ZUGABE // Frank-Oliver Grün
Die BeoSound 5 Encore ist die zweite Streaming-Anlage von Bang & Olufsen im eleganten Pult-Design. Damit hören die Ähnlichkeiten aber auch schon auf. Technisch beschreiten die Dänen mit der Encore neue Wege.
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Das 10,4-Zoll-Display ist kein Touchscreen. Die BeoSound 5 Encore wird über Alu-Ringe am Sockel bedient. Die beiden oberen dienen der Navigation, der gerippte unten der Lautstärke.
D
ie Firmengeschichte von Bang & Olufsen ist reich an Design-Ikonen. Das Audiosystem BeoSound 5 aus dem Jahr 2009 gehört schon heute dazu. Sein gläserner Bildschirm mit dem Karussell aus Plattencovern und die geschmeidig drehenden Bedienringe aus Aluminium machen Streaming-Musik buchstäblich begreifbar. Sie holen digitale Audiotitel aus der Versenkung des Festplattenspeichers und rücken sie ins Rampenlicht (siehe Kasten S. 62). Das Design der BeoSound 5 ist unverkennbar, weshalb B&O den Entwurf von Anders Hermansen noch einmal verwendet hat: Die neue Modellvariante Encore wirkt dem Original von 2009 wie aus dem Gesicht geschnitten. Sämtliche Neuerungen spielen sich hinter dem eleganten Bedientableau ab. Während die Urversion nur als Fernsteuerung für den Medienspeicher BeoMaster 5 dient, kann die Encore für 2990 Franken auch alleine musizieren. Sie verbindet sich dazu über das heimische Netzwerk mit einem Netzwerkspeicher (Network Attached Storage, NAS) oder einem PC-Laufwerk, das der Nutzer zum Streaming freigegeben hat.
Eine zweite USB-Buchse befindet sich hinter dem Displayrand. Hier lassen sich zum Beispiel handelsübliche Speichersticks anstecken, deren Inhalt dann ebenfalls auf dem Farbdisplay erscheint. Obendrein gibt es einen Aux-Eingang, der analoge Tonsignale von beliebigen Quellen ins System einspeist. Über diese Klinkenbuchse spielt die Anlage auch Musik von einem iPod, Smartphone oder einem anderen MP3-Player – ohne von deren Steuer- und Anzeigemöglichkeiten Gebrauch zu machen. Das geht über ein simples Audiokabel mit Klinkenstecker nicht. Für B&O bedeutet so viel Kontaktfreude einen Kurswechsel. Traditionell verbinden sich die dänischen Geräte am liebsten mit ihresgleichen. Dass die BeoSound 5 Encore als offenes System konzipiert wurde, darf als Tribut an die fortschreitende Vernetzung gelten. Haushalte, die Musik von selbst gerippten CDs oder Download-Shops auf einem Netzwerkspeicher sammeln, wollen darauf mit möglichst vielen verschiedenen Geräten zugreifen. Das wiederum geht nur, wenn alle Player dieselbe Sprache sprechen – und diese Sprache heisst eben nicht BeoLink, sondern Universal Plug and Play.
MUSIK AUS DEM NETZWERK UND ÜBER USB
OFFEN FÜR DEN UPNP-STANDARD
Alternativ lassen sich Datenspeicher auch direkt per USB anschliessen. Eine entsprechende Buchse sitzt verdeckt im Aluminiumfuss. Sie ist zur dauerhaften Verbindung mit einer Festplatte gedacht, die laut B&O ihr eigenes Netzteil mitbringen sollte. Für „Bus powered“-Modelle, die allen Strom aus dem USB-Anschluss ziehen, mag der Hersteller keine Funktionsgarantie übernehmen. Ausserdem sollte die Platte korrekt formatiert sein. Die Windows-Dateisysteme NTFS und FAT-32 funktionierten im Test problemlos. ExFAT und den Mac-Standard HFS+ erkannte die Anlage nicht.
Der UPnP-Standard ist die „Lingua franca“ im Streaming-Netzwerk. Die BeoSound 5 Encore unterstützt diesen Standard und mit ihm eine grosse Auswahl an Mediaservern. Sie nimmt zum hauseigenen BeoMaster ebenso Kontakt auf wie zu Geräten mit Twonky-Software oder zu einem PC mit Windows Media Player. Zwar trägt sie kein DLNA-Logo, verband sich im Test aber problemlos mit DLNA-zertifizierten Medienspeichern. Um die Installation kümmert sich der Bang & Olufsen-Händler. Wer den Zugriff auf das englischsprachige Servicemenü nicht scheut,
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B&O-Lautsprecher wie der BeoLab 3 komplettieren das Bedienpult zur Streaming-Anlage. Bang & Olufsen besitzt ein breites Sortiment an Aktivboxen, die sich direkt mit der BeoSound 5 Encore verbinden lassen. Das Musikprogramm kommt aus dem Internet, von Festplatten im Netzwerk oder von USB-Speichern.
kann den Netzwerkspeicher aber auch selbst auswählen und bei Be-
darf jederzeit ändern. Es darf immer nur ein Server am System angemeldet sein – dank den beiden USB-Anschlüssen jongliert die Anlage aber mit bis zu drei Musiksammlungen gleichzeitig. Bang & Olufsen empfiehlt, nicht mehr als 50 000 Titel zu verwalten. Grössere Archive würden das Stöbern im Musikprogramm verlangsamen. Auch so benötigt die Anlage beim Anschluss eines neuen Spei-
Das Vorbild BeoSound 5 Bereits seit 2009 gibt es BeoSound 5 – das Vorbild des hier vorgestellten Streamingsystems. Ohne den Zusatz „Encore“ im Namen funktioniert die Anlage jedoch völlig anders. Die BeoSound 5 dient als Steuerpult für einen Medienspeicher namens BeoMaster 5. Beide Geräte zum Komplettpreis ab 7430 Franken sind per Kabel miteinander verbunden und bilden eine funktionale Einheit. Sämtliche Anschlüsse für Netzwerk und Lautsprecher sitzen am Server, nicht am gläsernen Bedienpult wie bei der Encore. Der BeoMaster 5 speichert auf einer 500 Gigabyte grossen Festplatte Musik in allen gängigen Formaten. Er archiviert aber auch digitale Fotos, die zum Beispiel von einem B&O-Fernseher abgerufen werden können. Damit ersetzt er einen ständig laufenden PC und spielt dieselbe Rolle wie handelsübliche NAS-Systeme oder andere Netzwerkspeicher. Im Unterschied zu diesen ist er aber voll und ganz in die Welt von Bang & Olufsen integriert: Mit seiner BeoLink-Buchse dockt er als zusätzliche Quelle an MultiroomAnlagen des dänischen Herstellers an. Er gehorcht dann Steuerbefehlen aus den Nebenräumen und wacht per Fernbedienung aus dem Ruhezustand auf.
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chers etwas Zeit, um sämtliche Daten einzulesen. Die Indizierung kann bei umfangreichen Musiksammlungen mehrere Minuten dauern, ist aber nur einmal nötig. Danach geht der Titelaufruf flott von der Hand. Bis zu acht Encore-Systeme lassen sich parallel betreiben, wobei die Übertragungskapazität im Netzwerk der begrenzende Faktor sein dürfte. Denn der Sound-Monolith spielt nicht nur stark datenkomprimierte MP3- oder AAC-Dateien, er kommt auch mit verlustfrei gespeicherter Musik zurecht. Ob WAV, WMA Lossless oder FLAC – der Player akzeptiert die bei Audiophilen so beliebten Lossless-Formate. Nur ALAC von Apple fehlt in der Liste.
HIGH RESOLUTION FÜRS OHR Im Test entschlüsselte die Encore sogar High-Resolution-Dateien mit einer Auflösung von 24 Bit/192 kHz. Klangenthusiasten, die hochaufgelöste Musik von spezialisierten Anbietern wie Linn Records oder Highresaudio.com kaufen, müssen ihre Dateien also nicht herunterrechnen und neu codieren, um sie über die B&O-Anlage zu hören. Nachteil solcher HD-Audiostreams: Die zu übertragende Datenmenge im Netzwerk steigt rapide an. Während ein gekaufter AAC-Track von iTunes nur etwa 256 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) beansprucht, bringen es HighResolution-Downloads mit 24 Bit/192 kHz locker auf das Zehnfache. Vielleicht haben die Entwickler deshalb auf eine massenkompatible WLAN-Funktion verzichtet: Die Encore nutzt für drahtlose Verbindungen ausschliesslich den modernen Funkstandard 802.11a/n im 5-GHzBereich. Hier lassen sich die benötigten Übertragungsraten eher erreichen als im stark frequentierten 2,4-GHz-Band. Praktisch heisst das aber auch, dass ältere WLAN-Router keine Funkverbindung zur Anlage aufbauen können. B&O-Händler installieren bei Bedarf einen zweiten Router, der dann das Medienstreaming übernimmt. Wer Kabel Home electronics
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verlegen kann, ist ohnehin auf der sicheren Seite: Die klassische Netzwerkverbindung per Ethernet funktioniert immer. Mit derlei technischen Fragen muss sich der B&O-Kunde allerdings nicht beschäftigen. Er bedient nur das fertig installierte System – und lernt seine Musik dabei völlig neu kennen. Auf dem 26-Zentimeter-Display gibt es keine Aufklapp-Listen, die archivarisch bieder durchs Menü führen. Stattdessen lenkt der Suchende einen blauen Lichtstrahl über bogenförmig angeordnete Navigationspunkte und beleuchtet damit verschiedene Aspekte seiner Sammlung: Interpreten, Alben, Titel oder schlicht und einfach „Cover“, die – der Hand am Steuerrad folgend – anmutig durchs Bild rotieren. Albumcover sind automatisch dann zu sehen, wenn ein Foto direkt in der Musikdatei eingebettet ist oder als JPEG-Datei im selben Ordner wie die Musikdatei liegt.
Encore neue Titel auf einem USB- oder Netzwerkspeicher erkennt. Selbst nach Trennen der Verbindung und erneutem Anschliessen stehen die Analyseergebnisse wieder zur Verfügung. Und der Klang? Der hängt massgeblich von den verwendeten Lautsprechern ab. Über ihren sogenannten Powerlink-Anschluss kann die Encore alle Aktivboxen des dänischen Herstellers bespielen. Wir haben sie mit einem Paar BeoLab 3 gehört (ab 2430 Franken pro Stück, vgl. Bild S. 63), die vor allem mit Vokalmusik und Klavier eine ungemein plastische und natürliche Vorstellung ablieferten. Wer mehr Präzision und Druck im Bass möchte, findet im Programm der Dänen auch grössere – und teurere – Alternativen. Einen Tonausgang für Verstärker oder Lautsprecher anderer Hersteller sucht man allerdings vergebens. So viel Kontaktfreude ginge Bang & Olufsen dann wohl doch zu weit.
MOTS – VIRTUELLER DISCJOCKEY
FAZIT
Webradiostationen liefern prinzipiell keine solchen Bildinformationen, weshalb sich die nach Aussage von B&O rund 13 000 Internetsender aus aller Welt nur mit Namen zu erkennen geben. Die BeoSound 5 Encore bietet allerdings einen Service, der Webradio schon beinahe überflüssig macht: „More Of The Same“ (MOTS). Die MOTS-Funktion generiert aus der heimischen Plattensammlung automatisch Wiedergabelisten mit Titeln, die musikalisch zueinander passen. Sie nimmt das zuletzt gehörte Stück als Vorbild und reiht solange Tracks aneinender, bis der Nutzer eine neue Auswahl trifft. Das funktioniert überraschend gut – und sorgt gelegentlich für Überraschungen, weil MOTS zum Beispiel rockige Titel verschiedener Genres bunt durcheinandermischt. Auch getragene Stücke müssen nicht aus derselben Stilrichtung oder Musikepoche stammen. So liess der virtuelle DJ im Test Ballade auf Kammermusik folgen und melancholische A-cappella-Musik auf gregorianischen Gesang. Das liegt am Funktionsprinzip von MOTS. Die Schaltung orientiert sich nicht an Metadaten wie Erscheinungsjahr, Genre oder Interpret, sondern analysiert die Musik selbst. Es würden Eigenschaften wie Frequenzverteilung, Klangfarben oder rhythmische Muster verglichen, erklärt Professor Gerhard Widmer vom Österreichischen Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz in Wien, das „More Of The Same“ mitentwickelt hat. Die BeoSound 5 Encore nimmt aus der Mitte jedes Musikstücks eine etwa zweiminütige Probe und schickt dieses Sample durch mehrere Rechen-Algorithmen. Heraus kommt eine Prüfsumme, die sich mit den Werten anderer Titel vergleichen lässt. So stellt das System seinen eigenen Musikmix zusammen. Logisch, dass derart aufwendige Berechnungen ihre Zeit brauchen. Die MOTS-Datenbank wird erstellt, wenn die Anlage im Stand-by schlummert. Laut Hersteller beansprucht die Analyse eines Songs etwa 20 Sekunden, macht bei 1000 Titeln schon mehr als 5 Stunden. Ein gestrichelter orangeroter Ring, der beim Aufwachen der Anlage am Steuerrad erscheint, zeigt, wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind. Einmal beendet, stehen die MOTS-Informationen aber dauerhaft zur Verfügung und werden automatisch ergänzt, sobald die BeoSound 5
Als Klangskulptur mit Kultcharakter entzieht sich die BeoSound 5 Encore den gängigen Massstäben. Bedienung und Design sind ebenso unkonventionell wie faszinierend – und mithin etwas gewöhnungsbedürftig. Wer sich darauf einlässt, wird sein gewohntes Musikprogramm aber völlig neu erleben. Umso besser, dass diese Erfahrung nun auch mit USB-Festplatten und UPnP-Servern möglich ist, die Mediensammler ohnehin zu Hause haben. |
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Bang & Olufsen BeoSound 5 Encore 2990 Franken bang-olufsen.ch 31 x 19 x 8 cm, 3 kg 10,4 Zoll 1024 x 768 Pixel Netzwerk (Ethernet), Speichermedien (2x USB), Kopfhörer (Mini-Klinke), Line In (Mini-Klinke) 802.11a/n (5 GHz) MP3 (max. 320 kbit/s, VBR), AAC (max. 320 kbps, VBR, M4A) WMA (max. 320 kbit/s, VBR), WMA Lossless, FLAC (Free Lossless Audio Codec), AIFF (Mac), WAV (Windows), M3U (Playlisten) über 13 000 internationale Sender Alu/Schwarz, Alu/Weiss Wandhalterung (serienmässig), Tischfuss, Bodenständer, Fernbedienung (Beo4 oder Beo6) 3 Jahre
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