Das MAGAZIN für Sicherheitskultur 02/2017

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Nr. 02 / 2017

goethe

„MIT DEM WISSEN WÄCHST DER ZWEIFEL“

MEHR WISSEN

MEHR ZWEIFEL

MEHR LÖSUNGEN

Barrierefreiheit, Personenstromanalysen, AGB & Crowd Management

Wer muss eigentlich was wissen?

Das Programm der 4. Fachtagung Veranstaltungssicherheit



E dit o rial

Liebe Leser und Leserinnen, liebe Interessierte, liebe Besucher und Besucherinnen der 4. Fachtagung Veranstaltungssicherheit Kurz nachdem wir im September unsere erste „richtige“ Ausgabe des Magazins herausgebracht haben, gibt es nun schon die zweite Ausgabe – geschuldet natürlich der Tatsache, dass die Fachtagung das Veröffentlichungsdatum vorgegeben hat. In Zukunft wird das MAGAZIN dann wie geplant quartalsweise erscheinen. Die Fachtagung hat jedoch nicht nur das Datum vorgegeben, sondern auch die Inhalte – so ist ein Teil des MAGAZINs wieder dem Programm der Tagung gewidmet (ab Seite 42) und auch das wird eine der Regelmäßigkeiten des Magazins bleiben, dass die „Fachtagungsausgabe“ immer auch gleichzeitig das Programmheft zur Tagung ist. Apropos Regelmäßigkeit: Die Reaktionen auf die Ausgabe 1 haben uns auf jeden Fall erst einmal zum Weitermachen motiviert – auch wenn wir feststellen müssen, dass Menschen scheinbar zwar gerne lesen, aber nicht selbst schreiben – die Menge der Mitschreiben-Wollenden ist noch übersichtlich. Aber wir sind grundsätzlich erst mal optimistisch, dass sich das ändert. Aber – und das gehört wohl auch dazu – wir haben uns auch schon geärgert. Natürlich. Wieder einmal ging es um das Thema „Klauen von Inhalten“. Das Problem kennen wohl die meisten, die regelmäßig ihr Wissen teilen – kaum ist es draußen, findet man seine Gedanken, Ideen bis hin zu kompletten Folien woanders. Wir erleben das ganz häufig mit unseren Schulungsinhalten und wundern uns manchmal schon, wie dreist da übernommen, kopiert und plagiiert wird. Allerdings ist uns auch bewusst, dass die Grenzen natürlich fließend sind: wir wollen unser Wissen ja teilen (und wir wissen auch, dass wir nicht die Einzigen sind, die ab und an auf schlaue Gedanken kommen) und wir wollen, dass Menschen das Gelernte übernehmen und anwenden – aber einfach loszuziehen und zum Beispiel ein komplettes Seminar samt Struktur und Inhalten zu übernehmen, ist schon krass. Aber das wird uns nicht davon abhalten, unser Wissen weiter zu teilen – und wir hoffen, dass wir hier viele Mitstreiter finden, die dazu ebenfalls bereit sind. Es wäre einfach zu dramatisch, wenn die einen, die selbst nichts oder nicht genug können, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen (sei es nun ein eigener Text, ein eigenes Seminar oder eine eigene Meinung) der Grund dafür wären, dass die anderen, die über wichtiges Wissen verfügen, dieses Wissen nicht mehr teilen. Denn ohne das Wissen „der Anderen“ geht es nicht. Wir selbst lernen unendlich viel von anderen – aus Texten, die wir lesen, aus Gesprächen, die wir führen – aber es gehört sowohl zum Erwachsensein als auch zum professionellen Arbeiten, dass wir dies auch referenzieren. Eine gute Idee bleibt eine gute Idee – auch wenn man sie nicht dem eigenen Ego selbst zubuchen kann, sondern einen anderen – den wirklichen – Urheber benennt. Und dabei gäbe es soviel anderes, über das wir uns ärgern müssten. Jedes Mal, wenn wir die „das ist passiert“ Übersicht erstellen, ärgern wir uns: über eine schon wieder eskalierte Autogrammstunde, über eine schon wieder vollkommen falsche Darstellung von Sachzusammenhängen – gerne in Verbindung mit der Nutzung falscher Terminologien, über Maßnahmen, die keinen Sinn machen und und und… Aber da ärgern alleine nicht hilft, setzen wir uns an den Schreibtisch und tun das, was wir können – Wissen teilen, in der Hoffnung, dass wir uns in der nächsten Ausgabe schon weniger ärgern. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Euch viel Spaß beim Lesen des Magazins, beim Besuch der Fachtagung und beim Diskutieren und Austauschen. Das IBIT Team

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inhaltsverzei c hnis

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Editoria l

06 Wa s bisher gesch a h Ereignisse der Veranstaltungswelt 08 Nut zen und Unsinn von AGB Im Kontext der Veranstaltungssicherheit 11

Grundl agen zum Crow d M a n agement - Teil 3 -

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Unbequeme Geda nken - Teil 2 -

20 Ba rrierefreie V er a ns ta ltungskonzep te Auch für den Krisenfall gut Vorbereitet 22

S turm s tat t Show? Wenn statt dem Künstler der Sturm über die Bühne fegt

24 Sm a rt Crow ds Smartphones and Intelligent Digital Assistants 26 A rgus, A mbos, Midr a s & Or a s Forschungsprojekte zu unbemannten Flugsystemen 28 Die Medien und der Wachm a nn Situation der Teilbranche Veranstaltungsordnungsdienst 30 Orpheus Umfeldanalyse – Der Blick über den Tellerrand

Das MAGAZIN für Sicherheitskultur entsteht mit Hilfe wechselnder externer Autoren. Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte und Artikel geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wieder. impressum Herausgeber: IBIT GmbH Internationales Bildungs- und Trainingszentrum für Veranstaltungssicherheit Auguststr. 18, 53229 Bonn Telefon: +49 (0)228 / 42 99 26 90 Telefax: +49 (0)228 / 20 70 80 8 kontakt@ibit.eu, www.ibit.eu Geschäftsführung: Sabine Funk, Christoph Heiliger

Erscheinungsdatum: November 2017 Verantwortlich: Christoph Heiliger, Sabine Funk Redaktion: Simon Ort, Linda Wolter Anzeigenleitung und -verkauf: Simon Ort Gestaltung: Serap Lannert

Copyright: Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Broschüre und aller in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt. UStIdent.Nr. 274137547 SteuerNr. 206/5926/0976 Amtsgericht Bonn: HRB 19223


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32 Progr ammübersicht IBIT Fachtagung Veranstaltungssicherheit 2017 34 Buchrezensionen Der Einsatz nichtstaatlicher Sicherheitskräfte bei Veranstaltungen; Kurzinformationen Sicherheit 36 H a ndlungshilfen Die DIM ICE Meta Matrix 38 H a ndlungshilfen Die Zeit-Raum-Analyse 40 Sicherheit skultur im P ortr ait Suzanne Bull im Interview

42 IBIT Fachtagung V er anstaltungssicherheit Einleitung in das Programmheft 43

Die V er a nt wortung des Diens tleis ter s Themenschwerpunkt 1 – 28.11.2017

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V er a ns ta lten in einer sich wa ndelnden Gesell sch a f t Themenschwerpunkt 2 – 28.11.2017

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V er a ns ta ltungssicherheit 2017: Bes t Pr ac tice Themenschwerpunkt 3 – 28.11.2017

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R a hmenprogr a mm eps Innovationsforum – allbuyone Konferenzparty – technische Stadionführung

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Recht sfr agen der V er a ns ta ltungs w elt Themenschwerpunkt 4 – 29.11.2017

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Moderne Sicherheit spl a nung Themenschwerpunkt 5 – 29.11.2017

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Die ( nicht mehr ) neuen Bedrohungsl agen Themenschwerpunkt 6 – 29.11.2017

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Autoren dieser Ausg a be

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Impressum

Nr. 02/2017


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Was bisher ges c hah

Was bisher geschah 2017 Wer uns auf Facebook folgt oder unseren Newsletter abonniert hat, Facebook “f ” Logo

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kennt es bereits: regelmäßig veröffentlichen und kommentieren wir aktuelle Ereignisse, die für unser Tätigkeitsfeld von Interesse sind. Unter der Rubrik „Was bisher geschah“ blicken wir an verschiedenen Stellen dieses Magazins auf das bisherige Veranstaltungsjahr 2017 zurück. (AUT) Zwischenfall bei Black Hawk Landung (AUT) Zwei Tote bei Einsturz von Festzelt

08. 19.

08. 18. 08. 19.

Unwetterbedingte Vorfälle auf Festivals in Bayern Aufgrund starker Unwetter kam es auf verschiedenen Veranstaltungen zu Verletzten. So wurden beispielsweise auf dem „Chiemsee Summer“Festival durch das Unwetter 60 Menschen verletzt.

Schlägereien und Tumulte haben das Chemnitzer Stadtfest gestört. Es wurden 13 Personen verletzt. Das Bühnenprogramm wurde eine halbe Stunde früher beendet.

08. 27.

08. 26.

08. 19.

Bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Männern in einer Diskothek in der Bremer Innenstadt setzte ein 28jähriger Gast Reizgas ein. Mehrere Menschen wurden verletzt.

Stadtfest aus Sorge vor Gewalt abgebrochen

08. 26.

Mehrere Verletzte nach Reizgas-Attacke in Diskothek

Starke Winde brachten ein Zelt auf einem Feuerwehrfest in St. Johann am Walde zum Einsturz. Zwei Personen starben, mehr als 50 wurden verletzt. Zum Zeitpunkt des Einsturzes befanden sich in dem Zelt mehrere hundert Personen. Die Lage des Veranstaltungsortes in einem Waldstück machte die Zufahrt der Einsatzkräfte schwierig.

Beim Wachauer Volksfest in Krems lösten sich bei der versuchten Landung eines Black Hawk Helikopters Bodenbefestigungen und zur Absperrung aufgestellte Eisengitter und wurden n der Folge in die Luft geschleudert. Verletzt wurde niemand. Die Veranstaltung wurde dennoch aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht fortgeführt.

Stromschlag auf Fahrgeschäft Vier Personen erlitten beim Ruhrorter Hafenfest in Duisburg einen Stromschlag und mussten in Folge vom Rettungsdienst versorgt werden. Trotz Nachprüfung konnte keine Ursache für den Stromschlag gefunden werden.

(UK) 17jähriger sitzt 45min auf einen Kameraturm Ein 17jähriger Besucher kletterte beim Reading Festival in Berkshire auf einen Kameraturm. Der Veranstaltungsordnungsdienst räumte die Flächen in Turmnähe. Nach 45 Minuten verließ der Besucher den Turm, verletzt wurde niemand.


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Mehrere Personen wurden durch umherfliegende Glassplitter verletzt, als auf einer Party mit mehreren hundert Gästen ein Böller absichtlich in einem leeren Bierglas zur Explosion gebracht wurde.

Abreiseprobleme beim Lollapalooza Berlin Am ersten Abend des Berliner Festivals kam es auf dem neuen Veranstaltungsgelände zu deutlichen Verzögerungen bei der Abreise. Der Andrang auf die wenigen S-Bahnen war so stark, dass die Polizei den Bahnhof teilweise sperren musste.

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Bei einem Motocrossrennen in Amriswil sind bei einem Unfall 3 Zuschauer zum Teil schwer verletzt worden. Ein Fahrer verlor die Kontrolle und stürzte von seinem Motorrad, das daraufhin durch die Absperrung brach.

Ein Unbekannter hat beim Heimatfest in Mettmann gegen 02.00 Uhr morgens Pfefferspray im Bühnenbereich versprüht. 22 Menschen waren dem Gas ausgesetzt und erlitten Atembeschwerden und Übelkeit. 20 der Verletzten wurden vor Ort behandelt, zwei weitere wurden in Krankenhäuser gebracht.

Firmenfeier: Gäste durch Glassplitter bei BöllerExplosion verletzt

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(SUI) Drei Verletzte bei Motocrossrennen

Verletzte auf Stadtfest durch Pfefferspray

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Beim Abbau des Riesenrads des tradionellen Volksfestes ist ein ungesicherter Abbauhelfer zu Boden gestürzt. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte starker Wind.

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9. .0 21

Ein Urteil über Stadionverbote aus dem Jahr 2013 wurde vom OLG Frankfurt gekippt. Nach dem aktuellem Urteil stellen Stadionverbote keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.

Auf dem „Burning Man“Festival in der Wüste Nevadas ist ein Mann in die brennende Hauptattraktion gesprungen. Im Krankenhaus erlag er seinen Verletzungen.

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9. .0 13

. 09 17.

(USA) U2 und Ed Sheeran sagen aus Sicherheitsbedenken Shows ab

Urteil des Oberlandesgerichts: Stadionverbote „grundsätzlich Rechtmäßig“

(USA) Besucher springt in brennende Holzfigur

Während eines Festivals in Nordfrankreich ist ein Blitz in ein Zelt eingeschlagen. Dabei wurden 13 Personen verletzt, zwei weitere schwer. Das Zelt wurde in erster Linie zum Schutz vor dem Unwetter aufgesucht.

Tödlicher Arbeitsunfall auf Bonner Pützchensmarkt

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(FR) 15 Verletzte durch Blitzeinschlag auf Festivalgelände

Während eines Cricket-Spiels in London ist der Pfeil einer Armbrust auf dem Platz gelandet. Polizisten räumten über 1.000 Besucher aus dem Stadion „The Oval“.

Weil die Polizei aufgrund von Protestaktionen das „normale“ Sicherheitslevel nicht garantieren konnte, sagten die Künstler ihre Shows in St. Louis ab.

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8. .0 31

(UK) Pfeil landet auf Spielfeld – Räumung des Stadions

(AUT) Konzerthalle nach Bombendrohung geräumt

(USA) Schütze feuert von Hochhausdach auf Konzertmenge

Im österreichischen Wels wurde nach einem eingehenden Drohanruf eine Konzerthalle mit 5.500 Besuchern geräumt. Das Gelände wurde überprüft und später wieder freigegeben. Der Konzertbetrieb wurde nicht wieder aufgenommen.

Ein bewaffneter Schütze hat in einer detailliert geplanten Aktion vom Dach eines Hochhauses in die Besuchermenge eines Konzertes geschossen. 58 Menschen starben, über 500 wurden verletzt.

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R e c htsfragen der V eranstaltungswelt

Nutzen und Unsinn von AGB im Kontext der Veranstaltungssicherheit Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und Hausordnung sind immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen rund um Veranstaltungen, um die Diskussion über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, letztlich um Rechte und Pflichten einzelner Akteure im jeweiligen Beziehungsmodell.

Von Timm Zahl & Daniel Schlatter

Der Vorteil der Verwendung von AGB liegt auf der Hand. Mit nur einer Regelung kann eine Vielzahl von Geschäftsfällen geregelt werden. Mit Bezug auf die AGB wird oft versucht, die Nutzung einer Versammlungsstätte zu bestimmen oder einzuschränken, die Verantwortung zu übertragen und Haftungsregeln zu Gunsten des Verwenders zu verschieben – auch zur Umsetzung von Sicherheitskonzepten. Bei Konflikten wird dann das vermeintliche Ass aus dem Ärmel gezogen: „Das steht aber in den AGB!?“ Zu oft stellt sich aber heraus, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gar nicht wirksam vereinbart worden sind oder die vermeintlich getroffene Regelung gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt und damit oft umfassend unwirksam ist und stattdessen die nicht gewünschten gesetzlichen Regelungen gelten. Dies dann mit dem Ergebnis, dass relevante Regelungen des allgemeinen und damit für die Vertragsbeziehungen zunächst unerheblichen Werks „Sicherheitskonzeption“ keine Rechtswirklichkeit werden und relevante Sicherheitsmaßnahmen durch

fehlende Verbindlichkeit nicht umgesetzt zu werden drohen.

Was sind also AGB? Wie können Sie wirksam einbezogen werden? Was passiert, wenn Regelungen als unwirksam qualifiziert werden? AGB sind vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Fällen, die eine Partei (der Verwender) der anderen (dem Vertragspartner) spätestens bei Abschluss des Vertrages stellt (vgl. § 305 BGB). Zum Schutz des Vertragspartners vor zum Beispiel überraschenden Klauseln oder krassen Übervorteilungen haben der Gesetzgeber und die Rechtsprechung die per AGB zulässigen Regelungsmöglichkeiten eingeschränkt. Vor allem auch Haftungsausschlüsse oder -erleichterungen lassen sich nur sehr begrenzt per AGB regeln. Regelungen, die eigentlich Individualabsprachen sein sollen, die Bedingungen für AGB aber erfüllen, werden „gegen den Willen“ der Verwender auch rechtlich als AGB qualifiziert und unterfallen damit gleichfalls den bestehenden Geltungseinschränkungen.

Trotz der noch immer herrschenden „Dokumentatationsfaulheit“ verwenden Veranstalter, Betreiber und deren Vertreter in der Praxis einerseits viel öfter AGB als vermutet und andererseits viel seltener, als sie denken. Dies liegt daran, dass es sich bei viel mehr Vereinbarungen um AGB handelt, als die Vertragspartner denken und, dass Regelungen viel öfter gar nicht Bestandteil eines Vertrages werden, als der vermeintliche Verwender dies eigentlich wollte. Die sich aus der gewünschten oder ungewünschten Verwendung von AGB ergebenden Rechtsfragen sind vielfältig und füllen ganze Bücher. Praktisch besonders relevant werden für viele der hier angesprochenen Leser die folgenden Punkte sein: 4 Hat der Vertragspartner nicht die realistische Möglichkeit, auf den Inhalt des Vertrages Einfluss zu nehmen, gilt der Inhalt des Vertrages als vom Verwender gestellt. 4 Der Vertragsinhalt muss praktisch ausgehandelt worden sein, damit kein Stellen des Verwenders vorliegt. Dieses


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Aushandeln kann nur dann angenommen werden, wenn für beide Seiten ein echtes Verhandeln, eine echte Einflussnahme möglich war. 4 Die Verwendung eines Vertragstextes in nur einem Fall genügt zur Qualifizierung als AGB, wenn die Verwendung für weitere Fälle geplant war. Es gilt dabei eine Art Vermutungsregel, wenn der Vertragstext auf die Mehrfachverwendung schließen lässt. 4 Bedingungen, die AGB werden sollen, müssen allerdings spätestens bei Abschluss des Vertrages einbezogen werden. Entscheidend ist, dass AGB nicht zusammen mit Übersendung der Rechnung oder als am Veranstaltungsort ausgehängte Hausordnungen nach dem Online-Ticketverkauf wirksam vereinbart werden können. 4 Bei Verbrauchern als Vertragspartner muss vom Verwender vor Vertragsschluss auf die Geltung der AGB hingewiesen werden und der Vertragspartner muss bei Vertragsschluss die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB haben.

AGB und Sicherheitskonzepte Nachdem einige Grundsätze zu AGB geklärt sind, stellen sich Fragen zum Zusammenhang zwischen AGB und Sicherheitskonzepten. 4 Wie können die Vorgaben des theoretischen Konstrukts Sicherheitskonzept in die „Veranstaltungswirklichkeit“

übertragen werden und dort Wirkung entfalten? 4 Welchen Nutzen haben AGB für das Sicherheitsmanagement? 4 Wie kann sich ein Sicherheitskonzept auf die Gestaltung von AGB auswirken? Um sich der Beantwortung dieser Fragen anzunähern, sollte zuerst geklärt werden, mit wem der Veranstalter / Betreiber überhaupt in der Regel AGB vereinbart. In der Hauptsache werden dies die verschiedenen Dienstleister / Auftragnehmer (also der Bühnenbauer, die technischen Dienstleister, die Sicherheits- und Ordnungsdienste, die Cateringunternehmen usw.), die Künstler und die Besucher der Veranstaltung sein. Mit technischen Dienstleistern kann zum Beispiel per AGB vereinbart werden, welchen technischen Anforderungen ihre Werke genügen müssen. Mit den Sicherheitsund Ordnungsdienstunternehmen kann per AGB vereinbart werden, in welcher Anzahl das Personal wie qualifiziert und in welcher Struktur geführt sein muss. Mit Catering­ unternehmen kann per AGB vereinbart werden, dass diese in bestimmten Szenarien den Alkoholausschank bzw. den Verkauf unterbrechen oder einstellen müssen. Mit dem Künstler kann vereinbart werden, dass er bei einem bestimmten Szenario sein Programm unter- oder abbrechen muss. Mit dem Besucher der Veranstaltung kann per AGB nicht nur ein besonderes Verhalten eingefordert werden, sondern beispielsweise auch die Folgen einer Unterbrechung

oder eines Abbruchs der Veranstaltung. Alle diese per AGB von der Gesetzeslage abweichenden Regelungen können ein direkter Ausfluss aus dem Sicherheitskonzept der jeweiligen Veranstaltung sein. Auch, wenn sich das erstellte Sicherheitskonzept originär an den Veranstalter richtet, kann es also mittelbar Einfluss auf die vertraglichen Regelungen mit den verschiedensten Beteiligten haben. Dies, obwohl diese Beteiligten gegebenenfalls nicht einmal Kenntnis von der Existenz eines Sicherheitskonzepts haben. AGB können also dazu dienen, die Vorgaben des Sicherheitskonzepts in der Praxis umzusetzen. Voraussetzung hierfür ist natürlich die Gestaltung der AGB in Kenntnis des Sicherheitskonzepts. Ebenso muss der Ersteller der Sicherheitskonzeption die bestehenden vertraglichen (also auch per AGB vereinbarten) Regelungen berücksichtigen. Sollte sich im Rahmen des Prüfungsprozesses herausstellen, dass bestimmte Regelungen per AGB nicht oder nicht in befriedigender Weise über die Einbeziehung von AGB geregelt werden können, sollte eine individualvertragliche Regelung gefunden werden.

Hausordnung und Hausrecht Teilweise ist aber eine Regelung per AGB oder Individualvertrag schon faktisch nicht möglich. Unter Umständen können auch gerade die Vorgaben des Sicherheitskonzepts nicht vertraglich mit den Beteiligten überhaupt geregelt werden oder die

Der Verweis auf die AGB findet sich z.B. regelmäßig auf den Eintrittskarten zur Veranstaltung Foto: Christoph Heiliger


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R e c htsfragen der V eranstaltungswelt

getroffenen Regelungen sind unwirksam. In diesem Fall kann aber der Rückgriff auf eine Hausordnung helfen. Auch, wenn die Hausordnung dann eben nicht mehr als Bestandteil eines bereits geschlossenen Vertrages einbezogen werden kann oder zwischen dem Besucher und dem Veranstalter / Betreiber überhaupt kein Vertragsverhältnis besteht, können sich also in der Hausordnung Vorgaben des Sicherheitskonzepts wiederfinden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Regelungen einer solchen Hausordnung ihre Grenzen im Hausrecht haben (vertraglich vereinbart ist eine Hausordnung, die zum Beispiel nach dem Online-Ticketkauf am Eingang der Veranstaltung aushängt, nämlich gerade nicht). Können Inhalte der Sicherheitskonzeption bewusst oder unbewusst nicht über vertragliche Regelungen (z.B. AGB) eingebracht werden, kann immerhin eine Durchsetzung im Rahmen des Hausrechts auch über eine Hausordnung möglich sein. Eine Hausordnung kann und sollte natürlich unabhängig von den vertraglichen

Beziehungen sinnvolle Regelungen aufstellen, wie auch den maßgeblichen Personen der Inhalt des Hausrechts bekannt sein sollte. Doch was sind die Grenzen des Hausrechts und die draus folgenden Regelungsgrenzen der Hausordnung? Laut Bundesgerichtshof umfasst das Hausrecht die Befugnis, frei darüber zu entscheiden, wem der Zutritt zu einer privaten Örtlichkeit gestattet und wem er verwehrt wird, sowie die Befugnis, ein Zutrittsrecht von der Erfüllung von Bedingungen abhängig zu machen (z. B. von der Bezahlung eines Eintrittspreises, der Einhaltung von Verhaltensregeln usw.). Das Hausrecht schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbots durchzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2006, V ZR 134/05). Auch deshalb ist es unerlässlich, sich nicht nur über die Inhalte der Sicherheitskonzeption, deren Einbeziehung und der Wechselwirkung mit AGB (und anderen vertraglichen Regelungen) im Klaren zu sein, sondern

stets auch eine tragfähige Hausordnung zu formulieren und die Organisationen über die Reichweite des Hausrechts aufzuklären bzw. dieses bei Notwendigkeit auch wirksam zu übertragen.

Fazit Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass zunächst AGB wirksam vereinbart werden und einen wirksamen Inhalt haben müssen. Unter dieser Voraussetzung können dann Inhalte der Sicherheitskonzeption mittelbar mit den verschiedenen Beteiligten vereinbart werden. Entfällt die Einbeziehung, so kann eine individualverträgliche in Erwägung gezogen werden. Ist dies nicht möglich oder aus welchen Gründen auch immer nicht gelungen, können Inhalte der Sicherheitskonzeption über die Hausordnung eingeführt werden. Dabei ist in der Regel die sich aus dem Hausrecht ergebende Grenze zu beachten. Zuletzt bestehen bleibt aber immer das Hausrecht.


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Grundlagen zum Crowd Management – Teil 3 – Der Begriff des Crowd Managements ist heute in aller Munde. Dennoch kennen die Wenigsten die Definition für Crowd Management und noch weniger die damit verbundenen Methoden und Herangehensweisen. Die Miniserie „Grundlagen zum Crowd Management“ dient dazu den Begriff mit mehr Leben zu füllen. Von Ralf Zimme Im Teil 2 der Miniserie haben wir über Profile der Besucher gesprochen. Zum einen über ihre Stärken und Schwächen durch Alter, Erfahrung, emotionale Beteiligung oder körperlicher Widerstandsfähigkeit, sowie über ihre profilspezifischen An- und Abreisemuster und typische Verhaltensweisen. Im direkten Zusammenhang mit den Profilen erörterten wir die Frage nach der Angemessenheit der für die Besucher eingerichteten Systeme zur Bewegung und Ansammlung auf Veranstaltungen. Zur Ermittlung und Beurteilung solcher Systeme wurde zum einen das R.A.M.P.- Konzept wie auch der erste Teil, die Phasen von Veranstaltungen, des DIM ICE Meta Model vorgestellt, in dem drei zentral auf den Menschen wirkende Einflussfaktoren in den unterschiedlichen Phasen einer Veranstaltung betrachtet werden.

Im vorliegenden dritten Teil stellen wir nun die Einflussfaktoren aus dem DIM ICE Meta Model vor und betrachten insbesondere den Part „Design“ genauer. Im Weiteren werden Zahlenwerte und Berechnungsmethoden für das RAMP- Model und das Konzept der Levels of Service (LOS) vorgestellt – also der Frage nachgegangen, wie sich Angemessenheit bei unterschiedlichen Nutzungsarten von Veranstaltungsflächen bemisst und wieviel Platz der Mensch für diese Nutzung beansprucht.

Das DIM-ICE Meta Model: Ein Überblick über die Einflussfaktoren: Design – Information – Management Besucher von Veranstaltungen unterliegen drei zentralen Einflussfaktoren. Dem Design der Umgebung, bestehend aus der Flächenplanung und dem Zusammenspiel vorhandener und mobiler bzw. temporärer Strukturen, den Informationen, die dem Besucher zur Aufrechterhaltung der Eigenkompetenz zur Verfügung stehen und das Management, mit dem Ansammlung und Bewegung begleitet, gelenkt und geleitet werden. Basierend auf den wechselnden

Bedürfnissen der Besucher haben diese Faktoren im Verlauf einer Veranstaltung unterschiedliche Auswirkungen und müssen daher für jede der Phasen individuell geprüft werden.

Design Unter dem Begriff Design sind alle Einflussfaktoren zusammengefasst, die im betrachteten Veranstaltungsbereich durch bauliche Elemente die Bewegung und Ansammlung von Personen ermöglichen, unterstützen, begrenzen, lenken, leiten sowie behindern, erschweren oder anders beeinflussen. Hierzu gehören alle bereits vorhandenen physischen Elemente (von der Bodenwelle über den Baumbestand bis hin zu vorhandenen Wegen) sowie die Elemente, die zur Erfüllung einer Funktion teils mobil bzw. temporär hinzugefügt werden. Hierzu gehören beispielsweise Toilettencontainer, mobile Fahrstraßenerweiterungen, Bierstände, Infotower, Generatoren, Zelte und Absperrungen aller Art, und die daraus resultierenden Sichtlinien, Verkehrswege und –flächen, Flaschenhalssituationen

etc. Ebenfalls berücksichtig werden hier die Faktoren der Raumnutzung, das heißt der Frage, wie und wie lange der Bereich genutzt wird. Mit dem DIM ICE Model kann eine Evaluation der Elemente vorgenommen und der positive oder negative Einfluss auf die Funktion der betrachteten sowie angrenzender Bereiche beurteilt werden. Sind die Aufstellflächen ausreichend bemessen? Ist die Bodenbeschaffenheit auch bei schlechtem Wetter dergestalt ertüchtigt, dass Beeinträchtigungen in Bezug auf die geplante Nutzung auszuschließen sind? Werden durch vorhandene oder temporäre Einbauten Sichtlinien eingeschränkt, die zu einer unkontrollierten oder unbeabsichtigten Migration von Besuchern führen? Eine typische Designbetrachtung ist z.B. die der Ausgestaltung von Fluchtwegen. Regelmäßige Fragestellungen sind hier, ob die Ausgänge breit genug sind für die Anzahl der darauf angewiesenen Personen, die Länge der Wege verordnungs- bzw. genehmigungskonform ist, eine ausreichende Beschilderung existiert, diese gut und auch von weitem aus sichtbar ist, ob die Mindestbeleuchtungsstärke sichergestellt Nr. 02/2017


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S i c herheitskultur

und die Bodenbeschaffenheit ausreichend stabil ist, um die angestrebten Durchflusskapazitäten auch zu erreichen. Alle diese Fragen gehen mit der baulichen / physischen, materiellen und planerischen Ausgestaltung der Bereiche einher und haben direkten positiven oder negativen Einfluss auf die Funktionalität und somit auf die Sicherheit der Besucher. Im Phasenmodell bereits angelegt sind die Betrachtungen der Einlass- und Auslassbereiche, die natürlich dem Einfluss von Designvorgaben unterliegen. Wie viele Personen werden an dem zu beurteilenden Eingangsbereich erwartet, insgesamt und pro Zeiteinheit? Welche Designelemente sind in welchem Maß bereits vorhanden und sind diese ausreichend bemessen für die erwartete Zuschauerzahl? Unterstützt die räumliche Ausrichtung der Elemente die Funktion oder werden andere Funktionen dadurch beeinträchtigt? Welchen Einfluss haben zusätzliche Systeme durch ihre physische Ausdehnung auf Sichtlinien und durch die mit ihnen einhergehenden Funktionen und Abläufe? So ist die Positionierung von Toilettenanlagen vordergründig eine Frage der räumlichen Dimensionen am Aufstellungsorte sowie der Erreichbarkeit für den Besucher und für den Servicewagen zu Entsorgungszwecken – im zweiten Schritt jedoch eng verbunden mit Fragen zu einer eventuellen Schlangenbildung und den Effekten, die eine Warteschlange auf die Umgebung und alle Abläufe in der Nachbarschaft haben kann. Die Beurteilung der Designelemente erfolgt im DIM ICE Model unter Einbeziehung der Phasen der Veranstaltung. Lenkende Einbauten für den Einlass können in der Auslassphase störend bis gefährdend wirken. So kann es notwendig werden, dass die Schlangenbildung vor einer Toilettenanlage zum Zeitpunkt des Einlasses eine andere Richtung haben muss als während der Auslassphase. Ebenfalls angelegt im Modell ist die Betrachtung der Faktoren nicht nur in der Normal-, sondern auch in einer Schadenlage – ebenfalls individuell für jede Phase der Veranstaltung. Der positive Effekt einer druckmindernden Personenführung mit Gittern kann nicht nur im Normalbetrieb den Auslass stören, sondern auch bereits während des Einlasses, wenn die Gitter einer Personenrettung oder dem Erreichen eines Brandherdes im Wege stehen. Für die Beurteilung der Angemessenheit der

Raum- und Flächenplanung, der installierten Besucheranlagen und ihrer Funktionalität, werden in den Handlungshilfen (Seite 36) Methoden, Zahlen und Handlungshilfen aufgezeigt, die es erlauben, eine Beurteilung systematisch und nachvollziehbar zu machen. Nur wenn alle Elemente in allen Phasen der Veranstaltung für den Normalbetrieb und für den Notfallbetrieb passend sind, ist das Design der Veranstaltung als sicher zu bewerten. Hier wie in vielen anderen Bereichen kann ein Ampelfarbcode bei der Darstellung der Beurteilung hilfreich sein (siehe auch hier die Handlungshilfe Die DIM ICE Matrix als Beurteilungshilfe auf Seite 36).

Information Informationen, die dem Besucher zur Verfügung gestellt werden, dienen in erster Linie der Aufrechterhaltung seiner Eigenkompetenz, also der Fähigkeit, frei und ohne Verzögerung vor, während und nach der Veranstaltung Entscheidungen zu seinem Wohle zu treffen. Hierbei besteht das Wohl des Besuchers in der Freiheit, alle Attraktionen zu nutzen und zu genießen, die ihm durch den Veranstalter angeboten wurden, inkl. aller Handlungen die nicht dem primären, vordergründigen Angebot entsprechen, aber zu den üblichen Aktivitäten auf vergleichbaren Veranstaltungen zählen und deshalb zu erwarten sind. Natürlich ist es auch wichtig, dass der Besucher Informationen erhält, die dem Zweck seines Besuchs dienlich sind, wie beispielsweise Orientierungsmöglichkeiten bei fehlender Ortskunde oder unübersichtlichen Geländelayouts, verlässliche Zeitpläne, Änderungen des Programms oder anderer Angebote, sowie Möglichkeiten zur weiteren Informationsbeschaffung. Neben den vom Besucher als wichtig betrachteten Informationen zur Veranstaltung und seinem Aufenthalt liegt eine wesentliche Aufgabe der Informationsvermittlung aber auch darin, ihm zum richtigen Zeitpunkt Handlungsempfehlungen wie z.B. das Verhalten in Notfallsituationen zu vermitteln. In Notfällen benötigt der Besucher Handlungshilfen insbesondere dann, wenn diese Notfälle nicht zu seinen Lebens- und Veranstaltungserfahrungen zählen. Dabei sind die genutzten Medien zum Informationstransport ebenso

phasenabhängig wie der Informationsgehalt selber. Die Auswahl der Medien stellt daher einen wichtigen Aspekt bei der Zurverfügungstellung von Informationen dar. Informationen zu Zeitplänen oder die Verortung von Parkplätzen können problemlos in einem Booklet gesammelt werden, so dass der Besucher die Information abrufen kann, wenn er Zeit und Ruhe dafür hat. Informationen wie die Lage von Fluchtwegen oder Sanitätsstationen müssen ggfs. deutlich schneller zur Verfügung gestellt werden und bedürfen somit anderer Medien wie Schilder, Wegweiser etc. Umgekehrt benötigt der Besucher während des Parkvorgangs bereits eine Information, wo er bzw. sein Auto sich befindet und nach der Veranstaltung die Information, wie er genau dort wieder hinkommt. Also müssen Informationen und Medien in unterschiedlichen Phasen von Veranstaltungen entsprechend korrespondieren, um tatsächlich hilfreich zu sein. Gibt es während der Anwesenheitsphase auf dem Veranstaltungsgelände zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten wie Videowände, Lautsprecherdurchsagen oder persönliche Ansprache durch Personal oder Moderatoren, so sind diese Möglichkeiten in der Anreise- und Einlassphase eher beschränkt und bedürfen ggfs. anderer Hilfsmittel. Während der Auslassphase dreht der Besucher all unseren Kommunikationssystemen regelmäßig den Rücken zu und entfernt sich aus deren Einflussbereich. Informationen, die zu diesem Zeitpunkt eine Verhaltensänderung bewirken sollen, sind dann nur noch durch ausdrücklich zu diesem Zweck positionierte Videowänden, Beschallungsanlagen und Beschilderungen oder durch Personal zu transportieren. Gerade in der Auslassphase ist die Informationsrückkopplung vom Besucher zu den Sicherheitsakteuren stark eingeschränkt, da der Besucher, der gleichermaßen auch als Informationsquelle oder als Melder für ungeplante oder gar gefährliche Vorkommnisse dient, in dieser Phase zumeist weder die notwendige Aufmerksamkeit mehr hat, noch seine Energie auf „Umdrehen und Melden“ anstelle von „nach Hause gehen“ richtet. Die Erarbeitung einer DIM ICE Evaluationsmatrix kann helfen, solche Informationslücken zu identifizieren und ggfs. zu schließen und Maßnahmen zu entwickeln, diesen 2-Wege Informationsfluss auch in der An- und Abreisephase aufrecht zu erhalten.


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Nicht vorhandene, falsch platzierte oder falsch terminierte Informationen können besonderen Einfluss auf den Besucher und die Sicherheit von Veranstaltungen haben. Stehen zum benötigten Zeitpunkt notwendige Informationen nicht zur Verfügung oder vertraut der Besucher schlicht der Meldung, das heißt, dem Sender der Nachricht nicht, trifft der Besucher Annahmen auf Grundlage seiner Lebens- und Veranstaltungserfahrung. Diese Annahmen und das daraus resultierende Verhalten können negativen Einfluss auf geplante Abläufe nehmen und Maßnahmen unwirksam, bzw. das Besucherverhalten gefährlich werden lassen. Umgekehrt bedeutet dies jedoch auch, den Besucher als emanzipiertes Wesen zu betrachten und nicht aus einer ominösen „Angst vor Panik“ zum Beispiel Informationen zurückzuhalten. Ein Planer muss also die Fragen beantworten, welche Informationen für welche Besucher in welcher Phase der Veranstaltung relevant sind und mit Hilfe welcher Medien diese Informationen zum richtigen Zeitpunkt erinnerbar, bzw. anders abrufbar gemacht werden können.

Management Im DIM ICE Meta Model werden unter dem Begriff Management die Einflussfaktoren erfasst, die durch organisatorische und personelle Maßnahmen die Führung, Leitung und Anleitung der Besucher im Normal- und im Notfallbetrieb zum Ziel haben. Häufig gehen Managementmaßnahmen mit Designund / oder Informationselementen einher und umgekehrt, werden Design- und Informationselemente durch personelle oder organisatorische Maßnahmen unterstützt. Umgesetzt werden diese Maßnahmen durch Personal und organisatorische Einrichtungen wie Infopoints, Einsatzleitungen und Kommunikationseinrichtungen. So gehören sowohl das Personal – von den Sicherheitsdienstmitarbeitern, Hostessen und Scouts bis hin zu den Mitarbeitern der Gastronomie mit all seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten genauso in diese Kategorie wie auch Aspekte wie das regelmäßige Reinigen von Einlassbereichen oder Toilettenanlagen, das Zurverfügungstellen von Gehörschutz oder auch Barrierefreiheit für Besucher mit besonderen Anforderungen. Managementmaßnahmen verfolgen zahlreiche Ziele wie helfen, retten, ableiten, umleiten, anhalten, Personen und Infrastrukturen schützen, Situationen und Bereiche beobachten,

Informationen übermitteln (an den Besucher / an die Organisation), Maßnahmen organisieren und koordinieren, Entscheidungen treffen und vieles mehr. Sie verfolgen die Fragen nach der Organisation der Veranstaltung im Normal- und Notfallbetrieb und hinterfragen die Aufbau-, Entscheidungs- und, Kommunikationsstrukturen der Veranstaltung. Darüber hinaus werden die relevanten Abläufe einer Veranstaltung auf ihre Plausibilität in Hinblick auf ihre personelle und materielle Ausstattung geprüft. Hierbei sind bei der Auswahl des Personals insbesondere Aspekte der individuellen Fähigkeiten, Ausstattung, Ausbildung und Erfahrung der handelnden Personen von Bedeutung. Ein Planer muss sich also fragen, welche Qualifikationen benötigt jemand für die anstehenden Aufgaben (personelle Anforderungen) und welche Ressourcen werden für die Erfüllung der Aufgabe benötigt (organisatorische Anforderungen). Des Weiteren muss geklärt werden, welche darüber hinaus gehenden organisatorischen Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Durchführung der spezifischen Aufgabe sicherzustellen. Können diese Fragen nicht oder nur teilweise beantwortet werden, bzw. sind das Personal und die benötigten Ressourcen für die Aufgabe nicht verfügbar oder nicht geeignet, ist die Veranstaltung unter Managementaspekten nicht sicher aufgestellt. Durch die schrittweise Betrachtung der einzelnen Elemente Design, Information und Management wird der Planer gezwungen eine Inventarisierung des Veranstaltungsortes und der Veranstaltungsorganisation herzustellen und die einzelnen Elemente in ihrer Funktion und im Zusammenspiel zu beurteilen und ggfs. anzupassen. Durch die Betrachtung der DIM Aspekte im Verlauf der Veranstaltung, also in den Phasen Anreise / Einlass, Anwesenheit und Auslass / Abreise ergibt sich so eine phasenangepasste Evaluation der Ausgangssituation, die aufzeigt an welchen Stellen mit welchen Maßnahmen nachgearbeitet werden muss. Das DIM ICE Model wurde in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und die ursprünglich drei beschriebenen Phasen werden heute verbreitet in fünf Phasen dargestellt und einzeln betrachtet. Anreise, Einlass, Anwesenheit, Auslass und Abreise. Grundsätzlich ändert sich nichts in der Herangehensweise, es wird den einzelnen Phasen nur entsprechend einzeln Rechnung getragen.

DESIGN: Crowd Management in Zahlen Zur Beurteilung der mit DIM ICE oder auch einer anderen Methode ermittelten Elemente der Veranstaltung, braucht es nun Werte, die eine Beurteilung der Angemessenheit ermöglichen. Hierbei sind quantitative und qualitative Aspekte zu berücksichtigen. Dabei kann das in Teil 2 vorgestellte R.A.M.P. Model helfen. 4 ROUTES: Wege, Strecken, Wegführungen 4 AREAS: Flächen, Bereiche, Befüllung & Nutzung 4 MOVEMENT: Bewegungen, Dynamik 4 PROFILE: Profil (Besucher, Fahrgäste etc.) Die Definition des Crowd Managements, „die systematische Planung und Überwachung einer geordneten Bewegung und Ansammlung von Menschen“ (Fruin, 1993) fordert, einen Raum / einen Bereich in Hinblick auf die ihm zugewiesene Nutzung und die dort zu erwartenden Befüllungsdichten zu betrachten und die Angemessenheit von beispielsweise Einlass- und Auslasssystemen, notwendiger Abläufe und das erwartete Verhalten der Besucher zu bewerten. Hierbei müssen die WWWVVWWSW – Fragen zum erwarteten Publikum beantwortet werden; die Fragen nach dem wer, wann, wie viele, von wo, wie schnell wohin. Wer ist unser Publikum, welches spezielle Profil weist das Publikum auf, wann reisen die Gäste an und mit welchen Verkehrsmitteln. Wie viele kommen insgesamt und wie viele in den Stoßzeiten. Von wo sind welche Personenströme wie schnell, also mit welcher Frequenz und in welchem Zeitraum zu erwarten und wohin müssen sie sich bewegen. Durch die Ermittlung der Quantitäten von z.B. Wegen, Strecken, Flächen und Bereichen (Routes & Areas) erhält man messbare Werte in Metern oder Quadratmetern, die als Grundlage der Bewertung dienen. Im Weiteren muss eine qualitative Beurteilung erfolgen. Wie viel Platz und wie viel Zeit benötigen die in der betrachteten Phase erwarteten Personen in diesem Bereich für die Nutzung, die dem Bereich zugeordnet ist? Wird ein Bereich lediglich durchschritten oder sind in diesem Bereich andere Attraktionen vorgesehen, die den Besucher Nr. 02/2017


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S i c herheitskultur

LOS A - 3,3m2 LOS B - 2,3m2 LOS C - 1,4m2 LOS D - 0,9m2 LOS E - 0,46m2

Schematisch: Platzbedarfe / Level of Service nach Fruin

Person

dort binden? Ist die zu beurteilende Fläche das Ziel, wie beispielsweise eine Bühne, oder ist sie eine ständig genutzte Verteilebene, die als Verbindungbereich unterschiedlicher Attraktionen dient? Wie lange hält sich der Besucher in diesen Bereichen auf und in welcher Phase oder zu welchem Zeitpunkt muss auf der Fläche mit dem größten Verkehr, bzw. Andrang gerechnet werden? Hier spielen die Aspekte Movement & Profile mit ein. Gibt es für das erwartete Publikum besondere Anreiseerkenntnisse wie z.B. ein hoher Anteil ÖPNV-Nutzer oder ist eine besonders frühe oder späte Anreise zu erwarten? Aber auch Fragen zu Programmpunkten können hier Antworten auf die zu erwartenden Bewegungen geben. Wann endet das Programm und ist zu erwarten, dass die Besucher bis zum Ende bleiben? Und werden die Besucher dann direkt abreisen oder verbleiben sie noch auf dem Gelände und nehmen noch weitere Angebote wahr? In Verbindung mit den Zeiten / Phasen, in denen diese Bewegung erwartet wird, können die zur Verfügung gestellten Flächen in Abhängigkeit des Platz- und Zeitbedarfes der Besucher in den Phasen der höchsten Auslastung bewertet werden.

Levels Of Service – LOS Zur Bewertung der Angemessenheit der im RAMP Konzept genannten Aspekte lassen sich beispielsweise Fruins´ Levels Of Service (LOS) heranziehen. Diese LOS sind qualitative und quantitative Parameter zur Bewertung von Fußgängereinrichtungen, die im Veranstaltungskontext beispielsweise Aufstell- und Bewegungsflächen wie Einlass- und Auslassbereiche, Treppen, Tunnel oder Verteilebenen zwischen unterschiedlichen Bühnenbereichen sein können. Um die Bewertungen besser vornehmen, verstehen oder prüfen zu können, müssen jedoch vorab einige grundlegende Punkte zur Qualität des Zufußgehens betrachtet werden. Die aufrechte menschliche Gangart ist trotz der selbstverständlichen Verfügbarkeit ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Aspekte. Die Bewegung des Menschen wird durch eine Schwerpunktverlagerung des Oberkörpers eingeleitet, dem ein Abfangbzw. Balancierprozess durch einen Schritt, also der Stabilisierung nach vorne mit Hilfe eines Fußes folgt. Dieser Prozess wird zur Fortbewegung dann mit dem anderen Fuß wiederholt. Um dabei in Balance zu bleiben, benötigt der Mensch dazu den Platz am Boden, um den Fuß so zu setzen, dass eine

sichere, also stabile Bewegung daraus entsteht sowie den seitlichen Raum, um die Bewegung auch lateral unter Zuhilfenahme der Arme zu stabilisieren. Natürlich ist diese Bewegung durch die motorische Abwicklung allein noch nicht gelungen oder gar angenehm. Qualitative Werte in der Bewegung sind zum einen Konfliktfreiheit, also eine Bewegung ohne Zusammenstoß mit anderen, und das Vermeiden zu häufigen Anhaltens. Um beides gewährleisten zu können, muss also neben dem Platz am Boden und an der Seite auch Sicht vorhanden sein, um die Umgebung einzuschätzen und eine Route auf Grund der Bewegung, bzw. der prognostizierten Bewegung anderer Menschen zu planen. Eine sichere Bewegung benötigt also Platz und Sicht. Fasst man diese Parameter zusammen, ergibt sich ein Platzbedarf für die in Geschwindigkeit, Richtung und Gangart selbstbestimmte und konfliktfreie, multidirektionale Bewegung von ca. 3m2 pro Person. Dieser Wert entspricht einem Level Of Service A.

Schematisch: Platzbedarfe / Level of Service nach Fruin Die Direktionalität der Bewegung hat maßgeblichen Einfluss auf den Platzbedarf.


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Schematisch: Gehgeschwindigkeit / Personendichte nach Guide to Safety at Sportsgrounds

Geschwindigkeit m / sek

Personen m2

Eine eindirektionale Bewegung wie die der Besucher, die vom Bahnhof oder Parkplatz zum Veranstaltungsort oder zurück, benötigt deutlich weniger Platz pro Person als multidirektionale Verkehre, da einige Parameter nicht oder nur stark eingeschränkt abgefragt werden müssen. Gehen alle in die gleiche Richtung, wird der benötigte Raum für die Sicht nach vorne zur Abschätzung der Bewegung anderer und der Anpassung der Route deutlich geringer. Und auch der Platzbedarf beschränkt sich auf die Schrittlänge, die laterale Balancierung sowie das individuelle Sicherheitsgefühl des Besuchers. In einfachen Selbstversuchen kann man leicht nachvollziehen, dass eine Personendichte von 2 – 3 Personen / m2 in eindirektionaler Bewegung problemlos ist und bei 3 Personen / m2 ein maximaler Durchfluss erreicht wird. Dies entspricht jedoch bereits einem LOS E. Hierbei muss man wissen, dass eine direkte Korrelation zwischen Personendichte und Gehgeschwindigkeit besteht:

Schematisch: Gehgeschwindigkeit / Personendichte nach Guide to Safety at Sportsgrounds

erhöhter Personendichte von >3 P/m2 wieder abzunehmen. Das ist z.B. zur qualitativen Bemessung von Fluchtwegen oder Verkehrswegen zum Ein- und Auslass von großer Wichtigkeit.

Grundsätzlich gilt das einfach nachzuvollziehende Prinzip: Mit zunehmender Personendichte nimmt die individuelle Gehgeschwindigkeit ab. Diese mehr oder weniger lineare Abwärtsbewegung (je mehr Personen, desto geringer die individuelle Geschwindigkeit) nimmt der Personenfluss im Vergleich zur individuellen Geschwindigkeit nicht. Der Personenfluss beschreibt, wie viele Personen pro Breiteneinheit (Meter) und Zeiteinheit (Minuten) eine bestimmte Linie gemessen in Personen/Meter/Minute (P/m/min) passieren können. Wie in der untenstehenden Grafik ersichtlich, nimmt der Personenfluss mit steigender Dichte zuerst einmal zu, um dann bei

Schematisch: Zusammenhang Personendichte in m2 und Personenfluss P/m/min nach Still Bei einer Personendichte von 3 Personen / m2 in Bewegung kann ein Durchfluss von bis zu 80 Personen/m/min erreicht werden. Dieser Wert findet sich auch in der DIN EN 13200 -1 (Anhang E), in der der z.B. aus der Musterversammlungsstättenverordnung bekannte Wert zur Fluchtwegbemessung einen 2 Minuten-Zeitwert erhält. Also 200 darauf angewiesene Personen können einen 1,2m breiten Ausgang in 2 Minuten durchlaufen. Dieser Personenfluss von 200P / 1,2m / 2

Schematisch: Zusammenhang Personendichte in m2 und Personenfluss P/m/min nach Still

Personen m / min

Personen m2 Nr. 02/2017


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S i c herheitskultur

Minuten lässt sich in 83 Personen pro Meter pro Minute umrechnen und deckt sich im Großen und Ganzen mit dem oben beschriebenen Diagramm. Zu beachten ist jedoch, dass der ein optimaler Wert ist und nur erreicht wird, wenn die Umgebungsbedingungen wie Beleuchtung, Bodenbeschaffenheit, Geradlinigkeit, Orientierungsmöglichkeiten etc. stimmen.

Beispiel: Eine Auslassroute mit 5m Breite als Verbindung zu einem ÖPNV-Anschluss verfügt über eine rechnerische Kapazität von 400P/min (5 x 80 Personen/m/min) – vorausgesetzt, die Umgebungsbedingungen lassen diesen Durchfluss zu. Dies bedeutet natürlich auch, dass 400 P/m/min den ÖPNV-Bahnhof erreichen. Hier stellt sich also die Frage, wie hoch der Abfluss ist – sprich, ob diese Anzahl Personen dort abtransportiert werden kann und wenn nicht, wie groß das Delta ist. Dieses Delta wiederum bestimmt die Geschwindigkeit, mit der sich ein Bahnhof und die angrenzenden Bereiche füllen. Können dort nur 100 Personen/min abtransportiert werden, ist im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Flächenressourcen zu errechnen, ob die Flächen als Pufferbereich ausreichen bzw. wann die zur Verfügung stehenden Flächen ihre Kapazität erreicht haben bzw. überschreiten. Ist der Bahnhof für die Anzahl abreisender Personen nicht angemessen dimensioniert, muss also entweder die Abtransportrate erhöht, der Bahnhofsbereich erweitert oder aber die Anzahl der ankommenden Personen reduziert werden.

Dieses einfache Beispiel zeigt, wie mit einfachen Methoden und wenigen Zahlenwerten die Angemessenheit von Zuschaueranlagen bewertet werden kann und welche Stellschrauben betätigt werden müssen, um Angemessenheit herzustellen. Grundsätzlich gilt, dass wenn die Anzahl zuströmender Personen größer ist als die

Anzahl abfließender Personen, ein Rückstau entsteht, eine Ansammlung von Menschen. Nan > Nab = Entstehung Rückstau / Ansammlung von Menschen Diese Situation ergibt sich im Veranstaltungskontext regelmäßig. Nicht nur wie im o.g. Beispiel bei der Abreise, sondern auch an den Einlassbereichen oder an der Bühne, wo für eine lange Zeit die Anzahl der abfließenden Personen 0 beträgt. Wo immer dieses Delta besteht, muss der Planer prüfen, ob die Bereiche für die Anzahl der Personen geeignet ist oder nicht. Dies zu berechnen ist kein Hexenwerk und die Kalkulation einfache Mathematik. Ist das Delta zu hoch und die Aufstellflächen nicht angemessen, muss man entweder die Aufstellfläche erweitern, das Nan reduzieren oder das Nab erhöhen. Schwieriger wird diese Betrachtung, wenn die Bewegung der Besucher nicht eindirektional verläuft, sondern verschiedene Richtungen aufweist. Für diese Situation kann die Zeit-Raum-Analyse hilfreich sein. Siehe Handlungshilfe Seite 38.

Fazit Die DIM ICE Matrix und das RAMP-Model dienen dazu, vorhandene bzw. geplante Flächen, Auf- und Einbauten, Besucheranlagen sowie Verkehrswege und -routen einer Veranstaltung und deren Zusammenspiel in Größe, Ausrichtung und Funktion zu erfassen. Hierbei wird sowohl der Normalbetrieb als auch der Notfallbetrieb betrachtet. Die Inventarisierung kann im Folgenden mit Hilfe des Levels Of Service Konzepts – LOS im Hinblick auf den Platzbedarf der Besucher während der Nutzung geprüft und bewertet werden. Zu berücksichtigen ist, dass je mehr Leistungen in einem Bereich angeboten werden, je länger ein Aufenthalt wird und je multidirektionaler die Bewegung auf einer Fläche ist, der Besucher umso mehr Platz benötigt, um die angebotenen Leistungen dort in freier Bewegung zu nutzen. Da Platz jedoch nur einmal vorhanden ist, ist der Besucher darauf angewiesen, ihn sich mit anderen zu teilen. Die multidirektionale Bewegung zur Nutzung unterschiedlicher Angebote bindet den Besucher länger auf einer Fläche und der Platzbedarf für Wegfindung, Konfliktvermeidung und Routenberechnung nimmt zu. Die Spanne des benötigten Platzes in der Bewegung beläuft

sich auf zwischen 0,3m2 / Person in eindirektionaler und 3m2 / Person in multidirektionale Bewegung. Höhere statische Dichten von 5, 6 oder auch mehr Personen / m2, wie sie regelmäßig direkt vor Bühnen entstehen, sind daher die falsche Perspektive zur Beurteilung kritischer Personendichten. Für sich betrachtet stellen sie noch kein Problem dar, werden aber dann problematisch, sobald dynamische Impulse wie energetisches Tanzen oder sonstige Bewegungen von innen oder außen auf die Menge einwirken, sich durch die Menge fortsetzen und Ausgleichbewegungen nach sich ziehen, für die auf Grund der Personendichte kein Platz am Boden zur Verfügung steht. Das Gleiche gilt für eine Notfallsituation, die eine schnelle Bewegung der Menschen bedarf. Solche Situationen bedingen einen Wechsel des Grundzustands von statisch zu dynamisch, für den der Mensch Raum zum Expandieren braucht; um Schritte vorwärts zu setzen, für die seitliche Armbewegung und um Sicht zur Orientierung und Routenfindung zu erlangen. Wenn dieser Platz fehlt, wird eine Personengruppe von 5 Personen / m2 instabil und birgt die Gefahr eines Sturzes. Unter Crowd Management Aspekten ist daher die Planung eines Raums und die damit einhergehende sichere Befüllung eine Frage der Nutzung, die dieser Raum erfahren soll in Kombination mit dem angebotenem Design. Unterschiedliche Levels Of Service für unterschiedliche Nutzungen bestimmen dabei die Grenzen von Sicherheit und Komfort.

Literatur: Fruin, John J. (1987) Pedestrian Planning and Design. Second Revised Edition. Elevator World Inc. Still, Keith G (2013) Introduction to Crowd Science. Taylor & Francis Group. Department for Culture, Media and Sport (2008). The Guide To Safety At Sports Grounds. London: The Stationary Office DIN EN 13200-1. Zuschaueranlagen – Teil 1: Allgemeine Merkmale für Zuschauerplätze; Deutsche und Englische Fassung prEN 13200-1:2017.

Im nächsten Teil der Miniserie beleuchten wir das Zusammenspiel der Faktoren Design, Information & Management am Beispiel einer organisiert geführten Einlasssituation.


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Was bisher geschah 2017 01.10.

(FRA) 29 Verletzte bei Stadionunglück 06.10.

(UK) Starkes Gedränge lässt Polizei Tor zum Stadion öffnen Nachdem das Tor zum Stadion aufgrund von Terrorismusbefürchtungen ohne weitere Informationen geschlossen wurde, kam es in dem Bereich, der im direkten Zugangsweg zu einer stark besuchten Kirmes liegt, zu dichtem Gedränge. Als Menschen versuchten, über das Tor zu klettern, um dem Gedränge zu entkommen, erzwang die Polizei die Öffnung des Tores.

Bei einem Spiel in der ersten französischen Liga ist während des Torjubels der Fans ein Sicherheitsgeländer der Tribüne eingebrochen. Die Zuschauer stürzten den Graben zwischen Tribüne und Spielfeld. 29 Personen wurden dabei verletzt, fünf von ihnen schwer. 07.10.

Tödlicher Arbeitsunfall auf Oktoberfest in Essen Ein 36jähriger Mann wurde durch einen herabstürzenden Heizungstank tödlich verletzt. Der Veranstalter sagte daraufhin das Oktoberfest ab. 09.10.

Tänzerinnen retten sich in letzter Sekunde – Bühne im Saal der Wolkenburg kracht ein Mitten in der Tanzvorführung tat sich ein ca 1,60 x 0,80m großes Loch auf – verletzt wurde niemand. Die Veranstaltung wurde fortgeführt, das Loch wurde mit einer Kordel „gesichert“.

09.10.

(UK) Sicherheitsdienst wird handgreiflich gegenüber Fans, Neck Deep-Show wird abgesagt Die Nottingham Rock City Show wurde abgesagt, nachdem die Security unverhältnismäßig ruppig mit Crowdsurfern im Publikum umgegangen war.

10.10.

(USA) Zuschauer verklagt nach Ballwurf Basketball-Club Der 60-jährige Kläger wurde von einem Foul-Ball im Gesicht getroffen und erblindete einseitig. Der Mann warf dem Club fahrlässiges Handeln bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen vor.

13.10.

(USA) 16-Jähriger kollabiert die Lunge nach „One Direction“-Konzert Die durch exzessives Schreien bei einem One Direction Konzert kollabierte Lunge eines 16jährigen Mädchens brachte dem Fan einen Beitrag im “Journal of Emergency Medicine“ ein.

12.10.

Verletzte bei misslungener Pyro-Show: Barkeeper nach Feuer in Kölner Disco verurteilt Der Barkeeper, der auf Anweisung der Diskothek-Betreiber „Nachtflug“ an Christi Himmelfahrt 2015 die Feuershow inszeniert, hatte 76-prozentigen Jamaika-Rum auf die Theke gespritzt und dann noch einmal ordentlich nachgegossen, als es zu der Stichflamme kam. 15.10.

(UK) Kirmes-Fahrgeschäft bleibt stecken Mehr als 30 Besucher einer Nordenglischen Kirmes steckten auf 21 Metern Höhe in der Gondel eines Fahrgeschäfts fest und konnten von der Feuerwehr erst nach Stunden mit Hilfe eines Krans befreit werden.

20.10.

Buttersäureanschlag in Münchener Club Ein chemischer Geruch führte zur Evakuierung eines Clubs in München. Verletzt wurde niemand. Facebook “f ” Logo

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Facebook “f ” Logo

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Nr. 02/2017


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U nbequeme G edanken

Unbequeme Gedanken – Teil 2 – Regelmäßig veröffentlichen wir auf unserer Facebookseite nicht nur Informationen über aktuelle Ereignisse, Zwischenfälle in der Veranstaltungswelt und unsere anstehenden Kurse. Manchmal nutzen wir die Plattform auch, um die Gedanken los zu werden, die sich beim Lesen verschiedener Meldungen ansammeln. Um Dinge auch kritisch zu kommentieren und einfach unsere Meinung zu sagen.

Ein Kommentar des IBIT Folgender Kommentar bezieht sich auf den Anschlag auf ein Konzertgelände in Las Vegas, bei dem am 01.10.2017 59 Besucher getötet, über 500 weitere verletzt wurden. Zuerst veröffentlicht auf Facebook am 17.10.2017 machen wir uns Gedanken über Vorwürfe einzelner Besucher, das Sicherheitspersonal habe auf die Situation nicht angemessen reagiert: Grundsätzlich besteht – das setzen wir einfach mal als gegeben voraus – kein Zweifel daran, dass alle, die bei Veranstaltungen arbeiten, eine Rolle im Rahmen der Notfallprozedere haben. Diese Rolle kann eher passiv sein, d.h. sich auf das Ausführen von Anordnungen konzentrieren oder auch aktiv, d.h., eine bestimmte (pro)aktive Handlung ausführend. Dabei ist es die Aufgabe des Unternehmers, dafür zu sorgen, dass alle notwendigen Informationen vorliegen / eingeholt werden, die es braucht, diese Rolle zu realisieren und dass alle notwendigen Informationen an das Personal weitergegeben und diese Personen idealerweise hierin sogar trainiert werden. Dies gilt für die ständigen Dienstleister z.B. einer Arena genauso wie für temporäre Einsätze. Hier gibt es – mit aller Vorsicht formuliert – sicherlich noch Verbesserungsbedarf. Dass dieses Training aber so weit geht, diesen Leuten eine

aktive Handlung und Aufgabe im Falle eines Szenarios wie dem hier genannten zuzuweisen, geht sicherlich (viel) zu weit. Niemand kann z.B. dem Spotlight-Fahrer die Verantwortung aufbürden, selbst zu entscheiden, das Licht an- oder lieber auszuschalten – die Notwendigkeit hierfür ist lageabhängig und die Konsequenzen möglicherweise gravierend. Licht aus, damit der Schütze nichts mehr sehen kann (mit ihm aber auch die Flüchtenden)? Oder extra Licht an, damit die Flüchtenden (und der Schütze) besser sehen können?

Die eigene Handlungskompetenz Natürlich muss – dies allerdings für jede Veranstaltungsstätte spezifisch – sehr genau überlegt werden, ob es Prozedere gibt, die immer gelten und – ACHTUNG, hier kommt der interessante Teil – ohne Eigengefährdung umgesetzt werden können. Es macht aber einen Unterschied, ob im Rahmen eines Brandszenarios und einer hierdurch ausgelösten Räumung bestimmte Standardszenarien, die im Vorfeld festgelegt (und geübt) wurden, umgesetzt werden oder ob man mit einer Situation konfrontiert wird, die die eigene Handlungskompetenz einfach weit übersteigt. Wir haben uns an dieser Stelle mehrfach dafür ausgesprochen, dass wir uns auf einen

solchen Angriff vorbereiten müssen – und das tun wir auch hier. Zwischen “vorbereitet sein um adäquat zu handeln” (Stichwort: run – hide – tell) und “vorbereitet sein, um eine aktive Rolle zu übernehmen” (also eher dem amerikanischen Ansatz des “run – hide – fight” folgen) besteht aber ein riesiger Unterschied – und das ist auch sehr gut so. Was ist aber mit denen, die “für die Sicherheit” da sein sollen? Die Mitarbeiter / -innen des privaten Sicherheits- & Ordnungsdienstes? Kann man von diesen Kräften erwarten, dass sie in einer solchen Situation Ruhe bewahren, auf ihrer Position bleiben und den Flüchtenden den Weg weisen?

Verbesserung der Aufmerksamkeit Auch hier sicherlich ein klares nein. Weder sind noch werden sie hierauf vorbereitet. Natürlich haben sie eine aktive, führende Rolle im Rahmen von Räumungen und Veranstaltungsabbrüchen – aber auch das hat immer dort Grenzen, wo der Eigenschutz beginnt. Und natürlich könnte man dies ganz immens und sicherlich auch mit großem Erfolg verbessern – sicherlich jedoch nicht mit den aktuellen Voraussetzungen, wie sie in dieser Branche zu finden sind. Was es viel eher braucht, ist ein neu überdachtes ganzheitliches Konzept, das auch die geänderte Sicherheitslage berücksichtigt


– so muss doch überlegt werden, ob die üblichen Überlegungen zur Selbstrettungsmöglichkeit der Besucher, die auf einem Brandereignis basieren, heutzutage so noch funktionieren, oder ob man tatsächlich ein “active shooter scenario” als Auslöser einsetzen muss? Eine Durchflussgeschwindigkeit von 2 – 6 Minuten bei einem Brand mag im Hinblick auf die geltenden baurechtlichen Standards absolut ausreichend und angemessen sein – wenn jemand mit einem Gewehr hinter einem steht, kann das jedoch ganz schön lang sein. Langer Rede kurzer Sinn: alle bei einer Veranstaltung Anwesenden müssen ihre Aufgaben / Rolle in einem Notfallszenario kennen und vorbereitet sein, diese Aufgabe / Rolle zu erfüllen. Und da gibt es eine Menge zu wissen (Ortskenntnis haben, Sammelpunkte kennen, Alarmierungen auslösen können, Türen schließen oder öffnen, nicht einfach nach Hause gehen, ohne sich abzumelden usw.) und zu tun. Dazu gehört sicherlich auch, deutlich mehr über so etwas

Foto: Mario Roberto Durán Ortiz

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Das Gelände des Route 91 Harvest Festivals (links) und das Mandalay Bay Hotel (rechts)

wie „awareness“ nachzudenken – also einer grundsätzlichen Verbesserung der Aufmerksamkeit gegenüber allen sicherheitsrelevanten Auffälligkeiten (ehrlicherweise wären wir manchmal ja schon froh, wenn jemandem auffallen würde, dass z.B. ein Tisch vor einem Notausgang steht oder

dass noch die Verbotsschilder der letzten Show am Einlass hängen). Aber was auch immer als Aufgaben definiert, geschult und trainiert werden: die Übernahme von Heldenaufgaben gehört jedoch sicherlich nicht dazu.


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V eranstalten in einer si c h wandelnden G esells c haft

Barrierefreie Veranstaltungskonzepte Auch für den Krisenfall gut vorbereitet

Von Kerstin Hoffmann-Wagner & Gudrun Jostes

Eventplaner und Messeveranstalter sind bestrebt, Konzepte für barrierefreie Veranstaltungen zu planen und umzusetzen, um allen Besuchern und Teilnehmern eine möglichst selbstständige, unbeschwerte Zugänglichkeit und Teilhabe zu ermöglichen. Wie zu jeder Veranstaltung gehört auch hier ein fundiertes Konzept für den Krisenfall dazu, vor allem für den Fall einer Räumung des Eventbereichs. Es muss gewährleistet sein, dass alle Teilnehmenden, auch diejenigen, die nicht zur Eigenrettung fähig sind, im Krisenfall reibungslos und unbeschadet den Veranstaltungsbereich verlassen können.

Die Voraussetzungen dafür werden bereits in der Konzeption der Veranstaltung geschaffen und setzen sich im gesamten Planungsprozess fort. Konzepte, die im störungsfreien Ablauf einer Veranstaltung gut laufen, sollten präventiv auch für den Krisenfall angepasst werden. Dazu gehören beispielsweise Fragen nach einem reibungslosen Räumungskonzept für den Event und danach, was speziell für Menschen mit Mobilitäts- oder Sinneseinschränkungen zu beachten ist. Sie sollten ebenso lösungsorientiert erörtert werden wie die Frage danach, wie alle Besucher gleichermaßen informiert und

beim Verlassen von Gebäuden unterstützt werden.

Ein Fall für Expertenteams Jede Sekunde zählt bei einer Evakuierung oder Räumung. Wege und Notausgänge müssen verlässlich frei begehbar und deutlich erkennbar sein, um keine zusätzlichen, zeitintensiven Hürden überwinden zu müssen. Hier sind in erster Linie die Anbieter und Betreiber von Locations gefragt, denn bereits bei der Planung von Gebäuden mit all‘ ihren Zuwegungen müssen besondere Einschränkungen oder Bedürfnisse von Besuchern und Teilnehmern einbezogen werden. Hierbei sollten sich die Maßnahmen für Alarmierungs- und Räumungskonzepte für den Brandfall und die barrierefreien Maßnahmen für eine im Krisenfall notwendige Räumung ergänzen. Eine Aufgabe, die nur in enger Zusammenarbeit mit Sicherheitsexperten und Experten auf dem Gebiet barrierefreies Bauen gelöst werden kann. Neben technischen, baulichen und sicherheitsrelevanten Kenntnissen sind ebenso Erfahrungen bezüglich der Möglichkeiten und Bedarfe von Menschen mit Mobilitätsund Sinneseinschränkungen gefragt, sodass der Komplexität von Räumungskonzepten


Foto: Christoph Heiliger

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Bei der Umsetzung barrierefreier Räumungskonzepte muss neben den baulichen und technischen Bereichen Veranstalten in einer sich wandelnden Gesellschaft auch das Personal eingebunden werden

in der Planung Rechnung getragen werden kann. Auch hierfür gibt es Experten, die diesbezüglich beratend hinzugezogen werden können. Selbstverständlich müssen auch die nutzungsabhängigen Besonderheiten von Locations in die Planungen mit einbezogen werden – geht es z.B. um die Nutzung für einen Event oder eine Messe, unterscheiden sich die Besucherströme zum Teil deutlich und müssen in die Räumungskonzeption eingebunden werden. Ziel ist ein schlüssiges, barrierefreies Räumungskonzept.

Einbindung geschulten Personals Bei der Umsetzung barrierefreier Räumungskonzepte muss neben den baulichen und technischen Bereichen aber auch das Personal eingebunden werden. Ein durchdachtes und verständliches Leit- und Informationssystem, muss im Krisenfall alle Besucher und Teilnehmer gleichermaßen erreichen und informieren. Dies sollte in einer solchen Ausnahmesituation von gut geschultem Personal unterstützt werden. Notwendig sind in erster Linie regelmäßige Schulungen von Mitarbeitern der Location. Denn im Falle einer Evakuierung legen sie ein besonderes Augenmerk auf Menschen, die nicht zur Eigenrettung fähig sind. Sie müssen genauestens um

die Wege und z.B. sichere Evakuierungsbereiche wissen und darüber informieren können. Ebenso geschult und eingewiesen werden müssen Mitarbeiter von am Event beteiligten Sicherheitsdiensten sowie des Veranstalters. Kenntnisse der Flucht- und Rettungswege sind dabei ebenso wichtig wie das Bewusstsein darüber, Fluchtwege durchgängig frei zu halten und nicht durch Veranstaltungs- oder Messeequipment zu verstellen.

Kommunikation ohne Barrieren im Krisenfall Eine überaus wichtige Rolle spielen die Kommunikationswege für den Krisenfall. Es ist darauf zu achten, dass alle Teilnehmenden wichtige Informationen erreichen. Hier ist das 2-Sinne-Prinzip zu berücksichtigen. Hiernach werden neben akustischen Signalen und Durchsagen durchgängig auch visuelle Informationen zum Einsatz kommen, die gerade für Menschen mit Hörbehinderungen unverzichtbar sind. Neben kurzen Botschaften über Anweisungen zur Räumung zeigt sich hier, wer in seiner Location über ein schlüssiges und optisch einfach darstellbares Leitsystem zu den Notausgängen verfügt. Auch die persönliche Ansprache durch das vorab für den Krisenfall geschulte

Veranstaltungspersonal gehört unbedingt in das Krisenkommunikationskonzept. Hier stehen persönliche Information und schnelle Entscheidungen über nötige Unterstützung zum Verlassen des Gebäudes im Vordergrund. Zu Beginn von Veranstaltungen sollten durch den Veranstalter oder durch Moderatoren Hinweise auf die gekennzeichneten Flucht- und Rettungswege sowie Informationen über das für den Krisenfall geschulte Personal gegeben werden. Spezielle EventApps können hier zusätzliche Informationen über Flucht- und Rettungsmöglichkeiten und Verhaltensregeln im Krisenfall geben.

Barrierefreiheit – immer ein Gewinn Ein gutes barrierefreies Veranstaltungskonzept ist im Krisenfall für alle von Vorteil, da die Barrierefreiheit und das durchgängige, taktile, visuelle und akustische Leit- und Orientierungssysteme eine geordnete Evakuierung vereinfachen. Empfehlenswert sind regelmäßige Krisenübungen, die den reibungslosen Ablauf von Entscheidungen und die Umsetzung von notwendigen Maßnahmen trainieren. So wird gewährleistet, dass nicht nur die Teilhabe an Veranstaltungen für Alle ermöglicht wird, sondern auch für die Sicherheit aller Teilnehmenden gesorgt wird. Nr. 02/2017


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R e c htsfragen der V eranstaltungswelt

Sturm statt Show? Jeden Tag finden in Deutschland zahlreiche Veranstaltungen statt. Groß und klein, Indoor und Outdoor. Viele dieser Veranstaltungen hatten in diesem Jahr mit Wettererscheinungen verschiedenster Art zu kämpfen. Ob Dauerregen in Verbindung mit dem völlig durchnässten und nicht mehr tragfähigen Boden, Sturm oder Blitzeinschläge: viele Veranstaltungen mussten verschoben, unterbrochen oder abgesagt werden. Von Christian Raith

Die Wetterwarnung Wie sieht es aber aus, wenn der Sturm sich genau für meine Veranstaltung ankündigt? Wenn ich 2 Stunden vor „Doors-Open“ eine Wetterwarnung bekomme? Habe ich die Veranstaltung ordentlich geplant, rufe ich den Beratungsstab zusammen und diskutiere die ebenfalls vorgeplante Räumung des Geländes, die Organisation der Zufahrtsbzw. Abfahrtswege und die Leitung des Verkehrs. Erfahrungsgemäß tauchen trotz dieser Planung im Ereignisfall in der Praxis aber immer noch Fragen auf - zum Beispiel: Was macht man eigentlich mit Personen, die gar nicht mehr fahrtauglich sind? Aber auch hier gilt: je besser ich mich vorbereitet habe, desto leichter finden sich auch Antworten auf die spontan auftretenden Fragen.

Die Entscheidung liegt beim Veranstalter „Früher“ haben Behörden beim Thema Wetter gerne eine Empfehlung abgegeben oder sogar die Veranstaltung beendet bzw. unterbrochen. Der Trend zeigt jedoch, dass dies eher nicht mehr der Fall ist, haben die die Behördenvertreter doch Angst, falsche Entscheidungen zu treffen und vom Veranstalter mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden. So zumindest ist die Aussage von zahlreichen Behördenvertretern,

die ich im Laufe meiner Tätigkeiten kennen gelernt habe. Die Entscheidung liegt also beim Veranstalter, der nun die Aufgabe zu entscheiden, ob ich meine Zuschauer zurück zu den Autos schicke oder zur Bahn und das Konzert absage – eine Entscheidung, die nicht nur Auswirkungen auf die Sicherheit, sondern auch auf die Finanzen und möglicherweise die Zukunft des gesamten Unternehmens hat. Nehmen wir ein Festival mit 10.000 Besuchern, eine überschaubare Größe im Vergleich zu den Dimensionen, die manche Festivals zu bieten haben. Den Eintritt bemessen wir mit 50 Euro – also heutzutage auch eher im unteren Bereich für ein Festival. Dazu rechnen wir mit 15 Euro pro Person noch ein wenig Gastro- und Merchumsatz. Insgesamt macht das einen Umsatz von 650.000 Euro für diesen Abend / Tag. Wie wird nun wohl ein Veranstalter entscheiden, wenn er weiß, dass er diese Einnahmen „ausbuchen“ muss, gleichermaßen aber komplett auf den Kosten sitzen bleibt. Nehmen wir für die Kosten fiktiv 500.000 Euro an (in der Realität wohl eher mehr, sonst wäre der Gewinn schon sehr erfreulich). An Einsparungen ist nicht mehr zu denken, denn 2 Stunden vor „Doors“ ist bereits vor Ort: das Personal, die Technik,

das Catering und natürlich der höchste Kostenblock, die Künstler. Wenn der Veranstalter im Vorfeld ein wenig die AGB der jeweiligen Dienstleister gelesen hat und auch den Künstlervertrag, dann weiß er, dass er hier voll leisten muss. Einzig die Gema wird wahrscheinlich nicht anfallen, das ist aber nur ein kleiner Trost. Nun steht der Veranstalter da: auf der einen Seite eine Gewitterfront, die wahrscheinlich genau über das Gelände zieht und auf der anderen Seite 500.000 Euro, die er verlieren wird, wenn er absagt. Jetzt nehme ich im Nachbarort die gleiche Veranstaltungsgröße und auch die gleichen Zahlen, nur mit dem Unterschied, dass dieser Veranstalter sich eine Versicherung gegen Ausfall durch „Wetter“ geleistet hat. Sicherlich keine leichte Entscheidung, denn immerhin nimmt ihm der Versicherer dadurch ein wenig von seinem Gewinn – in der oben genannten Größenordnung ca. 10.000 Euro. Auch dieser Veranstalter steht nun vor der gleichen Entscheidung. Er weiß aber, dass er keine finanziellen Einbußen haben wird und der Versicherer die Kosten, bzw. auch den Gewinn ersetzten wird, wenn er dies mitversichert hat. Er kann also relativ gelassen zu Gunsten der Sicherheit der Besucher entscheiden und weiß auch, dass er nächstes Jahr wieder veranstalten kann.


Foto: Robert Anders - www.flickr.com/photos/schwarzbrot/20447504269

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Nicht alle Veranstalter haben Glück mit dem Wetter

Ob das der Kollege nebenan ohne Versicherung auch noch kann, wenn er nicht nur 500.000 Euro Kosten tragen muss und für ihn auch sein Gewinn nicht realisiert wird... das ist eher fraglich. Ich behaupte also, dass eine richtig abgeschlossene Ausfallversicherung durchaus auch ein Sicherheitsaspekt ist, der sich im Sicherheitskonzept wiederfinden sollte. Nun ist das Thema „Sturm“ ja fast schon alltäglich – wie sieht es aber mit folgenden Szenarien aus: 4 Terrordrohung gegen meine Veranstaltung 4 ein Attentat in der näheren Umgebung, so dass ich aus Pietätsgründen nicht veranstalten kann 4 sintflutartige Niederschläge während der Aufbauphase, so dass ich nicht rechtzeitig mit dem Aufbau der Infrastruktur fertig werde? 4 Streik der LKW Fahrer, so dass die Bühne nicht rechtzeitig kommt 4 Ausfall des Künstlers aufgrund von Krankheit? 4 Ausfall der Flüge der Band aufgrund einer Aschewolke 4 Seuche oder Epidemie (Vogelgrippe, Rinderwahn, Schweinepest, oder oder oder)

4 Fund einer Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg in der Umgebung All diese Punkte und natürlich noch viel mehr gefährden den normalen Ablauf einer Veranstaltung und es sind nicht mehr nur die Outdoorveranstaltungen, die betroffen sind, sondern Veranstaltungen jeglicher Art. Das soll nun aber nicht heißen, dass man besser gar nicht veranstalten soll, da das Risiko zu unkalkulierbar ist. All die oben genannte Ereignisse lassen sich relativ leicht und gut kalkulierbar absichern. Das Zauberwort heißt hier „Ausfallversicherung“ mit den passenden Einschlüssen bzw. Sonderklauseln wie Pietät, Terror, adversed weather oder Nichtnutzbarkeit. Letztendlich gibt es keine Veranstaltung, die zu klein wäre, um nicht versichert zu werden. Selbst eine Hochzeitsfeier mit 10.000 Euro Kosten sollte bedacht werden – die Absicherung ist ja entsprechend günstiger. Die Ausfallversicherung kann für jede Größe und für jede Veranstaltungsart budgetiert werden. Oftmals wissen Veranstalter gar nicht, gegen was sie sich mit welchem Aufwand oder unter welchen Bedingungen absichern können, aber selbst wenn eine Versicherung abgeschlossen wurde: das Entscheidende ist immer der Blick ins Kleingedruckte. Gerade im Veranstaltungsbereich

mit seinen vielfältigen Terminologien und den vielen Möglichkeiten kann es schnell vorkommen, dass der eine (der Versicherer mit seiner Terminologie) und der andere (der Veranstalter mit seiner Terminologie) aneinander vorbeireden bzw. -schreiben. Zumeist geht dies auf Kosten des Veranstalters, der sich versichert glaubt, es aber nicht ist. Oder aber man liest zwar den Passus mit den Versicherungungsbedingungen – verkennt aber möglicherweise nicht die Bedeutung dessen, was da eigentlich alles ausgeschlossen wird.

Schlusswort Bewusst habe ich heute nur das Thema Ausfallversicherung gewählt, denn ich denke, dass den Veranstaltern mittlerweile bekannt ist, dass sie zwingend eine Veranstalterhaftpflichtversicherung abschließen sollten, damit Personen- und Sachschäden der Besucher abgedeckt sind. Zusätzlich empfehlenswert wäre dann noch eine Ausrüstungs- und Elektronikversicherung, da Schäden in diesem Bereich schnell hohe Kosten verursachen und durch die Haftpflichtversicherung nicht abgedeckt sind. Eine Versicherung ist ein Kostenpunkt keine Frage. Es sollte sich allerdings jeder Veranstalter gut überlegen, welches Risiko er für ein wenig mehr Gewinn einzugehen bereit ist. Nr. 02/2017


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M o derne S i c herheitsplanung

Smart Crowds Smartphones and Intelligent Digital Assistants: a new frontier in crowd management

Prof. Dr. Paul Lukowicz

Figure 1. 4 Information that can be extracted from participatory sensing using smartphones of event visitors. Beyond mere distribution of people (crowd density), sensor based motion analysis can be used to derive quantitative assessments of parameters such as crowd velocity, pressure distribution, and degree of turbulence. The top image shows a snapshot of such an analysis from the “Zürifest” 2013 festival that DFKI Kaiserslautern and ETH Zurich have captured in the course of the SOCIONICAL EU project. From the same event the bottom images show a spatial aggregation revealing the way people move through the city. Left bottom picture shows color coded speed of motion during two different events. 1. Fireworks display (22:45) and the aftermath of the fireworks display (23:50) as people leave the event.

Today, personal digital assistants are becoming more and more common. All major tech companies either have released or announced one (Amazon Echo, Google Assistant, Apple Siri, etc.). These assistants are embedded in (and increasingly control) more and more devices (from smartphones, through smart TVs and intelligent speakers to cars, smart homes and car infotainment / navigation) and extend their functionality to virtually all areas of people’s every day lives. In particular, people use them to plan activities (e.g. going to a concert, political rally or a sports event), navigate, use public transport, get updates on relevant events (traffic, event schedule changes) and share their experience at the event (through posting tweets, photos, and videos). Already, today a user can say to his iPhone “Siri, I am hungry” and will get a list of restaurants sorted according to his / her preferences with links to call the restaurant, plan a route, call an Uber / Taxi or buy a public transport ticket. From the point of view of crowd management at large scale public events, leveraging the interaction between users and their personal digital assistants offers ground-breaking possibilities in terms of gaining complex, real-time situational awareness and being able to interactively, in real-time implement complex crowd management strategies. The concept is based on three observations: 1. Today, smartphones and personal digital assistants use a variety of sensors (GPS, motion sensors, environmental sensors) to continuously monitor user activity, user state and situation in the user’s environment.


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2. As users rely on their personal digital assistants to plan their activities, navigate etc. the assistants mostly have a good estimate of people’s intentions. To be able to provide optimal service, they also build up elaborate models of user preferences. Thus, the system is likely to have data on how fit the user is and how much he likes to walk, drive, take public transport, contribute to social causes etc. 3. Recent statistics have shown that average users access their smartphone up to 150 times a day (approx. every 10 min). With new devices like smart watches and new services like voice activation personal assistants, this number of daily interactions can be expected to grow even further. Point 1 above means that, assuming that a significant proportion of people have smartphones and use personal digital assistants, a crowd’s distribution and motion parameters can be measured in significant detail during an event. Three things are particularly noteworthy: 4 The measurement can be done in near real-time. 4 Aggregating and visualizing the information over the entire event area (including access routes) can provide a uniquely integrated, intuitive view of the situation and an understanding of how people are using the space (see Figure 1). 4 The sensor data can be used to go beyond the visualization of mere crowd distribution. More advanced parameters such as velocity, pressure distribution and turbulence can be estimated. The above is illustrated in Figure 1 on data that was collected during the 2013 Zürifest festival by researchers at DFKI Kaiserslautern and ETH Zürich. Point 2 from above (models of user preferences and intentions) means that, in addition to real-time knowledge about the current state of the crowd, we can also reason about the plans and goals that people within the crowd pursue. Thus, for example if there is a travel group that needs to catch a bus departing soon, we know that they are going to forcefully push toward the appropriate exit. Furthermore, if we know that someone is very unfit we know that he / she is unlikely to follow instructions to take an alternative route that may

be significantly longer or go up hill. Points 1 and 2 together with point 3 (high frequency with which users access their digital assistants and the strong reliance on their advice) facilitate dynamic, interactive and personalized crowd management that is fundamentally different from the way crowd situations are handled today. Thus, instead of reacting to dangerous events as they unfold, we can anticipate them from the overview of the flow of people over the access routes and, most of all, from the knowledge of how people have planned their trips through their personal digital assistants. Secondly, instead of measures that effect everyone in the same way (barriers, public announcements asking everyone to proceed another way), individualized, interactive measures can be applied. Individualized means that everyone can be sent a message tailored to their particular situation, needs and preferences. Thus, when urgent evacuation is required, those who are young and fit can be asked to jump over a small fence while the elderly and frail should be sent down a gentle ramp. When it comes to selecting which group to send out first and where to direct it selecting the group that urgently needs to catch the next train and sending them to the exit that will quickly bring them to the train will most likely be complied with. Interactive means that the results of the measures can be continuously monitored (Are the users complying? Is the required effect being achieved?) and, if needed, the instructions displayed on the smart phone of each user can be modified in real-time. Clearly, there are many issues that need to be considered and require further research and development. First is user motivation: how do we get people to provide the organizers access to their devices and its data? The answer is to make sure that the system not only pulls data from the users, but also provides useful services (e.g. information about the event, electronic tickets, billing etc.). Related is the question of privacy where the key issue is trust. The users must trust the organizers that the information will not be misused and will be deleted as soon as possible. Finally, we must carefully consider when the users are receptive to what type of information. Clearly, someone running from a fire will not spend time studying complex instructions on his / her smartphone.

Was bisher geschah 2017 27.10.

Neues Gutachten im Loveparade-Prozess Sechs Wochen vor Prozessbeginn zum Unglück auf der Loveparade ist ein neues Gutachten erschienen, das nach Angaben der Duisburger Staatsanwaltschaft Fehler bei Planung und Genehmigung der Veranstaltung bestätigte und die Anklage stützt.

31.10.

Großeinsatz auf Halloweenparty Auf einer Halloweenparty in Bad Münstereifel versprühte ein Mann Pfefferspray auf der Tanzfläche. Neun Besucher wurden verletzt und vom Rettungsdienst medizinisch versorgt. Die Feuerwehr konnte die Halle erst rund zwei Stunden später wieder frei geben, die Veranstaltung wurde jedoch nicht fortgesetzt.

01.11.

(UK) Abgewiesene Besucher werfen Absperrungen in den Eingangsbereich Die Veranstaltung „Lost Liverpool“ musste abgebrochen werden, nachdem ca. 100 abgewiesene Besucher aus Frust Absperrungen in den Eingangsbereich geworfen und versucht hatten, diesen zu stürmen.

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S i c herheitsf o rs c hung

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Was bisher geschah 2017

ARGUS, AMBOS, MIDRAS & ORAS 01.11.

Einsatz von Reizgas führt zum Abbruch einer Halloweenparty – 29 Personen verletzt Kurz nach Mitternacht setzte ein Besucher einer Party Reizgas ein. 29 der knapp 1.000 Besucher erlitten leichte Verletzungen, drei von ihnen wurden vorübergehend in Krankenhäuser untergebracht. Der Täter konnte nicht ermittelt werden.

06.11.

Bonn scheitert auch mit Interimsvergabe des Rettungsdienstes Nachdem die Stadt Bonn mit der Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen ohne eine Ausschreibung direkt an Hilfsorganisationen im August 2017 juristisch gescheitert ist, stoppte die Vergabekammer Rheinland jetzt auch die Interimsvergabe für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019.

09.11.

Feuerwehr bespritzt Gaffer mit Wasser Nachdem bei einem schweren Unfall auf der A3 drei Menschen ums Leben gekommen sind, bespritze ein Feuerwehrmann langsam fahrende Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn mit Wasser. Er muss sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten.

10.11.

86-Jähriger fährt mit motorisiertem Rollstuhl in Martinsumzug Bei einem Martinsumzug in Kempen ist ein Kind verletzt worden, nachdem ein Senior die Kontrolle über seinen motorisierten Rollstuhl verloren hatte

Aktuelle Forschungsprojekte zu unbemannten Flugsystemen („Drohnen“) Von Sabine Funk Das Thema der Drohnen, bzw. der unbemannten Flugsysteme, wie sie richtig heißen, beschäftigt uns in Bezug auf die Sicherheit großer Menschenmengen schon eine Weile und taucht auch in schöner Regelmäßigkeit immer wieder auf der Liste der zu klärenden Fragen auf. Obwohl inzwischen eine neue Drohnenverordnung in Kraft getreten ist (siehe Magazin Nr. 01/2017 Seite 26), bleiben viele Fragen offen – insbesondere, was die tatsächliche Abwehr von sich bereits im Anflug oder Überflug befindlichen Objekten betrifft, bzw. die Beantwortung der Frage, ob „das Ding“ nur der Versuch eines Gastes ist, besonders schöne Fotos des Veranstaltungsgeländes zu bekommen oder ob es tatsächliche eine gefährliche Fracht transportiert. Die Lösung dieser Frage ist für den Veranstaltungskontext insbesondere interessant, da die aus einigen Ländern bereits bekannten “no drone zones“ rund um einige der großen Sportstadien, die das Abfangen, ggfs. „Herunterholen“ einer Drohne in einem ungefährlichen, d.h. unbesiedelten Raum ermöglichen, in den dicht besiedelten Veranstaltungsräumen, in denen wir uns häufig befinden, kaum möglich sind. Die Projekte 4 ARGUS: Assistenzsystem zur situationsbewussten Abwehr von Gefahren durch UAS 4 AMBOS: Abwehr von unbemannten Flugobjekten für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, 4 MIDRAS: Mikro-Drohnen-Abwehr-System 4 ORAS: Sensorgestütztes Überwachungs- und Alarmierungssystem zur Detektion und Verfolgung unbemannter Flugsysteme die im Rahmen der Bekanntmachung „Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung“ als Teil der Forschung für die zivile Sicherheit durch das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) gefördert werden, adressieren einige dieser Fragen und beziehen sich in ihren jeweiligen Projektbeschreibungen neben dem Einsatz für z.B. kritische Infrastrukturen auch auf die Einsatzmöglichkeiten und -notwendigkeiten für Stadien und / oder Großveranstaltungen.

Programm: Forschung für die zivile Sicherheit Bekanntmachung: „Zivile Sicherheit – Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung“ Quelle: www.sifo.de/de/bewilligte-projekte- aus-der-bekanntmachungaspekte-und-massnahmen-der-1767.html


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ArGUS: Assistenzsystem zur situationsbewussten Abwehr von Gefahren durch UAS

AMBOS: Abwehr von unbemannten Flugobjekten für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, Bedrohungen durch UAS frühzeitig zu erkennen und zu analysieren. Durch das Zusammenführen von Informationen aus Radar, Kamerasystemen, Mikrophonen und Mitschnitten des Funkverkehrs zur Basisstation sollen die UAS identifiziert und Prognosen über die Flugroute erstellt werden. Da dies natürlich zahlreiche unter anderem datenschutzrechtliche Überlegungen erfordert, beinhaltet das Projekt auch eine Betrachtung der rechtlichen Aspekte.

Das deutsch-österreichische Kooperationsprojekt AMBOS erforscht die Möglichkeiten eines Systems „zur Abwehr von Drohnen in definierten Sicherheitsbereichen“ [online unter: www.sifo.de/files/

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ARGUS

Projektumriss_AMBOS.pdf]

So soll es darum gehen, anfliegende Drohnen zu detektieren, das von ihnen ausgehende Bedrohungspotential zu erkennen und mögliche Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Im Rahmen des Projektes werden dabei von Störimpulsen bis hin zu Netzwerfern unterschiedliche Maßnahmen erforscht. 4

Projektlaufzeit: 03/2017 – 03/2020 Verbundkoordinator: Dr. Gunther Grasemann, Fraunhofer IOSBE Projektziel: Erkennen des UAS bereits vor dem Start am Boden und Erstellung einer Situationsanalyse zur Einleitung geeigneter Maßnahmen. Mehr Informationen unter: www.sifo.de/files/Projektumriss_ArGUS.pdf

MIDR A S: Mikro-Drohnen-Abwehr-System Auch MIDRAS beschäftigt sich mit der Entwicklung innovativer Techniken für die Erkennung und die Abwehr von sog. „Mikro-Drohnen“. Ziel ist die „Detektion und Klassifizierung der Drohnen“ um „den Einsatz von situationsgerechten Abwehrmaßnahmen [zu] ermöglichen.“ [online unter: www.sifo.de/files/Projektumriss_MIDRAS_C3.pdf] Zu diesen Abwehrmaßnahmen gehören unter anderem „die Störung und Beeinflussung der Funksteuerung und GPS-Signale“ sowie möglicherweise auch „der Einsatz von Abfang-Drohnen“ [ebd.].

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MIDRAS

Projektlaufzeit: 05/2017 – 04/2020 Verbundkoordinator: Dominik Franz, ESG Elektroniksystem- und Logistik-Gmb Projektziele: Entwicklung eines modulare Abwehrsystems für Mikro Drohnen, um zeitnah individuelle Sicherheitslösungen anzubieten und die Bausteine in bereits vorhandene Sicherheitsarchitekturen einzugliedern. Mehr Informationen unter: www.sifo.de/files/Projektumriss_MIDRAS_C3.pdf

AMBOS

Projektlaufzeit: 02/2017 – 01/2019 Verbundkoordinator: Hans Peter Stuch, Fraunhofer FKIE Projektziel: Durch das System wird es möglich, unbemannte Flugobjekte frühzeitig zu identifizieren und mittels einer Entscheidungsunterstützung zeitnah eine gezielte Intervention einzuleiten. Mehr Informationen unter: www.sifo.de/files/Projektumriss_AMBOS.pdf

OR A S: Sensorgestütztes Überwachungs- und Alarmierungssystem zur Detektion und Verfolgung unbemannter Flugsysteme Im Forschungsprojekt ORAS soll ein Detektionssystem für anfliegende Kleinstflugkörper entwickelt werden. Das Projekt adressiert insbesondere „unübersichtliche Umgebungen, wie Veranstaltungsplätzen in Innenstädten“ [online unter: www.sifo.de/files/Projektumriss_ORAS.pdf] und setzt dabei sowohl auf den hierfür wichtigen mobilen Einsatz sowie die notwendige Wetterfestigkeit.

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ORAS

Projektlaufzeit: 02/2017 – 01/2020 Verbundkoordinator: Dirk Nüßler, Fraunhofer FHR Projektziele: Entwicklung eines witterungsunabhängiges Detektionssystem das auch mehrere gleichzeitig anfliegende UAS orten und in Bezug auf die von ihnen ausgehenden Gefährdungen analysieren kann.

Nr. 02/2017


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S i c herheitsf o rs c hung

Die Medien und der Wachmann Der folgende Artikel basiert auf dem im Rahmen des Forschungsprojektes ProVOD erstellten qualitativen Branchenbericht, in dem die Situation der Teilbranche der Veranstaltungsordnungsdienste konturiert wird.

Von Sabine Funk

Versucht man, sich nur auf der Basis von Medienberichten ein Bild der Teilbranche der Veranstaltungsordnungsdienste zu erstellen, würde man schnell zu dem Ergebnis kommen, dass es keine gefährlichere, schlimmere, ungeregeltere und problematischere Branche gibt. Zu den regelmäßigen Schlagzeilen gehören z.B. 4 Der Wachmann ist das Risiko [online: www.welt.de/165359437] 4 Fälschungsvorwurf: Ordner schmuggeln sich mit falschen Dokumenten auf die Wiesn

[online: www.focus.de/regional/ muenchen/oktoberfest/oktoberfest-2016faelschungsvorwurf-ordner-schmuggelnsich-mit-falschen-dokumenten-auf]

4 Sorgen bald bewaffnete Ordnungsdienste für Sicherheit? [online: www.wochenblatt.de/nachrichten/ erding/regionales/Sorgen]

4 Private Sicherheitsdienste: Verlierer in Uniform [online: www.spiegel.de/kultur/ gesellschaft/private­sicherheitsdienste­ staat­l agert­verantwortung­aus­a­994647­ druck.html]

ProVOD: Professionalisierung des Veranstaltungsordnungsdienstes Förderer: BMBF Programm: Forschung für die zivile Sicherheit Bekanntmachung: „Zivile Sicherheit – Schutz und Rettung bei komplexen Einsatzlagen“ Projektträger: VDI Projektlaufzeit: 09/2016 bis 08/2019 Koordinator und Ansprechpartner: Dr. –Ing. Frank Friedrich Förderkennzeichen: 13N14114

Terminologie Das erste, was dabei auffällt, ist der kreative Umgang mit der Terminologie. Wird in der Überschrift noch von den „Security Diensten“ gesprochen (Gibt es Sicherheitslücken bei Security­Diensten [online unter: www1.wdr.de/nachrichten/ security­sicherheitsbedenken­100.html]), wirft

die Unterzeile gleich den nächsten Begriff ins Rennen: den Ordner („Ordner sollen bei Konzerten oder Fußballspielen die Besucher schützen. Doch die Schlagzeilen der letzten Wochen wecken Zweifel daran. Gibt es eine Sicherheitslücke bei der Security?“ [ebd]). Das muntere Durcheinanderwerfen von Begrifflichkeiten setzt sich regelmäßig sowohl in den Artikeln als auch – sofern vorhanden – in den dazugehörigen Diskussionsforen fort: da ist von Wachleuten, Security-Wachmännern, Secus, Ordnungskräften, Wachschutzkräften, Veranstaltungsschutzkräften usw. die Rede. Ebenso durcheinander wie die Betitelung der Menschen ist auch die Betitelung der Leistung. Diese heißen Ordnungsdienstleistungen, Veranstaltungsschutz oder Wachschutz bei Veranstaltungen usw. Nun könnte man einfach darüber hinwegsehen, wäre nicht die Tragweite der falschen und / oder unklaren Terminologien so


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immens. Wird einem Veranstaltungsordner vorgeworfen, „es hätte weder eine Zuverlässigkeitsüberprüfung gegeben“ noch hätte er „über die notwendige Unterrichtung nach § 34a“ verfügt, so ist dies schlichtweg falsch – und schafft damit auf der Basis falscher Tatsachen ein noch negativeres Bild einer Branche, die ohnehin schon nicht über zu viel positiven Zuspruch verfügt. Eine Recherche in über 100 themenbezogenen Zeitungsartikeln aus den Jahren 2013–2017 hat ergeben, dass in mehr als 50% der Fälle mindestens die Terminologie, in mehr als 20% der Fälle auch die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen schlichtweg falsch waren. Falsch, weil den Ordnern Sicherheitsaufgaben unterstellt wurden. Falsch, weil nicht zwischen zum Beispiel vereinseigenen Ordnern und gewerblichen Kräften unterschieden wird. Falsch, weil im schlimmsten Fall sogar noch die städtischen „Ordnungsdienste“ mit in den Terminologie-Topf geworfen wurden. Besonders kritisch wird die Berichterstattung dann, wenn sich die Medien – etwa mittels Einsatz eines Lockvogels – Zugang zu den Diensten verschaffen, um Missstände aufzudecken. So berichtet der rbb in dem aktuell online nicht mehr erhältlichen Bericht vom 15.11.2016 „Lücken im Herthaner Sicherheitssystem?“ [Online abgerufen 09.08.2017 unter www.rbb24. de/sport/beitrag/2016/11/sicherheitsluecken-olympiastadion-berlin.html] über einen

ebensolchen weiblichen Lockvogel, der bereits nach einer 45minütigen Unterweisung eingesetzt worden sei und verweist

Im Stadionkontext bewegen sich viele der Akteure weitestgehend ungeprüft (Beispielfoto: Arena Națională, Fußballstadion in Bukarest)

auf die vom DFB geregelte Notwendigkeit einer Zuverlässigkeitsüberprüfung, die es zuvor hätte geben müssen. Nun ist es aber so, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung eine Anforderung aus dem Kontext der gewerblichen Sicherheitskräfte gem. § 34a GewO ist und für Ordner schlicht nicht greift. Man mag darüber streiten, dass es auch für Ordner – genauso wie für die Frittenverkäufer in den Gastronomieständen – sinnvoll sein könnte, auch hier eine Überprüfung der Zuverlässigkeit einzufordern – rein rechtlich gesehen ist hier jedoch erst einmal nichts zu beanstanden, sofern die Dame nur Ordnungstätigkeiten ausgeführt hat.

rbb, Bericht vom 15.11.2016, nicht mehr online:

„Lücken im Herthaner Sicherheitssystem“ Darin ist festgelegt, dass jeder Ordner einer Zuverlässigkeitsprüfung durch die Polizei unterzogen werden muss. Eine riesige Lücke im Sicherheitsnetz, die Arnold Plickert, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), große Sorgen bereitet. Ein volles Fußballstadion gehöre zu den Hauptzielen von Terroristen. „Das Ziel ist es ja, mit einem einzigen Anschlag so viele Menschen wie möglich zu töten. Deshalb ist es unverantwortlich, dass Personen in diesen Sicherheitsbereichen tätig sind, wo keine Führungszeugnisse und keine polizeilichen Erkenntnisse vorliegen.“

Handlungsbedarf Der Bericht erklärt auch sogleich, warum eine Überprüfung so wichtig gewesen sei – zitiert wird Arnold Plickert mit dem Verweis, dass so ein Stadion doch ein attraktives Ziel für ein Attentat sei. Dies ist natürlich vollkommen richtig – allein liegt die Bedrohung nicht nur in den Ordnern ohne

Zuverlässigkeitsüberprüfungen, sondern auch im Gastronomiepersonal, in den Technikern, im Service- und Reinigungspersonal und den vielen anderen Menschen, die sich weitestgehend ungeprüft im Stadionkontext bewegen können. Natürlich besteht hier Handlungsbedarf – es aber zu einem alleinigen Problem der Sicherheitsdienste und der Veranstaltungsordner zu machen, ist so populistisch wie falsch. Artikel dieses Tenors finden sich leider häufig und zeigen die grundsätzlichen Probleme der Teilbranche, deren Anforderungen und Herausforderungen sowie der unbedingten Notwendigkeit, Klarheit in das System der Sicherheits- & Ordnungsdienste zu bringen. Es wäre an dieser Stelle vollkommen falsch zu behaupten, dass die grundsätzlich angesprochenen Problematiken nicht vorhanden oder nur der Terminologie geschuldet wären – im Gegenteil: auch die scharf konturierte Branche der Veranstaltungsordnungsdienste sowie auch die im Veranstaltungskontext arbeitenden Sicherheitsdienste haben immense Probleme zu bewältigen – umso dringender ist jedoch auch die finale Ordnung von Begrifflichkeiten und Zuständigkeiten auch in der öffentlichen Diskussion.

Nr. 02/2017


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S i c herheitsf o rs c hung

Orpheus Umfeldanalyse – der Blick über den Tellerrand

Von Simon van Rennings

In den vergangenen Ausgaben des MAGAZINs für Sicherheitskultur haben wir bereits über verschiedene Ansätze aus dem Forschungsprojekt ORPHEUS berichtet (siehe Ausgabe Nr. 1, Seite 40ff.). Im Februar 2015 startete das vom Bundesministerim für Bildung und Forschung für drei Jahre geförderte Projekt ORPHEUS (Optimierung der Rauchableitung und Personenführung in U-Bahnhöfen: Experimente und Simulationen). ORPHEUS soll die Sicherheit bei Bränden in komplexen mehrstöckigen U-Bahnstationen erhöhen. Bereits kleine Brände können große toxische Rauchgasmengen freisetzen. Führt man sich vor Augen, dass unterirdische Verkehrssysteme die Lebensadern heutiger Großstädte sind, wird deutlich, wie groß das Schadensausmaß aufgrund der großen Anzahl von Betroffenen bei einem Brand oder einer anderen Störung sein kann. Mit Realbrandversuchen, Modellen im kleinen Maßstab und numerischen Strömungssimulationen entwickeln die Forscher technische Brandschutzkonzepte. Diese ergeben Lösungen für neue und bestehende Stationen, aber auch Speziallösungen für z. B. Treppenaufgänge. Untersucht werden auch organisationsübergreifende Interaktionen der Rettungskräfte, Anlagenbetreiber und angebundenen Verkaufsstätten. Diese Ergebnisse werden in

Begleitung von kontrollierten und ungiftigen Verrauchungsversuchen vertieft. Um die Sicherheit der „Betroffenen“ bei einem Brandereignis in einem U-Bahnhof zu erhöhen, gilt es erst einmal zu klären: Wer sind eigentlich „die Betroffenen“? Welche Auswirkung kann das Szenario auf welche Personenkreise und auf welche Einrichtungen haben? Antworten kann die Analyse des sozio-technischen Umfeldes des Ereignisortes liefern. Basierend auf verschiedenen Begehungen, Fachgesprächen und Unterlagenanalysen wurde im Rahmen des Forschungsprojektes eine beispielhafte Umfeldanalyse für den im Projekt zur Verfügung stehenden Untersuchungsbahnhof durchgeführt.

Durchführung Bei der durchgeführten Umfeldanlyse wurde zunächst, der zu untersuchende Ort abgegrenzt. Ausgehend von einer kaskadenartig aufgebauten Betrachtungsweise, sollten hier mindestens alle Orte einbezogen werden, die von dem untersuchten Ereignis direkt betroffen sein könnten. Bei einem Brandereignis in einem U-Bahnhof schließt das neben allen Gleis- und Verkaufsebenen des Bahnhofs selbst auch die Oberfläche und die Nachbarbahnhöfe ein. Auch Notausstiegsöffnungen oder Rauchabzüge,

die den Brandrauch aus dem unterirdischen System an die Oberfläche transportieren, werden mit in die Betrachtung einbezogen. Im nächsten Schritt wurde eine Karte angelegt, die den untersuchten Bahnhof und sein Umfeld abbildet. Die Karte wurde sinnvoll in Planquadrate unterteilt, um eine systematische Untersuchung des Umfeldes sicherzustellen. In mehreren Ortstermine, Gesprächen mit Anliegern und umfangreichen Internetrecherchen wurden verschiedene Informationen je Planquadrat erfasst und in einer Tabelle zusammengetragen. Die erfassten Informationen konnten dann für unterschiedliche weitere Betrachtungen herangezogen werden, um z. B. Aussagen über mögliche Auswirkungen des Brandereignisses auf sein Umfeld oder besser gesagt: auf „die Betroffenen“ zu treffen. Mit der Umfeldanalyse lassen sich also potentielle Kaskadeneffekte, begründet in der engen Verknüpfung auf sozio-technischer Systemebene, durch Auswirkungen des Brandereignisses auf die Oberfläche des Ereignisbahnhofs und auf das Bahnhofsumfeld erkennen, vorplanen und dokumentieren. Damit stellt die Umfeldanalyse eine wichtige Grundlage zur Risikoermittlung und der späteren Maßnahmenfindung dar – auch in


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Ein Brandereignis in einem U-Bahnhof schließt neben allen Gleis- und Verkaufsebenen des Bahnhofs selbst auch die Oberfläche und die Nachbarbahnhöfe ein

Bezug auf die Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Dies kann z.B. dann relevant sein, wenn beispielsweise Notfallpläne von im Umfeld betroffenen Organisationen eine Abholung der Schutzbefohlenen vorsehen (z.B. Kindertagesstätten) und es hierdurch nicht nur zu einem erhöhten Maß an situationsbedingtem Verkehr und Fahrbewegungen kommt, sondern sich auch der menschliche Faktor – in diesem Fall besorgte Eltern – störend auf das Einsatzmanagement der anrückenden Einsatzkräfte auswirken kann.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten Die Umfeldanalyse birgt über den im Beispiel beschriebenen Anwendungsbereich hinaus auch Anwendungsmöglichkeiten für den Veranstaltungsbereich. Das Konzept wurde bereits hinsichtlich seiner Transfermöglichkeit überprüft und im Rahmen der Veranstaltungsplanung genutzt. Dabei hat sich herausgestellt, dass trotz grundsätzlicher Erfahrung mit bereits erprobten Veranstaltungsorten dennoch neue Aspekte und Fakten für die konkrete Veranstaltungsplanung – insbesondere in Bezug auf anfällige Strukturen und mögliche Sperrpunkte – aufgedeckt werden konnten. Die Ergebnisse

der Umgebungsanalysen haben sich dabei als sinnvolles Planungshilfsmittel erwiesen, auch ohne, dass sie bei einem konkreten Einsatz genutzt werden mussten.

Großer Nutzen Dem hohen Ressourceneinsatz bei der Erstellung von Umfeldanalysen kann ein großer Nutzen bei der Planung und Risikobewertung von Veranstaltungen gegenübergestellt werden, insbesondere dann, wenn die analysierten Flächen regelmäßig für Veranstaltungen genutzt werden, wie es in vielen Städten üblich ist.

Orpheus: Optimierung der Rauchableitung und Personenführung in U-Bahnhöfen Experimente und Simulationen Förderer: BMBF, siehe auch Projektumriss des BMBF zum ORPHEUS Projekt Programm: Forschung für die zivile Sicherheit Bekanntmachung: „Zivile Sicherheit – Schutz und Rettung bei komplexen Einsatzlagen“ Projektlaufzeit: 02/2015 bis 01/2018 Koordinator und Ansprechpartner: Dr. Lukas Arnold Förderkennzeichen: 13N13270 Nr. 02/2017




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B ibli o thek

Buchrezensionen Wir versuchen immer offen zu sein für Neues, den Blick über den Tellerrand zu werfen. Nicht nur, weil uns interessiert, was „die anderen“ so machen, sondern auch, weil man nie aufhören sollte zur lernen. Aus diesem Grund lesen wir. Und einen Teil der Publikationen die wir lesen, möchten wir an dieser Stelle des Magazins regelmäßig vorstellen. Bernhardt, H. (2017): Der Einsatz nichtstaatlicher Sicherheitskräfte bei Veranstaltungen, Beuth Verlag „Der Einsatz nichtstaatlicher Sicherheitskräfte bei Veranstaltungen“ des Frankfurter Polizeipräsidenten a.D. Heinrich Bernhardt, welches 2017 im Beuth Verlag erschien, ist nach eigenen Angaben ein Handbuch für Betreiber von Veranstaltungsstätten und Organisatoren von Großveranstaltungen, welche eigene Sicherheits- und Ordnungsdienstkräfte einsetzen. Neben Themen wie „Allgemeine Aufgaben des Sicherheitsdienstes“, „Rolle und Status der Sicherheitsdienste“, sowie „Führung, Organisation und Personalstärke der Sicherheitsdienste“, bietet es einen guten Rundumschlag, was das Thema juristische Zusammenhänge betrifft. Neben den klassischen Themen „ Rechtliche Grundlagen der Sicherheitsdienste“, „Haftungsfälle für Sicherheitsdienste“, „Befugnisse der Sicherheitsdienste“ und „Arbeitsschutz“ wendet sich Bernhardt auch den sehr aktuellen Themen des Mindestlohns und der Arbeitnehmerüberlassung zu und zeigt insbesondere auch auf, wo die Problematik in der praktischen Umsetzung liegen kann. Weiterhin wird ein Exkurs in die Welt des Crowd Managements und Crowd Control gewagt, welcher dem Leser einen ersten Eindruck vermittelt, worauf es hierbei ankommt. Grundsätzlich ist Bernhardts Werk ein guter Einstieg, um sich einen ersten Überblick in die Welt der nichtstaatlichen Sicherheitskräfte zu verschaffen. Positiv ist auch, dass es viele direkte Quellenverweise gibt, sodass der Leser

Katschemba, T. (20136): Kurzinformationen Sicherheit, Richard Boorberg Verlag Das Buch „Kurzinformationen Sicherheit“ unterstützt Kräfte des Sicherheitsdienstes bei ihrer täglichen Arbeit. Kurz­ übersichten der Rechtsgrundlagen sowie Hinweise und Tipps zu Besonderheiten im jeweiligen Aufgabenbereich sind genauso Inhalt dieser Publikation wie Checklisten zu Sicherheits- und Bewachungsaufgaben sowie Anleitungen für Sofortmaßnahmen. Folgende Themen sind beschrieben:

4 Recht 4 Daten- und Informationsschutz 4 Tätigkeitsfelder der Sicherheitswirtschaft 4 Torkontroll- und Empfangsdienst, Meldung 4 Streifen- und Revierdienst 4 Objektschutzdienst 4 Kontrollen 4 Arbeitsschutz/Gefährliche Güter 4 Bombendrohung, Sprengstoffe

bei Vertiefungsbedarf zu einzelnen Themen immer die Möglichkeit bekommt, sich umgehend damit zu befassen. Sehr schade ist jedoch, dass eine Unterscheidung von Sicherheits- und Ordnungsdienstleistungen trotz der selbst genutzten Definition „sicherheitsbezogene Aufgaben sind generell alle aktiven Dienstleistungen, die dem Ziel dienen das Leben, die Gesundheit und das Eigentum direkt oder mittelbar zu schützen“ nur bedingt anerkannt wird. Mein Fazit: Für einen Einstieg in das Thema „nichtstaatliche Sicherheitskräfte“ ist Bernhardts Handbuch gut geeignet. Die Thematik Unterscheidung von Sicherheits- und Ordnungsdienstleistungen wird leider nicht nach aktuellem Maßstab betrachtet. Von Linda Wolter

Durch das übersichtliche DIN A7 Format und die klare, überschaubare Strukturierung der einzelnen Themen hat der Anwender einen guten Überblick vor allem über seine Rechte, aber auch Pflichten bei seiner Tätigkeit. Das Buch beschreibt neutral und sachlich mögliche Szenarien, die durch gegebene Paragraphen begründet und hinterlegt sind. Wünschenswert wären kurze, praktisch bezogene Beispiele zur Vedeutlichung der Theorie. Nichtsdestotrotz beinhaltet das Taschenbuch sehr übersichtliche und helfende Checklisten, die bei der Orientierung der oben genannten Bereiche von Nutzen sind. Lobenswert sind die klaren Verhaltensregeln im Falle eines Brand- und Notfalls, die farblichen Symbole bei Brandklassen und Gefahrstoffen sowie Verhaltensgrundsätze in besonderen, vor allem gefährlichen Situationen. Fazit: Durch den praxisorientierten Inhalt, die einprägsame Darstellung und das handliche Format ist die Neuauflage eine zuverlässige Arbeitsgrundlage. Durch handliche A7 Format findet das Werk auch garantiert in jeder Hosen- / Brusttasche Platz. Von Dennis Hurschmann


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Was bisher geschah 2017

Ein Konzert des Rappers Capo wurde abgesagt, nachdem eine Passantin gegenüber der Polizei angegeben hatte, dass sie auf der Straße ein Telefonat mitbekommen habe, in dem ein Mann in „Rapper-Kleidung“ und offenbar türkischer Abstammung laut in sein Handy gesprochen und unter anderem gesagt habe, dass „heute geschossen“ werde.

Durch das Fehlen von weiblichem Kontrollpersonal kam es zu unnötigen Wartezeiten, da weibliche Fans umständlich zu anderen Eingängen geschickt werden mussten, um kontrolliert werden zu können.

Indoor-Party in Einkaufszentrum eskaliert aufgrund des „unerwarteten“ Zustroms Die Party „Nova feiert“ war im Vorfeld als „größtes Indoor Event Mitteldeutschlands“ angekündigt worden. Nach Unterbrechungen und Einlassstopp musste der Veranstalter Planungsfehler zugeben und erklärte, er habe mit „so vielen Menschen nicht gerechnet“.

16.11 .

Club Bahnhof Ehrenfeld: Mysteriöser Anrufer nach Räumung nicht auffindbar

(UK) Tausende walisische Rugby-Fans verpassten den Beginn des Länderspiels aufgrund langer Warteschlangen vor dem Stadion

11.11 .

Das Verhalten der Besucher zum diesjährigen Karnevalsauftakt insbesondere in Köln hat einmal mehr die Frage aufgeworfen, bis zu welcher Grenze welches Verhalten toleriert werden kann und was der Auslöser für solche Exzesse ist.

11.11

10.11 .

11.11 .

Kölner Polizei im Dauereinsatz: 50 Festnahmen und viele Anzeigen zum Karnevalsauftakt

DWD-App „WarnWetter“ darf nicht mehr kostenlos sein Die kostenlose „WarnWetter-App“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für das Smartphone hat nach einer Gerichtsentscheidung gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Die seit 2015 angebotene App verbreite nicht nur amtliche Warnungen, sondern informiere umfassend über das Wetter.


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H andlungshilfen

Handlungshilfen D i e D I M - ICE M e ta M at r i x In unserer Miniserie „Einführung in die moderne Sicherheitsplanung“ ist eine der vermittelten Grundlagen das Zusammenspiel der Faktoren Design, Information & Management in den unterschiedlichen Phasen der Veranstaltung. Hierzu wurde die DIM-ICE (bzw. in der Erweiterung die DIM-AAAAA) Matrix genutzt, um diese Zusammenhänge aufzuzeigen. Wie aber wird die Matrix tatsächlich als Planungs- & Beurteilungshilfe genutzt? Gerade bei komplexen Veranstaltungen mit komplexen Konzepten ist es eine herausfordernde Aufgabe, die Übersicht über alle Maßnahmen und deren Zusammenspiel zu behalten – hier kann die Matrix in Verbindung mit einem einfachen Bewertungssystem (Ampelsystem) helfen. Fast jeder, der sich mit der Planung komplexer Veranstaltungen oder der Sichtung komplexer Konzepte beschäftigt, kennt die Situation. Man liest und liest – und irgendwann tauchen Zweifel auf, ob alle Zusammenhänge auch wirklich da sind, wo sie sein sollen. Da wird die Entfluchtung in den Abendstunden durch den angrenzenden Park beschrieben – aber wo waren noch mal die Informationen zum Licht? Und wo steht, wieviel Personal hierfür Foto: IBIT GmbH

zur Verfügung steht, wie das Personal geschult ist und alarmiert wird? Hier helfen Textmarker, Farbcodierungen, „Merkis“ – alles Möglichkeiten, sich einen komplexen Text zu erarbeiten. Eine weitere einfache Möglichkeit ist die Nutzung der Matrix, als „Ausfülltabelle“ für die systematische Zusammenfassung der wesentlichen Informationen. Das systematisierte Aufschreiben der wesentlichen Faktoren kann helfen, einen Überblick zu schaffen und Dinge aufzuzeigen, die möglicherweise ansonsten unberücksichtigt bleiben würden. Die rechts stehende Tabelle zeigt beispielhaft, wie die Matrix – zum Beispiel beim ersten Durchlesen eines Sicherheitskonzeptes – genutzt werden kann. Grün markiert werden die Faktoren, die ohne weitere Maßnahmen unkritisch sind

Gelb markiert werden Faktoren, die entweder noch einmal hinterfragt werden müssen (z.B. aufgrund nicht ausreichender Informationen: „Personal anwesend“ Wieviel Personal? Welche Aufgaben? Wie geschult?) oder die unterstützende Maßnahmen (baulich / organisatorisch etc.) benötigen. Grundlegende Frage ist hierbei, ob z.B. das bauliche Defizit (z.B. „Fluchtwege müssen organisatorisch freigehalten werden“) organisatorisch aufgegriffen wird („zusätzliches geschultes Personal für die Freihaltung der Fluchtwege vorhanden“) 4 gelbe Markierung wird grün Rot markiert werden Aspekte, die entweder einer umittelbaren Änderung bedürfen, kompensiert werden müssen oder grundsätzlich einer erneuten Erörterung bedürfen.


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D i e D I M - ICE M e ta M at r i x Normallage

Anreise

Ankunft / Einlass

Design

• 10.000qm Wartefläche • Verkehrskonvor den Einlässen zept mit allen Beteiligten (öffentlicher Bereich) abgestimmt • Keine druckmindernden • Parkflächen / zuführenden Abspergrüne Wiese rungen möglich • Freihaltung Fluchtwege nur organisatorisch möglich • 30 Schleusen (30.000 Besucher / 90 Minuten Einlasszeit = 11 Pers./ Schleuse / min)

Information

• Vorabinformation Besucher Homepage & soziale Medien

Management • Regelmäßige Updates zur Anreise / Verkehrslage durch POL Schadenlage Design

Information

Management

Anreise

Anwesenheit • Nummerierte / zugewiesene Sitzplätze • Warteflächen vor den Kiosken im Umlauf • Anzahl Toiletten gem. MVStättVO • Fluchtwege = Entlastungsflächen

Auslass

Abreise

• Ausgänge = Eingänge • Warteflächen U-Bahn • Kein Abbau von Abschankungen etc. nötig • Parkflächen grüne Wiese

• Beschallungsanlage • Personal an Einlassschleusen unterwiesen

• Bühnenmoderator • Farblich abgesetze Besteht nicht mehr zur schilderung der Sitzplatzbereiche (Sektoren) Verfügung • Lenkung vom Einlass an • Beschilderung Ausfarblich abgestimmt gänge /Wegweiser zu Parkflächen

• Servicepersonal Parkflächen

• Kein zusätzliches Personal für Freihaltung Fluchtwege • Anwesenheit POL auf Warteflächen

• Servicepersonal zur Platzanweisung • Neuer Dienstleister • Anwesenheit Koordinierungsgruppe

• Personal ÖPNV an Haltestelle • Zusatzverkehre zur Abreise

Ankunft / Einlass • Entlastungsflächen vorhanden

• Keine individuelle • Keine DurchsagemöglichkeiAnsprechmöglichkeit ten DB / ÖPNV um auf kurzfristige Änderungen / Störungen reagieren zu können • Pressekontakte Radiostationen für Durchsagen? • Keine bauliche gelenkte Raumordnung- Freihalten von Eisatzflächen bzw. Räumung von (Teil-)Bereichen muss organisatorisch hergestellt werden • Einlasspersonal in Räumungsprozedere eingewiesen

Anwesenheit

• Servicekräfte am Auslass • Kein gesondertes Auslassprozedere Auslass

Abreise

• Fluchtwege gem. MVstättVO • Fehlende Entlastungsflächen

• Ausgänge = Eingänge • Ausreichender Platz im äußeren Bereich (Sammelplätze / Entlastungsflächen) • Beleuchtung der Flächen

• Warteflächen U-Bahn nicht ausreichend bei Verzögerung im Ablauf

• Ansprache über ELA / PA • Bühnenmoderator

• Fehlende Verbindug zu ÖPNV (Information über Störungen) • Beschallungsmöglichkeiten im Sammelplatz- / Entlastungsbereich

• Fehlende Verbindug zu ÖPNV (Information über Störungen)

• Show-Stopp Szenario • Eingewiesener & ortskundiger Sicherheits- & Ordnungsdienst • Regelmäßige Übungen aller Beteiligten • Künstler mit problematischer Historie (Verweigerung Unterbrechung)

• Sicherheits- & Ordnungspersonal zum Auslass reduziert • Räumungskonzept / - szenario

• Kein Szenario „verzögerte Abreise“

Nr. 02/2017


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H andlungshilfen

Handlungshilfen Z e i t- Raum - A nalys e Statische Personendichten vor Bühnen lassen sich leicht kalkulieren und mit etwas Erfahrung durch einfache Betrachtung schätzen. Aber den für Besucher zur Verfügung stehenden Platz auf Flächen mit unterschiedlichen Nutzungen und Aufenthaltdauern zu bestimmen, ist deutlich schwieriger. Die Zeit-Raum-Analyse kann dabei helfen.

Zeit- Raum -Analyse ( Time Space ( TS ) Analysis ) a (durchschnittliches Platzangebot) = TS supply TS TS demand nt Die Zeit-Raum-Analyse dient dazu, die Handlungs- & Bewegungsdynamik in von Fußgängern genutzten Bereichen zu betrachten. Hierbei geht es darum, den zur Verfügung stehenden Platz mit den in diesem Bereich durchgeführten Handlungen/ Prozessen in ein Verhältnis zu setzen.

Die Zeit- Raum -Analyse wird in 3 Schritten durchgeführt In einem 1. Schritt wird das System betrachtet, welches für bestimmte Funktionen zur Verfügung stehen soll sowie der Zeitraum, in dem das System betrachtet werden soll; das Zeit-Raum-Angebot. Im 2. Schritt wird der Zeit–Raum-Bedarf für die erwartete Anzahl Personen während der verschiedenen Prozesse, die in diesem Bereich durchgeführt werden sollen, ermittelt. Im 3. Schritt werden die Werte mit der o.g. Formel zusammengeführt und mit den LOS (Levels Of Service) verglichen, um eine Beurteilung des Ergebnisses vorzunehmen.

Schritt Ermitteln des Zeit- Raum -Angebotes 1 4 Festlegen des Betrachtungszeitraums (T in min) Welchen Zeitraum möchte ich betrachten? Empfehlenswert ist es, den Zeitraum des größten Zu- oder Abstroms, bzw. der höchsten Nutzung auszusuchen. Dies kann zum Beispiel ein Anreise- oder AbreisePeak von 15, 20, oder 30 Minuten sein – aber natürlich ist jeder Zeitraum möglich.

2 4 Ermitteln der zu betrachtenden Nettofläche (S in m²). Welche Fläche möchte ich analysieren? Hier muss die Fläche betrachtet werden, die den Personen tatsächlich zur Verfügung steht und die von den Personen auch genutzt wird. Eine Fläche, die zwar begehbar ist, aber keinerlei Angebot bietet und /oder nicht im direkten Laufweg liegt, ist für diese Betrachtung uninteressant, weil sie eher nicht angenommen wird. Hierdurch würde die wirkliche Personenverteilung außer Acht gelassen und die Analyse verfälscht.

3 4 Ermitteln des Zeit-Raum-Angebotes Betrachtungszeitraum (T) * Nettofläche(S) = TS = min * m² Beispiel: 15min * 500m² = 7.500 min*m²

Das Zeit-Raum-Angebot beträgt 7.500 min * m² Hier entsteht die Hilfseinheit min * m2. Diese Einheit wird später durch Kürzung aufgelöst.

Schritt Ermitteln des Zeit- Raum - Bedarfs 1 4 Ermitteln der zu betrachtenden Personenanzahl (n) In dem zu betrachtenden Zeitraum beträgt die abzuwickelnde Personenanzahl n Personen. Hier sollten für n optimalerweise bekannte Werte zu Grunde gelegt, wenn diese nicht verfügbar sind, möglichst realistische Annahmen getroffen werden.

2 4 Ermitteln der zu betrachtenden Verweildauern der Personen auf der Fläche (t in sec oder min) Hierbei sind alle Prozesse mit einer Dauer zu identifizieren. Dies kann sein: Durch- / Überqueren der Fläche (t1), Body-, Bag+ Ticketcheck (t2, besser t2 + t3 + t4), Toilettengang (t5), T-Shirt-Kauf (t6) oder Nutzung Gastronomieangebote (t7), sofern sie im betrachteten Bereich vorkommen.

2 4 Ermitteln des Zeit-Raum-Bedarfs Personenanzahl (n) * Verweildauer (t) = nt = P * min Hier entsteht die Hilfseinheit P * min.


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Z e i t– Raum –A nalys e Diese Einheit wird später durch Kürzung aufgelöst. Die anfallenden Zeiten werden addiert: Anzahl Personen (nP * t1) + Anzahl Personen (nP * t2) + Anzahl Personen (nP * t3) und so weiter. An dieser Stelle muss darauf geachtet werden, die Zeitangaben immer in der gleichen Einheit zu berechnen! Wird in Sekunden gerechnet, muss das o.g. Ergebnis durch 60 dividiert werden, um später einen Minutenwert zu erhalten. (n P * t1) + (n P * t2) + (n P * t3) = n P * min 60s/min Beispiel: n = 1000 Personen t1 = 20s t2 = 10s t3 = 4s (1000 P*20s) + (1000 P10s) + (1000P* 4s) 60s/min = (20000) + (10000) + (4000) P s 60s/min = 34000 Ps = 566,6 P/min 60sek/min Der Zeit-Raum-Bedarf beträgt 566,6 P/min

Schritt Zeit- Raum -Analyse TS supply = TSnt TS demand Im 3. Schritt wird das Zeit-Raum-Angebot in ein Verhältnis zum Zeit-Raum-Bedarf gesetzt und so eine durchschnittliche Raum-Zeit-Belegung, also den für den Besucher während der Dauer des Aufenthalts durchschnittlich zur Verfügung stehenden Platz, ermittelt. Dieser Wert ist im Folgenden mit den LOS (Levels Of Service) abzugleichen. Ist der Wert zu klein, muss überlegt werden, welche der Faktoren angepasst werden können, um den Wert akzeptabel zu gestalten. Bsp.: 7.500 min * m2 a= = 13,23 m² / P 566,6 P * min In diesem Beispiel liegt der durchschnittliche Platz des Besuchers während seines Aufenthalts im betrachteten Bereich bei ca. 13m². Hier ist freier Fluss zu erwarten. a=

Fazit Die Zeit-Raum Analyse stellt ein Hilfsmittel dar, die Personendichte in Veranstaltungsbereichen mit verschiedenen Funktionen zu

ermitteln, in denen Besucher die Angebote gewollt oder gezwungen unterschiedlich lange nutzen. Für Bereiche mit multidirektionaler Bewegung werden 2–3m² / Person angesetzt – dies entspricht einem Level Of Service A (siehe auch Seite 14). Ein geringeres Platzangebot führt bei zunehmender Dichte zu Bewegungseinschränkungen und zu einem getrübten Veranstaltungserlebnis bis hin zu gefährlichen Personendichten und instabiler Bewegung. Neben dem reinen Rechenergebnis bewirkt diese Methode vor allem eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Prozessen, die auf einer Fläche stattfinden. Wie lange dauert der Abverkauf eines Getränkes, die Taschenkontrolle oder die Überquerung des Bereiches? Durch die Optimierung einzelner Prozesse kann die individuelle Aufenthaltsdauer auf Flächen verkürzt und das Platzangebot für den einzelnen Besucher dadurch erhöht werden. Die Zeit-Raum-Analyse erlaubt es, Flächen vor ihrer Nutzung zu überprüfen und mögliche Funktionseinheiten wie Gastronomie oder Sponsorenaktionen auf ihre Auswirkungen hin zu testen und auf Grundlage der Berechnung zu erlauben oder abzulehnen.


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S i c herheitskultur im P o rtait

Im Interview: Suzanne Bull (Attitude is Everything) Suzanne Bull (MBE) ist seit sieben Jahren CEO von „Attitude is Everything“, einer Organisation, die sich für Inklusion in allen Ebenen der Veranstaltungsbranche einsetzt. Getreu dem Motto „music without barriers“ setzt sich Bull, welche selbst im Rollstuhl sitzt, mit ihrem Team dafür ein, dass Hörgeschädigte oder in anderen Weisen eingeschränkte Personen Live-Musik erleben können wie wir alle, unabhängig ob als Zuschauer, Mitarbeiter oder Künstler. Im Leadership Interview von „Mind over Matter Consultancy“ spricht sie über ihre ersten Jobs und ihre Inspiration.

How do you start your day? A good, healthy breakfast and a double check through the diary for the day, I hate being disorganised! What was your first job and what is the worst job you’ve ever done? My first “proper” job was Shape Ticket Scheme Assistant, a theatre and arts booking service for deaf and disabled people in London. I loved it and it set me up with a great understanding of the barriers that disabled people face when trying to see arts and cultural events in London. I’ve never done any bad jobs, they’ve all lead to amazing career developments and changes, even the ones I did as a teenager as they showed me what I definitely didn’t want to do!

What advice would you give to others about furthering their careers? Mentoring and coaching have been really important methods in which I’ve been able to development my careers. Listen actively to the advice of those around you; all of it you can use in some way, even the misleading stuff as this will be a learning curve of sorts! I really encourage speaking to others and the power of networking at events. Make mistakes, it is the only way to learn. Do your research, get a foot in the door by volunteering or being an assistant – trust me, as an assistant, you’ll see and hear everything! If there is a qualification you can do which will get you further in a particular area, then, by all means, do it, but with the understanding that it is practical on the job experience that will really make you stand out.

Keep ahead with developments in your sector, especially IT / digital. Who inspires you and why? The staff team at ‘Attitude is Everything’ because this is a vocation for all of us, rather than “just a job”. Also, our Trustees who volunteer their time to support the organisation and these days, charities are more complex in their structure and objectives, so effectively, trustees are unpaid Executive Directors. The team brings endless creative ideas and enthusiasm and as Chief Executive Officer, I can’t ask for more than that. Do you think a talent to lead is nature or nurture? 1. Nurture – because you will only succeed as a leader if you have the appropriately skilled staff and expertise supporting you in your role. It takes a team to lead an organisation, not just one person at “the top.” 2. To become a leader, then a talent to lead is both nature – because you’ve got to really want to do it in the first place, it is a lot of responsibility – and nurture because you’ll need to develop your leadership style, understand your skills and talent in order to build a successful team around you, find your “authentic voice” so you can develop into a successful leader. How can a leader fail? Do you have a personal example? By not being true to themselves – i.e. by not being authentic. By thinking it is all about “you!” By not taking advice from those around you who are skilled in their particular areas. By thinking that you have to be expert in every area; when you lead on areas that you don’t have the right skills and expertise in, then you’ll fail. What is required from you as a leader is to bring those skills into the organisation and manage that staff member/resource effectively so it brings real benefit to the organisation.


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I think my personal example is when I thought that a leader had to act and manage in a certain way – be ultra-confident, that I needed to be the person with all the knowledge, that I had to be dominant. I’m none of these things but then I discovered the Quiet Leadership model and the Collaborative Leadership model and these are suited to my personal leadership skills and traits. Once I realised that there were leaders out there “like me”, then I was much more confident and set about adopting these models – with success. What are your greatest strengths and weaknesses? My weaknesses I don’t concern myself with – what’s the point? I think this comes from being disabled as there are a certain amount of tasks that I’ll never be able to do, so from a young age, I’ve been very comfortable with forcing

myself to struggle when I just don’t need to! I focus on strengthening my strengths – I think these are: 4 (Strategic) visioning 4 Recruiting a strong team with the appropriate skills to fully support the organisation 4 Nurturing others – seeing the potential in others 4 Keeping the dialogue open and planning collaboratively on strategy 4 Understanding that many final decisions rest with me and that I need to take a balanced view and approach to enable me to do this 4 Being creative and always open to new ideas and new ways of doing things 4 Playing Devil’s Advocate when needed and positively challenging the status quo

What do you find most challenging about being a leader? The work-life balance and remembering that I can’t leave my family and friends behind just because I love work so much! The 24-7 thing with social media / digital communications At times, Change Management can be tricky. What are you most proud of? My MBE. I’m a working class, disabled girl from Essex. This was entirely unexpected and certainly not predicted. I’m so glad that I have a set of colleagues and supporters around me that were so kind to put me forward for the award. It made my day! What’s your biggest self-indulgence? DIY and home-improvement shopping (well, you did ask!!!) Website: www.attitudeiseverything.org.uk


DIE IBIT FACHTAGUNG VERANSTALTUNGSSICHERHEIT Am 28. & 29.11.2017 treffen sich wieder über 300 Praktiker, Theoretiker, Experten, Interessierte, Forscher, Anwender – sprich über 300 Menschen, die sich für das Thema „Sicherheit von großen Menschenmengen – insbesondere bei Veranstaltungen“ interessieren. Diese Menschen kommen zusammen, um miteinander zu diskutieren, zuzuhören, um zu argumentieren und möglicherweise auch, um zu widersprechen – sie kommen zusammen, um sich auszutauschen. Und auch wenn wir uns hier wiederholen: nur durch den ständigen Austausch, durch den Abgleich dessen, was wir und was andere tun, können wir uns verbessern und weiterentwickeln. Aus diesem Grund haben wir das Magazin auch bewusst unter das Motto MIT DEM WISSEN WÄCHST DER ZWEIFEL gesetzt und meinen damit die Fähigkeit des kritischen Hinterfragens von Maßnahmen, Möglichkeiten, Ideen und auch eigenen Herangehens- & Denkweisen. Und zu hinterfragen gibt es ja in der Tat eine Menge. Wir haben versucht, einige dieser Themen im Rahmen der Fachtagung zu adressieren – zusammengefasst in Themenschwerpunkte. So geht es zum Beispiel um die Frage, welches Wissen unser Personal benötigt, um in einer Schadenlage angemessen reagieren zu können? Und was gibt es eigentlich für Ausbildungen und was können die so? Welche Hilfsmittel existieren? Und – und das hat uns möglicherweise im Rahmen der Planung am meisten beeindruckt – was ist mit den Hilfsmitteln (z.B. Normen), die zwar existieren, die aber keiner kennt? Ab Seite 43 Ganz dringend hinterfragen müssen wir auch, ob wir mit unseren Planungen eigentlich überhaupt noch die Bedürfnisse unseres Publikums treffen oder ob wir uns nicht zu sehr auf einen Standardbesucher verlassen, der sich unter dem Einfluss wachsender Bedrohungslagen und der zu recht gestiegenen Forderung nach Inklusion möglicherweise auch nicht mehr das ist, was er vor 5 Jahren mal war? Ab Seite 46 Wie wir uns diesen neuen und alten Herausforderungen stellen, wird in den Best Practice Sessions beleuchtet: Ob neue Ideen zur Personenlenkung, immer wiederkehrende Fragen zur Geneh-

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migungsfähigkeit von Veranstaltungsgeländen oder den besonderen Herausforderungen in der Planung für Menschen mit Beeinträchtigungen – es gibt eine Menge zu lernen, wenn man nur mal guckt, was „die anderen“ so machen. Ab Seite 49 Und wenn wir schon über Herausforderungen und über Zweifel sprechen, dann gehört das Übereinbringen von Rechtssicherheit & Veranstaltungssicherheit (möglicherweise ergänzt um den gesunden Menschenverstand) ganz sicher dazu – was uns dazu bewogen hat, dem ganzen Thema der rechtlichen Betrachtungen einen eigenen Themenschwerpunkt zu widmen Ab Seite 53 Wissen bedeutet auch, Handwerkszeuge nutzen können – hierzu gehört der Bleistift genauso wie die App – beides hat seine Berechtigung, seine Grenzen und Möglichkeiten. Und auch die Tageszeitung kann ein Handwerkszeug sein – zumindest, wenn man immer mal die Frage im Hinterkopf hat „was ist, wenn mir das passiert wäre“ Ab Seite 56

Und natürlich wird Wissen nicht nur im Inland und auf Deutsch produziert – der Blick über den Tellerrand ist auch international empfehlenswert – besonders, wenn es um Nationen geht, die mit einem Thema – wie zum Beispiel dem der Bedrohungslagen – leider schon mehr Erfahrungen haben, als wir. Denn die Frage, der Zweifel, der hieraus resultiert, setzt unmittelbar bei uns an: woher nehmen wir eigentlich das “gute“ Personal, mit solchen Lagen umzugehen und welche Aussagefähigkeit haben eigentlich die aktuellen gesetzlichen Anforderungen an „diese“ Leute? Ab Seite 59

Wir wünschen Ihnen, Euch und uns viel Spaß beim Zuhören, Diskutieren, Austauschen und Netzwerken.


Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 1 ■ Die Verantwortung des Dienstleisters

THEMENSCHWERPUNKT 1

Die Verantwortung des Dienstleisters Im letzten Jahr als Themenschwerpunkt eingeführt, hat sich die Diskussion über Dienstleister, Infrastruktur, Sicherheitskultur – Herausforderungen & Möglichkeiten nun als fester Teil der Tagung etabliert. Strukturelle Sicherheit, der Schutz der Mitarbeitenden, der Schutz und die Lenkung der Besucher sowie das jeweilige Notfallmanagement bedingen sich gegenseitig und müssen eng miteinander verknüpft werden. Dabei spielen natürlich auch die beteiligten Dienstleister eine wesentliche Rolle – nicht nur in Bezug auf die Erfüllung ihrer originären Pflichten (z.B. die Einhaltung der jeweils für das Gewerk geltenden Vorschriften) – sondern auch insbesondere im Rahmen der Notfallplanung. Tatsächlich sind sie aber nur selten in die übergeordneten Prozedere eingebunden – nicht selten haben sie keinerlei Kenntnis über mögliche Notfallmaßnahmen, die auch sie betreffen. Wie relevant dies sein kann, wurde zuletzt in Bezug auf das Attentat in Las Vegas diskutiert: was hätten die Mitarbeiter wissen oder sogar tun müssen? Hätten sie überhaupt etwas tun können und wenn ja, was? (siehe hierzu auch Unbequeme Gedanken Teil 2, Seite 18) Die Sicherstellung der Kommunikation ist dabei genauso wesentlich wie die Frage nach dem geeigneten Personal und den notwendigen Schulungs- & Trainingsmaßnahmen. Wie sind die Dienstleister in die Kommunikation eingebunden, wie verlaufen Alarmierungsprozesse und welche Mittel gibt es, die Kommunikation in einem oft schwierigen Umfeld sicherzustellen? Welche Aus- und / oder Weiterbildungen, welche Erfahrungen braucht es – nicht nur in der Realisierung der jeweiligen Fachverantwortung, sondern auch im Gesamtkontext, in den die Dienstleistung eingebunden ist? Auch interessant ist dabei die Frage, welche Ressourcen der Dienstleister bieten kann. Können die Cateringkräfte nicht auch Räumungshelfer sein? Oder andere notwendige Aufgaben übernehmen? Hier stellt sich auch die Frage, welche Rolle der Dienstleister im Hinblick auf die Beratung innehat: Reduziert auf das eigene Produkt oder mit Blick aufs Ganze? Verkaufen und Erfüllen von Kundenwünschen um jeden Preis oder Beratung im Sinne der Sicherheit? Die Anforderungen haben sich im Hinblick auf Wissen, Erfahrungswerte, rechtliche Grundlagen oder bestehende Normen geändert – eine „das geht mich nichts an“ Haltung sollte der Vergangenheit angehören. Die Frage nach der Verantwortung der Dienstleister ist eine, die alle Mitwirkenden einer Veranstaltung angeht – und so richtet sich der Themenschwerpunkt explizit nicht nur an Dienstleister aus dem Bereich Infrastruktur und Technik, an Sicherheits- und/oder Ordnungsdienstleister, an Produktionsleiter, Technische Leiter etc., sondern genauso an Genehmigungsbehörden, Veranstalter und Agenturen.

Moderation: Axel Claas (CLA-AS Arbeitsschutz) Axel Claas ist seit 2012 als Fachkraft für Arbeitssicherheit tätig. Er betreute in dieser Aufgabe neben Großanlagen in der chemischen Industrie und Kraftwerken auch Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie, Hotels, Theater und ein Fußballstadion. Mit 20 Jahren Berufserfahrung und zahlreichen Ausbildungsqualifikationen machte er sich Anfang 2016 selbstständig. Seitdem betreut er, neben zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen, hauptsächlich Compliance-Management-Projekte in der Industrie. Besonders in den Bereichen Gefährdungsbeurteilungen, Gefahrstoffmanagement, Betriebsanweisungen und Unterweisungen berät er als Experte die verantwortlichen Personen dabei, die erforderliche Regelkonformität zu erreichen.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 1 ■ Die Verantwortung des Dienstleisters

11.30

Auswahlverantwortung bei Veranstaltungen: Qualifikation, Titel und Ausbildungen Bei der Arbeit in der Veranstaltungsbranche handelt es sich oft um sicherheitsrelevante Tätigkeiten, von denen Gefahren für den Ausführenden selbst und – bei nicht fachgerechter Ausführung – für Dritte ausgehen. Deshalb müssen Veranstalter im Rahmen der Auswahlverantwortung strenge Maßstäbe für die Auswahl geeigneter Verantwortlicher anwenden. Nicht einfach in einer Branche, in der es für die Durchführung von Veranstaltungen – auch die, zu denen mehrere zehn- oder hunderttausend Besucher erwartet werden –kaum standardisierte oder adäquate Ausbildungen gibt. Zwar gibt es einige Titel, doch neben dem „Geprüften Meister für Veranstaltungstechnik“ und dem „Veranstaltungskaufmann (IHK)“ wird der Markt bereits unübersichtlich und Titel werden auch schon mal gerne in Eigenregie erfunden und vergeben. Das erschwert die Aufgabe, den für die eigene Veranstaltung geeigneten Dienstleister oder Verantwortlichen auszuwählen, der nicht nur mit der Realisierung der erforderlichen Fachverantwortung betraut ist, sondern darüber hinaus auch in puncto Sicherheit mit dem Blick aufs Ganze handelt. Wie weit die Auswahlverantwortung bei Veranstaltungen geht, welche Qualifikationen, welche Titel und welche Ausbildungen der Dienstleister tragen könnte und sollte und auch, was wir aus dem Bereich der Veranstaltungstechnik lernen können, wird in diesem Vortrag diskutiert.

Referent: Frank Witte (Thüringer Event Akademie) Frank Witte schloss sein Studium an der FSU Jena 1987 als Diplom-Lehrer ab. Er hat Berufserfahrung in Lehre und Forschung, sowohl im schulischen Bereich als auch in der Erwachsenenbildung. Als freiberuflicher Tontechniker erwarb er sich zwischen 1992 und 2002 umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Veranstaltungstechnik. Im Jahr 2005 gründete er in Weimar die Thüringer Event Akademie (THEA) und ist seitdem als Dozent und Berater freiberuflich tätig. Die Entwicklung, didaktische Aufbereitung, Organisation und Durchführung von beruflichen und berufsbegleitenden Bildungsveranstaltungen überwiegend im Bereich der Veranstaltungstechnischen- und Eventberufe gehört zu seinem Hauptbetätigungsfeld.

12:30

Mittagspause

13.30

Dienstleister als Teil der Sicherheitskultur – Räumung und Akkreditierung Denkt man an die Sicherheit der Besucher von Veranstaltungen und die zugehörige Notfallplanung, kommt man um technische Sicherheitsaspekte, sowie die Lenkung und Leitung der Besucher durch den „Sicherheits- und Veranstaltungsordnungsdienst“ nicht herum. Eine Einbindung weiterer Akteure einer Veranstaltung wird häufig vernachlässigt, obwohl diese mit einer Vielzahl Personal unterstützend einwirken könnten (und unbedingt müssten!). Im Vortrag „Dienstleister als Teil der Sicherheitskultur“ werden Möglichkeiten erörtert, wie Dienstleister, z.B. das Gastronomiepersonal oder die Site-Crew, sinnig und nachhaltig in die Sicherheitsorganisation der Veranstaltungen eingebunden werden können.

Referent: Marten Pauls (campo EVENT ENGINEERING) campo ist eine eingetragene Marke der Marten Pauls Beratung GmbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg. Marten Pauls ist Inhaber und Geschäftsführer. Das Unternehmen ist in den drei Geschäftsfeldern event engineering, consulting und education tätig. Marten Pauls hat 25 Jahre Berufserfahrung in der Organisation von Großveranstaltungen, in der Geschäftsführung verschiedener Unternehmen und ist als Referent und Dozent tätig. Er ist MBA in General Management und Diplom-Betriebswirt (FH), Fachrichtungen Controlling und industrielles Management. Mit seiner Firma campo erbringt er im Bereich event engineering Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Planung, Organisation und Durchführung von Großveranstaltungen. Campo betreut u.a. im Auftrag der Marek Lieberberg Konzertagentur und von Live Nation seit 2002 das mit 90.000 Besuchern größte deutsche Open-Air-Festival Rock am Ring im Bereich Sicherheits-, Verkehrs-, Camping- und Besucherorganisation sowie Onlineinformationen. Zusätzlich erstellt campo bundesweit Gutachten über die Eignung bisher für diesen Zweck unerschlossener Flächen für Open-Air-Veranstaltungen und Sicherheits- und Verkehrskonzepte für Großveranstaltungen aller Art.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 1 ■ Die Verantwortung des Dienstleisters

Die Verantwortung des Dienstleisters – eine rechtliche Einordnung

14.30

Rechtsanwalt Volker Löhr gibt einen Überblick über die rechtlichen Beziehungen zwischen Dienstleister und Veranstalter. Ist der Dienstleister wirklich für alles, was ihm häufig zugewiesen und anvertraut wird, zuständig? Beleuchtet werden dabei sowohl Verantwortung und Pflichten des Dienstleisters gegenüber seinem Auftraggeber, als auch die unternehmerische Pflicht des Dienstleisters gegenüber seinen Angestellten. Wie lange der Dienstleister (Unternehmer) seine Kräfte dem Unwetter auf offenem Feld aussetzen darf, bevor eine Pflichtverletzung (Bereitstellung eines sicheren Arbeitsumfeldes) vorliegt oder wie damit umzugehen ist, wenn durch mangelhafte Planung des Veranstalters gar nicht die Möglichkeit besteht, ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, sind einige der Beispiele, die hier diskutiert werden.

Referent: RA Volker Löhr ((kanzleiLoehr) RA Volker Löhr, 1959 in Dortmund geboren, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg i.Br. Seit 25 Jahren ist er als Rechtsanwalt im In- und Ausland tätig. Mit seiner Bonner Kanzlei betreut er über 200 Veranstaltungszentren, die größten deutschen Messegesellschaften und Kongresszentren, den Deutschen Fußballbund – DFB, die Deutsche Fußballliga – DFL und zahlreiche Fußballstadien. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die organisatorische und sicherheitsrechtliche Begleitung von Großveranstaltungen, die Implementierung von Sicherheitskonzepten und das Vertragsmanagement rund um die Veranstaltung. Herr Löhr ist Autor zahlreicher Publikationen zum Thema Veranstaltungsrecht und Autor des BB-Rechtskommentars „Löhr / Gröger Bau und Betrieb von Versammlungsstätten“.

Kaffeepause

15.30

Die Normenreihe DIN EN 13200 Zuschaueranlagen – Übersicht und Bearbeitungsstand

16.00

Mit Normen ist das ja so eine Sache. Dass es sie gibt, weiß eigentlich jeder. Aber was drin steht? Im Gegensatz zu den kostenfreien Unfallverhütungsvorschriften, auf die jeder zugreifen kann, sind die DIN Normen strengen Verwendungsvorschriften unterworfen – vergleichsweise gering ist daher auch die tatsächliche Verbreitung außerhalb eines spezifischen Interessentenkreises. Dies ist auf der einen Seite problematisch – etwa, wenn in einer Stellungnahme auf eine Norm verwiesen wird, deren Inhalt zumindest nicht ohne größeren (finanziellen) Aufwand hinterfragt werden kann, auf der anderen Seite aber auch frustrierend, da dem Transfer von Wissen und damit letztendlich auch der Realisierung der mit den Normen angestrebten Verbesserungen natürlich ein Riegel vorgeschoben wird. Der Vortrag gibt einen Überblick über eine Normenreihe, die grundlegend für die Sicherheitsplanung von Veranstaltungen sein könnte, den meisten Anwendern aber vollkommen unbekannt ist – die DIN EN 13200 „Zuschaueranlagen“.

Referent: Dr.-Ing. Stefan Nixdorf (agn Niederberghaus & Partner GmbH) Nach Architekturstudium und langjähriger Lehrtätigkeit an der RWTH Aachen schloss Dr.-Ing. Stefan Nixdorf 2006 seine Dissertation „Sichtlinien und Sicherheit – Tribünenprofile moderner Sport- und Veranstaltungsstätten“ ab. Seit 2007 arbeitet er als Projektverantwortlicher für den Bereich Sport- und Sonderbauten in der agn-Gruppe. 2014 übernahm er die Geschäftsführung der Unternehmenstochter agn international und wurde 2017 in die Geschäftsführung der agn-Gruppe berufen. Herr Dr. Nixdorf hat neun Stadionprojekte in Planung und Bau aktiv begleitet. Aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen wird er regelmäßig für Beratungstätigkeiten durch den DFB und die UEFA angefragt und als Stadionexperte zur Teilnahme an Schiedsgerichtsverfahren oder sportgeometrischen Untersuchungen hinzugezogen.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 2 ■ Veranstalten in einer sich wandelnden Gesellschaft

THEMENSCHWERPUNKT 2

Veranstalten in einer sich wandelnden Gesellschaft Aussagen wie „das haben wir schon immer so gemacht“ sind ja insgesamt kritisch – insbesondere aber – wenn man den Wandel der Gesellschaft betrachtet – ein Wandel, der sich in unserem Publikumsprofil genauso zeigt wie in den Anforderungen an das notwendige, von uns zu vermittelnde Sicherheitsgefühl. Neue Möglichkeiten, neue Phänomene, neue Herausforderungen – nur wenige Dinge sind heute so, wie sie früher waren. Relevant und auffällig wird dies im Bereich der Kommunikation, z.B. in Bezug auf den rasanten Wandel der sozialen Netzwerke. Noch auffälliger ist der Wandel in Bezug auf das Sicherheitsempfinden: wurden früher zu strenge Taschenkontrollen bemängelt, fallen fehlende oder gefühlt unzureichende Kontrollen nun sofort auf und werden auch aktiv eingefordert. Aber auch die Tatsache, dass mehr Menschen an unseren Veranstaltungen teilhaben, die in irgendeiner Weise „besondere Anforderungen“ haben – sei es in Bezug auf Unterstützung und Hilfestellung oder in Bezug auf die Etablierung unserer Veranstaltungsregeln“ muss von uns ein Umdenken und Umplanen fordern. Mobilitätseingeschränkte Menschen, Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen, mit Wahrnehmungseinschränkungen oder ohne Veranstaltungserfahrung… all diese Menschen kommen zu unseren Veranstaltungen. Das ist gut so, kann aber nicht ohne Folgen bleiben. Nicht nur, wenn es darum geht, unsere Notfallorganisation an die geänderten Bedürfnisse der Besucher anzupassen, sondern auch um den negativen Aspekten einer sich wandelnden Gesellschaft (Stichwort Gaffer oder Übergriffe auf Einsatzkräfte) geeignete Antworten und Reaktionen entgegenzuhalten. Hier gilt es, Recht und Pflichten zu betrachten – auf beiden Seiten: den Planern und den Nutzern. Die Diskussionen hierüber sind nicht einfach: wann ist was diskriminierend? Ist es die Beeinträchtigung oder das zu große Zugeständnis? Muss ein Besucher, der auf eine Bewegungshilfe angewiesen ist (sei es ein Rollstuhl oder ein Rollator) alles dürfen können, was andere auch dürfen? Im vorderen Bühnenbereich stehen z.B.? Auf viele Fragen werden keine leichten Antworten zu finden sein, was uns jedoch nicht daran hindern darf, die Diskussion zu führen.

Moderation: Dr. Simon Runkel (Universität Heidelberg) Dr. Simon Runkel arbeitet seit 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Humangeographie am Geographischen Institut der Universität Heidelberg. Er studierte an der Universität Marburg, der University of California in Los Angeles und an der Universität Bonn zuvor Geographie, Friedens- und Konfliktforschung, Psychologie und Kunstgeschichte. Im Jahr 2015 promovierte er an der Universität Bonn mit einer Arbeit zum Thema Crowd Management. Eine sozialgeographische Untersuchung zur räumlichen Organisation der Unfallvermeidung und der Sicherung von Ereignissen mit Menschenmassen. Seine bisherigen Forschungsinteressen liegen im Bereich der kritischen Humangeographie und fokussieren Themen wie Sicherheit und Risiko, Religion und Moral sowie Ästhetik und Raumwahrnehmung.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 2 ■ Veranstalten in einer sich wandelnden Gesellschaft

Einführungsdiskussion – wer ist eigentlich unser Publikum?

11.30

Betrachtet man diejenigen, die Veranstaltungen planen und diejenigen, die sie besuchen, so ergibt sich häufig ein Delta – in Bezug auf das Alter, die Erfahrung, die Lebensrealität. Wie aber plant man eine Beauty Messe mit YouTuber Autogrammstunde, wenn man selbst erst einmal googeln muss, um was es da eigentlich geht? Dieses Delta auszugleichen und zu wissen, was unser Publikum erwartet, was es braucht oder wie es kommuniziert ist eine der wesentlichen Aufgaben der modernen Sicherheitsplanung. Wen könnte man also besser befragen, wer unser Publikum ist, als unser Publikum selbst? Wir diskutieren mit jugendlichen Veranstaltungsbesuchern und einer begeisterten Konzertbesucherin, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, über Anforderungen, Bedürfnisse und Veranstaltungsrealitäten.

Referent: Ralf Zimme (Düsseldorf Congress Sport & Event) Ralf Zimme ist einer der Gründungsgesellschafter der IBIT GmbH. Er hat in England „Crowd and Safety Management, BA (Hons)” studiert und zählt zu den anerkannten Fachleuten für Sicherheitskonzepte und Crowd Management in Deutschland. Seit 2004 war er der Leiter Veranstaltungstechnik und Veranstaltungssicherheit in der ESPRIT arena in Düsseldorf und ist seit 2014 Leiter des Sicherheitsmanagements von Düsseldorf Congress Sport und Event. Ralf Zimme ist Content Board Member der YOUROPE Event Safety (YES) Group und international sehr gut vernetzt. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Veranstaltungsbereich, davon mehr als 15 Jahre als technischer Leiter und Produktionsleiter für einen großen Veranstalter in NRW, verfügt Ralf Zimme über umfangreiche Erfahrungen in der Veranstaltungsbranche.

Mittagspause

12:30

Der Rollator im Räumungskonzept – Neue Anforderungen einer sich ändernden Gesellschaft

13.30

Im Zuge des demographischen Wandels unserer Gesellschaft ergeben sich zunehmend Herausforderungen – z.B. in Bezug auf die mitgebrachten Gehhilfen (einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl) unserer Besucher. Der Umgang mit diesen Neuerungen in unserem Veranstaltungsalltag fordert neue Handlungskonzepte. Denn im Gegensatz zu den etablierten und definierten „Rollstuhlfahrerplätzen“, gibt es (noch) keine vereinheitlichte Regelung für die Verwahrung von Rollatoren oder ähnlichen Gehhilfen. Wo kann man diese sinnvoll und sicher platzieren, ohne die Mobilität der Besucher für die gesamte Zeit der Veranstaltung einzuschränken? Und was passiert eigentlich im Falle einer Räumung des Veranstaltungsgeländes?

Referent: Bernd Steinhofer (Steinhofer Institut) “Wenn man Begeisterung entwickeln kann, dann werden sogar vermeintlich trockene Themenbereiche sehr spannend.” – Und Bernd Steinhofer entwickelt diese Begeisterung jeden Tag aufs Neue, “weil kein Projekt wie das andere ist”. Nach erfolgreichem Abschluss des Studium zum Bauingenieur 2003 in Regensburg arbeitete er zwei Jahre in einem Unternehmen für Organisationsberatung in Landshut, dann in einem Ingenieurbüro in Cham. 2007 legte er dort den Grundstock für die heutige Steinhofer Ingenieure GmbH, die sich mit 25 Mitarbeitern auf die Themen Tragwerksplanung, Brandschutz und Sicherheit konzentriert. Vom heutigen Standort in Regensburg aus berät, betreut und koordiniert Bernd Steinhofer mit seinem Team vornehmlich Projekte und Bauten in ganz Bayern, punktuell aber auch im gesamten Bundesgebiet. Seine langjährige praktische Erfahrung als Mitglied der Feuerwehr kommt ihm bei der stetigen Weiterentwicklung der Geschäftsbereiche Brandschutz und (Veranstaltungs-) Sicherheit sehr entgegen.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 2 ■ Veranstalten in einer sich wandelnden Gesellschaft

14.30

Planung für Menschen mit besonderen Herausforderungen Welche besonderen Herausforderungen bringen Teilnehmer und Besucher für Veranstalter, Eventplaner und Anbieter von Locations mit? Wo steht die Veranstaltungsbranche heute in Fragen der Inklusion und Barrierefreiheit? Der Vortrag gibt dazu die wichtigsten Grundlagen und zeigt, warum barrierefreie Veranstaltungskonzepte – ganz gleich, ob für Public oder Corporate Events – heute Standard sein sollten. Neben konkreten Tipps zur Einbindung von barrierefreien Aspekten in die Veranstaltungskonzeption werden Hinweise zu einem besonderen Bereich der Barrierefreiheit gegeben: der Barrierefreiheit im Krisenfall. Die Referentinnen geben fundierte Einblicken und wertvolle Praxistipps aus ihren jahrelangen Erfahrungen in den Bereichen Eventund Messeplanung sowie barrierefreies Bauen.

Kerstin Hoffmann-Wagner

Gudrun Jostes

Die selbstständige Eventberaterin und zertifizierte Trainerin ist seit 2000 im Eventbereich tätig. Als Projektleitung und Senior-Referentin arbeitete sie 12 Jahre im Eventmanagement eines Großunternehmens bevor die studierte Kulturmanagerin 2012 ihr Unternehmen HOFFMANN EVENTBERATUNG gründete. Heute berät sie Unternehmen, Verbände und Institutionen bei ihren Aktivitäten im Bereich Event- und Messeplanung. Besondere Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Barrierefreiheit und Inklusion bei Events und Messen sowie Social Media und Krisenmanagement bei Events.

Die zertifizierte Fachplanerin und freie Sachverständige für Barrierefreies Bauen, berät und plant seit 2000 für öffentliche und private Auftraggeber. Schwerpunktmäßig entwickelt sie umfassende, barrierefreie Gebäude- und städtebauliche Maßnahmenkonzepte. Mit einem beruflichen Erfahrungsschatz von über 15 Jahren führt sie praxisrelevante Trainings- und Workshops durch. Ihre lebendigen Basisschulungen, bedarfsorientierten Spezialseminare und Vorträge zur Inklusion und Barrierefreiheit werden von Organisationen, Universitäten, Fachhochschulen, Verbänden und Wirtschaftsunternehmen gebucht.

Referentinnen: Kerstin Hoffmann-Wagner (www.events-barrierefrei.de), Gudrun Jostes (www.events-barrierefrei.de) Seit 2015 kooperieren beide Fachfrauen. Sie begleiten mit der Verbindung ihrer Kernkompetenzen und ihrem spezifischen Branchen-Knowhow Projekte aus der Messe- und Eventbranche mit Fachberatungen zur Barrierefreiheit. Das von ihnen entwickelte „2-Phasenmodell“ ist eine Grundlage für die Planung von barrierefreien Events. Ergänzend hierzu haben sie für Messegesellschaften und Locationbetreiber einen CrossCheck zur Barrierefreiheit für bestehende Gebäudekomplexe entwickelt. Mit gezielten Weiterbildungsangeboten zur Inklusion und Barrierefreiheit bieten sie Veranstaltern, Eventplanern und Locationbetreibern aktuelle Informationen und neue Impulse.

15.30

„Und dabei tun sie doch nur Gutes” – Übergriffe auf Einsatzkräfte bei Veranstaltungen Was treibt Menschen an, andere bei der Bewältigung eines Schadenereignisses zu stören oder ihnen sogar zusätzlich zu schaden? Derzeit häufen sich Beispiele bewusst aufgehaltener und beschädigter Einsatzfahrzeuge oder von Gaffern, die erst die Anfahrt der Rettungskräfte erschweren und anschließend Widerstand gegen Beamte leisten – Körperverletzung, Beleidigung und versuchte Nötigung inklusive. Teils werden zusätzliche Einsatzkräfte nur zur Kontrolle von Schaulustigen an Unfallstellen gerufen. Doch wie können wir diese Menschen zukünftig isolieren und die, die positives und hilfreiches Verhalten zeigen, unterstützen? Wie können wir durch aktive Ansprache und Aufklärung Hilfestellung für „richtiges“ Verhalten geben? Wie können wir das Verhältnis zwischen Besuchern und Einsatzkräften verbessern? Der Vortrag versucht, Antworten auf diese Fragen zu geben.

Referent: Oliver Koch (Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft) Oliver Koch ist 49 Jahre alt und davon seit über 25 Jahren beruflich im Einsatzdienst bei Berufsfeuerwehren, darunter seit 18 Jahren bei der Berufsfeuerwehr Solingen tätig. Ebenfalls seit 25 Jahren ist er im Ehrenamt bei freiwilligen Feuerwehren tätig. Neben verschiedenen Sonderausbildungen und Weiterbildungen ist er seit vielen Jahren in der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft aktiv und hat derzeit die Positionen des stellvertretenden Landesvorsitzenden NRW sowie die des Bundessprechers der Arbeitsgemeinschaft Rettungsdienst / Notfallsanitäter inne.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 3 ■ Veranstaltungssicherheit 2017: Best Practice

THEMENSCHWERPUNKT 3

Veranstaltungssicherheit 2017: Best Practice Die Best Practice Sessions haben sich zu einem festen Bestandteil der Fachtagung entwickelt und erfreuen sich regelmäßig großem Zuspruch bei den Teilnehmern. Dies liegt nicht nur an den spannenden und lehrreichen Erfahrungen, die im Rahmen der Sessions präsentiert werden, sondern auch an der hier gelebten Fehlerkultur. Im Rahmen der Best Practice Sessions werden nicht ausschließlich repräsentative Hochglanzprojekte vorgestellt – sondern Lösungen, Erfahrungen, Herausforderungen aber auch „Bauchlandungen“. Die Best Practice Sessions sind Präsentationen auf Augenhöhe – dazu gehört natürlich auch, dass die Teilnehmer immer auch die Möglichkeiten haben, Fragen zu stellen, Aspekte zu hinterfragen und zu vertiefen. Was hier aber so einfach klingt, ist es in der Realität oftmals gar nicht: Fehlerkultur ist so manchem Mitwirkenden entweder fremd oder verboten. Da gibt es auf der einen Seite diejenigen, bei denen immer „alles super“ ist. Die durchaus bemerken, dass es das nicht ist, die aber auch nicht bereit sind, über Fehler, die möglicherweise bisher niemand so richtig bemerkt hat, zu sprechen – warum auch schlafende Hunde wecken? Und dann gibt es die, die den Fehler bemerken, die darüber sprechen und ihre Erfahrungen teilen wollen – und nicht dürfen. Einer der häufigsten Absagegründe auf unsere Anfragen war „ich darf nicht darüber sprechen“ – ein Schweigegebot auferlegt durch Amtsleiter, Vorgesetzte, zu große Egos. Bloß nicht am guten Bild kratzen ist hier die Devise. Aber natürlich können wir nicht nur aus Fehlern lernen, sondern auch aus guten Beispielen – auch aus denen, die uns möglicherweise zu abstrakt, zu groß, zu fern von unserer Arbeitsrealität erscheinen – beim genaueren Hinsehen findet man eigentlich immer etwas, ein Prinzip, einen Grundsatz oder etwas Interessantes, das man mitnehmen kann.

Moderation: Lars Riemann (Event Administration Riemann) Lars Riemann ist als Freiberufler für mehrere Musikfestivals und als Dozent tätig. Bereits mit 16 begann er ehrenamtlich in seiner Freizeit für ein Festival in Nordhessen zu arbeiten. Nach neun Jahren in unterschiedlichen Positionen bis hin zum Vorstandsmitglied und Mitveranstalter beschloss er Hobby zur Berufung zu machen.Mit dem Umzug nach Berlin und einer Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik begann er seinen Schwerpunkt im Bereich Genehmigungsverfahren, Behördenkommunikation und dem Erstellen von Sicherheitskonzepten zu setzen. Mittlerweile kann er auf mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Festival, Theater, Musical, corporate events, etc. zurückschauen. Sowohl an der permanenten Spielstättengenehmigung für die Event Location Ferropolis, wie auch der Genehmigung des ersten Lollapalooza Festivals in Europa, am ehemaligen Flughafen Tempelhof, war er maßgeblich beteiligt.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 3 ■ Veranstaltungssicherheit 2017: Best Practice

11.30

Ferropolis, Entwicklung einer Event Location Ferropolis (gr.-lat. ferro & polis „Stadt aus Eisen“) liegt östlich von Dessau auf einer Halbinsel im ehemaligen Tagebau Golpa-Nord. Anstelle von Werkstätten, Energieversorgung und Sozialeinrichtungen des Tagebaus findet man hier inzwischen einen imposanten Veranstaltungsort. Mit Ende des Braunkohlebergbaus entstand hier 1991 die Idee eines Freilichtmuseums, für das man fünf Großgeräte zusammenführte. Ende 1995 wurde „Ferropolis – Die Stadt aus Eisen“ eingeweiht. Anfangs nur mit separaten Bauanträgen und Einzelgenehmigungen begann eine lange Reise auf dem Weg zur permanenten Spielstättengenehmigung. Diese wurde 2015 erteilt und wurde im Jahr 2016 mit einer Kapazitätserweiterung auf 28.000 Besucher sogar ausgebaut. Als besondere Herausforderung im Bezug auf die Entfluchtung hat sich dabei die Lage als Halbinsel erwiesen. Aber durch intensive Zusammenarbeit mit den genehmigenden Behörden wurde ein attraktives Zuhause für mittlerweile drei große Musikfestivals geschaffen.

Referent: Lars Riemann (Event Administration Riemann) (siehe Seite 50)

12.30

Mittagspause

13.30

Pilotprojekt: Warnsysteme für Wettergefahren im Rahmen von Fußballspielen Jedes Jahr werden hunderte Menschen in Deutschland durch Blitzschlag verletzt und z.T. sogar getötet. Zuletzt wurden im Jahr 2016 bei einem Jugendspiel in Rheinland-Pfalz 29 Kinder und vier Erwachsene verletzt. Eine frühzeitige Warnung vor Blitzschlag könnte Unfälle vorbeugen und Todesfälle vermeiden. Wie bei jeder Open-Air Veranstaltung müssen auch für Fußballspiele - sei es im Ligabetrieb oder im Training - entsprechende Wetterszenarien vorbereitet werden. Die Vorwarnzeit ist dabei ein ausschlaggebender Faktor, Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Der Vortrag präsentiert anhand mehrerer Pilotprojekte, die in der Gewitter-Saison 2017 in Zusammenarbeit mit Amateur- und Proficlubs durchgeführt wurden, die Funktionalität und den Wirkungsgrad vollautomatischer Gewitterwarnsysteme.

Referent: Stefan Kirchner (Coptr Warn- und Schutzsysteme GmbH) Stefan Kirchner ist als Diplom-Sportwissenschaftler seit über 15 Jahren in der Sportbranche mit den Schwerpunkten Marke und Marketing tätig. Er war als Marketingleiter des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen u.a. verantwortlich für die Neuausrichtung und Positionierung des Clubs als ‚werkself’. Im Anschluss daran arbeitete er insgesamt über acht Jahre in verschiedenen Positionen innerhalb der DFL, u.a. war er dort verantwortlich für das Jubiläum ‚50 Jahre Bundesliga’ sowie die erfolgreiche Einführung der ‚DFL Media Days’. Seit Frühjahr 2017 ist Stefan Kirchner als selbständiger Berater aktiv.

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 3 ■ Veranstaltungssicherheit 2017: Best Practice

Lenken und Sperren im öffentlichen Raum am Beispiel „Grand Depart Düsseldorf 2017“

14.30

Dass Düsseldorf Großveranstaltungen „kann“, hat es 2011 mit der Beherbergung des Eurovision Song Contests, spätestens aber 2016 mit der Feier „70 Jahre NRW“ bewiesen. Mit der Ausrichtung des Tour de France-Starts 2017 – dem „Grand Depart“ – hat sich die Stadt neuen Herausforderungen in Hinblick auf Organisation, Sicherheitsaspekten und Besucherlenkung gestellt. Bernd Belka, der für die Planung der Besucherführung verantwortlich war, berichtet über die Planung, Abstimmung und Erfahrungen, die er im Rahmen des Tourstarts bei der Lenkung und Sperrung von und für Besucher des Grand Departs im öffentlichen Raum gemacht hat, erläutert Herausforderungen und stellt Lösungsansätze vor.

Referent: Bernd Belka (Special Security Services) Von 1987 bis 1994 arbeitete Bernd Belka als Selbstständiger Mitarbeiter für die Firma Special Security Services aus Bergheim bei Köln. Nach Beendigung des Studiums an der Deutschen Sporthochschule Köln 1994 wechselte er ab 1997 als Angestellter in die Firma. Nach mehrjähriger Arbeit als Einsatzleiter in den Veranstaltungsstätten in NRW wurde das Aufgabenfeld auf die nationale Tourbegleitung erweitert. Es folgten dann Welttouren für diverse Künstler/ Kunden in verschiedenen Aufgabenfeldern.

Veranstaltungen für Menschen mit besonderen Herausforderungen

16.00

Die genaue Beschreibung der Zielgruppe einer Veranstaltung ist eine anspruchsvolle Aufgabe, hängt hiervon doch die Planung der Maßnahmen ab, die hinsichtlich der Besuchersicherheit getroffen werden müssen. Adressiert eine Veranstaltung gezielt Menschen mit und ohne Behinderungen, müssen viele Maßnahmenpakete neu zusammengestellt und hinsichtlich der Anwendbarkeit auf ein barrierefreies, inklusiv gestaltetes Veranstaltungskonzept geprüft werden. Der Landschaftsverband Rheinland hat im Mai 2017 im Kölner Rheinpark Europas größtes Fest für Menschen mit und ohne Behinderungen durchgeführt. Conrad Seyfert, Projektleiter des LVR stellt die Veranstaltung „Tag der Begegnung“ vor und erklärt anhand einiger Beispiele, welchen Herausforderungen sich die Besucher, aber auch die Planer bei der Durchführung des Festes stellen.

Referent: Conrad Seyfert (Landschaftsverband Rheinland) Conrad Seyfert ist seit zehn Jahren im Kommunikations- und Eventmanagement tätig. Als Marketingverantwortlicher eines Schauspielhauses organisierte er dessen Eröffnung, ein Theaterfestival und diverse Schauspielproduktionen, später als Projektleiter einer Agentur Konferenzen, Preisverleihungen, Großveranstaltungen und Präsentationen für Bundes- und Landesministerien, Verbände und international tätige Organisationen. Seit 2016 ist der Diplom-Medienwirt beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) tätig. Dort verantwortet er im Fachbereich Kommunikation die Eventorganisation und das Corporate Design des Gesamtverbands.

Themenverbindende Abschlussdiskussion Abgerundet werden die Tage durch themenverbindende Abschlussdiskussionen, in denen vor allem das Fachpublikum zu Wort kommen soll. Gemeinsam diskutieren wir aktuelle Entwicklungen, neue Erkenntnisse, zukünftige Herausforderungen der Veranstaltungssicherheit.

17.00 Raum: 12. Mann

Referenten: Ralf Zimme (Düsseldorf Congress Sport & Event), Axel Claas (Claas Arbeitsschutz), Lars Riemann (Event Administration Riemann), Dr. Simon Runkel (Universität Heidelberg)

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Programm Di 28.11.2017

Themenschwerpunkt 3 ■ Rahmenprogramm

RAHMENProgramm Stetig haben wir seit 2014 das Rahmenprogramm zur Tagung erweitert und mit Formaten wie der allbuyone Konferenzparty, dem Professionals Meeting für Absolventen des „Professional Certificate in Event Safety & Security Management“ oder dem eps Innovationsforum für die deutschsprachige Branche einzigartige Plattformen geschaffen, auf denen man vor, zwischen und nach den Fachvorträgen das eigene Netzwerk pflegen und erweitern kann. Klar, dass all diese Formate auch 2017 wieder stattfinden werden. Die technische Stadionführung werden wir nach dem Erfolg des letzten Jahres mehrfach anbieten und so hoffentlich die Warteliste aus dem letzten Jahr erfolgreich abarbeiten. Mit einer neuen “Coffee-Lounge” schaffen wir für alle, die zwischen den Vorträgen doch mal arbeiten müssen, ein professionelles aber bequemes Umfeld und ermöglichen hier unseren Teilnehmern, Fachtagung und Alltag miteinander zu verbinden.

18.00

eps Innovationsforum Raum: 12. Mann Referent: Dirk Boda (eps Holding GmbH) Das eps Innovationsforum hat sich zum Ziel gesetzt, eine Plattform zu sein für die Vorstellung neuer Ideen, Erfindungen oder Produktentwicklungen. Unter den kritischen Blicken der Zuhörer und potentiellen Anwender werden die Neuheiten präsentiert und diskutiert – oftmals verbunden mit intensiven Diskussionen auch noch im Nachgang des Forums. Einige der 2016 vorgestellten Ideen sind inzwischen in der Praxis im Einsatz – nicht zuletzt motiviert durch das gezeigte Brancheninteresse und den erfahrenen Zuspruch im Rahmen des Innovationsforums.

18.00

Technische Stadionführung Referent: Kai Klaassen (KölnerSportstätten GmbH) Die technische Stadionführung gewährt einen Blick hinter die Kulissen einer Veranstaltungsstätte für knapp 50.000 Personen. Dabei liegt der Schwerpunkt der Führung auf dem Aspekt der Sicherheit sowie dem infrastrukturellen Umgang bei Veranstaltungen in diesen Größenordnungen. Sie erhalten Informationen über eigens für das Kölner Stadion entwickelte Speziallösungen sowie die Beantwortung fast all ihrer Fragen.

19.30

allbuyone Konferenzparty Raum: Business-Lounge Ost So sehr wir von den Inhalten der Tagung überzeugt sind, so richtig vollständig wird sie erst mit der Party am Abend des ersten Veranstaltungstages. Gemeinsam mit unserem Partner allbuyone laden wir Sie zum entspannten Austausch in die Business Loge OST im RheinEnergieSTADION ein. Lernen Sie bei Fingerfood, einem Kölsch an der Theke oder Longdrinks an der Cocktailbar in angenehmer Atmosphäre Ihre Branchenkollegen besser kennen und tauschen Sie interessante Informationen und Eindrücke vom ersten Veranstaltungstag und Ihrem Berufsalltag aus.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 4 ■ Rechtsfragen der Veranstaltungswelt

Programm Mi 29.11.2017 THEMENSCHWERPUNKT 4

Rechtsfragen der Veranstaltungswelt Aufgrund des hohen Zuspruchs und der knappen Zeit, die wir im letzten Jahr diesem Thema widmen konnten, bilden wir in diesem Jahr einen neuen Schwerpunkt: Sicherheit und Recht – die aktuellen Herausforderungen. In diesem Themenschwerpunkt wird es um aktuelle Fragestellungen gehen, die in 2017 (immer noch) diskutiert wurden. Hierzu gehören ganz sicher die Frage nach Verantwortlichkeiten und Abbruchentscheidungen, aber auch um zeitliche und räumliche Abgrenzungen von Verantwortung – insbesondere auch im Zusammenhang mit den derzeitig diskutierten Bedrohungslagen. Einige der Fragestellungen sind tatsächlich neu in unserem Focus aufgetaucht, einige beschäftigen uns schon seit Jahren. Eines der Themen, das schon seit langem diskutiert und bisher nur unvollständig beantwortet wurde, ist die Frage, ob der Veranstalter als Zweckveranlasser eigentlich für alles verantwortlich ist was im Kontext seiner Veranstaltung geschieht: das Verhalten der Besucher am Bahnhof ? Die Notwendigkeit, die Veranstaltung (oder die Stadt?) vor hereinfahrenden LKW zu schützen an einem Ort, der so gar nichts mit dem Veranstaltungsgelände selbst zu tun hat? Und wo müssen eigentlich welche Grenzen gezogen werden? „Last Mile“ ist eines der Schlagworte, die den Diskurs hierüber schon seit langem bestimmen. Natürlich muss es auch um die Frage gehen, was das alles in Bezug auf Haftung bedeutet. Auch hier ist Arbeitsrealität recht vielfältig: die Formulierung „ich will doch hierfür nicht in den Knast gehen“ moderiert gerne – vorsichtig gesprochen – etwas überzogene Anforderungen an, genauso wie „ich wusste überhaupt nicht, dass ich hierfür verantwortlich (haftbar?) bin“ leider auch immer noch eine zu häufig gehörte Aussage ist. Da der Diskussionsbedarf der Teilnehmer zu diesem Thema erfahrungsgemäß sehr hoch ist, beschließen wir diesen Themenschwerpunkt mit einem offenen Format: „Sie fragen – wir (versuchen zu) antworten“ – streng nach dem Motto „Es kommt drauf an“.

Moderation: RA Daniel Schlatter (Schlatter & Zahl) Daniel Schlatter ist Rechtsanwalt in der Rechtsanwaltspartnerschaft Schlatter & Zahl und engagiert sich zugleich noch in den Bereichen Veranstaltungs- und Verkehrsplanung in verschiedenen Institutionen. Daniel Schlatter ist bereits seit 1996 in der Veranstaltungsbranche tätig und berät mit seiner Firma IVVM Schlatter Veranstalter und Städte europaweit in den Bereichen Produktion, Sicherheit und Verkehrsmanagement bei (Groß-) Veranstaltungen. Er hat zudem an der Universität Konstanz Rechtswissenschaft studiert und sich im Jahr 2005 mit Gründung der Kanzlei als Rechtsanwalt niedergelassen. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist das Bauordnungs- und Veranstaltungsrecht, insbesondere die Implementierung von Sicherheitskonzeptionen im Rahmen der Vertragsgestaltung.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 4 ■ Rechtsfragen der Veranstaltungswelt

10.15

Rechtliche Fragen aus 2017 im Überblick Das Jahr 2017 war und ist ein sehr bewegtes Veranstaltungsjahr. Auch im Jahr 2017 waren verschiedene Veranstaltungen von Unterbrechungen oder Absagen betroffen. Im Moment schwelt der Streit, wer in den verschiedenen Versammlungsstätten und auch im öffentlichen Raum „die Sicherheit“ wie und auf welche Weise und mit welchem Aufwand und auf wessen Kosten absichern soll oder muss. RA Daniel Schlatter nähert sich dieser Fragestellung mit Fällen und Beispielen aus dem Veranstaltungsjahr 2017 und gibt auch einen Ausblick auf Lösungsmöglichkeiten.

Referent: RA Daniel Schlatter (Schlatter & Zahl) (siehe Seite 53)

11.15

Im Namen des Volkes… Seit der Katastrophe auf der Loveparade von 2010 in Duisburg sind nun mehr als sieben Jahre vergangen. Eine strafrechtliche juristische Aufarbeitung hat bis jetzt keinen Abschluss finden können. Anlass genug, auch in diesem Forum einmal die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung von an der Sicherheitsorganisation beteiligten Akteuren zu stellen. Martin Reitmeier ist Fachanwalt für Strafrecht und profunder Kenner der Veranstaltungswelt. Anhand verschiedener Schadensfälle aus den Jahren 2016 und 2017 werden die strafrechtlichen Aspekte der Schadensbewältigung erläutert und diskutiert.

Referent: RA Martin Reitmaier (REITMAIER RECHTSANWÄLTE) Martin Reitmaier ist Fachanwalt für Strafrecht und hat seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten in Unternehmen bilden den Kern seiner Arbeit. Er ist beratend im Bereich Compliance tätig. Sein zweiter Tätigkeitsschwerpunkt ist das Veranstaltungsrecht. Er arbeitet seit 2009 in der Projektleitung des Musikfestivals „Rock im Park“ und betreut dort die juristischen Belange rund um das Festival. Deutschlandweit setzen namhafte Veranstalter auf seine speziellen Kenntnisse und insbesondere seine praktischen Erfahrungen in diesem Bereich. Unter anderem berät er den 1. FCN in speziellen veranstaltungsrechtlichen Fragen.

12.15

Mittagspause

13.15

Über Versicherungen – und vom akzeptierten Restrisiko… Notfallszenarien gehören zu den wesentlichen Bestandteilen von Sicherheitskonzepten. Von der Störung in der Stromversorgung über den Brand, den medizinischen Notfall oder das Unwetter - bis hin zur terroristischen Bedrohung werden in den Szenarien risikominimierende Maßnahmen, Handlungsabläufe und Entscheidungsstrukturen beschrieben. Auch wird definiert, welches Restrisiko man bereit ist, einzugehen. Wir stellen die Frage, wie aus der Sicht des Versicherungsfachmanns mit „vordefinierten“ Schadensfällen umgegangen werden kann, welche Risiken auf welche Art und Weise in den Risikotransfer gehen können und warum Risikotransfer, wenn es drauf ankommt, auch echte Entscheidungsfreiheit in der Sache bedeuten kann.

Referent: Christian Raith (erpam)

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Christian Raith ist geschäftsführender Gesellschafter der Eberhard, Raith & Partner GmbH, einem seit über 30 Jahren agierenden Spezialversicherungsmakler im Entertainmentbereich. Mit seinem 30-köpfigen Team beschäftigt er sich täglich mit den Versicherungsfragen rund um Veranstaltungen aller Art, sowie den damit verbundenen Dienstleistern. Seit seinem Wechsel vom Versicherer zum Makler vor über 20 Jahren kümmert er sich um Spezialkonzepte für die Veranstaltungsbranche. Besonders wichtig ist dabei für ihn die enge Zusammenarbeit mit den Verbänden, sowie die ständige Kommunikation mit den Firmen im Entertainmentbereich in Hinblick auf die technischen und sonstigen Entwicklungen der Zeit.


Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 4 ■ Rechtsfragen der Veranstaltungswelt

Rechtliche Fragestellungen: Sie fragen, wir versuchen zu antworten

14.15

Die Experten stellen sich auf dem Podium den Fragen des Plenums. Antworten werden gegeben. RICHTIG und FALSCH bleiben allerdings oft auch hier eine Illusion der Beteiligten… Diskutieren Sie mit. Referenten: Christian Raith (erpam), RA Martin Reitmaier (REITMAIER RECHTSANWÄLTE), RA Daniel Schlatter (Schlatter & Zahl)

Seminare

Workshops

Trainings

WISSEN & HANDLUNGSKOMPETENZ FÜR DIE PLANUNG & DURCHFÜHRUNG SICHERER VERANSTALTUNGEN Sicherheitsmanagement für Veranstaltungen (2 Semester, 24 ECTS) Zertifikatskurs Veranstaltungsleitung (dreitägig) Intensivkurs Notfall- und Kontinuitätsmanagement (zweitägig) Crowd Safety Management (dreitägig) Weitere Seminarangebote unter

www.ibit.eu/bildung Facebook “f ” Logo

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 5 ■ Moderne Sicherheitsplanung

THEMENSCHWERPUNKT 5

Moderne Sicherheitsplanung „Besucherstromlenkung“ oder „Personenstromanalyse“ sind Schlagworte, die heutzutage selbstverständlichen Eingang in die Terminologie der Sicherheitsplanung gefunden haben. Zu Recht, denn sowohl in der Planung von Veranstaltungen als auch im Monitoring der anwesenden Besucher ist es wichtig, das Bewegungsverhalten der Besucher als Grundlage für die Planung heranzuziehen. Dazu muss man aber wissen, worum es eigentlich geht – was die grundlegenden Fragestellungen sein können und was man durch welche Untersuchung oder Beobachtung eigentlich herausfinden kann. Hierzu können, aber müssen nicht zwingend technisch ausgefeilte Lösungen herangezogen werden – manchmal reicht schon der Griff zu Bleistift und Taschenrechner, um bestimmte Zusammenhänge aufzuzeigen. Dass gerade im Monitoring die Erhebung von Daten mittels Apps und Anwendungen nützliche Erkenntnisse liefern können, steht dabei genauso außer Frage, wie die Tatsache, dass man auch hier wissen muss, was man eigentlich erkennen möchte – ohne die geeigneten Fragen auch hier keine guten Antworten. Aber was macht man dann mit den Daten? Was macht man, wenn man sieht, dass auf einmal viele rote Punkte auftauchen, die sagen ACHTUNG – hier ist es überall zu voll? Die Planung ist nicht vollständig, wenn sie nicht um die geeigneten Maßnahmen ergänzt wird, regelmäßig niedergeschrieben im Rahmen der Notfall- & Szenarienplanung. Dass sich das Geschriebene aber nicht immer im Umgesetzten wiederspiegelt, sieht man dabei häufig – oftmals, weil die Szenarien zu abstrakt, zu allgemein oder zu optimistisch waren – oder auch, weil die Beteiligten nicht vernünftig zusammenarbeiten. Nur durch gemeinsames Üben kann daher sichergestellt werden, dass die Notfallplanung auch tatsächlich auf gemeinsamen mentalen Modellen beruht – eine Voraussetzung für die interorganisationale Zusammenarbeit insbesondere im Schadenfall. „Moderne Sicherheitsplanung“ bedeutet also nicht automatisch den Rückgriff auf „moderne“ Technologien – manchmal reicht neben dem aus der Berechnung noch auf dem Tisch liegenden Bleistift noch ein Satz Legosteine, um Zusammenhänge zu zeigen und zu üben.

Moderation: Matthias Brezina (Se2 Solutions) Matthias Brezina studierte Wirtschaftsinformatik im Bachelor und „Business Informatics“ im Master an der TU Wien. Er ist seit 2008 Koordinator der Veranstaltungssicherheit bei Großveranstaltungen. Ab dem folgenden Jahr agierte er als Projekt- und Einsatzleiter von Se2 Solutions. Hier wird er später Bereichsleiter. Dabei führt er unter anderem die internationale Koordination zwischen lokalen Servicedienstleistern und Tournee-Sicherheitsbeauftragten bei europaweiten Großveranstaltungen durch. Seit 2014 ist er Gesellschafter bei Se2 Solutions und ist hier hauptsächlich für Konzeption, Planung und Durchführung sowie sicherheitstechnische Betreuung von Verkehrsmaßnahmen bei (Sport)Großveranstaltungen zuständig. 2017 schloss Brezina den Studiengang „Crowd Safety Management“ an der New Bucks University mit dem Titel BA (Hons) ab.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 5 ■ Moderne Sicherheitsplanung

„Ein bisschen Mathematik” – Ingenieurmethoden und Handrechenverfahren

10.15

Bei den Schlagworten „Besucherstromlenkung“ oder „Personenstromanalyse“ denken viele sofort an aufwändige Simulationen – und ignorieren dabei vollkommen, dass man viele der notwendigen Erkenntnisse auch mittels einfacher Rechenverfahren selbst berechnen kann. Für beides ist das Wissen um die Einflussfaktoren von Bedeutung: Weglängen, -breiten, Besucherprofil (Gehgeschwindigkeit), Untergrund, Ecken, Treppen usw. Mittels einfacher Grundgrößen kann man grundlegende Erkenntnisse über das Veranstaltungsgelände und das Bewegungsverhalten erlangen. Der Vortrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Faktoren und einige der grundlegenden Handrechenverfahren, die die Besucher unmittelbar vor Ort mit Stift und Papier nachrechnen können.

Referentin: Natalie Waldau Drexler (Ingenieurbüro WALDAU) Nathalie Waldau-Drexler ist seit 2004 selbständig beratende Ingenieurin mit folgenden Leistungsschwerpunkten: Erstellung von Sicherheitskonzepten, Planung und Bewertung von Flucht- und Rettungswegen, Personenstromanalysen, Evakuierungsanalysen und -konzepte sowie Evakuierungsberechnungen und -simulationen, Eignungsfeststellung von Veranstaltungsstätten gemäß Veranstaltungsstättengesetz. Seit 2005 ist sie zudem wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Donau-Universität Krems, wo sie für die Sicherheitskonferenz Krems sowie für die Lehrgangsentwicklung am Zentrum für Infrastrukturelle Sicherheit verantwortlich ist. Nathalie Waldau-Drexler studierte Architektur an der Technischen Universität Wien und absolvierte 2006 den Masterlehrgang “Security and Safety Management” an der Donau-Universität Krems.

Personenströme messen, überwachen, lenken: Intelligente Lösungen und neue Methoden

11.15

Neben der Planung ist auch die Überwachung, das Monitoring und die Steuerung der Besucherströme ein wichtiger Teil der Sicherheitsplanung für Veranstaltungen. Zum einen gilt es zu erkennen, ob die getroffenen Annahmen tatsächlich auch so zutreffen, sprich, ob die Besucher sich so bewegen, wie es der Planung zu Grunde gelegt wurde, zum anderen gilt es natürlich auch, Abweichungen oder kritische Entwicklungen zu entdecken. Die fast universelle Verbreitung von persönlichen Geräten wie Smartphones und Smartwatches eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten. Solche Geräte erlauben ein genaues Echtzeit-Tracking der Menschenmenge. Dies kann mithilfe von partizipativen Lösungen (z.B. durch Apps, die mit Benutzerzustimmung anonymisierte Sensordaten senden) oder durch passives Scannen aktiver WLAN und Bluetooth Geräte erfolgen. Gleichzeitig können die persönlichen Geräte zur Beeinflussung und Lenkung der Menschenmenge benutzt werden. So kann im Prinzip jederzeit, jedem Besucher ein persönlicher, an seine momentane Situation angepasster Hinweis geschickt werden.

Referent: Prof. Dr. Paul Lukowicz (DFKI) Seit 2012 ist Paul Lukowicz Professor für Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität Kaiserslautern und wissenschaftlicher Leiter der „Embedded Intelligence Group“ am DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz). Zwischen 2006 und 2011 war er Professor (W3) für Informatik an der Universität Passau. Zuvor hatte er einen Lehrstuhl für technische Informatik an der Privaten Universität für Medizinische Informatik und Technik (UMIT) in Österreich (2004-2006) inne und war Senior Researcher (“Oberassistent”) am Elektroniklabor der ETH Zürich (1999- 2004, plus Teilzeitvertrag bis 2006). Paul Lukowicz hat einen Diplomabschluss (Dipl. Inf.) und einen Doktortitel (Dr. rer nat.) in Informatik sowie einen Diplomabschluss in der Physik (Dipl. Phys.). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Schnittstelle zwischen der digitalen, der physischen und der sozialen Welt einschließlich ubiquitärer / tragbarer Systeme, neuer Interaktionsmodalitäten, intelligenter Systeme für die Erkennung von Benutzeraktivitäten und -Profielen, partizipative Systeme und Social Computing.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 5 ■ Moderne Sicherheitsplanung

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Mittagspause

13.15

Sicherheit durch Handlungssicherheit: Planspiele & Übungen Neben der Planung und der Nutzung der Zur-Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ist Üben ein bedeutender Faktor für die Sicherheit von Veranstaltungen. Leider ist das Üben gerade auch im interorganisationalen Kontext bei Veranstaltungen eher selten. Gründe hierfür sind vielfältig: keine Zeit, keine Ressourcen, Sorge, dass in der Übung Themen oder Fragen zur Sprache kommen, die nicht beantwortet werden können. Dass dieses Denken unberechtigt und falsch ist, erklärt sich von selbst, da Lücken, die in der Übung erkannt werden, natürlich deutlich besser geschlossen werden können, als wenn sie erst im Laufe des Ereignisses auftauchen. Dabei kann Üben so einfach sein. Es muss nicht immer die Vollübung mit 1.000 Statisten sein, auch das Zusammensitzen über einem Szenario und das Abgleichen der jeweils gemeinsamen und individuellen Handlungen der Beteiligten ist ein erster wichtiger Schritt. Ob Table-Top, Szenarienübung oder Großübung – Übungen helfen, ein gemeinsames Denken zu entwickeln, Ziele abzugleichen und sicherzustellen, dass in einer Ereignissituation alle Beteiligten nicht nur auf gelernte Prozedere innerhalb der eigenen Organisation zurückgreifen, sondern auf ein gemeinsames Denkmodell („gemeinsames mentales Modell“) in Bezug auf die konkrete Veranstaltung zurückgreifen können. Der Vortrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Übungsmöglichkeiten und gibt Tipps zu deren Umsetzung.

Referent: Georg Geczek (Wiener Rotes Kreuz) Bereits mit 19 Jahren gründete Georg Geczek eine IT-Firma. Acht Jahre später folgte der Wunsch nach persönlicher Veränderung. Nach dem erfolgreichen Verkauf des IT-Unternehmens war er jahrelang im Eventmanagement tätig. 2007 folgte der berufliche Einstieg beim Wiener Roten Kreuz, wo er während der Vorbereitungen zur Fußball-EM 2008 für das interne Projektmanagement verantwortlich war. Parallel absolvierte er im Zuge der Vertiefung der eigenen Qualifizierung diverse universitäre Ausbildungen und Zertifizierungen in den Bereichen Krisen- und Katastrophenmanagement sowie betriebliches Sicherheitsmanagement. Neben seiner Tätigkeit als Berater für betriebliches Krisen- und Notfallmanagement war er von 2010 bis 2014 mit der Leitung der Abteilung Sanitätsdienste/Veranstaltungssicherheit des Wiener Roten Kreuzes betraut. Im Oktober 2014 folgte die Übernahme der Leitung des neu gegründeten Competence Center Event Safety Management.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 6 ■ Die (nicht mehr) neuen Bedrohungslagen

THEMENSCHWERPUNKT 6

Die (nicht mehr) neuen Bedrohungslagen Dass wir uns mit „Bedrohungslagen“ auseinandersetzen müssen, ist heutzutage sicherlich Konsens – gefragt ist dabei ein Ansatz, der fern von Aktionismus und Hysterie Maßnahmen definiert, die nicht nur zielführend, sondern auch nachhaltig sind. Die Zusammenarbeit und der Wissenstransfer zwischen den Beteiligten ist dabei genauso wichtig wie das Überdenken bereits bestehender Prozedere oder die Implementierung und Übung neuer Prozesse. Ähnlich wie bei der Fehlerkultur ist allerdings auch bei diesem Thema die Zurückhaltung (zu) groß. Manchmal wirkt es, als würde man dem berühmt-berüchtigten „Teile der Antwort ….“ Zitat Rechnung tragen, indem man das Thema einfach nicht diskutiert – ergänzt um ein ´mal mehr ´mal weniger großväterliches „das lassen Sie ´mal unsere Sorge sein“. Nun ist es ganz sicher nicht Aufgabe der privaten Akteure, Terrorabwehr zu betreiben – aber sowohl die Möglichkeiten als auch die Notwendigkeiten komplett zu ignorieren, ist sicherlich auch kein Weg. Private Akteure können sehr umfassend und zielführend agieren – insbesondere da, wo es darum geht, vorhandene Angriffsmöglichkeiten zu schließen (siehe Hierzu auch MAGAZIN für Sicherheitskultur NR. 02/2017, Seite 12ff.) oder durch geschulte Aufmerksamkeit Dinge lieber früher als zu spät zu bemerken. Ein wichtiger Faktor hierbei ist natürlich das geschulte Personal, das nicht nur diese Prozesse umsetzen muss, sondern das vor allem auch eine wichtige Rolle in Bezug auf das Erkennen und das Alarmieren spielen muss. Andere Länder, die sich schon länger mit den Bedrohungslagen auseinandersetzen und diese in ihr normales Leben integrieren müssen, sind uns hier voraus – sowohl in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Hilfsmitten und Ratschlägen für den Alltag als auch in Bezug auf die professionelle Normalität, mit der das Thema abgearbeitet wird. Wir tun gut daran, gerade bei diesem Thema sehr weit über den Tellerrand zu schauen und alle Hilfe anzunehmen, die wir bekommen können – mehr denn je ist hier das Lernen von den Schadenerfahrungen der anderen möglicherweise ausschlaggebend für das positive Ergebnis des eigenen Handelns.

Moderation: Hans-Joachim Kensbock-Rieso Hans-Joachim Kensbock-Rieso war 45 Jahre Polizeibeamter in Nordrhein Westfalen, davon 36 in leitenden Funktionen. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Spezialeinheiten und beteiligte sich als Ausbildungsleiter und Berater des Afghanischen Innenministers zwei Jahre am Polizeiaufbau in Afghanistan. Später leitete er große Polizeiinspektionen in Düsseldorf. Er war zuständig für die Polizeiführung bei Entführungen, Erpressungen und Geiselnahmen sowie die Planung und Durchführung von Großeinsätzen wie dem Rosenmontagsumzug und der Düsseldorfer Rheinkirmes. Zuletzt leitete er 6 Jahre lang die Polizeieinsätze anlässlich der Bundesligaspiele von Fortuna Düsseldorf.

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Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 6 â– Die (nicht mehr) neuen Bedrohungslagen

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What happens when your venue becomes involved in a terrorist threat? One week after the mass shooting attack at the “bataclan theatre� in Paris, Brussels went to the highest level of terrorist threat which led to a venue lockdown whilst a rudimental concert was taking place. Security measures were adapted following continuous exchange with the police. The experience has proven that building strong relationships and communication is key to dealing with crisis situations with no precedent nor standard guidelines.

Referentin: Coralie Berael (Forest National) Coralie Berael is Venue Manager at the Forest National arena in Brussels, a legendary venue where she experienced her very first concert as a 6 year old. The tone for her music passion was set. After she graduated as a MSc in Geography of Environmental Risks and Human Security (BE) in 1994, she moved to London and built up 15 years of experience in business analysis, building & facilities management and online corporate communication across the UK and EU mainland. Since operating in the heart of Brussels, the activity has been dominated by security and safety issues lately and the focus of the entertainment industry has shifted overnight from creating the unforgettable experience to making sure we keep people safe and alive. Forest National is a member of the EAA (European Arenas Association) with a capacity up to 8.000.

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Recent UK experience of terrorism and the impact on event planning The United Kingdom has faced several terrorist threats this year and especially the attack at the Manchester arena had quite an impact on the event industry. For example anti-terrorism guidelines for festivals had to be changed on short notice. Sean Williams will take a closer look at contemporary terrorist activities and talk about the challenge of balancing proportionality, risk and public reassurance in the event planning. Lock-down-scenarios at your venue and the role of security teams in them will be discussed. Other topics that will be covered in his speech include government threat levels, mitigation of the impact of hostile vehicles or suspicious package management.

Referent: Sean Williams (Blue Owl Events Ltd.) Sean Williams has recently retired from the police as a Chief Inspector after 33 years service. He has been active in the licensing, planning and management of events for most of that time. Sean Williams was previously a director of the British Institute of Licensing. He is an accredited police commander at both Bronze and Silver level, with experience of numerous music festivals, sporting events, demonstrations, carnivals and other events. Additionally, he has led on planning of events where the police are the organisers including royal visits and the Olympic Torch. Sean Williams has been an active member of many Safety Advisory Groups. During 2017 Sean Williams assisted a number of event organisers with their counter terrorism plans for ingress, egress and the maintenance of their events. Since leaving the police, Sean Williams has formed an event management company, Blue Owl Events. This company is providing consultancy advice to event organisers on a range of issues including counter terrorism.

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Mittagspause


Programm Mi 29.11.2017

Themenschwerpunkt 6 ■ Die (nicht mehr) neuen Bedrohungslagen

Neuen Herausforderungen begegnen – aber wie?

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„Wir müssen auf die neuen Herausforderungen reagieren“ ist eine häufig gehörte Forderung zur Zeit. Zu den wichtigen Protagonisten hierbei gehören die privaten Sicherheits- & Ordnungsdienste, die – vorsichtig formuliert – jedoch nur unzureichend hierauf vorbereitet sind. Während die einen über „awareness“ sprechen, über Prozedere und Notfallmanagement, fragen sich die anderen, wie sie die Kräfte dazu bringen können, wenigstens die Taschenkarten für ihre Position zu lesen. Die Frage, was eine gute Kraft, ein guter Mitarbeiter oder eine gute Mitarbeiterin ausmacht, ist bisher nur bedingt beantwortet. Genauso wie die Frage, was jemand, der für die Sicherheit einer Veranstaltung verantwortlich und möglicherweise der erste Kontakt auch mit einem mutmaßlichen Attentäter ist, eigentlich verdienen müsste. Das Diskussionspanel möchte über die möglichen, wenn auch unbequemen Antworten diskutieren, Möglichkeiten und Grenzen aufzeigen und einen Blick auf notwendige zukünftige Entwicklungen werfen.

Referent: Martin Houbé (Special Security Services) Martin Houbé ist Geschäftsführer von Special Security Services, einem seit 25 Jahren weltweit agierenden Sicherheitsunternehmen. Das auf Veranstaltungssicherheit und Crowd Management spezialisierte Unternehmen gehört zu den Marktführern in diesem Segment. Er ist seit 20 Jahren im nationalen und internationalen Tourneegeschäft zu Hause und koordiniert dort die Sicherheitsdienstleistungen der Welt- und Europatourneen zahlreicher Künstler wie Luciano Pavarotti, The Rolling Stones, Madonna oder U2. Martin Houbé konzipiert seit Jahren Schulungen und Trainings für Sicherheitskräfte und führt diese durch. Er setzt sich in verschiedenen Gremien für die Verbesserung der Qualifizierung und die Einführung von nationalen und internationalen Standards in der Ausbildung von Sicherheitspersonal bei Veranstaltungen ein.

Themenverbindene Abschlussdiskussion

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Abgerundet werden die Tage durch themenverbindende Abschlussdiskussionen, in denen vor allem das Fachpublikum zu Wort kommen soll. Gemeinsam diskutieren wir aktuelle Entwicklungen, neue Erkenntnisse, zukünftige Herausforderungen der Veranstaltungssicherheit. Referenten: Sabine Funk (IBIT GmbH), RA Daniel Schlatter (Schlatter & Zahl), Matthias Brezina (Se2 Solutions), Hans-Joachim Kensbock-Rieso

Raum: 12. Mann

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A ut o ren

Über Die Autoren Dieser Ausgabe Daniel Schlatter, Timm Z ahl Die Autoren sind Rechtsanwälte und Partner der Schlatter & Zahl Rechtsanwaltspartnerschaft in Konstanz. Sie beschäftigen sich insbesondere mit der Erstellung von Verträgen, AGB und Sicherheitskonzepten und der Beratung und Vertretung im Veranstaltungsrecht.

Sabine Funk Sabine Funk ist Geschäftsführerin der IBIT GmbH und Leiterin der Fachbereiche Bildung und Forschung. Sie hat in England „Crowd and Safety Management, BA (Hons)” studiert und zählt zu den führenden Fachleuten für Veranstaltungssicherheit und Crowd Management in Deutschland. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Veranstaltungsbereich, davon mehr als 10 als geschäftsführende Gesellschafterin und Produktionsleiterin der RhEINKULTUR, einem der größten eintrittsfreien Festivals in Deutschlands, verfügt Sabine Funk über umfangreiche Erfahrungen in der Planung und Durchführung von (Groß-) Veranstaltungen.

Ralf Zimme Ralf Zimme hat in England „Crowd and Safety Management, BA (Hons)” studiert und zählt zu den anerkannten Fachleuten für Sicherheitskonzepte und Crowd Management in Deutschland. Seit 2004 war er der Leiter Veranstaltungstechnik und Veranstaltungssicherheit in der ESPRIT arena in Düsseldorf und ist seit 2014 Leiter des Sicherheitsmanagements von Düsseldorf Congress Sport und Event. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Veranstaltungsbereich, davon mehr als 15 Jahre als technischer Leiter und Produktionsleiter für einen großen Veranstalter in NRW, verfügt Ralf Zimme über umfangreiche Erfahrungen in der Veranstaltungsbranche.

Prof. Dr. Paul Lukowicz

Simon van rennings

Seit 2012 ist Paul Lukowicz Professor für Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität Kaiserslautern und wissenschaftlicher Leiter der „Embedded Intelligence Group“ am DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz). Paul Lukowicz hat einen Diplomabschluss (Dipl. Inf.) und einen Doktortitel (Dr. rer nat.) in Informatik sowie einen Diplomabschluss in der Physik (Dipl. Phys.). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Schnittstelle zwischen der digitalen, der physischen und der sozialen Welt einschließlich ubiquitärer / tragbarer Systeme, neuer Interaktionsmodalitäten, intelligenter Systeme für die Erkennung von Benutzeraktivitäten und -Profielen, partizipative Systeme und Social Computing.

Simon van Rennings ist gelernter Veranstaltungskaufmann. Nach der Ausbildung und Tätigkeit als Assistent der Geschäftsführung bei SHOWTEC studierte er Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität Wuppertal. Dort wirkte er 2012 bis 2015 im Forschungsprojekt BaSiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungenmit und ist nun wissenschaftlicher Mitarbeiter der IBIT GmbH. Hier ist er in erster Linie für die Bearbeitung des Forschungsprojekts ORPHEUS zuständig.

Gudrun Jostes Die zertifizierte Fachplanerin und freie Sachverständige für Barrierefreies Bauen, berät und plant seit 2000 für öffentliche und private Auftraggeber. Schwerpunktmäßig entwickelt sie umfassende, barrierefreie Gebäude- und städtebauliche Maßnahmenkonzepte. Mit einem beruflichen Erfahrungsschatz von über 15 Jahren führt sie praxisrelevante Trainings- und Workshops durch. Ihre lebendigen Basisschulungen, bedarfsorientierten Spezialseminaren und Vorträge zur Inklusion und Barrierefreiheit werden von Organisationen, Universitäten, Fachhochschulen, Verbänden und Wirtschaftsunternehmen gebucht.

Kerstin Hoffmann -Wagner Die selbstständige Eventberaterin und zertifizierte Trainerin ist seit 2000 im Eventbereich tätig. Als Projektleitung und Senior-Referentin arbeitete sie 12 Jahre im Eventmanagement eines Großunternehmens bevor die studierte Kulturmanagerin 2012 ihr Unternehmen HOFFMANN EVENTBERATUNG gründete. Heute berät sie Unternehmen, Verbände und Institutionen bei ihren Aktivitäten im Bereich Event- und Messeplanung. Besondere Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Barrierefreiheit und Inklusion bei Events und Messen sowie Social Media und Krisenmanagement bei Events.

Christian Raith Christian Raith ist geschäftsführender Gesellschafter der Eberhard, Raith & Partner GmbH, einem seit über 30 Jahren agierenden Spezialversicherungsmakler im Entertainmentbereich. Mit seinem 30-köpfigen Team beschäftigt er sich täglich mit den Versicherungsfragen rund um Veranstaltungen aller Art, sowie den damit verbundenen Dienstleistern. Er selbst war von 1989 bis 1995 bei einem großen deutschen Versicherer tätig und befasste sich dort bereits mit Haftpflichtrisiken aus dem Veranstaltungs- und Entertainmentbereich. Seit seinem Wechsel vom Versicherer zum Makler vor über 20 Jahren kümmert er sich um Spezialkonzepte für die einzelnen Risikobereiche der Szene. Seit Jahren engagiert er sich auch dafür, die Firmen der Branche zu informieren und zu sensibilisieren. Er berät Veranstalter, Verbände und Dienstleister in Bezug auf die versicherungsrechtlichen Fragen rund um Events und welche Lösungen die Assekuranz dafür bereit hält. Dabei entstehen immer neue Klauseln und Bedingungen, welche sich am Markt etabliert haben.




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