
HaushaltsGeräte
Audio/Video
SicherheitsAnlage
Mittlerer Ausbaustandard 1-2%
CATV/Internet Telefon/DSL Fibre to the Home
%
Kostenanteil an der Gesamtbausumme des Gebäudes ohne Landkosten
�� intelligenz, Energieeffizienz, Komfort
und Sicherheit. Besondere Aufmerksamkeit erhält zur Zeit das Thema „Wohnen in den eigenen vier Wänden bis ins hohe Alter“, was oft auch mit dem Begriff Ambient Assisted Living (AAL) umschrieben wird. Das iHomeLab präsentiert der Öffentlichkeit dazu erste Anwendungen von Sturz- und Lokalisierungs-Sensoren. Darüber hinaus befasst sich das iHomeLab derzeit vor allem mit Energieeffizienz. So werden Energiemonitoring-Systeme entwickelt, die den Energieverbrauch aufgrund der intelligenten Darstellung für die Konsumenten um rund 5 bis 15% reduzieren können. Ein aktuelles und spannendes Projekt der Hochschule ist das Projekt NIALM (Non Intrusive Appliance Load Monitoring). Mit NIALM ist es möglich, den gesamten Energieverbrauch eines Gebäudes aufzuschlüsseln. NIALM kann nicht nur einzelne Verbraucher erkennen, sondern auch Verbraucherkategorien bilden. So können beispielsweise alte Glühbirnen von neuen LED-Lampen unterschieden werden. Der Benutzer kann so seinen eigenen Energiekonsum besser kontrollieren und gezielt Einfluss darauf nehmen. So werden Geräte, die nicht energiesparend sind, einfach erkannt, und entsprechende Massnahmen können eingeleitet werden. Diese Technologie kann zudem mit einer intelligenten Energie-MessSteckdose kombiniert und so in Zukunft
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VideoGegensprechAnlage
Einfacher Ausbaustandard
SAT
GebäudeControler
2-4%
Licht
Einfaches Bedienpanel
SicherheitsFunktionen
Beschattung Bussystem
Funk- und einfache proprietäre Systeme
Taster
Heizung
auch für kleinste Anwendungen genutzt werden. Das iHomeLab leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Dachstrategie „Das Gebäude als System“ im Department Technik und Architektur der Hochschule Luzern und sensibilisiert Fachleute und die Öffentlichkeit für das Thema Intelligentes Wohnen. Das iHomeLab zeigt so auf, was heute bereits möglich ist und was die Zukunft bringen wird.
Ausbildung von FAchleuten Für heimvernetzung Gemäss der neuen Bildungsverordnung des Verbandes der Schweizer Elektroinstallateure (VSEI) ist seit 2009 im Lehrplan der Elektriker das Thema Gebäudeautomation als Fach enthalten. Dass Heimvernetzung immer wichtiger wird, zeigt sich auch daran, dass an den Berufsweltmeisterschaften 2011 in London, den WorldSkills, der Wettbewerb in der Elektro- und Telekommunikations-Installationsbranche zum ersten Mal auf KNX basierte. Und die Schweiz hatte hier die Nase vorn: Gian-Andrea Casaulta holte Gold bei den Elektroinstallateuren, und Andrin Cavegn war der Gewinner der Bronzemedaille bei den Anlage-Elektrikern. Als einziges Bildungsinstitut der Schweiz bietet die Schweizerische Technische Fachschule Winterthur STFW eine umfassende Schulung für Fachleute
Grafik: www.raumconsulting.ch
Sternförmige Vernetzung des ganzen Gebäudes
Mobile Bedienpanel
mit abgeschlossener Lehre in der Elektro- oder Haustechnik, die sich für eine moderne und komplexe Gebäudetechnik und deren Verknüpfungen interessieren. Im Zentrum der Ausbildung stehen die Mess-, Steuer-, Regel- und LeittechnikAnlagen, die aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, namentlich der Planung, des Verkaufs, der Installation, der Inbetriebsetzung und der Wartung. Viele Hersteller bieten zudem spezielle Kurse zu ihren Geräten und Anwendungen an. Sie sind sehr wichtig, denn nur wer sich in seiner Welt weiterentwickelt und weiterbildet, hat auch die Chance, sich erfolgreich im Markt bewegen zu können. �|
Wichtige Links www.fachmessen.ch www.intelligenteswohnen.com www.g-n-i.ch www.ihomelab.ch
Autor René Senn ist inhaber der Firma Raum consulting, winterthur, Geschäftsleiter KNX Swiss und Leiter der Fachgruppe intelligentes wohnen beim GNi.
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