Synapse 54

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Ausgabe 54 // Januar 2010


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Inhalt & Impressum

Synapse 54

Editorial

Der Sinn des Reisens ist, an ein Ziel zu kommen, der Sinn des Wanderns, unterwegs zu sein. - Theodor Heuss

Es gibt nichts Neues unter der Sonne – alles wiederholt sich. Regierungsformen, Steuererhöhungen, Sonnenuntergänge und der Kreislauf des Lebens. Auch diese Synapse ist wiederum eine Variation auf ein die Menschheit ewig beschäftigendes Thema: Mann und Frau. In den meisten Geschichten mit Happy End steht schon auf der ersten Seite fest, was am Schluß passiert – beispielsweise wer mit wem zusammenkommt. Das besonders faszinierende und begeisternde an diesen Geschichten ist aber nie das Ergebnis sondern immer der Weg dahin. Auf welche Art und Weise passiert es? Welche neuen überraschenden Wendungen haben sich die Autoren einfallen lassen? In diesem Sinn wünschen wir, das Redaktionsteam, Euch, liebe Leser, viel Genuß beim Entdecken neuer Variationen auf ewige Themen, und beim Wandern durch unsere Seiten!

© duchesssa, sxc.hu

für die Redaktion

+ Inhalt

Thema 3 Anios und Europa 8 Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling 9 Frau - Deutsch für Anfänger 9 Träumen erlaubt 10 Ab wann ist man ein Mann? 11 Mann - Deutsch für Anfänger 12 Total Porno! 14 Online-Dating 16 Sexuelle Belästigung 18 Dascha 22 In den Tiefen Gandhis

Studium und Arbeit 15 24 26 28 31 31 32

Die Besetzung PJ in Paraguay Doktorarbeitserlebnisse Medizin und Medien Beim Arzt Damals MV Made in Rostock

Leben und Kultur 21 21 34 36 37 37 38 38

Ich bekomme einen Schock Kuhurin als Nationalgetränk?! Gleich um die Ecke Experiment Mensch Vom Tee Museum Brandhorst Kultur: Unsere Geheimtips Alles nur Theater?

Impressum Redaktion Sigrid Barth, Maximilian Batz, Anna Gebert, Elena Gottlieb, Shari Langemak, Sophie Schlosser, Ivo Straßer Gastbeiträge Olga Batz, Wolfgang Brummeisl, Ammiro Gonzaléz (Capsis.de), Anja Görlitz, Natalie Grisin, Marie Tzschaschel Herausgeber Breite Liste Gesundheit Pettenkoferstraße 11 80336 München Tel.: (089) 51 60 89 20 Fax: (089) 51 60 89 20

infos@fachschaft-medizin.de Bildnachweis absolutvision.com, DATY, deviantart.com, EssexPharma, istockphoto.com, learnaboutbutterflies. com, sxc.hu, Wikimedia Commons, eigene Werke.

Auflage: 3.000 Exemplare Druck: Druckerei Miller, Traunstein Satz: Maximilian Batz Danke an alle, die mit mir die Nacht verbrachten!

www.synapse-redaktion.de Sunset Surfer © frank23sj, sxc.hu


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Anios und Europa Von Ivo Strasser

Eros (Piccadilly Circus, London) © track5 || istockphoto.com

© metrovista, sxc.hu

Anios läuft mit federnden Sprüngen auf staubiger Straße entlang des wilden, großen Baches, dessen Brausen und Rauschen schon seit Urgedenken dieses Tal der Stille beraubt. Der Wind spielt mit den Blättern der vielen Bäume, welche die Straße mit flirrenden Schatten beflecken und die gleißenden Strahlen der hohen Sonne tanzen lassen. Der Schweiß des Anios fängt den Staub und verleiht seinem wohlgeformten Körper ein naturgegebenes Kleid. Keinen Stoff trägt er am Leibe, denn er ist Athlet und kehrt vergnügt vom Ringkampf zurück, den er mit Freunden auf einer Lichtung im Tal vollzogen hat.

Zumal er unter Griechen ein Sonderling ist, ein Fremder. Als jugendlicher Soldat war er in die Fänge des Krieges geraten und von seiner Heimat in Persien in dieses Land verschleppt worden. Seine außergewöhnliche Schönheit und tugendhaftes Gebaren brachten ihm die seltene Gnade, mit Rechten und Pflichten der Griechen beschenkt zu werden. Aber er pflegt nur wenig an Vergangenes zu denken. Im Hier und Jetzt will er verweilen, ist gänzlich den Dingen um ihn herum verbunden, gleich einem Kinde, das mit unschuldiger Neugier und freudiger Verspielheit eins ums andere die Geheimnisse der Welt zu lichten vermag.

Dieses Tal, welches nahe der Stadt liegt, ist erfüllt vom Treiben der Menschen, die freudvoll ausgelassen zwischen Felsen, Sträuchern, Bäumen und Freunden den Tag genießen oder zahlreich die große Handelsstraße beleben, um allerlei geschäftlichen und anderen Belangen nachzukommen. Durch die Scharen all der Leute läuft der junge Anios und ist seiner Blöße wegen keineswegs beschämt. Seit jeher ist ihm bewußt, daß dies bei Athleten gern gesehen ist, und ihm die Anmut seiner Schönheit wohl zu Ehren ist in den Augen vieler Menschen.

„Die Welt gibt sich freundlich heute” denkt er, „doch an jeder Freude hängt auch Müh‘.” Mit verständnisvollem Wohlwollen betrachtet er die Leute, wie jeder einzelne benommen von Lüsten, Ehren, Glück und Sorgen sein Leben bestreitet. Er passiert einen Trupp Soldaten, die sich mit ihren Rüstungen in der Hitze plagen, während ihre Lanze die Äste der Bäume kitzeln. Ihm gleichen sie hinter ihren vielfarbenen Rundschildern wie krabbelnde Käfer. Er setzt seinen Lauf fort und lässt den Blick in die Landschaft schweifen. Sieht die Zeit gefroren in gigantischen Felsen, erblickt im Efeu den Schneider des Waldes, wie er manchen Baum bekleidet, kostet im Geiste von der schattigen Quelle und würdigt die rote Blüte einer vom Staub bedeckten Blume am Wegesrand. Hört das Laufen der Zeit im Wasserrauschen, lauscht lernend den mannigfaltigen Stimmen der Natur, vernimmt die Stille in allen Geräuschen. Das enge Tal öffnet sich und der Laubwald geht in Hänge mit vom Sommer verdorrten Wiesen über. Anios verlässt die Straße und hechtet mit großen Schritten durch das teils stoppelige Gras, welches ihm seine baren Füße wundig reißt. Etwas verborgen windet sich ein klares Bächlein durch die Furchen der Hänge. Anios kennt dieses Idyll mit seinen Kaskaden und Gumpen – er pflegt dort zu baden wenn er in diese Gegend kommt. Das größte Becken der Gumpen hat er im Sinn. Er legt die letzten Schritte zurück und gelangt zu einer Kante, an derem Fuße das Becken umsäumt von Feigenbäumen liegt. Sein Blick fließt mit dem Wasser die Kaskaden herab und fällt in das Becken hinab, wo er vor Überraschung innehält.

Halb im   Schatten, halb der Sonne ausgesetzt, sitzt eine Frau in ihrer Blöße auf den flachen Ufersteinen und streift Wasser aus ihrem langen, dunklen Haar. Sie scheint ihn nicht bemerkt zu haben. Ihre schöne Erscheinung bindet Anios Augen. Hitze spürt er augenblicklich in seiner Brust aufwallen, während Ströme der Erregung durch seinen Körper schießen. Liebe, Lust, Verzückung färben sein Bewußtsein, werden stärker, gar verzaubernd. Anios huldigt sie im Geiste: „O, wie geschmeidig und bedacht du deine zarten Hände führst, wie wohl gezeichnet und eigen dein sanftes Gesicht, o, die Tiefe deiner Augen möcht‘ ich ergründen. Deutlich seh ich, wie kräftig und weiblich dein Körper ist und deine Brüste, prall wie Früchte. Deine Beine gleichen den schlanken hohen Säulen deines Tempels der Lust, in den einzutreten ich mich kaum erwehren kann.” Benommen vom Überschwall der Gefühle beginnt er zu wanken, zu taumeln. Er ist glücklich, aber nicht mehr Herr über sich selbst. Durstig und verwirrt vom flirrenden Spiegeln der grellen Sonne im unruhigen Wasser verliert er den Halt und stürzt kopfüber die hohe Erdstufe hinab ins Becken. t

Kühles Nass umspült ihn und wäscht augenblicklich den Rausch von ihm ab. Prustend und nach Orientierung suchend kämpft er sich ans Ufer, wo er völlig überrumpelt liegen bleibt. Indes ist die Frau erschrocken empor gesprungen, nicht wissend, was um sie herum geschieht. Sie flüchtet sich hinter den Feigenbaum, wo ihre Kleider hängen und lugt vorsichtig hervor. Wie sich der Staub des Sturzes legt, sieht sie den Jüngling sich ans Ufer ziehen. Jetzt, wo dieser erschöpft am Boden liegt, kommt sie zögerlich hervor und kniet sich vorsichtig an seine Seite. „Was ist mit dir geschehen? Wer bist du?” fragt die Frau nach einigen Momenten. Anios hört ihre milde Stimme und lächelt, obwohl die Wunden des Sturzes brennend schmerzen. Mühsam wälzt er sich auf den Rücken. Er erblickt ihr Gesicht nah dem seinigen zugewandt, von der Sonne hell umstrahlt und da © lusi, sxc.hu


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© 626, sxc.hu

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.... Wir sind wie die Bienen, die ihren Nektar der Liebe von vielen statt nur einer Blume sammeln.

muß er seinen Kopf wieder senken, muß sein Lächeln in ein Grinsen zerren, muß lachen und immer lauter lachen, bis auch sie, diese ihm so unbeklommen zugewandte Frau, ganz lauthals zu lachen beginnt. Tränen der Heiterkeit tropfen ihnen von den Wangen in den Bach und Anios, der nun wieder zu seiner gelösten Form zurück gefunden hat, fängt keck ihre Tränen mit der Fingerspitze und streicht sie sogleich über ihre vollen Lippen. Noch ehe sein Finger von ihren feuchten Lippen gleitet, schnellt Anios nach vorn und schenkt ihr einen wonnigen Kuß. Sie, gänzlich überfallen von seinem frechen Zug, gibt sich seiner Eroberung willig hin und genußvoll laben sie sich am anderen Munde als äßen sie von den reifen Feigen der Bäume ringsum. t „Eros muss mich wohl diesen Abhang hinab gestoßen haben. Mein Name ist Anios und wie lautet der deinige?” spricht Anios, nachdem beide geraume Zeit den süßen Geschmack der Liebe gekostet haben. „Viele nennen mich Europa, wenn auch mein bürgerlicher Name anders lautet. Doch dieser ist ohne Belang. Für dich bin ich Europa”, erwidert Europa geschwind. „Dies ist ein Name mit Gewicht. Wie kommen diejenigen, die dich kennen, darauf, dich so zu heißen? Hast du etwa den Zeus verführt?” fragt Anios daraufhin recht amüsiert. „An mir ist nichts bemerkenswertes, ich trage weder Ruhm noch Ehre. Ich stamme aus der Stadt, in der mein Mann und ich ein Haus genommen haben. Er ist Kaufmann und oft auf Reisen. Wir sehen uns selten. Umso höher rechne ich ihm an, daß er viel an mir findet, wo doch die Natur mir das Gebären von Kindern verwehrte. Wir lieben einander innig und bedingungslos. Ich fürchte nicht, er könnte Falsches mit mir spielen, denn sein Herz ist rein, aufrichtig und von großer Edelheit. Er schenkt mir viele Freiheiten, zumal ich keine Kinder groß zu ziehen habe und noch vielmehr, weiß er, daß ein

reger Geist mich leitet, und ich hinter Mauern nur verkümmern würde. Gerne gehe ich in die Natur hinaus um mich ihrer Schönheit hinzugeben. An stillen Orten wie diesem lasse ich meinen Geist fliegen wie den Falken – frei und hoch. Europa nennt man mich, da meine Wissbegier in der Erde des Unbekannten wühlt und mein scharfes Denken wie der Pfeil des Schützen ist, der auch weit entfernte Ziele im Raum des Denkbaren zu treffen vermag. Vielleicht frägst du dich soeben, wie ich es zulassen konnte, daß du mich so leidenschaftlich küssest. Noch dazu liege ich bei dir mit keinem Stoff am Leibe als diesem dünnem Tuch. Und rede dann von Worten die nach Treue zu meinem Manne duften.“ gibt Europa Anios zu verstehen. “Das ist in der Tat sehr ungewöhnlich. So erkläre mir die Bewandtnis deiner sonderbaren Treue, die du von dir behauptest!” entgegnet Anios.

Es ist mir eigentlich ganz arg zuwider, doch hängt mein Schicksal an seiner Gnade. Schon lange sinne ich über Mittel und Wege, mich aus dem Leben an diesem Ort davon zu machen – allerdings will ich den Griechen kein Unrecht tun. Sie verstehen sich auf viele Dinge und reichlich hab ich von ihnen lernen dürfen. So ist es nicht von ungefähr, daß ich zu allererst erwähnte, mich in der Philosophie zu ü b e n . Sie ist mir die liebste Disziplin. Arsedion schickt mich auf die Schule der Philosophen, damit ich Geschicke im Reden, Gestikulieren und Denken erwerbe.

Er sieht mich schon als beEuropa fährt weiter fort: deutsamen Politiker, als Dip“Nun hör zu. Es ist eines Europa mit Stier lomaten in Persien gar! Aber er der Geheimnisse der Staatliche Antikensammlungen will nicht begreifen, daß mein München Liebe zwischen meiKopf über die Landesgrenze zunem Gatten und mir, rück nach Griechenland gerollt daß wir einander ohne käme, würde ich dort nur einen Fuß Sorge gewähren, jeden auf deren Boden setzen. Für meine perMenschen, ob Mann oder Frau, so stürmisch liesischen Brüder bin ich ein Verräter. ben zu dürfen wie es uns nur möglich ist. Wir sind Sei‘s drum, jetzt will ich auf deine wertvollen Worwie die Bienen, die ihren Nektar der Liebe von te kommen. Ein paar Fragen will ich dir stellen.“ vielen statt nur einer Blume sammeln. Deshalb gewinnt dieser Nektar stetig an Menge und Würze. t Gleich den Bienen, die den Stock eins ums andere Mal wieder aufsuchen, kommen auch mein Mann „Wie kannst du dir gänzlich sicher sein, daß und ich stets aufs neue zusammen, um uns den fridein Mann dich nicht betrügt? Er kann dich auf schen Nektar zu schenken. Dankbar bin ich, daß noch so edle Art bezirzen. Daraus ergibt sich die wir uns diesen heilenden Nektar nicht mit Eiferentscheidende Frage, ob ihr die Liebe, die ihr so sucht, Argwohn und Lüge vergiften. Merke dir das freigiebig mit allen Wesen teilt, im Geist oder mit eine: befreite Liebe ist die wahre Liebe. Soweit, dem ganzen Leibe lebt? Ich will dadurch auch auf nun habe ich vorerst genug gesprochen. Wie steht folgendes hinaus, ob du schon den Denker Plato es um dich, mein lieber Anios?” und eines seiner Werke, das Symposion, zu Gehör Anios, sichtlich beeindruckt vom Reden Europas, erwidert mit andachtsvollen Tone, den er für gewöhnlich für tiefer schürfende Gespräche wählt: „Ich bin wahrlich erstaunt über deine Gabe, derart weise zu reden und es überdies mit fein gewählten Worten auszuschmücken. Nie habe ich eine Frau so reden hören. Ich selbst bin Schüler der Philosophenschule dieser Stadt und wie du an meinem Antlitz sicherlich erkannt hast, bin ich aus ferneren Gefilden, aus Persien, um genau zu sein. Geraubt hat mich einst der Heerführer Arsedion aus dieser Stadt, aber im Gegenteil sollt‘ ich ihm den Dank erweisen und sagen, daß er mich vor sicherer Sklaverei gerettet hat. Im Felde standen wir uns damals gegenüber – den Sieg errangen die Griechen über uns in jenem unbedeutenden Scharmützel. Ich war gefangen, doch er begnadete mich aufgrund meiner leiblichen Schönheit und Tapferkeit im Kampfe.

Persian Warriors © FrankvandenBergh || istockphoto.com

Wenig später begriff ich, welch Ansinnen ihn trieb, daß er es so gut mit mir meinte. Er fühlt sich zu den Jünglingen hingezogen, liebt sie sogar in der Weise wie zwischen Mann und Frau. Da ich aber nicht sein Sklave bin, steht es mir frei, auf seine Wünsche einzugehen und manchmal bin ich ihm genehm, jedoch niemals über einen bestimmten Grad hinaus.

bekommen hast? Nun bitte sprich.” Europa hört ihm aufmerksam zu, während sie ihn sanft am gesamten Körper streichelt. Bisweilen küsst sie ihn auf die Stirn und ist ihm nah. Sie ergreift abermals das Wort: „Zur ersten Frage will ich sagen, daß ein ängstlicher Charakter oft genug den Argwohn gebärt und dergleichen Unterstellungen keinen Halt in den Tatsachen finden. Zu unterschätzen ist keinesfalls die innere Ahnung, die meiner Erfahrung nach die Ratio wesentlich ergänzt. Lass meinen Mann also meine Sorge sein. Zur zweiten Frage folgendes. Die Liebe im Geiste und Gemüt ist pur und Purheit strebe ich vor allem an. Die Liebe zwischen meinem Mann und mir ist pur und von leidenschaftlicher Lust begleitet. Aber auch die Liebe zu dir und allen Dingen der Welt ist pur. Der Grund, warum ich mit dir den letzten Liebesakt nicht vollziehe, ist rein pragmatischer Natur. Von meinem Manne weiß ich, daß viele seiner Zunftgenossen sich allzu sehr mit anderen Frauen vergnügen, wenn sie auf Reisen sind. Sie kehren zurück mit allerlei Krankheiten, die ohne Zweifel von ihren Ausschweifungen stammen müssen. Unser Leben aber wollen wir nicht durch ungezügelte


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© 195617 || sxc.hu

Es ist nicht bloß die Schönheit des Leibes, die mit den Augen des anderen die Liebe zeugt ... Lust verderben. Dies verstehst du doch, Anios, nicht? Das Symposion von Plato kenne ich nicht, darum bitte ich dich, es mir zu erklären. Wie du weißt, haben Frauen, außer den Hetären, keinen Zutritt zu den Philosophen.” t Anios schmunzelt. Ihm offenbart sich Europa wie ein dickes Buch, in der jede Seite Neues zu entdecken verspricht. Wie Europa selbst sehr weise zu verstehen gibt, ist es wohl seine Ahnung ihres edlen Geistes, die ihn nebst ihrer Schönheit so in Liebe schwelgen lässt. Er spricht: „Liebste Europa, ich bewundere deine Weisheit sehr. Umso mehr schätze ich dabei, daß du deine klugen Worte auch mit deinen Händen sprichst, will sagen, daß du danach lebst. Ich nehme deine Bitte an, den Liebesakt zwischen uns beiden zu lassen. Verstanden hab ich, daß sich dahinter der Kern der Weisheit verbirgt, nämlich das Leben so zu führen, daß es einem zur Erlangung der höchsten Bestimmung dient. Du willst in allem zu Höherem gelangen und dich nicht durch Schwäche und Liderlichkeit dem Tod und Verderben überlassen. Eben dies ist‘s, was ich mir aus deinem Munde erhoffte, eben dies ist‘s, warum ich so glücklich bin, auf ein solch gediehenes Wesen wie dich gestoßen zu sein, und eben dies ist‘s, weswegen ich dir nun vom Symposion Platons erzählen will. Ferner will ich dir ein Geheimnis verraten, ein Geheimnis, dessen Eingeweihter ich vermutlich der Einzige in ganz Griechenland bin. Ich lernte es in Persien von einem großen Weisen, der von den Ufern des großen Stromes Indus stammt und damals an den Ort meiner Kindheit reiste um dort und anderswo seine Lehre zu verkünden. Aber zuerst zu Plato.” t In diesem Moment zieht Anios Europa fest an sich heran und dreht sie so, daß er sich bäuchlings an ihren Rücken schmiegt. Der Nachmittag ist bereits weit voran geschritten und erste kühle Schatten kriechen in die Senke des Baches. Ani-

os schlüpft deshalb unter ihr hauchfeines Tuch und hält sie fest umschlungen. Sodann flüstert er ihr ins Ohr: „Alkibiades, der wunderschöne, geniale Jüngling und junge Stern Athens glaubte, sein Lehrer Sokrates, der große Denker, sei seiner Schönheit verfallen, weshalb er ihn als Liebhaber wie der Pfau sein Weibchen warb. Schlußendlich gelang es ihm, mit dem Sokrates des Abends allein zu sein und er wähnte sich am Ziele. Alkibiades brachte sein Ansinnen mit folgenden Worten zu Ohren: ‚Du allein scheinst mir ein Liebhaber zu sein, der meiner würdig ist ... Ich halte es für ganz unsinnig, dir nicht auch darin zu Willen zu sein ...; denn mir ist nichts wichtiger, als dir so gut wie möglich zu

werden; dafür aber, glaube ich, gibt es keinen berufeneren Helfer als dich.‘ Und Sokrates antwortete ihm: ‚Mein lieber Alkibiades, du scheinst mir wirklich nicht übel zu sein, wenn das wahr sein sollte, was du über mich sagst und meine Kraft in mir, durch die du besser werden könntest. Denn dann sähest du eine unermeßliche Schönheit in mir, die sich ganz und gar von deiner Wohlgestalt unterscheidet. Wenn du das aber nun einsiehst und doch versuchst, mit mir in Gemeinschaft zu treten und Schönheit gegen Schönheit einzutauschen, dann gedenkst du mich nicht wenig zu übervorteilen. Du versuchst, statt des Scheines die Wahrheit über das Schöne zu gewinnen, und du denkst tatsächlich, Gold gegen Erz einzutauschen. Aber sieh genauer zu, mein Bester, damit dir nicht etwa entgehe, daß nichts an mir ist.‘

Nein, wie Sokrates dem Alkibiades fast spöttisch zu verstehen gibt, ist es vielmehr die Edelheit des Geistes und Charakters, die in ihm die Liebe weckt. O, Anios, du äußerst kluger Mann, mein Ziel, die Menschen vor allem dem Wesen nach zu lieben, hast du erkannt und spiegelst es mit dieser Erzählung.” Tränen, Tränen der Verbundenheit, rollen Anios über die lächelnden Mundwinkel. Abermals beweist Europa, daß ihre Seelen auf gleicher Stufe stehen. Er küsst sie und noch während ihre Lippen aneinander haften, haucht er ihr zu: „Für wahr, Europa, dein Geist ist so klar wie das junge Wasser dieses Baches, aber gleichsam ist er schon gar weit geflossen als wäre er das Wasser eines mächtigen Stromes. Doch lass uns die Sache noch bis zur Gänze spinnen. Ist dir der Name Diotima von Mantinea ein Begriff?”

Daraufhin erwidert Alkibiades entschlossen: ‚Was mich angeht, so bleibt es dabei; ich habe nichts anderes gesagt, als wie ich es meine. Du selbst nun beschließe, wie es dir für dich und für mich am besten dünkt.‘ Sokrates im Gegenzug: ‚Du hast wohl gesprochen; denn in Zukunft wollen wir beschließen und tun, was hierin und in allem andern uns beiden das Beste scheint.‘ Nachdem Alkibiades dies gehört hatte, dachte er, Sokrates ein Stück weit für sich gewonnen zu haben und beide begaben sich aufs Nachtlager, wo sie gemeinsam unter ihren Mänteln lagen und Alkibiades hielt Sokrates mit beiden Augen fest umschlungen. Trotz alledem erzählte Alkibiades im Nachhinein: ‚Obwohl ich aber dies tat, blieb mir dieser so sehr überlegen, und er verachtete und verlachte meine jungendliche Schönheit ... Denn bei den Göttern und den Göttinnen, ihr müßt wissen: Nachdem ich neben Sokrates geschlafen hatte, stand ich nicht anders auf, als wenn ich neben meinem Vater oder meinem älteren Bruder geschlafen hätte.‘ Europa, diese Geschichte habe ich tief in mein Gedächtnis gemeißelt, weil aus ihr mehr heraus zu lesen ist als aus mancher großen Bibliothek. An dieser Stelle kommt auch der Weise vom Indus ins Spiel, aber ehe ich mit alldem fortfahre, möcht ich deine Meinung wissen von der Geschichte.” t Europa dreht sich augenblicklich um. Ihre Augen funkeln und ihr warmer Atem streichelt Anios Gesicht. t Mit schneller wie erregter Zunge spricht sie: „Anios, genau das ist es. Es ist nicht bloß die Schönheit des Leibes, die mit den Augen des anderen die Liebe zeugt. Sokrates © Vincent Lillis || deviantart.com

Caria mantinea © learnaboutbutterflies.com White Lilium © analab01 || sxc.hu

„Die Seherin, nicht wahr?“ flüsterte Europa, während blutrotes Licht am Himmel vom Sterben der Abendsonne kündet. „Ganz recht, die Seherin. Sie steckt hinter der Weisheit des Sokrates, die dieser dem unwissenden Alkibiades schenkte. Sie hat Sokrates einmal darüber belehrt, was der wahre Kern des Eros sei, indem sie sagte: ‚Wer in rechter Weise darauf zugeht, der muß in der Jugend damit beginnen, sich den schönen Leibern zuzuwenden. Zunächst muß er, wenn er richtig geführt wird, einen einzigen Leib lieben und da schöne Worte zeugen. Sodann muß er bemerken, daß die Schönheit irgendeines Leibes der eines anderen verschwistert ist; daß es ferner ... von großem Unverstand zeugen würde, wenn man nicht die Schönheit in allen Leibern für ein und diesselbe hielte. Wenn er das begriffen hat, wird er sich als Liebhaber aller schönen Leiber zeigen, und er wird es verachten und gering davon denken, einem einzigen allzusehr nachzugeben. Darauf wird er die Schönheit in den Seelen für wertvoller halten als die im Leibe. ... Dadurch wird er gezwungen sein, auf das Schöne in den Lebenshaltungen und in den Gesetzen zu achten und zu sehen, daß all dies miteinander verwandt ist, ... Indem er nun die Schönheit in ihrer Vielfalt schaut, wird er nicht nur einem einzigen dienen ... Er wird sich vielmehr auf das weite Meer des Schönen begeben und im Schauen viele schöne und großartige Worte und Gedanken gebären, in neidloser Liebe zur Weisheit, bis er dann gekräftigt und


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erwachsen jene einzelne Erkenntnis erblickt, die auf das Schöne als solches geht ...

geworden, zur ein und derselben Person, zu einer höheren Einheit.”

„Sag mir, Anios, was ist dieses Schöne?”, frägt Europa ruhig.

Nunmehr in den Dingen der Liebe zum Ziel gelangt, wird er plötzlich etwas Wunderbares und seiner Natur nach Schönes erblicken ... Es ist zum ersten immerseiend, weder entstehend noch vergehend, weder wachsend noch abnehmend; sodann ist es nicht bald schön, bald häßlich ... Es ist vielmehr in der Weise immerseiend, daß es selber, mit sich selber, eines einzigen Wesens ist. Alles andere Schöne aber hat an ihm in gewisser Weise teil ...

t

Anios bleibt unbewegt, zu sehr ist er in Europa versunken. Kaum anteilnehmend an seinen Gedanken, die mehr von selbst herangeflossen kommen, spricht er mit hauchender, langsamer Stimme:

Denn das heißt, auf rechte Weise auf die Dinge der Liebe zugehen, oder von einem anderen dahin geführt werden, daß man von jenem einzelnen Schönen ausgehend, des Schönen selber wegen, immerzu gleichsam auf Stufen aufzusteigen beginnt: von einem schönen Leib zu zweien und von zweien zu allen, von den schönen Leibern zu den schönen Lebenshaltungen, von den Lebenshaltungen zu den schönen Erkenntnissen, von den Erkenntnissen schließlich zu jener Erkenntnis, die sich auf nichts anderes bezieht als auf jenes Schöne selber ...

Dann bricht Anios seine Ausführungen ab. Zu sehr ist seine Kehle heiser und sein Mund trocken geworden. Er windet sich sachte von Europa los, von der er nicht weiß, ob sie in andächtiges Schweigen verfallen ist oder schon schläft, und tritt ans Wasser um seinen Durst zu stillen. Alsbald kehrt er zurück. t Die Nacht ist hereingebrochen und der Vollmond taucht die Landschaft in bleichen Schimmer. Grillenzirpen erfüllt das Tal. Inzwischen hat Europa ihre übrigen Kleider her gebracht und sitzt nun fest auf auf dem Schoße Anios‘ und umhüllt beide mit ihren Tüchern. Es ist kühl geworden.

Dies, Europa, ist der wahre Kern des Eros, aber gleichsam das wahre Wesen der Philosophie, wie ich meine, denn in beidem strebt der Mensch nach dem Schönen, dem Höchsten. So lässt sich sagen, daß die Philosophie an sich eine Form des Eros ist.

Der Eros beliebt zu zeugen. Wer aus seiner inneren reifen und reineren Seele heraus einen Drang zur Zeugung entwickelt, überträgt diese auf das Ziel, einer anderen schönen oder schöner werdenden Seele zum Wachstum, zur Erziehung und letztlich zu einer höheren Daseinsstufe zu verhelfen. Dabei bleibt der Zeugende nicht unbeteiligt, ist selbst Betroffener dieser Verwandlung, er zeugt sich selbst zu einem neuen, tugendhafteren, göttlicheren und somit unsterblicherem Wesen. Die Kinder dieses besonderen Zeugungsaktes, der Selbstverwandlung, sind nicht wie die Kinder der rein körperlichen Zeugung vom Zeugenden selbst getrennt, sondern Teil von ihm. Der Zeugende zeugt sich selbst zu neuem. Da er darin der anderen, ihm so lieben Seele hilft, ist sein Kind sogleich das Kind im anderen, sie sind darin sozusagen verschmolzen, sind zu ein und demselben Kind

Plato schrieb, die Urbilder aller Dinge bekäme jeder Mensch vor dem irdischen Leben von den Göttern gezeigt. Erkenne er die Urbilder auf Erden wieder, erinnere er sich seines Vorlebens und schwinge sich vielleicht auf, zu den Gefilden der Götter zurückzukehren. Demnach seien alle irdischen Dinge Abbilder der immerseienden, vollkommenen Urbilder und selbst von geringerer Wirklichkeit. Jetzt ist es an der Zeit, über den Weisen vom Indus zu erzählen. Höre nun besonders aufmerksam zu, denn er konnte die Antwort geben, auf die du innigst hoffst.“ t

Hier, wenn irgendwo, ist das Leben für den Menschen lebenswert; denn er schaut nun das Schöne selber.‘

Der Wille zur Unsterblichkeit bringt den Aufschwung vom Schönen zum unvergänglich Schönen, dem Urbild desselbigen.

„Eine Idee, Europa, eine Idee. Das Schöne ist eine Idee. Die Idee ist das Urbild des Schönen.

Anios, verspürt Europas warmen, kräftigen Unterleib dem seinigen fest angedrückt und fühlt ihr starkes Herz ganz warm an seiner Brust schlagen. Erregung wallt in ihm. Dennoch haften seine Sinne an dem anmutigen Gesicht der Europa mit ihren vollen, feuchten Lippen, den dunklen, etwas versenkten Augen, den kräftigen Wangen und ihrem dichten, langen, gelocktem Haar. Sein Blick verliert sich in ihren Augen, wo er die Ewigkeit zu schauen hofft.

„Als ich ein Jugendlicher war und bei meinen Eltern aufwuchs, kam eines Tages dieser sonderbare Mann in unsere Stadt, die nicht fern der östlichen Grenze des Persischen Reiches liegt. Er trug feine Kleider und war nicht ohne Mittel. Er erschien uns allen zuerst wie ein Kaufmann auf Reisen. Doch war er weder schreierisch noch tätigte er Geschäfte mit anderen Händlern. Im Gegenteil, ungewöhnlich ruhig in Wort und Tat war er, fast unscheinbar. Er befand sich Tag ein Tag aus am Tempel und hatte wenige Menschen um sich geschart, wobei auch Frauen unter ihnen waren. Die Priester gaben sich offen und duldsam. Wohl lauschten auch sie seinen Worten. Ich begab mich zu seiner Runde und würde nicht mehr von ihm lassen. Der Klang seiner Stimme war milde, unbeschreiblich milde, aber kraftvoll. Als vermengten sich in ihr die Stille und das Lärmen des Chaos zugleich. Seine Worte waren äußerst bedacht und klar. Jedes von ihnen war beladen mit Weisheit wie die großen Seeschiffe am Meer. Obwohl Menschen verschiedenster Berufe und Geltung bei ihm waren, gelang es ihm, bei jedem unter ihnen das Gefühl zu erwecken, den Grund ihres Herzens zu erreichen. Eine Aura ging von ihm aus, die sich jeglicher Beschreibung entzieht. Er war nicht hier, um große Worte zu schwingen, nein, er nahm sich aller Menschen an, die ernsthaft seine Lehre verfolgen wollte. Auch ich gehörte dazu und seitdem trage ich Wesentliches in meinem Herzen, in meinem Geist.

Unendliche Einheit © Ivo Straßer

Er hatte in tiefer Versenkung seine innigste Seele offenbart und hinter die Kulissen dieser Welt geblickt. Diese Welt wie wir sie sehen ist nichts als Trug

Mitte der Seite: Mandala window © hapekla, sxc.hu

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Anios und Zeit eine Illusion. Er hat die Einheit aller Dinge erkannt. Eine Einheit, die aus einem gemeinsamen Ursprung entspringt, einem Ursprung, der das einzig immerseiende ist. Dieses immerseiende, einzig wahrhaftig Existierende, nennt er Gott. Er ist auf dem Boot wahrer Worte unter dem Wind der Neugier im Segel der Disziplin auf den Ozean des Universums hinausgefahren und hat seine Seele in den ewigen Fluten versenkt. Dennoch ist er nicht gestorben. Seine befreite Seele belebte weiterhin ihre sterbliche Hülle und offenbarte ihre Erkenntnis den Menschen.“ t „Wie ich bereits erwähnte, war dieser Mann nicht schlicht gekleidet, wie es von einem Mönch oder Asketen zu erwarten wäre. Er gab zu, ein Adliger zu sein, der sich dem Geheimnis des Lebens widmete. Er folgte der uralten Lehre über die Kunst des Liebens und des Liebesspiels.

© lilyfly06, sxc.hu

All die Dinge, die Sokrates und Diotima und Plato in Wort und Schrift entworfen haben, lassen sich im Wesentlichen in den Prinzipien dieses Meisters wieder erkennen. Denn neben dem leiblichen Liebesakt, in dem die Kräfte der Lust als Feuer für das Schmieden eines reinen Charakters entfacht und gelenkt werden, ist es die aufmerksame, bedingungslose und erhebende Liebe zwischen den Geliebten, die das Schöne und Erhabene im anderen verehrt und weiter zu entwickeln sucht. Wer diese Lehre gewissenhaft und sehnsuchtsvoll verfolgt, wird alsbald merken, daß sein Wesen eine Wandlung vollzieht. Wie Diotima weissagte, geht ein Verwandelter die Stufen des Schönen aufwärts. Die Tugenden treten hervor wie das Gold des Flusses, dessen Geröll in der Regenzeit der Läuterung hinfort getragen wird. Die Liebe dehnt sich aus, von nahen, geliebten, zu fernen, gar feindlich gesonnenen Menschen, und von den schönen, geschätzten Dingen zu den häßlichen Dingen und immer so fort, bis die Liebe die gesamte dinghafte Wirklichkeit und alle Lebewesen umarmt, bis sie im finalen Schritt das Universum ganz erfasst. Dann hört alle Trennung auf, die Pole fallen ineinander und die Idee der Schöpfung, das Urbild des Schönen tritt ins Bewußtsein. Dies ist die wesentlichste Erkenntnis. Alles ist eins, Europa, alles ist eins. Ich bin du und du bist ich, und in dir und mit ist die gesamte Welt. Insofern gebührt dem Plato höchste Ehre. Mit Gedanken hat er diese Wahrheit gefangen und sodann in Schrift gebannt. Ich will ihn kurz zitieren: ‚Wenn einer die Schönheit hier sieht und sich dabei an das Wahre erinnert, wird er mit Flügeln versehen, und so geflügelt sehnt er sich danach, sich hinaufzuschwingen. ... Darum blickt er wie ein Vogel nach oben und vernachlässigt, was unten ist. Dann beschuldigt man ihn, er sei wahnsinnig. Das aber ist der beste aller Enthusiasmen.‘

Hörst du, Europa, wir brauchen Mut, denn viele werden uns verspotten, wenn wir den Weg der Götter gehen. Aber die Ungeheuer und Gefahren, die uns auf diesem Pfad erwarten, sind nichts als Zerrbilder unserer eigenen Ängste. Besiege sie eins nach dem anderen, und sei gewiss, aus dem Wahnsinn wird Frohsinn. Die Stärke der Griechen ist es, zu denken, doch noch soviele Schlüssel zu allerlei Geheimnissen mögen sie fertigen, ohne das Handumdrehen wird keiner je die Schlösser öffnen. Sokrates hat dies bewiesen, indem er seine Philosophie in Taten goß. Auch du, meine geliebte Europa, hast es mir vorgemacht. Und der magische Meister vom Indus, er hat die Handlung zur Vollendung gebracht.“ t „Deshalb, Europa, werde ich alles versuchen, um in die Gegend des Indus zu reisen. Dort will ich mein Geheimnis einlösen und nach den Sternen greifen. O, Europa, nichts anderes als Fügung hat uns hier zusammen gebracht. Die Gnade fließt all jenen zu, die sich ehrlichen Herzens um Höheres bemühen. Deine Seele ist wie ein gereifter Apfel und dankbar hab ich davon gekostet. Seine Süße hat mein Herz verzückt, weshalb du wissen sollst: ich liebe dich.” t Europa hatte regungslos den Mond betrachtet, während Anios sprach. Nun hebt sie den Arm und umgreift mit ihren Fingern den Mond. Es wirkt als pflücke sie ihn vom Himmel. Sie flüstert: “Hier, liebster Anios, ich schenke dir den Mond. Bald wird es die Sonne sein und so Gott will, einmal das Universum. Ich habe eine Idee, die nur zu geringstem Danke reicht, ob deines Geschenks, das du mir mit deinem Geheimnis machtest. Wie du weißt, ist mein Gatte Kaufmann und öfters verschlägt es ihn nach Persien. Ich werde ihn überreden, dich als Lehrling zu nehmen und er wird dich mitnehmen auf seine Reisen. In naher Zukunft wirst du dich dann in deinem Heimatlande wiederfinden und von dort an bist du frei wie der Wind. Auch du sollst immer wissen, daß ich dich von tiefstem Herzen liebe. Durch dich hat dieser neue Gott zu mir gesprochen und mich betört. Möge dieser Gott dir Segen auf allen Pfaden schenken, wie er dem Land den Regen gibt.” Sie küsst seine Stirn, seine Wangen, seinen Mund. Anios bebt vor Freude. Gott hat ihm mit Europa den Schlüssel gegeben, um eine weitere Tür zu öffnen. Voller Dankbarkeit richtet er die letzten Worte an Europa, seine Geliebte: „Ich fragte einmal den Meister, was die Essenz des Daseins ist, und er antwortete mit einem allwissenden, feinen Lächeln: ‚Liebe.‘

Anios ist in der griechischen Mythologie als ein Sohn des Gottes Apollon bekannt. Dabei zeugte Apollon Anios nicht selbst, sondern nahm sich seiner an. Anios’ leibliche Mutter war von ihrem Mann in einem Kasten ausgesetzt worden und auf Apollons Insel Delos gestrandet. Dort bot sie ihren Sohn dem Apollon an. Apollon, der Gott des Heilens, der Künste und der Weissagung, nahm Anios an und schenkte diesem die Gabe der Prophezeiung.

Europa Dieser Name bedeutet die Frau mit der weiten Sicht und ist Teil der griechischen Mythologie. Zeus verliebte sich in Europa, die Tochter des Königs Agenor, und verwandelte sich in einen Stier, um sie unbemerkt von den argwöhnischen Augen seiner Gattin Hera auf seinem Rücken entführen zu können. Zeus schwamm mit ihr nach Kreta und zeugte mit ihr drei Kinder. Einer Verheißung Aphrodites folgend wurde der Kontinent nach Europa benannt.

Die Indus-Kultur 2800 – 1800 v. Christus blühte entlang des Industals im Nordwesten des indischen Subkontinents eine der frühesten bekannten Hochkulturen der Menschheit. Größer als das antike Ägypten und Mesopotamien zusammen, erstreckte es sich weitläufig über Teile des heutigen Afghanistan, Pakistan und Indien. Obwohl die Indus-Kultur der Schrift, Architektur und Städteplanung mächtig war, und urbane Zentren wie Harappa mit funktionierender Wasserversorgung und Kanalisation errichtet hatte, sind nur wenige Überreste sichtbar geblieben. Erst seit 1922 ist diese Kultur der Wissenschaft bekannt und das Wissen über sie entsprechend dünn gesät. Weder ihre Schrift noch die Ursachen ihres Niedergangs sind entschlüsselt. Die Kultur fußte auf der Weiterentwicklung des Ackerbaus. Die zunehmend entstehenden Städte verstanden sich auf die Herstellung hochwertiger Waren wie Werkzeuge, Textilien und Schmuck, was ihnen regen Handel weit über ihr Gebiet hinaus ermöglichte. 1500 v. Chr. wanderten indogermanische Nomaden ein, die militärisch der Indus-Kultur überlegen waren. Sie werden in der Historie als Arier, die Edlen, bezeichnet. Aus diesen Einflüssen ging das vedische Zeitalter hervor. Es entstanden in dieser Zeit neben der buddhistischen Lehre weitere heilige Schriften, die Veden. Veda bedeutet Wissen. Die sogenannten Rishis waren Seher, die dieses Wissen über die Beschaffenheit der Welt durch Inwendung und Offenbarungen aus der transzendenten Wirklichkeit erwarben und niederschrieben. In diesem gigantischen Schriftwerk wurzelt u.a. der Hinduismus und die Lehre des Yoga, welche dem Menschen ermöglicht, die transzendente Wirklichkeit zu erfahren und sein höchstes Wesen zu entfalten.


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Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling Was haben Eidechsenschwänze mit Liebeskummer zu tun? von

Anna Gebert

Was kommt nach den Höhenflügen auf den rosaroten Wolken bekanntlich? Ja, (zu) häufig folgt der tiefe Fall. Dann können und wollen wir die Welt nicht mehr verstehen. Wer hat das nicht schon alles einmal miterlebt? Immer wieder seine Gedanken kreisen lassen, um die eine wichtige Frage „Warum?“. An diese schließen sich dann häufig abertausend andere an. Die einen versuchen sich dabei ihren Kummer komplett hinzugeben und ziehen sich ihre Bettdecke über den Kopf, andere wiederum mobilisieren ihre Freunde und gehen gleich wieder auf die Piste. Es gibt genauso viele unterschiedlichste Konzepte und Ideen mit diesen Gedanken und Gefühlen fertig zu werden, wie es auch die verschiedenste Menschen mit ihren Charakteren gibt. Jedes für sich hat sicherlich seine Vor- und Nachteile.

Zeit heilt alle Eidechsenschwänze

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Zum Schluss könnte man das Ganze noch etwas abstrakter beleuchten: Der Kummer, über eine verlorene oder vergebliche Liebe,

Dazu gehören auch die weniger beneidenswerten Emotionen, aber selbst jene bieten für uns neue Chancen und MögA l s o , n o c h vi e lichkeiten, die man l E rf am Schopf paol g im cken muss.  

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Genau das war das so genannte „Eidechsenproblem“: Wenn einem der Schwanz abbricht – wohin geht man dann, bis er wieder nachgewachsen ist? Versteckt man sich, oder gibt man vor, man habe noch keinen Schwanz, und tut so, als ob nichts wäre, als wäre es einem vollkommen egal, ob man einen Schwanz hat oder nicht?

Lieber ohne Gefühle?

aber auch die rosarote Brille bei Frischverliebten spiegeln die verschiedensten Facetten der menschlichen Gefühle. Und, was wären wir schon ohne dieses ganze Gefühlswirrwarr? Es würde hier auf der Erde nur von voll automatisierten Robotern wimmeln. Klar, Liebeskummer fördert nicht gerade die Konzentrationsfähigkeit und sicherlich gibt es schönere Erinnerungen im Leben, aber wie eben zum Guten auch das Böse gehört, so bilden das Glücksgefühl des Verliebten und der Kummer über eine verlorene Liebe ein Gegensatzpaar. Gefühle sind unser Antrieb, Dinge zu verändern oder auch zu erhalten. Sie sind dafür da, dass wir uns auch als die erkennen, die wir fühlen und sind – wer würde schon an seiner Existenz zweifeln, wenn er gerade frisch verliebt auf Wolke sieben schwebt? Gefühle helfen uns unser Leben zu führen, uns zu verwirklichen und gleichzeitig Spaß dabei zu haben.

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Eines ist aber sicherlich am wenigsten von der Hand zu weisen, dass die Zeit das beste Mittel ist, über eine beendete oder vielleicht auch gar nicht begonnene Beziehung hinwegzukommen. Es ist wie bei den Eidechsen, die ihren Schwanz verlieren können, auch da benötigt das Nachwachsen viel Zeit.

einmal für uns. Man hatte vielleicht die letzte Zeit bewusster gelebt – die Zeit scheint ja in solchen Phasen unendlich bleiern zu sein - und die Welt stärker wahrgenommen – in ihren positiven wie auch negativen Aspekten. Der ein oder andere hatte sich mehr Gedanken darüber gemacht, was er nun will, ob er etwas neues anfängt oder welche Pläne und Ziele er hat. Man denkt über Dinge nach, die man vielleicht ab und zu aus den Augen verloren hatte, möglicherweise zuvor auch nicht sehen wollte. Man organisiert sich neu. Zudem kommt natürlich der Gedankenkreisel über die/den damalige(n) Partner(in) in Gang, aber zwangsläufig führt dies am Ende zu einem Selbst. Man wird sich wieder vertrauter und bewusster, was man will. Auch wenn sich nicht auf jede Frage eine zufrieden stellende Antwort finden lässt, weiß man schlussendlich doch, welche Eigenschaften man nicht mehr beim nächsten Partner sehen möchte. Nicht umsonst findet man sogar im StudiVZ eine Gruppe, die genau das widerspiegelt: „Wenigstens weiß ich, wer nicht mein Deckel ist“ – und darin steckt viel Wahres.

Ich dachte, ich wär ein Panther

Wer kann sich nicht mehr an seinen allerersten Liebeskummer erinnern, bei dem wir glaubten, die ganze Welt hätte sich aufgehört zu drehen? Aber als dann einige Tage oder Wochen verstrichen waren, erkannte man, dass die Welt keineswegs angehalten hatte, und das auch nicht

© Zsuzsanna Kilian sxc.hu/profile/nkzs

Hoffentlich kann jeder sein eigenes „Eidechsenproblem“ zur Zufriedenheit lösen – und wenn er es nicht mehr alleine schafft, kann er sich doch glücklich schätzen, dass da der ein oder andere gute Freund auf ihn wartet, um ihn zu unterstützen und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Oft hilft es schon, in den Arm genommen zu werden und zu erkennen, dass es Leute gibt, die hinter einem stehen und sich Zeit nehmen. Und, welcher Freund würde nicht gerne in diesen Angelegenheiten helfen? Alle sitzen schließlich gemeinsam in einem Boot und kennen diese Art von Kummer.


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Männer tragen das Symbol des Planeten und des Gottes Mars. Mars, die römische Kriegsgottheit, verteidigt sich mit Schild und Speer.

Frauen tragen das Symbol des Planeten und der Göttin Venus. Venus, die römische Göttin der Liebe, benötigt einen Handspiegel um sich darin zu bewundern.

Ein lebendes Lexikon Frau - Deutsch für Anfänger Sie sagt „Der Ring sieht aber toll aus“ „Ich bin heute total müde.“ „ Wenn du es unbedingt möchtest, gucke ich doch gerne mit dir Fußball.“ „Lass uns kurz in die Stadt gehen“ „Ich fühle mich heute so hässlich.“ „Ich hatte heute so einen anstrengenden Tag.“ „Ich kann nicht einschlafen.“ „Du kannst ja anrufen, wenn du willst.“ „Ach quatsch, ich bin doch nicht sauer.“ „Ich will nicht, dass wir uns streiten!“ „Der Mülleimer ist voll.“ „Ich habe schon ’nen Freund.“ „Klar, behalte ich das für mich“ „Ich muss nur ganz kurz telefonieren.“ „Meinst du wirklich das grüne Kleid sieht besser aus?“ „Nein, du brauchst mich nicht einladen“ „Wenn es dir heute nicht so gut passt, können wir uns ja wann anders sehen.“

Sie meint „Kauf Ihn mir. – Sofort!“ „Ich habe keine Lust auf Sex“. „Wir gucken also Kein Fußball“. „5 Stunden Power-Shopping!“ „Sag mir, dass ich hübsch bin.“ „Massier mich!“ „Kraul mich weiter!“ „Wehe, du tust es nicht!“ „Checkst du es nicht, du Vollidiot!“ „Du musst dich bei mir entschuldigen.“ „Bring ihn runter.“ „Verzieh dich.“ „Das muss ich sofort Anna erzählen.“ „Wir sehen uns in zwei Stunden, Baby.“ „Ich kaufe mir eh das Andere.“ „Der Mann zahlt, das ist jawohl klar!“ “Sieh zu, dass du es dir heute passend machst.“

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Ab wann ist man ein Mann? Ein Umriss zur Entwicklung der Geschlechtsidentität Männer sind anders als Frauen, und das nicht nur rein äußerlich. Geschlechtsspezifisches Verhalten zeigt sich in nahezu allen Bereichen des menschlichen Lebens – von der Berufswahl und den Freizeitinteressen bis hin zu gesundheitlichen Aspekten. Welche prä- beziehungsweise postnatalen Faktoren jedoch genau dieses Verhalten und damit die Geschlechtsidentität prägen, wird immer noch heiß diskutiert. Wir wollen einen kleinen Überblick über aktuelle Theorien geben.

Moderne Amazonen Eine Stadt, in der Frauen den Ton angeben und Homosexuelle ein hohes Ansehen genießen – ein solcher Ort ist nicht etwa das Projekt eifernder Alice-Schwarzer-Anhängerinnen und engagierter Menschenrechtler, sondern basiert erstaunlicherweise auf schlichter Tradition. Juchitán nennt sich das Paradies für jede Feministin und findet sich inmitten des überwiegend patriarchalisch organisierten Mexikos. Die Frauen bringen in dieser Stadt das Geld nach Hause, arbeiten vornehmlich als Händlerinnen, während die Männer sich die Zeit mit Schwätzerei vertreiben – denn sie dürfen auf dem Markt allenfalls als Träger fungieren. Das weibliche Geschlecht feiert ausgelassene Feste, oft ohne männliche Begleitung, bei denen nicht nur viel getanzt und umso mehr getrunken wird, sondern auch der ein oder andere derbe Scherz durch schallendes Gelächter seinen Anklang findet. Das übliche Rollenverständnis scheint sich in Juchitán umgekehrt zu haben. Ist das Gender – was soviel wie „psychologisches Geschlecht“ bedeutet und sich dadurch vom rein biologischen Geschlecht abgrenzt – also einfach das Ergebnis von Erziehung und kindlicher Erfahrungen?

Money’s Theorie In den 60er und 70er Jahren fand genau diese Theorie in wissenschaftlichen Kreisen weiten Anklang. Intensiv propagiert und verfechtet wurde jene von John Money, einem US-amerikanischen Psychologen und Sexologen, der nicht nur durch seine provokanten TV-Auftritte sondern auch seine fraglichen Experimente einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte. Nach Money sei ein Kind bei der Geburt psychosexuell gesehen neutral, das heißt allein die folgende Geschlechtszuweisung und Erziehung würden seine spätere Geschlechtsidentität bestimmen. Diese von Feministinnen begeistert angenommene Theorie versuchte der Psychologe mit Hilfe eines gewagten Experimentes zu beweisen:

Der Fall Reimer Im August 1965 kamen Bruce und Brian Reimer als eineiige Zwillinge zur Welt. Wer hätte damals geglaubt, wie sehr sich die Wege beider bald ändern würden. Sechs Monate später wurde der Penis von Bruce Reimer bei einer Beschneidung derart beschädigt, dass er vollkommen entmannt wurde. Seine Eltern entschlossen sich dem Anraten von John Money zu folgen, indem sie eine komplette Geschlechtsumwandlung bei ihrem Sohn durchführen ließen und Bruce fortan als Brenda aufzogen. Und obwohl Freunde und Familie alles daran taten, Brenda in dem Glauben zu belassen, dass sie als Mädchen geboren sei, fühlte sie sich nie als eines.

verständnisses und des geschlechtsbestimmten Verhaltens wahrscheinlich der kindlichen Prägung unterliegt. Aktuelle Studien zeigen, dass die Wahrheit – wie allzu oft – dazwischen liegt.

Auf der Suche nach dem Differenzierungsfaktor Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass sich sexuelle Differenzierung nicht nur rein äußerlich, sondern auch im Gehirn vollzieht. Nachgewiesene Unterschiede zwischen den Geschlechtern finden sich insbesondere im Hypothalamus, im Septum, der Stria terminalis, dem preoptischen Areal und der Amygdala, welche sich jedoch teilweise erst nach der Pubertät ausprägen. Ob hierfür allerdings klinische Relevanz besteht, ist immer noch unklar – zumindest beim Menschen. Allerdings weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass Androgene pränatal einen mehr oder weniger ausgeprägten Einfluss auf die Geschlechtsidentität haben. Als besonders aufschlussreich erwiesen sich hierbei Studien zur psychosexuellen Entwicklung von Kindern, die eine Störung in der hormonellen Achse zeigen.

sxc.hu // coscurro

Von Shari Langemak

Sie wollte weder mit Puppen spielen noch die Kleidchen tragen, die man ihr durchweg aufzwang. Doch im besonderen Maße wollte sie nicht ihrem „Schöpfer“ Money begegnen, der mittels jährlicher Treffen die psychosexuelle Entwicklung des Kindes zu lenken versuchte. Als Brenda in der Pubertät weitere Operationen verweigerte, entschieden sich die Eltern schließlich dazu, ihrem Kind die Wahrheit zu erzählen. Brenda beschloss sich von seiner weiblichen Identität zu trennen und fortan an David Reimer weiterzuleben – die quälenden Gedanken an seine Kindheit verließen ihn jedoch nie. 2004, im Alter von 38 Jahren, nahm er sich schließlich das Leben. Der Fall zeigt eindrücklich, dass die Geschlechtsidentität nicht allein Ergebnis der Erziehung sein kann, auch wenn engagierte Feministinnen jenes immer noch gerne behaupten und verfechten. Sofern man an die Stadt Juchitán zurückdenkt, so muss man jedoch auch eingestehen, dass ein gewisser Anteil des Rollen-

Störungen im Androgenstoffwechsel geben diskrete Hinweise Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Androgeninsensitivität (auch Pseudohermaphroditismus genannt). Kinder, die unter dieser Krankheit leiden, besitzen Hoden mit fehlendem Descensus sowie einen männlichen Karyotyp, zeigen aber äußerlich einen weiblichen Körperbau aufgrund einer Androgenunempfindlichkeit bei normalen Testosteronspiegeln. Die Störung wird bei Geburt leicht verkannt, sodass die Betroffenen oft als Mädchen aufgezogen werden. Die meisten Kinder entwickelten im Verlauf eine normale weibliche Geschlechtsidentität, die sie auch nach Bekanntwerden der Diagnose nicht ändern wollten.[i] Diese Beobachtungen zeigen zum Einen, dass die Geschlechtsidentität nicht direkt über den Karyotyp oder die Gonaden bestimmt wird, und zum Anderen, dass eine fehlende Androgenwirkung nicht nur mit der Ausprägung eines weiblichen Habitus verbunden ist, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines weiblichen Genders erheblich steigert. Inwieweit dieses jedoch auch von dem gleichzeitig vorhandenen erhöhten EstradiolSpiegels abhängt, ist noch unklar. Ähnliche Vermutungen lassen sich aus Studien über das 17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-3-Mangel-Syndrom ableiten, bei dem die Synthese von Testosteron und Estradiol gestört


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ist. Aus dem unzureichenden Hormonstimulus resultiert ein weitgehend weibliches Genital bei männlichem Karyotyp. Im Gegensatz zur Androgeninsensitivität werden in der Pubertät aber aufgrund einer Produktionssteigerung nahezu normale Androgeneffekte erreicht, welche eine Vermännlichung der Jugendlichen nach sich zieht. Interessanterweise entschieden sich, nach Feststellung der Diagnose, etwa 50 Prozent der als Mädchen großgezogenen Betroffenen dazu, eine männliche Geschlechtsidentität anzunehmen.[ii] Im Kontrast dazu finden sich beim Andrenogenitalen Syndrom erhöhte Spiegel von Androgenen. Sie bewirken eine Virilisierung beim weiblichen Karyotyp. In einer Studie von 2001 gaben 37 Prozent von denen als Mädchen aufgezogenen Frauen an, homo- oder bisexuelle Neigungen zu haben und viele zeigten gegengeschlechtliches Rollenverhalten, während die betroffenen Männer durchweg männliches

Rollenverhalten ausprägten.[iii] Die Ergebnisse sind jedoch insofern als schwierig zu bewerten, als dass einige Confounding-Faktoren wie zum Beispiel geminderte Lebensqualität aufgrund der Erkrankung nicht mit berücksichtigt werden konnten.

Fazit Definitiv kann also allenfalls behauptet werden, dass der pränatale Androgenstimulus die Ausbildung einer männlichen Identität und eines männlichen Rollenverhaltens steigert, jedoch kann weiterhin keine Absolut-Aussage darüber getroffen werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass noch einige weitere, bisher unbekannte und ebenfalls durch das Y-Chromosom kodierte Faktoren Einfluss auf die psychosexuelle Differenzierung haben. Die zum Teil starken interkulturellen Unterschiede lassen jedoch vermuten, dass endogene Komponenten wahrscheinlich nicht allein das spä-

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tere Rollenverhalten bestimmen, sondern dass Erziehung und Prägung als modulierende Faktoren wirken. Es bleibt also für kommende Jahre noch viel Raum zum Forschen, wenngleich es aber fraglich ist, ob menschliche Neugier und unbändiger Eifer genügen werden, um eine Antwort auf die großen Rätsel des Lebens zu finden.  

Im Artikel zitierte Studien [i] Wisniewski, A.B., Migeon, C.J., 2002. Long-term perspectives for 46,XY patients affected by complete androgen insensitivity syndrome or congenital micropenis. Semin Reprod. Med. 20 (3), 297 - 304 [ii] Meyer-Bahlburg, H.F., 2005. Gender identity outcome in female-raised 46,XY persons with penile agenesis, cloacal exstrophy of the bladder, or penile ablation. Arch. Sex. Behav. 34 (4), 423 –438 [iii] Meyer-Bahlburg, H.F., 2001. Gender and sexuality in classic congenital adrenal hyperplasia. Endocrinol. Metab. Clin. North Am. 30 (1), 155 –171, viii

Ein lebendes Lexikon Mann - Deutsch für Anfänger Er sagt „Schön, dass du da bist!“ „Wir können ja zusammen essen.“ „Ich kann das total verstehen, dass du keine Lust auf Fußballgucken hast.“ „Das Kleid ist wirklich das Beste!“ „Mir geht das ein bisschen zu schnell!“ „Natürlich melde ich mich bei dir!“

Er meint „Ich hab mal wieder Lust auf Sex.“ „Du kannst ja für mich kochen.“ „Geil, endlich mal wieder ein Männerabend!“ „Ich will jetzt endlich los!“ „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt auf dich stehe!“ „Und tschüss!“

„Ich denke an Dich!“

„Ich denke an deine Brüste!“

„Natürlich finde ich, dass du gut aussiehst!“

„Jetzt gib endlich mal Ruhe!“

„Soll ich nicht lieber fahren?“

„Bei dir hab ich Todesangst!“

„Ich bin noch nicht bereit für eine Beziehung.“

„Wir werden nie eine Beziehung führen.“

„Wir machen heute mit ein paar Jungs einen gemütlichen Videoabend.“

„Wir schauen uns heute ein paar heiße Pornos an!“

„Ich finde du bist nicht dick. Ich mag Frauen, die gerne essen!“ „Keine Angst, ich werde nicht zuviel trinken!“

„Pass bloß auf, dass du nicht noch mehr zunimmst!“ „Ich werd mich richtig volllaufen lassen und einen drauf machen.“

„Ich trainiere regelmäßig!“

„Ich bin zumindest im Fitnessstudio angemeldet…“

„Du bist die Allerschönste!“

„… bis auf die Blonde mit dem kurzen Schwarzen, die sexy Bedienung mit den langen Beinen, die …“


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Total Porno!

Der Pornoabend von „Mit Sicherheit verliebt“ von

Sophie Schlosser

Ein später Abend im August. Während der Asphalt noch die Hitze des vergangenen Tages ausdampft, schlägt dumpf von fern eine Kirchturmuhr zehn Uhr. Auch die untergehende Sonne kann dem heruntergekommenen Mietshaus, das sich trotzig der staubigen Schnellstraße entgegenstreckt, nicht mehr Glanz verleihen. Nur selten passiert ein Mensch die Hausecke, an der es grau verwurzelt steht. Schemenhafte Schatten flirren über seine großen Milchglasfenster im Erdgeschoss, unterdessen das Licht aus den leicht gekippten Oberlichtfenstern schmale, blasse Streifen auf den Boden malt. In das Brummen der schnell vorbeifahrenden Autos mischt sich Stöhnen mehrerer weiblicher und männlicher Stimmen, die aus dem Parterre ihren Weg auf die Straße finden. Plötzlich meldet sich verzagt eine Stimme: „Und das macht Männer wirklich an?“

liger Komik nicht viel abgewinnen zu können. Dass das nicht auf die Männer von Mit Sicherheit verliebt zutrifft, beweist die einstimmige Antwort auf obige Frage. Weil man ja nicht zum Vergnügen an diesem Abend zusammengekommen ist, starten Flo und Philipp mit einer anschaulichen Powerpoint-Präsentation.

Nein, wir befinden uns nicht beim Pornodreh in einem zwielichtigen Motel kurz hinter der tschechischen Grenze, sonder in der Fachschaft der TU. Die Jungs von Mit Sicherheit verliebt haben zum Pornoabend geladen, um die Mädels mit Wissen zu wappnen, wenn sie bei einem Schulbesuch an männliche Siebtklässler geraten. Diese treiben sich in ihrer Freizeit nämlich gerne auf Seiten wie Youporn herum. Als brave Mädchen im erzkatholischen Bayern hat das Gros der weiblichen Mitglieder von Mit Sicherheit verliebt ebenso wie ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen in den Schulen höchstens mal ein oder zwei Pornos auf feuchtfröhlichen Mädelsabenden gesehen und meint „Breakfast in Bed“ ( Micah Speer - www.micahspear.com ) den Plots außer (un)freiwil-

Pornos und Pompeji Das Buch zum Artikel Cumshots: Höhepunkte der deutschen Pornofilme von Stefan Scheler und Manuel Grebing Metronom, 20071 - 19,90 Euro In origineller Videoverpackung präsentiert dieses kurzweilige Buch die verrücktesten Covers der deutschen Pornofilmindustrie.

cumshots-buch.de

Das Wort Porno leitet sich vom griechischen Wort πορνεία her, das „Unzucht“ bedeutet. Pornographie gibt es wohl seit Menschenzeiten. Man denke an die Venusstatuetten Zehntausende vor Christus, von denen man sich gut vorstellen kann, dass sie nicht nur kultischen Zwecken dienten. Und wer kennt nicht die berühmten erotischen Fresken des ausgegrabenen lupanar (Bordell ) von Pompeji? Auf diese bezieht sich sogar das Webster Dictionary 1864 mit seiner ersten Definition von Pornographie im heutigen Sinne: „liederliches Gemälde zur Dekoration von Wänden in heiligen Räumen

für bacchinalische Orgien, die zum Beispiel in Pompeji existieren“. Die Popularität der Pornographie ist bis heute ungebrochen. 2007 fuhr die Pornoindustrie weltweit einen geschätzten Umsatz von 50 Milliarden Euro ein. Sind die Deutschen sonst bei jeder Sexstatistik eher auf den hinteren Rängen zu finden, so – man glaube es kaum – trifft dies nicht auf Pornos zu. Deutschland gilt nach den USA als der zweitgrößte Pornomarkt der Welt. Wie im konventionellen Filmbusiness, gibt es natürlich auch im Blue Movie Stars. Zu den bekanntesten Größen zählt zum Beispiel Jenna Jameson. Die „Queen of Porn“ gründete 2000 sogar ihre eigene Multimediapornofilgesellschaft ClubJenna. Unter den männlichen Pornodarstellern hat sich vor allen Dingen Ron Jeremy hervorgetan, der mit 1 750 Filmen den Guiness-Rekord für die größte Anzahl von Auftritten in pornographischen Filmen hält.

Schnelles Geld? Je nach Bekanntheitsgrad verdient ein Pornodarsteller zwischen 200 und 100 000 Euro pro Film. Das scheint für viele schnell gut verdientes Geld zu sein. Gefahrlos ist die Arbeit als Pornodarsteller jedoch nicht, da vor allem bei heterosexuellen Praktiken keine Kondome verwendet werden. HIV-Tests mittels ELISA sind zwar verpflichtend, ein nahezu sicherer Ausschluss kann allerdings erst nach zwölf Wochen erfolgen. Selbstverständlich stellt das eine immens lange Zeitspanne dar, in der Darsteller zahlreiche weitere Szenen mit möglicherweise unterschiedlichen Casts abgedreht haben könnten. Darüberhinaus bestehen je nach Land unterschiedliche Sicherheitsstandards und Möglichkeiten diese zu umgehen. So meint ein Kenner der Branche in Tschechien: „Negative HIV-Tests sind für uns das Gleiche wie der Führerschein für LKW-Fahrer.“ So ist es keine Überraschung, dass die Pornoindustrie in regelmäßigen Abständen von Skandalen erschüttert wird. 2004 ereignete sich der tragische Fall James Darren. Der Pornodarsteller


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drehte einen Film in Brasilien und infizierte sich beim ungeschützten Analverkehr mit HIV. Nach seiner Rückkehr nach Los Angeles übertrug der Schauspieler den Virus auf drei weitere Kolleginnen innerhalb der ersten drei Wochen, während der das Virus nicht diagnostiziert werden konnte. Das Bekanntwerden der Infektion, zwang die Filmproduzenten zu dem HIVDNA-Nachweis über PCR wechseln, um die Einführung einer Kondompflicht durch das kalifornische Gesundheitszentrum abzuwenden. Aufgrund der hohen Viruslast am Anfang der Infektion liefert der Test bereits 15 Tage nach Ansteckung ein eindeutiges Ergebnis. Selbstverständlich sind aber auch andere sexuell übertragbare Krankheiten wie Hepatitis C oder Syphilis ein Problem der Branche, das zunehmend auf dem Vormarsch ist.

Schokolade, Wein und Wodka Porno Damit bei all der Theorie, die Praxis nicht zu kurz kommt, wird das Studiengebiet anhand ei-

Mythos Riesenpenis Long Dong Silver (* 1960 in London, Großbritannien) ist ein dunkelhäutiger Engländer der in den 80er Jahren als Pornodarsteller für seine enorme Penislänge von ca. 45 cm berüchtigt war. Nach Angaben des Fotografen, der ihn in die Branche gebracht und später auch produziert hat war dieser Penis jedoch das Ergebnis von komplizierten Kameratricks und Nachbearbeitungen. Der Penis habe in Wirklichkeit nur eine Länge von 24 – 25 cm gehabt. Später hatte Long Dong Silver mit Hilfe einer Schaumstoff-LatexHülle, die über seinen Penis gestülpt wurde, auch Live-Auftritte.

niger verlesener Videosequenzen demonstriert. Mithilfe von viel Schokolade, einigen Gläsern Wein und natürlich Wodka Porno versucht man die gegebener maßen etwas peinliche Situation zu überwinden. Aber bald ist alle Scheu verloren. Es gibt ja auch viel Grund zum Amüsement. Highlight des Abends wird wohl eine Szene mit Papa Schlumpf und dem restlichen Schlumpfclan bleiben. Sachen gibt es … Mittels verschiedener Kategorien zu Paarkonstellationen, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Haarfarbe und Fetisch findet man sich im Pornodschungel zurecht. Angeregt wird diskutiert ob weibliche Ejakulationen, die meterweit durch den Raum spritzen, anatomisch überhaupt möglich sind. Darüber hinaus staunt man über Sexualpraktiken wie „Sandwich“, „Golden Shower“ oder Facial. Am Schluss bleibt die trockene Erkenntnis eines Mädels: „Mein Gott, ist mein Sexualleben langweilig.“ In mancher Beziehung sollte man vielleicht darüber auch froh sein.  

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5 Promis, von denen man nie gedacht hätte, dass sie mal in Sexfilmchen mitgespielt haben:

Hannelore Elsner

Uschi Glas Karl Cameron Dall

Diaz

Durchschnitt und Rekorde Durchschnittliche Länge: 12,9–15 cm (erigiert) Durchschnittlicher Umfang 12,3 cm (erigiert) Der längste offiziell von einem Arzt dokumentierte Penis war 34,3 cm lang und hatte einen Umfang von 15,9 cm. Isländisches Phallusmuseum In diesem einzigartigen Museum werden über 200 Phallen und Phallenteile von Meeres- und Landessäugetieren in Island ausgestellt. Die Sammlung wird ergänzt durch über 300 Kunstund Gebrauchsgegenstände.

www.phallus.is

Jackie Chan

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Worterklärungen Sandwich gleichzeitige anale sowie vaginale Penetration derselben Frau Golden Shower Sexualpraktik mit Urin Facial Ejakulation ins Gesicht

Wikimedia Commons, User: Rama

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Mit Sicherheit verliebt Tatsache ist, dass Pornos in der Regel nicht viel mit der Realität zu tun haben. Leider ist das eben nur nicht unbedingt jedem Siebtklässler klar. Mit überhöhten Erwartungen stürzen sich manche in ihre ersten sexuellen Erfahrungen und müssen frustriert feststellen, dass sie und ihre Partner in Bezug auf Schönheitsideal und körperliche Leistungen der Pornodarsteller nicht unbedingt mithalten können. Bei den Schulbesuchen von Mit Sicherheit verliebt ist es daher wichtig, dieses Erleben in ein rechtes Licht zu rücken. Neben der Vermittlung von Wissen über Verhütung, HIV, Geschlechtskrankheiten und Beziehungsmodellen wollen wir Jugendlichen dabei helfen, eine verantwortungsvolle, zufriedene und selbstbewusste Sexualität zu entwickeln. Falls du Interesse hast an diesem Ziel mitzuarbeiten, schreib uns:

Miriam.Partilla@campus.lmu.de Es warten gute Workshops, interessante HIVKongresse, internationale Schulbesuche (u.a. in Warschau, Brüssel und Paris) und eine Menge Spaß auf dich!


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Online-Dating

Jedes dritte Paar lernt sich online kennen Der Soziologe Dirk Bäcker nennt das Internet die vierte Stufe der Kommunikationsentwicklung neben Sprache, Schrift und Buchdruck. Seit dem Internetboom im Jahre 2000 ist ein Phänomen immer stärker in den Vordergrund getreten: Jede private Person, und erst recht jede Firma, wollte an das globale Netz angeschlossen sein. Yahoo war eine der ersten Firmen mit einem Chat mit anderen Teilnehmern weltweit.

sprechen mit wissenschaftlichen Methoden den idealen Partner zu finden. Leider werden die Versprechen nicht immer eingelöst. So begegnen dem Nutzer viele Karteileichen, unvollständige Profile und unpassende Vorschläge. Hier gilt nicht unbedingt, dass Seriösität gleich Geld kosten sollte. Manche Portale wollen dagegen erst nach einer Personalausweiskopie Profile freischalten. Dies erhöht natürlich die Zuverlässigkeit der Angaben.

Weil die Firmen aber mit Ihren Datingbörsen Geld verdienen wollen, wurden verschiedene Zahlungsmodelle eingeführt. Entweder kann man dem Partner einen Strauß Blumen virtuell oder real gegen Aufpreis zuschicken oder es gilt das Konzept der „Ladies Night”. Das heißt, nur Frauen oder nur Männer können sich kostenlos mit dem anderen Geschlecht unterhalten oder es gilt eine andere Beschränkung.

Seriöse Karteileichen Dennoch lernt sich jedes dritte Paar online kennen und neue Services wie „Elitepartner“ oder „Parship“ haben Einzug gefunden. Für eine geringe monatliche Gebühr soll der Partner passend zum eigenen Profil gefunden und auf Seriosität geprüft werden. Diese Firmen ver-

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Ich chatte schon lange, und vorzugsweise – als Mann – mit Frauen. Vielleicht, so die Hoffnung, treffe ich meinen Traumpartnerin im Netz, womöglich auf einem anderen Kontinent oder aus einer exotischen Region. Als Mann mit einem (fremden) Mann zu chatten galt für gewöhnlich als nicht angebracht, außer in einem SchwulenChat.

Rein theoretisch war es ein sehr gutes Konzept: Zuerst einen Partner nach Geschmack und Aussehen online zu finden und danach den- oder dieselbe im echten Leben kennenzulernen. Das ermöglicht weltweite Partnersuche vom heimischen Computer aus. Noch dazu konnte man eine stetig zuwachsende Benutzerzahl erwarten.

Worauf kommt es wirklich an? Sogar wenn man im wirklichen Leben seinen Trampartner kennengelernt hat, sollte man nicht ganz unvorbereitet in das Werben um seine andere Hälfte in spe einsteigen. Worauf achten Singles?

Schon damals hat das Fieber angefangen

Nach dieser Chatphase, welche den Unternehmern nicht immer direkt Geld brachte, folgten Datingbörsen. In solchen Börsen konnte man die Profile und Photos von vielen verschiedenen jungen Frauen oder Männern in der Partnersuche anschauen.

In allen Fällen gibt es aber keine Garantie, dass die gegebenen Informationen der vollkommenen Wahrheit entsprechen. Vielmehr sind es Wahrscheinlichkeiten. Im Internet wie im echten Leben kann es zu guten Beziehungen kommen. Wichtig ist natürlich gute Selbstvermarktung, man(n) oder frau sollte aber in jedem Fall ehrlich sein, denn Lügen haben bekanntlich kurze Beine.

Nichts kann die Realität ersetzen Laut einer Umfrage sollen nur die wenigsten Nutzer gute Erfahrungen mit Datingbörsen gemacht haben. Dies ist verständlich, da Soziologen glauben, dass eine Beziehung wesentlich von unserer Zusammenarbeit und von äußeren Umständen abhängig ist. Demnach ist es besser, sich real kennenzulernen und sich dann für oder gegen eine Beziehung zu entscheiden. Dabei spielt das Aussehen genauso eine Rolle wie die Überprüfbarkeit der Aussagen. Im echten Leben sind Aussehen eines Menschen, seine Bewegungen, der Geruch, die Stimme entscheidend. Wenn ein Mensch vor mir steht, kann ich im Gegensatz zum Chat oder Datingbörsen bestätigen, dass wirklich eine junge Frau vor mir steht. Man kann schneller herausfinden, wie wahr die Geschichte ist, welche mir die Person erzählt, beispielsweise durch konträre Angaben oder gefühlte Unstimmigkeiten. Leider helfen auch geprüfte Bilder auf z.B: „Edarling“ nicht weiter, da man schließlich nicht unbedingt seine eigene Personalausweisnummer zur Bestätigung eingeben haben muss.

Für alle Nationen ist es wichtig, kreativ beim Küssen oder beim Flirten zu sein. Beispielsweise sollten keine ausgelutschten Machosprüche angebracht werden oder Frauen ohne sie zu kennen gleich ein Drink spendiert werden – plumpe Bestechung ist für die meisten Frauen einfach unter ihrer Würde. Die echten Romantiker sind einer Umfrage von von „Friendscout24“ zufolge die Deutschen und die Spanier. Für Deutsche und für Franzosen sollte ein Kuss zärtlich und leidenschaftlich sein. Franzosen bevorzugen dabei einen angenehmen Atem, Italiener und Spanier schätzen dagegen die Spontanität eines Kusses. In einer Hinsicht haben die Deutschen beim Küssen allerdings noch dringend Nachholbedarf: 85 % der Franzosen, 81 % der Italiener 79 % der Spanier haben eine gute Selbsteinschätzung beim Küssen, in Deutschland sind es nur 30 %. Küssen ist aber nicht alles: der ideale Partner sollte Humor haben, schön aussehen, klug sein und für den Partner da sein. Ein guter Charakter zählt sehr viel. Jedoch ist die Beziehung und eigentlich bereits der erste Eindruck wie die meisten Sachen im Leben rein subjektiv.

„ Fazit

Mann bzw. Frau sollte sich trauen, voller Optimismus an das Dating heranzugehen und vor allem natürlich zu sein. Trau dich mal Mädchen anzusprechen und gehe auf sie zu, denn desto hübscher das Mädchen, umso einsamer. – „Wave“ aus Yahoo - Answers

Valentine‘s Day Buttons © ZoofyTheJi / sxc.hu

Von Ammiro Gonzaléz


Leben und Kultur

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Die Besetzung

Was kannst du tun?

Studierende demonstrieren für die Zukunft der Bildung Von Marie Tzschaschel Um die Besetzung zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen. Angefangen hat nämlich alles schon viel früher. Sehr viel früher – mit der Einführung der Bachelor - Master - Studiengänge und der Studiengebühren, oder sogar noch viel früher mit den ersten Kürzungen im Bildungswesen, aber das auszuführen würde wohl jeden Artikel sprengen.

StuVe, SoS und der Münchner Bildungsstreik Seit circa einem Jahr wurden vom Bündnis SoS (Studieren ohne Studiengebühren ), hervorgegangen aus dem Arbeitskreis der StuVe (Studierenden Vertretung ) der LMU und ähnlichen Arbeitskreisen anderer Münchner Hochschulen, immer wieder Demonstrationen veranstaltet. Bei diesen Demos wurden unter Anderem die Abschaffung der Studiengebühren, Reformen der Bachelor/Master - Studiengänge sowie die Bereitstellung von Finanzmitteln aus dem Staatshaushalt für Universitäten und andere Bildungseinrichtungen gefordert. Wenig später schlossen sich dann das Bündnis SoS und die Schülerinitative München zum Münchner Bildungsstreik zusammen. In gemeinsamer Aktion wurde zum Beispiel im Rahmen des bundesweiten Bildungsstreiks eine Woche vor der LMU gecampt. Neben zahlreichen Workshops zum Thema Bildung fand auch wieder eine große Demonstration statt.

Der heiße Herbst Schließlich kam es dann im „heißen Herbst“, nachdem die Wiener Studis ihre Uni besetzt hatten, zu einer Besetzung der Akademie der bildenden Künste in München und vieler anderer Hochschulen in ganz Europa. Nachdem in der Akademie eine Räumung drohte, zog die Münchner Besetzung am 11.11.2009 in die LMU um. Es wurden AKs gegründet, eine aus Spenden finanzierte und für alle kostenlose Volksküche eingerichtet – die übrigens zur Besten Europas gekürt wurde – und täglich ein Abendplenum abgehalten. Während der Plena, die per Livestream auf der Homepage der Besetzung verfolgt werden konnten, wurde ein Forderungskatalog ausgearbeitet, der neben der Abschaffung der Studiengebühren und Reformen der Bachelor/Master - Studiengänge, eine Einführung der Verfassten Studierendenschaft (VS) beinhaltete. Eine VS bedeutet kurz gesagt, dass die Studierendenver-

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tretungen voll legitimiert sind, also ein eigenes Finanzrecht haben und bei Entscheidungen an der Hochschule mitbestimmen. Beispielsweise hat sich die Fachschaft Medizin als Verein eintragen lassen, um über Partys Geld einzunehmen und z.B. für die Esi-Einführung oder das Orchester Geld ausgeben zu können, da sie als Fachschaft selber keine Finanzen verwalten darf. Im Senat sind außerdem bisher von 16 Mitgliedern nur zwei Studierende, also viel zu wenige, um bei Abstimmungen etwas durchsetzen zu können. Durch eine VS würde sich dies ändern.

Auf der Homepage der StuVe findest du Informationen über die einzelnen Arbeitskreise, sowie die Termine der nächsten Demo. Übrigens gibt es neben dem AK SoS z.B. auch einen AK Sommerfest oder ein Umweltreferat. Kummerkasten Wenn du unter Kontakt auf den Kummerkasten klickst, kannst du alle Probleme oder Fragen, die du beantwortet oder an die Hochschulleitung weitergetragen haben möchtest, unkompliziert loswerden. Der Konvent Oder du kommst zum Konvent der Fachschaften, der jeden zweiten Mittwoch im Hauptgebäude der LMU tagt. Materialien und Termine dazu findest du wieder auf der StuVe Homepage. Der Konvent kann beispielsweise entscheiden, ob eine Demo finanziell unterstützt wird, kann Arbeitskreise einrichten, oder Delegierte zu Treffen mit der Hochschulleitung schicken. Die Sitzungen sind öffentlich, es darf also jeder Studi kommen und mitdiskutieren.

StuVe Homepage w ww.stuve.uni-muenchen.de Homepage der Besetzung www.unsereunibrennt.de

Weißer Block im heißen Herbst

10.000 Schüler und Studenten demonstrieren Doch zurück zur Besetzung. Am 17.11. fand die bisher größte Demo statt. Rund 10.000 Studis, Schüler und Schülerinnen gingen zusammen mit zahllosen Anderen auf die Straße. Auch viele von euch werden in ihren Kitteln im „weißen Block“ mit gelaufen sein, unter anderem um auf unser Esi-Problem aufmerksam zu machen: Es wurden dieses Wintersemester mehr Erstsemester zugelassen, als die Anatomie eigentlich stemmen kann.

Das Angebot Schließlich unterbreitete Prof. Huber am 2.12. im Abendplenum sein Angebot an die Besetzung. Unter anderem bot er an, wenn die Besetzung sich zeitnah auflöse, an der LMU eine Verfasste Studierendenschaft einzuführen, zweimal in der Woche das Audimax für Abendveranstaltungen zur Verfügung zu stellen und die Bachelor/Master - Studiengänge auf Mängel zu evaluieren. Im Plenum wurde dieses Angebot diskutiert. Es wurde beschlossen die Besetzung noch nicht aufzugeben, aber alle Vorlesungen tagsüber zuzulassen oder geeignete Ersatzräume zu suchen. In einem offenen Brief an Prof. Huber wurde um etwas Zeit gebeten, um die Angebote zu diskutieren und eine Lösung zu finden, wie weiter

mit der Besetzung umgegangen werden solle. Auf diesen Brief antwortete Prof. Huber nicht und zog seine Angebote schließlich zurück. Im Laufe der Zeit dünnte sich die Besetzung immer mehr aus, dauerte aber über Heiligabend an. Am 25.12. kam von der Hochschulleitung die Order, keine Personen mehr in die Uni zu lassen. Im Hauptgebäude wurden alle Eingangstüren verschlossen. Die Besetzenden durften folgenlos die Universität verlassen, durften sie danach aber nicht mehr betreten. Schließlich wurde in der Nacht zum 28.12. die Uni polizeilich geräumt. Die StuVe, die nicht mit der Besetzung gleich gesetzt werden darf – sie solidarisiert sich zwar mit der Besetzung und hat viele ähnliche Ziele, aber nicht jeder Besetzer hat vorher in der StuVe mit gearbeitet, sondern neu und unabhängig von der StuVe agiert – verurteilte in einer Pressemitteilung dieses Vorgehen.

Wie geht es weiter? Die ehemaligen Besetzer treffen sich momentan (3.1.2010) in den Räumen der StuVe, um weitere Aktionen zu planen. Am 10.1. findet ein bayernweites Studierenden-Treffen der LAK (Landes Asten Konferenz ) statt, um die Einführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern voran zu bringen. An dieser werden VertreterInnen der StuVe teilnehmen. Natürlich wird sich die StuVe auch weiterhin mit der Hochschulleitung treffen, um über die oben genannten Probleme zu sprechen. 


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Mann und Frau

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Sexuelle Belästigung Sexuelle Belästigung im Kontext des Medizinstudiums Von Sophie Schlosser Meine medizinische „Karriere“ begann mit einem Krankenpflegepraktikum auf der Neurologie eines Lehrkrankenhauses der LMU. Die Station wurde von einem angeblichen Ex-Knackie organisiert, der im Laufe des Praktikums immer mehr körperlich zudringlich wurde. Mal wurde ich in die Taille gepiekt, mal plötzlich hochgehoben. Ein harmloser Wie wäre es: Spaß, kann man so denken. Dennoch war mir irgendwie dabei unbehaglich, aber ich konnte und wollte nicht ausdrücken, dass mir sein Verhalten nicht gefällt. Warum? Weil ich nicht als verklemmte, zimtzickige, prüde Medizinstudentin vor den Schwestern und ihm erscheinen wollte. Man hat es sowieso schon schwer, mit den Damen warm zu werden. Höhepunkt des harmlosen Spaßes war der Moment, als er mir mit eindeutiger Geste den Vorschlag eines Quickies, wohlgemerkt im Ausgussraum, machte. „Wie wäre es: fünf Minuten?“ Um einigermaßen Würde zu bewahren, entgegnete ich ihm: „Was? Du schaffst es nur fünf Minuten?“ Damit war er zwar für das Erste ruhig gestellt, geholfen hat es mir allerdings nichts. Sein Verhalten änderte sich nicht und ich wünschte mir sehnlichst das Ende dieses Praktikums herbei. Während eines anderen Krankenpflegepraktikums hatte ich einen Patienten zu waschen. Ich bat ihn im Bad auf mich zu warten, um noch einige Waschutensilien zu holen. Als ich wiederkam erwischte ich ihn beim masturbieren. Bei meinem Innere Blockpraktikum machte ich die Bekanntschaft mit einem weiteren interessanten Patienten, der sich selbst als „Lustmolch“ bezeichnete und auf meine Bitte, auf die Stelle zu drücken, an der ich gerade Blut abgenommen hatte, antwortete: „Lieber würde ich Sie drücken!“ Meine Freundin machte mir den gelungenen Vorschlag, nächstes Mal die Kanüle im Unterhautfettgewebe vorzuschieben.

Er könne mir den Anästhesisten empfehlen. Es ist wirklich eine Herausforderung, dreißig Tage lang immer eine andere Antwort darauf zu finden. Nach und nach drängte sich mir der Gedanke auf, ob irgendwo auf meiner Stirn geschrieben steht „Bitte um sexuelle BeOder ist man als fünf Minuten? lästigung“? Medizinstudentin eher dem Risiko ausgesetzt, in derartige Situationen zu kommen? Als ich meine Freundinnen fragte, ob sie jemals in ihrem Studium sexuell belästigt worden wären, reagierte zunächst jede abwehrend. Als ich jedoch meine Geschichten auspackte, fielen ihnen auch einige Anekdoten ein. Ich bin wohl doch kein Einzelfall. Bei einer Befragung von Medizinstudenten der Universität von Toronto im Jahr 1991 lag die Belästigungsquote bei Frauen bei 46%, bei Männern bei 19%. Die Frauenbeauftragte der LMU, Dr. Margit Weber, berichtet über ca. zwei Betroffene pro Monat, die sich an sie wenden.

Ignorieren, Verharmlosen, Leugnen ... Warum will aber niemand im persönlichen Gespräch diese Geschichten als das bezeichnen, was sie sind: sexuelle Belästigung? Ich denke, die Antwort ist einfach. Generell, aber gerade für Frauen in Zeiten der Post-Emanzipation, möchte man nicht „das Opfer“ oder „die/ der Überempfindliche“. Daher entscheidet man sich häufig für Ignorieren, Verharmlosen oder gar Leugnen. Die FU Berlin ermittelte, dass 40% der Täter Lehrende sind und 34% Kommilitonen.

Was sind die Ursachen für sexuelle Belästigung? Wichtig ist, zu begreifen, dass es bei sexueller Belästigung selten um eine Befriedigung eines sexuellen Triebes geht, auch wenn dies gerne als Ausrede angeführt wird. Im Grunde Auch an einem Lehrkrankenhaus der TU stehen Machtausübung und Kontrolle im Vormachte ich Bekanntschaft mit Patienten, die dergrund. Was zunächst seltsam klingen mag, breitbeinig im Flügelhemdchen, unbedingt von wird verständlich wenn man sich vor Augen mir, „der reizenden Studentin“ eine Braunüle führt, dass Vergewaltigungen in Gefängnissen gelegt bekommen wollten. Glücklicherweise gevor allem auch unter homosexuellen Männern noss es der andere männliche Famulant, ihnen vorkommen, die „ihr Revier markieren“. Demüdiese Pläne zu durchkreuzen. tigung des Opfers ist ein essenzieller Bestandteil von sexueller Belästigung. Aber auch im Ausland ist man Begünstigend wirkt natürlich Das gehöre doch schließlich eine hierarchisch organisierte nicht von derlei Zuwendungen gefeit. Während meiner Umgebung, in der starke Abzum Austausch dazu .... Famulatur in Ghana, begrüßhängigkeitsverhältnisse bestete mich ein Oberarzt täglich hen. Sexuelle Belästigung wird mit der Frage, ob ich den nun schon endlich laut Susan W. Hinze, Health 2004 vor allem einen schwarzen Penis genossen hätte. Das während der Ausbildung erfahren. Chirurgische gehöre doch schließlich zum Austausch dazu. Fächer, hier vor allem Allgemeinchirurgie und

Definition sexuelle Belästigung: Jede unerwünschte Verhaltensweise mit sexuellem Bezug.

Gynäkologie, sind dabei mit 74% weit an vorderster Front zu finden. Frauen sind wohl vor allen Dingen von sexuellen Belästigungen betroffen, das in höheren Positionen ein niedriger Frauenanteil herrscht. Bei der steigenden Anzahl von Medizinstudentinnen kann uns das ja hoffen lassen – wahrscheinlich muss man bald um das arme männliche Geschlecht bangen. Dessen Problem ist es, in Fällen sexueller Belästigung seitens Frauen – siehe dem US-amerikanischen Film Enthüllung mit Demi Moore und Michael Douglas – nicht ernst genommen zu werden.

Der Schuldige ist klar. Aber wie reagieren? Ganz klar kann man sagen: Auch wenn sich die betroffene Person nicht wehrt oder nicht wehren kann, liegt die Schuld immer bei der Person, die belästigt. Wie kann man aber darauf reagieren? Das Dilemma ist, leistet man keine Gegenwehr, gehen die Belästigungen weiter oder werden sogar häufig intensiviert. Leistet man Gegenwehr, muss man damit rechnen, Ablehnung durch das soziale Umfeld zu erfahren. Man wird als überempfindlich bezeichnet oder die Situation wird umgekehrt. Plötzlich ist man selbst der Täter, der den Ruf des anderen schädigen will. Beliebt ist auch die Aussage: „Die hat es ja darauf angelegt.“, wobei man sich auf Kleidung oder angeblich laszive Verhaltensweisen bezieht. Wie also ist es sinnvoll, auf unangemessenes Verhalten zu reagieren? Zunächst einmal ist es wichtig rasch zu handeln und möglichst schnell Grenzen aufzuzeigen, um eine Dynamik zu verhindern und Beschwerden in Richtung: „Du hast doch nie gesagt, dass du damit ein Problem hast.“ entgegen zu wirken. Selbstbewusstes, raumgreifendes Auftreten ist sehr wichtig. Oder zumindest so tun als ob. Offensives Handeln kann manchmal helfen. So zum Beispiel wenn man beim Taxieren, demonstrativ zurückblickt. Laut und klar sollte man sein Unbehagen ausdrücken und klare Handlungsanweisungen geben: „Ich möchte nicht, dass Sie mir so nahe kommen.“ Schlagfertige, scherzhafte Entgegnungen oder plumpe Erwiderungen helfen zwar kurzfristig weiter, lösen aber dauerhaft nicht das Problem, da es scheint, man wäre mit dem Verhalten einverstanden. In drastischeren Situationen, ist es hilfreich Aufmerksamkeit und Hilfe durch Schreien oder Ansprechen von Leuten zu suchen. Im Notfall sollte man sich auch nicht scheuen aggressiv aufzutreten. Ist das Kind ins Wasser gefallen, ist es wichtig, sich im Nachhinein über die eigenen Gefühle klarzuwerden und diese ernst zu nehmen. Man


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sollte einer Vertrauensperson über den Vorfall berichten und diesen möglichst rasch mit Ort, Datum, Zeit, Ablauf, Häufigkeit notieren. Dies kann einem dabei helfen, das Geschehene zu begreifen und eine Grundlage für eine Anzeige bilden. Eventuell kann man in Erwägung ziehen, den Täter mit Zeugen auf das Geschehene anzusprechen oder dem Täter eine schriftliche Klarstellung zukommen zu lassen. Auf jeden Fall sollte man eine Kopie des Briefes aufbewahren. Beratung und Hilfe findet man auch bei offiziellen Stellen, wie den Frauenbeauftragten, die einen in jedem Fall im Gespräch stärken können. Sie bieten auch an, eine Unterredung mit dem Täter oder dem Vorgesetzten zu führen oder einen bei formellen Beschwerden zu begleiten. Auf Wunsch stellen sie auch Kontakt zu Fachpersonen her. Die Frauenbeauftragten sind verpflichtet keine Schritte ohne ausdrückliche Einwilligung zu unternehmen. Es ist ihnen ein großes Anliegen, dass Vorfälle gemeldet werden, da sie intern Fälle sammeln, die in der Uniberatung bekannt werden. Bei Häufung kann dies eine Beschwerde unterstützen. Man sollte also auch in Hinblick auf zukünftige Opfer das Schweigen brechen. Frau Prof. Dr. Ulla Mitzdorf, ehemalige LMU-Frauenbeauftragte und Expertin in Gender-Fragen appelliert: „Lieber einmal zu viel um Hilfe bitten, als einmal zu wenig!“

Die aktuelle Rechtslage Studenten schützt bei Vorfällen von sexueller Belästigung das Beschäftigtenschutzgesetz von 1994. Die Beweislast liegt allerdings beim Opfer. Man kann sich auch auf die Paragraphen §185, 240, 174 und 177 des Strafgesetzbuches berufen, die die Fälle von Beleidigung auf se-

xueller Basis, Nötigung, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, sexuelle Nötigung/Vergewaltigung unter Strafe stellen. In jedem Fall ist die Hochschulleitung verpflichtet Beschwerden nachzugehen. Konsequenzen für den Hochschulangestellten können vielfältig sein: persönliches Gespräch, Aktenvermerk in Personalakte, Verweis, Geldbuße, Gehaltskürzung, Versetzung oder Entfernung aus dem Dienst. Studenten kann der Ausschluss aus Lehrveranstaltungen drohen, die Nutzung universitärer Einrichtungen versagt oder Hausverbot erteilt werden. Schlussendlich kann er auch exmatrikuliert werden.

and Residency Program Selection?“ (Academic Medicine, 2005) an, dass sie dadurch in der Wahl ihrer Spezialisierung beeinflusst worden sind.

Folgen sexueller Belästigung sind vielfältig und selbstverständlich individuell in Ausprägung. Oft ist man verunsichert und wird von Selbstzweifeln geplagt, ob man das Geschehene falsch interpretiert, ob man die Situation provoziert hat, ob man angemessen reagiert hat, … Unzufriedenheit macht sich breit. Teilweise führt das Vermeidungsverhalten und Interessenverlust. Konzentrationsstörungen, Angstzustände, vegetative Symptomatik wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen können hinzukommen. Depressionen, gekennzeichnet von Vertrauensverlust in andere Menschen, Scham, Minderwertigkeitsgefühlen und Rückzug, sind möglich. Sexuelle Belästigung kann auch Einfluss auf den Lebensplan in Form von Studiumsabbruch oder Änderung von Karriereplänen haben. 45,3% der Frauen und 16,4% der Männer, die sexuelle Diskriminierung oder Belästigung erfahren hatten, gaben in Terry D. Strattons Studie „Does Students’ Exposure to Gender Discrimination and Sexual Harassment in Medical School Affect Specialty Choice

Ludwig-Maximilians-Universität München Frauenbeauftragte Schellingstr. 10 /II 80799 München Tel: 089/2180 - 3644 Fax: 089/2180 - 3766

frauenbeauftragte@lmu.de Dr. Hela Ihloff Frauenbeautragte der medizinischen Fakultät Poliklinik für Kieferorthopädie, Klinikum der Universität München, Goethestr. 70 80336 München

Sicherlich ist sexuelle Belästigung sehr subjektiv. Wünschenswert wäre ein um die Grenzen des anderen bedachten Verhalten. 

Formen sexualisierten Verhaltens •

anzügliche Kommentare, sexistische Sprüche und Witze

unerwünschte „Komplimente“ bzw. Kommentare über das Aussehen

i ndiskretes „Ausfragen“ über Beziehungen oder Sexualleben

Verteilen, Aufhängen und Zeigen von Darstellungen sexistischen oder pornographischen Inhalts

aufdringliche Blicke, deutliches Mustern und Abschätzen des Körpers, sexuell herabwürdigende Gesten und Verhaltensweisen

u nerwünschte Nähe, Berührungen und Übergriffe, aufdringliches Verhalten

E rzwingen sexueller Handlungen, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung

Beschäftigtenschutzgesetz §1 (1) Ziel des Gesetzes ist die Wahrung der Würde von Frauen und Männern durch den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeistplatz. §2 (2) Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes vorsätzliche sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. ... §3 (1) Die betroffenen Beschäftigten haben das Recht sich … zu beschweren, wenn sie sich sexuell belästigt … fühlen.

Offizielle Stellen Dr. Margit Weber Frauenbeauftragte der LMU

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Beratungsstelle „Sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Männer“ des Studentenwerks Ansprechpartner/in: Dipl. Psych. Petra Holler (Leiterin), Dr. med. Rudolf Tauscher Psychotherapeutische und Psychosoziale Beratungsstelle Gemeinschaftszentrum im Olympischen Dorf Helene-Mayer-Ring 9 80809 München Tel.: 089 3589858-10

psycho-beratung@studentenwerk.mhn.de Frauennotruf München

Tel.: 089/5160-3231 Fax 089/5160-7677

Tel.: 089/763737

hela.Ihloff@med.uni-muenchen.de

info@frauennotrufmuenchen.de

§3 (2) Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte hat die Beschwerde zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Fortsetzung einer festgestellten Belästigung zu unterbinden. §4 (1) Bei sexueller Belästigung hat der Arbeitgeber die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen, wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. ... §4 (2) Ergreift der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der sexuellen Belästigung, sind die belästigten Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit am betreffenden Arbeitsplatz ohne Verlust des Arbeitsentgelts und der Bezüge einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. §4 (3) Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte darf die belästigten Beschäftigten nicht benachteiligen, weil diese sich gegen eine sexuelle Belästigung gewehrt und in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben.


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Dascha

Nach einer wahren Begebenheit Von Natalie Grisin

Sie wusste, dass der Junge aus dem Sowchos ‚Majak‘ stammte und dort als Gigolo galt. Sein Äußeres zog Frauen an. Viele Mädchen suchten ihn mit ihren Blicken zu treffen, wenn er mit dem Traktor durch das Dorf fuhr. Die Verwaltung des Sowchoses lies seine ständigen Streitereien und Schlägereien zu, denn er galt als sehr „Semjon Petrowitch, genau 3,4 Tonnen. Heuverantwortungsbewusster und fleißiger Mitarte geht‘s. zum Getreidespeicher der Stadt Solbeiter. Das erste Mal sah ihn Dascha im SowIlezk. Gute Fahrt.“ chosclub beim Tanzabend. Damals überzeugte „Mach‘s gut, Dascha.“ Sein Auto verschwand sie ihre Freundin, dorthin zu gehen. Umgeben im Staub der Steppe. von kichernden Mädchen, stand er da, ganz in Das gebräunte Mädchen im gebleichten Baumseinem Element, und hielt ausdrucksvoll eine wollkleid winkte ihm nach. Sie kannte viele selbstgedrehte Zigarette zwischen zwei Fingern. Menschen aus den benachbarten Sie gab zu, er war schön, aber kleinen Dörfern, die von der Ern- Umgeben von kichernden das Äußere spielte für sie keine te des Getreides lebten. Sie deckMädchen, stand er da, ganz große Rolle. Ihre Mutter pflegte te die Augen vor der Sonne mit zu sagen: „Der Mensch mit seiihrer Hand zu und schaute in die in seinem Element, und hielt nen inneren Werten kann schön Ferne. So weit man sah, erstreck- ausdrucksvoll eine selbstge- sein.“ Sie nahm ihn einfach nicht ten sich gelb-grüne Felder bis ernst. Dascha konnte darauf wetzum Horizont. Dascha war 18, in drehte Zigarette zwischen ten, dass er sie, die „graue Maus“, einem Alter, in dem man über die an jenem Abend überhaupt nicht zwei Fingern. Zukunft intensiv nachdachte und bemerkt hatte. Entscheidungen selber treffen musste. Nach der „Ob Sie es glauben oder nicht, ich bin Darja Mittelschule träumte sie davon, große Städte zu Ivanovna. Papiere, bitte“, wiederholte sie . sehen und einen guten Beruf zu erlernen, mit Er reichte ihr die Begleitscheine. „Fahren Sie dem sie sich und ihrer Mutter aus der ständidas Auto auf die Waage. Ich muss noch Mal algen Geldnot helfen konnte. Diesen Sommer les kontrollieren“. entschied Dascha noch im Sowchos „Majak“, „Fertig!“ Dascha klopfte leicht auf die Tür des staubigen Lastkraftwagens. Dieser bewegte sich von der Autowaage fort und blieb stehen. Sie trug die letzten Zahlen in den Begleitschein ein.

einem landwirtschaftlichen Großbetrieb, als Zählkraft zu arbeiten. Zu ihrer Tätigkeit gehörte die Kontrolle, das Wiegen und Ausfüllen von Begleitscheinen der voll beladenen LKWs, die Getreide zu den Speichern des Gebietes Orenburg unweit der kasachischen Grenze lieferten. Es war jetzt Hochsommer mit trockenen, heißen Tagen und warmen Nächten. Der dunkelblaue LKW mit der Marke ZIS fuhr auf den Wirtschaftshof III und blieb dann stehen. Der blonde kräftige, etwa 21 jährige junge Mann, in breiten Hosen und kariertem Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, sprang aus der Kabine und rief ihr nach: „Hey, Hübsche. Ich suche Darja Ivanovna. Sie soll mir diese Papiere unterschreiben.“ „Das bin ich.“ „Du, so ein Spatz?“ er grinste ihr zu. Sie fühlte sich beleidigt, wollte es aber nicht zeigen. Aufgerichtet sagte sie mit einer strengen Stimme: „Bitte Ihren Begleitschein!“

Spring at River - panorama © virsh / sxc.hu

„Na, so was! Mit einem Fuß aus dem Kindergarten und schon so hochnäsig! So eine Ziege!“ dachte er. Kein Mädchen hatte sich je erlaubt mit ihm auf diese Weise zu sprechen. Er wollte wie gewöhnlich eine auf sie gemünzte Bemerkung loslassen, unterdrückte aber seinen Wunsch. Sein braunes Gesicht lief rot ein. „Die Zeltplane ist an einem Ende nicht festgebunden. Das bedeutet den Verlust von mehreren Kilogramm Ernte“, unterrichtete sie ihn im gleichen Ton. Er band die Plane an und fuhr seinen LKW zur Kontrolle.

Schweigend verfolgte er jede Bewegung des Mädchens. Es wunderte ihn wie geschickt und schnell sie die Zahlen eintrug. „Alles in Ordnung!“ sie reichte ihm die Dokumente. Der Junge blickte ihr in die Augen. Diese hatten die seltene Farbe der Feldkornblumen. Er reichte ihr die Hand: „Ich heiße Wassilij.“ Sie zögerte eine Weile, gab ihm die Hand aber nicht: „Dascha.

Gute Fahrt!“ , wünschte sie ihm und wandte sich zum nächsten Fahrer. „Daaascha! Stolzes Weib!“ brüllte Wassilij und betätigte das Schaltgetriebe. Er sah im Rückspiegel, wie das Mädchen mit dem anderen Fahrer sprach. Sie drehte ihren Kopf nicht in seine Richtung. Es schien, als ob kein Interesse an ihm bestand. Er fuhr seinen ZIS ruckartig an. Am nächsten Tag bat Wassilij bei der Verteilung der Arbeit im Sowchoskontor mit unschuldiger Miene, ihn wieder in den Bereich des III. Wirtschaftshofes zu schicken. „Du hast doch noch vorgestern so stark dagegen protestiert. Dir schien die Beschäftigung als Mähdrescherfahrer ehrenwerter zu sein. Geht es vielleicht um ein hübsches Mädchen?“ stichelte der Vorsitzende. Die Anwesenden lachten. Wassilij errötete im Gesicht: “Alle Weiber sind für mich gleich. Das wißt ihr doch. Dort braucht man diese Woche Arbeitskräfte am meisten und der Wind ist dort am frischesten.“ Noch eine große Welle von Gelächter donnerte unter dem improvisierten Zelt Wassilij entgegen. „Gut. Alle an die Arbeit. Gemäß dem Wetterbericht von gestern erwarten wir zum Abend ein kräftiges Gewitter. Ich bitte, alle rechtzeitig zu informieren und unter ein geschütztes Dach zu bringen, und die Ladung in den LKWs unbedingt mit Zeltplanen zuzudecken.“ Im dritten Jahr nach dem zweiten Weltkrieg erbrachte die Orenburger Steppe eine reichliche Weizenernte. Die schweren, sonnengereiften Ähren beugten sich tief zur schwarzen Erde herunter. Die Menschen beeilten sich, noch vor dem angekündigten Gewitter die trockenen Körner vom Feld abzuernten. Wassilij wendete seinen LKW und stellte ihn unter dem Arm des Mähdreschers. „Los! Dawaj!“ rief er. Die goldgelben Ähren schlugen in den Kippkasten. Er war wieder mit seinen Gedanken bei dem Mädchen mit den Kornblumenaugen. Was hatte sie denn gegen ihn? ... wollte ihm gestern die Hand nicht geben ... Er hörte das Hupen: „Hey, Schlafmütze! Dein Auto ist voll!“ Nach einer halben Stunde fuhr er wieder mit klopfendem Herzen auf den Wirtschaftshof III. Wie das letzte Mal stand Dascha mit weißen Blättern in der Hand da. Respektvoll sprach ein älterer Fahrer mit ihr. Wassilij war als Nächs-


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ter an der Reihe: „Guten Tag, Dascha“ grüßte er sie. „Guten Tag, Wassilij“, antwortete diese und blickte ihn mit ihren dunkelblauen Augen an. Der LKw wurde gewogen und kontrolliert. Dem jungen Mann kam alles wie ein Traum vor. Er fuhr weiter: „So ein Trottel“, schimpfte er sich. „Kein Wort mit dem Mädchen zu tauschen. Erzähle ich das meinen Kumpels, werden sie mich auslachen.“ Viele Male hatte er noch die Gelegenheit, aber nie nützte er sie, bis er keinen Mut mehr fand, sie weiter anzusprechen. Es war schon fast dunkel, als Wassilij voll verschwitzt und müde von der Fahrerei bei Dascha anrollte. „Ich soll dir ausrichten, dass wir für heute fertig sind.“ „Danke für die Nachricht“, sagte sie ruhig. Ihre Stimme klang nicht mehr streng, eher erschöpft. „Darf ich dich nach Hause bringen?“ traute er sich zu fragen. Sie zögerte mit der Antwort und überlegte, ob er vielleicht irgendwelche Hintergedanken hatte.

entfernt, wo ich wohne“, führte er das Gespräch weiter. Das Gewitter tobte durch die Steppe. Leuchtende Blitze durchquerten den dunklen Himmel. Es donnerte und krachte. Das Wasser lief in Strömen. „Hoffentlich bleiben wir nirgendwo stehen“, bemerkte Wassilij laut. „Hoffentlich“, wiederholte sie leise. „Im Club wird am Freitag ein neuer Film gezeigt. Kann ich dich einladen?“ fragte er laut. „Dies mal nicht. Ich muss meiner Mutter helfen. Sie fühlt sich momentan nicht besonderes gut“, antwortete sie einfach. Wassilij wurde ihr immer mehr sympathischer. Sein ZIS erreichte ihr Dorf. „Danke fürs Mitnehmen.“ Sie öffnete die Tür, fertig zum Rausspringen. „Ich hoffe, wir sehen uns“, verabschiedete er sich.

Noch einen ganzen Tag tobte das Gewitter über die Steppe. Am zwei„Übrigens es kommt ein starkes Gewitten Tag blickte die Sonne heraus. ter“, fügte er schnell hinzu. Die Luft war Die schweren Wolken verschwanden dicht und es fing an zu tropfen. „Na, gut.“ am Horizont. Die Felder trockneten Sie kletterte in die Kabine. Die Tür ging nicht schnell. Es konnte wieder geerntet werzu und er musste sich über das Mädden. Als Wassilij nachmittags Ihre Augen hatten die seltene chen beugen, um sie zuzumachen. Farbe der Feldkornblumen die Ladung zum WirtschaftsDascha drückte sich in den Sessel. hof brachte, wartete Dascha „Entschuldige“, sagte er etwas schüchtern und schon auf ihn mit einer Zeitung in der Hand. fühlte sich verlegen. Der LKW startete mit ei„Schau hier, erkennst du ihn?“ In der Ortszeinem nörgelnden Motorgeräusch in die Nacht. tung war sein Porträt mit einem Artikel untendrunter. „Ach, deswegen war ein Reporter bei Die beiden sprachen zuerst nicht miteinander. mir zu Hause?“ freute er sich. „Na, lies mal, was Ihre Körper bewegten sich im Rhythmus des da über dich steht!“ forderte sie ihn auf. Er gab sich bewegenden Autos, das langsam auf den ihr die Zeitung verlegen zurück und schaute, Dorfstraßen durch die unzähligen Schlaglöcher ob keiner sein Verhalten bemerkte: „Das kann kroch. Dascha brach das Schweigen als erste: ich nicht. Nach dem Krieg hatte ich keine Zeit, „Du hast heute 15 Ladungen Korn gefahren. meine Ausbildung nachzuholen.“ Das MädToll! Die beste Leistung während des ganzen chen blickte ihm in die Augen: „Viele hatten Tages“, schrie sie ihm zu. „Echt ? Danke!“ freusolch eine Gelegenheit nicht“, tröstete sie ihn te er sich laut. „Du hast auch eine sehr wichtige vom ganzen Herzen, „Weißt du, ich werde dir Aufgabe am Wirtschaftshof. Wie kannst du alles helfen. Komm einfach abends zu mir. Vor bösen so gut und schnell bearbeiten?“ lobte er sie. „Es Dorfzungen habe ich keine Angst.“ ist ja nicht schwer, man sammelt eben Erfahrungen.“ Er spürte, wie ihre Augen in der Nacht glänzten. Sie schwiegen wieder. „Aus welchem Dorf kommst du?“ „Aus Tchernowka“, schrie sie ihm zu. „Es ist vier Kilometer vom ‚Majak‘

Winter in Russian village © virsh / sxc.hu

Von da an begann eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden. Verantwortungsbewusst unterrichtete Dascha Wassilij an jedem freien Abend. Zielstrebig konnte er nach zwei Monaten schon flüssig lesen und ziemlich gut rech-

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nen. Mit dem Schreiben ging es nicht so einfach voran, da seine großen Arbeitshände die Schreibfeder nicht gescheit halten wollten und auf dem Papier viele Tintenkleckse hinterließen. Wassilij erlaubte sich kein auffälliges Benehmen mit Dascha. Seine Kumpels wies er darauf hin, sie in Ruhe zu lassen. Die Tanzabende im Club besuchte er immer seltener. Die „Dorfschönheiten“ wunderten sich, was er in Dascha gefunden hatte. Er konnte diese Frage selber nicht genau beantworten. Vielleicht spürte er ein tiefes Vertrauen in das Mädchen, das Augen wie die Farbe der Kornblume hatte. Mitte September bekam Dascha einen Brief. Sie sei zu den Lehrerkursen im Kurort SolIlezk zugelassen worden und möge dort in den nächsten Tagen erscheinen. Das freute sie und machte sie gleichzeitig traurig. Am letzten Abend vor der Abreise saßen Dascha und Wassilij beieinander. „Unsere Abende werden mir fehlen.“ „Mir auch“, wiederholte er. „Ich werde dir schreiben“, sagte sie, “Schreibst du mir auch?“ „Gerne, wenn du meine Tintenkleckse verträgst“, scherzte er. „Ich habe mich für einen Mechanikerkurs angemeldet. Nach dem Erntefest fahre ich für einige Monate nach Orenburg fort. Bitte denk an mich“, bat er sie. Dascha legte ihren Kopf vertrauensvoll auf seine Schulter: „Du auch“. t

Eineinhalb Jahre sind unbemerkbar schnell vorbei gegangen. In den schulischen Weihnachtsferien fuhr Dascha mit dem Zug endlich nach Hause. Die Orenburger Steppe war schon längst unter einer dicken weißen Decke eingehüllt. Die Sonne spielte in den leuchtenden Kristallen mit hunderten von Farben. Leicht konnte man die Tierspuren im tiefen Schnee erkennen. Es war sehr kalt. Der Schnee knirschte unter dem Schlittengespann, das sie zu ihrem Haus brachte. „Du bist ein echtes Stadtmädchen geworden“, begrüßte sie ihre Mutter mit offenen Armen. Zu Hause war alles so stehen und liegen geblieben, wie sie es gelassen hatte. „Wie geht es dir, Mutter?“ „Du weißt, wie es hier im Winter zugeht. Sehr ruhig. Ich stehe morgens auf, melke


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die Kuh, dann räume ich auf, gehe zur Nachbarin zum tratschen, stricke Pullis und Socken, schließlich gehe ich hin und wieder zum Bahnhof um sie zu verkaufen.“ Sie legte eine Pause ein. „Wie ist es in der Stadt? Du hast dich verändert.“ „Ich unterrichte 38 Schüler in der zweiten Klasse und besuche auch Lehrerkurse am Nachmittag. Ich habe so wenig Zeit für mich selber, aber ich fühle mich nützlich. Ich bekomme Anerkennung von meinen Kollegen und den Eltern meiner Schüler. Du siehst, mein Leben steht nicht still.“ „Wie lange bleibst du bei uns?“ fragte die Mutter. „Zwei Wochen, wir haben Ferien.“ Die Mutter goß ihr Milch aus dem Keramiktopf in ein Glas ein: „Koste Mal, so was gibt es sicher nicht in der Stadt. Übrigens habe ich gestern Wassilij im Sowchos gesehen. Er grüßte mich und wollte wissen, wo du bist. Ich sagte ihm, du kommst bald nach Hause. Heute ist Tanzabend im Sowchosclub. Er wird sicher dort sein.“ Daschas Herz fing an zu klopfen. Sie hatte ihm aus Sol-Ilezk zuerst öfter, danach immer seltener geschrieben. Die Vorbereitung zu den Unterrichtsstunden nahm viel Zeit in Anspruch. Er antwortete auch selten. Kurz und knapp berichtete er über sein Leben und seine Arbeit. Darüber war sie etwas gekränkt.

Sechs Paare bewegten sich ungeschickt zum Takt der Musik. Dascha entdeckte Wassilij am anderen Ende der Halle. Er war nicht alleine. Mit einer Hand umarmte er ein geschmacklos geschminktes Mädchen und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Diese kicherte und berührte ihn reizend mit ihrem üppigen Busen. Wassilij küsste sie auf ihren halboffenen, purpurrot gefärbten Mund. Danach folgte ein derber Klaps auf ein ihr ausladendes Hinterteil, woraufhin laute Zurufe von umher stehenden Gaffern erschollen. Das konnte sie einfach nicht ertragen. Wie geladen stand sie im Türrahmen.

„Wenn er will, kommt er selber zu uns, den Weg kennt er ja! Die Dorffrauen haben sicher bereits die Nachricht verbreitet, dass ich angekommen bin!“ „Ach, Töchterchen! Du weißt wohl besser Bescheid“, sagte sie versöhnlich, „Ruhe dich aus. Das Abendessen steht im Ofen. Ich gehe zur Nachbarin, du weißt schon, zum Tratschen.“ Sie schloss die Tür hinter sich. Dascha holte ein Buch und machte es sich bequem auf dem Bett. Bald merkte sie, dass ihre Gedanken immer wieder zu dieser warmen Zeit zurückkehrten, als sie Wasilij das Lesen lehrte. „Nein, ich muss ihn sehen! Egal, was er jetzt für mich empfindet!“ Dascha sprang aus dem Bett, zog ihr bestes, in der Stadt gekauftes Wollkleid an. Danach schlüpfte sie in einen Mantel und band sich ein Tuch über dem Kopf zusammen. Ihre Lederstiefel waren nass. Für den langen Weg brauchten ihre Füße etwas anderes. Sie erinnerte sich, dass ihre Mutter ein paar Filzstiefel im Abstellraum haben sollte. Sie zündete die Petroleumlampe mit einem Streichholz an und steckte die Streichholzschachtel in ihre Manteltasche. Die Stiefel waren tatsächlich dort. Dascha schrieb noch einen kurze Notiz an ihre Mutter und ging aus dem Haus.

Voller Abscheu warf sie ihm zu: „Du bist nicht der Wassilij, den ich im letzten Sommer kennengelernt habe und der meine Briefe bekommen hat!“ Wassilij erwiderte selbstbewusst und spöttisch: „Sag mir, wann hast du mir denn den letzten Brief geschrieben? Du warst es, der unsere Freundschaft vergessen hat! Gib es doch zu. Ich war dir niemals etwas wert!“

Es dämmerte. Aber sie hatte Glück. Der Nachbar fuhr mit dem Pferdegespann in die gleiche Richtung und brachte sie direkt zum Sowchos ‚Majak‘. Den Club fand sie sofort. Es war genau dasselbe alte, grünlich gestrichene Gebäude, dessen Farbe mittlerweile abgenutzt war. Zwei Straßenlaternen beleuchteten den Eingang. Vor dem Club standen viele Jugendliche. „Schau mal, aus dem häßlichen Entlein ist ein Schwan geworden“, bemerkte ein großer Junge. Dieser kam ihr bekannt vor. Ohne den Mantel auszuziehen, blickte sie in die verrauchte Halle.

„Aus dem Weg!“ donnerte auf einmal eine unbekannte Stimme über sie hinweg. Erschrocken machte sie einen Schritt beiseite. Wassilij wurde auf den Schrei am Eingang aufmerksam. Da sah er Dascha. Der Blick ihrer Kornblumenaugen durchbohrte ihn bis auf die Knochen. Er schob seine Partnerin beiseite. „Dascha, du!“ In vier großen Schritten durchquerte er die Halle. „Lass dich umarmen!“ Er roch nach Alkohol. „Berühr mich ja nicht!“ schrie sie und lief aus dem Club. Wassilij holte sie ein und fasste ihr an die Schulter: „Dascha, warte! Es ist nicht so, wie du denkst! Hör zu. Du und ich, wir waren nur gute Freunde. Denkst du nicht auch so?“

Doch sie hörte ihm nicht mehr zu. Ihre Finger spielten nervös mit den Knöpfen ihres Mantels herum: „Nur weg von hier. Ich muss nach Hause!“ „Brauchst du vielleicht eine nette Begleitung, Lehrerin!“ kicherte Wassilij abschätzig. „Nein! Bleib bloß weg von mir! Ich hasse dich! Ich hasse dich!“ rief sie ihm zu und wich von ihm zurück. Die neugierigen Jugendlichen am Eingang des Clubs pfiffen ihr anerkennend zu. Es gab neuen Gesprächsstoff in den Dörfen.

zunehmen!“ Kein Licht, kein Mond, kein Laut half ihr zur Orientierung. Nichts als die dunkle, tobende Nacht umgab sie. Plötzlich hörte Dascha ein Winseln und sah dann leuchtend gelbe Augen: „Wölfe!“ Verzweifelt fing sie an, laut zu singen. Sie sprach sich Mut zu: „Immer in Bewegung bleiben!“ Die Wölfe hielten einen respektvollen Abstand. Das Mädchen sang und sang bis ihr Hals schließlich heißer wurde. Kurz darauf versagte ihre Stimme. Tapfer lief sie weiter. Da tauchte etwas dunkles vor ihr auf. Es waren die Umrisse eines Heuschobers. „Ein Dorf muss in der Nähe sein!“ freute sie sich. Doch die Wölfe kamen näher. Sie waren sehr geduldig. „Was kann ich tun?“ dachte Dascha der Panik nahe. Unversehens ertastete sie die Schachtel mit den Streichhölzern in der Manteltasche. „Feuer, ich kann Feuer legen!“ kam es ihr augenblicklich in den Sinn. Mit letzter Kraft befreite sie einen Teil des Heus vom Schnee. Ihre Finger waren klamm wenn nicht sogar erfroren. Erst beim vierten Anlauf gelang es ihr, ein Streichholz zu entzünden. „Na, ihr Bestien! Wer hat jetzt gewonnen?“ flüsterte sie den Tieren zu. Mit ihren vom Wind zerzausten Haaren glich sie einer Hexe, die einen Zaubertrank im tanzenden Licht des auflodernen Feuers braute. Die Wölfe hielten weiterhin Abstand, aber sie verschwanden nicht. Der Schober brannte in wenigen Minuten aus. Ihr war kalt, unglaublich kalt. Mit einem Male schien es ihr, als strecke Wassilij ihr die Arme entgegen: „Ich habe dich überall gesucht“, flüsterte er ihr zu, „Komm, lass dich umarmen.“ Dascha streckte die Hand nach ihm, sank dann zu Boden und schloss die Augen. Sie war unendlich müde. Die letzten Flammen erloschen … Über der Steppe erklang das Todeslied der Wölfe! t

Am nächsten Morgen fanden die Dorfbewohner nur Daschas Filzstiefel und die Reste ihres Mantels.

Daschas Schatten verschmolz schnell mit dem Dunkel der Straße. Er folgte ihr nicht.

Von diesem Tag an würde Wassilij nicht mehr aufhören zu trinken. Er irrte durch die Dörfer und weinte.

t

Eines Tages war er verschwunden – in der weißen Steppe von Orenburg.  

Es fing an zu schneien. Vertieft in ihre Gedanken ließ sie die letzten Häuser von ‚Majak‘ hinter sich. „Wie konnte ich all diese Zeit glauben, dass ich Wassilij verändern könnte? Ich muss ihn aus meinem Gedächtnis löschen, einfach vergessen ...“ Sie kannte die Straße zu ihrem Dorf gut. „Nur vier Kilometer und ich werde zu Hause sein“, dachte Dascha. Der Wind wurde stärker und es schneite heftiger. Nach einer Weile merkte sie, dass sie die Orientierung völlig verloren hatte. Sie spürte keinen festen Boden unter ihren Füßen und ging kniehoch im Schnee. Der mächtige Wind fuhr ihr ins Gesicht als träfen sie unzählige Nadelstiche. Sie fror bitterlich und kauerte sich zusammen. „Ich habe mich in der Steppe verlaufen“, schoss es ihr durch den Kopf. „So eine Dummheit, keinen Begleiter mit-

howl © nazreth / sxc.hu

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Kuhurin als Nationalgetränk?! Von Olga Batz In Indien ist alles möglich ... jedenfalls fast alles. Ein faszinierendes Land mit seiner besonderen Kultur: Taj Mahal (eines der sieben Weltwunder, sehr beeindruckend), das rote Fort, Bollywoodfilme (Shahrukh Khan), der heilige Ganges, Götterverehrung, farbenprächtige Saris, laute und turbulente Straßen, Gewürze, die leckere indische Küche und noch so allerhand. Und wenn wir schon beim Essen sind, dann gehen wir doch gleich zur heiligen Kuh über. Warum ist die Kuh eigentlich heilig? Die Kuh ist in Indien ein Statussymbol und ein wichtiger Gradmesser des Vermögens. Wenn man jetzt Rindfleisch essen würde, dann käme das einer Vernichtung seines Vermögens gleich. Folglich wird die Kuh in Indien verehrt. In den meisten Teilen Indiens dürfen die Tiere auch nicht geschlachtet werden.

tränk? Genau das hat sich die „Bewegung für Kuhschutz“ (acht Mio. Mitglieder), welche seit 1925 aktiv ist, auch gedacht und bereits 2001 erste Produkte mit dem gesunden Saft verkauft. Und eigentlich auch erfolgreich: sie hatten mehr Nachfrager als Angebot da war. Das Wässerchen soll „gau jal“ oder „Milchwasser“ heißen. Es besteht hauptsächlich aus Kuhurin und heilenden, ayurvedischen Kräutern, aber soll frei sein von jeglichen schädlichen Zusätzen. Angeblich soll es schon Ende dieses Jahres auf den Markt kommen. Der Erfinder Om Prakash meint zu seinem

neuen Brausegetränk: „Machen Sie sich keine Sorgen, es wird nicht nach Urin riechen, es ist sehr bekömmlich“. Gemäß der Bewegung für Kuhschutz ist es ein Allheilmittel gegen Leberleiden, Fettsucht, Krebs, größere und kleinere Wehwechen. Und dazu noch ohne Nebenwirkungen, außerdem weiß man genau was drin ist. Vielleicht werden wir in Zukunft vom Arzt dieses Getränk als Rezept ausgeschrieben bekommen, denn der Erfinder will die Kuh-Limonade auch exportieren. Krebsvorsorge Experten stehen dem Ganzen allerdings kritisch gegenüber. „Es ist alles nur leeres Gerede ohne jegliche wissenschaftliche Basis“, meint ein Professor der University of Illinois Chicago School of Public Health. Das Milchwasser soll sogar Coca-Cola und Pepsi vom indischen Markt verdrängen. Zumindest ist das geplant. Ob es klappt ist ungewiss – die meisten Inder lieben diese beiden Getränke.

Die Kuh genießt deshalb auch das Privileg auf Indiens Straßen frei herumzulaufen. Stelle man sich das Mal an einem anschaulichen Beispiel vor: in München Kühe in der Einkaufspassage des Marienplatzes ... unmöglich? Nicht so in Indien.

Die Bewegung für Kuhschutz hatte schon 1994 zu einem landesweiten Boykott von fremden Unternehmen in Indien aufgerufen, darunter auch dieser beiden Colamarken. Der Vorwurf gegen Cola ist, dass sie zu viele Pestizide enthält. Hoffe doch, das Getränk kommt wenigstens von einer BIO-Kuh.“

Also warum nicht dann auch ein Stück heilige Kuh in einem Ge-

– www.landwirt.com // Veltliner Forum

Ich bekomme einen Schock Autor der Redaktion bekannt Ich bekomme einen Schock, einen Schreikrampf und überhaupt und sowieso – wie blöd kann man denn sein ??? Anscheinend sehr blöd. Heute habe ich schon zwei Mal eine Email angefangen zu schreiben, aber jedes Mal gibt mein PC den Geist auf oder ich komme zufällig auf irgendeine Taste – ich weiß, bis jetzt noch nicht einmal welche?! – und alles ist wieder futsch. Ich weiß schon gar nichts mehr! Das liegt sicherlich am Regen – der zerstört einem auch jeglichen Gedanken durch sein ewiges Ans-Fenster-Getrommel. Ja, verdammt! Ich habe dich schon wahrgenommen. Also, wenn du schon vor dich hinschiffen musst, kannst du das vielleicht um ein paar Dezibel herunterschrauben. Ich habe sonst wirklich noch nicht viele Leute so laut strullern gehört! Du zerstörst ja auch jegliche positive Atmosphäre.

Regen ohne Pause Man muss sich mal vorstellen, er hat uns heute noch keine einzige Pause gegönnt. Es regnet und regnet. Na, ja, der Himmel scheint sich zu

einem Komplott zusammengefunden zu haben. Das Wetter lädt wirklich nur zu einem ein: Bett aufdecken – Hineinschlüpfen - Heineinmummeln (Nettes Wort im übrigen … ) – und fertig. Das war‘s! Zu mehr sicherlich nicht. Anscheinend wollen die werten Herren und hoffentlich auch Frauen da oben nur eines erreichen, wir sollen zu Hause bleiben, damit wieder die Natur die Macht an sich reißen kann. Endlich kann der ganze Staub und Dreck der letzten Tage wieder von den Blättern und Pflanzen verschwinden – einfach wegfegen (wäre schön, wenn der Staub im Zimmer es ihnen gleich tun könnte). Alles Lästige wird wieder zurückgedrängt – Menschen in die Häuser – Dreck und Schmutz zurück zum Erdboden. Mir scheint so, als wollten die werten Damen und Herren einfach nur ein bisschen Ruhe genießen, vielleicht mal wieder ein Nickerchen abhalten und vor sich hindösen – als würden sie das nicht häufig genug machen! Vielleicht sollte ich es ihnen gleich tun? Dieser Tag würde sich sicherlich anbieten. Seit ich heute morgen aus dem Bett gekrochen bin, fühle ich müde und min-

destens 10 Kilo schwerer. (vielleicht bin ich es ja tatsächlich, die Tiramisu von gestern war sicherlich nicht kalorienarm) Nur nachdem ich meine morgendliche Dusche zu einer wahren Orgie des Warmwasservergnügens ausgedehnt hatte, konnte ich wieder meine Glieder bewegen – welch ein Wunder! Mir hätte dieser harte Kampf um meine wenigen Energiereserven wirklich zu denken geben sollen, wie konnte ich nur glauben, dass ich heute zu einem vernünftigen Gedanken fähig sein könnte. Also, kurze Gedankennotiz: An Regentagen ins Bett einziehen und dort am besten bleiben – mhhh, und am besten mit ein großem Stück Tiramisu! Lecker! 


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In den Tiefen Gandhis Von Ivo Strasser Schmunzeln mögen wir oder verstört sein, angesichtzs der Frage, was Mahatma Gandhi als 76-jährigen, politischen Erneuerer und Idolfigur des 20. Jahrhundert in jenen Sommernächten der Jahre 1946 und 47 dazu veranlasst haben mag, beisammen schlafend mit jungen Frauen nackt wie unbedeckt im Freien zu liegen?

mit einem anmutigen, schönen und selbstbewussten Mädchen gleichen Alters vermählt. Ihr Name war Kasturba. Es folgten Jahre der innigen Liebe und unzählige Nächte ungestümer Liebespiele. Seine ungezügelte und lustvolle Einstellung zur Sexualität änderte sich schlagartig, als sein Va-

Diese Jungfrauen stammten aus seinem engsten Umkreis, darunter seine 19 Jahre alte Großnichte Manu. Sie folgten Gandhis Bitte aus freien Stücken. Es kam nicht zu dem, was wir uns vorschnell und in gewohnter Weise auszumalen pflegen. Unschuldig versanken sie im Schlaf. So sonderbar zu nächtigen vollzog Gandhi in aller Offenheit und nahm kein Blatt vor den Mund, darüber zu sprechen und seine Absicht offenzulegen. Stimmen der Kritik erhoben sich. Spielte Gandhi nicht selbstbesessen auf Kosten der Befindlichkeit der jungen Mädchen, die in dieser eigentümlichen Schwebe zwischen Annäherung und Zurückhaltung zu zerbrechen drohten?

Licht auf Tantra Dem Menschen ist das Brahmacharya ein Geschenk, denn unendliche Reichtümer darf er aus dem Universum schöpfen, das allem Gestalt gibt durch Materie, alles durchsetzt mit Energie und sich durch Bewusstsein selbst erkennt, als das was es ist: eine göttliche Idee.

Hatte Gandhi wirklich Höheres im Sinn, wie er versicherte, oder nutze er einen edlen Vorwand zur Stillung seiner Gelüste?

Das „Experiment“ Er übte die Praxis des enthaltsamen Liebesspiels, das „Experiment” wie er es nannte, schon seit Jahren. Viele Frauen in Gandhis Gegenwart fühlten keine Scham ob seines anderen Geschlechts, sie sahen ihn als ihresgleichen. Sie bewarben sich zahlreich um Gandhis Gunst und suchten dessen Nähe. Einige gerieten darüber immer mehr in Zank und Wettbewerb und unter jenen ohne starke moralische Grundfesten gedieh statt der Entwicklung sexueller Zurückhaltung das lustvolle Begehren. Trotz manchen Tadels wies Gandhi jeden Vorwurf der Verwerflichkeit und des Missbrauchs vehement zurück und unterstrich seine Intention, in alledem zu Höherem gelangen zu wollen.

Was war es, was ihn bewegte? Was ist dieses höhere Ziel wonach er strebte? Blicken wir zurück auf sein früheres Leben. Mit 13 Jahren wurde er nach alter Tradition

Gandhi wollte ein „Brahmachari” werden. Ein Mensch also, der das „Brahmacharya” als eines aus fünf grundlegenden yogische Verhaltensgeboten in sich vollendet hat. Stammend aus dem Sanskrit, der Sprache der indischen Veden und klassischen indischen Kultur, erscheint der Begriff in vielen Auslegungen. Im Kern zu begreifen ist es als das Streben nach dem Absoluten. Verstanden wird das Absolute auch als Zustand der vollkommenen yogischen Kontrolle über sich selbst und das schöpferische, sexuelle Potential. Im höchsten Sinn beschreibt es letztlich das Leben im höheren und allem zugrunde liegenden Bewusstsein, im Göttlichen. Im Auge des Lesers mögen diese Ziele noch so nahe leuchten, der Weg dorthin muss jedoch geführt sein von einer authentischen spirituellen Lehre, ist überdies ein Werk des Willens, der Beständigkeit, der geduldigen Zuversicht und des unermüdlichen Übens.

ter starb. Kurz nachdem Gandhi seine Bettwache bei seinem Vater abgelöst hatte und der Lust zu seiner Frau folgte, ereilte den Vater der Tod. Zeitlebends sollte der Gedanke ihn nicht mehr loslassen, sich auch in Zeiten der Pflicht und Schwermut lüsternden Fantasien gebeugt zu haben. Gandhi, der seine Pflichten seit jeher ernst genommen hatte, widmete sein nachfolgendes Leben dem Kampf gegen die inneren Unzulänglichkeiten. Aus den Schlüssen dieser inneren Wandlung würden sich später auch die Prinzipien der wohlbekannten politischen Errungenschaften herauskristallisieren können. Wir tauchen tiefer in die Geheimnisse dieses Menschen ein.

Zur Verwirklichung des Brahmacharya braucht es dreierlei: zuerst die Erweckung, zugleich die Bewahrung und sodann die Kultivierung der sexuellen Kräfte. Die sexuellen Energien werden weder verteufelt noch verbannt. Eine Flucht vor verlockenden Reizen findet nicht statt. Just im gegenläufigen Sinne wird der Reichtum der sexuellen Ströme wahrgenommen, sobald durch yogische Übungen gezähmt und letztlich in „spirituelle” Energien verwandelt oder in anderer Bezeichnung „sublimiert”. Aus dem „Feind” wird ein Freund, aus dem Trieb Kontrolle, aus Vergnügen Freude, aus Schwäche Stärke, aus der „Sünde” Seligkeit, aus Erregung Friede. Dies ist das Wesen der tantrischen Sublimation. Aus einem oberflächlichen Unverständnis heraus geriet das Tantra-Yoga aufgrund des Vorkommens sexueller Praktiken während der zentralen, körperlichen Vereinigungsübung,


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„Maithuna”, in der westlichen Welt in Verruf. Hier zeigt sich ein elementarer Irrtum, dem Aussenstehende erliegen. Sie verwechseln den äußeren Schein eines vermeintlich lüsternen Treibens mit den inneren Absichten der Praktizierenden, die Energien der Leidenschaften als Mittel zur Erlangung höhere Bewusstseinsebenen zu gebrauchen und nicht in diesen Leidenschaften zu verharren. Dabei zwingt das Maithuna keineswegs zur physischen Verschmelzung, sondern vereinigt viele Wege, so auch den Pfad der Meditation. Das Tantra der sogenannten linken Hand verwebt das erotische Liebesspiel in seiner Lehre. Die Liebenden verschmelzen in aller Würde, edler Absicht und reinem Gewissen. So befreit von allem Laster dient die sublimierte Energie der Lust als Werkstoff der spirituellen Entwicklung.

Kundalini- Shakti mit Shiva, ihrem Gegenpart, vereinigt und den Yogi mit der Offenbarung des höchsten Selbst, Atman, belohnt. In diesem erlösenden Moment erkennt der Mensch, dass sein höchstes Selbst nichts anderes ist als ein ewiger und unzerstörbarer Tropfen im endlosen Ozean des kosmischen Bewusstseins.

Gandhi und die Jungfrauen Gandhi war ein Yogi. Er bewegte sich im Felde der genannten Lehren, auch wenn er manchmal eigentümlich vorgegangen sein mag. Das eingangs kurz skizzierte Experiment fußte auf dem Prinzip, die sexuellen Energien zu generieren, die Gandhi brauchte, um durch Sublimation den Aufstieg der Kundalini beständig zu unterhalten. Die Intention

Die rechte Hand des Tantras berührt den Körper kaum. Doch schüchtern ist sie keineswegs. Die Liebespartner kommen zusammen aber ihr Liebesspiel ist von symbolischer Natur. Mehr den Geist betont diese Strömung. Die Meditation ist eine wichtige Übung. Beiden wesentlich ist zuletzt die Aufhebung eines aus Gedanken geborenen, dualistischen Weltbildes, das die Dinge voneinander trennt anstatt ihren tieferen Zusammenhang zu sehen.

Das Universum ist das eine göttliche Bewusstsein.

In der Lehre des Kundalini-Yogas ist es ein Ziel, die sieben entlang der Wirbelsäule und im Kopf gereihten Energiezentren, weithin als Chakren bekannt, zu öffnen und die Energiekanäle namens „Nadis” frei zu machen. Die Energien, welche darin fließen oder angesammelt werden, können durch yogische Übungen in Form von einem Wärmegefühl oder kribbelnden Gefühlseindrücken wahrgenommen werden. Gelingt es, den freien Aufstieg der Kundalini als stärkste dieser Energien auszulösen, so gelangt sie allmählich bis zur Scheitelgegend, wo sich die

Er bestand darauf, die Tugenden nicht als Zierde einer unvollkommenen Persönlichkeit zu missbrauchen, denn so seien sie ohne Überzeugungskraft. Sein Inneres müsse der Mensch verwandeln und dann verfestigen. Die Gefühle in Gedanken, Worten und Taten allzeit gezügelt zu halten, das gelte es zu verwirklichen. Allein dadurch könne er überzeugend, unbeirrt und kraftvoll im Äußeren agieren. So sagte Gandhi einst:

A perfect satyagrahi has to be almost, if not entirely, a perfect man. Mahatma Gandhi

Diesen Anspruch hoffte Gandhi in seinem Vorbild zu verwirklichen. Diese Tugenden glaubte Gandhi besonders bei Frauen wiederzufinden und suchte ihre Nähe, um seiner männlichen Natur die weibliche hinzuzufügen. Er wollte mit Frauen so ungezwungen verkehren wie Mutter und Tochter, wollte zehren von den Kräften ihres Wesens. Ihm waren sie wie eine stete Quelle, dessen Energie er schöpfte und sublimierte für seine spirituelle Entwicklung. Vielleicht ist damit aber nur ein Teil erklärt.

Ein ewiger Tropfen im endlosen Ozean

Dies sagt die Lehre des Tantras. In ihm spielen die feminine, schöpferische und alles wandelnde Urkraft, Shakti, und der kosmisch-maskuline Aspekt als Bewußtsein, Shiva, gemeinsam ihren göttlichen Liebesakt. In jedem Menschen schlummert Shakti als Energie, die Kundalini heißt. Sie ruht am Fuße der Wirbelsäule wie eine aufgerollte Schlange und wartet auf ihre Erweckung. Kundalini ist eine Macht die mit Respekt zu behandeln ist. Ein Yogi, der die Erweckung herbeizuführen versucht, tut gut daran zuerst den Körper und seinen Verstand zu reinigen, denn löst sich die Energie, so steigt sie oft mit Wucht entlang der Wirbelsäule auf.

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Bild: Deutsche Akademie für traditionelles Yoga

schien ohne Tadel, die Durchführung womöglich makelhaft. Die wahren Gründe halten sich im Halbdunkel der Vermutungen zurück. Zu sagen ist, dass gerade solche heiklen Unterfangen eine Ebenbürtigkeit der Beteiligten in Absicht, Reife und Ernst verlangen würden. Ob es gelang? Sein Experiment mit den Jungfrauen hatte noch eine weitere Bewandtnis.

1947 erlangte Indien seine Unabhängigkeit von Großbritannien. Der Höhepunkt des politischen Wirkens Gandhis. Schon vor der Unabhängigkeitserklärung waren Muslime und Hindus derart zerstritten, dass eine Teilung des indischen Subkontinents unausweichlich schien. Gandhi wollte die Teilung mit aller Kraft verhindern. Er fiel in eine schwere persönliche Krise. In diesen letzten Jahren seines Lebens betonte Gandhi, dass er die Kräfte für politische Anstrengungen nur erhalten könne, wenn er vollends zum Brahmachari würde. Das Experiment schien demnach auch eine Prüfung seiner Charakterfestigkeit zu sein und er tat es in aller Öffentlichkeit, damit daran die Glaubwürdigkeit und die Anstrengung des politischen Wirkens symbolhaft offenbar würde und sich die Menschen ein Beispiel an ihm nehmen konnten. Schon Odysseus wusste, welch besondere Herausforderung es war, der Versuchung zwischen Mann und Frau zu widerstehen, als er den Sirenen lauschte.

Erinnern wir uns an die politische Figur Mahatma Gandhi.

Gandhi, ein Symbol

Unvergessen ist sein Prinzip, den politischen Kampf gewaltlos auszutragen, durch Beharrlichkeit, aufopferndne Mut und zivilen Ungehorsam. Gandhi nannte es „Satyagraha”, „an der Wahrheit festhalten”. Er formulierte vier Säulen des Gelübdes.

Seine bedingungslose Liebe, seine selbstvergessene Aufrichtigkeit, seine reinen Tugenden und seine yogische Disziplin als Glieder im Bund mit dem Göttlichen waren der Erde zugewandt. Er schenkte die Früchte seiner Selbstverwirklichung allen Menschen.

Die Wahrheit. Die gewaltlose Liebe. Das Brahmacharya. Die Besitzlosigkeit.

Sei er uns ein Ansporn.


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Studium und Arbeit

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PJ in Paraguay

D

Von Wolfgang Brummeisl

er 26-jährige Medizinstudent Mark reist nach Cali, Kolumbien, um dort sein praktisches Jahr als Arzt zu absolvieren. Als die Flugzeugtür ihn in das gleissende Licht der Stadt ausspuckt ...

Bei uns schätzt man vieles, wie das tägliche Essen, oder die selbstverständliche ärztliche Versorgung nicht mehr. Ein Krankenzimmer mit zwei Betten, Telefon, Fernseher und Internet ist mittlerweile selbstverständlich geworden.

Mit diesen Worten beginnt der Trailer zu einem kürzlich im Kino angelaufenen deutschen Film Dr. Aleman. Ich heiße Wolfgang Brummeisl, bin 26 Jahre alt und meine Geschichte ist wahr.

Auf eigene Initiative stellte ich Kontakt zu einem Professor aus Paraguay her, der selbst acht Jahre für seine Facharztausbildung in Deutschland verbracht hat. Mit seiner Unterstützung fing diesen Februar mein neunmonatiges Abenteuer an der Universidad Nacional de Asuncion an.

Seit März bin ich in Asuncion, der Hauptstadt Paraguays, dem Herzen Südamerikas. Im Februar dieses Jahres habe ich nach viereinhalbjährigem Studium den klinischen Abschnitt meines Medizinstudiums an der LMU München abgeschlossen. Während meines Studiums ist in mir der Wunsch, ins Ausland zu gehen, gewachsen. Ich wollte einen Einblick in eine andere Welt, ein anderes Gesundheitswesen und andere Krankheitsbilder bekommen.

Mich hat es also nach Paraguay verschlagen. Einem Land, das mit 406.752 km2 etwas größer als Deutschland ist, aber nur 6,5 Mio Einwohner mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren hat. In Paraguay leben viele Menschen unter der Armutsgrenze oder verdienen nur den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von umgerechnet 230 Euro im Monat. Paraguay ist ein Land voller faszinierender Kontraste. Man sieht hier arm und reich direkt nebeneinander. Es ist keine Seltenheit, dass ein Pferdekarren von einem neuen Mercedes überholt wird oder die einfachste Hütte neben einem Palast steht. Viele kleine Stände, Straßenverkäufer, bettelnde Kinder und Mütter zeichnen das Bild der Städte, genauso wie riesige Einkaufszentren. Die Natur des Landes besteht zu einem Teil aus dampfenden, subtropischen Regenwäldern mit einer Vielzahl an Vögeln und Schmetterlingen und zum anderen aus dem trockenen Grenzgebiet des wilden Chacos, der sich fast ausschließlich zur Viehwirtschaft eignet. Am 23. Februar spuckte mich das Flugzeug, total übernächtigt um vier Uhr nachts in das Dunkel der Stadt Asuncion. Der Landessprache kaum mächtig, hoffte ich einen Taxifahrer anzutreffen, der mit einem Namensschild bewaffnet, mich abholen und zu meiner Unterkunft bringen sollte. Mit Alberto, meinem Taxifahrer, fing ein sehr beeindrukender und bereichernder Abschnitt meines Lebens an. Von

Photos: Wolfgang Brummeisl

Ein Erfahrungsbericht

seinen Sätzen habe ich nicht viel verstanden, nur Terere, Asado, Fussball, Tranquillo, Amigo, Cervesa, ... verstanden. Es stellte sich aber heraus, dass diese paar Begriffe wichtige Bestandteile der paraguayanischen Kultur sind. Die Paraguayer sind ein ausgesprochen geselliges und freundliches Volk. Der Paraguayo sitzt am liebsten nach dem Fußballspiel mit seinen amigos (Freunden), ganz tranquillo (ruhig, zufrieden) bei einem Glas Cerveza (Bier) oder Terere (eiskalter Tee) zusammen und philosophiert über Gott und die Welt. In meiner Zeit im Krankenhaus habe ich in den Fachgebieten Chirurgie, Urologie, Gynäkologie und Tropenmedizin-Infektiologie gearbeitet. Ein Tag in dem Krankenhaus beginnt um sieben Uhr und endet oft erst nach zwölf Stunden. Hinzu kommt zweimal die Woche ein Nachtdienst. Man ist also 36 Stunden durchgehend im Einsatz, was einem schon sehr schwer zu schaffen macht. Im Wesentlichen findet man dieselben Erkrankungen wie in Deutschland, wie z.B. Blinddarmentzündungen, Nierensteine, Lungenentzündungen. Jedoch unterscheiden sich die Krankheitsbilder wesentlich. Das Hospital de Clinica, das Krankenhaus der Universität, ist die Anlaufstelle der Armen. Diese kommen aus dem ganzen Land, um sich hier behandeln zu lassen. Wenn man kein Geld und sechs Kinder zu versorgen hat, überlegt man es sich sehr lange, ob man die lange Busfahrt auf sich nehmen soll oder doch lieber abwartet. Dadurch sind abgestorbene Diabetes- oder Raucherbeine oder Tumoren so groß wie Tennisbälle oder noch größer an der Tagesordnunug. Das Krankenhaus ist sehr einfach eingerichtet und es fehlt an Geräten, Verbandmaterial, Decken, u.v.m. In einem Krankenzimmer liegen bis zu 20 Patienten in schwüler Hitze. Die Pflege und Ernährung der Patienten übernehmen die Familienangehörigen, die während der ganzen Zeit der Behandlung im Krankenhausgarten übernachten. Ein Bild, das man sich bei uns nicht vorstellen kann. Hochmoderne, mikroinvasive Operationstechniken wie z.B. die Laparoskopie stecken hier noch in den Kinderschuhen.


Studium und Arbeit

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Was ich hier sehr zu schätzen gelernt habe, ist der Einfallsreichtum der Ärzte. Sie werden an der Universidad Nacional sehr gut und nach westlichem Wissensstand ausgebildet. Aus Mangel an Möglichkeiten in ihrem Krankenhaus werden viele Dinge zweckentfremdet, aber funktionell eingesetzt. Sie lernen mit ihren Mitteln einfach und effektiv zu arbeiten. Das Verhältnis untereinander ist ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Das hat es mir sehr erleichtert schnell Anschluss zu finden und meine Sprachschwierigkeiten zu überwinden. Paraguay hat zwei offizielle Amtssprachen, Spanisch und Guarani, eine indigene Sprache. Ähnlich wie in dem Film Dr. Aleman habe ich auch Dienste in dem größten Notfallkrankenhaus Paraguays gemacht. So bekam ich die Möglichkeit meine ersten Schussverletzungen und Messerstiche zu sehen. Hier lernt man es zu verstehen, warum wir in Deutschland so großen Wert auf medizinische Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen legen. Neben diesen oft sehr erschreckenden Bildern durfte ich das atemberaubende Erlebnis einer Geburtsbegleitung selbst durchführen. Mein erstes Kind war ein Mädchen, Belen, und wog 2850 Gramm. Eine Frau hat hier im Schnitt 5,6 Kinder, d.h. auf dem Land sind Mütter mit 10

Kindern und mehr keine Seltenheit. An einem Tag hatten wir 15 Geburten. Beinahe kam es dabei zu einer Kindsverwechslung. Erst als wir das Kind der Mutter übergaben und sie meinte, sie habe einen gelben Strampler und nicht einen roten gebracht, fiel uns die Verwechslung auf. Paraguay ist das fußballfanatischste Land, das ich je kennen gelernt habe. Egal wohin man geht, läuft ein Fernseher oder Radio, das die Ergebnisse aus dem südamerikanischen und europäischen Raum liefert. Die Freizeit vertreibt man sich hier natürlich mit Fußball und einer, wie sie es hier nennen 3. Halbzeit, einer gemütlichen Runde Bier. Es gibt ein Gerücht, gegen das ich mich immer wehren muss(te?): Wir Deutschen trinken das Bier warm. Das stimmt nicht, wir trinken es nur nicht eiskalt wie in Paraguay. Hier wird es im Sekteimer mit viel Eis serviert. Eine weitere Frage, wer mehr trinke, Paraguayo oder Deutscher und welches Bier besser sei? Hier trinken sie eindeutig mehr, aber unser, nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier ist doch am Besten. Hier hatte ich auch das Glück an einem internationalen Hilfsprojekt teilzunehmen, Oper-

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acion Smile. Eine amerikanische Fundation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Kinder mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zu operieren und somit wieder zum Lachen zu bringen. Ich werde nie die Gesichter der Eltern vergessen, als sie ihre Kinder entgegennahmen, denen man ein neues Gesicht, Lächeln und somit auch Leben gegeben hat. Im November geht die Zeit auch schon wieder vorbei. Am ersten Dezember beginnt mein praktisches Jahr in Deutschland, von dem ich auch vier Monate in der Chirurgie im Klinikum Traunstein tätig sein werde. Ich werde mit vielen Eindrücken und neuen Erfahrungen zurückkehren und hoffe Vieles davon hier einsetzen und vermitteln zu können. Ich freue mich aber schon wieder sehr auf die Heimat und meine Familie. Zuhause ist es doch am Schönsten. Doch zuvor habe ich noch eine kleine Abschlussreise vor. Ich möchte von Asuncion aus nach Peru und die alten Inkaruinen Machu Pichu über den Inkatrail besteigen. Und das Ganze in Lederhosen.  


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Doktorarbeitserlebnisse Auf der Jagd nach der perfekten Doktorarbeit Im folgenden Artikel darf der geneigte Leser den Neologismus „Doktoreltern“ genießen. Ich entschied mich dafür, um umständlichen alle Geschlechter umfassenden Formulierungen aus dem Weg zu gehen. Die alternative Lösung des Problems, nämlich alles auf den gebräuchlicheren Begriff „Doktorvater“ zu beziehen, hätte indirekt angedeutet, dass Doktormütter unten beschriebenem Verhalten nicht zuzuordnen sind. Dies wiederspräche dem Erfahrungsschatz vieler Medizinstudenten. Im Übrigen bin ich trotz oder gerade wegen einiger feministischer Charakterzüge meinerseits ein Fan des generischen Maskulinums.

neu geschrieben, über die Anrede p h i l o s o p h i e rte ich mehrere Tage. Man will ja möglichst auf einer Wellenlänge liegen, dennoch aber den Respekt vor der geschätzten Persönlichkeit ausdrücken. Reicht ein legeres „Hallo“ oder sollte man doch lieber zu „Sehr geehrte/r Frau/ Herr…“ greifen?

Voller Idealismus ... Als ich noch jung und unschuldig war will heißen vor meiner Suche nach einer passenden Doktorarbeit - war mein Blick auf die Wissenschaft und ihre Agonisten von Bewunderung und Respekt geprägt. Mich beeindruckte die überragende Intelligenz und Kreativität, die ein Wissenschaftler wohl mitbringen muss, so stark, dass ich mir selbst ganz unbedeutend und dumm vorkam. In diesem Sinne muss ich jedem, der auf der Suche nach einer Doktorarbeit ist, davon abraten, die Lebensläufe der potentiellen Doktoreltern zu studieren. Als Otto-Normal-Student könnte das enorm deprimieren. Leider muss man auch feststellen, dass nur in seltenen Fällen dabei Anlass zum Schmunzeln zu finden ist. Denn nicht viele hochgeschätzte Professoren halten es für nötig, ihre in Schulzeiten gewonnenen Känguru-Mathematik-Wettbewerbe aufzuführen. Eher wird man vom gleißenden Schein zahlreicher Forschungsstipendien, ruhmvoller Wissenschaftspreise und langjähriger Aufenthalte in Harvard geblendet. (Das kann den Betreffenden übrigens auch teilweise so zu Kopf steigen, sodass sie sich in Worten und Taten wei-

gern, einem niederen Studenten die Hand zu schütteln, selbst wenn dieser erwartungsvoll schon die Hand entgegenstreckt. Ein Fauxpas ohnegleichen, v o r a l -

lem wenn es sich um eine weibliche Studierende handelt. Da hat wohl einer nicht den Knigge gelesen.)

Der erste Kontakt Nach dem Entschluss mit meinen WunschDoktoreltern per E-Mail Kontakt zu knüpfen, litt ich zunächst an einer Schreibblockade. Jedes einzelne Wort wurde von mir gewendet, Sätze dutzende Male gelöscht und

Ist die Anfrage nun endlich abgeschickt, heißt es erst einmal warten. Das Warten kann sehr kurz sein oder aber nach meiner Erfahrung auch etwas länger dauern. Manche eigenartige Doktoreltern schreiben einem einen Monat später, als wäre man just in dem Moment, als man die Mail geschrieben hat, in einen Dornröschenschlaf gefallen und gerade erst wieder aufgewacht. Manche schreiben einem einfach gar nicht. Beides kann man sich ja damit erklären, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Mail geschrieben wurde, keine Doktorarbeiten zu vergeben waren. Aber gehört es nicht zum guten Umgangston, dies in einer kurzen Antwort zu formulieren? Man stelle sich vor, wie seltsam es wäre, wenn ich auf das persönliche Angebot einer Doktorarbeit einen Monat später antworten würde. Doktoreltern würde das nicht gerade von meiner Zielstrebigkeit überzeugen. Ebenso wenig überzeugt mich obiges Verhalten, dass meine Doktoreltern per E-Mail unkompliziert zu erreichen sind. Ein wenig vor den Kopf gestoßen fühlt man sich auch, wenn man zwar eine Antwort bekommt, diese aber voller Rechtschreibfehler, Außerachtlassung jeglicher Groß- oder Kleinschreibung bzw. Zeichensetzung ist. Man selbst hat sich Gedanken gemacht, wie man potentiellen Doktoreltern eine gut formulierte Anfrage schickt und diese halten es nicht einmal für nötig, ordentliche E-Mails zurückzuschreiben. Würde ich meinerseits einen Lebenslauf in einer so nachlässigen Form verschicken,… Beim Treffen mit meinen Wunschkandidaten habe ich selbst ausschließlich positive Erfahrungen erlebt. Man macht sich meistens viel zu sehr Gedanken darum, wie man auftreten soll, was derjenige vom Lebenslauf erwartet, etc. Es schadet zwar nie zumindest die Abstracts der letzten Publikationen seiner Wunsch-Doktorel-


Studium und Arbeit

tern gelesen zu haben, u.a. weil man dann auch viel mehr verstehen wird, was einem während des Gesprächs erzählt wird, aber ausgefragen wird einen darüber niemand. Es gibt natürlich aber auch wieder ein paar ganz spezielle Fälle, die mit einem über die ungünstige Leistungskurswahl in Bezug auf das Medizinstudium diskutieren wollen. Teilweise wird man vor einem Treffen warten oder das Gespräch kurzfristig auf einen anderen Tag verschieben müssen, weil der Hauptjob vieler Doktoreltern nun einmal die Klinik ist. Das ist auch verständlich und wenn sich derjenige dafür entschuldigt, ist das auch gut hinnehmbar. Die Hitliste der NoGos führt aber wohl eine Doktormutter an, zu der ein Kommilitone für ein vereinbartes Treffen eine Stunde fuhr, nur um von der Krankenschwester zu erfahren, dass diese an jenem Tag nie im Klinikum anzutreffen ist. Es gibt auch Doktoreltern, bei denen man Engagement und stetes Interesse zeigt, welche einem Hoffnungen machen, ein halbes Jahr hinhalten und dann eine Absage ohne irgendeine Angabe für den Grund geben. Das ist äußerst frustrierend. In unserem Studium ist ein halbes Jahr eine lange Zeit. Ob man ein halbes Jahr vergeblich auf eine Doktorarbeit wartet oder sich nach einer anderen umschaut und einarbeitet, macht einen großen Unterschied. Andere potentielle Doktoreltern hingegen können mit Ablehnungen eurerseits ganz schlecht umgehen. Vergesst für alle Fälle nie euer Pfefferspray, falls ihr ihnen mal auf der Straße begegnen solltet. Hat man einmal begonnen, so trifft man auf neue Finessen. Manch einer will sich in den Semesterferien einarbeiten und muss am ersten Tag feststellen, dass er für die nächsten vier Wochen der einzige im Labor sein wird, da man wohl die Urlaubsplanung des Teams nicht mitbekommen hat. Kleiner Tipp: Nicht nur sagen, wann man selber gedenkt, im Labor zu sein, sondern auch immer rechtzeitig (vor Planung einer Famulatur) nachhaken, wer denn wann im Labor seinen Urlaub nehmen wird.

Alle Methoden sind etabliert ... Schönster Satz in der Ausschreibung einer Doktorarbeit ist immer: Alle Methoden sind im Labor etabliert. Man merke sich: In der Wissenschaft gibt es immer Haken. Möglicherweise war die Methode einmal etabliert, aber die Person, die weiß wie die Methode auszuführen ist, arbeitet gar nicht mehr oder verlässt bald das Labor. Vielleicht mag die Person auch gar nicht mit einem kooperieren. Fazit: Immer nachfragen, von wem man die Methode lernen kann und wie lange dessen Vertrag im Labor läuft.

Und wenn man zuguckt, sofort ein Protokoll mitschreiben. Es ist oft wie in der Klinik. Das kalte Wasser wartet um die Ecke und meistens springt man hinein, wenn niemand da ist, der einen hinausziehen kann. Was man auch immer im Hinterkopf behalten sollte: Eure MTAs sind die eigentlichen Mütter und Väter. Sie helfen euch mit dem Kleinsch..ß, für den eure Betreuer/Doktoreltern keine Zeit und Lust haben. Zum Beispiel: Wo kann ich dieses und jenes Reagenz finden? Wie stelle ich einen bestimmten pH ein? Wie pipettiere ich richtig? Stimmen meine Verdünnungen? Wenn ihr richtige Supermamis/-papis habt, weisen sie euch auch auf Fehler hin, geben euch Denkanstöße oder erklären euch nochmal, was ihr bei euren Doktoreltern nicht verstanden habt. Ihr solltet also herausfinden, ob ihr euch von ihnen adoptieren lassen wollt. Ein Problem ist, dass man schnell wieder zum Vollwaisen werden kann, weil ihre Stellen oft von Drittmittelgeldern abhängen, die eure Doktoreltern erst einmal eintreiben müssen. Um keine bösen Überraschungen zu erleben, ist es daher wichtig, sich über die Haushaltslage seines Labors vor Doktorarbeitsantritt informiert zu haben. Förderprogramme wie FöFoLe oder GraKos sind großartig. Die Projekte sind ambitioniert, man wird nicht nur durch Vorlesungen und Seminare, sondern auch finanziell gefördert. Aber erinnert euch doch bitte an eure Schulzeit zurück. Da gab es doch einen Mann namens Faust, der nach Wissen strebte, richtig? Fällt euch jetzt auch wieder Mephisto ein? Nur ein kleiner Satz dazu. Für manche Leute ist es normal, am eigenen Geburtstag bis um 4 Uhr in der Nacht im Labor zu arbeiten. Der erste Satz dieses Abschnitts war übrigens keine Ironie. Man muss nur die Weisheit „Die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen beherzigen.“ Diese Arbeit nimmt euch keiner ab, auch wenn es heißt, dass die Projekte auf Herz und Nieren geprüft wurden.

Lämmer oder Wölfe im Schafspelz? Sind die meisten Doktoreltern bei euren Kennenlerngesprächen lammfromm, streifen manche nach Beginn eurer Doktorarbeit schnell ihren Schafspelz ab. Zum Vorschein kommt dann der Wolf, der cholerisch das Labor mit Wutausbrüchen überzieht oder der Siebenschläfer, bei dem einem plötzlich klar wird, dass und warum er die letzten fünf Jahre keine nennenswerte Publikation mehr herausgebracht hat. Manchmal mutiert das Lamm aber auch zum Fuchs, der euch eine Präsentation mit Aussicht auf einem Vortrag bei einem Kongress vorbereiten lässt, dann selber hinfährt und

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behauptet, dass der eigene Doktorand krank geworden sei. Es kann vorkommen, dass trotz vorheriger Absprache plötzlich Freisemester gefordert werden oder Stundenpläne hinter dem eigenen Rücken umgestellt werden. Vielleicht ist man auch an Doktoreltern geraten, die wahre Kontrollfreaks sind, alles überwachen, wenn nicht gar selber machen wollen, aber man merkt, dass man mit ihnen aufgrund ihrer Zusatzbelastungen durch die Klinik einfach nicht vorankommt. Zu den zukünftigen Doktoranden: Ich möchte euch nicht demotivieren. Mein Wunsch ist, dass ihr euch nicht blauäugig eine Doktorarbeit aussucht. Man wird euch viel erzählen, wenn nicht gar versprechen, aber der Wahrheit werdet ihr nur näher kommen, wenn ihr mit ehemaligen und jetzigen Doktoranden sprecht. Scheut euch nicht, die Kontaktdaten über eure Wunschdoktoreltern zu holen. Wer seriös ist, wird sie euch bereitwillig geben. Auf diesem Weg werdet ihr sicherlich auch viele gute Dinge über viele eurer Wunsch-Doktoreltern erfahren, ich habe euch nur die bitteren Schmankerl herausgesucht. Zu den Doktoreltern, in deren Köpfen es geistert bzw. geistern sollte „Wird da über mich geschrieben?“: Ich kann nicht verstehen, wie so viel Potential verschleudert wird. Da bietet sich kostbares, williges Rohmaterial, aus dem man großartige Wissenschaftler formen könnte und man geht achtlos damit um. Wer keine Zufriedenheit dabei spürt, einen jungen Menschen bei seiner persönlichen Entwicklung zu unterstützen, kann sich stetig als Vision den Gewinn einer starken Wissenschaftsbeziehung vor Augen halten, die sicherlich zu beider Nutzen sein wird. Die Begriffe „Doktormutter“ und „Doktorvater“ sollten in der Tat mit mehr Bedeutung gefüllt werden. ein Doktorand PS: Über eine Gegendarstellung seitens der Doktoreltern würde ich mich außerordentlich freuen. Sicherlich gäbe es auch sehr viel Kurioses über Doktoranden zu berichten.   Bild: Ivo Ruijters // supershackle.com

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Synapse:

Die meisten Menschen werden jeden Tag von Informationen zugeschüttet, auch über Medizin und Gesundheit, aber beschäftigen sich mit der Thematik überhaupt nicht.

James:

Bildteile © norcatda.deviantart.com

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ie modernen Medien beeinflussen auf beängstigende Weise das Bild des modernen Patienten. Halbwissen und Hysterie, aber auch fundierte Fragen und Selbstinformation sind jeweils zwei Seiten der gleichen Medaille. ames (Name von der Redaktion geändert) ist ein 26 - jähriger Informatikstudent und hat Morbus Crohn. Ein Interview mit ihm gibt interessante Einblicke und Denkanstöße. Von Maximilian Batz

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Inzwischen habe ich das Gefühl, das sind ganz normale Menschen. Sie haben ihre Profession, und lernen auf ihre Prüfungen in der Humanmedizin, vielleicht mit ein bisschen mehr Druck und mehr Elan – weil die Prüfungen krasser sind als bei uns. Bei uns Informatikern hängt da einfach auch kein Menschenleben dran.

Weil es sie scheinbar nichts angeht – so war das bei mir ja auch. Ich habe meinen Blick wegen der Krankheit dafür geschärft. Es geht um die eigene Gesundheit, und die ist schwer zu reparieDie meisten sind einfach normale Ärzte, die es ren, wenn man sozusagen das Handbuch nicht mal gelernt haben und anwenden, aber wirklich gelesen hat, wie man mit sich selbst umgehen Götter sind sie nicht und mehr als jemand ansoll, macht man schnell etwas kaputt. Es ist eiders in seiner Profession wissen sie auch nicht, nes der Themen mit denen man sich habe ich das Gefühl. im eigenen Interesse näher beHast Du die Ärzte also für unfähig geschäftigen sollte. „[Gesundheit] ist eines halten? In die Schlagzeilen geraten ja auch der Themen mit denen man Ich habe sie schon noch als oft negative Berichten, über Fehler sich im eigenen Interesse näher fähig gesehen, aber habe das die Ärzte gemacht haben. Hat das DeiGefühl gehabt, die sind in beschäftigen sollte.“ ne Einstellung beeinflusst? der Hinsicht ein bisschen Einzelfälle, dachte ich. Ärzte sind machtlos. Menschen und sie machen auch Fehler. Ähnlich wie wenn ich zu einem Computerexperten Damals hatte ich das Gefühl, es gibt kaum komme und einfach davon ausgehe, dass er alle Krankheiten die man noch nicht heilen kann. meine Vorstellungen realisieren kann, bis er mir Ich wusste natürlich über Krebs, habe mich die Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt … aber damit nicht befasst – weil ich mir gedacht habe, dass man Krebs in meinem Al… genau … ter noch nicht kriegt. Und genetisch bedingte … soweit ich das also verstanden habe, ist Krankheiten, dachte ich, kriegt man früher. Dein Vertrauen in die Ärzte nach wie vor unIch war davon überzeugt, dass alle Sachen die gebrochen, andererseits siehst Du ihre Grenmir passieren können, einfach zu heilen wären. zen. Du hast Verständnis dass die Forschung in Wie hat sich das geändert? der Medizin noch nicht so weit ist … Mein Bild des Arztes hat sich mit meiner Inzwischen habe ich schon VerständKrankheit gewandelt. Als ich das erste mal zum nis dafür. Am Anfang war ich aber Arzt wegen dieser Krankheit gegangen bin, sehr enttäuscht, dass eine Krankheit, habe ich noch gedacht … da kriege ich eine Tadie einfach klingt, noch nicht behoben blette und dann … kein Problem. So war das werden kann. Es ist aber tatsächlich viel bis jetzt ja immer – du bist da eigentlich nur komplizierter als ich angenommen habe. hingegangen zum Impfen oder wenn du Husten Scheinbar als auch die Ärzte angenomoder so etwas hattest. Wenn es nicht mehr wegmen haben, das wird jetzt immer klarer. gegangen ist, dann haben sie dir etwas gegeben. Ich verstehe jetzt, dass es ein sehr komDas war bisher mein Eindruck der Ärzte, und plexes Problem ist, und dass da man da ich dachte die wissen alles, kennen sich gut aus, lange forschen und experimentieren muss. und finden es sofort raus. Ich erwarte auch kein Heilmittel über Nacht. Höchstens, wie die Ärzte auch Und wie lange haben sie wirklich gebraucht? gesagt haben, ein Mittel das gezielter Tatsächlich hat es drei Jahre gedauert, bis sie wirkt, das man dann vielleicht auch ein es endlich herausgefunden haben. Scheinbar bisschen höher dosieren kann, um symptomdurch Ausschlussverfahren – Differentialdiagfreier zu sein. nose – wie ich mittlerweile weiß. Man fängt Hast du den Eindruck dass der normale deutsche Bundesmit dem Wahrscheinlichsten an. bürger seinem Arzt vertraut?

Mein Dad [zum Beispiel] glaubt eh nur das was er selber denkt, was der Arzt sagt ist egal. Er geht zum Arzt und sagt hinterher: ‚Er hat eh keine Ahnung, kann mir eh nicht helfen.’ Ich finde das eine falsche Einstellung, man muss das Gefühl haben, dass derjenige helfen kann, sonst bringt das einem gar nichts, es ist Zeitverschwendung. Wieso gehe ich dann überhaupt hin? Der Arzt gibt meinem Vater etwas gegen seine Beschwerden, er nimmt es. Es hilft aber nicht sofort, sondern braucht noch ein bisschen, oder es ist noch nicht das richtige – Ärzte machen das gerne, das sie erst mal das verschreiben was den meisten hilft. Dann gibt mein Dad auch meistens schon auf. Dadurch hat er das Gefühl, Ärzte verstehen ihr Handwerk nicht. Wie genau hast Du Dich nach Diagnosestellung mit Deiner Krankheit beschäftigt? Ich habe mir für einen guten Einstieg erst mal den Artikel bei Wikipedia durchgelesen. Er ist so aufbereitet, dass man es auch als Laie verstehen kann, und bei den Sachen die man nicht verstehen kann, kann man weiterforschen. Bei Wikipedia steht leider aber auch nicht soviel. Ich glaube, das ist, weil der Stand der Forschung im Moment ist, dass man es nicht genau weiß. Hast Du nach weiteren Informationen gesucht? Die Krankheit rückt in den Vordergrund, wenn ich mich zu stark mit ihr beschäftige, es ist psychisch nicht so gut für mich. Je weniger ich das mache, desto besser scheint sie zu werden, ich mache das deswegen in kleinen Dosen. Andererseits muss man sich auch ein bisschen damit beschäftigen, manchmal kommen da doch wieder Sachen, wo man sich denkt – hätte ich mich vorher damit beschäftigt, wäre es besser gewesen. Wie ist das mit den Medien? Hast Du seither zum Beispiel aktiver darauf geachtet was über Ärzte gesagt wird? Ich achte seitdem vor allem mehr darauf, was sich im Bereich Autoimmunkrankheiten tut. Mir wird viel gesagt, dass Autoim-


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Synapse 54 Morbus Crohn

Aus Sicht des Arztes

Aus Sicht des Patienten

Der Morbus Crohn gehört wie die Colitis Ulcerosa zu den Chronisch Entzündlichen Darmerkrankungen (CED), die multifaktorielle Erkrankungen sind. Genetische Prädisposition, exogene Faktoren (z.B. Infektionen) und Umwelteinflüsse (z.B. Rauchen) gemeinsam führen erst zur Krankheit.

Häufig vergeht zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung viel Zeit (mehrere Jahre), in denen der Patient teilweise belastenden Untersuchungen unterzogen und mit differentialdiagnostischen Überlegungen behelligt wird („könnte auch Krebs sein“). Hinzu kommt die Angst vor einem künstlichen Darmausgang oder der Entstehung von Krebs.

Auch beim Gesunden ist das Abwehrsystem des Darm in dauernder Alarmbereitschaft (physiologische Entzündung), die allerdings ständig unterdrückt wird. Ist eine Infektion überwunden, wird die volle Aktivierung rasch herunterreguliert. Bei den CED kommt es zu einer Dauer-Aktivierung der Immunabwehr des Darms (Autoimmunerkrankung) und damit zur Krankheit.

munkrankheiten im Kommen sind, und immer mehr Leute daran erkranken, ohne dass klar ist warum. Es gibt tausend Theorien – und da ist mir klar geworden, dass es wie in jeder anderen Profession ist, neue Bewegungen entstehen. Ich finde es sinnvoll sich auf dem Laufenden zu halten. Ich hoffe natürlich noch immer, dass wir irgendwann etwas entwickeln, was diese Krankheit soweit abschwächt, dass Symptomfreiheit herrscht. Interessierst Du Dich generell mehr für medizinische Themen? Es kommt darauf an, was. Informationen die mit meiner Krankheit zusammenhängen interessieren mich am meisten. Aber ich habe auch ein gewisses Interesse für [andere] medizinische Themen entwickelt, weil ich das inzwischen als wichtig erachte. Es gibt viele Leute die gar keine Ahnung davon haben, die nicht mal den Unterschied zwischen Viren und Bakterien kennen. Diese Leute sind benachteiligt: Sie suchen zwar einen Arzt auf, der sich damit auskennt, aber es ist genauso wie wenn man sich überhaupt nicht mit dem Computer auskennt – der Computerexperte kann einem das Blaue vom Himmel heruntererzählen und man weiß gar nicht woran man ist. Als mündiger Bürger sollte man etwas medizinisches Wissen haben. Hast du den Eindruck dass medizinische Themen für den Durchschnittsdeutschen mittlerweile stärker im Vordergrund stehen, als früher? Stichwort Schweinegrippe – die Bevölkerung diskutiert mehr über medizinische Themen. Das [sie gefährlich ist] versuchen die [Medien] einem auch weiszumachen, aber die Fakten sprechen dagegen. Ich habe mich informiert, die Schweinegrippe unterscheidet sich von einer normalen Grippe nicht, das Gefährliche ist nur, dass sie mutieren kann. Im Moment ist sie aber relativ harmlos. Ich frage mich natürlich schon, gehöre ich, da ich Immunsuppressiva nehme, auch zu einer Risikogruppe? Sollte ich mich impfen lassen? Wie siehst Du also die journalistische Berichterstattung von bspw. Zeitungen. Inwieweit sind deren Artikel vertrau-

Die Lebensqualität ist möglicherweise stark beeinträchtigt, ein ungezwungener Austausch über die Krankheit kann kaum stattfinden. Zu schlecht eignet sich die Krankheit und das betroffene Organ für Tischgespräche. In der Behandlung ist daher die Erfassung der Lebensqualität (z.B. mit dem Inflammatory Bowel Disease Questionaire) und das Eingehen auf die Ängste von großer Bedeutung.

enswürdig? Inwieweit kann man sich auf die präsentierten Fakten verlassen? Es kommt sehr darauf an. Wenn es etwas reißerisches ist wie Bild, dann muss man das schon sehr stark hinterfragen. Wenn aber die Süddeutsche (Anm. der Redaktion: überregionale, seriöse Tageszeitung.) darüber berichtet, dann muss man das ernster nehmen. Trotzdem sollte man nie etwas glauben, was nur in einem einzigen Medium gezeigt wird. Man müsste eigentlich alles hinterfragen, das gilt für alle Arten von Themen. Man merkt, wenn es um den eigenen Fachbericht geht, bei mir Informatik, dass Berichtserstattung teilweise sehr lückenhaft ist, oder sehr einseitig. Was ich weniger hinterfrage, sind z.B. ARDNachrichten, die sollten eigentlich relativ unabhängig sein. Wenn es etwas wichtiges ist, schaue ich mir schon noch andere Quellen an. Schaust Du Dir medizinische Sendungen an? Höchstens wenn es um gesunde Ernährung oder etwas was einen selber betrifft geht. Die meisten Sendungen sind ja auch eher an ältere Leute gerichtet, ‚wie finde ich den besten Prostataarzt’ und so weiter. Das Zielpublikum ist einfach älter, diese Leute gehen wahrscheinlich jede Woche einmal zum Arzt. Wie schaut es mit Arztserien aus? Du schaust doch zum Beispiel recht gerne Dr. House - hat sich deine Einstellung zu Ärzten dadurch geändert? Hast du eine andere Vorstellung, mehr medizinisches Fachwissen? Verstehst du was in den Serien passiert? Ich glaube die Serien sind so aufgebaut, dass man es gar nicht verstehen muss. Gerade wenn ich die Serien auf Englisch anschaue, verstehe ich nicht alles. Auf Deutsch kann man aus vielen Begriffen – es sei denn es ist Latein – vieles herleiten. Viele Medikamente die man so kennt heißen im Amerikanischen auch anders. Man hat auch schon ein bisschen was gelernt – es kommt als Running Gag in jeder Serie die Diagnose Lupus. Ich weiß jetzt, dass Lupus eine Autoimmunkrankheit ist. Es interessiert einen dann natürlich, wieso immer Lupus, und was ist das eigentlich? Es wird auch immer ein bisschen angedeutet …

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Bei körperlichem oder seelischem Stress gerät das empfindliche Immunsystem des Patienten leicht aus der Balance

Morbus Crohn befällt alle Darmschichten und kann in allen Abschnitten des Verdauungstraktes vorkommen. Quelle: EssexPharma GmbH

Recherchierst du auch ein paar Themen die dich interessieren? Ja ein paar schon. Bei Wikipedia. Was ist das jetzt eigentlich, was bedeutet das, wieso denken die das? Es zeigt auch schön wie Mediziner arbeiten – durch die Differentialdiagnose. Das bringt einem das schon irgendwie näher. Du hast sicherlich auch mehr Verständnis für die Ärzte durch die Serie, du siehst es klappt nicht immer alles sofort ... Ja genau, richtig. Die bringen ihn ja teilweise auch fast schon um, bis sie die richtige Diagnose finden. Meistens tun sie das auch eher durch Zufall – das scheint auch Runinng Gag zu sein. Die Denkweise unterscheidet sich auch gar nicht so stark von der Informatik. Es gibt ein Problem, es wird systematisch vorgegangen, auch viel auf Erfahrung basierend. Eine Frage ist, inwieweit es überhaupt der Realität entspricht … Du hinterfragst inwieweit Dr. House die reale Situation widerspiegelt? In Dr. House sehen die Krankenhäuser immer so angenehm und nett aus, warm und fröhlich. Es sind wahrscheinlich auch High Class Patienten die überhaupt von ihm behandelt werden … Das deutsche Krankenhaus ist im Vergleich immer so kalt, und ungemütlich, unangenehm. Es mag an der Natur des Krankenhauses liegen, ich weiß nicht ob man es durch Interieur verändern kann. Hast du den Eindruck, dass es bei den Arztserien trotzdem eine Professionalisierung gegeben hat? Ich finde generell, dass im Kinobereich und im Serienbereich eine Professionalisierung stattgefunden hat. Das merkt man an aktuellen Kinofilmen, es wird alles ernster, realistischer… … physikalisch genauer und fundierter … … greifbarer einfach. Dadurch versuchen sie den Zuschauer mehr in das Geschehen hineinzuziehen. Früher hat man das auch nicht machen können, heute ist die Technik so weit, dass man dem Zuschauer alles vorgaukeln kann. Es


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wird alles realistischer, das spiegelt sich in den Arztserien wieder.

Synapse 54 Werden die Namen der Patienten erwähnt? Meist nur kurz der Vorname. Man sieht am Anfang wie der Notarztwagen kommt, der Patient wird ausgeladen. Einer beatmet ihn, der andere sitzt auf ihm drauf und macht Herzdruckmassage. Die Ärzte kommen und werden kurz eingewiesen – das ist Herr Soundso, schwerer Unfall, … Die Patienten haben für die Handlung, da es ein Beziehungsdrama ist, keine große Rolle. Es geht schlussendlich um die Ärzte. Bei Dr. House geht es auch um das Team, aber es gibt nur ein oder zwei Patienten. Die werden genauer beschrieben, haben eine eigene Persönlichkeit – sie sind nachvollziehbar. Es gibt welche die dann Angst haben, und sich unwohl fühlen, oder die anderen die denken, keine Krankheit kann mich umhauen. Solche Leute gibt es auch in der Realität, kann ich mir vorstellen.

Das heißt aber auch, dass man eine wirklichere Vorstellung von der Arzttätigkeit hat. Kannst du dir zum Beispiel vorstellen, nachdem du im TV immer wieder Ersthelfertätigkeiten gesehen hast, wenn auf der Straße tatsächlich was passiert, dass du auch aktiv werden wirst? Jedes Mal wenn ich so etwas sehe überkommt mich fast so was wie eine Panik, weiß ich noch wie das geht, wie oft muss man beatmen und Herzdruckmassage machen? Da denke ich darüber nach, und darüber, ob man die Courage hätte so etwas zu machen. In der Realität liegen ja keine Top-Models herum und warten auf Beatmung, da liegt irgendein alter Sack, dem die Siffe aus dem Mund rausläuft. Da ist schon die Frage, wie man sich verhält. Ich bin ein, zwei mal in solche Ausnahme-Situationen gekommen. Wie siehst du die Beliebtheit der ArztseMir ist da schon aufgefallen, dass „In der Realität liegen rien im Vergleich zu anderen Serien? viele Leute total hilflos reagieren. Ich habe im ersten Mo- ja keine Top-Models herum und Es haben sich Bereiche herment natürlich auch hilflos auskristallisiert die die Leute reagiert, bin aber zur Besin- warten auf Beatmung, da liegt ir- im Moment gerne anschauen, nung gekommen. Ich habe gendein alter Sack, dem die Siffe da gehören Arztserien auch mich erinnert, dass man auch dazu. Man sieht das beispielsaus dem Mund rausläuft“ weise Leute anweisen muß, etwas zu am Aufleben von Emertun – ‚Du, ruf den Krankenwagen gency Room, da wurde viel Geld an’. Man muß einfach etwas machen. Eiinvestiert. Oder Dr. House – es gibt mittner war aber z.B. sehr perplex, hat nicht den Notlerweile deutsche Ableger die ähnlich sind. Es ist arzt gerufen wie ich angewiesen hatte. Ich habe es ein Trend, vielleicht sogar durch Dr. House selbst dann selber gemacht – die Leute reagieren schon ausgelöst. Arztserien und Krimiserien. Die Diagsehr unterschiedlich, vielleicht hilft es ihnen so etnose an sich kann ein Krimi sein, das ist glaube was zu sehen, um dann die Situation nicht mehr ich, was die Leute interessiert. So gesehen gehöals ganz außergewöhnlich zu empfinden. ren die Arztserien zu den Krimis dazu. Meinst Du dass das Sehen der Serien manche Menschen auch dazu inspiriert, Medizin zu studieren? Ich sehe das an der Freundin meines Bruders, die glaube ich wegen Grey’s Anatomy anfängt, jetzt Medizin zu studieren. Sie glaubt, dass es tatsächlich so ist wie in dieser Serie. Und das ist eine der weniger realistischen Serien … Grey’s Anatomy ist glaube ich ziemlich gut. Wirklich? Ich schaue es mir nicht an, weil es von der ganzen Aufmachung eher eine Frauenserie ist. Es geht viel um Intrige und solche Sachen, eher wie Emergency Room. Dr. House zum Beispiel ist eine realistisch aufgezogene Komödie, das interessiert mich persönlich mehr als dieses [Grey’s Anatomy] in Richtung Desperate Housewifes gehende … bei Emergency Room ist das ja auch so, das Krankenhaus ist nur noch Kulisse für die ganzen Beziehungsdramen. Und die Patienten? Sind sie in den Arztserien ganz unterschiedliche, tief gezeichnete Charaktere, oder sind sie eher zweitrangig? Bei Emergency Room – das schaue ich lustigerweise immer an wenn ich krank bin, irgendwie ist da der Hang immer größer dazu – da werden die Patienten eigentlich immer eher auf ihre Krankheiten reduziert. Diese Krankheiten sind teilweise auch recht heftig, von Amputation von Gliedmaßen, bis hin zu unheilbaren Krankheiten …

Wenn eine Serie mit total falschen Fakten, sagen wir, über die Schweinegrippe, herauskommt, meinst du, dass die Ärzte da dagegen protestieren können? Ich glaube da spielt das Geld eine wichtige Rolle, wenn die Serie gut ankommt, die Leute das glauben – es keine extreme Komödie ist – dann müssen sie es laufen lassen. Du kannst auch nichts gegen die Nachrichten machen, wenn die Leute diese Panik mit der Schweinegrippe schüren, dann ist wahrscheinlich jeder zweite Patient der in der Praxis sitzt davon überzeugt, dass er die Schweinegrippe hat.

Ekel bei der Wiederbelebung ? Der Ersthelfer darf auf die Atemspende verzichten! Wichtig ist vor allem die Herzdruckmassage! kräftig drücken! schnell drücken (2 x pro Sekunde)! ohne Unterbrechungen drücken!

www.gohelp.org/de

Was ist mit Werbung, welche Bedeutung hat diese auf die Vermittlung von medizinischen Inhalten? Ich bin, nachdem ich mich besser auskenne, teilweise vom Fernsehen schockiert. Wie krass gewisse Medikamente verharmlost werden – dass es sich quasi gar nicht um ein Medikament handelt, sondern man kann das jeden Tag einschmeißen. Aspirin, diese Schmerztablette von Bayer, zum Beispiel macht sehr viel Werbung – dass man es eigentlich gegen alles nehmen kann. ‚Ich bin ein bisschen gelaufen, mir tut der Rücken weh, nehme ich eine Aspirin.’ oder ‚Ich habe ein bisschen Sport gemacht, und jetzt habe ich Muskelkater – nehme ich eine Aspirin.’ Ich finde solche Werbung sollte verboten werden, da es Tablettenmissbrauch fördert. Von Aspirin kann man nicht süchtig werden, Hustensaft hingegen, oder Vick Medi-Night … Das klingt ja schon medizinisch. Oder Hustentees – ich habe so ein bisschen Kratzen im Hals und kaufe mir so einen Tee. Und dann schaust du auf den Inhalt des Tees und stellst fest, dass Paracetamol da drin ist. Ich bin stutzig geworden, weil da stand, trinken sie diesen Tee nicht mehr als dreimal am Tag. Da ist was von der Birke drin, Paracetamol, ist alles da drin. Aspirin ist von der Weide. Weidenrindenextrakt, genau. Man erwartet trotzdem bei Erkältungstee nicht dass da Schmerzmittel oder irgendwas drin ist. Ich erwarte einen Tee – einen Extrakt aus Kräutern. Also werden Menschen durch Werbung oft fehlgeleitet … Natürlich. Aber auch wenn Jugendliche Dr. House anschauen, und der schmeißt eine Vicodin nach der anderen rein, gibt das auch nicht ein gutes Bild. Er ist der Serienheld, und wenn sie ihm dann nacheifern … Wobei sie sich vielleicht mit dem Serienhelden, mit seinem Stöckchen nicht unbedingt … Naja, er ist halt cool – die Frauen fliegen auf ihn, er kennt sich aus und weiß alles. Wenn ich mir Vicodin einschmeiße und mit einem Stöckchen … und alle rumkommandiere, dann werden mir die Frauen auch !? Danke für das Interview! 


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Damals

Kommt eine neue Generation von Weicheiern auf uns zu? von

Sophie Schlosser

MeCum darf verkünden: Eine neue Epoche hat im Sommersemester 2009 begonnen. Man mag es kaum glauben, doch das Studiendekanat ist mit der Anmeldung für irreguläre Modul-6Bewerber im elektronischen Zeitalter angekommen. Unter ehemaligen Modul-6-Studenten fragt man sich indes, kommt nun eine neue Generation von Weicheiern auf uns zu? Bekanntlich hatte sich das alte Verfahren über Jahre hinweg als erfolgreiches Ausleseinstrument für zukünftige Halbjahresvollzeitdoktoranden etabliert. Nur wer den Bewerbungsmarathon, der teilweise um Mitternacht schon begann, bis zum Finale um 9 Uhr morgens psychisch wie physisch durchstand, konnte erhoffen, einen der begehrten chronologisch vergebenen 60 irregulären Modul-6-Plätze zu ergattern. Vorher musste man als neuer wissenschaftlicher Hoffnungsträger eine Prüfung auf Herz und Nieren über sich ergehen lassen.

im Winter bei Minustemperaturen vor dem Gebäude mit Schlafsack zu campieren oder reicht es um 5 Uhr 30 auf dem Kampfgelände zu erscheinen? Meister waren natürlich diejenigen, die die Spielregeln umgingen und Strohmänner in den frühen Morgenstunden installierten um gegen 8 Uhr 55 zur Ablöse unverbraucht, fit und frisch zu erscheinen.

Gute Vorbereitung ist des Doktoranden Credo Gerade im Wintersemester erkannte man die Profis schon von Weitem. Anfänger kamen mit Fäustlingen und Mütze. Fortgeschrittene konnten immerhin schon mit heißem Tee aufwarten. Doch nur spezielle Talente besaßen die Fähigkeit an Taschenwärmer, Decke, Skianzug und Klappstuhl zu denken. Von Seiten des Dekanats war keine Gnade zu erwarten. Trotz Eiseskälte war es nicht gestattet den Vorraum vor 9 Uhr zu betreten. Klingelattacken verfehlten ihr Ziel. Einzig und allein wurden Konsequenzen seitens des Sicherheitsmannes (nur für diesen Tag bestellt?) angedroht.

Hier zeigte es sich, wer die Fähigkeit zum klugen zeitlichen Koordinieren besitzt. Wann muss ich mich sinnvollerweise vor dem Dekanat anstellen um unter den ersten 20 Bewerbern zu sein? Ist es tatsächlich vonnöten ab Mitternacht

Beim Arzt „Herr Doktor, Sie müssen mir helfen. Mein Schwiegervater wird langsam senil - er sitzt den ganzen Tag in der Badewanne und spielt mit einem Gummikrokodil.“ „Aber lassen Sie doch dem alten Mann dieses harmlose Vergnügen.“ „Nein, verdammt noch mal. Es ist mein Gummikrokodil!“ t Ein Mann kommt zum Arzt und beklagt sich: „Ich habe den Verdacht, dass meine Frau nicht mehr so gut hört. Was kann ich tun?“ Der Arzt antwortet: „Versuchen Sie doch einfach folgendes: Wenn Ihre Frau gerade in der Küche beim Abwaschen ist, stellen Sie sich fünf Meter weit hinter sie und fragen sie etwas. Falls sie nicht antwortet, gehen

Philip Zimbardo, der für sein Stanford-PrisonExperiment bekannte Psychologe, hätte seine Freude gehabt. Unklar blieb, zu welchen Maßnahmen der Sicherheitsmann zu greifen gedachte. Gibt es Schießscharten im Dekanat? Strategie war vonnöten. Wie kann man seinen früh erkämpften Platz Nummer 15 verteidigen, ohne drei Stunden an Ort und Stelle mit dem eisigen Boden zu verwachsen? Listen wurden wie bei Luther von Findigen an die Tür des Dekanats gepinnt, in dem das genaue Erscheinungsdatum samt Listenplatz erfasst wurde, um studentische Ausschreitungen bei Öffnung des Dekanats um 9 Uhr zu vermeiden. Gegen 8 Uhr 30 begannen die Studenten mit weiß-grau gefrorenen Zehen, zu Eiszapfen erstarrten Nasen und blauen Lippen sich nach Anleitung einiger Alphastudenten zu einer Spirale zu formieren. Das hier demonstrierte unblutige Verhalten unserer menschlichen Gattung wird Psychologen noch jahrelang Fragen aufwerfen.

Wochen später die ernüchternde Frage, nachdem alle 90 Berwerber ihren Platz erhalten haben, obwohl 40 der 60 Plätze exklusiv für FöFoLe-Bewerber reserviert sind: „Warum habe ich mir das angetan?“ Immerhin kann man sagen: Damals, 2008, als man seinen Modul-6-Antrag noch persönlich beim Dekanat einreichen musste …“

Sie immer näher und fragen weiter bis sie Sie hört.“ Der Mann kommt nach Hause – seine Frau bereitet gerade das Abendessen zu. Er stellt sich fünf Meter hinter sie und sagt: „Was gibt‘s zum Essen, Schatz?“ Da er keine Antwort kriegt geht er zwei Meter vor und fragt erneut. Wieder keine Antwort, also geht er erneut zwei Meter vor – wieder nichts. Schließlich steht er direkt hinter ihr: „Was gibt‘s zum Essen, Schatz?“ Sie antwortet: „Zum vierten Mal jetzt, Hühnchen!“ J Was man nie während einer OP hören möchte Hat jemand meine Uhr gesehen? Böser Hund! Bring das wieder her! Wartet mal ... wenn das seine Milz ist, was ist dann das?

Gebt mir dieses ... äh ... ähm ... dieses Ding da! Was soll das heißen, er kam eigentlich nicht zur Geschlechtsumwandlung? Verdammt, schon wieder eine Sicherung rausgeflogen ! Also, Leute, das wird heute ein interessantes Experiment für uns alle. Beeilung! Ich will ‚Bay Watch‘ nicht verpassen. Uuups! Was soll das heißen, du möchtest eine Scheidung!??

Alte Hasen 


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Studium und Arbeit

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MV Made in Rostock

Mit Schlafsack und Isomatte zum BVMD an die Ostsee wird gefrühstückt, und um Punkt 9 sitzt man bereits im Plenum. Im Idealfall.

Plenum und Arbeitsgruppen Frühstück, Plenumsitzung, und die Arbeitsgruppen finden in einem wunderschönen Gebäude statt, es gibt jederzeit Kaffee, Bananen, Brötchen, … ich muss nach dem sehr satten und guten Mittagessen Abends etwas kürzer treten.

Alle Neuen sollen sich nach Studienort von Nord nach Süd aufstellen.

Von Maximilian Batz „Wie – mit Schlafsack und Isomatte?“ Mit großen Augen schaut Philippe auf meine Isomatte die an meinem Trolley befestigt ist. Wir sind Beide das erste Mal mit dabei auf einer MV. Ich erkläre ihm, dass wir alle zusammen in einer Turnhalle schlafen würden, auf Isomatten und im Schlafsack. Seine Augen werden noch größer.

Neun Stunden in Reihe drei Kurze Zeit später sind wir alle komplett. Für mich fast nur bekannte Gesichter – nur zwei der mitfahrenden Mädchen kenne ich noch nicht. Aber ich lerne sie während der langen Fahrt ein bisschen kennen: Neun Stunden sind wir unterwegs, neun Stunden in einer knapp bemessenen Reihe drei des gemieteten Minivans. Diese Reihe ist offensichtlich für Kinder vorgesehen, da sich die Kopfstützen in den Rücken bohren und auch nicht verstellen lassen. Während Philippe den Schlaf nachzuholen versucht, gebe ich bald meinen Versuch auf, Psychiatrie zu lernen. Es geht gen Norden. Knapp neun Stunden, 800 km, und vier Liter Cola weiter kommen wir an. Die Willkommensparty fängt gerade an in Schwung zu kommen, für uns Neue gibt es kurz drauf in einem Hinterzimmer eine gesonderte Einführung!

den zugehörigen Partner suchen, mit der Aussicht etwas ganz ganz Tolles zu gewinnen. Bevor ich es schaffe, Toms Handynummer zu ergattern, werden wir auch schon wieder auf Kleingruppen unterteilt und tauchen in seltsame Begriffe wie SCORP, NOME, SCOPH und dergleichen viele mehr ab. SCORP steht beispielsweise für „Standing Committee on human Rights and Peace“ – die ständige Arbeitsgruppe für Menschenrechte und Frieden, während NOME der „National Officer for Medical Education“ ist – Vorsitzender der AG medizinische Ausbildung. Nach einer kurzen Rede entlässt uns der Präsident anschließend zum Feiern. Gut angetrunken finde ich mit einigen anderen Mitstreitern zum Glück den Heimweg zur Turnhalle und – zu unserem Riesenbett aus Edelmatten. Wir haben uns gleich zu Anfang die edelsten Turnmatten organisiert - und nächtigen daher also sehr bequem. Allerdings kommt man weder in dieser Nacht richtig zum Schlafen noch in der nächsten. Zuviel ist los, Freitag und Samstags kommt man sowieso erst spät nach Mitternacht heim von den Partys, von 8 bis 9

Als erstes steigen wir auf die Bänke und sollen ohne zu reden oder von der Bank zu fallen uns alle nach Studienort - von Süd nach Nord - ordnen. So ganz wie sich der Präsident das vorstellt klappt es aber nicht. Allein schon, weil ich nach Tom suchen muss. Auf der Rückseite unserer Namensschildchen findet sich nämlich ein Name – meiner ist Jerry – und man muss

Der Eingang der medizinischen Fakultät

In der Plenumsitzung geht es Samstags zunächst um einen Überblick über die einzelnen Fachschaften, etwa die Räumlichkeiten – von gar nichts bis 300 m2 ist hier alles dabei – und die Transportmittel. Obwohl viel über Privatjets und Helikopter gewitzelt wird, ist Mannheim mit einem eigenen Minibus bereits sehr gut ausgestattet. Mannheim hat überhaupt ein sehr interessantes Modell – Fachschaftler müssen dort keine Studiengebühren zahlen. Damit jetzt aber nicht jeder Fachschaft beitritt nur um zu sparen, zahlen Fachschaftler die normale Studiengebühr einfach in die Fachschaftskasse. Definitiv sehr fortschrittlich, und würde einer Elite-Uni auch sehr gut zu Gesicht stehen. Die Arbeitsgruppen erarbeiten Samstag Nachmittag wichtige Punkte, die dem Plenum am Sonntag vorgestellt und abgestimmt werden sollen. Gerne hätte ich an einigen davon teilgenommen, beispielsweise gab eine Ärztin einen Gastvortrag über Ärzte ohne Grenzen.

Unsere Edelmatten: Luxus pur


Studium und Arbeit

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Deine Fachschaft Ich bin jedoch schon fest für das Treffen der Medizinerzeitungen eingeplant. Ein Workshop wo wir unsere Zeitungen gegenseitig vorstellen, ein Referat über richtiges Layout hören, und Kontakte knüpfen.

Mit der Bierflasche zum Strand Nach intensiver Arbeit und viel Kaffee zwischendurch setzen wir uns zu unserem wohlverdienten Abendessen zusammen. Mit der Bierflasche in der Hand mache ich mich anschließend mit vielen anderen zum Strand auf, und schließe Freundschaft mit der Bonner Delegation. An dieser Stelle muss gleichwohl auch eine Schattenseite der MV angesprochen werden: Man kommt kaum dazu, Ort und Landschaft anzuschauen. Es gibt, vor allem für den Vorstand, Verpflichtungen, denen sie sich nicht entziehen können. Für mich war die Wahl klar – ich hatte die Ostsee noch nie gesehen. Einige andere von uns hatten diese Wahl aber gar nicht. Für sie hieß es Filmschauen und anschließende Diskussion. Zur Party abends kommen wir dann alle wieder zusammen. Eine Medizinerparty der Extra-

klasse! Es gibt Brötchen und Nudelsalat, und die „Berühmte Pärchen“ – Spiele: Pärchen die sich gefunden haben gewinnen die Chance miteinander Karaoke zu singen. Das war besagter sehr sehr toller Hauptgewinn, und macht allen sehr viel Spaß! Überhaupt sind die Fachschaftler am Wochenende alle sehr gut drauf. Immer wieder wird spontan gesungen, oder es ergeben sich kleine Spiele. Man fühlt sich unter Freunden, und ist ungezwungen. Nach einer sehr, sehr kurzen Nacht – Greifswald hat uns um 7 mit Trompete und Pauke geweckt („Guten Morgen!“), und schnellem Frühstück geht es in die letzte Veranstaltung.

Dieses Mal auf der Mittelbank Diese Plenumsitzung am Sonntag ist für mich auch deutlich interessanter: Das sind Fragen, die uns Medizinstudenten direkt betreffen. Beispielsweise wurde über eine Änderung des Hammerexamens diskutiert, da in einer Umfrage viele ihren Unmut kund getan hatten. Soll man es den Studenten freistellen, ob sie es vor dem PJ schreiben oder danach? Soll man einen Teil als Grundlagen vorziehen? Oder eine zusätzliche OSCE-Prüfung vor dem PJ einführen?

Die Fachschaft Medizin setzt sich für die Belange aller Medizinstudenten ein. Ob Partys, Protokolldienst oder Synapse – wir stellen für Euch sicher, dass ihr in München ein erfülltes Studentendasein genießen könnt. Lust mitzumachen? Komm doch einfach mal spontan zu einer unserer Sitzungen vorbei! Unsere Sitzung Jeden Donnerstag um 19 h Pettenkoferstr. 10a Kontakt Tel.: 089 / 5160 - 8920

www.fachschaft-medizin.de Zum Abschluss werden die Preise für besonderes Engagement vergeben. Die Greifswalder fahren auf jeden Fall mit einem Blumentopf voll Süßigkeiten heim. Die Ostsee ist ein sehr schöner Ort, gerne würde ich noch länger da verweilen, am Strand spazieren gehen und Fischbrötchen essen. Jedoch mussten wir die Turnhalle noch vor der Plenumsitzung räumen, und es ist ein Platz für mich im Minivan reserviert. Dieses Mal auf der Mittelbank. Der Abschied und die Rückkehr in den Alltag fällt mir besonders schwer. Rostock, das war für mich ein ganz einmaliges Erlebnis. Ich bin unserer Fachschaft sehr dankbar, dabei gewesen sein zu dürfen!!  


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Leben und Kultur

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Gleich um die Ecke Café Regenbogen – Münchner Aids Hilfe Von Anja Görlitz

Café Regenbogen

Viele kennen es und haben auch schon den preiswerten und meist sehr guten Mittagstisch dort ausprobiert - gegenüber der Haunerschen, relativ unscheinbar: Das Café Regenbogen. Die meisten werden auch bemerkt haben, dass es irgend etwas mit der Münchner Aids Hilfe zu tun hat - aber was?

Die Münchner AIDS Hilfe Die Gründungsversammlung der Münchner Aids Hilfe fand am 16. Januar 1984 statt. Es war die erste regionale Aids Hilfe in der BRD und hatte sich zum Ziel gesetzt Erkrankte zu unterstützen und die Aids Forschung zu fördern. Gründungsmitglieder waren z.B. Delegierte aus dem Münchner Löwenclub und Mitglieder des Vereins für sexuelle Gleichberechtigung und Homosexuelle in der Kirche. Die Zielsetzung des Vereins ist bis heute gleich geblieben. Schon zu Beginn war klar, die Basis ist das Ehrenamt heute sind ca. 130 ehrenamtliche MitarbeiterInnen im Verein tätig, die fester Bestandteil eines motivierten, qualifizierten und bunt gemischten Teams sind. Zusätzlich tragen 50 bezahlte Fachkräfte zum Gelingen der Arbeit bei. Es wurde und wird viel erreicht. Heute leben in München ca. 5000 HIV positive Menschen, statistisch infiziert sich jeden 2. Tag eine Münchnerin oder ein Münchner und die Infektionsrate steigt an. Die Angst vor der Ansteckung ist zurück gegangen, der Fortschritt der Medizin, der auch mit HIV ein langes Leben ermöglicht, scheint bei vielen den Eindruck zu hinterlassen, dass HIV keine Gefahr mehr darstellt - aber Aids ist noch immer eine unheilbare und tödliche Krankheit. Die Münchner Aids Hilfe wird nicht müde, sie klären auf, beraten und setzen sich immer wieder neue Ziele. Verschiedenste Bereiche werden durch die Projekte der Vereinsmitglieder umgesetzt. So gibt es im „checkpoint münchen“ kostenlose Beratung und einen HIVTest für 26 Euro, anonym und professionell, hinter „rosaAlter“ verbirgt sich eine Beratungs- und Vernetzungstelle für ältere Lesben, Schwule und

Tür des Café Regenbogen

Transgender, es gibt Wohngruppen und ambulante Betreuung, Vorträge, Ausflüge, die „Sittenstrolche“ sind eine Präventionsgruppe, die in Zusammenarbeit mit Sub (Schwules Zentrum) entstand, etc. etc ... Es sind beständige Projekte, die Menschen mit HIV helfen und diese fördern. Es wird jedem die Möglichkeit gegeben der sozialen Isolation zu entkommen und professionelle Hilfe zu finden – egal in welchen Bereichen diese nötig ist - die Münchner Aids Hilfe hilft.

Auch das Café Regenbogen ist ein Projekt das immer weiter entwickelt wurde. Gegründet wurde es 1988 von einigen positiven Männern, die einen Raum für sich haben wollten. Es war in den Anfangsjahren an einem „geheimen Ort“, hatte nur einmal in der Woche offen und diente auch als Schutzraum. Nach und nach trauten sich die Leute immer mehr in die Öffentlichkeit, unternahmen selbstsicherere Schritte und gingen so gegen die Stigmatisierung HIV Positiver vor. Schließlich wurde ein psychosoziales Projekt „Essen in Gesellschaft“ in das bestehende Café Regenbogen integriert. Zielsetzung war hier der Vereinsamung und schlechten Ernährung Positiver entgegen zu wirken. 1998 zog das Café in das Erdgeschoss des Aids-Hilfe-Hauses in der Lindwurmstrasse ein. Horst Schreck und Michèle Lutzenberger leiten das große Team des Café Regenbogen, das Montag bis Freitag von 11–14 Uhr einen abwechslungsreichen und preiswerten Mittagstisch bereit hält. Auch am Abend ist von Dienstag bis Freitag von 18–23 Uhr geöffnet und die abendliche Karte hält ebenfalls viele kulinarische Köstlichkeiten für die Gäste bereit. Aber wie funktioniert das Café eigentlich? Neben den zwei Teamleitern sind noch zwei Köche fest angestellt. Die übrigen Mitarbeiter setzen sich aus Ehrenamtlichen und Menschen mit HIV und Aids, Langzeitarbeitslosen oder Menschen die Arbeitslosengeld II beziehen, zusammen – diese sind in einem Beschäftigungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Stadt im Café Regenbogen angestellt.

Die Munchner AIDS-Hilfe und das Café sind in der Lindwurmstraße, gegenüber dem Haunerschen Spital

Es sind Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben und denen durch die Mitarbeit im Café ein Wiedereinstieg in die Arbeitswelt ermöglicht werden kann. Diese Mitarbeiter kommen alle mit einem Rucksack voller Probleme und werden nach ihren Möglichkeiten eingesetzt, parallel zu ihrer Arbeit intensiv betreut und angeleitet. Leider ist die Mitarbeit auf ein Jahr befristet und die Arbeitszeit sehr streng reglementiert. Die Mitarbeiter dürfen im Rahmen des Beschäftigungsprojektes zwischen 80 und


Leben und Kultur

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120 Stunden im Monat arbeiten, bekommen 1,25 Euro in der Stunde und die Fahrkarte für den Arbeitstag. Wenn sie krank werden, bekommen sie weder Fahrkartengeld noch Arbeitsentgelt.

zeichnet sind, ist die Sachlage anders. Hier wird durch Spendengelder der Preis niedrig gehalten, damit sich jeder ein gesundes Mittagessen leisten kann. Daher ist es äußerst wünschenswert, wenn besonders hier die Beträge an der Kasse aufgerundet werden. Das Regenbogen trägt sich nur durch Spenden und ob das Café weiter bestehen kann, muss von Jahr zu Jahr neu entschieden werden. Seit einiger Zeit ist es Mittags in dem kleinen Lokal sehr voll, es werden ca. 300 Essen täglich verkauft – hauptsächlich die subventionierten Gerichte. Die Zeit, in der nur homosexuelle HIV positive Menschen das Regenbogen nutzen ist vorbei. Das ist auf der einen Seite sehr schön, denn es zeigt auch, das die Stigmatisierung zurück gegangen ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch manchmal ärgerlich, wenn Leute, die keine finanziellen Nöte haben, ein subventioniertes Essen bestellen und wenn sie großzügig sind, 10 Cent Trinkgeld ge-

Die Ausbildung eines Teams ist eine ständige Herausforderung, denn durch die Reglementierungen sind die Leute nach einem – bei viel Glück anderthalb – Jahren wieder weg. Ein Zeitpunkt, an dem die meisten gut eingearbeitet sind. Dann kommen neue Leute mit neuen Problemen, Hemmnissen aber auch Fähigkeiten. Auch Todesfälle sind ein Bestandteil im Alltag der Arbeit in der Münchner Aids Hilfe. Im letzten Jahr verstarben allein 2 Mitarbeiter des Cafés. Hier noch eine Anmerkung am Rande – die jetzt vielleicht etwas sehr gehässig klingt, allerdings ist mir die Frage häufiger von KommilitonInnen gestellt worden: Ja, im Café Regenbogen arbeiten auch HIV Positive Menschen - für die ist es ja schließlich gegründet worden – und ja, diese Menschen haben ein Gesundheitszeugnis und dürfen in der Gastronomie arbeiten – wen dass jetzt extrem verwundern sollte, der sollte noch einmal nachschlagen wie HIV übertragen wird ... (ein Tipp: es geht nicht über Hautkontakt, Kartoffeln oder Blickkontakt). Übrigens: sollte sich jemand mit HIV in der Küche schneiden, so macht er das Gleiche wie ein nicht HIV Infizierter in der Gastronomie: Wunde säubern, Pflaster drauf und Handschuh anziehen, und Zutaten auf die Blut getropft ist werden nicht weiter verkauft.

Eine Besonderheit des Cafés ist das kostenlose Wasser, dass es Mittags gibt. Der Hintergrund: Eine Möglichkeit für HIV Positive ihre Medikamente zu schlucken. Gesponsert wird dieses Wasser nicht, lediglich die Gläser hat die SWM dem Verein geschenkt. Für den Ausschank von Wasser hat der Verein eine Maschine (zur gastronomiegerechten Aufbereitung) von den Stadtwerken für 2000 Euro kaufen müssen. Ob und wie lange das Wasser noch kostenlos bleiben kann, hängt auch wieder sehr mit der Spendenbereitschaft zusammen. Spenden sind eine Möglichkeit, die Arbeit der Münchner Aids Hilfe zu unterstützen (die Fachschaft Medizin spendete letztes Jahr 3000 Euro an die Aidshilfe) – genauso wichtig ist aber auch die ehrenamtliche Hilfe – denn ohne diese, könnte die Aidshilfe nicht leisten, was sie heute leistet und vieles hätte nie umgesetzt werden können. Mir ist während des Gesprächs mit Frau Lutzenberger klar geworden, wie schwierig ihre Arbeit ist – es ist mehr als nur ein Job. Sie ist 1990 über einen Pfarrer zur Aidshilfe gekommen und liebt ihre Tätigkeit. Aids, HIV, Schwule, Lesben, Transgender – für sie sind das nicht nur Begriffe – es ist Alltag, ebenso wie der Tod durch Aids. Es ist etwas, was für mich schwer zu fassen war: Diese Begriffe haben nichts mit Toleranz zu tun – dahinter stehen Menschen, die brauchen meine intellektuelle Toleranz nicht – sie brauchen Leute wie die von der Aidshilfe, bei denen sie Akzeptanz und Normalität erleben und die Ihnen wirklich helfen – und nicht nur das – die Präventionsarbeit groß schreiben und so auch uns helfen.

Subventionierte Gerichte und Spenden

ben. Das macht das System kaputt und darunter leiden werden die, die es gegründet, aufgebaut und ursprünglich genutzt haben und für die es auch heute noch da ist. Bezahlt wird immer an der Kasse – das ist organisatorisch einfacher und Trinkgeld wird so direkt zur Spende.

Apropos Verkauf: Der Preis für die einzelnen Gerichte ist so berechnet, das etwas mehr als das Geld für die Zutaten dabei heraus springt. Bei den durch Spenden subventionierten Gerichten, die in der Mittagskarte extra gekenn-

Vielen Dank an Frau Lutzenberger, die sich viel Zeit genommen hat. 

Weltweit stecken sich 4,8 Mln. neu an Im selben Jahr sterben 2,9 Mln. an AIDS

Ín Deutschland leben ca. 67.000 Menschen mit HIV

Sterberate nimmt in den USA dank intensiver Kombinationstherapie drastisch ab

1981 1982

AZT (Retrovir) wird als erstes Therapeutikum zugelassen

erster HIV-Test (ELISA-Antikörper) wird in den USA patentiert

1969

Das HI-Virus wird in Frankreich erstmals von Forschern isoliert Gründung AIDS-Hilfe in Berlin

HIV gelangt in die USA

1966

erste Diagnose in Deutschland Ab August offizieller Name: AIDS

HIV gelangt von Afrika nach Haiti

1959

Bericht über Häufung einer seltenen Pneumonie in Los Angeles

(eines Mannes aus Kongo)

Wann?

erste Blutprobe mit HIV

Münchner Aids-Hilfe Info-Abend

Einer zur Zeit allgemein akzeptierte Theorie nach wurde das Virus Anfang der 30‘er Jahre vom Primaten auf den Menschen übertragen. In Schimpansen wurde SIV, ein mit dem HIV fast identisches Virus gefunden. SIV ist eine Kombination aus zwei Virusstämmen die in bestimmten Meerkatzen vorkommen. Schimpansen jagen und fressen Meerkatzen, wodurch sie sich mit diesen beiden Viren infiziert haben – in ihrem Körper ist dann wiederum daraus SIV entstanden.

HIV tritt wahrscheinlich erstmals in Zentralafrika auf

Geschichtliche Entwicklung von AIDS 1930 - 2010

1930

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1983

1985

1987

1997

2003

2010

Immer jeden letzten Freitag im Monat, 19 Uhr Wo? Münchner Aids-Hilfe e.V. 2. Stock, Lindwurmstr. 71 U 3/6 Goetheplatz Auch im Café Regenbogen kann man ehrenamtlich mitarbeiten. Wer Freude am Kellnern oder am Thekendienst hat ist dazu herzlich eingeladen – egal ob regelmäßig oder sporadisch. Wir treffen uns einmal im Monat zum Gruppenabend, Einsatzzeit sind die Abende von Dienstag bis Freitag zwischen 18 und 23 Uhr.

www.muenchner-aidshilfe.de


Leben und Kultur

von Ivo

Strasser

Experiment Mensch

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Der Marstall

Doch wozu?

Einst errichtet im Jahre 1817 als königliche Hofreiterschule lässt dieser mächtige Bau die umgebenden Neubauten des Residenzviertels respektvoll vor sich zurück weichen. Ein Sog entsteht durch den weitläufigen Vorplatz auf entfernte Betrachter, die, wenn sie diesem nachgeben, von den riesenhaften Flügeln des monumentalen Haupttores fast unmerklich verschluckt werden. Geheimnisvoll wirkt dieser Ort, wenn die Nacht mit den Laternen und Schatten spielt.

Der Marstall ist eine Reaktorbühne für experimentelles, avantgardistisches Theater, das sich öffentlicher Gefälligkeit entzieht.

So wuchtig die Aussenmauern erscheinen mögen, sie tragen doch die Züge der königlichen Würde. Im Inneren jedoch stößt der Besucher unverhofft auf ein verwirrendes Gedärm voll nackter Rohre, Maschinen, stakender Gerüste, rauhem Ziegelmauerwerk, düsteren Flächen und grellen Lichtern. Dieser anmutige Bau macht auf einmal den Eindruck einer Art Lagerhalle mit Werkstatt oder Experimentallabor.

Adresse: Marstallplatz 4 80539 München Tel.: 089 – 21 85 01 Die Muse Euterpe spielt mit der Maske der Medusa 

www.bayerischesstaatsschauspiel.de

Das hier gespielte Theater reißt seine klassischen Abgrenzungen zur Wirklichkeit nieder und drängt vorbehaltlos in die Realität eines jeden Zuschauers. Bühne und Tribüne gehen vom Aufbau fast nahtlos ineinander über, wodurch das Schauspiel dem Publikum anmaßend nahe kommen kann. Mitunter ist der Bühnenraum schon von den Geräuschkulissen des Stücks erfüllt, noch während die Besucher ihre Plätze einnehmen. Es scheint, als habe manch eine Vorführung weder Anfang noch Ende. Jede Situation des Lebens ist ein Spiegel des eigenen Charakters und umso provokativer oder abstruser die Umstände sind, desto mehr ist darin zu erkennen, welch niederträchtiges aber auch nobles Verhalten aus des Menschen unbewussten Tiefen zum Vorschein kommen kann. In Stücken wie „Pool-no water” oder „Stillleben in einem Graben” stoßen die Akteure in Grenzbereiche menschlichen Verhaltens vor. Beim Anblick dieser Stücke bleibt nur zu hoffen, dass die Schauspieler ihnen nur ihre Stimme samt den Körper überlassen, jedoch nicht ihre Seelen. So mag es sein, dass das nahezu leere Bühnenbild ohne Möglichkeiten von Schutz oder Rückhalt das sich in erbarmungsloser Hoffnungslosigkeit verlierende Schicksal mancher Charaktere noch tiefer fallen lässt. Oder es verwandelt sich in ein Trümmerfeld des Wahnsinns, auf dem Irrsinn und Niedertracht die Schausteller durchwringen wie nasse Kleidung, bis sich die ausgepressten Seelen der verkörperten Figuren in Lachen von Kunstblut über die Bühne ergießen. Verstört werden viele diesen mysteriösen Ort wieder verlassen und mahnend zeugt er davon, dass nicht wenige Ideen des “nur” gespielten der bitteren Wirklichkeit entsprungen sind.  


Leben und Kultur

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Vom Tee Von Ivo Strasser Wenn es um Tee geht, frage ich mich oft, wo der Tee eigentlich seine Grenzen hat- ergießt sich doch sein (starker) Duft ganz schwerelos aus der Tasse in die umgebende Luft, wodurch ich seine Note oftmals noch deutlicher schmecke als im Gefäß selbst. Ich merke, dass wir Menschen eigentlich selbst eine Art Luftraum sind, der sich der Natur unseres Charakters oder Erlebens folgend aufgewühlt, bewegt oder gemächlich ruhend verhalten kann. Fließt nun der Tee über unsere Sinne in uns hinein, so verwirbelt sein zarter Geschmack ganz heftig in einem unkonzentrierten Geist, wird kaum beachtet hinweggespült in einem ignoranten wie gehetzten Wesen oder entfaltet sich prächtig in all seiner Herrlichkeit in demjenigen, der ihm ein Gefäß der würdigenden Aufmerksamkeit ist.

So kann der Tee dem Menschen sehr viel über diesen selbst erzählen. Und diese vom Tee nur dem Bemühten geschenkte Besinnung öffnet alle Tore, um mit hellhörigem wie entspannten Gemüt seinem Gegenüber, dem Spiel der Umgebung oder den Gedanken zu lauschen und losgelöst mit ihnen zu plaudern. Verwundert es dann, dass Menschen dem Tee Orte widmen, in denen er zelebriert wird?

Solch ein ausgesprochen verführerischer Ort in München ist die Friesische Teestube, welche ein wenig unscheinbar am Pündter Platz versteckt liegt. Als ich zum ersten Mal diese Stube betrat, empfing mich eine derart wärmende und geruhsame Stimmung, als wäre ich nach Hause gekommen. Die bequemenden Sofas laden zum Versinken ein und allerlei Möbiliar im altbürgerlichen Stil lassen den schweifenden Blick stets neues entdecken. Reizende Musik strömt unaufdringlich durch den Raum und kitzelt dann und wann unser Gehör, während feine Speisen den Gaumen erfreuen. Und inmitten von alledem ist da ja noch, der Tee. 

Adresse: Friesische Teestube Pündter Platz 2 80803 Schwabing-West Empfohlene Anfahrt: über die Herzogstraße von der Münchener Freiheit aus

www.friesische-teestube.de

Wasser und Blatt 

Museum Brandhorst Von Ivo Strasser

Doppeldeutig ist dieser Bau. Nach oben hin gibt er sich in freundlichen und leichten Farben, die sich an sonnigen Tagen im Himmel verlieren. Darunter demonstriert er mit dunklen, fast abweisenden Farbtönen Verbundenheit mit der Erde, der Straße, mit dem Alltag, den Menschen. Er ist ein aufrichtiger Bau, der die Botschaften seiner äußeren Hülle auch im Inneren beibehält. Den Besuchern zeigt er sich offen, zurückhaltend und elegant. Folgt man den Treppen ins untere Stockwerk, so fällt man in die Beklemmung zurück, die schon der dunkle Teil der Fassade ahnen ließ, denn dort unten steigt der Gast in die Abgründe des menschlichen Daseins hinab. Er stößt zuerst auf die repetitiven Drucke Andy Warhols, die die Bedeutung des Menschen als reproduzierbares, entwertetes und eintöniges Muster einer zügellosen Konsumgesellschaft enttarnen, muss weiterhin an der gigantischen Pillenvitrine Damien Hirsts vorbei, die ihm vor Augen führt, wie sehr wir

das Funktionieren unseres Körpers und Geistes in die Hände der Industrie gegeben haben und windet sich durch dunkle Räume, die von der Flucht in moderne Heldensagen und der Enthemmung menschlicher Sexualität zeugen. Hoffnung Doch die Fassade hat Hoffnung gemacht mit ihren heiteren Farben und hoffnungsvoll zieht es die Besucher nach oben, wo sie im Erdgeschoss schon die erste Besserung in den Werken verspüren, doch sicher geht es noch besser. Sie eilen die ausladenden Treppen hinauf. Dort öffnet sich der Bau noch stärker, wird lichter, wie ein Tempel. Es werden hier die Werke des Malers Cy Twombly geehrt. In großen, angenehm beleuchteten Räumen läßt der Bau die Werke atmen. Twombly gestaltet sein Großwerk, die Seeschlacht von Lepanto so, als wäre er selbst als Soldat beteiligt. Mit wütenden Farbexplosionen und groben Pinselzügen, die Schwerthieben gleichen, richtet er Tod und Ver-

derben auf der Leinwand an. Bisweilen scheinen die Leinwände wie durch die blutgetränkte See gezogen worden zu sein. Wie froh ist da der von allerlei Leid geplagte Gast am Ende, als er ehrfurchtsvoll den zentralen Mittelraum betreten darf, indem übermenschlich dimensionerte Rosen, das Symbol der Liebe, die Menschen mit der Kunst und dem grausamen Leben zu versöhnen suchen. 

© Museum Brandhorst


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Leben und Kultur

Neuproduktionen vor der Premiere sehen Wer Theater interessiert ist und ein gutes Maß an Spontanität besitzt, dem sei der Newsletter Junges Schauspiel des Bayerischen Staatsschauspiels empfohlen. Regelmäßig wird man ein oder zwei Tage zuvor über offene Proben informiert, deren Besuch kostenlos ist. Erfreulicherweise kann man so schon vor der Premiere die großen Neuproduktionen genießen und noch bevor die ersten Rezensionen in den Feuilletons stehen kennerisch sein Urteil sprechen.

www.bayerischesstaatsschauspiel.de / junge_akademie/

Studentenwerk macht Kultur Spannende Führungen zu vielfältigen Themen bietet das Studentenwerk an. Für Zugezogene könnte eine Tour durch Münchens Altstadt interessant sein, aber auch für Alteingesessene gibt es mit Führungen wie zum Beispiel durch das Maximilianeum, die Paulaner Brauerei oder das Kanalsystem einiges Neues zu entdecken. Und das Beste ist, dass viele der Führungen nichts bis fast nichts kosten. Die Anmeldung läuft über das Kulturbüro des Studentenwerks. Wer die perfekte Mischung von Bildung und Amüsement sucht, der wird das Konzept von Cultureclubbing lieben. Jeden Monat stellen junge Künstler ihre Werke in Ausstellungen, Lesungen oder Filmnächten vor. Im Anschluss kann man dann mit den Kreativen auf einer Après-Kultur-Party in den schönsten Clubs Münchens ins Gespräch kommen. Eintritt ist an beiden Locations für Studenten frei.

www.studentenwerk-muenchen.de/kultur/

Sommertheater im Englischen Garten Es ist schon lange kein Geheimtipp mehr, aber dennoch immer noch großartig: Das Muenchner Sommertheater. Jeden Sommer frage ich mich, ob es denn überhaupt annähernd so gut wie das letzte Jahr werden wird. Und jeden Sommer werde ich nicht enttäuscht. Die jungen Schauspieler um Regisseurin Ulrike Dissmann verstehen einfach ihr Handwerk und wissen, wie man eine Komödie darbringt, so dass sie groß und klein, kulturell interessiert und kulturell angeödet gefällt. Natürlich trägt dazu auch die unvergleichliche Atmosphäre im Amphitheater des Englischen Gartens bei. Am Schönsten wird es im zweiten Akt, wenn man den Rest seines Picknicks im Schein der Lampions, die in der Pause verkauft werden, verspeisen kann. Ich empfehle dazu einige Flaschen Wein und viele Pistazien! Aber auch in der Mohrvilla, in die das Theater bei Regen verlegt wird, ist es heimelig. Und das beste ist: Freier Eintritt. Dem Sommertheater kann man auch in der kalten Jahreszeit lauschen. Dann bringen sie die besten Lieder aus ihren Stücken dar!

www.muenchner-sommertheater.de

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Alles nur Theater? Sein oder nicht sein. Das ist hier die Frage Von Elena Gottlieb Ist es das wirklich? Oder sind wir nicht alle ein bisschen und ein bisschen nicht. Die Welt des Theaters hat eine immense Breite und Weite. Und, wenn wir ehrlich sind, spielen wir nicht alle ein bisschen Theater?

Beim ersten Date und in der Arztpraxis ... Sei es beim ersten Date, bei dem man sich beim Essen anstrengt, wo man doch eigentlich hier und da mal kleckert, was ja auch nicht weiter schlimm ist, man möchte es nur noch nicht beim 1. Date (!!!) gleich preisgeben . Statt der leckeren Spaghetti mit Tomatensoße nehmen wir eine Pizza, weil es leichter zu handhaben ist. Oder auch in der Rolle des geduldigen Arztes, der nickend und zustimmend seinem letzten Patienten zuhört, als hätte er alle Zeit der Welt und das auch gerne, aber eigentlich genau in diesem Moment schon im Supermark das Abendbrot besorgen und gleichzeitig die Kinder noch abholen soll. Das hört sich hart an. Es ist aber tatsächlich die Realität. Und das ist keine Kritik. Ein wenig Schauspielerei gehört dazu und wenn es nicht so wäre, dann wäre die Welt wahrscheinlich noch ein wenig härter. Theater. Theater gibt es zum Anschauen, zum Zuhören, zum Selbermachen. Theater hat man mit seinen Geschwistern, Eltern, Partnern, Freunden oder auch Patienten. Theater hat man auf der Bühne. Im Fernsehen. Im Radio?

Wo gibt es eigentlich kein Theater? Selbst in der Medizin gibt es Theater. Und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt das MedizinTheater. Und das ist wahrscheinlich eines der Dinge, die mein eigenes Studium noch studierbarer machen als es schon ist. Im ersten Semester lernte ich das Theater aus der Sicht der Medizinstudierenden???? kennen, was zunächst weder positiv noch negativ ist. Es ist anders, das allemal. So motiviert wie man mit der Gründung einer neuen Gruppe so ist, macht sich unsere engagierte Leiterin sofort an die Arbeit. Und es schreit gerade zu nach „Arzt wider Willen“.

Molière spricht aus unserer Seele. Amüsiert über diese Thematik sammeln wir fleißig nach Vorurteilen und Insidern und bauen vor allem unser all geliebtes „MeCuM“ betreffende Anekdoten in das Stück ein. So hatten dann ein Jahr später die Besucher des Walther-Straub-Hörsaals einiges zu schmunzeln, zumindest die Mediziner unter Ihnen.

Geschlechterkampf statt Stethoskope Aber ist das eigentlich Theater? Man spielt als Mediziner Mediziner? Wir wollten wir es wissen. Das nächste Stück soll medizinfreier sein, wenn nicht sogar medizinrein. Doch wenn nicht Medizin, was dann? — Frauen! Und das in Form einer ungeheuren Dosis. „Lysistrata“ von Aristrophanes heißt es ab Januar 2008 für uns. Ein Dutzend Mediziner packen ihre Stethoskope ein und reisen ins ferne Griechenland, in dem die Frauen den Männern den Kampf ansagen, und das nicht zu knapp. Angeführt von einer Friseurin verweigern die Frauen den Männern jeglichen Intimverkehr, solange diese noch Krieg führen. So alt das Stück, so aktuell die Thematik. Die Frauen sagen den Männern den Kampf an, passend in einem Studiengang in dem der Frauenanteil mindestens 60% beträgt. Amüsiert waren dieses Mal nicht nur die Mediziner des WaltherStraub-Hörsaals.

Im Theater hinter der Bühne Doch Theater gibt es nicht nur auf der Bühne. Sondern auch mit Familie und Freunden und natürlich auch unter Kollegen und Mitspielern. Manchmal muss man auch einen Blick hinter die Bühne werfen, um die Vollkommenheit des Theaters zu verstehen … So waren nicht nur unsere Aufführungen von theatralischer Natur. Auch die Proben und die Treffen spiegeln nur zu gut die Gesamtheit des Theaters wieder. Was unserer Gruppe wahrscheinlich mit am meisten den theatralischen Charakter gab, war mit Sicherheit nicht unsere Erfahrung. Wir studieren schließlich alle Medizin und sind keine geborenen Schauspieler. Natürlich hat der eine oder andere schon mal Theater gespielt, sei es im Stadttheater, Schultheater oder bei so manch anderer Gelegenheit, doch was ist das im Vergleich zu ausgebildeten Schauspielern? Nein, ich denke, das „Theatralische“ unserer Gruppe ist die Tatsache, dass wir Mediziner sind. Lieb, nett, aber immer nur im Stress.


Leben und Kultur

Synapse 54

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Kostenlos ins Kino

Von Ivo Strasser

Trotz der zwischendrin wirklich unangenehm werdenden hatten unseren Spaß, Wenn es Strapazen, um Tee geht, fragewir ich mich oft, wo mit Aufführungen und natürlich mit deruns, Tee den eigentlich seine Grenzen hat- ergießt dem sichPublikum. doch sein (starker) Duft ganz schwerelos aus der Tasse in die umgebende Luft, wodurch Und aus diesem Grund,noch aus deutlicher der Leidenschaft ich seine Note oftmals schmezu jeglicher Art von Theater, soll das Medizincke als im Gefäß selbst. Theater weiterleben, auch wenn sich dieses Jahr doch einiges dass verändert Ich somerke, wir hat. Menschen eigentlich selbst eine Art Luftraum sind, der sich der Natur unseres Unsere allerbeste Charakters Leiterin oder verabschiedet Erlebens folgend sich, esaufgewühlt, geht ab insbewegt PJ undoder danngemächlich Examen! Marion, ruhend wir dankenkann. dir an dieser Stelle und wünschen verhalten dir ganz viel Glück! Was immer kommt, es gibt immer Wider Willen“, Fließtirgendwo nun der den Tee „Arzt über unsere Sinne in das uns geht jedem hinein, soso! verwirbelt sein zarter Geschmack ganz heftig in einem unkonzentrierten Geist, Doch wo ein neues Jahr ist, da findet sich wird kaum beachtet hinweggespült in einem auch ein neues WirWesen erfreuen unsentfaltet nicht ignoranten wieGlück! gehetzten oder nur einen in neuen LeiterHerrlichkeit sondern auch sichüber prächtig all seiner in über demganz viele der neueihm Schauspiel-Gesichter. Aus allen jenigen, ein Gefäß der würdigenden möglichen Semestern Aufmerksamkeit ist. haben sich die Leute zu uns getraut, denn eigentlich ist Theaterspielen doch das schönste derMenschen Welt. Auch es So kann der Tee dem sehrwenn viel über schon theatralisch mag. vom Tee nur diesenmal selbst erzählen.enden Und diese dem Bemühten geschenkte Besinnung öffnet alle Tore, Und wenn uminmit euch hellhörigem auch irgendetwas wie entspannten nach Theater schaut euch Gemüt schreit, seinem so Gegenüber, demunser Spielnächstes der UmStück an.oder Ein Stück was das Theater im Leben gebung den Gedanken zu lauschen und zeigt, nichtmit zufällig mit „Mr. Pilks Irrenlosgelöst ihnenbetitelt zu plaudern. haus“, was verrückter und theatralischer nicht sein könnte. es dann, dass Menschen dem Verwundert Tee Orte widmen, in denen er zelebriert wird? Oder besser, schnuppert für eines der Solch noch ein ausgesprochen verführerischer Ort in folgenden in Friesische unsere Theatergruppe MünchenStück ist die Teestube, welche rein, denn eins steht mitam Sicherheit ein wenig unscheinbar Pündterfest: Platz Schauspielen, versteckt liegt.das muss jeder von uns mal, und das kann auch jeder! Als ich zum ersten Mal diese Die nur, mich wie weit StubeFrage betrat,ist empfing eine man gehen möchte …   derart wärmende und geruhsame Stimmung, als wäre ich nach Hause gekommen. Die bequemenden Sofas laden zum Versinken ein und allerlei Möbiliar im altbürgerlichen Stil lassen den schweifenden B l i c k stets neues entdecken. R e i zende Musik strömt unaufdringlich durch

Aktuelles und Informationen Weitere aktuelle Informationen zum Spielprogramm, zur Möglichkeit mitzumachen, sowie einige Fotos gibt‘s auf:

theater.paul-ziegler.com den Raum und kitzelt dann und wann unser Gehör, während feine Speisen den Gaumen erfreuen. Und inmitten von alledem ist da ja noch, der Tee. 

Wer geht nicht gerne kostenlos ins Kino? Umso besser dann, wenn man auch noch einen Film zu sehen bekommt, der erst Wochen bis Monate später auf den großen Leinwänden flackern wird. Einzige Pflicht ist, nach dem Film einen zweiseitigen doppelseitig bedruckten Fragebogen sorgfältig auszufüllen. Wer mag, kann sich auch für eine Diskussion zum Film melden. Allerdings sollte man Überraschungen nicht abgeneigt sein. Denn von Kinderfilm, über Liebeskomödie, Historienfilm bis Thriller zeigt das Testscreeningteam von rmc im Arri-Kino alles, was die vornehmlich deutschen Produktionen so zu bieten haben. Die Filme sind in der Postproduktionsphase, d.h. meistens haben sie noch nicht ihren finalen Cut, und Ton und Bild sind manchmal nicht perfekt. So kann es vorkommen, dass einzelne Szenen ohne Ton nur mit Untertiteln unterlegt sind. Trotzdem ist es immer ein tolles Erlebnis. Denn manchmal gerät man an Filme, die man sich eigentlich nicht im Kino ansehen würde, die es aber wert wären. Die Anmeldung geschieht über unten angegebene Internetseite. Am jeweiligen Abend empfiehlt es sich rechtzeitig zum Einlass zu kommen, um einen guten Sitzplatz zu ergattern.

http://www.testscreening.de/

Musik für Couch Potatoes! Wer seine Lieblingsmusik unendlich oft und gratis am PC hören mag, dem sei GrooveShark sehr ans Herz gelegt.

listen.grooveshark.com

Salsa, Tango und die Philharmonie Man glaubt es kaum, aber ein bisschen Underground kann man auch in München finden. Der Dianatempel im Hofgarten ist beliebter Treffpunkt für Tänzer und Tänzerinnen. Nachdem der Mosaikboden von lästigen Steinchen befreit ist, der DJ mit Anlage auf dem Gepäckträger seines Fahrrads eingetroffen ist und die ersten Schaulustigen sich versammelt haben, gehört der Tempel nur noch den Pärchen. Mittwoch und Sonntagabend kann man seinen sexy Hüftschwung bei Salsa üben, Freitagabend das Feuer beim Tango Argentino knistern lassen und Sonntagnachmittag ab 17h die Leichtigkeit des Seins beim Swing spüren. Getränke nicht vergessen mitzunehmen! Den Münchner Philharmonikern kann man an sechs öffentlichen Generalproben im Spieljahr kostenlos lauschen. Die Termine sind leider nicht immer Medizinstudenten tauglich. Oft werden die Generalproben unter der Woche um 10:00 abgehalten, aber zumindest Modul 2 sollte es mit seinem Stundenplan abgleichen können. Karten gibt es eine Stunde zuvor an der Tages- bzw. Abendkasse in der Philharmonie. Man sollte wirklich rechtzeitig da sein. Es gibt viele Rentner die vormittags nichts zu tun haben…

www.mphil.de


Alles, wovon dieses Bild zeugt, ist Bindung Gebunden wurden Adam und Eva an das mühvolle Leben außerhalb des Paradieses, als sie sich von ihren menschlichen Schwächen in Gestalt der Schlange zum Essen vom Apfel des Baums der Erkenntnis verlocken ließen. Wer isst, nimmt das gegessene allein in sich auf und demonstriert damit, dass er es für sich allein beansprucht. Damit kommt das abträgliche Ego in die Welt. In dem Adam und Eva vom Apfel abbissen wie es das Bild zeigt, erwachte in ihnen die dunkle Seite des Egos und machte sie blind gegenüber der Einheit aller Dinge. Sie trennten nun , indem sie das eine gut und das andere schlecht für die Gier ihres Egos hießen. Dieser Verlust des Bewusstseins oder eben der Erkenntnis von der Einheit der Menschen mit dem Universum ist die Verbannung aus dem Paradies, welche die Genesis beschreibt. Die Bindung ist aber auch die Heilung. Mann und Frau ergänzen einander. Ihre typischen Eigenschaften werden aber gemeinhin dazu missbraucht, um sich gegenseitig abzugrenzen, um hinderlichen Stolz oder Identität aus dem Geschlecht zu ziehen. Wenn Mann und Frau jedoch beginnen, sich wieder zu verbinden, einander bedingungslos zu lieben und die Eigenschaften des anderen Geschlechts im höchsten Maße zu würdigen, entsteht ein Austausch und letzthin eine Verschmelzung. Dann ersteht daraus der vollkommene Mensch, der den männlichen wie weiblichen Pol in sich perfekt harmoniert und so seine Einheit mit dem universalen wieder erkennt.


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