Synapse 56

Page 1

Zeitschrift der Medizinstudierenden Münchens

Nr. 56 • Oktober 2011


Editorial Wir haben für euch neben dem absolut genialen1 Layout dieser Ausgabe – die Nächte haben sich definitiv gelohnt – gleich mehrere Überraschungen vorbereitet: wir kommen ab dieser Ausgabe jetzt zweimal pro Jahr heraus. Weiterhin in Farbe, und ab sofort mit BonusFeatures im Web. Jeder mag kostenlose BonusFeatures die funktionieren! Einfach den QRCode (das pixelige Quadrat) mit dem Handy abfotografieren – und die richtige App vorausgesetzt – landet man auf der richtigen Websei1 Der Affe der die Typographie macht muss gelobt werden, Bananen reichen mittlerweile nicht mehr.

te. Klingt kompliziert, aber nur weil wir's noch nicht gewöhnt sind – in ein paar Jahren werden die Leute sagen: „Diese Synapse hatte schon anno 2011 QR-Codes ... sehr progressiv!“ Die Redaktion hat sehr engagierten Zuwachs bekommen, die Last-Minute tatsächlich noch fast die Hälfte der Synapse mit auf die Beine gestellt haben. Da können sich manche alten Hasen bei uns eine Scheibe von abschneiden. Es soll doch tatsächlich Leute geben, die ihre Artikel noch in InDesign beim Layouten schreiben, tss tsss ... Und – last but not least – kooperieren wir jetzt offiziell mit beiden Fachschaften: Die TU

hatte vorher längere Zeit eine eigene Zeitung, den Rückfall, die jetzt jedoch schon einige Zeit nicht mehr erschienen ist. Die Synapse wird diese Lücke füllen, wir freuen uns riesig auf unsere neuen RedakteurInnen von der TUM. Ist das ein Grund zum Feiern? Nein – es sind gleich mehrere! Wir haben dieser Ausgabe ein Glas Sekt beigelegt. Falls du es nicht erhalten haben solltest, bitten wir um Beschwerde unter feedback@synapse-redaktion.de damit wir der Sache auf den Grund gehen können. Hicks. Entschuldigung.

für die Redaktion

Editorial 02 Hypnose 03 Gefährliche Gedanken 04 Gamemaster 07

Inhalt Impressum Redaktion Andreas Albrecht, Louise Füeßl, Elena Kindsvater, Maximilian Batz, Ivo Straßer, Lena Sperl, Stephanie Zühlke, Nils Engel Gastbeiträge Carmen Astra, Martin Glauert, Christoph Kuhm, Marie Tzschaschel, Daniel Rudolph, Philipp Blüm, Sebastian Niedermayer Herausgeber

Es ist vorbei 08 Heilender Schimmel 09 MeCuM-Memo 12 Metakognition 14 Jimma 16 Unterwegs mit Manage & More 19 Schimpanse und Mensch 20 Modul 23 22 Beliebte Drogen 26

Breite Liste Gesundheit Pettenkoferstraße 11 80336 München

Neurobiologische Aspekte einer 28 Annäherung an das Saxophon

Tel.: (089) 51 60 89 20 Fax: (089) 51 60 89 20

That's hot 32

infos@fachschaft-medizin.de Bildnachweis flickr.com, openclipart.com (u.a. Elliott Edwards, Studio-Hades, liftarn, newt), sxc.hu, Wikimedia Commons (u.a. Evan89, Jorge Barrios), eigene Werke. Auflage: 3.500 Exemplare Druck: Druckerei Miller, Traunstein Satz: Dark Horse

2 Synapse

Brain Up! 34 Wie schaffe ich es ein glückliches 36 und erfülltes Leben zu führen? Streiks in Uniklinika 38 Gewinnspiel 40 www.synapse-redaktion.de


“Almost all people are hypnotics. The proper authority saw to it that the proper belief should be induced, and the people believed properly.” - Charles Fort

Hypnose

Was ist Hypnose? Im normalen Wachbewußtsein sind bei uns Filter aktiv, die bspw. die Aufforderung „Sie sind ein Hund, und sehen einen Einbrecher. Bellen Sie um ihn zu verjagen“ als lächerlich deklarieren. Mit Hilfe von diversen Techniken – gleich mehr dazu – werden bei einer Person Trance-Zustände verschiedener Tiefe eingeleitet. In der sog. hypnotischen Trance ist die hypnotisierte Person noch in der Lage sich willentlich zu bewegen, und zusammenhängende Worte von sich zu geben. Allerdings ist sowohl die Ansprechbarkeit des Unbewussten, als auch die Konzentration auf eine bestimmte Sache stark erhöht, während die kritischen Filter stark herunterreguliert sind. Trance-Zustände können auch natürlich auftreten – Tagträume, die Zeit kurz vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen, sowie das konzentrierte Lesen eines Buches oder Schauen eines Films sind Beispiele aus unserem Alltagsleben dafür. In der Trance können Suggestionen gegeben werden („Sie sind entspannt in der Arbeit“), die auch post-hypnotisch wirksam sein können, es können frühe Erinnerungen abgerufen werden („An welchem Wochentag war Ihr 7. Geburtstag?"), es lassen sich vielfach sogar Babinski- und Moro-Reflex auslösen (je nach der Altersstufe auf die zugegriffen wird.).

Methoden Nicht jeder Mensch ist gleich gut hypnotisierbar. Etwa 10 % der Menschen sind sehr leicht zu hypnotisieren, während es bei etwa 5 % fast gar nicht möglich ist. Die innere Einstellung der zu hypnotisierenden Person – ob sie an die Methode glaubt, oder ihr eher skeptisch gegenübersteht, ob sie positive Resultate erwartet, usw - der wichtigste Faktor. Es ist auch nicht www.synapse-redaktion.de

Publikums. Beispielsweise ist die berühmte kataleptische Brücke - bei der eine Person in einer scheinbar unmöglichen Position auf zwei Stuhllenen steif wie ein Brett liegt, und sich der Hypnotiseur sogar draufstellen kann - ohne jegliche Hypnose für 1 - 2 Minuten für jeden aushaltbar.

johny_automatic // openclipart.org

Die Wirksamkeit von Hypnose ist wissenschaftlich gut belegt. Mit Hilfe von MRT und EEG können klar hirnphysiologische Korrelate von Trance-Zuständen nachgewiesen werden. Bereits wenige Hypnotherapie-Sitzungen können eine deutliche Veränderung bewirken. Sie kann beispielsweise zur Behandlung von Depression, zur Steigerund des Selbstwertgefühls, zum Stressabbau, aber auch für die Schmerztherapie, und in der Geburtshilfe, eingesetzt werden. Der Einsatz der Hypnose zu therapeutischen Zwecken ist gesetzlich geregelt, und wird von den deutschen Krankenkassen anerkannt.

von Maximilian Batz möglich, Suggestionen zu geben, die sich gegen den ethischen Code der Versuchsperson richten. Die Hypnose basiert im Kern auf Aufmerksamkeitsabsorption bzw. Fokussierung der Aufmerksamkeit auf eine Sache. Das wird beispielsweise durch Anstarren eines Objektes, monotone Umweltgeräusche (z.B: tickende Uhren, Meeresrauschen, ...), aber auch durch rhytmische Musik, bestimmte Drogen und Tanz erreicht werden. Für die Induktion ist Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit erforderlich. Anschließend kann die Trance beliebig vertieft werden. Die Hypnose wurde um 1770 von Franz Anton Mesmer wiederentdeckt, der ihre Heilkräfte jedoch Magneten zuschrieb, die er den Patienten auflegte. Alfred Russel Wallace meinte mit Hilfe der Hypnose die Gallsche Schädelkarte (siehe Abbildung auf Seite 15) nachweisen zu können. Friedrich Engels, der mit Karl Marx die Grundlagen des Kommunismus legen sollte, hielt das jedoch für Humbug. Er konnte einem Jungen selbsterfundene „Gallsche“ Bereiche suggerieren, die dieser dann unter Hypnose nacherlebte. Engels kam zu dem Schluss, dass der Glaube des Hypnotiseurs an die Schädelkarte die gewünschten Effekte beim Hypnotisieren eintreten läßt.

Auf das „Medium“ wird auf der Bühne zudem eine riesige Erwartungshaltung vom Publikum aufgebaut. Gegen die Erwartungen des Publikums anzugehen, und es dadurch zu enttäuschen, erfordert einiges an Mut. Beim Mit-Spielen wird man andererseits durch Klatschen belohnt, und hat eine gute Entschuldigung für „peinliches“ Verhalten - man war ja schließlich in Trance.

Trotzdem können spontane Trancezustände bei der Bühnenhypnose auftreten – und das manchmal mit negativer Wirkung. Deswegen ist die Bühnenhypnose in Schweden verboten.

QuickFact Einsteins Gehirn hatte ungewöhnlich große Temporallappen. Außerdem fanden sich in seinen Parietallappen weniger Furchen als in Vergleichshirnen.

Echt oder Hokus-Pokus? Bühnen-Hypnose benutzt oftmals eine Kombination aus psychologischen Faktoren, Fingerfertigkeit, und falschen Vorstellungen des

Synapse 3


"Eine unbekannte Frau bedroht Sie mit einer Waffe. Was fühlen Sie?"

Der Elefant unter uns Würde ein Elefant sich von dieser Frau genauso bedroht fühlen? Würde sich ein Neugeborenes auch von ihr bedroht fühlen? Der Elefant und das Neugeborene müssten dazu verstehen, dass von der Waffe eine Bedrohung ausgeht. Was heißt es aber, dieses Verstehen? Die Waffe und die Frau, die sie hält, müssen zunächst wahrgenommen werden. Dann erfolgt eine Abfolge von Schritten im Kopf die aus diesem Bild Informationen extrahieren, und diese Informationen zu bereits gespeicherten Erfahrungen und Intentionen des Individuums in Bezug setzen. Wow, das war ein Mund voll hochgestochener Wörter. Also, Schritt für Schritt:

© mckenna71 // sxc.hu

Die Informationen fließen von der Retina zu verschiedenen Arealen im Gehirn, wo sie verarbeitet werden. Unser Großhirn ist aus 2 ½ Millionen sogenannter neokortikalen Säulen aufgebaut. Jede dieser Säulen enthält 60 000 Neuronen, ist ca. 2 mm hoch und hat einen Durchmesser von 0.5 mm. Wissenschaftler können bislang nur zwölf Neuronen – nicht Säulen – gleichzeitig beim Informationsaustausch beobachten, jedoch hat sich das Blue Brain Project das Ziel gesetzt bis 2023 unser Gehirn mit Hilfe von Computern nachzubauen (siehe Kasten nächste Seite). Unser momentanes Wissen über das Gehirn basiert also noch auf indirekten Hinweisen. Vermutet wird folgendes: die Säulen sind jeweils für unterschiedliche Prozessschritte zuständig. Es gibt im visuellen Kortex beispielsweise Säulen die Kanten mit 40 ° Neigung wahrnehmen, solche die Kanten mit 50 ° Neigung wahrnehmen usw.

Säulen, Säulen, und Muster Diese übergeben wiederum ihre Ergebnisse an weitere Säulen, die übergeordnete Schritte auf einer höheren Abstraktionsebene durchführen. Aus Kanten werden Muster („Pistole“), aus Mustern werden abstrakte Begriffe („Waffe“) und diese werden mit Emotionen verknüpft, die eine Handlungskette veranlassen. Diese Handlungskette entsteht zunächst auch als abstrakter Impuls („Flucht“), und wird durch viele Prozessschritte in tatsächliche Handlungen umgesetzt (Impulse an den motorischen Endplatten der Beine).

Gefährliche Gedanken von Maximlian Batz

4 Synapse

Mit Hilfe der Abstraktion und modularer Bauweise lassen sich sehr komplexe Systeme realisieren, auch wenn die einzelnen Schritte sehr einfach scheinen. Anschaulich kann man das vielleicht an dem System Krankenhaus erklären: ein Patient kommt mit „leichten“ Brustschmerzen in die Klinik. Die Famulantin, die den Patienten aufnimmt, informiert ihren Stationsarzt, dass sie einen Verdacht auf Myokardinfarkt hat – der Stationsarzt lässt seine www.synapse-redaktion.de


Das Blue Brain Project Heutzutage kann man sich ja schon einiges an Software aus dem Internet herunterladen. Warum also nicht in naher Zukunft auch digitalisierte Gehirne bedeutender Persönlichkeiten, die einem in verschiedenen Situationen helfen? Bspw. Einstein für die Physik-Klausur, Sigmund Freud für die Psychiatrie-Klausur, Casanova für Prüfungen anderer Art ... Das Blue Brain Team möchte das SäugetierHirn bis auf die Molekularebene verstehen und nachbilden. Auf einem Supercomputer von IBM (Blue Gene) werden Neuronen so naturgetreu wie möglich nachgebildet und simuliert. In 2008 konnte eine einzelne neokortikale Säule nachgebaut werden, allerdings von einer Ratte – diese haben nur 10.000 statt den 60.000 Neuronen menschlicher neokortikaler Säulen. Die Simulation eines ganzen Rattengehirnes ist für 2014 geplant. Sie wird aus 100 „Mesocircuits“ mit jeweils 100 neokortikalen Säulen bestehen, insgesamt also aus 100 Millionen Neuronen. Nicht nur das Blue Brain Team forscht an künstlichen Gehirnen: IBM hat auf einem Blue Gene/IP Superrechner mit 144 Terabyte RAM (hundert mal mehr als eine moderne Festplatte!) passend zu den Rattengehirnen des Blue Brain Projects ein Katzenhirn simuliert. Das virtuelle menschliche Gehirn soll gemäß Henry Markram, Direktor des Blue Brain Pro-

Diktate liegen, und schaut sich den Patienten sofort selber an. Er schreibt ein EKG und lässt die Famulantin Blut abnehmen. Nach Rücksprache mit den Kardiologen wird bei dem Patienten eine Akut-PTCA mit Stenteinlage durchgeführt. Der Patient kommt schließlich zurück auf die Station, wo ihm der Chefarzt bei seiner wöchentlichen Visite zu dem erfolgreichen Eingriff gratuliert – der Chef hatte es kurz vorher von dem leitenden Oberarzt so übergeben bekommen. Ist eine der Personen hier überflüssig, und könnten andere die Aufgaben übernehmen? Bis zu einem gewissen Grad ja, aber komplizierte Vorgänge, wie Herzkatheter schieben, erfordern viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, das man bspw. von der Famulantin noch nicht erwarten darf. Andere Mitarbeiter hinter den Kulissen sind noch gar nicht erwähnt worden - sogar wenn ein erfahrener Arzt alle Tätigkeiten durchführen könnte, würde er vor lauter Drumherum nicht dazu kommen Patienten zu behandeln. Daher gibt es verschiedene Berufsgruppen, mit eigenen Hierarchien, und Verantwortungsbereichen, und klar definierten Aufgaben und Kompetenzen.

© Argonne National Laboratory // flickr.com

Auf dem Blue Gene/IP Supercomputer konnte ein Katzenhirn simuliert werden - 100 mal langsamer

jects, 2023 möglich sein, und 1000 Rattenhirnen entsprechen. Erfahrungsgemäß dauern Software-Projekte jedoch immer doppelt so lange, als was man dafür veranschlägt, und realisieren nur die

Dadurch dass jeder Mitarbeiter des Krankenhauses seine Aufgabe erledigt entsteht eine Behandlungs-Symphonie zum Wohl der Patienten. Ähnlich kann man sich das Gehirn vorstellen: es gibt Teile die Informationen sammeln, es gibt Teile die ausführen (Motorik), und „Expertensysteme“, die helfen Entscheidungen zu fällen – bspw. ob der Gesichtsausdruck der Frau die uns gegenübersteht auf gefährliche Absichten schließen lässt, usw.

Unsere innere Karte Die Informationen die aus den Sinneskanälen gewonnen werden helfen uns eine Vorstellung von der Umwelt aufzubauen, und daraus ein Modell oder eine Karte zu erstellen. Wir benötigen ein mentales Modell unserer Umwelt um sinnvoll mit ihr interagieren zu können. Was passiert wenn ich auf den roten Knopf drücke? Was wird passieren wenn die Frau den Abzug betätigt? Wird sie ihn betätigen wenn ich weglaufe? Die mentale Karte enthält ganz entscheidend auch Modelle der Denk- und Entscheidungsprozesse anderer Personen, sowie

Hälfte der geplanten Features. Ich erwarte also ein halbes künstliches Gehirn bis 2050. Vielleicht hilft das halbe Hirn den Forschern, sich fertigzustellen? http://bluebrain.epfl.ch

ihres emotionalen Zustandes - die berühmten Spiegelneuronen. Warum sollte man sich die Zeit nehmen, sich über diese Prozesse die größtenteils unbewußt ablaufen, Gedanken zu machen? Missverständnisse zwischen Menschen fußen auf jeweils verschiedenen kognitiven Modellen der gleichen Situation. Sie haben sozusagen unterschiedliche Karten und können sich nicht auf den Weg einigen. Das Bewußtsein über die Relativität des eigenen Modells hilft, toleranter und offener für Korrekturen und Änderungen zu sein. Der andere wichtige Aspekt ist Leistungssteigerung und Differenzierung: unser Gehirn ist bspw. darauf angelegt, gefährliche Situationen sehr generalisiert zu speichern. Wenn wir hundert Mal vor einem Gartenschlauch erschrecken, und einmal vor einer giftigen Schlange, hat es sich sozusagen schon gelohnt. Der Preis dafür ist bei unserem Abstraktionsgrad aber hoch – abstrakte Konzepte wie die Pleite eines Staates wo gerne Ouzo getrunken und Sirtaki getanzt wird, kann uns durchaus reale psychosomatische Beschwerden bereiten.

QuickFact

www.synapse-redaktion.de

openclipart.org

Die Energie aller Neurone wäre ausreichend, ein Kühlschranklicht (15 W Glühlampe) zum Leuchten zu bringen.

Synapse 5


Die Antwort ist: es kommt darauf an. Hatte der Elefant bereits unangenehmen Kontakt mit gefährlichen Frauen, oder hat er gesehen, wie ein anderer Elefant durch eine Pistole zu Schaden gekommen ist? Wir gehen davon aus, dass Elefanten untereinander solche Konzepte nicht differenziert diskutieren können – bei unserem Kleinkind liegt die Situation aber anders. Sobald es etwas älter ist, kann man ihm die Gefährlichkeit bestimmter Dinge vermitteln, ohne dass es sie ausprobieren muss: Wir glauben unseren Dozenten, dass Hepatitis C und HIV durch Blutkontakt übertragen werden, und ein solcher vermieden werden sollte. Ich denke, keiner von unseren Lesern möchte ernsthaft HIV am eigenen Leib ausprobieren, um daran „zu glauben“. Es ist also offenkundig, dass wir unsere mentalen Modelle nicht nur durch eigene Erfahrungen, sondern auch durch Erfahrungen anderer, mündlich oder schriftlich vermittelt kriegen können. Sowohl das Studium als auch dieser Synapse-Artikel sind offensichliche Beispiele dafür. Unsere Karten enthalten ziemlich viel Material, was von unseren Ahnen kartografiert wurde, ausgehend von den Karten (d.h. mentalen Modellen) und Möglichkeiten (bspw. Werkzeugen) die ihnen damals zur Verfügung stunden.

Einfache Modelle reichen ... manchmal Newtons einfaches Weltbild1 hielt sich über 200 Jahre, bevor Einstein seine Relativitätstheorie entwickelte. Interessant und wichtig werden die Einsteinschen Gleichungen allerdings erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten – die wir im Alltag nicht erleben. Das einfache Newtonsche Modell reicht für die meisten Anwendungen. Wenn wir jedoch seltsame Lichterscheinungen an Doppelsternsystemen verstehen wollen ... dann sollten wir uns mit 1 Im Interesse unserer Leser und wegen der fortgeschrittenen Nachtstunde zu der dies geschrieben wird verzichte ich hier auf Formeln usw.

Infokasten Narzissmus Narzissmus ist benannt nach der Sage vom schönen griechischen Jüngling Narkissos, der sich – als Strafe für seinen Stolz – in sein eigenes Spiegelbild im See verliebte. Er hatte zuvor alle Verehrerinnen und Vererehrer herzlos zurückgewiesen. Der Begriff wird in der modernen Sprache sehr vielfältig genutzt, es schwingt jedoch immer erhöhte Selbstbezogenheit, Egoismus, Einbildung und Überhöhung, sowie eine übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit für unseren kleinen blauen Planeten. Einige Experten glauben, dass Narzissten naturgemäß nach Machtstellungen streben, und

6 Synapse

der Relativitätstheorie auseinandersetzen.

Bonus

Kommen wir nochmal auf den Elefanten zurück: hat der Elefant Angst vor der Frau?

Bonus: Thema Gehirn

Auch ich bin in die Falle all http://www.synapse-redaktion.de/56-gehirn zu einfacher Modelle getappt. „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füge auch keinem anderen zu.“ ser Mensch stellt aufgrund einer PersönlichIch bin davon ausgegangen, wenn ich andere keitsstörung überhöhte Ansprüche, die nicht Menschen anständig behandele, immer ihre erfüllbar sind") hat man schon viel gewonnen. Interessen mitberücksichtige, und ihnen meine Manchmal hilft eine solche blitzartige ErSeele offenlege, wird dasselbe zurückkommen. kenntnis an sich die Frustration zu überwinden, und eine vollkommen andere emotionale Einstellung zu der Situation zu gewinnen. ÜbNein, nein, nein. Nicht immer. licherweise wenn etwas passiert, was absolut Das nennt man naiven Realismus – darin inakzeptabel ist. steckt implizit die Annahme drin, dass der anManchmal klappt das aber nicht, und wir gedere genauso denkt wie ich, dass ben den Glauben nicht auf, dass „alles doch 1) wie ich ihn oder sie behandele gut für die- noch gut werden könnte, wenn wir uns noch ein bisschen mehr anstrengen“. Emotionen sen Menschen ist, weil es gut für mich wäre, können sehr mächtig sein, und von der intel2) dieser Mensch genauso wie ich bei guter lektuellen Einsicht losgekoppelt bleiben. Behandlung sich in der Pflicht mir gegenüber Dopamin wird ausgeschüttet, sobald eine Täfühlt, tigkeit mit darauffolgender Belohnung ange3) dieser Mensch versteht was gut für mich ist. kündigt wird. Versuche haben ergeben, dass die höchsten Dopaminwerte – und damit einherEs ist beispielsweise unmöglich, es einem ech- gehend die größten Anstrengungen – von dem ten Narzissten „recht“ zu machen. Denn der Versuchsobjekt dann unternommen werden, Narzisst bezieht sein Selbstwertgefühl aus der wenn die Belohnung nicht sicher ist, sondern Erniedrigung anderer, und sieht deren Schwä- in nur ca. der Hälfte der Fälle erfolgt. chen dementsprechend scharf fokussiert, und Gerade wenn es also um schwankende Ablehsowieso nicht in Relation zu ihren guten Seinung – der Narzisst hat mal einen schlechten ten. (siehe Kasten) Tag, mal einen guten – geht, kommen wir nur Um also zu vermeiden, immer wieder gegen schwer „davon“ los. die Wand zu laufen, und sich eine selbstorgaDadurch dass wir uns diesen Prozess vergenisierte Hölle nach dem Motto „ich tue doch alles richtig, warum sind die nur so böse zu genwärtigen, und bewußt wahrnehmen von mir?“ zu vermeiden, tut es gut, ab und zu in was wir uns steuern lassen, haben wir eine sich zu gehen, und zu überprüfen ob die Um- Chance, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine welt und die eigene geistige Karte gut genug dieser Gegenmaßnahmen könnte beispielsweiübereinstimmen, damit es sich stressfrei leben se das Aufsuchen eines Psychotherapeuten sein, oder zumindest für den Anfang das Gespräch lässt. mit einem/r guten FreundIn, die uns den RüFalsches Modell, was tun? cken stärken und eine ehrliche und unabhängige Zweitmeinung zu der Situation bereitstellen Wenn man bei dieser Selbstanalyse entdeckt kann. Das half mir am meisten von Menschen hat, dass die Fakten sich mit einem anderen loszukommen die schlecht für mich waren. Modell viel praktischer erklären lassen (bspw. Liebe Freunde, danke dass es Euch gibt! nicht „ich bin nicht gut genug“, sondern „die-

daher eine überdurchschnittliche Zahl von ihnen in den einflussreichsten Bereichen der Gesellschaft zu Gange ist - Medizin (man denke an manche Chefärzte), Finanzen (skrupellose Spekulanten die ungenannt bleibende Staaten in den Ruin getrieben haben) und Politik (nahezu die meisten Diktatoren, bspw. Gaddafi). Die Ursachen von Narzismus scheinen sowohl genetisch zu sein – es hat die höchste Korrelation unter den Persönlichkeitsstörungen – als auch durch auslösende Faktoren innerhalb der Umwelt zu sein. Narzissmus ist kein absoluter Zustand („vorhanden / nicht vorhanden“), sondern ein Kontinuum, ein gewisses Maß von Narzissmus mag sogar für den einzelnen und die Gesellschaft förderlich sein.

Benczúr Gyula - Narcissus 

Wieder der Elefant

www.synapse-redaktion.de


Gamemaster Er war am nächsten Tag einfach da. Mitten auf dem Marktplatz, direkt vor dem Rathaus, dessen grüne Fensterläden nun schon wieder gestrichen wurden (die Lieblingsfarbe des Bürgermeisters war grün), also mitten auf dem Marktplatz stand übr Nacht nun ein Obelisk aus solidem Metall. Welches, das konnte selbst der Bürgermeister, der schließlich ein Diplom hatte, nicht bestimmen. Was noch wichtiger war, die Frage, wie der Pfeiler auf den Marktplatz gekommen war, konnte auch keiner zur allgemeinen Zufriedenheit lösen. Er war schließlich zehn Meter hoch und dicker als ein Baumstamm. Seine Oberfläche war volkommen glatt und glänzte leicht an der Sonne, was den Bürgermeister dazu gebracht hatte, zu verkünden, dass der Obelisk aus Metall bestünde. Am Tag zuvor hatte er selbst genau an diesem Ort gestanden um die Anstreicharbeiten persönlich zu überwachen, daran konnte er sich noch genau erinnern. Nachts hatte kein Hund angeschlagen, es waren keine Spuren auf dem das Rathaus umgebenden Rasen, dessen Mitte nun jetzt der Pfeiler "zierte", sogar der Bürgermeister mit seinem leichten Schlaf hatte eine ruhige Nacht hinter sich gebracht - fast zu ruhig, wie er sich jetzt eingestand. Er beschloß, für zwölf Uhr eine Bürgerversammlung anzusetzen - es musste schließlich

entschieden werden, was mit dem Ding passieren sollte. Zufrieden schaute der Bürgermeister in die Runde. Der Rat war vollzählig eingetroffen. Er strich sich über den sorgfältig gepflegten Bart und glättete eine Falte auf seinem grünen Anzug. Er trank einen Schluck aus dem Glas das auf dem grünen Podest stand und hub an zu sprechen, als ihn ein Gedanke mit voller Wucht traf. Es war wie - ein Blitz, der in seine Nervenbahnen eingeschlagen hatte, wie eine Nuklearexplosion in seinem Kopf (gebildete Leute wie der Bürgermeister hatten mehr Vergleichsmöglichkeiten), oder wie Tante Emmas Kuchen. Er schüttelte seinen Kopf, um den Regenbogen, den er für eine Sinnesillusion hielt, aus seinen Augen zu jagen. Der Gedanke aber, den er empfangen hatte - anders konnte das gar nicht passiert sein, auf so etwas Absurdes wäre ein studierter Mann wie er nie gekommen, begann in seinem Kopf zu vibrieren, bis er fühlen konnte, wie sein Gehirn sich innerlich wand. Vorsichtshalber berührte der Bürgermeister seine Stirn, um auf Nummer sicher zu gehen - es hatten sich kleine, kalte Schweißtropfen gebildet. Nun ließ er seinen Blick über die ihm anvertrauten Bürger gleiten - alle schienen schockiert, mitgenommen zu sein. Einige waren scheinbar sogar dem Weinen nahe. Das konnte er in der Welt die er selbst geschaffen

hatte nicht zulassen. Alles das Werk dieses Metallungeheuers! Der Bürgermeister hatte Schwierigkeiten zu denken, denn der ihm aufgezwungene Gedanke begann immer stärker zu werden und alles andere zu unterdrücken. Er nahm noch einen Schluck von der klaren Flüssigkeit. Seine Hände zitterten, er stiess das Glass um, beobachtete dann wie in Zeitlupe, wie das Glas auf dem Boden zerschellte und die einzelnen Splitter wegflogen, während das Podest von den Spritzern durchnässt wurde. Der Schweiss floss nun schon in Strömen von seinen Schläfen. Er versuchte sich zu konzentrieren. Das Ding musste weg. Es musste ... weg ... musste ... weg. Er brach zusammen, um nach einem kurzen Moment der Bewusstlosigkeit seine Bürger in einem ähnlichen Zustand zu sehen. Der Regenbogen war immer noch da. Er robbte auf dem grünen Teppichboden, um die Glasscherben herum, zum Telefon. Alles begann ihm größte Schmerzen zu bereiten, aber er wollte den Gedanken immer noch nicht akzeptieren, konnte nicht, durfte nicht. Er setzte seine letzte Willenskraft ein, und wählte. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Ich kann es nicht fassen, dass so ein Blickfang mir zuwinkt. Obwohl sie mir irgendwie bekannt vorkommt, kann ich dennoch nicht sagen von wo ich sie kenne. Studio-Hades openclipart.org

Dennoch frage ich sie: „Entschuldigung, kennen wir uns?“

Sie erwidert: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke sie müssten der Vater einer meiner Kin-

der sein!“

Ich erinnere mich zurück an das aller einzige mal als ich untreu war..

„Um Gottes Willen! Bist Du diese Stripperin, die ich an meinem Polterabend auf dem Tischfussballtisch vor den Augen meiner Kumpel genommen habe, während Deine Kollegin mich mit nasser Sellerie auspeitschte und mir eine Gurke in den A... schob?“ „Nein“ erwidert sie kalt. „Ich bin die Klassenlehrerin von ihrem Sohn.“

john y ope _auto ncli m part atic .org

den gibt es auch nicht. Denn ich weiß nun: Ich wurde gebohren! Und diesen Bohrer finde ich auch noch!"

Ich stehe in der Schlange vor der Kasse, als mir eine scharfe Blondine die etwas weiter hinten steht, freundlich zuwinkt und mich anlächelt.

e Geschenke, aber den gibt es nicht. Ich habe die Osternester im Keller gefunden. Ihr habt auch immer gesag

Fritzchen kommt in die Küche zu seinen Eltern und sagt: „Ihr habt mich immer belogen." Sein Vater antwortet: "Aber Fritzchen wie haben wir dich denn belogen?" Meint Fritzchen: "Ihr habt immer gesagt der Osterhase bringt an Ostern di

t der Nikolaus bringt in seinem Sack Süßigkeiten, aber den gibt es auch nicht. Ich habe den Mantel, den Bart und den Sack auf dem Dachboden gefunden. Und ihr habt mir gesagt ich wurde vom Klapperstorch gebracht, aber ich weiß genau

www.synapse-redaktion.de

Synapse 7


Es ist vorbei. Das Physikum liegt hinter mir. Das realisiere ich allerdings nur stückchenweise. Das Wieder-Einsortieren meiner Bücher ins Regal, das in den letzten Monaten fast leer stand während sich die Bücher auf dem Tisch türmten, ist ein solcher Moment, der mich die Aufregung, Unsicherheiten und Ärgernisse vor, während und nach den Prüfungen vergessen lässt.

Lernen, Wiederholen und Kreuzen

Es ist vorbei Post - Physikum - Impressionen von Stephanie Zühlke

Ein halbes Jahr lang bestand mein Alltag aus Vorlesungen, Seminaren - danach und dazwischen Lernen, Wiederholen, Fakten vernetzen, Lernstoff mit Kommilitonen durchsprechen. Ach ja und: kreuzen. Kreuzen derart, dass schließlich sogar mein rechter M. lumbricalis I - die Anatomie sitzt auch nach bestandenen Prüfungen noch - vor lauter „examen online“ Antwort-Anklicken begonnen hat, zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten zu zucken. Im Laufe dieser schier nicht enden wollenden Episode meines vorklinischen Studentendaseins haben sich einige Gedankengänge geformt und verfestigt, die es im Folgenden mitzuteilen gilt.

© srbichara / sxc.hu

Erkenntnisse

Berg an Lernstoff bereits weit vor den Prüfungen verrückt machen zu lassen. Das sollte man möglichst vermeiden - es ist weder zielführend, noch hilft übertriebener Aktionismus zwangsläufig weiter. Übrigens: die Prä-Physikum-Panikattacken mit Häufung gegen Mitte August stellen sich früh genug ein - stattdessen kann man in den Seminaren das nötige Selbstbewusstsein tanken und entweder durch aktive Beteiligung oder innerliches „Ha, ich wusste die Antwort mindestens genauso gut!“ auftrumpfen. Drittens: Es ist wichtig, Pläne zu schmieden - sowohl für „währenddessen“ als auch für „danach“. Einerseits schöpft man während der teils frustrierenden Lernzeit (gerade zu Beginn, wenn der Lernberg bei jedem Sinnieren über selbigen noch mächtiger wird) Motivation an lernfreien Tagen, andererseits sieht man ein Licht am Ende des Tunnels, auf das man hinarbeiten kann - sei es eine weite Reise; der Plan, zwei Wochen nach bestandenem Examen nicht mehr vom Sofa aufzustehen und fernzusehen bis die Augen schmerzen; endlich wieder einmal ohne schlechtes Gewissen sich seinen Hobbies zu widmen; nach Hause zu fahren; soziale Kontakte, die mitunter in der Lernzeit sehr in Mitleidenschaft geraten, wieder zu pflegen; ... oder man beginnt eine Famulatur, was ein L-Kurs-Dozent uns empfohlen hat und - zur Beruhigung der Leserschaft - übrigens nicht mein Plan ist.

Was bleibt

Erste Erkenntnis einer Physikums-Erprobten: Ja, es stimmt, Was mir vom Physikum bleibt, sind verschiedas Physikum mitsamt der dene Eindrücke und Gefühle. Zum einen ein Vorbereitung ist kein Spazier- klein bisschen Fassungslosigkeit, wie schnell gang, aber es ist tatsächlich mög- die letzten zwei Studienjahre vergangen sind, lich - entgegen allen kursierenden denn ich erinnere mich noch an das erste SeHorrorgeschichten - auch ohne mester, als das Physikum noch unfassbar weit das Quäntchen weg und die Testate in Anatomie Glück zu bees waren, die uns allen im NaDas Physikum ist stehen - und cken saßen. Zum anderen auch kein Spaziergang ich bin mir das Gefühl, von nun an nach der ziemlich siPrüfung der Prüfungen in der cher, dass ich dieses in Vorklinik jeder kommenden standhalten zu der Mündlichen nicht hatte. können - was sich in der Zukunft herausstellen Vermutlich schafft man es sogar wird. Die verlockende Hoffnung, das jetzt in mit einer Vorbereitung von nur gut der Klinik alles besser wird - obwohl ich die einem Monat, aber diese Erkenntnis steht Vorklinik, die zwar anstrengend, aber auch angesichts der noch laufenden mündlichen sehr lehr- und erkenntnisreich war, keinesfalls Prüfungen und des noch nicht vorliegenden missen möchte. Ein Gefühl der Befreiung, eine IMPP-Ergebnisses zum Zeitpunkt der Arti- große Hürde eines jeden Medizinstudenten kelentstehung aus1. übersprungen zu haben. Und der Gedanke, ob es wohl vor dem Hammerexamen genauErstens-einhalb: Es hängt definitiv vom viel so schlimm wird? - Aber bis dahin habe ich ja zitierten Lerntyp ab, wann man beginnt, die zum Glück noch etwas Zeit! Bücher mit aller Konsequenz aufzuschlagen - der Druckmotivations-Lerner tut dies erfahrungsgemäß erst fünf vor zwölf, wenn der durchgeplante Weiterdenker mit außeruniversitärem Engagement schon dabei ist, die Wiederholung des Stoffs abzuschließen. Zweitens: Unbestritten ist die Versuchung vorhanden, sich von Kommilitonen oder dem

8 Synapse

1 Last-Minute-Update: Die Prüfung ist bestanden worden, die Redaktion darf gratulieren!

www.synapse-redaktion.de


Heilender Schimmel Die Entdeckung des Penicillins von Martin Glauert

© Martin Glauert

 Flemings Arbeitsplatz mit Mikroskop und Petrischalen aus Blech

Das St. Mary’s Hospital in London ist fast ein kleiner Stadtteil für sich. Vom Haupteingang aus führen zahlreiche Straßen zu den einzelnen Kliniken und Gebäuden, die sich im Laufe der Jahrzehnte unaufhaltsam vermehrt haben. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, ohne die vielen Wegweiser könnte man sich auf dem Gelände glatt verlaufen. Das ursprüngliche Hauptgebäude der Klinik liegt direkt an der belebten Hauptstraße, auf der ein unablässiger Strom von Autos, Bussen, Lastwagen und Taxis vorbei fließt. Das ehrwürdige Gebäude aus roten Ziegeln ist mit liebevollem Stuck aus Sandstein verziert. Eine breite Steintreppe führt zur schweren Eingangstür. Dahinter wird es schlagartig ruhig, lediglich eine Flügeltür aus Holz quietscht in den Angeln. Die Gänge sind still und leer. Das Haus wirkt, als sei es im Dornröschenschlaf versunken. Und tatsächlich ist der einzige anwesende Mensch ein junger Gehilfe, der auf einer Bank im Flur direkt neben seinem Wäschewagen eingeschlafen ist. Am Ende des Ganges führt eine steinerne Wendeltreppe durch ein enges Treppenhaus in die oberen Etagen. Durch eine schmale Holztür tritt man in ein kleines Labor. Die drei Fenster sind lange nicht geputzt worden, vom Staub der Stadt sind sie fast blind, das Sonnenlicht fällt nur gedämpft herein. Das www.synapse-redaktion.de

Zimmer geht nach Süden, auch ohne Heizung ist es warm hier drin. Unten auf der Straße sieht man den Verkehr, dessen Lärm nur noch leise herauf klingt. Auf den hölzernen Arbeitstischen an den Fenstern stehen zwei alte Lichtmikroskope und einige kleine Regale mit Reagenzgläsern. Dazwischen liegen stapelweise Petrischalen und alte Zeitungen. Neben dem Mikroskop ist ein Botanikbuch aufgeschlagen, zu sehen ist die feine Zeichnung eines Schimmelpilzes. In diesem kleinen Raum ereignete sich vor 83 Jahren etwas, das die Welt verändert hat.

Die historische Sekunde Der 3. September 1928 ist ein typischer Montag. Irgendwann gehen auch sechs Wochen Sommerferien zu Ende, und am ersten Arbeitstag heißt es: Labor aufräumen. Die Mikroskope werden entstaubt, die Petrischalen mit den Nährböden für die Bakterienkulturen kontrolliert. Nach so langer Zeit sind sie häufig verunreinigt und dann nicht mehr brauchbar. Alexander Fleming tauscht Ferienanekdoten mit seinem Arbeitskollegen Dr. Hayden aus, der seit einer Kinderlähmung im Rollstuhl sitzt. Die Petrischalen sind aus Blech und scheppern, wenn sie in den Abfallkorb fallen. Wieder ist eine Bakterienkultur verschmutzt. Fleming

will sie gerade wegwerfen, da stutzt er. Diese eine zögerliche Sekunde wird die Welt verändern. Auf dem Nährboden wachsen Streptokokken, durch Zufall hat sich ein Schimmelpilz direkt daneben angesiedelt. Um den Pilz herum aber sind die Bakterienkolonien abgeblasst und teilweise ganz verschwunden. Ein ärgerlicher Betriebsunfall, doch Fleming erkennt auf einen Blick die ungeheure Bedeutung: der Pilz hat die Bakterien besiegt! Was keinem Forscher bisher gelang, schafft ausgerechnet dieser ungeliebte Schädling. Den Rest seines Lebens wird Fleming darauf verwenden, ihm auf die Spur zu kommen. Wer ist dieser Mann mit den großen ernsten Augen, dem bis auf den heutigen Tag unzählige Menschen ihr Leben zu verdanken haben?

Ein glücklich verhinderter Chirurg Alexander Fleming wurde am 6. August 1881 im schottischen Lochfield geboren. Mit 13 Jahren verließ der Bauernsohn sein Heimatdorf und zog zu seinem älteren Bruder nach London. Dort schlug er sich zunächst als Versandarbeiter bei einer Schiffgesellschaft durch, ein Job, den er hasste. Die Erbschaft eines Onkels ermöglichte ihm unverhofft, Medizin zu studieren. 1901 schrieb er sich in der St. Mary‘s Hospital Medical School ein.

Synapse 9


abgefüllt werden. Leider blieben alle diese Mü- versorgung führt zu abenteuerlichen Arbeitshen ohne Erfolg, die Lysozyme zerstörten nur bedingungen. Zur Laborausrüstung gehören harmlose Bakterien, während die gefährlichen Milchkannen, Bettpfannen und Badewannen. Streptokokken davon unbeeindruckt blieben. Falls es zu einer Invasion durch die Deutschen Das ändert sich erst an jenem Septembertag kommen sollte, planen die Forscher, Proben des Jahres 1928, als Fleming auf den wunder- des Schimmelpilzes auf die Innenseite ihrer samen Schimmelpilz stößt, und nun forscht er Jacken zu schmieren und damit nach Nordruhelos. Er blättert Bücher, befragt Botaniker amerika zu entkommen. Unter diesen widrigen und findet heraus, dass es sich bei seinem Umständen gelingt es Ernst Chain, das PeniPilz um Penicillin zu isolieren, zu reinigen und zu einem cillum notawirksamen Medikament zu verarbeiten. tum handelt. Den WirkHoffnung und Scheitern stoff, der im da Schimmelsaft Am 12. Februar 1941 s a S us tru existieren muss, ist es schließlich soweit: Pe nic ktur v nennt er deshalb von der neue Wirkstoff illu on m no Peni nun an Penicillin. Versuche wird zum ersten Mal tat cill Tränen gegen Bakterien um in zeigen, dass dieser machtvolle an einem Patienten iso G, lier ausprobiert. Albert Die Jahrhundertwende ist das große Zeitalter Pilz, der unter dem Mikroskop aussieht tw urd Alexander, ein 43 Jahre der Bakteriologie. Louis Pasteur und Robert wie ein Blumenstrauß, für Menschen une alter Polizist aus Oxford, hatte sich Koch konnten beweisen, dass die gefürchte- schädlich ist. Der Mitarbeiter Stuart Craddock ten Krankheiten und die schlimmsten Seu- verzehrt eine Probe des Schimmelpilzes und bei der Gartenarbeit an einem Rosenstrauch chen der Zeit durch Bakterien hervorgerufen befindet, dass er wie Stilton Käse schmeckt. verletzt. Die scheinbar harmlose Wunde entwurden. Ihre Gestalt ist bekannt, sie tragen Er versucht, damit seine Nebenhöhlenentzün- zündete sich, dann breitete sich die Infektion eindrucksvolle Namen, aber es gibt kein Ge- dung zu kurieren, hat aber keinen Erfolg. Nach im gesamten Körper aus. Alexander verlor ein genmittel. Im Winter des Jahres 1921 hatte einigen erfolglosen Behandlungsversuchen Auge und es war nur eine Frage der Zeit, bis Alexander Fleming wie Tausende Londoner wird es wieder still um Flemings Entdeckung. er an der Blutvergiftung sterben würde. In dieeinen Schnupfen. Während der Arbeit tropfte Es gelingt einfach nicht, den Wirkstoff zu ana- ser aussichtslosen Situation erhält er als erster Mensch Penicillin gespritzt, und wie durch ein es aus seiner Nase und fiel in die Petrischale lysieren und zu isolieren. Wunder bessert sich sein Zustand. Innerhalb auf dem Arbeitstisch. Fleming beobachtete, von 24 Stunden sinkt das Fieber, sein Appetit dass sich die Bakterien daraufhin auflösten. Bettpfannen und Badewannen kehrt zurück und die Infektion scheint überSeine Untersuchungen zeigten, dass sich im Nasensekret und mehr noch in der TränenflüsErnst Chain ist ein deutscher Biochemiker, wunden. Dann aber geht der Vorrat an vorsigkeit Stoffe befanden, die Bakterien abtöten der 1933 am Anfang einer hoffnungsvollen handenem Penicillin zur Neige. Eine Zeit lang konnten. Lysozym nannte er diese geheimnis- Karriere steht. Seit Abschluss seines Studiums kann man einen Teil aus dem Urin des Pativolle Verbindung, das erste arbeitet er an Deutsch- enten zurückgewinnen und erneut injizieren. menschliche Enzym mit berühmtestem Kran- Bald jedoch ist die Aktivität des Wirkstoffs Für seine Versuche brauchte er lands antibakterieller Wirkung. kenhaus, der Berliner erschöpft und Albert Alexander stirbt. Unter jede Menge Tränen, und damit Charité. Als Hitler an die diesem Eindruck wählt man für den zweiten Für seine Versuche brauchte er jede Menge Tränen, kommt, ist ihm klar, Behandlungsversuch bewusst ein Kleinkind, kamen schwere Zeiten auf seine Macht und damit kamen schwedass er als Halbrusse und weil es wesentlich kleinere Dosen des neuen Mitarbeiter zu re Zeiten auf seine MitJude mit linken politischen Wirkstoffs benötigt. Die alten Filmaufnahmen arbeiter zu. Die nämlich Ansichten in diesem Land von damals sind schwarzweiß, sie sind wackemussten sich Zitronenscheiben in die Augen keine Zukunft hat. Er flieht vor den National- lig und haben jede Menge Kratzer. Dennoch klemmen, damit die Tränen reichlich flossen. sozialisten nach England und bekommt eine ist deutlich zu erkennen, dass dieses Kind eine Die seltsamen Versuche des Dr. Fleming wur- Stelle als Chemiker an der Universität Oxford. ausgedehnte Entzündung hinter den Augen den zum Gesprächsstoff in der ganzen Stadt, Zehn Jahre nach Flemings Entdeckung macht hat. Die gesamte Augenhöhle ist dick angeZeitungskarikaturen zeigten Schulkinder, sich sein Team nun daran, den erstaunlichen schwollen, das Kind ist todgeweiht, die verdie übers Knie gelegt und verprügelt werden, Schimmelsaft systematisch zu erforschen. zweifelten Eltern willigen in den Versuch ein. während ihre Tränen mit Trichtern in Kanister England ist im Krieg, die allgemeine Mangel- Auch diesmal tritt eine eindrucksvolle Besse-

Man sagt, dass er gerade dieses Krankenhaus auswählte, weil es eine besonders gute Wasserpolomannschaft hatte, denn Fleming war ein begeisterter Sportler. Allerdings muss er auch in seinem Fach fleißig gewesen sein, denn 1908 erhielt er die Goldmedaille der Universität von London als bester Medizinstudent seines Jahrgangs. Eigentlich wollte er Chirurg werden, da aber keine Stelle frei war, nahm er einen Job in der Impfabteilung an. Aus der Wartestelle wurde eine Lebensstellung. Die Arbeit dort gefiel ihm so sehr, dass er beschloss, Bakteriologe zu werden. Es ist ein ironischer Spielzug des Schicksals, dass letztendlich die Entdeckung des Penicillins der Chirurgie mehr half, als der beste Meister seines Faches es vermocht hätte.

Alexander Fleming Laboratory Museum Das Museum wurde 1993 in dem Labor eingerichtet, in dem Fleming jahrelang arbeitete und auch das Penicillin entdeckte. Die originale Ausstattung ist dort nahezu unberührt zu sehen. In Nebenräumen kann man alte Filmaufnahmen ansehen. Zahlreiche Ausstellungsstücke, Briefe und Plakate drehen sich um die Entdeckung des Penicillins und beleuchten die Wirkung, die diese Entdeckung auf die Gesellschaft bis heute ausübt. © Martin Glauert

 Altes Hauptgebäude des St. Mary’s Hospital

10 Synapse

Geleitet wird das Museum von dem Medizinhistoriker Kevin Brown, der auch selbst Besucher durch die Räume führt und lebendig zu erzählen weiß.

Kontakt & Informationen Alexander Fleming Laboratory Museum St. Mary’s Hospital, Praed Street, Paddington, London W2 INY Telefon

020-7886-6528 oder 020-3312-6528

E-Mail

kevin.brown@imperial.nhs.uk

Geöffnet

Montag bis Donnerstag, 10 – 13 Uhr

Eintritt

Erwachsene 2,00 Pfund Kinder & ermäßigt 1,00 Pfund

Anfahrt

Underground Station Paddington B uslinien 7, 15, 27, 36

www.synapse-redaktion.de


Zeitungsartikel über Penicillin im Kriegseinsatz

Die Entdeckung des Penicillins als Comic

rung ein, die Schwellung bildet sich zurück, der immer neue Wirkstoffe entwickelt werden, um kleine Patient erholt sich. Dann aber bricht die Infektionen zu heilen. Entzündung ins Gehirn ein, es kommt zu einer Hirnblutung, an der das Kind stirbt. Wie man … zum Lifestyle-Kult heute weiß, war die Anreicherung des Penicillins in den ersten Jahren nur unvollständig, die Alexander Fleming wandte nur ein einziverwendeten Medikamente hatten gegenüber ges Mal Penicillin bei sich selbst an, als er im heute nur einen etwa zehnprozentigen Penicil- letzten Lebensjahr an Lungenentzündung erlingehalt. Von daher ist es nicht verwunderlich, krankte. Während der gesamten Arbeitsjahre dass manche Behandlungen nicht erfolgreich inmitten von Bakterienkulturen hatte er sich waren. Dennoch bedeutete es eine medizini- nie mit Keimen angesteckt. Die Entdeckung sche Revolution. Bis dahin konnte man gegen des Penicillins brachte Fleming weltweiten bakterielle Infektionen fast Ruhm ein. Er wurde mit nichts unternehmen. Eine Ehrungen überhäuft und Lungenentzündung oder Ein Viertel aller chirurgischen Pati- von der Königin zum RitHirnhautentzündung en- enten starben [bis dahin] regelmä- ter geschlagen. Der Hödete häufig tödlich. Kleinshepunkt war der Nobelte Verletzungen führten ßig an postoperativen Infektionen. preis für Medizin, den er nicht selten zu einer Blut1945 gemeinsam mit Ernst vergiftung. Ein Viertel aller chirurgischen Pa- Chain und dem Pathologen Howard Florey für tienten starben regelmäßig an postoperativen die Entdeckung und Entwicklung des PenicilInfektionen. Das gefürchtete Kindbettfieber lins zuerkannt bekam. Fleming, der Zeit seines verlief nahezu immer tödlich. Lebens ein leidenschaftlicher Raucher war, starb am 11. März 1955 an einem Herzanfall. Seine Asche ist in der Krypta der Sankt Pauls Von der Kriegswaffe... Kathedrale in London begraben. Nicht weit Es sollten aber noch einige Jahre vergehen, von der Klinik entfernt, in der Fleming seine bis solche Krankheiten mit Penicillin geheilt weltbewegende Entdeckung machte, steht die wurden. Denn zunächst wurde der neue Wirk- St. James‘ Church. Ein Kirchenfenster zeigt stoff auf den Schlachtfeldern des Zweiten Alexander Fleming im weißen Kittel, wie er in Weltkriegs eingesetzt, da Winston Churchill seinem Labor eine Petrischale gegen das Licht frühzeitig seine militärische Bedeutung er- hält. kannt hatte. Für die militärische Kampfkraft erwies sich das Medikament als ebenso wichtig wie die Munitionsvorräte. Alte Filmaufnahmen zeigen, dass das Penicillin direkt in die infizierten Wunden gespritzt wurde. Wesentlich undramatischer, aber umso häufiger wurde das Penicillin allerdings zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten der Soldaten eingesetzt. Erst nach dem Krieg stand das Penicillin auch für die Zivilbevölkerung zur Verfügung. Die geheimnisvolle Wunderkur, bisher für den Normalverbraucher unerreichbar, zog nun die Aufmerksamkeit auf sich. Man verband mit ihr höchste Erwartungen und die Hoffnung auf eine neue, bessere Zukunft nach den düsteren Jahren des Krieges. Es entstand eine regelrechte Euphorie, die sich bis zum modischen Irrsinn steigerte. Bald schon fand das Penicillin Über den Autor seinen Platz im täglichen Leben, wie auf bunMartin Glauert hat Theologie und Medizin stuten Werbeplakaten der Fünfzigerjahre zusehen diert. Er hat sich in einer Gemeinschaftspraxis ist. Die Zahnpasta wurde damit versetzt, ein im Landkreis Kassel als hausärztlicher Internist Lippenstift mit Penicillin sollte den perfekt niedergelassen. hygienischen Kuss garantieren. Die KehrseiDaneben ist er journalistisch tätig, mit den te dieses maßlosen und auch von den Ärzten Schwerpunkten Reise und Medizingeschichte. praktizierten unkritischen Einsatzes von Penicillin zeigte sich erst Jahre später. Es kam zur Wir danken ihm für die freundliche GenehmiAusbildung von Resistenzen, die diese neue gung, "Heilender Schimmel" nachdrucken zu dürfen, und die Bereitstellung des Bildmaterials. Waffe im Kampf gegen Krankheiten stumpf machte. In einem ständigen Wettlauf mussten

QuickFact

"avocado": pipo // openclipart.org

Das Gehirn hat die Konsistenz einer reifen Avocado. Kirchenfenster der St. James‘ Church in Paddington

www.synapse-redaktion.de

Synapse 11


Bild: snifty /

rg

openclipart.o

ng an Anpassu he ständige sc n rnen che Wü te s L e r e i studentis r u strukt L ernen rnen s und m ob i l e s e h c er L e s i t d a n m in a syste m ite

MeCuM-Memo Lernkarten und noch viel mehr ... von Christoph Kuhm

Seit nunmehr einem Jahr gibt es sie – digitale Lernkarten direkt von Studenten für Studenten. Was im kleinen Kreis begann ist in der Zwischenzeit gewachsen und wir freuen uns euch zum Wintersemester ein komplett überarbeitetes digitales Lernsystem präsentieren zu können. Mit Lernkarten hat sicherlich schon jeder von uns mal gelernt oder aber versucht sich wichtige Dinge zu merken. Auf diesen konventionellen Lernkarten baut MeCuM-Memo auf, allerdings in digitaler Form. Digitale Inhalte bieten vielerlei Vorteile: sie sind jederzeit und von jedem internetfähigen Computer oder Smartphone aus verfügbar, können problemlos (ohne neue Karten schreiben zu müssen) verändert und angepasst werden. Außerdem greifen sich elektronische Lernkarten nicht ab und können auch sonst nur schwer kaputt gehen.

MeCuM-Memo MeCuM-Memo ist ein einzigartiges Lernprogramm und steht Studierenden der Humanmedizin an der LMU München ab dem Wintersemester 2011/2012 (17.10.2011) kostenlos auf www.mecum-memo.de zum Registrieren und Download bereit. Eine Ausweitung auf andere Fakultäten und Studierende der TU München ist zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Dieses Lernprogramm besteht aus zwei großen Bestandteilen: einer Online-Plattform (Wiki), zum Erstellen und Ändern von Lernkarten und einer Offline-Komponente (Java Lernprogramm, später Smartphone-App) mit der ihr bestehende Karten erst lernen und dann strukturiert abfragen lassen könnt. Durch eine automatische Synchronisation, die jedes Mal wenn ihr die Lernsoftware startet abläuft, könnt ihr sicher sein immer die aktuellsten Karten zum Lernen zu haben.

Lernen mit digitalen Karten Zum Lernen kannst du dir erst einmal die relevanten Karten aussuchen und gegebenenfalls auch Unterkategorien, die dich nicht interessieren (wie z.B. Ätiologie, etc) fürs Lernen ent-

12 Synapse

r sie ali u id en div ern n i L

t

den. Redakteur kann jede/r Interessierte von euch werden. fernen. Außerdem kannst du die Karten noch vielfach individualisieren. Es stehen dir hierfür verschiedene Farben zum Markieren zur Verfügung. Außerdem kannst du den Karten Notizen hinzufügen. Diese Änderungen werden beim nächsten Aktualisieren nur dann gelöscht wenn das entsprechend markierte Wort online geändert wurde.

MeCuM-Memo bietet sich sowohl zum „normalen“ Lernen als auch zur Vorbereitung auf Prüfungen sowie die Staatsexamina an. Je größer der Kartenpool desto größer der Anwendungsrahmen. Beim Lernen für das Hammerexamen ist MeCuM-Memo übrigens entstanden und konnte bis zum heutigen viele fleißige Helfer überzeugen …

Anschließend, nach dem Lernen mit den Karten, kannst du in den Prüfungsmodus. Alle neuen ungelernten Karten landen erstmals auf dem Anfangsstapel. Je nach Wissen und Lernerfolg rücken die Karten einen Stapel weiter. So wird gewährleistet, dass Karten, die nicht korrekt beantwortet wurden öfters zum Lernen als perfekt gekonnte Karten. Das Ganze nennt sich „Spaced Education".

Deine Meinung ist uns wichtig!

Dein Lernerfolg wird immer angezeigt und am Ende einer Lernsession kannst du dein Abschneiden ablesen. Alles andere sollte selbsterklärend sein – spiel einfach ein bisschen mit der Software rum … Eine ausführliche Anleitung findet ihr übrigens auch auf www.mecum-memo.de

Welche Karten gibt es bereits? Aktuell stehen auf www.mecum-memo.de Karten zu allen Organblöcken des Moduls 23 sowie zur Pharmakologie zur Verfügung. Diese Karten wurden von Kommilitonen erstellt und dienen als Grundstock. Nur durch deinen Einsatz kann es – wie bei Wikipedia auch – in Zukunft neue Karten geben. Je mehr Leute mit MeCuM-Memo lernen, desto größer der Kartenpool und desto besser die Qualität der Karten. Es liegt also auch an dir wie gut MeCuM‑Memo sein kann! Sogenannte Redakteure, mit erweiterten Rechten überprüfen die Karten, außerdem sollen in Zukunft auch Dozenten an der Qualitätskontrolle beteiligt wer-

Besonders wichtig ist uns als studentisches Projekt deine Meinung. Es gibt technisch fast keine Hindernisse und wir sind sehr bemüht deine Ideen und Verbesserungsvorschläge umzusetzen. MeCuM-Memo ist kein starres Programm sondern wird sich immer entsprechend deiner Wünsche weiter entwickeln. Bei Anregungen, Kritik oder aber technischen Schwierigkeiten könnt ihr uns jederzeit kontaktieren (siehe „Kontakt“ auf www.mecum-memo.de). Als nächste Neuerung arbeiten wir konkret an der Anwendung von MeCuM-Memo auf Smartphones (voraussichtlich ab Sommersemester 2012), sodass du immer und überall, z.B. in der U-Bahn, lernen kannst. MeCuM-Memo ist weltweit einmalig. Erstmals hast du die Möglichkeit gemeinsam mit Kommilitonen aber trotzdem individualisiert lernen zu können.

Mitmachen bei MeCuM Memo Du möchtest bei MeCuM Memo mitarbeiten? Dann werde Redakteur – schicke uns dazu einfach ein kurzes Motivationsschreiben an inhalt@mecum-memo.de – oder komm zu unserem Stammtisch. Alle Informationen findest du auch online auf unserer Webseite www.mecum-memo.de Wir freuen uns auf euren Input!

www.synapse-redaktion.de


Schnellstart mit MeCuM-Memo Konkret läuft es so ab: Du gehst auf www.mecum-memo.de und klickst auf „Wiki“ in der Navigationsleiste. Dort richtest du dir einen Zugang ein und danach kann es sofort losgehen.

Online: Das Wiki Um eine gewisse Ordnung zu schaffen ist es enorm wichtig, dass du neu erstellte Karten auch dem richtigen Fach bzw. der richtigen Krankheitsgruppe zuordnest. Du kannst auch Bilder oder Mindmaps (z.B. mit XMind erstellt) – bitte unter Angabe der Quelle – hochladen („Upload“ unter der Kategorie „Bilder“ oben in der Leiste) und den Karten im „Bearbeiten“-Modus (Editor) hinzufügen.

Nach dem Bearbeiten und Erstellen neuer Karten musst du einmalig die eigentliche Lernsoftware auf www.mecum-memo. de („Software-Download“ in der Navigationsleiste) herunterladen.

Bonus

Diese Plattform wird dich sicherlich an Wikipedia erinnern und sie sollte eigentlich selbsterklärend sein. Hier kannst du neue Karten erstellen oder aber bestehende Karten verbessern. Hierzu gibt es einen übersichtlichen Editor, mit dem ihr die Texte verfassen und gestalten könnt. Jederzeit könnt ihr indem ihr links oben auf „Seite“ klickt sehen wie die Karte in der Online-Fassung aussehen wird.

Offline: Die Lernsoftware Ist dies geschehen kannst du das Programm starten (hierfür muss auf deinem Computer Java installiert sein) und automatisch werden die online vorhandenen Karten heruntergeladen bzw. beim nächsten Zugang automatisch aktualisiert.

Weitere ScreenShots

http://www.synapse-redaktion.de/56-mecum-memo

© coscurro // sxc.hu

kurzen als Bonus für alle die diesen Rahmen fertiglesen: Treffen sich zwei Jäger.

Bei der diamantenen Hochzeit kommt natürlich ein Reporter und fragt das Ehepaar, warum sie immer so harmonisch zusammen gelebt haben.

Sagt der Ehemann: "Das fing schon damals auf der Hochzeitsreise in Mexiko an ... Wir hatten einen Ausritt mit einem Maultier. Beim Aufsteigen hat das Tier meine Frau getreten. Sie sagte ganz leise: ‚Eins‘. Nach einigen Kilometern war ihr Maultier bockig und wollte

nicht mehr weiter. Sie sagte ganz leise: ‚Zwei‘. In einer Schlucht hat das Tier gescheut und hat meine Frau fast abgeworfen. Meine Frau sagte: ‚Drei‘, hat einen Revolver gezogen und das Tier erschossen. Daraufhin habe ich meiner Frau Vorhaltungen gemacht und gesagt das sei ja wohl nicht notwendig gewesen. Sie hat mich nur angesehen und sagte dann ganz leise: ‚Eins‘.

nicht lesen. Und der Dozent kommt nicht mehr zum Unterrichten, das wollen wir doch

Die Redaktion warnt: Vorsicht, nicht laut loslachen, sonst will Dein Dozent den Witz auch lesen! Und dann musst du deine Synapse hergeben und kannst die anderen Witze

alle nicht. Obwohl ... es ist schlussendlich deine Entscheidung, was du machst, Wir haben dich gewarnt. Na gut, wenn wir dich schon mal vom Witz ablenken, dann noch einen

QuickFact Eine blühende Phantasie ist tatsächlich ein Zeichen von Intelligenz - und je mehr und intensiver ein Mensch träumt, desto höher ist sein IQ.

www.synapse-redaktion.de

"sleeping": addon // openclipart.org

Synapse 13


„Gehirn: ein Organ, mit dem wir denken, dass wir denken.“ Ambrose Bierce, amerikanischer Schriftsteller von Stephanie Zühlke Gregory House humpelt durch die Glastür in sein Büro, setzt sich, schwingt den Stock mit einem Knall auf den Tisch. Er greift zu seinem großen, rot-grauen Tennisball, wirft ihn in die Luft, fängt ihn wieder auf und beginnt nachzudenken. Eine Szene, die typischer nicht sein könnte für eine Serie, in der der beste Diagnostiker des Princeton-Plainsboro Hospitals die schwierigsten Rätsel löst und damit Krankheiten diagnostiziert, auf die niemand anderes hätte kommen können. Unter eingefleischten House-Fans ist seine Vorgehensweise berühmt-berüchtigt, seine Diagnose stellt er durch geschicktes Kombinieren von Symptomen mit einem Schuss (bestimmt nicht göttlicher) Eingebung. Ein vielversprechender, abwesender Blick ergänzt durch ein verschmitztes Lächeln und House hat eine Idee. Doch wie funktioniert das; wie entstehen Gedanken und Ideen? - Begeben wir uns auf eine Reise mit ihnen!

Das Umfeld Zuerst erscheint das Umfeld, in dem Ideen und weitreichende Gedanken entstehen, interessant, sodass es zum Ausgangspunkt dieses Trips wird. Unter anderem werden eine anregende Umgebung, ein neuen Impulsen aufgeschlossener Geist und Gruppenarbeit als förderlich angesehen, aber auch ein gezieltes Vorgehen kann zu fruchtbaren Ergebnissen führen.

Eine anregende Umgebung für House? - Zuerst eine Vicodin schlucken und dann alternativ mit dem Tennisball spielen, ein Gespräch mit Wilson oder Cuddy führen, ein bisschen auf dem Klavier herumklimpern ... Ferner sind die eingehenden Reize, mit denen unser Gehirn tagtäglich überflutet wird, die Grundlage von Informationen, auf die der Organismus reagieren kann, soll und muss. Handlungen, die daraus resultieren, dienen in erster Linie der Erhaltung des Gleichgewichts im Organismus. Darüber hinaus sind diese Informationen über äußere Umwelt und innere Wahrnehmung auch die Grundlage der Entstehung von Gedanken und Ideen.

Die Wiege der Ideen Frederic Vester, Biochemiker und ehemaliger Lehrstuhlinhaber der Universität der Bundeswehr in München, beschreibt in seinem Buch Denken, Lernen, Vergessen die Entstehung von Ideen wie folgt: „Durch die vervielfachte Anordnung (der Speicherung von Code-Molekülen - diffus in der ganzen Großhirnrinde verteilt) ergeben sich unter den entstehenden Informationsmustern Resonanzen („Mitschwingungen“) und Interferenzen („Schwingungswechselwirkungen“). Und diese können von Zeit zu Zeit aus sich heraus völlig neue Sinninhalte, das heißt ein neues, originales Informationsmuster und damit eine schöpferische Idee erzeugen.“

Noch komplexer wird die Angelegenheit, sobald man sich mit den weiteren Fähigkeiten insbesondere des menschlichen Gehirns auseinandersetzt, wie dem Bewusstsein des Selbst und der Fähigkeit, mögliche Handlungen bewusst abzuwägen und gar Metakognition zu betreiben, über das Denken nachzudenken. Beeindruckend dabei ist, welch hohen Grad der Abstraktion das menschliche Gehirn erreicht.

Auf der Spur der Strukturen Hier kommen nunmehr Netzwerke und Strukturen des Gehirns ins Spiel, um die den Menschen auszeichnenden kognitiven Funktionen zu lokalisieren. Mit gewissen Vorbehalten ist die Empfindung von Bewusstsein im medialen frontalen Cortex - einschließlich anteriorem cingulären Cortex - und Inselrinde zu verorten. Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass gerade in Aufgaben-freien Situationen die Aktivität der Temporallappen von Probanden hoch und damit das Langzeitgedächtnis besonders aktiv ist. In verschiedenen Studien erleuchten im fMRT gezielt die genannten Hirnstrukturen bei entsprechenden Aufgaben zu Selbstreflexion, Bewusstsein oder eben beim Nichts-Tun - die Phase, in der womöglich die meisten Ideen entstehen. Thomas Metzinger, der Professor für Philosophie in Mainz ist und sich mit den Themengebieten der Ethik und des Bewusstseins befasst, vertritt in einem Interview im ZEIT Magazin die Meinung, „das Selbst ist kein Ding, sondern

QuickFact Eher zufällig entdeckte der französische Arzt Lionel Feuillet die Besonderheit eines seiner Patienten: Dessen Gehirn ist nur ein Zehntel so groß wie normal, trotzdem kann der Mann ein ganz normales Leben als Verwaltungsbeamter Massiv vergrößerte Ventrikel des Patienten  führen. A CT B,C T1 MRT mit Gadolinium D T2 MRT LV Linker Ventrikel III dritter Ventrikel IV vierter Ventrikel Pfeil Foramen Magendii Umrandung in D Zyste

14 Synapse

www.synapse-redaktion.de


es ist ein Vorgang.“ Das stützt auch aus geisteswissenschaftlichem Blickwinkel die Vorstellung von vernetzten Hirnarealen, die unter Zusammenarbeit ein Selbstkonstrukt erschaffen. In diesem Zusammenhang hat der Assoziationscortex mit seiner vernetzenden und integrierenden Funktion wohl einen großen Anteil an derart komplexen Vorgängen im Gehirn. Laut Hecke Schrobsdorff, Postdoc am Bernstein Center for Computational Neuroscience in Göttingen, kann man sich diesen als Netzwerk mit „vagabundierender Aktivität“ bei der Ideenfindung vorstellen. Das bedeutet, dass nicht – wie es bei der Erledigung spezifischen Aufgaben der Fall ist – ein bestimmtes Hirnareal im fMRT aufleuchtet, sondern im Gehirn verschiedenste Areale „zusammengeschaltet“ werden mit dem Ziel, eine möglichst passende Lösung für die jeweilige Aufgabe zu finden. Eine Idee entsteht diesbezüglich aus bereits

nun genau passiert“ je tiefer man versucht, die komplexen Funktionen des Gehirns zu erforschen. Er führt dies auf die Schwierigkeit zurück, „vernünftige Versuche zu designen, die kontrollierte Bedingungen herstellen“. Probleme könnten dabei durch die unterschiedliche Motivation der Probanden, aber auch durch die interindividuellen Unterschiede, die in starken Divergenzen der Messwerte resultieren, hervorgerufen werden. Zusätzliche Hürden bei der Erforschung der höheren kognitiven Fertigkeiten des menschlichen Gehirns bringt die Tatsache mit sich, dass zum großen Teil bei Experimenten nicht auf dem Menschen ähnliche Modelltiere zurückgegriffen werden kann, sodass am und mit dem Menschen experimentiert wird und Gesunde verglichen werden müssen mit Patienten, die eine selektive zerebrale Schädigung aufweisen. Deshalb kann lediglich auf „nichtinvasive Verfahren wie EEG, MEG und fMRI“ zurückgegriffen werden. „Die sind entweder räumlich oder zeitlich sehr mies

Das Gehirn wie man es sich 1864 vorstellte  A Gottesliebe B Stolz C Begriffssinn D Anmut 1 Geschlechtsliebe 2 Elternliebe 3 Freundschaft 4 Heimatliebe 5 Emsigkeit 6 Kampfsinn 7 Zerstörungssinn 8 Esslust 9 Erwerbssinn 10 Verschwiegenheit 11 Vorsicht 12 Ehrgeiz 13 Selbstachtung 14 Festigkeit 15 Gewissenhaftigkeit 16 Hoffnung 17 Gläubigkeit 18 Demut 19 Gutmütigkeit 20 Bausinn 21 Idealitätssinn 22 Nachahmungssinn 23 Frohsinn 24 Beobachtungssinn 25 Formsinn 26 Masssinn 27 Wägesinn 28 Farbensinn 29 Ordnungssinn 30 Zahlensinn 31 Ortssinn 32 Erinnerungssinn 33 Zeitsinn 34 Tonsinn 35 Sprachsinn 36 Kausalitätssinn 37 Vergleichssinn

hinsichtlich ihrer Gültigkeit angezweifelt werden. Ohne in die Tiefen der Linguistik vorzudringen, genügt schon die Vorstellung eines intelektuellen Zirkels - wie oft geraten jene gebildete Menschen, denen man keine mangelnde Sprachfertigkeit zuweisen kann, bei der Formulierung ihrer Gedanken ins Stocken, korrigieren zuvor Gesagtes - einzig mit dem Ziel, ihre Gedanken dem Gegenüber begreiflich zu machen. Jemand, der lediglich in der Lage ist, zu denken, was er auch mit seinen Sprachmöglichkeiten zum Ausdruck bringen kann, dürfte sich keinerlei Probleme der Kommunikation gegenübergestellt sehen. Außerdem basiert die Annahme der Hypothese auf einem Zirkelschluss: Wenn in einer Kultur nur über das nachgedacht werden kann, wofür diese Kultur auch die entsprechenden sprachlichen Begriffe bereitstellt – Inuit demnach -zig Wörter für Schnee haben, wir aber nur ganz wenige oder die indianische HopiSprache keine Zeitbegriffe kennt – , kann es zu keiner signifikanten Weiterentwicklung dieser Kultur kommen. Ganz nebenbei sei erwähnt, dass Bewohner der Alpenregionen – die wahrlich nicht dem Kulturkreis der Inuit angehören – über ebenso viele Wörter für Schnee verfügen wie diese. Dass Sprache das Denken beeinflusst, steht außer Frage. Doch dass Sprache kognitive Prozesse beschränkt, ist nicht zuletzt wegen der Datengrundlage, auf die sich Sapir und Whorf beziehen, zweifelhaft. Somit steht die Erkenntnis des Sokrates wie so oft am Ende einer Suche nach tiefem Verständnis, Einsicht und Wahrheit: οἶδα οὐκ εἰδώς - Ich weiß, dass ich nicht weiß.

im Gehirn vorhandenen Informationen ergänzt durch gerade in jenem Moment auf das Gehirn einwirkende Reize.

Was ist das Selbst? Auch das Konstrukt des Selbst liegt womöglich ähnlichen Mechanismen zugrunde, wobei es sich bei diesem um ein beständigeres Gebilde als eine Idee handelt. Das Selbstkonstrukt wird in Abhängigkeit von Erlebten immer wieder modifiziert, ist somit über einen längeren Zeitraum relativ konstant. Das Selbstkonstrukt von House: ehrliche und oft sehr sarkastische innere Stimme seiner Patienten und Kollegen, um sie von ihrer Scheinheiligkeit zu erlösen ... Explizite Angaben zu Lage, Aufbau, Funktion - Kennzeichen eines jeden Organs, die der gewöhnliche Medizinstudent in Anatomie vorund rückwärts, makro- und mikroskopisch zu beherrschen bestrebt ist - sind allerdings gerade bei höheren kognitiven Leistungen nicht zu tätigen. Der Aussage von Hecke Schrobsdorff folgend „wird es immer nebulöser, was denn

aufgelöst, und sagen überhaupt nichts über Andererseits wissen wir aber definitiv: einzelne Neurone aus. (...) Was denn nun (...) It ´ s not Lupus! mehr oder weniger Aktivität (bei bildgebenden Verfahren) bedeutet, ist Gegenstand ziemlich wilder Spekulationen in den Theorieabschnit- Buchtipp ten vieler Veröffentlichungen“, findet Hecke Buchtipps Schrobsdorff und steht mit dieser Meinung wie viele andere Wissenschaftler den ErkenntnisVester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen sen aus fMRT-Studien skeptisch gegenüber. Deutscher Taschenbuch Verlag

Die Sapir-Whorf-Hypothese Im Kontext der Entstehung von Ideen und Gedanken erscheint abschließend die SapirWhorf-Hypothese - von Benjamin L. Whorf in Einklang mit Auffassungen seines Lehrers Edward Sapir entwickelt - erwähnenswert. Sie besagt, dass sprachliche Systeme wie grammatikalische Strukturen und Wortschatz die Denkstrukturen und auch Denkmöglichkeiten ihrer Sprecher determinieren. Diesem Sprachdeterminismus zufolge sei menschliche Erkenntnis nur relativ zu den systematischen Möglichkeiten der jeweiligen Einzelsprache möglich. Einen interessanten Ansatz des Einblicks in die Divergenz menschlichen Denkens darstellend, muss diese Hypothese dennoch

In diesem Buch werden - wie es der Titel verspricht - dem Leser die Grundlagen von Prozessen im Gehirn erläutert. - Eine Lektüre, die sehr interessant und reich an Einblicken ist, auch und gerade für (zukünftig) lerngeplagte Medizinstudenten.

Doidge, Norman: The Brain That Changes Itself Penguin Books Norman Doidge, US-amerikanischer Psychiater, beschreibt in erstaunlichen Episoden, welch ungeahnte Plastizität unserem Gehirn innewohnt. Dabei zeigt er sowohl die persönlichen Schicksale von Patienten, als auch die dahinterstehenden Wissenschaftler, die sich mit all ihrem Können dafür einsetzen, Folgeschäden nach Schlaganfällen, Amputationen und anderen Erkrankungen zu minimieren.

Synapse 15

www.synapse-redaktion.de

Geheimer Online-Bonus: http://www.wie-ideen-entstehen.de & Konversation mit Hecke Schrobsdorff


Ein Junge pflugt das Feld mit Hilfe von zwei Kühen In Äthiopien ist das Zeichen eines gewissen Reichtums. Im Hintergrund sind die typischen Hütten zu sehen.

Jimma

von Marie Tzschaschel

Medizin und Leben in Äthiopien Kurz vor dem Landeanflug weckt mich die Stewardess unsanft. Sie weist mich darauf hin, dass ich meine Rückenlehne hochstellen soll und meinen MP3-Player ausmachen muss, und sie drückt mir meine Kühlbox in die Hand. Ach ja, fast hätte ich die vergessen.

Äthiopien Wenn ich verreise, muss ich mich auf Chaos einstellen, aber meine Vorbereitungen für Äthiopien verliefen selbst für mich turbulent. Die Sprechstundenhilfe in meiner Hausarztpraxis verpasste mir statt der zweiten TollwutImpfung nochmals eine Runde Tetanus (gut, fängt auch mit T an, und ich hätte es auch merken können, dass die Impfung nicht die richtige Farbe hatte), weshalb ich jetzt meine Impfung per Kühlbox nach Istanbul schleppen muss, dem ersten Stopp auf meiner Reise.

Als ich gerade die letzten Einkäufe für meine Reiseapotheke erledigen will, klingelt mein Handy. Professor Siebeck bittet mich, nochmal zu ihm zu kommen.

er vielleicht nicht zugeben.) Jetzt musste ich eigentlich nur noch aussteigen.

Last-Minute Krisensitzung

„Nur noch“ ist leicht gesagt. Ob ich mal bitte mit ins Cockpit kommen könne, der Pilot wolle mich sprechen ... Beinahe hätte er mich in München gelassen, raunzte er mich an – weil ich ihn nicht gefragt hätte, ob ich den Impfstoff mitnehmen dürfe! Wohin ich weiter wolle, fragte er. Und ob ich denn, wenn mich jetzt jemand bäte, ein Päckchen mitzunehmen, das für ihn mit nehmen würde. Gut, dass ich müde, wie ich war, einfach nur nett lächeln konnte.

Der Botschafter hatte ihm eine Mail geschrieben, dass es in der Nähe von Jimma zu Unruhen gekommen wäre. Christen hätten wohl einen Koran verbrannt, woraufhin Muslime über 80 Kirchen angezündet hätten. Von einer Reise nach Jimma würde uns der Botschafter also abraten. Was jetzt? Mit den andern Stipendiaten des Austauschprogramms trafen wir uns zur Krisensitzung. Wirklich viel war nicht herauszufinden über die Unruhen. Die Ärzte vor Ort waren per E-Mail nicht so schnell erreichbar, und auch wenn, war es nicht so einfach, direkt zu fragen, was los sei, falls die E-Mail in falsche Hände geraten würde. In der Presse fanden wir nicht mehr als einen kurzen Artikel, und auch das Auswärtige Amt hatte keine eindeutige Reisewarnung verhängt. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir deshalb, doch zu fliegen.

Mein Visum kam zwei Tage vor der Abreise an, nach einem „bitte-bitte-schnell“-Telefonat mit der Botschaft – wir hatten es 6 Wochen zuvor bestellt. Auch die Umbuchung meines Fluges, der wegen der Unruhen in Kairo verschoben werden musste, hatte reibungslos geklappt. Ich begann also mit dem Packen und traf mich ein letztes Mal mit Professor Siebeck, um mir nochmal alle Kontakte vor Zurück also zu meinem Flug nach Istanbul Ort in Jimma nennen zu lassen. Damit auch und dem Impfstoff. Bis ins Flugzeug hinein die Botschaft in Addis hatte ich es ja schon geAbeba wusste, dass Studis (dem Steward, Was sollte jetzt noch schief gehen? schafft aus München nach Jimma der ein offizielles SchreiLeider einiges. kämen, schrieb Professor ben von mir hatte sehen Siebeck noch eine E-Mail wollen, hatte ich meinen an einen Mitarbeiter. Was sollte jetzt noch Impfpass unter die Nase gehalten, mit dem er schief gehen? Leider einiges. zwar nichts anfangen konnte, aber das wollte

16 Synapse

Ein Päckchen vom Piloten

Endlich also durfte ich aussteigen. Auf mich wartete eine tolle Woche Istanbul, bevor es weiter ging nach Äthiopien. Eine Woche später komme ich nachts um vier in Addis an, wo ich eigentlich vom Hotel, das ich mir von München aus organisiert hatte, abgeholt werden sollte. Eigentlich. In dem Wissen, dass ich abgezockt wurde, ließ ich mir von einer Taxivermittlerin einen Fahrer organisieren und zahlte 10 Euro für meine Fahrt zum Hotel. Bevor ich nach Jimma reisen würde, wollte ich hier Marie treffen, eine der anderen Studis aus München, um mit ihr noch ein bisschen zu reisen. Bevor wir dann am CBTP (Community Based Training Program) teilnehmen würden.

Jimma Jimma ist eine für Äthiopien relativ große Stadt in der Oromo-Region im Westen des www.synapse-redaktion.de


Entbindungsraum im Health Care Center, rechts ist das Hörrohr zu sehen

Landes. Im Verhältnis zu vielen anderen Teilen ist es dort noch recht grün, und im Umland wird Kaffee angebaut. In der Stuff Lounge, in der wir meist unsere zweistündige Mittagspause verbrachten (ja, so etwas gibt es noch für Ärzte), hüpften Affen von Mango- zu Avocadobaum und versuchten uns unser Essen streitig zu machen. Die ersten zwei Wochen rotierten wir – 6 Medizinstudierende aus München und zwei Ethnologinnen, die uns für ihre Forschung begleiteten – zu den verschieden Stationen der Klinik. Marie und ich begannen in der Gynäkologie. In Äthiopien werden die meisten Kinder zu Hause entbunden, und häufig leben die Frauen zu weit weg von einer Klinik, um sich überhaupt auf den Weg dorthin zu machen. In die Klinik kamen also entweder Frauen, die nah genug lebten, oder eben jene, die einen Geburtsstillstand erlitten und schnell und dringend Hilfe benötigten. Da es nur einen Kreissaal gab, gab es drei Liegen nebeneinander, auf denen entbunden wurde. Mit einem Hörrohr, wie es in alten Filmen die Hebamme benutzt, wurden die Herztöne des Kindes abgehört und per Hand die Wehen ausgezählt. Anfangs tat ich mich, verwöhnt von technischen Geräten daheim, schwer, überhaupt viel zu hören oder zu spüren, aber mit der Zeit hatte ich den Dreh raus. Schwieriger fand ich, dass es nur ein Ultraschallgerät für die ganze Klinik gab, das dann eben auch mal in die Innere verliehen werden musste. Und es gab nur wenige Hilfsmittel zur Versorgung eines (zu früh) Neugeborenen. Auch wenn ich mir vor meinem Praktikum in Jimma schon bewusst gemacht hatte, dass es dort nicht alles geben würde, was wir in Deutschland nutzen können, war ich ziemlich bedrückt, als ich sah, dass es weder genug Wärmelampen, geschweige denn Brutkästen oder gar die Möglichkeit zur Intubation für die Kleinen gab. Meine Bewunderung für die Ärzte wuchs enorm, zumal sie uns bei Lehrviwww.synapse-redaktion.de

Eine Familie wird von einem äthiopischen Studenten befragt (CBTP)

siten immer wieder zeigten, was sie unter ihren schlechten Bedingungen alles unternahmen.

Ein Tag in der Psychiatrie

von Hütte zu Hütte, um die Fragebögen auszufüllen. Ich weiß nicht, wie viele von euch freiwillig an Umfragen teilnehmen und fremde Menschen in ihre Wohnung lassen – in Bul Bul jedenfalls erklärten sich alle bereit, unsere Fragen zu beantworten.

Außer der Gynäkologie und der Pädiatrie hospitierte ich noch einen Tag in der PsychiManche der Menschen hatten keinen Strom, atrie. Alle Patienten dort trugen Schlafanzüge kein Haus hatte fließendes mit Teddybär-Mustern. Ziemlich stigmatisierend, war mein Die wichtigsten Dokumente Wasser. Die wichtigsten Dokuwurden in einer Plastikerster Gedanke. Der Grund ist werden in einer Plastiktüte mente tüte aufbewahrt, die an einem jedoch ziemlich simpel: Da die Angehörigen für die Pflege der aufbewahrt, die an einem Nagel an der Wand hing. Die Familien hatten minPatienten verantwortlich sind Nagel an der Wand hängt. meisten destens 5 Kinder, manche sound die Patienten ja äußerlich nicht von „Gesunden“ zu unterscheiden sind, gar 9 oder mehr. bekommen alle Patienten die Schlafanzüge. Nachdem wir eine Woche lang Daten gesamPatienten, die neu aufgenommen werden sol- melt hatten, werteten wir diese aus und präsenlen, werden erst einmal ausführlich interviewt. tierten sie den anderen Gruppen. Wie immer war ich natürlich auch diesmal auf Für die andern 5 LMU-Mediziner endete die Übersetzungen der Ärzte bzw. des Pflegepersonals angewiesen. Gleich beim ersten Mal nach dem CBTP das Programm, und sie flogen hatte ich Glück, wenn man das so sagen darf: zurück nach München. Der Patient hatte unter anderem den Wahn, Da ich aber auch einen Teil meines Modass er besser Englisch könne als seine Muttersprache, weshalb er darum bat, das Aufnahme- duls 6 in Äthiopien verbringen wollte, hatte ich mich noch für das TTP beworben (Team gespräch auf Englisch zu führen … Training Program). Gemeinsam mit anderen Nach zwei Wochen Klinik begann also das äthiopischen PJlern und Studis aus andern CBTP. Nach einigem Hin und Her, wann es Fachrichtungen (Zahnmedizin, Pharmazie, losgehen sollte, trafen sich alle Studierende Environmental-Studis) wohnte und arbeitete und Professoren zur Gruppeneinteilung. Wir ich in einem Health Care Center in Asendahatten extra gefragt, ob es sich um die west- bo. Wie ich später rausfinden sollte, genau der liche Zeitangabe handelte oder um die äthio- Ort, an dem die Unruhen statt gefunden hatpische, bei der mit Sonnenaufgang, also um 6 ten. Die anderen Studis, sie waren schon seit 6 Wochen da, als ich kam, erzählten mir, dass sie Uhr morgens, der Tag beginnt. den nach den Unruhen Gefangengenommenen Gesundheitserziehung erteilt hätten. Bul Bul Meine Kebele, Bul Bul, war das am weitesten entfernte, was jeden Tag eine Stunde Busfahrt übers Land bedeutete. Ein bisschen wie Schullandheim, nur dass draußen bilderbuchklischeehafte Rundhütten, Affenbrotbäume und die typischen, mageren afrikanischen Kühe zu sehen waren. Mit zwei anderen Studis lief ich

Hyänen in der Ferne Mit drei anderen Studentinnen teilte ich mir ein Zimmer (zwei teilten sich ein Bett, da das andere als Schrankersatz diente). Da es nur zwei Eimer auf dem Gelände gab, musste ich, wenn ich duschen wollte, erst den Eimer su-

Synapse 17


chen, um ihn dann mit Wasser füllen und zur Dusche schleppen zu können. Das Klo befand sich am Rand des Geländes, und obwohl mir die anderen versicherten, dass man Hyänen auch dann noch hört, wenn sie 2 km weg sind, hatte ich nachts anfangs etwas Schiss, muss ich gestehen. Dafür habe ich jetzt keine Angst mehr vor Hunden ... Die meiste Zeit arbeitete bzw. hospitierte ich in der Ambulanz für Erwachsene. Gemeinsam mit Guteta, einem der PJler, mit dem ich mich anfreundete, untersuchte ich soweit möglich die Patienten. Gab es in Jimma noch einen Ultraschall, so hatten wir hier wirklich nur noch unsere Hände und ein Stethoskop. Doch auch so kamen wir oft zu einer Diagnose, und ich lernte „umzudenken“. Wenn sich in Deutschland ein Patient mit Kopfschmerzen präsentiert, denke ich zunächst einmal an Spannungskopfschmerz, bestimmt aber nicht an Malaria. Diese kann aber durchaus Kopfschmerzen, Müdigkeit oder andere unspezifische Symptome hervorrufen. Auch Patienten mit TBC und Pneumonie waren keine Seltenheit. Leider gibt es in Äthiopien längst nicht alle Medikamente, die wir in Deutschland haben, und auch wenn die Preise nicht so hoch sind wie bei uns, können sich viele Patienten nicht alles leisten. Und eine Fahrt zur Uniklinik ist für manche unbezahlbar. Da die äthiopische Regierung versucht, die HIV-Neuerkrankungsrate massiv zu senken, führten wir bei allen „verdächtig erkrankten“ Personen, also beispielsweise TBC-Patienten, einen HIV-Schnelltest durch. Glücklicherweise war keiner davon positiv. Auch als wir in einer Berufsschule einen Vortrag über HIV hielten, Fragen beantworteten und alle testeten, die wollten, war kein positives Ergebnis dabei.

Marie untersucht eine kleine Patientin.

Jimma LMU Link

Weitere Möglichkeiten

Seit 2002 besteht eine Kooperation für Medizinische Aus- und Weiterbildung zwischen den Medizinischen Fakultäten der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Jimma University (JU) in Äthiopien.

Außerdem ist es möglich im Rahmen einer Famulatur, Modul 5 (Gynäkologie) oder fürs PJ (Gynäkologie, Chirurgie, Allgemeinmedizin) nach Jimma zu fliegen.

Für LMU Studis gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten nach Jimma zu gehen.

In jedem Fall ist es absolut empfehlenswert, schon Erfahrungen in Deutschland, und am besten auch noch im Ausland gesammelt zu haben. Euch erwartet eine tolle Zeit, ihr solltet aber bereit sein, auch mal 5 Tage oder mehr ohne fließendes Wasser, Internet oder eventuell sogar Strom aus zu kommen. Genaue Informationen findet ihr unter:

CBPT (Community Based Training Program) 6 Studierende pro Jahr werden durch eine Kommission aus ehemaligen, Lehrenden und Äthiopiern ausgewählt am CBTP (Feldforschung im ländlichen Gebiet um Jimma und Auswertung der Daten) teilzunehmen. TTP (Team Training Program) Mitarbeit in einem Health Care Center. Entweder im Rahmen des PJs Allgemeinmedizin oder als Modul 6 Projekt.

(oder einfach LMU-Jimma Link bei Google eingeben, das geht schneller, als den Link abschreiben…) Bewerbungsfrist

Noch viel zu erzählen ...

Die Bewerbungsfrist endet am 19.10.2011

Bonus

Ich könnte jetzt noch seitenweise weiter schreiben, über verschiedene Patienten oder persönliche Erlebnisse, aber das würde den Umfang sprengen. Wenn ihr Fragen habt oder nach Jimma gehen wollt, könnt ihr mir aber gerne schreiben.

http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Chirurgische-Klinik-und-Poliklinik-Innenstadt/de/lehre/jimma-lmu/index.html

Bonus: Jimma http://www.synapse-redaktion.de/56-jimma

Marie.Tzschaschel@campus.lmu.de

QuickFact Gehirn ist nicht teuer, denn 1 kg Kalbshirn kostet ungefähr 14 €. Zum Vergleich: 1 kg Kalbsbraten kostet mindestens 25 € "meat 03": ArtFavor // openclipart.org

18 Synapse

www.synapse-redaktion.de


Synapse StartUp!

Kennst du folgende Situation: Du bist im Münchner Nachtleben unterwegs, unterhältst dich gerade noch angeregt, wirfst einen kurzen Blick auf die Uhr und realisierst, dass die einzige U-Bahn, die dich heute noch nach Hause bringen könnte, gerade ohne dich abfährt? Ärgerlich ist das, weil jetzt oft nur noch die Möglichkeit verbleibt, die Heimreise im Taxi anzutreten und dafür mindestens 10 Euro zu zahlen. Obwohl, eigentlich könnte man ja auch … Moment! – da sind wir ja schon bei meiner Geschäftsidee.

It's all about business.

Vom ersten Gedanken zum Business-Plan Was vor einigen Monaten mit diesem kleinen Gedankenexperiment begann, hat Von Daniel Rudolph sich inzwischen zu einem ambitionierten Projekt entwickelt. Zusammen mit einem interdisziplinären Team von vier Studenten erarbeite ich neben meinem Studium ein Geschäftsmodell für diese Idee: Wir analysieren den Markt und die Wettbewerber, sprechen mit Experten und potentiellen Kunden, überarbeiten unser Konzept wieder und wieder, und dokumentieren es schließlich in Form eines etwa zehnseitigen Schriftstücks – des Business-Plans. Dieser wird uns später helfen, Investoren für unsere Geschäftsidee zu finden.

Unterwegs mit Manage & More

Wie ich überhaupt dazu komme? Auf der Suche nach einer praxisorientierten Abwechslung zu meinem theoretischen Studium stieß ich letztes Semester auf das unternehmerische Qualifizierungsprogramm der UnternehmerTUM: Manage&More. Bei diesem 18-monatigen Programm habe ich die Möglichkeit, an mehrmonatigen Industrieprojekten mit Un-

ternehmenspartnern mitzuarbeiten oder eigene Gründungsprojekte zu initiieren. Dabei unterstützt mich die UnternehmerTUM mit wertvollem Feedback, mit Räumen und Infrastruktur sowie einem starken Netzwerk von Unternehmern. Außerdem habe ich die Möglichkeit, mich in zahlreichen Workshops und individuellen Coachings persönlich weiterzuentwickeln – zu Themen wie beispielsweise Rhetorik, Projektmanagement oder Verhandlungsführung. Jedes Jahr werden für Manage & More 20 Studenten und Doktoranden aus allen Fachrichtungen ausgewählt. Meine Teamkollegen sind eine bunte Mischung von interessanten Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen – das macht die Projektarbeit im Team herausfordernd und spannend zugleich.

Dabei sein! Warum ich das alles erzähle? Du kannst im nächsten Semester dabei sein, wenn wieder 20 motivierte Studenten an den Start gehen und den Blick über den Tellerrand wagen. Alle wichtigen Informationen zum Programm und Bewerbungsverfahren findest du unter www. manageandmore.de Ich freue mich schon, dir im Wintersemester persönlich zu verraten, wie du nach dem nächsten Barabend am besten wieder nach Hause kommst.

Buchtipp W I T H

T H E

37Signals Adobe Aliant Computer Apple

F O U N D E R S

O F

Hotmail HotorNot Hummer Winblad Lycos

Founders at Work

Stories of Startups’ Early Days ArsDigita Blogger.com Bloglines Craigslist Del.icio.us Excite Firefox Flickr Fog Creek Software Gmail Groove Networks J e s s i c a

Marimba ONElist PayPal Research in Motion Six Apart Tickle TiVo TripAdvisor Viaweb WebTV Yahoo!

Jessica Livingston: Founders at work Apress Dieses Buch sollte DIE Bibel des angehenden Jungunternehmers, oder neu-Deutsch „Entrepreneurs“ sein. Jessica Livingston, die selber für den Venture Capital Geber Y-Combinator arbeitet, interviewte in diesem Buch 32 Gründer von High-Tech-Firmen, u.a. PayPal, Apple, Research In Motion (Hersteller des BlackBerry), Yahoo!, und viele mehr. Die Gründer erzählen von Erfolgen, und Niederlagen, von Bonus

I N T E R V I E W S

Fallstricken – bspw. gierigen Venture Capital Gebern und unerfahrenen Anwälten auf der eigenen Seite – und geben handfeste Tipps um die eigene Firma zu gründen. Ich konnte mich von den Geschichten kaum losreißen: man bekommt das Gefühl vermittelt, alles ist (mit dem richtigen Team) möglich, und kriegt richtig Lust darauf, mit der eigenen Idee durchzustarten!

Synapse StartUp! http://www.synapse-redaktion.de/startup

L i v i n g s t o n

www.synapse-redaktion.de

Synapse 19


Die Größe des Gehirns sagt nichts über die Intelligenz aus

Fähigkeit, Daumen zu opponieren und damit Werkzeuge zu nutzen Süchte entwickeln können Fähigkeit zur Trauer Rechnen können

Sie korreliert lediglich mit der Muskelmasse und Fähigkeit zur Feinmotorik, und damit dem Gewicht des Tieres

50 Jahre

Gemeinsame Möglichkeiten des Menschen und des Schimpansen

maximales Alter

2 Jahre oder länger Stillzeit

400 g Gehirngewicht

polygam Leben in lockeren Gruppen meist von einem Männchen geführt Sozialisation

7 Jahre Erreichen des Erwachsenenalters

Fell

Ständiges am Körpertragen Transport des Nachwuchses

♀ 25 - 50 kg ♂ 35 - 70 kg Gewicht

1,0 - 1,7 m Größe

172.000 - 300.000 geschätzer verbliebener Gesamtbestand

8 Monate Tragezeit

Gen Neu5Gc Neu5Gc kodiert für eine Sialinsäure, die eine Rolle bei Prozessen der Zellkommunikation spielt. Der Mensch hat dieses Gen nicht.

© orkomedix // flickr.com


0 - 10 Monate Stillzeit

> 98,8 %

ca. 1,4 kg

Genetische Übereinstimmung zwischen Schimpanse und Mensch

Gehirngewicht

♀ 55 - 65 kg ♂ 70 - 80 kg Gewicht

ca. 1,7 m

7 Milliarden

Größe

geschätzer Gesamtbestand

16 - 25 Jahre Kinderwagen Tragen am Körper

Erreichen des Erwachsenenalters

Transport des Nachwuchses

110 Jahre maximales Alter

9 Monate Leben in der Familie Ideal der Monogamie abhängig vom Kulturkreis

Tragezeit

kein Fell

Sozialisation

Gen Har1

Gen Foxp2

Har1 sorgt dafür dass unsere Großhirnrinde tief gefaltet ist, und damit viel Platz für die dort sitzenden Zellkörper der Nerven bietet.

Foxp2 gilt als wichtige Voraussetzung für die Sprachfähigkeit. Mutationen des Gens können schwere Sprachstörungen verursachen.

Einer der größten Unterschiede des Menschen ist vermutlich die Fähigkeit, Imaginäres – zum Beispiel Gedanken, mögliche Handlungsvarianten – dem Gegenüber mitzuteilen © Mait Jüriado // flickr.com


Es war an einem der wenigen heißen Tage im Sommer 2010, an dem ich zum ersten Mal mit dem Begriff Modul 23 konfrontiert worden bin. Ich erinnere mich noch gut an die hohen Temperaturen, die an diesem Tag im WaltherStraub Hörsaal herrschten. Trotz der drückenden Schwüle, der man am besten mit einem kühlen Getränk im Schatten begegnet wäre, war der Hörsaal bis auf den letzten Platz besetzt, was ihn in eine Art „350 Mann-Sauna“ verwandelte. Eigentlich wollte ich gar nicht hier sein und ich fing deshalb schon an darüber nachzudenken, dem Hörsaal den Rücken zu kehren und einen letzten Tag der Ruhe vor dem näherkommenden Physikum zu genießen. Es gab sicherlich eine Vielzahl von attraktiveren Möglichkeiten den Tag zu verbringen. Ich schaute mich im Hörsaal um und sah mein Befinden in den von der Hitze geröteten Gesichtern meiner Kommilitonen widergespiegelt. Doch die Veranstaltung, die zu diesem großen Andrang geführt hatte, war keine gewöhnliche universitäre. Nein, heute standen nicht wir, die Studenten, auf dem Prüfstand, sondern die Universitäten. Kurz vor dem Ende des vorklinischen Abschnitts des Medizinstudiums, kurz vor dem so furchteinflößenden Physikum, waren die Universitäten, die TU als auch die LMU, gefordert, um uns Medizinstudenten zu kämpfen. Nach nun fast vier Semestern Vorklinik an der LMU - die TU existierte praktisch nicht in der Vorklinik - standen die Zeichen bei mir eher für einen Wechsel zur TU. Ich wollte das enge Korsett der LMU hinter mir lassen und die größere Freiheit an der TU erleben. Warum war ich also überhaupt

Das Modulsystem der LMU Für alle, die sich noch nicht im klinischen Abschnitt befinden und denen diese Begriffe unbekannt sind, sei hier kurz nochmal eine Erklärung gegeben:

da? Nun, weil ich, wenn ich ehrlich bin, bis auf diese These, die man so im Verlauf des Studiums aufgeschnappt hatte, keine Ahnung über den genauen Ablauf und die Unterschiede des klinischen Abschnitts an der LMU bzw. der TU hatte. Für die Vorstellung der beiden Universitäten nahm ich deshalb die Unannehmlichkeiten gerne in Kauf und folgte mit steigendem Interesse den Präsentationen der einzelnen Universitäten.

Das Modulsystem der LMU Das Modulsystem der LMU hörte sich sehr gut und vielversprechend an, sodass nach den ersten Minuten der Präsentation meine

Was ist neu? Doch was genau ist das Modul 23 und wie unterscheidet es sich von den alten Modulen 2 und 3? Während in den Modulen 2 und 3 die Lehrinhalte unabhängig zunächst aus dem internistischen und anschließend aus dem chirurgischen Blickwinkel betrachtet worden sind und dadurch eine hohe Redundanz entstand, soll nun im neuentwickelten Modul 23 die interdisziplinäre Behandlung des Stoffs erfolgen. Außerdem soll die Pflichtstundenzahl auf ein Minimum gekürzt werden, um so einen

von Philipp Blüm Entscheidung an die TU zu gehen ins Wanken kam. Vielleicht ist das Konzept der LMU doch gar nicht so schlecht?

Modul 23 ?!? Aus diesen Gedanken wurde ich dann jedoch jäh gerissen. Hatte ich da gerade richtig gehört? Modul 23? Modul was?! Doch meine Ohren spielten mir keinen Streich, denn die kleine zierliche Frau, die sich als ein Teil des Organisationsteams dieses Moduls vorstellte, nannte diesen Begriff schon wieder! Und die Idee, die sich hinter dieser Neuerung verbirgt, erschien mir so genial, dass in diesem Moment meine Entscheidung, an welcher der beiden Der klinische Abschnitt an der LMU ist in 6 Module aufgeteilt (Modul 1 – 6), zu denen zusätzlich der L-Kurs angeboten wird. Modul 1 Modul 1 ist das Einstiegssemester in den klinischen Abschnitt, das auf jeden Fall nach dem Physikum belegt werden muss. Hier werden die sogenannten klinischtheoretischen Fächer (Pharmakologie, Mikrobiologie, klinische Chemie, Pathologie, Bildgebung und Humangenetik) behandelt. Bisher: Modul 2 und Modul 3 Darauf folgte bislang mit Modul 2 das „Innere“-Semester und mit Modul 3 das „Chirurgie“-Semester.

22 Synapse

Universitäten ich meinen klinischen Abschnitt des Studiums absolvieren werde, gefallen war.

größeren Freiraum für eigenständiges Arbeiten zu gewähren. Ein weiteres Ziel besteht darin die Prüfungsfrequenz zu erhöhen, um damit einen Prozess des kontinuierlichen Lernens zu etablieren. Dazu sind acht Themenblöcke entwickelt worden, von denen jeweils vier pro Semester durchlaufen werden. Dabei finden aber immer alle acht Blöcke parallel zueinander statt. Innerhalb eines Blockes befinden sich deshalb nur etwa 50 – 60 Studenten, die in dieser Gruppengröße aber nur die Vorlesung zusammen haben. Am Ende eines jeden vierwöchigen Blockes erfolgt dann eine blockspezifische Abschlussklausur und eine mündlich-praktische Prüfung (OSCE). Die Gesamtnoten der einzelnen Prüfungen Modul 4 und Modul 5 Im Modul 4 geht es um das Nervensystem und Sensorium (Augenheilkunde, Dermatologie, HNO, Neurologie, Psychiatrie und Pharmakologie), während im Modul 5 die Spezialdisziplinen der Pädiatrie, der Gynäkologie, Allgemeinmedizin und Geriatrie behandelt werden. Modul 6 Das Modul 6 ist schließlich das sogenannte „Projektsemester“, das man ausschließlich für wissenschaftliches Arbeiten bzw. ein Auslandsstudium nutzen kann.

www.synapse-redaktion.de


fließen schließlich in die jeweiligen Leistungsnachweise ein.

The usual ... with a twist Der Unterricht setzt sich im Allgemeinen aus Vorlesung, Seminaren, Tutorials und BedsideTeachings zusammen und wird sowohl von Chirurgen, als auch Internisten gehalten. D.h., dass man z.B. zu einem bestimmten Krankheitsbild zunächst eine internistische Vorlesung hat und anschließend ein Vertreter der Chirurgie einen

Vo r t r a g über die Möglichkeiten der chirurgischen Intervention hält. Daraufhin folgen Seminare, in denen mit einer Gruppenstärke von etwa 20 Personen bestimmte Aspekte der Vorlesung vertieft werden bzw. weitere Themen, die in der Vorlesung nicht behandelt werden konnten, besprochen werden. In den Tutorials, mit einer Gruppengröße von max. 10-12 Studenten, werden im Sinne des problemorientierten Lernens (POL) klinische Fallbeispiele durchgesprochen. Dabei sollen die Studenten selbstständig die Fälle bearbeiten. Die anwesenden Ärzte sind mehr oder weniger Beobachter, die nur dann eingreifen sollten, wenn die Bearbeitung der Fälle fehlerhaft werden sollte. Probleme und Fragen, die während der Bearbeitung auftreten, sollen dann von einzelnen Studenten recherchiert und in der nächsten Stunde als Kurzreferat präsentiert werden. So soll das Lernen an den Wissensstand der Gruppenmitglieder angepasst und speziell die Bereiche mit noch vorhandenen Wissenslücken erkannt werden. Die regelmäßig stattfindenden „Bedside – Teachings“ sind eine gute Möglichkeit das in den anderen Veranstaltungen erlernte Wissen direkt am Patienten anzuwenden. In Kleinwww.synapse-redaktion.de

gruppen von 4-6 Studenten, die dann auf Station meist nochmals in Zweiergruppen aufgeteilt werden, können die Studenten eine Anamnese und körperliche Untersuchung durchführen. Dies ist im Sinne des „klinischen Blicks“ sehr wichtig. Ein Krankheitsbild, das man mit eigenen Augen gesehen hat, merkt man sich leichter. Ebenso ist es mit speziellen Untersuchungsmethoden, die man am Patienten anwenden kann. Die untersuchten Patienten werden anschließend einem Stationsarzt vorgestellt. Häufig erhält man auch eine Einsicht in die Akte des Patienten. Die betreuenden Ärzte sollen den Studenten weiterhin Tipps und Hilfestellungen geben und stehen für Fragen jeder Art und Weise zur Verfügung. Dies ist denke ich, zumindest in der Theorie, eine tolle Unterrichtsform, die jedem sehr viel weiterhelfen kann. Der Stoff, der im Modul 23 behandelt wird, ist natürlich mit dem ursprünglichen Stoff aus Modul 2 und 3 vergleichbar. Auch die Unterrichtsformen, wie die Vorlesungen, Seminare, Tutorials und BedsideTeachings existierten auch schon früher. Dennoch wurde uns mitgeteilt, dass die meisten Vorlesungen, Seminare und Tutorials an die Bedürfnisse des Modul 23 angepasst worden sind. Zusammenfassend kann man demnach sagen, dass die größten Neuerungen in der Entwicklung der acht Themenblöcke, der dazugehörigen Kleingruppen, der interdisziplinären Behandlung des Lernstoffs und der erhöhten Prüfungsfrequenz liegen. Diese Veränderungen sind meiner Meinung nach positiv und haben den klinischen Abschnitt an der LMU enorm aufgewertet. Durch das regelmäßige, kontinuierliche Lernen, durch die Fokussierung auf ein überschaubares Themengebiet und die interdisziplinäre Betrachtung eines Organsystems kann ein umfassendes Verständnis für die Thematik und die Problematik in der modernen Medizin erreicht werden.

Das erste Mal Dass wir aber die ersten sein sollten, die dieses Konzept durchlaufen, führte schon am Tag der Vorstellung zu einer gewissen Besorgtheit und Unsicherheit. Ist denn das System überhaupt gut durchdacht? Es wird sicherlich Startschwierigkeiten geben. Sollen wir die ausbaden? Wie genau werden die Prüfungen

aussehen? Müssen alle Teilprüfungen einzeln bestanden werden oder zählt das Gesamtergebnis? Helfen mir denn da überhaupt die Altklausuren oder muss ich wirklich den gesamten Stoff selbst lernen? Diese und noch viele weitere Fragen bewegten schon am ersten Tag viele und für einige waren sie sicher ein Grund nicht an die LMU zu gehen. Denn längere Zeiten der Entspannung und Urlaubstrips lässt dieses System natürlich während des Semesters nicht zu. Andere wiederum entschieden sich aber gerade deshalb für die LMU, da sie der Meinung waren dadurch großen Abschlussklausuren am Semesterende zu entgehen. Das Konzept hat also sowohl Vor- als auch Nachteile und viele der Fragen konnten und können teilweise bis heute nicht vollständig beantwortet werden.

Sonderfälle gibt es immer Ein großes Problem, das folgt wenn ein altes System beendet wird und ein neues folgt, entsteht dann, wenn es sogenannte Sonderfälle gibt. Wie bereits gesagt, folgt an der LMU auf den vorklinischen Abschnitt immer und ohne Ausnahme das Modul 1. Wenn also Studenten erst im Sommersemester in den klinischen Abschnitt kommen, müssen diese zunächst das Modul 1 wählen und dann im kommenden Winter in das Modul 3 bzw. Modul 2 wechseln. Dadurch und durch andere Gründe kam es zu

Die Themenblöcke Die acht Themenblöcke sind im Einzelnen der AINS-Block  (Anästhesie, Intensiv-, Schmerztherapie)

Notfallmedizin

und

der Organblock Blut und Immunologie das endokrinologische System das gastrointestinale System das kardiovaskuläre System der Organblock muskuloskelettales System das nephrourogenitale System und das respiratorische System. Zusätzlich, bestimmten Blöcken zugeordnet, finden auch die Trauma- und Rheumawoche, sowie das Blockpraktikum „Innere Medizin“ und das Blockpraktikum „Chirurgie“ statt. Blockübergreifender Unterricht Freitags wird außerdem sogenannter „blockübergreifender Unterricht“ angeboten. Dazu zählen die sogenannten interdisziplinären Vorlesungen, die primär nicht prüfungsrelevant sind, aber auch Veranstaltungen, deren Inhalt in besonderen Prüfungen abgefragt wird. Dies sind die klinisch-pathologische Konferenz und die klinisch-pharmakologische Konferenz. Der dort behandelte Stoff hat primär überhaupt nichts mit dem eigentlichen Stoff des Blockes zu tun, wird aber im Falle der Pathologie durch drei Fragen in jeder Blockklausur und im Falle der Pharmakologie durch zwei Prüfungen à 5 Fragen pro Semester abgeprüft. Diese dort gesammelten Punkte sind schließlich für die Abschlussklausuren in Modul 4 und 5 von großer Bedeutung.

Synapse 23


der Situation, dass Studenten bereits entweder Modul 2 oder Modul 3 abgeschlossen hatten, aber noch ein Semester Modul 2 oder 3 ausstand. Diese Leute nennt man „Übergangsstudenten“ und dieser Begriff wird für viele Leute, sowohl für die Modul 23-Studenten, als auch für die Mitarbeiter an der Universität, zum Unwort des Jahres werden. Ich habe jetzt noch ein Bild vor meinen Augen: Der Aufschrei, der plötzlich aus den hinteren Reihen des Hörsaals aufkam und die Gesichter empörter Studenten, die schon damals auf die kommenden Probleme hinwiesen. Dies wurde meines Erachtens aus der heutigen Erfahrung her nicht ernst genug genommen. Irgendwann war dann die Präsentation und die Werbekampagne der Universitäten vorbei und die mittlerweile durchgeschwitzten Studenten in den warmen Sommertag entlassen. Für einige war die Veranstaltung ein Erfolg, wussten sie doch jetzt für welche der beiden Universitäten sie sich entscheiden werden. Andere waren nach der Vorstellung eher unentschieden und so manche sicher geglaubte Entscheidung geriet ins Wanken. Doch viel Zeit zum Nachdenken blieb nicht. Das Physikum näherte sich rasend schnell. Und genauso schnell war es dann auch vorbei und für diejenigen, die wie ich sich für die LMU entschieden hatten, folgte im Winter zunächst das Modul 1 und die Gewissheit, dass das Lernpensum in der Klinik keinesfalls kleiner wird. Ganz im Gegenteil! Das Modul 1 toppt wahrscheinlich jedes Semester. Dennoch ging auch dieses irgendwann vorbei und im Mai 2011 folgte schließlich das Modul 23.

Mein Modul 23 Ich war im Sommersemester 2011 in die Themenblöcke endokrines System (ENDO), gastrointestinales System (GASTRO), Anästhesie, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie (AINS), sowie in das kardiovaskuläres System (KARDIO) eingeteilt. Die Vorfreude auf Modul 23 war groß, da nach nun fast 2 ½ Jahren Studium die klinische Medizin im Vordergrund stand. Der Beginn des Modul 23 war auch sehr vielversprechend. Der ENDO-Block war dafür, dass er nun zum ersten Mal durchlaufen wurde, gut organisiert. Die 90-minütigen Vorlesungen fanden nachmittags ab 12:15 Uhr statt, sodass man den Morgen zur freien Verfügung hatte. Montags und dienstags waren

die Internisten an der Reihe. Donnerstags hielten die Chirurgen ihre Vorlesungen. Der Stoff, der in diesen Stunden vermittelt wurde war umfangreich, aber dennoch gut zu bewältigen. Montags und dienstags gab es dann zusätzlich noch Seminare. Auch diese waren, etwas abhängig vom Dozenten, gut und vertieften den Stoff der Vorlesung bzw. sprachen weitere Themen an. Die Tutorials waren für den Dienstag und Donnerstag angesetzt. Dabei wurden wir dienstags von einem Internisten und donnerstags von einem Chirurgen betreut. Die Arbeit in den Kleingruppen entsprach vom Konzept auch den Erwartungen und war sicherlich im Sinne des problemorientierten Lernens erfolgreich. Leider war aber gerade diese Veranstaltung sehr von der Motivation und dem Enthusiasmus der betreuenden Ärzte abhängig. So gab es wirklich tolle Tutorials, in denen die Stimmung super war, der Lernerfolg stimmte und die Zeit schnell vorbei ging. Andere dagegen wurden von Ärzten betreut, die offensichtlich nicht allzu große Lust hatten und diese Stimmung auf die Gruppe übertrugen.

Übergangsstudent oder Überflieger? Ein weiteres Problem, das hier zum Tragen kam, zeigte sich in der Ähnlichkeit der Tutorials zu denen des Modul 2 bzw. 3. Denn für viele Übergangsstudenten waren die Fälle bekannt, sodass diese häufig so schnell die Aufgabenstellungen bearbeiten konnten, dass für viele neue Modul 23-Studenten keine Zeit zum Nachdenken blieb und damit der eigentliche Sinn, nämlich das Erkennen der eigenen Wissensgrenzen, häufig nicht erfüllt wurde. Auch die Tatsache, dass ein Tutorial, das normalerweise aus 10-12 Teilnehmern bestehen sollte, plötzlich mit bis zu 20 Teilnehmern die Kapazitäten der Räume sprengte und der gewollte Kleingruppenunterricht dadurch ad absurdum geführt wurde, zeigte die fehlende Berücksichtigung der etwa 150 Übergangsstudenten in diesem Lehrkonzept. Ich erinnerte mich wieder an den Tag der universitären Werbekampagne und die schon damals geäußerten Bedenken, die nicht ernst genommen worden sind. Ob hier, mit der Gewissheit, dass es sich um einen einmaligen Zustand handelte, einfach auf Zeit gespielt

worden ist und deshalb keine adäquaten Vorkehrungen getroffen worden waren? Dies ist kein Versäumnis des ENDO-Blocks, sondern der gesamten Modul 23-Organisation und war in allen Blöcken gegenwärtig. Ein weiterer Mangel, der auch schon im ENDO-Block aufgefallen war, war die für viele unzureichende Aufklärung über den genauen Ablauf der Klausuren und OSCEs. Viele Fragen blieben lange Zeit ungeklärt und konnten bzw. wollten vielleicht auch nicht von Dozenten geklärt werden. Besonders die Hinführung zu unseren ersten mündlich-praktischen Prüfungen in unserem Studium hätte besser durchgeführt werden können. Einen Katalog an Fertigkeiten, der für jeden Block relevant ist wäre wünschenswert. So könnten die Studenten sich gut auf eine solche Prüfung vorbereiten und das, was für das Arztsein wichtig ist, erlernen. Dies hatte der AINS-Block z.B. in vorbildlicher Weise hinbekommen.

Klausur fair, OSCE ... naja Ansonsten verlief der erste ENDO-Block aber gut. Die abschließende Klausur war denke ich größtenteils fair. Das OSCE dafür eher problematisch. Während in der internistisches Station eine Schilddrüsenuntersuchung bei Verdacht auf Morbus Basedow durchgeführt werden sollte und dort ein Arzt die Prüfung leitete, wurde in der chirurgischen Station ein Aufklärungsgespräch über eine kardiovaskuläre Interventionsmethode an einem standardisierten Patienten verlangt. Das Thema Angiographie bzw. PTA (perkutane transluminale Angioplastie) hat aber, nicht nur nach meinem Empfinden, relativ wenig mit Endokrinologie gemeinsam, bis auf die Gegebenheit, dass ein endokrinologischer Patient, der Diabetiker, häufig eine Mediasklerose entwickelt und deshalb gegebenenfalls eine PTA braucht. Wenn aber ein solches Verfahren noch nicht unterrichtet worden ist und es darüber hinaus Thema eines anderen Blockes, nämlich des KARDIO-Blocks ist, ist es unfair ein Aufklärungsgespräch über die Komplikationen dieser Technik zu verlangen. Außerdem denke ich, dass eine universitäre Prüfung nur von einem Wissenschaftler an der Universität, in diesem Fall von einem Arzt, abgenommen werden sollte. Es kann nicht sein, dass der Stu-

QuickFact Die geschätzte Länge aller Axone im menschlichen Gehirn beträgt etwa 500.000 Kilometer. Zum Vergleich: Die Entfernung zwischen Erde und Mond ist ca. 380.000 km

Bild: egonpin // openclipart.org

24 Synapse

www.synapse-redaktion.de


Die Fachschaft ist für alle da! Warum Fachschaft? Weil das Studentenleben ohne Fachschaft nur halb so spannend wäre! Wir sind für Dich da, wenn es rund ums Studium geht – ESI-Einführung, Skriptenverkauf, Ansprechpartner bei Problemen – aber auch wenn Du nach einer anstrengenden Klausur einfach nur abschalten möchtest ... auf einer unserer legendären Medizinerpartys. Last but not least steckt natürlich auch die Fachschaft (mittlerweile beider Unis!) hinter Deiner Synapse. (Es war in der Tat eine dieser Mediziner-Partys die Euren geliebten Chef-Redakteur zum besten

Studium der Welt gebracht hat, aber ich schweife ab ...) Die Skripten verkaufen sich natürlich nicht von alleine, aber auch die Partys organisieren sich nicht von alleine. Grund genug für Dich, uns mit tatkräftiger Unterstützung zur Seite zu stehen! Und eines Tages, wenn Dich jemand fragt: was hast Du aus Deinem Leben gemacht? Kannst du stolz sagen: ich war bei der Fachschaft, und es war die beste Zeit meines Lebens!. http://www.fachschaft-medizin.de http://med.fs.tum.de/

© Marcos Santos // sxc.hu

dent der Willkür eines standardisierten Patienten ausgesetzt ist.

Keine Einsicht und keine Musterlösungen Obwohl nach den ersten Prüflingen die Aufgabenstellung und die Zeitproblematik der Prüfung bekannt war und viele sich nochmals speziell vorbereiteten, waren die veröffentlichten Ergebnisse im Vergleich zu den Ergebnissen der internistischen Station und der Klausur deutlich schlechter. Bedauerlicherweise hatten wir bis zum heutigen Zeitpunkt (Stand 08.09.2011) keine Gelegenheit der Einsichtnahme. Weder im Fall der Klausuren, noch im Fall der OSCEs sind bis heute Musterlösungen veröffentlicht worden. Wie soll der Student die Benotung nachvollziehen können? Wie soll er sich verbessern, wenn er nicht weiß, was er falsch gemacht hat?

an die zuständigen Personen blieben leider wirkungslos. Der AINS-Block stellt hier eine Ausnahme dar. Er war nicht nur gut organisiert, sondern darüber hinaus auch ebenso gut durchgeführt. Hier waren auch die Themen der OSCEs bekannt, sodass die Studenten sich gut auf die Prüfung vorbereiten konnten. Der KARDIO-Block war im Großen und Ganzen auch in Ordnung. Ein Dozent äußerte sich aber verärgert über die neue Situation in Modul 23. Er müsse nun pro Semester viermal die gleiche Vorlesung halten, was seiner Meinung nach ein großer Dozentenverschleiß sei. Von etwa 50 Leuten in einem Block erschienen in der Regel auch nicht viel mehr als 20 – 30, sodass er aufgrund der geringen Anzahl an Studenten, die in der Vorlesung waren, keine große Lust mehr auf Unterricht hatte. Er kam dann auch die nächsten Vorlesungen nicht mehr, sodass diese von seinem Assistenten gehalten worden sind.

In diese Problematik spielt auch die lange Wartezeit auf die Bekanntgabe der Ergebnisse hinein. Bis heute fehlen die OSCE-Ergebnisse Ein Vorschlag der beiden letzten Blöcke, sowie die Klausurergebnisse von beiden Pharmaklausuren und des Ein Vorschlag von mir für die Pathologie bzw. letzten Blockes! Die erste Pharmaklausur liegt Pharmakologie: es würde Sinn machen pathomittlerweile schon mehr als 10 Wochen zu- logische und pharmakologische Fragen zu den rück. Dies fördert die Zufriedenheit unter den jeweiligen Blöcken zustellen und entsprechenStudenten sicherlich nicht. Auch der Unter- de Unterrichtsveranstaltungen anzubieten. richtsausfall, der teilweise sehr hoch war, verärgerte viele. Man kann es ja verstehen, dass Leider sind die pathologischen Fragen moaufgrund von „Notfällen“ ein Dozent mal nicht mentan noch sehr speziell und können mit erscheinen kann. Leider erdem Begriff „Allgemeinwisfolgte selten eine Entschulsen“ nicht immer in Verbindigung oder Information und Die pathologischen Fragen dung gebracht werden. Ohne Ansprechpartner, wie z.B. die Vorlesung sind sie häufig Blockverantwortliche waren lassen sich mit dem Begriff nicht zu beantworten. Zuhäufig nicht erreichbar. „Allgemeinwissen" nicht immer sätzlich aber zum eigentlichen Stoff des Organblocks in Verbindung bringen Im GASTRO-Block sind aus anderen Themenbereiz.B. leider einige chirurgische chen exotische Tumormarker Vorlesungen ausgefallen. Da die Chirurgie be- oder ähnliches auswendig zu lernen, erscheint zogen auf die Anzahl der Fragen in der Lehre mir nicht so sinnvoll. Dagegen wäre eine pasowieso etwas zu kurz kommt, verschärfte dies thologische Betrachtung der blockspezifischen die Situation. Viele E-Mails von Kommilitonen Krankheiten durchaus interessant. In Pharmawww.synapse-redaktion.de

kologie werden zwar Fragen zu den letzten beiden Themenblöcken gestellt, spezielle Lehrveranstaltungen aber nicht immer angeboten.

Mein Fazit Ich habe bewusst die Probleme im Modul 23 hervorgehoben - es ist nur verständlich dass im ersten Jahr nicht alles klappt - vieles hat aber auch bereits gut funktioniert. Die ursprünglichen Ziele des Modul 23 sind größtenteils aufgegangen: Man hat ausreichend freie Zeit sich mit dem jeweiligen Thema auseinander zu setzten. Die Vorlesungen sind von hoher Qualität und die Seminare ergänzen die Inhalte der Vorlesung gut. Besonders der Kleingruppenunterricht in Tutorial und Bedside-Teaching ist super. Das Wissen, das hier vermittelt wird, ist wirklich essentiell. Ich möchte hier mich auch bei all den Dozenten bedanken, die mit vollem Enthusiasmus ihr Wissen in toller Art und Weise weitergeben und auch die Organisatoren loben, die viel Zeit und Mühe in die Entwicklung des Unterrichts gesteckt haben. Es ist immer leicht zu kritisieren und Schwachstellen aufzuzeigen. Entscheidend ist es aber, dass man nicht nur über die Schwächen redet, sondern sich hinsetzt, diese analysiert und schließlich beseitigt. Ich denke, dass deshalb die Mitarbeit von Studenten in den Organisationsteams von großer Bedeutung ist. Ich selbst versuche zusammen mit anderen z.B. im ENDO-Block mitzuarbeiten und diesen zu verbessern. Wenn auch ihr Lust habt mitzuhelfen, so kann ich euch nur dazu ermutigen, mal bei einer Fachschaftssitzung vorbeizukommen und euch in einen Organblock einzubringen. Dadurch wird ein jetzt schon tolles Projekt noch besser. Modul 23 ist ein super Sache! Es wird sich für jeden positiv auf seine ärztliche Zukunft auswirken.

Synapse 25


Heroin ist lipophil, gelangt rasch ins Gehirn, daher kommt es bei i.v.-Gabe zu einem initialen „Kick". Es wird im Körper fast sofort zu 6-MAM deacetyliert, das wiederum am μ-Opioidrezeptor wirkt. Es wirkt stark euphorisierend und analgetisch. Es hat eine dämpfende und fokussierende Wirkung auf die Bewußtseinswahrnehmungen, viele Sorgen werden einem gleichgültig. Nebenwirkungen sind u.a. Mundtrockenheit, Atemdepression, Übelkeit und Verstopfung. Interessanterweise sind die μ2-Rezeptoren im GI-Trakt gar keiner Toleranzentwicklung unterworfen, so dass die Verstopfung bestehen bleibt. Es ist also durchaus nicht selbst-

fälle aufgetreten, die gesundheitliche und soziale Situation der Patienten hat sich aber singnifikant gebessert. Seit dem Mai 2009 ist Heroin für die Substitution Schwerstsüchtiger daher wieder zugelassen worden. Großbritannien bleibt aber momentan das einzige Land der Welt, in dem Ärzte Süchtigen Heroin auf Re Heroin zept ausstellen können.

Bei einem Süchtigen wirkt Heroin etwa 6 - 8 Stunden, wonach die Entzugserscheinungen wieder einsetzen. Die Menge muss aufgrund der Toleranzentwicklung ständig gesteigert werden, so dass die meisten auf i.v.-Konsum umsteigen. Für den i.v. - Konsum muss Heroin „aufgekocht werden“, d.h. es wird durch Erhitzen mit bspw. Ascorbinsäure ein wasserlösliches Heroinsalz gebildet.

Der Konsum von reinen Opioiden generell führt zu keinen Organschädigungen, auch bei Langzeitgebrauch. Die 20 - 50 fach erhöhte Sterblichkeit lässt sich hauptsächlich auf den sozialen Abstieg, das Leben in der Drogenszene, und indirekte Gesundheitsschäden zurückführen. Beim sogenannten „goldenen Schuß“ sind meistens andere Substanzen mit im Spiel, bspw. Alkohol oder Benzodiazepine. Bei einer in Deutschland durchgeführten Studie sind bei einer Substitution mit Heroin im Vergleich zu Methadon zwar mehr Zwischen-

tatica // openclipart.org

Die ersten Kokainsträuche kamen bereits 1750 aus Südamerika nach Europa. Eineinhalb Jahrhunderte darauf, im Jahr 1898, beschrieb der spätere Nobelpreisträger Richard Willstätter wähKokain rend seiner Doktorarbiet an der Universität München erstmalig die Molekularstruktur von Kokain. Es wurde ab 1879 verwendet, um Morphinabhängigkeit zu behandeln. Es wirkt schmerzstillend, und wurde daher in Deutschland auch als das erste Lokalanästhetikum überhaupt benutzt. Sigmund Freud beschrieb die Wirkung des Kokains als „anhaltende Euphorie die sich von der normalen Euphorie des gesunden Menschen in gar nichts unterscheidet.“ Er erwähnt eine Zunahme der Selbstbeherrschung, Lebenskraft und Arbeitsfähigkeit, jedoch keine Steigerung der geistigen Kräfte (wie etwa durch Alkohol, Tee oder Kaffee). Ein Liter Coca Cola (Name!) enthielt bis 1906 rund 250 Milligram Kokain, heute sind nur noch 100 mg Koffein darin enthalten. Wie bei Kokain auch kommt es zu einer schnellen Toleranzentwicklung, und vor allem starken Depressionen nach der anfänglichen

26 Synapse

Euphorie, die die Konsumenten schnell wieder zur Droge greifen lässt. Pharmakologisch gesehen ist Kokain ein Wiederaufnahmehemmer an Dopamin-, Noradrenalin- und Serotonin-Nervenzellen. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Signalaufkommen an den postsynaptischen Rezeptoren. Die Nebenwirkungen bei zu hoher Dosierung folgen zwanglos daraus: Nervosität, Angstzustände und paranoide Stimmungen. Bei Langzeitabhängigen von Kokain fallen die Zähne aus, und es kommt u.a. zu Charakterveränderungen und chronischem Dermatozoenwahn (der Wahnvorstellung dass sich Lebewesen unter der Haut befinden und bewegen). Personen mit unentdeckten, an sich harmlosen Herzfehlern können bereits nach einmaligem Kokainkonsum sterben. Kokain Kokain wird, wie Heroin, intranasal oder intravenös konsumiert. Manchmal sogar in einer gefährlichen Kombination entgegengesetzer Wirkungen namens „SpeedBall“ zusammen mit Heroin. Cocapaste und Crack (Kokainsalz das mit Natron vermischt und erhitzt wurde) werden geraucht.

Yoko Ono und John Lennon haben Heroin konsumiert, jedoch nie gespritzt (das Paar hatte Angst vor Nadeln). Yoko Ono sagte dass sie von einem gierigen Drogendealer vor starker Sucht bewahrt wurden – dieser hatte das Heroin mit Babypuder verdünnt.

Dieser Artikel ist ein Andenken an meinen Freund Korbi, der sich im Frühjahr dieses Ja r Neuentwicklungen an einer Maus zu testen ... Wenn das Leben anders gelaufen wäre, wärst du noch hier ... RIP Korbi.

rastrojo // openclipart.org

In den USA früh wegen politischen Gründen verboten (da die chinesischen Einwanderer oft Opium rauchten und später auch Heroin konsumierten), kam das Verbot in Deutschland erst 1971.

verständlich, dass es Toleranzentwicklung im Gehirn gibt!

In einem Wald sitzt ein Affe und setzt sich gerade eine Spritze an,

als plötzlich ein Hase des Weges kommt und zum Affen meint: „Scheiss Drogen, Drogen sind scheisse. Komm wir gehen joggen!“ Der Affe packt sein Zeug widerwillig weg und joggt mit.

Nach einer Weile kommen sie zu einem Bären, der sich gerade eine hübsche „weisse Strasse“ reinziehen will. Doch bevor der Bär auch nur ein bisschen was erwischt, meint der Hase wieder: „Scheiss Drogen. Drogen sind scheisse. Komm, geh mit uns joggen!“

Also packt auch der Bär zusam-

chende neue Ideen auf dem Gebiet der Opioide beraubt. Wir standen kurz davor, eine seine

Heroin ist ein Opioid mit einem sehr hohen Abhängigkeitspotential. Es wurde ab 1898 von Bayer u.a. als „nicht Heroin süchtigmachendes Medikament" gegen die Entzugssymptome des Morphins und Opiums vermarktet.

Crack ist die Droge mit dem höchsten psychischen Abhängigkeitspotenzial (gefolgt von Nikotin und Heroin) – seine Wirkung ist viel stärker und schneller als andere Kokain-Konsumformen. Genauso schnell verfliegt sie auch wieder, und die Depression setzt ein, so dass ein „Stein“ dem anderen folgt. Manche mit Methadon substituierte Heroinabhängige holen sich mittels Kokain den Kick, der ihnen beim Methadon fehlt. Das stellt für die Therapie eine große Hürde dar, weil die Ablösung vom alten Umfeld stark erschwert wird. Nach Schätzungen liegt der Jahresverbrauch von Kokain in Deutschland bei 20 Tonnen. Zum Vergleich: es werden in Deutschland pro Jahr ca. 62 Tonnen Gewürze verbraucht.

www.synapse-redaktion.de


Um mit Marihuana high zu werden braucht man allerdings die richtige Technik: es wird ein tiefer Zug genommen, und die Luft wird lange gehalten. (Mir wird jetzt so einiges klar). Der Genuß der Wirkungen – d.h. veränderter Wahrnehmung und veränderter Denkprozesse – von Cannabis scheint eine Lernerfahrung zu sein, in etwa wie Kaffee oder Bier – welche Kinder mögen schon von Geburt an schwarzen Kaffee?

men und joggt nicht ganz freiwillig mit.

von Maximilian Batz

Kurz darauf begegnen sie einem Löwen, der sich gerade in aller Ruhe einen Joint dreht.

Doch der Hase meint wieder: „Scheiss Drogen. Drogen sind scheisse. Komm mit!“ Der Löwe dreht sich den Joint fertig, zündet ihn an und haut dem Hasen so eine runter, dass der quer durch die Gegend fliegt. Der Affe und der Bär ganz verdutzt: „Wieso hast Du das jetzt gemacht?" Darauf der Löwe: „Mir reicht's. Immer wenn der Hase auf Ecstasy ist, müssen wir joggen!“

ein sehr besonderer Mensch. Man konnte sich stundenlang mit ihm unterhalten ... vor allem über das Thema Frauen. Das war

ahres das Leben genommen hat ... er war auf chemischem Gebiet ein Genie, und auch sonst

es, was ihn am Ende verzweifeln ließ. Und die Welt wurde ganz bestimmt um einige bahnbr

(RS)-1-(benzo[d][1,3]dioxol-5-yl)-N-methylpropan-2-amine oder einfach MDMA ist die Hauptkomponente in den kleinen bunten Pillen auf den Raver-Partys: Ecstasy. MDMA wird durch Monoamin-Transporter (MATs) in die Neuronen aufgenommen. Dort hemmt es einerseits vesikuläre MonnoaminTransporter (VMAT), so dass es zu einem Konzentrationsanstieg von Seretonin, Noradrenalin und Dopamin im Zytoplasma kommt, andererseits stimuliert es ihre Freisetzung aus dem Neuron, indem es die Transportrichtung der MATs umdreht. Die Freisetzung von Dopamin aktiviert die Belohnungszentren im Nucleus accumbens. Das freigesetzte Serotonin setzt über weitere Systeme Oxytocin frei. Oxytocin wird bei der Geburt, beim Stillen und auch beim Orgasmus freigesetzt - es vermittelt Liebe, Nähe und Vertrauen, und spielt eine wichtige Rolle bei menschlichen Bindungen. www.synapse-redaktion.de

Akute Nebenwirkungen des High-Seins sind u.a. Lach-Flashes, Tachykardie und Heißhunger. Das Gehirn entwickelt eine Toleranz für THC, es kann auch zu milden Entzugserscheinungen kommen, die aber nur kurz andauern. Langfristig kann es dennoch zu Nebenwirkungen kommen. Cannabis kann in einer komplexen Konstellation mit anderen Faktoren Psychosen oder Schizophrenie auslösen. Eine Metastudie in 2011 stellte bspw. fest, dass bei Jugendlichen mit psychotischen Erkrankungen diese bei THC Konsum durchschnittlich um 2,7 Jahre früher einsetzte. Die Effekte auf das Erinnerungsvermögen schei-

massimo // openclipart.org

Die Wirkung lässt sich hauptsächlich auf das Δ9 Tetrahydrocannabinol, kurz THC zurückführen. Es wirkt an den Rezeptoren CB1 und CB2, die zum körpereigenen Endocannabinoid-System gehören. 1992 konnten Forscher aus Schweinehirnen die erste Körpereigene Substanz die an CB1 bindet isolieren: Anandamid (Ananda: Glückseligkeit in Sanskrit). CB2 - Rezeptoren kommen hauptsächlich in Immunzellen vor, und sind an der Zytokinausschüttung beteiligt, während die CB1 – überwiegend auf Nervenzellen vorhanden – die psychotropen Wirkungen von Haschisch vermittelt.

nen komplexer zu sein als nur eine Verschlechterung, in manchen Fällen kommt es sogar zu einer Verbesserung. Medizinisch wurde Hanf bereits seit Jahrtausenden auf vielfältigste Weise eingesetzt:

Cannabis

Es hilft gegen Schmerzen, Spastiken (bspw. bei Multipler Sklerose), Arthritis, Depression, Übelkeit, Erbrechen und Anorexie. Es ist deswegen besonders interessant als symptomatische Medikation der Nebenwirkungen bei Chemo- und Strahlentherapie und der HIV-Medikation, sowie in der palliativen Therapie. In 2005 und 2010 durchgeführten Studien an Mäusen konnte außerdem ein positiver Effekt auf chronische Arteriosklerose demonstriert werden, wobei die THC Dosis niedrig genug war um keine psychotropen Wirkungen bei den Mäusen auszulösen. In Deutschland ist Cannabis seit dem Mai dieses Jahres (2011) zur Herstellung von Arzneimitteln verkehrsfähig, und cannabishaltige Fertigarzneimittel sind verschreibungsfähig. Der Einsatz von THC ist ein spannendes und vielversprechendes Gebiet innerhalb der Medizin, das frei von Vorurteilen erfolgen sollte – zum Wohle unserer Patienten.

THC 

"Friendly rabbit": danko // openclipart.org

Zusätlich bewirkt MDMA milde psychedelische Effekte - Farben, Formen, Töne werden klarer und schärfer wahrgenommen, Berührungen sind angenehmer. Es besteht ein erhöhter Drang mit anderen zu kommunizieren, und sich zu bewegen. Einige buddhistische Mönche nutzen kleine Mengen von MDMA als sogenanntes Entheogen, d.h. eine psychoaktive Substanz die tiefe religiöse Erfahrungen begünstigt oder gar erst ermöglicht. Das war früher MDMAs hauptsächliche Anwendung: im therapeutischen Setting. Einige Psychotherapeuten behaupten dass der Effekt von nur zwei Stunden MDMA einem Jahr Therapie ähnelt.

Raver kennen das Problem und improvisieren aus bspw. Leuchtstäben Aufbissschienen.

MDMA

David Nutt, ehemals Vorsitzender des Beirats für Drogenmißbrauch im Vereinigten Königreich (UK) vergleicht das Risiko MDMA zu nehmen mit Pferde-Reiten: Ecstasy-Gebrauch führe in der UK zu dreißig Todesfällen pro Jahr, Reiten zu zehn Todesfällen. Allerdings komme ein „schwerer körperlicher Schaden“ auf 10 000 Ecstasy-Einnahmen, während beim Reiten 1 schwerer Schaden auf 350 Ausritte kommt. Auch die Presse berichtet unausgeglichen – jeder Tod nach Ecstasy-Konsum wird berichtet, aber nur einer pro 250 Tode aufgrund von Paracetamol kommt in die Schlagzeilen.

Nebenwirkungen sind gedrückte Stimmung, erhöhte Ängstlichkeit und Stress bis Erfahrene Benutzer sagen, dass MDMA zwar zu einige Tage nach der Einnahme. Akut wirkt MDMA entwässernd eine „Liebesdroge“, aber keine „Sexdroge“ ist. und temperaturstei- Unter dem Einfluß von MDMA hat man(n) gernd, Es können Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen Temperaturen von und zum Orgasmus zu kommen. Aber dafür 40 bis 42° erreicht werden, da- gibt es ja Sextasy (MDMA mit Viagra)! MDMA durch kann es im schlimmsten Fall zu Bonus: Thema Drogen Multiorganversagen und Tod führen. Eine weniger bedrohhttp://www.synapse-redaktion.de/56-drogen liche Nebenwirkung ist das Zähneknirschen. Erfahrene Bonus

Cannabis ist in der Bundesrepublik die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Meistens wird es als Joint geraucht, oder in Form verschiedener Lebensmittel gegessen („Space- Cookies“). Im letzteren Fall ist der Eintritt der Wirkung um bis zu zwei Stunden verzögert.

Synapse 27


„Warum?“, so könnte man fragen. Ebenso gut auch: „Wie?“ Was treibt einen frischgebackenen Physikumsabsolventen denn eigentlich dazu, sich ernsthaft an das Saxophonspiel zu machen, fast ohne über die geringste musikalische Expertise zu verfügen?

liftarn /

/ ope

nclip art. org

Ich will versuchen, in der nächsten Ausgabe der Synapse einen kaleidoskopischen Überblick über M e n schen zu geben, d i e aus

Selbst visuelle und gar gustatorische Komponenten können beteiligt sein. Bereits intuitiv neigen wir dazu, Klänge als süß oder Töne als dunkel zu beschreiben. Nur wenige Menschen koppeln diese Sinneseindrücke allerdings so real, das man von Synästhesie sprechen kann. So zeigt die professionelle Flötistin E.S. auf Darbietung eines induzierenden musikalischen Intervalls hin eine konkurrierende Geschmacksempfindung, die ihr hilft, Intervalle sicher und schnell zu

identifizieren. Beispielsw e i s e schmecken ihr die konsonaten Intervalle einer Quinte wie reines Wasser und

lektionsvorteil hat Musik uns eröffnet? Zunächst scheint es generell sinnvoll, ein Gehör ausgebildet zu haben, um akustische Elemente der Umwelt zu erfassen. Mag nun ein Musikstück an das Brüllen eines Löwen, das Plätschern eines Bächleins oder das Zwitschern eines Vogels erinnern, so kann man erahnen, warum Musik zuweilen so sehr unsere Gefühle erregt.

Musik als solche könnte zu Gruppenkohäsion beigetragen haben, sobald gegenseitiges Lausen seine Funktion als sozialer Kitt in Anbetracht wachsender Gesellschaften einbüßen musste. Ferner wird ein Beitrag an der Selektion der Sexualpartner diskutiert. Ein Blick auf die frenetischen weiblichen Besucher eines Auftritts Justin Biebers verbieeine große Terz tet diesen Gedanken völlig zu verwerfen.

Für sie schmeckt süß, wohingegen dissonante Intervalle sauer und ekelerregend sind. v e reine große Terz süß, woschiehingegen die dissonandensten ten Intervalle der großen LebenssituatioSeptine bzw. des Tritonus nen heraus eine mit den Empfindungen tiefgreifende sauer und ekelerregend Annäherung an einhergehen. das Musizieren wagen. Vielleicht, Methodische Ansätze zur so meine ich, beneurowissenschaftlichen fördert der VerVon Nils Engel Erfassung des Phänomens gleich mit dem eigenen Beispiel die Annäherung an meine wahre Musik sindund bleiben jedoch begrenzt, allein Motivation, die gegenwärtig von emotionalen eingedenk der Tatsache, dass ein Musikerlebnis mehr ist als die Verarbeitung eines akustiImpulsen überschattet scheint. schen Signals. Eine jungfräuliche Lust treibt mich – möge Kontext bedeutet viel. Wagen wir den Versie wohl im Musikarchiv meiner Festplatte wurzeln! Ich bestelle den Acker im Üben und gleich! Wir erleben den virtuosen Pianisten Lernen und ersehne die Ernte herbei! Reife, Grigory Sokolov im Live-Konzert oder bekommen die Einspielung seiner Darbietung in der Frucht! Erblühe zur Leidenschaft! bedrückenden Situation einer fMRT-Untersuchung zu Gehör. Würde die fiktive MöglichliMusik erleben ckeit, in beiden Fällen Einblick in das neuroBeschäftigen wir uns einstweilen besser mit nale Aktivitätsmuster des Gehirn zu nehmen, dem „Wie“. Musikwahrnehmung und -pro- ähnliches zu Tage fördern? Wichtiger und der duktion, deren Improvisation sowie die Art Messbarkeit entzogen: Wäre unser subjektiund Weise, wie Musik unsere Gefühle berührt ves Erleben vergleichbar? sind aus Perspektive der Neurowissenschaften faszinierende Sachverhalte. Offenbar berührt Survival of the most musical? Musik in der Gesamtheit ihrer Teilaspekte sämtliche kognitiven Leistungen des menschliIst der Genuß von Musik ausschließlich dem chen Gehirns: Sensorik, Menschen vorbehalte? Motorik, Gedächtnis, Musik berührt sämtliche kognitiven Tatsächlich ist unsere Emotion und Kreativität, musikalische BefähiLeistungen des menschlichen Gehirns gung im Tierreich einum nur die vordergründigsten zu benennen. zigartig und evolutionär auch nur schwer zu begründen. Welchen Se-

28 Synapse

Oder handelt es sich gar um eine Funktion der Brutpflege, welche im Laufe der Zeit Verallgemeinerung erfahren hat? Wir alle wissen um den beruhigenden Effekt, den Schlaflieder auf Kinder ausüben. Auch haben alle Kulturen ein entsprechendes Repertoire ausgebildet. Am plausibelsten, und wissenschaftlich am Besten belegt, scheint die enge Verknüpfung zwischen Sprache und Musik zu sein, die sich auch neuro-strukturell nachweisen lässt. In dieser Sicht wäre Sprache als Mittel der Kommunikation die evolutionär sinnvolle Adaptation. Die zur Sprache befähigenden biologischen Dispositionen eröffneten allerdings gleichsam einen unspezifischen Spielraum, der gewissermaßen zufällig die Entstehung der Musik erlaubt hätte.

Musik ist gleich Sprache? In einer simplen, vereinigenden Definition lassen sich Sprache und Musik als komplexe akustische Signale, entfaltet im Verlaufe der Zeit, beschreiben. Ihre einfachsten Bestandteile sind die Phoneme, charakterisiert durch die Klangfarbe bzw. die Noten, welche durch die Tonhöhe gegeben sind. Beiderseits erfolgt die Entfaltung nicht frei, sondern in einer komplexen Syntax, deren Konstruktion einem Regelwerk folgt: der Grammatik der jeweiligen Sprache oder der zugrunde liegenden Musiktheorie. Gleichwohl ist die dichotome Parallelisierung von Musik und Sprache nicht ubiquitär aufrecht zu erhalten. So verwenden die Lokele des www.synapse-redaktion.de


oberen Kongo-Gebiets große Schlitztrommeln zwecks Vermittlung sprachlicher Botschaften über große Distanzen, während sich die südostasiatischen Hmong einer Art Pfeif-Sprache bedienen. Beides mutet dem westlich-enkulturierten Hörer sehr musikalisch an, dient jedoch letztlich der Kommunikation. In Experimenten der Neurobildgebung offenbaren sowohl melodische als auch sprachliche Reize ein ähnliches bilaterales Aktivitätsmuster, welches im Falle des Sprachreizes deutlich in die linke Hemisphäre lateralisiert. Primär und supplementär-motorischer Kortex, BrocaRegion, vordere Insel, primärer und sekundärer auditorischer Kortex, Temporalpol, Basalganglien, vorderer Thalamus und hinteres Kleinhin sind unter beiden Reizen aktiv.

Sinfonie trifft Cochlea Um das Phänomen Musik zu beschreiben, ist es sinnvoll, eine Untergliederung vorzunehmen. Die Tonhöhe der einzelnen Note ist durch eine Grundfrequenz gegeben, die abhängig vom Instrument eine Klangfarbe durch zusätzliche Obertöne erhält. Über die zeitliche Abfolge von Noten entsteht eine Melodie, wohingegen der Zusammenklang mehrerer Stimmen oder Instrumente Harmonie einführt. Die geregelte zeitliche Abfolge des Ganzen, die Pausen einschließt, bedingt den Rhythmus des Stücks. Jenseits der vorgegebenen Notation des Komponisten steht es dem Interpreten ferner frei, Tempo und Dynamik - also Lautheit - im Rahmen der Aufführung zu variieren, um dem Stück seinen individuellen Ausdruck zu verleihen.

QuickFact Frauen verändern ihre funktionelle Hirnorganisation und die damit zusammenhängenden kognitiven Leistungen während des Monatszyklus. quenzdifferenzen der zusammenklingenden Töne erreichen diese Tonstöße eine Frequenz von mehr als 20 - 30 Hz, womit sie, obgleich nunmehr der bewussten Wahrnehmung entzogen, eine unangenehme Sensation im Sinne eines „rauen“ Zusammenklangs nach sich ziehen. Potenziell kann jede beliebige reale Note, die sich ja aus Grundfrequenz und Obertönen zusammensetzt, zu dieser unangenehmen Empfindung beitragen. Helmholtz wies jedoch nach, das dies insbesondere für auch wirklich als dissonant empfundene Intervalle gilt.

rones // openclipart.org

spielen – unabhängig von ihrer Klangfärbung. Dies funktioniert sogar in Abwesenheit der eigentlichen Grundfrequenz in alleiniger Extrapolation von einer Zahl von harmonischen Oberschwingungen! Solchermaßen wird beispielsweise ein Signal, welches die Frequenzanteile 800, 1000 und 1200 Hz beinhaltet, als zugehörig zur 200 Hz Grundfrequenz erkannt. Das entsprechende Neuron reagiert auf all diese Frequenzanteile gleichermaßen und wurde vor Kurzem beim Seidenäffchen nachgewiesen.

Der Musiker hört sein Wer oder was stimmt eigentSo viel zur Physik – keinesfalls Instrument tatsächlich lich diese Neurone? Experimenist jedoch bewiesen, dass unserer te legen hier ein hohes Maß an anders als andere! Neuroplastizität nahe. Gezieltes Präferenz für Konsonanzen erblich ist. Zwar zeigen selbst SäugTraining auf einen Ton kann eine linge diese Tendenz, die kulturelle Kondition signifikante Ausdehnung des auf den Stimulus beginnt jedoch bereits vorgeburtlich durch die hin erregbaren Bereichs bewirken. Der MusiUmwelt der werdenden Mutter. Auch scheint ker hört sein Instrument tatsächlich anders als lediglich der Quinten- und Oktavintervall uni- andere! versellen Eingang in die Tonsysteme der Erde gefunden zu haben – eben diejenigen IntervalSelbstverständlich lässt sich das Schema neule, die schon Pythagoras als die einzig konso- roplastischer Umbauvorgänge bei extensivem nanten gelten ließ. musikalischem Training auf andere Leistungen den Gehirns übertragen. Man darf sagen: Des Violinisten motorischer Homunkulus verfügt Die Verarbeitung des akustischen Signals be- Gut gestimmt auf deine Umwelt über große Finger an der linken Hand. ginnt in der Cochlea, die trotz der Komplexität des späteren Sinneseindrucks über die wenigsFrequenzdiskrimination ist Basis der Muten Sinnneszellen aller menschlichen Sinnes- sikverarbeitung und wird von Tieren nochbe- Rythm is a dancer! organe verfügt: nur etwa herrscht. Dabei lässt 3500 innere Haarzellen Die Coclea verfügt über die wenigsten sich die FrequenzlandDas Rhythmusgefühl des Menschen steht im pro Ohr. karte der Basilarmemb- kritischem Zusammenhang mit der Funktion SInneszellen aller menschlichen Sinnes- ran auch für höher ge- des phylogenetisch alten Vestibularapparats. Hier erfolgt bereits schaltete Kortexareale Die Interpretation eines Rhythmus, besteorgane. eine Art Fouriertranszeichnen. Lokalisiert im hend aus sechs nicht akzentuierten Schlägen, formation, die Zerlegung des Klangreizes in sekundären auditorischen Kortex, erlaubt uns hängt davon ab, ob der Hörer diesen in drei einzelne Frequenzanteile auf Basis der physi- die Funktion beispielsweise, verstimmte oder Abschnitte aus zwei Schlägen oder zwei Abkalischen Eigenschaften der Basilarmembran. im falschen Schlüssel gespielte Töne einer Me- schnitte zu jeweils drei Schlägen unterteilen lodie zu erkennen. Die Aktivierung des Areals möchte. Somit wird entweder das MarschHermann von Helmholtz, deutscher Physio- ist hierbei nicht auf unsere bewusste Aufmerk- oder das Walzer-Schema erfüllt. loge und Physiker, stellte in der Schrift Die samkeit angewiesen, scheint rechtsseitig verLehre von den Tonempfindungen als physio- stärkt und beweist hier ein im Gegensatz zur Gezielte Stimulation des Vestibularnervs am logische Grundlage für die Theorie der Musik linken Seite verfeinertes Auflösungsvermögen. zweiten bzw. dritten Schlag vermag dieser Ent1863 einen Erklärungsansatz vor, warum wir scheidungsfindung eine schlüssige Tendenz zu gewisse Zusammenklänge als dissonant, anVom Ton zur Melodie erfolgt ein Aufstieg in verleihen. dere als konsonant empfinden. Demnach füh- der Hierarchie: Das Aktivierungsmuster dehnt re der Zusammenklang von Tönen derselben sich vom primären und sekunErfahrungsgemäß machen Frequenz über Interferenz der Schallwellen dären auditorischen Kortex, Rhythmen tanzwütig oder nöErfahrungsgemäß machen tigen zumindest zum Vollzug zur erhöhten Schallintensität. Zwei akustische dem Planum temporale und Wellen ähnlicher aber nicht identischer Fre- den medialen Heschl-Win- Rhythmen tanzwütig oder nö- synchronisierter Bewegung. quenz bedingen hingegen sogenannte Schwe- dungen auf den superior tem- tigen zumindest zum Vollzug Multiple Verknüpfungen zwibungen: Phasenverschiebungen der sich über- poralen Kortex aus. schen auditorischen und mosynchronisierter Bewegung. torischen Arealen zeichnen lagernden Wellen münden positionsahängig in Auslöschungen oder Verstärkungen – StöWir erkennen in der Regel, hierfür verantwortlich, werße – innerhalb des Signals. Bei größeren Fre- ob verschiedene Instrumente die gleiche Note den zivilisationsbedingt meiner Meinung nach www.synapse-redaktion.de

Synapse 29


Man ist versucht zu ahnen: Tanz ist existenziell. Wohlan! Befreit euch, „An-die-Bar-Lehner“ dieser Welt! Ihr verpasst ‘nen Haufen Spass.

„Music sounds the way emotions feel“ (Caroll Pratt, Psychologe, 1931)

ders sinnvolle Anpassung zu konservieren und auszubauen. Vom kleinsten gemeinsamen Nenner her neigt langsame, seichte, tiefe Musik dazu, als beruhigend oder traurig empfunden zu werden. Schnelle, hohe Melodien sind eher geeignet, uns fröhlich zu stimmen. In der Realität nimmt das emotionale Erleben im Zusammenhang mit Musik natürlich beliebig komplexe Ausgestaltungen und Intensitäten an - gekoppelt an den Kontext sowie die Involviertheit des Betroffenen in das musikalische Ereignis. Jene Veränderungen können auch physiologische Parameter wie Herz- und Atemfrequenz umfassen. Wie wird solche Erregung des Menschen durch Musik erklärbar?

Links zum Thema Grigory Sokolov Rameau's "La Poule" Ihr kennt den Pianisten Grigory Sokolov nicht? Live ist er unbeschreiblich, seine Zugaben legendär!

http://www.youtube.com/watch?v=xcXY7dyK7eQ Charles Limb: Your brain on improv Experimentelle Annäherung an musikalische Improvisation - wenig informativ, aber doch inspirierend. http://www.ted.com/talks/lang/eng/charles_limb_ your_brain_on_improv.html

Stark fragmentiert, höchst willkürlich in der Auswahl wurde bisherig versucht, das Phänomen Musik unter neurowissenschaftichen Aspekten zu beleuchten. Autor und Leserschaft vereinigen sich im Chor, um den so sträflich im Dunkeln belassenen Weg klagend zu besingen. Und siehe da! Sie erkennen, genau dies zu können und am Horizont erscheint ein Lichtblick ... Nein, doch nur ein Stichwort: Emotion!

Das Konzept der Spiegelneuronen verweist auf die Aktivierung gewisser neuronaler Schaltkreise, sowohl bei eigener Erregung als auch im Falle der Beobachtung der Mimik einer anderen Person von gleicher emotionaler Verfasstheit. Verwandelt man diesen Erklärungsansatz menschlicher Empathie unserem Problem an, so befänden wir uns schlicht auf der nächst höheren Ebene der Abstraktion: Akustische Qualitäten ahmten menschliche, gefühlsverbundene Stimmen und Aktionen nach, welche wir daselbst im Falle psychischer Erregung entäußern könnten. Kulturell begründete Anspielungen, unerwartete Melodien und Harmonien ergänzten weitere Facetten.

fasst hat. Sternstunden der Musik jagen uns zuweilen kalte Schauer über den Rücken und zeitigen dabei erhöhte Aktivität von Amygdalae, orbitofrontalen und ventralen medialen präfrontalen Kortex, Teilen des Mesencephalons sowie des Nucleus accumbens - unter anderem Areale, die eine Rolle im endogenen Motivations- und Belohnungssystem des Menschen spielen und mit Suchverhalten assoziiert werden.

Chill down the spine

„Wie“ ich das tue? Nun, das dürfte angeklungen sein. Und warum? Weil ich will und kann!

Tief verwoben sind Gefühl und Musik, was entscheidend gewesen sein dürfte, diese im Kontext der Evolution vielleicht nicht beson-

Weniger spekulativ kommt die Evidenz der Neurobildgebung daher, die sich mit dem berauschenden chill-down-the-spine-Effekt be-

Die Streicher senken ein letztes Mal ihre Bögen, um neuerlich und letztlich zur triumphalen Auflösung an zu heben: Wir nähern uns dem Finale dieser Betrachtung.

Kleines Lexikon der musikalischen Ausfallserscheinungen Chez Guevara - Revolutionär mit kongenitaler Amusia? Bis zu 15 Prozent der Menschen in unserm Kulturkreis glauben, im Sinne eines erblichen Defizits unmusikalisch zu sein – vielleicht nur, weil sie eher seltener ins Karaoke-Mikrofon singen. Etwa 5 % der Bevölkerung dürfte tatsächlich an der erblichen Form der „tone-deafness“ leiden. Betroffene entbehren musikalisches Verständnis, beginnend bereits bei Tonhöhenunterschieden. Soziale Ausgrenzung droht, wenn Mozarts Zauberflöte vom Baustellenlärm emotional nicht unterschieden werden kann. Andere kognitive Leistungen verbleiben gänzlich unberührt, womit auch der lateinamerikanische Revolutionär Chez Guevara als Opfer in Frage kommt. In The Motorcycle Diaries schildert Chez anekdotisch, wie er einst auf einer Party unbewusst einen langsamen und leidenschaftlichen Tango vollführte, während alle anderen Gäste passend zur Musik einen lebendigen Mambo hinlegten. Maurice Ravel - Fokale Neurodegeneration ungeklärter Genese Schien die Verwicklung in einen Taxi-Unfall zunächst glimpflich auszugehen, bildete Ravel nachfolgend zunehmend Symptome einer

30 Synapse

Aphasie aus. Schließlich verlor er alsbald die Fähigkeit zu komponieren, konnte seine Tonideen und Schöpfungen jedoch tragischerweise virtuell durchaus weiterhin „hören“. Einem Freund vertraute er klagenvoll an: „[...] diese Oper (gemeint: Johanna von Orleans) ist hier, in meinem Kopf! Ich höre sie, aber ich werde sie nie aufschreiben.“ Der Komponist erlag schließlich 1937 den Folgen eines neurochirurgischen Eingriffs, welcher die Ursache seines Leidens zu Tage bringen sollte aber ohne Befund blieb. Gleichwohl versuchte die New York Times posthum noch 2008, die repetitive Natur des Boléro – Ravels wohl bekanntestem Werk – als Symptom einer frontotemporalen Demenz zu werten. Wiener Philharmoniker - Maurice Ravel Bolero

http://www.youtube.com/watch?v=VLVzvv1atwc Robert Schumann - Fokale aktionspezifische Dystonie Eigentlich hätte Schumann Pianist werden wollen. Erst 21-jährig musste er dieses Vorhaben jedoch endgültig aufgeben. Zur Einsicht verhalf ihm letztlich die Tatsache, die eigenhändig komponierten Werke angesichts seines Handicaps selbst nicht spielen zu können. Namentlich die Toccata Op. 7 gab seinem Mittelfinger den Rest, obschon er die Erkrankung mit Dehnungen der Finger in obskuren Streck-Vorrichtungen zu therapieren suchte.

Süchtig bin ich nicht, obschon ich es durchaus werden möchte. D'rum schließe ich vorerst an dieser Stelle – bewegt aber unbefriedigt bringe das Blatt zum schwingen. Saxophon, erklinge!

Die auch als Musikerkrampf bezeichnete Erkrankung weist unter Musikern eine Prävalenz von 1:200 bis 1:500 auf, ist mit exzessivem Üben korreliert und hat wohl auch eine genetische Komponente. Kennzeichnend ist, dass eine dem Patienten normalerweise mögliche, feinmotorische Bewegung am Instrument nicht mehr ausführbar ist. Während man in fMRTStudien eine Unteraktivierung entsprechender prämotorischer Kortexareale findet, besteht eine gegensätzliche Überaktivierung sensomotorischer Regionen, was auf eine Fehlrekrutierung im Rahmen der motorischen Kontrolle schließen lässt. Cziffra plays Schumann Toccata Op.7

http://www.youtube.com/watch?v=NncHj0BKCps Patient S.M. - Wer hat Angst vor den kreischenden Violinen? Wer könnte der schaurigen Spannung Alfred Hitchcocks Meisterwerk Psycho schon widerstehen? Ohne den genialen Soundtrack Bernard Hermanns wäre die atmosphärische Bannkraft des Film allerdings undenkbar. Beidseitige Läsion der Amygdalae verwehrt weit mehr als nur den Zugang zu unheimlichen und traurigen Musikstücken. Bernard Herrmann - Psycho (theme)

http://www.youtube.com/watch?v=qMTrVgpDwPk

www.synapse-redaktion.de

cybergedeon // openclipart.org

jedoch zu selten beansprucht. Die Natürlichkeit des Verlangens wird durch die Fähigkeit von Säuglingen unterstrichen, unter-einjährig sehr komplexe Rhythmen wahrnehmen zu können, wie sie in der Volksmusik fremder Kulturen häufig ausgebildet sind. Ohne Training geht jene Befähigung dann aber verloren, was die eher simplen Rhythmen westlicher Populärmusik widerspiegeln.


Quelle: www.pd-eff.de

Synapse Die Synapse ist die Zeitung von und für die MedizinstudentInnen in München. Wir kommen jedes Semester mit Aktuellem von den Hochschulen, Kultur, Unterhaltung und einem neuen Schwerpunkt-Thema heraus. Farbig gedruckt und kostenlos für euch! Schau vorbei auf unserer Homepage www.synapse-redaktion.de, und folge uns bei Facebook & Twitter. Oder besuche uns einfach auf der nächsten Redaktionssitzung mit Deinen Ideen. Die Sitzungen finden regelmäßig statt und werden über Twitter angekündigt.

edizin

ft M

scha

r Fach

ng de

Zeitu

0 6/1 0 s r es Exp

Zeits

chrif

t der

Med

izinst

uden

ten an

der Lu

dwig

-Max im

ilian

Ausgabe 55 // Mai 2011

s-Un

iversi

tät M ünch

en

Nr. 5

3•O

ktob

er 20

08

Zeitschrift der Medizinstudierenden Münchens

n inne l6 cher odu M Fors n o v s e e rmin Neu le Te l e u Akt

Medizin der Extreme . uvm ...

Wir freuen uns auf Dich – als Leser, und als mitMacher!

Kontakt www.synapse-redaktion.de feedback@synapse-redaktion.de

synapse-redaktion.de/FaceBook synapse-redaktion.de/Twitter

www.synapse-redaktion.de

Synapse 31


© Feuillu // flickr.com

That's hot Introduction to an heiress str a

Von Carmen A „That's hot“ ist ein Lieblingsspruch der Hotel‑Erbin Paris Whitney Hilton. Sie ist die Urenkelin von Conrad Hilton, welcher im Jahre 1946 die Hilton Kette ins Leben rief. Heutzutage ist Hilton Hotels & Resorts eine internationale serviceorientierte Hotelkette, und ein Teil von Hilton Worldwide. Einen Großteil des Hotelimperiums besitzt die Blackstone Group, eine privates Eigenkapital-Unternehmen. Es gibt weltweit über 540 Hilton Hotels in 76 Ländern. In München befindet sich zum Beispiel eines im Künstlerviertel Haidhausen direkt am Rosenheimer Platz.

Mehr als nur Erbin Doch hinter Paris Hilton versteckt sich nicht nur die Hotelerbin, sondern auch die Kunst aus ihrer Berühmtheit ein Geschäft zu machen. 2000 fing Paris an in New York als Model zu arbeiten und später für Marken wie Tommy Hilfiger, Christian Dior und GUESS zu posieren. Von diesem Lebensabschnitt wissen jedoch nicht so viele, wie von dem Sexvideo. Ihr damaliger Freund Rick Salomon drehte die Filmreihe im Jahr 2003. Ein wenig später wurde dieses unter dem Titel „1 Night with Paris“ trotz untersagter Vertreibung veröffentlicht. Nachdem Paris Klage gegen die Verbreitung eingelegt hatte soll sie am Umsatz mitverdient haben. Das „spätere“ Mediensternchen nutzte diesen Rummel und spielte in den darauffolgenden Jahren in verschiedenen TV- sowie Filmrollen mit. Ihre erste bekannte Rolle ist in der Realityshow „The simple life“ zusammen mit ihrer Freundin Nicole Richie. Die Beiden mussten hier auf ihren gewohnten Luxus verzichten. Seit dieser Show, findet Paris, haben die Menschen eine falsche und verdrehte Vorstellung von ihr: „I think from doing this show for so long, the people think I'm an airhead but it's just the role I had to play. In fact I'm not like that in real life.“ Um jedoch ihre wahre Persönlichkeit zu zeigen und ihre Aussage zu unterstreichen, veröffentlicht Hilton, ein Jahr später, ihre Autobiographie Tongue-in-Cheek. Diese wird zunächst enorm kritisiert, avanciert letztlich jedoch zum Bestseller.

32 Synapse

Partygirl ... gegen Bezahlung Auch ihre Ausflüge in das Partyleben landen öfters in den Schlagzeilen. Deswegen wird sie nun als IT-Girl bezeichnet, auch da sie weiß was gerade Trend ist, oder werden wird. Was nicht nur von Vorteil für ihre Kleiderlinie ist, aber dazu später. Durch ihre Prominenz bekommt sie auf den soeben genannten Partys als Gast für Reden und Tanzen bis zu einer halben Million Dollar (rund 360.000 €). Ein interessanter Ausrutscher von Paris Hilton im Jahr 2005 löste durch ein

It's just the role I had to play. In fact I'm not like that in real life. liegengelassenes Handy einen Hype im Internet aus. Ihre Freunde Eminem, Lindsay Lohan, Christina Aguilera und Anna Kournikova fanden ihre persönlichen Nummern überall im Web. Zwei Jahre später musste die Erbin wegen eines für ungültig erklärten Führerscheines und Fahrens ohne Licht für 45 Tage in das Central Regional Detention Center. Es gelang ihr die Haftstrafe auf 23 Tage zu verkürzen, indem sie bei den damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger eine Überprüfung des Falles beantragte. Das Ende ihrer Haft nutzte die Geschäftsfrau um für ihre Kleiderlinie zu werben. Diese wurde in der Kitson Boutique in Los Angeles verkauft und bestand aus Tops, Kleidern, Jacken und Jeans.

Was sind schon 3 %? Viele denken, dass Paris Hilton relativ viel geerbt hat, in Wahrheit vermachte der Großvater Barron Hilton im Dezember 2007 ihr und seinen drei anderen Enkelkindern nur 3 % des gesamten damaligen Familien-Vermögens ($ 360 Mio.). Das restliche Geld (97% !) floss in die Wohltätigkeitsorganisation seines Vaters Conrad N. Hilton. Dementsprechend musste die

Paris Hiltons' Wohnzimmer Beverly Hills, CA Mulholland Dr. 3340 Clerendon rd. http://www.youtube.com/watch?v=xIKrbolj4y4 © Mickipedia // flickr.com

www.synapse-redaktion.de


Blondine lernen, ihren Anteil der Summe zu halten und zu vermehren.

(* 1994), machte ebenfalls Schlagzeilen – mit illegalem Kokainbesitz.

Dabei ist sie äußerst erfolgreich und dachte sich z.B. im Jahr 2008 die Realityshow „My new Best Friend Forever“ (= BFF) aus, welche in Los Angeles gedreht wurde. Da sie sich seit 2003 mit ihrer besten Freundin Nicole Richie zerstritten hatte, suchte Paris auf diese Weise eine neue beste Freundin. Diese Serie erfreute sich so großer Beliebtheit in den USA, dass Hilton im Anschluss noch eine in Großbritannien und in Dubai drehte.

In Paris' Kindheit zog die Familie oft um. Sie wohnte unter anderem in einer Suite im Waldorf-Astoria Hotel in Manhattan, in Beverly Hills und in The Hamptons (eine Ansammlung von Siedlungen im Osten New Yorks). Alle Hilton-Kinder sind katholisch erzogen und besuchen die Kirche regelmäßig.

Paris Hilton ist und war nicht nur in Shows, sondern auch im Kino zu sehen. So spielte sie in Filmen wie Zoolander, Bottoms Up und Die Party Animals sind zurück mit, und in einigen anderen weniger bekannten. Um selbst Herrin über ihre Produktionen zu sein gründete Paris Hilton ihre eigene Firma „Paris Hilton Entertainment“, unter der sie 2011 ihre neue Show „The World According To Paris“ vertreibt. Ihre Schwester Nicky Hilton sagt, dass die Show einen guten Einblick hinter die sonst „verschlossenen Türen“ von ihrer älteren Schwester gibt.

Pitch-perfect

© Chesi Fotos CC // flickr.com

Ebenso mischt sie seit 2004 im Musikmarkt mit, mit ihrem eigenen Musiklabel „Heiress Records“. Das erste Album benannte Hilton nach sich selbst: Paris. Obwohl das Album nur mäßig erfolgreich war, erreichte die Single Stars Are Blind eine Top Ten Platzierung in 17 Ländern. Vier Jahre später kam ihr Parodie Song Paris For President in die Plattenläden. In dem Musikclip dazu ist das weiße Haus pink und es soll eine Fashion Police eingeführt werden. Der Song war eine Reaktion auf die Niederlage von Hillary Clinton bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008, für die sie eigentlich abstimmen wollte. Aufgrund ihrer Niederlage stimmte Paris 2008 für keinen Kandidaten.

Paris ging in Los Angeles auf die exklusive St. Paul the Apostle Church and School, die sie 1995 abschloss. In den darauffolgenden Jahren besuchte sie unter anderem die Convent of the Sacred Heart, auf der auch Lady Gaga1 war, und die Dwight School. Die Dwight School, in Manhattan, ist eine auf die Universität vorbereitende Schule für ausgewähltes Klientel. Diese schloss sie mit dem General Education Diploma ab.

A businesswoman and a brand Einen großen Teil in Paris Leben machen ihre Produkte aus. Die tüchtige Blondine sagt von sich selber: „(But) I consider myself a businesswoman and a brand.“ So hat Paris nicht nur bereits mehrere Düfte (Paris Hilton, Paris Hilton For Men, Can Can, Paris Hilton Just Me, Heiress, Siren) auf den Markt gebracht sondern leiht ihren Namen anderen Produkte, wie z.B. Haarverlängerungen. Ein weiters Fashion Produkt ist die „Paris Hilton Footwear“ der Marke Antebi. Paris wird des Öfteren als Werbeikone, wie beispielsweise für GoYellow gebucht.

Paris Hilton macht nicht nur Popmusik, sondern kann auch Musicalnummern vortraIm Dezember 2007 posierte Hilton für Rich gen. So geschehen im Soundtrack zum Musical Repo! The Genetic Opera. Der Produzent Prosecco einem goldenen Dosenprosecco, welBousman lobt Paris für ihre Stimmprobe für cher dem Otto-Normalverbraucher die Welt der Wohlhabenden nahe diese Rolle: „She came back bringen soll. Noch im Februthe next day, memorized everything, was pitch-perfect, I Paris Hilton ist Vorstandsvorsit- ar 2011 machte sie für dieses mean she was awesome.“ zende von sechs Unternehmen. Produkt in Frankfurt wieder Promotion. Es ist zu sehen, dass Paris ihren Produkten Das Fashion-Girl und Multitalent wurde am 17.02.1981 in New York ge- treu bleibt und es nicht eine einmalige Sache boren. Sie ist das älteste Kind von insgesamt ist. Der Vorstandsvorsitzende der Rich AG, vier Kindern, von Kathy (Avanzino) Hilton, Günther Aloys, ist äußerst zufrieden, dass Paeiner Schauspielerin, und Richard Hilton, ei- ris hilft das Produkt weltbekannt zu machen. nem Geschäftsmann. Ihre Schwester Nicky Ob der Dosenprosecco auch besser schmeckt Hilton (*1983) ist ebenso aktiv im Geschäft bleibt fraglich, auf jeden Fall ist der Preis hapmit Kleider- und Schmuckkollektionen. Ihr pig (2 €). Bruder Barron Nicholas Hilton II (*1989) ist Aktuell ist Hilton Vorstandsvorsitzende von bis jetzt leider nur durch negative Schlagzeilen aufgefallen. Er musste beispielsweise einmal sechs Unternehmen, darunter befindet sich 3,5 Mio. Schmerzensgeld an einen Tankwart eine Stellenvermittlung und ein Reisebüro. wegen schwerer Körperverletzung zahlen. Ihr zweiter Bruder Conrad Hughes Hilton III 1 Siehe Artikel in der Synapse 55 www.synapse-redaktion.de

Sie entwirft seit 2011 außerdem einen Teil der Azure Urban Resort Hotel Residences auf den Philippinen der Century Properties mit.

MotoGP the Paris way Ebenso in diesem Jahr ist das IT-Girl Rennstall-Besitzerin eines MotoGP-Teams geworden. Die Fahrer sind Sergio Gadea und Maverick Viñales und fahren unter dem Namen „SuperMartxé VIP by Paris Hilton Team“. Die MotoGP ist die Königsklasse des Motorradrennsports innerhalb der FIM - Weltmeisterschaft. Am 16. September diesen Jahres hat Paris auf Ibiza ihre eigene MotoGP - Modekollektion, in der die Farbe pink eine wichtige Rolle spielt, vorgestellt.

Last but not least ... Last but not least sind die Beziehungen von Paris Whitney Hilton für die Klatschpresse immer wieder ein spannendes Thema. Es gibt in etwa chronologische Abfolgen, wann sie einen Mann an ihrer Seite hat und wann sie sich freundschaftlich wieder trennen. Zunächst war Hilton mit dem Model Jason Shaw von Mitte 2002 bis Anfang 2003 zusammen. Bis 2004 hatte sie dann eine Beziehung mit dem Sänger Nick Carter. Im neuen Jahr 2005, fand sie neues Glück mit einem neuem Mann, diesesmal dem griechischen Schiffserben Paris Latsis, allerdings nur von Mai bis November. Da die Griechen es ihr angetan hatten, war sie daraufhin mit Stavros Niarchos III, ebenso Schiffserbe, bis Mai 2006 zusammen. Im darauffolgenden Jahr nahm sich Paris eine Auszeit mit einem selbstauferlegten Zölibat. Nach der Auszeit ging es mit dem Gitarristen von GoodCharlotte Benji Madden im Mai bis November 2008 gleich weiter. Die beiden letzten Beziehungen sind etwas abweichend von der Chronologie. Mit Doug Reinhardt, der in „TheHills“ mitspielt, fing alles im Februar 2009 an und dauerte bis zum 13.April 2010. Kurz nach der Trennung hatte es Paris Cy Waits angetan, ein Unternehmer und Miteigentümer von Tryst Nightclub und XS Nightclub in Las Vegas. Im Juni 2011 war auch diese Liaison beendet.

Billion Dollar Entrepreneur In diesem Jahr wurde Hilton als „Billion Dollar Entrepreneur“ von Variety Magazine gewählt und erschien auf deren Coverbild. Wie fleißig Paris ist, verrät uns ihr Großvater: „Even my grandpa said to me, ' You work harder than any of my CEO friends or anyone I know' “. Ob uns Paris, wie sie es plant, als beste weibliche DJane erfreuen wird ist abzuwarten. Bis dahin kann sich ein jeder an ihr Zitat: „The way I see it, you should live everyday like its your birthday“ halten, oder sich zumindest davon inspirieren lassen.

Synapse 33


von Elena Kindsvater

BRAIN UP STUDIOS Was genau ist „Gehirnjogging“? Diese auch als Gehirntraining bezeichnete Methode dient der Erhaltung oder auch Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten wie z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration oder abstraktes Denken. Das Gehirn kann in jedem Alter trainiert werden, denn Studien belegen, dass Menschen bis ins hohe Alter hinein lernen. Die frühere Aussage, dass abgestorbene Hirnzellen nicht mehr ersetzt werden können, hat ihre absolute Gültigkeit längst verloren.

Weniger Synapsen Wodurch nehmen unsere kognitiven Fähigkeiten im Alter ab? Das menschliche Gehirn unterliegt im Laufe des Lebens sehr vielen Veränderungen, es ist sogar das Organ im Körper, das am stärksten modifiziert wird. Ein Drittel der Menschen älter als 65 Jahre haben bereits Einbußen der geistigen Fähigkeiten. Dies bemerkt man durch die zunehmende Langsamkeit der Menschen in ihrem Denken und Handeln. Sie haben plötzlich Schwierigkeiten, gespeicherte Informationen abzurufen oder brauchen deutlich länger als früher, um Neues zu erlernen. Dies liegt daran, dass im alternden Gehirn immer mehr Synapsen verloren gehen und es somit deutlich länger braucht, um die ankommende Information zu verarbeiten und abzuspeichern.

tion fehlt, muss sich unser Gehirn nun selber dazu reimen.

Prävention des Synapsensterbens Wie kann man diesem Verlust vorbeugen? Durch Veränderungen im Lebensstil. Zum Einen gibt es sehr einfache Methoden, die fast allen Menschen zugänglich sind. So ist zum Beispiel regelmäßige sportliche Aktivität wie Joggen oder Gymnastik nicht zu unterschätzen und besonders für ältere Menschen gut geeignet, um sie geistig, aber auch körperlich fit zu halten. Körperliches Ausdauertraining verbessert nachweislich das Denkvermögen, das Gedächntis und die Aufmerksamkeit. Die Hirndurchblutung wird gefördert und wirkt sich positiv auf die Bildung neuer Blutgefäße und Synapsen aus. Wie das genau funktioniert ist nicht endgültig geklärt und erfordert noch sehr viel Forschungsbedarf, es gibt aber bereits viele Vermutungen. Zum Beispiel gibt es Hinweise, dass körpereigene Substanzen wie der Nervenwachstums-Faktor BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor) beim Wachstum von Nervenzellen und auch der Neubildung von Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn eine entscheidende Rolle spielt.

Gingko und Meditation

Eine Synapse ist eine Kontaktstelle zweier Nervenzellen. Hier werden mittels NeuroEs wird behauptet, dass Nahrungsergäntransmittern (Botenstoffe im Gehirn) Informa- zungsmittel wie z.B. Gingko biloba die geistige tionen von einer Zelle zur anderen übertragen. Leistungsfähigkeit erhöhen. Dazu gibt es jeEs kommt zur Bildung von Netzwerken, in doch keinen wissenschaftlichen Beweis. denen die jeweilige Information immer weiter Eine weitere Möglichverarbeitet und dann ab- Leider beginnt der Abbau der Synapsen keit ist die Meditation. gespeichert wird. bereits mit 25 Jahren, und er nimmt Hirnforscher sollen anhand von Studien an alle zehn Jahre um zehn Prozent zu. Mönchen herausgefunLeider beginnt deren Abbau sehr früh, nämden haben, dass wählich bereits mit 25 Jahren. Dazu kommt noch, rend des Meditierens vor allem die Gammadass er alle zehn Jahre um zehn Prozent zu- Wellen aktiv sind. Gamma-Wellen werden nimmt. Außerdem altert auch der Rest unse- mit geistigen Höchstleisungen in Verbindung res Körpers, wir sehen und hören schlechter gebracht. Außerdem sei durch zahlreiche als früher. Somit nimmt auch die Qualität der Bildgebungen des Gehirns und durch Gehirn Signale, die von außen kommen, ab. Die In- strommessungen aufgefallen, dass Meditation formation ist bereits bei der Aufnahme nicht zu einer Veränderung der Hirnsubstanz führt, mehr genau. Und das was uns an der Informa- ja sogar dass es in verschiedenen Arealen nach

34 Synapse

Brain Up!

Das Gehirn im Trainingsanzug

mehreren Wochen regelmäßigen Meditierens zu einer höheren Dichte von Nervenzellen kommt.

Andere Methoden Gehirnjogging bezeichnet bestimmte geistige Übungen zur Verbesserung der kognitiven Leistung des Gehirns. Dieser Begriff wurde wesentlich durch Siegfried Lehrl (Universität Erlangen) geprägt. Er bezeichnete dieses Training als „Mentales Aktivierungstraining“ (= MAT), welches es zum Ziel hatte den „Arbeitsspeicher“ optimal arbeiten zu lassen. Dazu wurden mehrere Studien durchgeführt. Ein bemerkenswertes Resultat: wenn man nur eine kognitive Fähigkeit durch einen speziell e n Test trainiert, verbessern sich die anderen ebenfalls. Trainiert man z.B. das Gedächtnis, so wirkt sich dies auch positiv auf die Aufmerksamkeit und Konzentration aus. Man nennt diesen Effekt Transferwirkung. Auch die Mathematikleistung und die Wortfindungsgeschwindigkeit sollen durch das geistige Training gefördert werden. Neurobiochemisch fällt beim Arbeitsspeichertraining eine Erhöhung des Dopamins im Präfrontalhirn auf. Das Gehirntraining kann dem Synapsenabbau und den daraus resultierenden kognitiven Einbußen entgegen wirken.

Sudoku oder neue Kochrezepte? Es gibt keine bestimmte Methode das Gehirn zu trainieren, bei der man sagen kann, diese sei die beste und die wirkungsvollste. Vielmehr ist es die Mischung aus verschiedenen Tätigkeiten wie z.B eine Fremdsprache lernen, Wandern, Ausprobieren neuer Kochrezepte, die sinnvoll ist und das Gehirn nicht nur einseitig trainiert, sondern Abwechslung bietet.

www.synapse-redaktion.de


QuickFact Forscher der University of California in Los Angeles fanden heraus, dass Surfen im Web die Leistungsfähigkeit des Gehirns mehr fördert als Lesen. rejon // openclipart.org

Deswegen ist es eher zweifelhaft, dass z.B Gehirnjogging Kreuzworträtsel, Karten spielen, Sudoku und sogar Lesen sich wirklich so gut für das TraiGehirnjogging als Begriff wurde in der breinieren geistiger Fähigkeiten eignen. Hirnfor- ten Öffentlichkeit vor allem durch den Autor scher meinen nämlich, dass diese Tätigkeiten Frank Berchem bekannt. Dieser brachte mehmeist zu einfach sind, sich in ihrer Struktur rere Bücher zu diesem Thema auf den Markt. ähneln und wiederholen und somit dazu füh- Auch das Konsolenspiel mit dem Namen „Dr. ren, dass Prozesse im menschlich Gehirn au- Kawashimas Gehirn-Jogging“ dürfte fast jetomatisiert werden. Unser Gehirn knüpft hier dem bekannt sein. Laut welt.de verkauft der keine neuen Verbindungen mehr zwischen den Konzern Nintendo in Europa jede Woche bis Nervenzellen, sondern greift auf alte, bereits zu 60.000 Stück dieser Software. In den USA bestehende und erprobte Synapsennetzwerke gibt es sogar „Fitness-Clubs" für das Gehirn, in zurück. Dies ist aber leider denen die Menschen stunkeine wirkungsvolle Methodenlang vor den Computern de, die ausreicht, um den ko- In den USA gibt es sogar „Fit- sitzen und verschiende Traignitiven Verlust im Alter zu absolvieness-Clubs“ für das Gehirn, in ningsprogramme minimieren. ren, in der Hoffnung so ihre denen die Menschen stunden- Intelligenz zu steigern. Susanne Jaeggi et al. be- lang vor den Computern sitzen. haupteten im Jahr 2008, Kritische Stimmen dass ein Üben mit sog. „nback" Aufgaben die fluide Intelligenz messNatürlich gibt es nicht nur Befürworter des bar erhöhen kann. „n-back“ ist ein psy- Gedächtnistrainings, viele Neuropsychologen chologischer Computertest. Bei diesem zweifeln an dessen Wirksamkeit und dem allTest werden Reize (Zahlen, Buchstaben) gemeinen positiven Effekt. Großer Kritikpunkt präsentiert, deren Reihenfolge man sich ist, dass das Gehirnjogging zwar das Lösen merken muss und dann eine Taste drücken, konkreter Übungsaufgaben nach und nach falls man einen Reiz wiederekennt der z.B 3 verbessert, es aber zu keiner signifikanten VerSchritte zuvor (3-back) gezeigt wurde. Die besserung der kognitiven Leistungen gegenMethode hat einige Medienaufmerksamkeit über den Vergleichspersonen kommt. Eine Allerregt, unter anderem erschien ein Artikel in tagsrelevanz des Geübten ist nicht zu finden. Wired. So verbessern softwarebasierte Denkspiele Eine kritische Meinung zu diesem Thema zwar die Fertigkeiten, die sie trainieren. Jewurde damals von David Moody ver- doch zeigen nur sehr wenige einen positiven fasst. Er hebt unter anderem hervor, Einfluss auf allgemeine kognitive Leistungen dass die Versuchsgruppe und Kont- in Alltagssituationen. Wird z.B. eine bestimmte rollgruppe mit verschiede- Gedächtnistechnik zum Einprägen von Wörnen Tests überprüft wurden, tern durchgeführt, so kann derjenige sich anund stellt auch in Frage ob schließend viel leichter eine bestimmte Anzahl die Tests genügend Aussa- von Wörtern merken. Es existieren aber keigekraft für die Quantifizie- ne einschlägigen Beweise dafür, dass die Gerung der fluiden Intelligenz hät- dächntisleistung insgesamt besser wird. ten. Science berichtete allerdings im Jahr 2009, dass 14 Stunden Training über 5 Man könne das Gehirn nicht einWochen zu einer messbaren Veränderung der fach so plump trainieren mit imDichte der kortikalen Dopamin-Rezeptoren mer wiederkehrenden Übungen führte. Schlussendlich bleibt also unklar, ob wie die Muskulatur, dazu sei es die Methode das hält, was sie verspricht. Viel- einfach zu kompliziert als Organ. leicht Zeit für einen Selbstversuch1? Trotzdem sind Computerspiele mit Kreuzworträtseln, Sudoku und Gehirntrainingsbücher so beliebt wie nie zuvor. 1 Für Windows gibt es eine kostenlose Software namens Brain Workshop, mit der man Dual N-Back üben kann: http://brainworkshop.sourceforge.net

www.synapse-redaktion.de

Gehirnjogging schützt auch nicht vor Alzheimer oder anderen Demenzen und ver-

zögert deren Auftreten nicht. Zumindest ist dies bis heute nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Deswegen sollte man bei Produkten, die das versprechen, vorsichtig sein.

Fazit Alles in allem lässt sich sagen, dass zumindest im Vergleich zu früheren Zeiten die geistigen Fähigkeiten der Menschen höheren Alters zugenommen haben. Desweiteren muss betont werden, dass eine riesige Menge an Unsinn über mögliches Gehirntraining im Umlauf sind. Trotz der Unseriösität vieler Methoden, gibt es sehr viele Menschen, die daran glauben. Dies kann jedoch nicht nur unnötiges Geldausgeben bedeuten, sondern auch gefährlich werden. So z.B. bei Einnahme von Hirndoping-Präparaten wie Ritalin und Modafinil. Es ist nicht mal sicher, ob die Hirnleistung und Lernfähigkeit bei deren Einnahme wirklich so viel besser sind. Das eigentliche Problem sind aber die vielfältigen Nebenwirkungen, die sogar tödlich sein, und auch mit Sicherheit auftreten können. Denn dies ist leider kein Mythos. Man sollte sich auf das verlassen, was wissenschaftlich eindeutig belegt ist und aus einer sicheren Quelle stammt. So zum Beispiel, dass eine sinnvolle Lebensstilumstellung nicht nur der Gesundheit zu Gute kommt, sondern auch die geistige Leistung schonend und dauerhaft anhebt. Natürlich schadet es einem nicht zu Lesen, Kreuzworträtsel zu lösen oder Karten zu spielen. Man sollte sich jedoch davor hüten, wundersame Intelligenzsteigerungen oder gar das Vorbeugen oder Verzögern irgendwelcher Hirnerkrankungen zu erwarten. Die Freude bei der Tätigkeit sei Belohnung genug.

Dein Feedback ist uns wichtig! Wie können wir die Synapse noch besser machen?

http://www.synapse-redaktion.de/kontakt

Synapse 35


1. Hinterfragen Sie nicht. Wenn eine Autorität Ihnen Anweisungen oder Ratschläge gibt, befolgen Sie sie einfach. Versuchen Sie nicht, eigene Wege zu finden, oder sich weitergehend über die Frage zu informieren. Sie würden dadurch ja nur kostbare Zeit verlieren.

2. Machen Sie alles wie die Anderen. Individualität wird in der heutigen Gesellschaft nicht gerne gesehen. Wozu sich querstellen? So eine grosse Anzahl an Leuten um Sie herum kann sich doch unmöglich irren!

Wie schaffe ich es ein glückliches und erfülltes Leben zu führen? 3. Konsumieren Sie. Denn Konsum macht glücklich, er füllt Ihr Leben aus. Scheuen Sie sich nicht, Schulden aufzunehmen. Und natürlich soll Ihr Nachbar nicht damit prahlen können, dass er den schnelleren PC, die schönere Frau und das bessere Bier hat!

QuickFact

john

y_a

uto

mat ic / Bestimmte erlernte Erfahrungen, wie zum Beispiel das Radfahren, ge/ op hen enc lipa rt.o rg nie verloren, weil sie im Gehirn unwiderruflich gespeichert werden. Die Nervenverbindung wird beim Vergessen nicht abgebaut, sondern lediglich deaktiviert.

36 Synapse

www.synapse-redaktion.de


4. Spielen Sie mit. Geben Sie sich das lange gebrauchte Gefühl der Befriedigung und Macht, indem Sie aus der Ihnen zur Verfügung stehenden, breitgefächerten, Palette an Parteien diejenige auswählen, die ihren Vorstellungen am meisten zusagt. Denken Sie dabei an die Verantwortung die auf Ihren Schultern lastet! Wir leben schließlich nicht umsonst in einem demokratischen Staat, wo der Einzelne Entscheidungsträger ist.

5. Halten Sie sich an die Gesetze. Sie können es nicht besser wissen als die Gesellschaft. Auch wenn Sie denken, dass z.B: Der Konsum von Marihuana zu Unrecht verboten ist, haben Sie sicher nicht alles berücksichtigt. Im Zweifelsfalle sprechen Sie mit Ihrer lokalen Authoritätsperson (z.B: Polizeibeamte) bevor Sie etwas Verbotenes unternehmen. Es ist zu Ihrem Schutz!

Von Maximilian Batz Für J.G.

6. Wissen macht depressiv. Fünf von sechs sogenannten „Intelektuellen“ sind depressiv, haben chronische Schlafstörungen und neigen zum Suizid. Selber schuld, denn sie könnten sich einfach darauf verlassen, dass die Gesellschaft auch ohne Verbesserungen bereits perfekt funktioniert, und statt dessen, in der Zeit wo sie sich das Wissen mühselig aneignen, die Freuden des Lebens geniessen: Ihre Industrie bemüht sich, Ihnen das größtmöglichste Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten anzubieten.

7. Geld ist unwichtig. Dieses Leben ist sehr wahrscheinlich Ihr Einziges! Machen Sie etwas daraus, genießen Sie es in vollen Zügen! Vergessen Sie aber dabei nicht, die Demokratie in Deutschland durch Spenden zu unterstützen.

© Tiffa Day // flickr.com

www.synapse-redaktion.de

Synapse 37


Streiks in Uniklinika von Sebastian Niedermayer

Liebe zukünftige Kolleginnen und Kollegen, wie viele von euch sicher bereits mitbekommen haben, sind die Tarifverhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die die Länder als Eigentümer der Uniklinika vertreten, und der Verhandlungskommission des Marburger Bundes (MB), welche uns Ärztinnen und Ärzte vertritt, seit einigen Monaten ziemlich festgefahren. Daher ist die Wahrscheinlichkeit in den letzten Wochen deutlich gestiegen, dass es in Kürze zu einem landesweiten Streik der Klinikärzte kommen wird.

Warum wollen/müssen wir streiken? Seit dem letzten Tarifabschluss sind wir im Vergleich zu allen anderen Klinikträgern – kommunale wie private Häuser – in Bezug auf das Grundgehalt, umgerechnet auf die vertraglich vereinbarte Wochenstundenzahl, deutlich ins Hintertreffen gelangt – je nach Eingruppierung im Schnitt ca. 3 %, im Extremfall über 10 %. Der direkte Vergleich der Entgelttabellen von Uniklinika und anderen Häusern wird dadurch erschwert, dass sich die Wochenarbeitszeit unterscheidet, auf die sich das Gehalt bezieht. In den Uniklinika haben wir eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden – in den meisten anderen Tarifbereichen bezieht sich die Tabelle auf eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Daher bezieht sich das folgende rechnerische Gehalt auf eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden.

38 Synapse

Vergleicht man nun beispielsweise das Gehalt von Assistenzärzten in der Uniklinika mit dem von HELIOS, bekommt man als Assistenzarzt im ersten Jahr im Uniklinikum 3.706,61 €, bei HELIOS 3.900,00 € (- 4,96 %). Vergleich man die übrigen Stufen der Assistenzärzte und Ärzte, so bekommt man einen ähnlichen Unterschied. Richtig groß wird der Unterschied bei den Fachärzten in der höchsten Stufe – diese bekommen im Uniklinikum rechnerisch 5.864,86 €, bei HELIOS 6.400,00 € (- 8,36 %). Genau diese Gruppe rentiert es sich für die Klinikträger finanziell klein zu halten – denn in dieser Gruppe sammeln sich die Fachoberärzte an, die eine relativ große Gruppe darstellen. Auf der anderen Seite sind das allerdings diejenigen, die mit ihrer Expertise unsere Uniklinik ausmachen und die Studierenden und Assistenten ausbilden. Hier zu sparen führt also auf allen unteren Ebenen zu Unzufriedenheit. Ähnlich sieht die Situation im Vergleich zu Asklepios, Sana oder Röhn aus. Noch größer sind die Unterschiede über die ganze die Tabelle im Vergleich zu Damp (bis zu - 10,66 % für Oberärzte). Die geringeren Bezüge beziehen sich außer auf das Grundgehalt noch in besonderer Weise auf die Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste, die für „Bereitschaftsdienste" in unseren Häusern noch nicht einmal gewährt werden, wobei Bereitschaftsdienste in den meisten Fällen genau in diese Arbeitszeit fallen. So kommt es dann zu der absurden Tatsache, dass wir nachts und am Wochenenwww.synapse-redaktion.de


de nur 95% des Gehaltes bekommen, das wir für die normale Tagesarbeitszeit beziehen - also 5% weniger statt Zuschläge für ungünstige Arbeitszeiten zu bekommen.

Hierfür fordern wir Änderungen: •

Das Grundgehalt soll angehoben werden, damit die Unikliniken wieder konkurrenzfähig werden.

Nacht- und Wochenendzuschläge sollen deutlich angehoben werden auf 25 % des normalen Stundensatzes - und auch für Bereitschaftsdienste gelten.

Ausweitung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags auch auf unsere Kollegen im Betriebsärztlichen Dienst und in JVAen (bisher werden diese schlechter bezahlt).

Änderung der Tabellenstruktur: zusätzliche Stufen für Assistenzärzte und Fachärzte nach den bisher letzten Stufen. Zahnärzte werden z.B. nie Fachärzte und damit ihr Klinikleben lang nach den Assistenzarztstufen bezahlt – auch die „Funktionsoberärzte“ der Zahnärzte

Warum kommen wir damit auf euch zu? Eventuell kommende Streiks werden auch Offizielle Streik-Infoseite des MB euch betreffen, da hiervon leider aller Vor- http://www.tdl-tarifrunde.de aussicht nach auch die Lehre betroffen werden wird. Um das möglichst zu vermeiden werden wir in Kürze ab 5 vor 12 eine aktive Mittagspause machen - also unsere Mittagspause öffentlichkeitswirksam bestreiken. Damit wollen wir der TdL klar machen, dass wir die Forderungen ernst meinen. Hierzu seid natürlich auch ihr herzlich willkommen. Denn es geht um unsere gemeinsame Zukunft. Bereits bei den ersten Tarifverhandlungen, die der MB für uns geführt hat, haben die Studierenden auf den Demos eine wichtige Rolle gespielt – je mehr Weißkittel auf der Straße sind, desto mehr Wirkung hat die Aktion. Dies gilt natürlich auch für alle zukünftigen Aktionen, über die wir euch über den Semesterverteiler auf dem Laufenden halten. Herzliche Grüße, Sebastian ehemaliger Fachschaftssprecher - jetzt Assistenzarzt im Klinikum der LMU München

Ein weiterer Dauerbrenner ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Termine 2011

17.2

Semesterende Physikum Frühjahr 2012 Hammerexamen Frühjahr 2012

11.10 bis 13.10

ESI-Einführung

13.3 und 14.3

17.10

Semesterbeginn WS 2011 / 2012

17.4 bis 19.4

20.10

Anmeldefrist für den Kurs Arzt und Zukunft Arzt-und-Zukunft@med.uni-muenchen.de

15.11

19:00

Modul 23 Kino „The Experiment“ Vorlesungssaal, Chirurgie Innenstadt Nussbaumstr. 20

30.11

12:00

Anmeldefrist für das PJ mit Beginn zum Sommersemester 2012

15.12

Bewerbungsfrist für Forschungs- und Famulantenaustausch über die bvmd

24.12 bis 06.1

Weihnachtsferien

www.synapse-redaktion.de

Fachschaftssitzungen an der LMU: In der Fachschaftswohnung der BLG, während des Semesters Donnerstags ab 19:00 Fachschaftssitzungen an der TU: In den Fachschaftsräumen während des Semesters Montags ab 18:00

Service

Rückmeldefrist für das Sommersemester

Alles Wichtige auf einen Blick

6.2

Bonus

Anmeldung zu den Kursen des ZHS - Zentraler Hochschulsport in München http://www.zhs-muenchen.de

ab 4.10

Termine 2012

Online Service http://www.synapse-redaktion.de/service

Synapse 39


30 € Lehmanns Gutschein für die beste wahre Geschichte* * Für die beste wahre Geschichte die wir in der nächsten Ausgabe abdrucken – d.h. ein ungewöhnliches, Lustiges oder interessantes Ereignis aus Deinem Leben, es muss Dabei nicht unbedingt medizinisch sein, darf aber – erhält der Autor einen Gutschein von Lehmanns im Wert von 30 Euro. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, Mitglieder der Redaktion dürfen an der Aktion leider nicht teilnehmen. Schickt uns eure Geschichten an: wahre-geschichte@synapse-redaktion.de

Das Gehirn macht etwa 3% der Körpermasse aus, verbraucht aber im Ruhezustand ca. 20% des Sauerstoffs. Das ist im Verhältnis gesehen sehr großer Luxus.

Gustavo Rezende // openclipart.org

QuickFact


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.