Zeitreise 2022

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1963 1978 1905 1952 1980 19292007 2014 197219781978 Kunstraum ZEITREISE2022
Kunstraum ZEITREISE2022 Verkaufsausstellung 12.–28. Okt. 1010 Wien, Freyung 4 Hof rechts Mo–Fr 10–18 Uhr Sa 15. & So 16. Oktober 10–17 Uhr imkinsky.com/kunstraum

In der Zeitreise spielt die Musik!

Constantin Lusers Protosaurus wartet nur darauf, dass Sie ihn bespielen und zum Erklingen bringen.

In unserer diesjährigen Verkaufsausstellung präsentieren wir Ihnen Künstler und bieten Kunstwerke, die so vielfältig sind, wie das vergangene Jahrhundert: Umbruch, Grenzsprengungen, imposante Aktionen und stille Selbstbetrachtung sind nur einige grund legende Themen. Haarfeine Malerei, Auflösung sowie Reduktion der Form, Abstraktion und Synthese sowohl mit Technik als auch mit Biologie und Wissenschaft Ausdrucksmittel dieser Kunst.

Ab dem 12. Oktober eröffnen wir Ihnen in unserer Verkaufsausstellung wieder die Möglichkeit, Kunst im Direktverkauf zu erwerben.

Persönlich betreut werden Sie von Nadine Kraus-Drasche und Michael Kovacek.

aufregende Zeitreise mit Ihnen!

Wir freuen uns auf eine
Michael Kovacek kunstraum@imkinsky.com +43 664 2404 826 Nadine Kraus-Drasche, BM MA kunstraum@imkinsky.com +43 1 532 42 00 21
Verkaufsausstellung ZEITREISE2022 12.–28. Oktober Mo–Fr 10–18 Uhr Sa 15. & So 16. Oktober 10–17 Uhr

Arnulf Rainer

o.T. (Serie Kubelka 15), 1972 Fotografie, übermalt; gerahmt 47 x 59 cm

Signiert und bezeichnet rechts unten: A. Rainer Waage

Body Pose

„Als kleines Kind, oft auf Zehenspitzen trippelnd, wollte ich nicht Maler, sondern ”Springginkerl“, das heißt Tänzer werden...“1

Arnulf Rainers mimische und gestische Performance für filmische Séancen, begleitet von fotografi schen Aufzeichnungen, waren der Ausgangspunkt für eindringliche Selbstreproduktionen. 1972 ar beitete Rainer mit Peter Kubelka in mehreren Filmserien zusammen. Die vorliegenden Arbeiten ba sieren auf einzelnen ausgesuchten Filmkadern. Die theatralischen Ausdrucksbilder verstärkt Rainer durch eine malerische Intensivierung der Form, welche die körperliche Kraftanspannung hervor hebt. Er bündelt die Figur in einem Kreuzungspunkt, verdichtet sie und lässt keine Entspannung zu.

Die Arbeit auf einem Foto aus der Serie vor einem Schrägdach (Katalognummer 3) zeigt eine andere Form der Überarbeitung. Ein roter Schleier über blauschwarzer Tuschezeichnung rahmt Rainers deformiertes Gesicht madonnenhaft ein. Die befremdende Gesichtsinszenierung erfolgte durch ein Stück Draht, der die Mundwinkel nach unten zieht, betont durch seitlich am überstehenden Draht hängende Fetzen. Ein gewaltsamer Eingriff, der das Gesicht nahezu unkenntlich macht.

Bei seinen Face Farce und Body Pose Arbeiten geht es um menschliche Gefühlsausdrücke, um ein Zeigen innerer Zustände, um eine befreiende Expression.

„…Und außerdem: bei den Aktionisten ist das Foto nur Erinnerungsdokument, bei mir das eigent liche Ziel. Durch die grafische Überarbeitung wird dann das Medium der Bildnerei endgültig domi nant und primär.“2

Text: Christa Armann

1 Arnulf Rainer, in: Körpersprache, München 1980, S. 146

2 Arnulf Rainer, in: Körpersprache, München 1980, S. 74

Privatbesitz

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1| 1972
österreichischer
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Arnulf Rainer

o.T. (Serie Kubelka 15), 1972 Fotografie, übermalt; gerahmt 47 x 59 cm

Signiert links unten: A Rainer

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2| 1972

Arnulf Rainer

o.T. (Serie Kubelka 5), 1972 Fotografie, übermalt; gerahmt 46 x 60 cm

Signiert unten mittig: A Rainer

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3| 1972

Arnulf Rainer

o.T., Alexander Prinzjakowitsch (Serie ohne Titel), 1969-71 Fotografie, übermalt; gerahmt 59 x 42 cm

Signiert links unten: A Rainer

„Wenn ich zeichne, bin ich aufgeregt, spreche mit mir selbst, verziehe mein Gesicht, beschimpfe Leute, bewege und verwandle mich permanent als Leib, Charakter und Person“. In den 60er-Jahren beschäftigte sich Arnulf Rainer mit Gesichtern und Grimassen. Im Augenblick des Zeichnens spiegelten sich diese Karikierungen auf seinen eigenen Gesichtszügen wider. 1968 experimentierte er mit direkter aktionsbezogener Gesichtsbemalung. Sein Körper wurde zum Aus drucksmittel. Zuerst physisch und in weiterer Folge durch Selbst-Fotografie. Nach ersten Aufnah men in einer Fotoautomatenkabine am Wiener Westbahnhof arbeitete Rainer mit unterschiedlichen Fotografen. Von der gewollten Intensität des Abbildes seiner Verzerrungen enttäuscht, begann Ar nulf Rainer die Fotos der mimischen Farcen in weiterer Folge zeichnerisch zu akzentuieren.

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4| 1969-71
österreichischer

Arnulf Rainer

o.T., Alexander Prinzjakowitsch (Badeserie), 1970-71 Fotografie, übermalt; gerahmt 59 x 49 cm

Signiert und bezeichnet rechts unten: A. Rainer Fisch

Die beiden vorliegenden Fotoübermalungen sind Beispiele für intensive Überarbeitungen. Farbe ist oft der erste Schritt und ein dichtes Schwarz der Endpunkt. Eine akzentuierte Selbstreproduktion, eine Verwandlung bis hin zu einer Eigenauslöschung können das Ergebnis sein. Diese malerischen Korrekturen steigern die Anspannung, die Ironie, die Verfremdung, die Expression und das Komi sche. In der Übertreibung zeigt sich etwas bis dahin Verborgenes. Diese Werkgruppe hat, nach den frühen Übermalungen, eine besondere Bedeutung in Arnulf Rai ners Œuvre. Auf der Biennale in Venedig 1978 erlangte er damit im österreichischen Pavillon erst mals international große Beachtung. Die Übermalungen des eigenen Gesichtes und Körpers be schäftigten Arnulf Rainer zwischen 1968 und 1975.

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5| 1970-71 Provenienz österreichischer Privatbesitz

Hans Hartung

T1980-E4 (T1980-E5), 1980 Acryl auf Spanplatte; gerahmt 102 x 130 cm

Signiert rechts unten: Hartung Rückseitig am Keilrahmen bezeichnet: Hartung T 1980-E4

Er ist ein Vorreiter und in den 50er- und 60er-Jahren ein Weltstar. Verwundet aus dem Krieg zurückgekehrt, im Rollstuhl sitzend, malt Hans Hartung weiter. Schneller und experimenteller wird seine Arbeitsweise, vom Zufall geleitet und doch immer der Wirklichkeit verhaftet; er bearbeitet die Leinwand mit Spritzpistolen, Reisigbesen, Kämmen und Rächen. Die Geschichte des europäischen Informel wäre ohne Hans Hartung nicht möglich gewesen.

Die Lyrische Abstraktion ist es, die den 1904 in Leipzig geborenen Maler und Grafiker Hans Hartung zu einem der Wegbereiter der Kunstrichtung des Informel macht. Auf der großformatigen Span platte kann man die Kontraste von hell und dunkel, von Farbflächen und hauchdünnen Linien, von glatter Oberfläche und Schürfungen, Kratzern und Verletzungen erkennen, die seine Malerei kenn zeichnen. Es entsteht ein rhythmischer Bildkörper.

Lange bevor der Künstler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig zu studieren be gann, war das kindliche Erleben eines starken Gewitters mit taghellen Blitzen Inspiration für viele Zeichnungen. Striche, Gesten und Farbspuren ziehen sich als Ausdrucksweise und Leitmotiv durch sein gesamtes Œuvre und die Vielzahl an Tableaus, wofür das „T“ im Titel der jeweiligen Arbeit steht. Rembrandts Rohrfederzeichnungen oder Goyas Radierungen beeindruckten Hartung. Aber auch Kandinsky und Klee werden oft als Vorbilder für seinen ungegenständlichen Stil und das grafi sche Linienspiel genannt.

Provenienz Atelier Hans Hartung, Antibes; Galerie Carinthia, Ossiach/Klagenfurt (erworben direkt beim Künstler am 22. Juli 1987); seither österreichischer Privatbesitz

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6| 1980
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Hubert Scheibl

Vienna Accumulation, 2017/18 Öl auf Leinwand; ungerahmt 180 x 120 cm

Rückseitig bezeichnet, signiert und datiert: Vienna Accumulation Hubert Scheibl 2017/18

Hubert Scheibls Malerei ist ein Spiel aus Licht und Schatten sowie unergründlicher Tiefe. Die Farbschichten dienen als Membrane, als Schleier, die vor eine tieferliegende Wahrheit, vor Un ergründliches, das unsere Neugier weckt, gelegt werden.

Der Aufbau und das Spiel mit den einzelnen Malschichten führt dabei in den einzelnen Werkfolgen zu äußerst unterschiedlichen Ergebnissen. In Bildern der Serie „Vienna Accumulation“ trägt der Künstler die Farbe mit breiten Spachteln und Rakeln auf und erzeugt so unterschiedliche Texturen und Farbdicken. Die Oberflächenstruktur wird somit weniger planbar, zufälliger in ihrer Erschei nung. Durch die zittrige Unschärfe der Längsstreifen verschmelzen bunte Stellen und verweben Schichten in einer magischen Illusion miteinander. Mit helleren Farbtönungen und intensivem Gelb bringt Hubert Scheibl Licht in seine Komposition, das er unvermittelt an verschiedenen Stellen her vorbrechen lässt. Die vehement gezogenen Spachtelspuren vermitteln ein Gefühl von Beweglich keit, wie wenn hier etwas in unglaublicher Geschwindigkeit an uns vorbeiziehen würde. Seine Bilder lassen einen nicht kalt, er versteht es, „die Bildfläche mit Gefühl zu berühren… seine Landschaften sind Fiktionen, innere, mentale Raumkonstruktionen, halluzinatorische Sensationen … sind Reisen ins Ich, in die Untiefen der persönlichen Psyche“.1

Die Neuen Wilden propagierten schon in den 1980er-Jahren in Österreich die Wiederentdeckung des Malerischen, eine neuerwachte Lust an der Farbigkeit. Der poetischste, lyrischste Künstler un ter ihnen ist sicherlich Hubert Scheibl. Die Malerei versteht sich als Prozess hin zu einer verdich teten, emotional aufgeladenen Oberfläche. Dabei schwankt er in seinem Werk zwischen „direktem Ausdruck und reflexiver Distanz“2 und enthüllt somit eines der Geheimnisse großer Malerei. Ein Bild kann nur das an den Betrachter weitergeben, was der Künstler hineingelegt hat. Im Falle Hubert Scheibls ist das eine fühlbare Intensität, Spuren des Unterbewussten gepaart mit Reflexionen über die Natur und das menschliche Sein.

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Florian Steininger, in: Hubert Scheibl. Plants & Murders, Ausstellungskatalog, Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg, Salzburg 2013, o. S.

2 Edelbert Köb, Kontexte, in: Hubert Scheibl. Fly. Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2016/2017, S. 87

20 2017/18 Provenienz österreichischer Privatbesitz
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Aljoscha

Invincible Happiness Not Just For Humans, But For All Sentient Life II, 2022 Aluminium, lackiert 115 x 75 x 66 cm

Der ukrainische Künstler Aljoscha sorgte im Frühjahr für Schlagzeilen: Nach dem Einmarsch der russischen Truppen brach er von seinem Wohnort Düsseldorf auf; besuchte in seiner Heimat Kinder- und Altenheime, um dort seine flirrenden, schwebenden Luftwesen – Bioismen genannt - aufzuhängen.

Vorneweg eine Frage zu Ihrer Kunstintervention in der Ukraine: Was haben Sie dabei erlebt?

Auf dem Weg dorthin mussten wir täglich bis zu hundert Mal an Blockposten und mit Betonblöcken versperrten Straßenkreuzungen halten und unsere Aktion erklären. Als wir dann endlich die Son derschulen und Internate erreichten, sorgten wir für Überraschung und Stauen, aber auch für viel Hoffnung.

Denn obwohl die meisten Kinder online unterrichtet wurden, kamen die Lehrer täglich zu den Schulen oder übernachteten sogar dort, um mögliche Plünderungen zu verhindern. Sie waren neu gierig und bereit, sich mit meiner Kunst zu beschäftigen und mehr über Bioethik und biologische Zukunftsmöglichkeiten der Kunst zu erfahren. Damit, wenn die Kinder zurückkommen, sie ihnen von Schönheit und Glück erzählen können.

Ihre Skulpturen nennen Sie „Bioismen“ – was bedeutet das?

Bioismus ist ein Versuch, biologische Komplexität und Biofuturismus mit Bioethik inhaltlich und ästhetisch zu verbinden. Es ist eine visuelle Philosophie; der Gedanke, dass wir noch unbekannte, möglichst leidlose Lebensarten erschaffen können. Bioismen verkörpern die Ausstrahlung vom Un erwarteten und Fremdartigen in synthetischer Biologie.

Sie arbeiten also im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft. Ist Kunst für Sie eine Form der Wissenschaft?

Natürlich. Kunst und Wissenschaft sind höchst symbiotisch und ergänzend. Da, wo die Wissen schaft sich um Objektivität bemüht, vervollständigt oder hinterfragt die Kunst durch subjektives Handeln die neuen Wissenserkenntnisse. Dies führt oft zu neuer Objektivität.

Von Ihnen kennt man vor allem schwebende Bioismen. Wie kam es zu den neuen, am Boden stehenden Arbeiten?

Vor zwei Jahren fing ich an, die Bioismen aus Aluminium zu gießen und dabei die meisten hologra phisch zu beschichten. Die Zartheit, Durchsichtigkeit und schwebende Leichtigkeit sind mir zwar weiterhin wichtig, aber ob meine Arbeiten tatsächlich schweben, hängen oder physisch stehen, ist mir weniger wichtig als die Ideen, Abstraktionen und Gefühle, die sie in uns erzeugen. Mir geht es um die Verkörperung von neuartigen Kompositionen.

Die in unserer Ausstellung gezeigten Skulpturen sind auf den ersten Blick schwarz und weiß…

Nur auf den ersten Blick! Kommt man jedoch näher, merkt man, dass das hellere Objekt eine Perl mutt-Oberschicht besitzt, mit einer sich holographisch verändernden, prismatischen Ausstrahlung. Die dunklere Arbeit ist dagegen nicht schwarz, sondern dunkelviolett beschichtet – so, wie das Uni versum für mich persönlich auch nicht vollkommen schwarz und unbegreiflich ist.

Text: Mag. Alexandra Markl

Provenienz Atelier des Künstlers, Düsseldorf

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2022
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Herbert Brandl

o.T., 2000

Aquarell auf Papier; gerahmt 150 x 169 cm

Signiert und datiert rechts unten: Brandl 2000

Die Farbe, sowohl die verschiedenen Töne als auch die Farbe als Medium in ihrer Stofflichkeit und Anwendung sind für Brandl von großer Bedeutung. Dies trifft auch auf seine Aquarelle zu, vielleicht sogar noch intensiver als in seinen Ölbildern.

„Dass Farben leichter erfassbar sind als Formen, ist ja bereits eine wissenschaftlich fassbare Triviali tät. Darum geht es Brandl nicht, sondern um den Einfluss der Zeit bei der Wahrnehmung, um das Verhältnis von Farbe und Gedächtnis. Woran erinnern wir uns, wenn wir die vielfachen Farbpunkte und -flächen einer Wiese betrachtet haben?“1

Bereits in den 80er-Jahren konzentriert sich Brandl auf die Farbe als Materie, immer wichtiger wird der Malprozess an sich. Bewusst lässt er erkennbare Pinselstriche stehen, Farben übereinander rin nen oder malt abgesetzte Felder, die das Raumempfinden in den Hintergrund treten lassen. „Ich arbeite sehr oft nur mit den physikalischen Gegebenheiten der Farbe: dass sie herunterrinnt oder -tropft, dass sie Batzen macht und man sie wegspachtelt. Dieses ganze Repertoire spiele ich durch und versuche, einen absichtslosen Zustand zu erreichen.“2

Nach anfänglich sehr pastosem Farbauftrag, in dem Brandl auch mit der Spachtel arbeitete, wird seine Malweise in den 90er-Jahren wieder flacher; stellenweise malt er nun auch lasierend. Abstrak tion und Gegenständliches vermischen sich bzw. existieren nebeneinander. Leuchtende Farbfelder stehen mächtigen Gebirgslandschaften gegenüber, die eher aus der Abstraktion herauszuwachsen scheinen als sich in dieser aufzulösen; dazwischen entstehen auch ganz realistische Werke. Kon zeption liegt Brandl jedoch fern. Trotzdem sind seine Bilder niemals Produkte des reinen Zufalls, im Arbeitsprozess steuert Brandl sehr wohl, wo die Farbe hin rinnen, wo sie stocken soll, oder wo sie akzentuiert werden muss. Auch in seinen Aquarellen löst er sich im Laufe der Jahre immer stärker von lesbaren Motiven, wechselt zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, doch gewinnt die Farbe hier noch intensiver an Autonomie; auch der Zufall spielt eine immer größer werdende Rolle: „Ich entwickle Farbe aus der Farbe heraus und nicht aus der Form. An sich handelt es sich bei meiner Malerei um Farbflecken oder Farbwolken, aus denen sich eine Hauptfarbe entwickelt, die alles über flutet. Nur am Rande werden dann noch die anderen Farben sichtbar.“3

Allzu emotional möchte sich der Künstler aber auch nicht einordnen lassen:

„Ich bin kein Expressionist, der seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Ich selbst bin ja nur ein Betrachter meiner Bilder, allerdings mit dem Recht einzugreifen. Ich wollte mich immer nur mit dem ausein andersetzen, was ich sehe, mit meiner Optik. (…) Was ich mit meinen Bildern vermittle, konnte ich aber nie genau sagen. Ich konnte mich nur an ihnen hinaufhanteln wie auf einer Felswand.“4

Text: Mag. Ina Waldstein

1 Weibel, Farbe und Zeit, in: Weibel/Holler-Schuster (Hsgb.), Herbert Brandl, Neue Galerie Graz, Graz 2002, S. 59

2 Wolfgang Kos im Gespräch mit Herbert Brandl, in: Weibel/Holler-Schuster (Hsgb.) Herbert Brandl, Neue Galerie Graz, Graz 2002, S. 254 ff.

3 S.o.

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2000
4 S.o. 9|
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Constantin Luser

Protosaurus, 2021 Messing, Trompetentrichter, Trompete 430 x 190 x 50 cm

Bandoneon, Tuba, Waldhorn, Orgel, Trommel, Trompete, Hupen… Zahlreiche Instrumente finden sich in Constantin Lusers Skulpturen, viele davon sind performativ, erzeugen Klänge und können, ja sollen von Menschen bespielt werden.

Constantin Lusers Werke zeigen sich verspielt und leicht, zeugen gleichzeitig aber auch von hoher Präzision und Durchdachtheit. All seinen Arbeiten haftet der Hang zu sanfter Bewegung und sum mender Vibration an, sowohl im übertragenen Sinn in den aus seinen Zeichnungen entwickelten Hängeskulpturen mit ihren zart schwingenden, filigranen Messingstäben, als auch den Werken, die Luser tatsächlich aus Instrumenten baut. Nach verformten, in sich verschlungenen Gruppeninst rumenten für den Gebrauch von mehreren Musikern gleichzeitig, über die Luser seine zeichneri sche Welt in einen akustischen Denkraum überführen wollte, erfand er 2008 den mächtigen „Vibro saurus“: eine zehn Meter lange Messing-Skulptur aus Tuben, Signalhörnern und Mundstücken, die nicht nur optisch auf humorvolle Weise besticht, sondern auch wirklich gespielt werden kann. Was Luser in Begleitung von musizierenden Kollegen in unter die Haut gehenden Performances unter Beweis gestellt hat. Dabei stellt sich beim Betrachter eine eigentümliche Mischung aus kindlicher Freude und Ehrfurcht vor den ins Mark gehenden, vibrierenden Tönen ein, die etwas Mächtiges, Rituelles haben und durchaus Gänsehaut verursachen können. Luser, der als Kind Klavierunterricht erhielt, aber schon mit sechs Jahren in seinem Enthusiasmus von einer wenig einfühlsamen Klavierlehrerin ausgebremst wurde, spielt heute nichtsdestotrotz mehrere Instrumente. „Dilettantisch aber mit Freude“1. Sein Interesse an Musik bildet einen we sentlichen Bestandteil seines Werkes. Ein Schlüsselmoment war wohl, als er eine Zeichnung gegen die Tuba eines Freundes tauschte. Dieser Transaktion ist auch geschuldet, dass Messing zu Lusers bevorzugtem Material wurde, da es sich sehr gut biegen lässt und große Freiheit in der Formgebung erlaubt.

Seither sind weitere „Klangsaurier“ in verschiedenen Größen entstanden, wie auch der hier gezeig te Protosaurus aus Trompeten - allesamt interaktive Instrumentenskulpturen, bei denen auch der Betrachter aufgefordert ist, Klänge und Schwingungen in den Raum zu schicken. „Musik zähmt die Bestie“2 war der vielsagende Titel einer seiner Ausstellungen – mehr ist dem nicht hinzuzufügen.

Text: Mag. Ina Waldstein

1 Claudia Taucher, Constantin Luser: Die Malerei ist mein Hobby, Airportjournal Graz/magazinvia.at

2 Constantin Luser. Musik zähmt die Bestie, Ausstellung im Kunsthaus Graz, 26. Februar bis 1. Mai 2016

Provenienz Studio Constantin Luser, Wien
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2021
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Detailansicht

Karel Appel

Petrified Forest, 1961 Mischtechnik auf Papier; gerahmt 90 x 120 cm

Signiert und datiert links unten: Appel 1961

Der Niederländer Karel Appel verarbeitet in seinem Werk Versteinerter Wald die Beziehung zwi schen Mensch und Natur, eingebettet in die expressionistische Kraft seiner erfolgreichen Jahre in Paris.

„Ich male nicht, ich werfe“, stellt er in dem Jahr des Entstehens unseres Bildes fest. Die Farbe wirft er mit dem Spachtel auf die Leinwand, drückt und spritzt sie direkt aus der Tube, verwischt, verreibt und arbeitet sie ein: „Ich male wie ein Barbar, in einer barbarischen Zeit”. Fraglos wuchs der 1921 geborene Künstler in gewaltvollen Zeiten auf.

Appel ist Teil der Gruppe CoBrA, reist nach Holland und später nach New York, wo er bereits 1954 seine erste Ausstellung eröffnet; dort trifft er auf die Künstler der New Yorker Schule und damit auf das action painting, das ihn stark beeinflusst.

Appel versucht sich in verschiedenen Medien; er komponiert Jazzmusik und arbeitet für die Oper. So entwirft er für die Aufführung der Zauberflöte bei den Salzburger Festspielen im Jahr 2006 das Bühnenbild. Dabei entstehen auf den ersten Blick liebliche Tiere, die aber durch ihre Übergröße etwas Dämonisches bekommen; der Mensch kämpft inmitten der Natur.

Appel ist ein Universalkünstler: Nie gibt er sich mit einem typischen Stil, Medium oder Thema zu frieden. Über seine klassisch-akademische Bildung hinaus interessiert ihn die Volkskunst und die unverdorbene Kunst von Kindern und geistig Kranken; seine Nähe zur Art Brut ist in seinen frühen Kunstwerken deutlich zu sehen. Wie der Titel unseres Werkes Versteinerter Wald nahelegt, beschäf tigt ihn auch die Beziehung zwischen Menschen und Natur, vor allem deren Zerstörung durch die Lebewesen, die von ihr abhängen.

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1961
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Arnulf Rainer

o.T., 1954

Öl auf Hartfaserplatte; gerahmt 50 x 50 cm

Rückseitig signiert und datiert: A. Rainer 54

Für eine komplexe Erfassung bildnerischer Arbeiten sind Farb- und Formproportionen ein we sentlicher Zugang. Der Goldene Schnitt und mathematische Eleganz sind Ordnungen, die eine harmonische Schönheit beim Betrachter hervorrufen.

In den Anfängen von Arnulf Rainers künstlerischem Schaffensprozess entstanden surreale Arbeiten. Ab 1950 beschäftigte er sich mit dem Informel ausgedrückt durch Zentralisationen, Vertikalisatio nen und Blindzeichnungen. In den Jahren 1953 und 1954 waren es Proportionsordnungen, die seine Arbeit bestimmten; eine scheinbar nüchterne Auseinandersetzung mit geometrischen Formen und aneinandergrenzenden Farbflächen. Elementare Zusammenstellungen von Farbstreifen bedingen ein Kräftemessen, loten Wirkungsmöglichkeiten aus und stellen eine äußere malerische Ordnung her. Die vorliegende Arbeit ist ein Beispiel einer gemalten Gestaltung; im Gegensatz zu den aus far bigen Papierstreifen zusammengesetzten Collagen. Rainer berechnet nicht. Er arbeitet intuitiv nach seinem eigenen Farbgefühl. Schicht für Schicht legt er die Farbe übereinander und lässt Spuren des Farbauftrags bestehen. Jede Farbe hat Gewicht und Ausdehnung. Diese Kombination ist getragen durch Rot und Gelb. Der Einklang der inneren Form und Farbe ist gehalten durch den quadratischen Bildträger. Ein oben und unten, links und rechts ist frei wählbar. Rainer fixiert die Ausrichtung durch seine rückseitige Signatur.

Die Suche nach der Grundidee, nach einem Naturgesetz, auf das die Kunst aufbaut, war das we sentliche Ziel Rainers in all seinen anfänglichen Experimenten mit Freiheit und Gesetzmäßigkeit im künstlerischen Ausdruck. Ebenso wie in seinen Blindzeichnungen erwartete er sich auch von den intuitiven Proportionen neue gestalterische Anregungen für sein weiteres Werk. Aus all diesen in tensiven kurzzeitigen Auseinandersetzungen mit diversen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitete Arnulf Rainer seine ihm eigene Bildsprache der Übermalung.

1954 präsentierte Rainer seine Proportionsordnungen erstmals in der Galerie Würthle und zeigte sie darauffolgend 1955 in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie nächst St. Stephan gleichzeitig mit den ersten Kruzifikationen. Es entstanden ungefähr 100 Ölbilder und 30 Plastiken aus Holz. Nur wenige Arbeiten dieser speziellen und sehr wichtigen Werkgruppe innerhalb von Arnulf Rainers Œuvre sind erhalten.

„‘Proportionsgestaltung‘ ist weder konkrete noch abstrakte Malerei, sie wurde aber von dorther entwickelt. Man kann in der Verhältnisordnung die Idee des Kunstwerkes sehen … Es ist Sinn mei ner Arbeit, all das vom Werk zu distanzieren, was nicht unmittelbares Ordnen der funktionellen Mittel ist; auf jede Subjektivität und Phantasie zu verzichten!“1

Provenienz österreichische Privatsammlung

Text: Christa Armann 1 Arnulf Rainer 1954, in: Arnulf Rainer Schriften, Hg. Corinna Thierolf, Ostfildern 2010, Seite 17
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1954
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Maria Lassnig

o.T., 1951

Kreide auf Papier; gerahmt 43 x 61 cm

Signiert und datiert rechts unten: M. Lassnig 51

Maria Lassnigs Zeichnungen ensteht in einem Zustand der Gärung; es ist der Drang nach Erneu erung, der sie leitet. Die Zeichnung ist hierfür das optimale Medium, wie die Künstlerin selbst erklärt: „Meine Zeichnungen haben mehr Freiheit und Beweglichkeit in sich als die Ölbilder, weil ich ein Blatt Papier, das wohl auf einer harten Unterlage sein muß, besser platzieren kann, auf meinen Knien, auf dem Bauch im Bett, auf dem Tisch, am Boden, am Sessel, und ich selbst davor kann alle möglichen Stellungen einnehmen, was mit einer aufgespannten Leinwand nicht oder nur schwer möglich ist.“1

In den 1950er-Jahren hält sich Lassnig in Paris auf und kommt nicht nur mit dem Informel in Berüh rung, sondern auch mit dem Tachismus. Beide Strömungen entsprechen ihrem Streben nach Auf lösung der klassischen Formen. In der informellen Zeichenphase, die daraufhin folgt, entfernt sich Lassnig nicht nur weiter von der akademischen Lehre, sondern sie beginnt anhand der Zeichnungen an ihren Experimenten der Selbsterfahrung.

Über die Beschäftigung mit dem Art Informel und dem Surrealismus, dem sie sich über die litera rische Seite nähert, sucht sie nach einem neuen Zugang zur Realität und der Wahrnehmung. Sie findet diesen über ihre Körperempfindungen. Damit meint sie aber nicht unbedingt Emotionen wie Freude oder Trauer, sondern vielmehr sinnliche Empfindungen wie Druck, Spannungen, Geruchsoder Sitzempfindlichkeit.

Körpergefühle sind unmittelbare Wahrnehmung ohne Überlagerungen oder Verzerrungen, aller dings sind sie ob ihrer steten Veränderbarkeit schwer darzustellen. Welche Form, welche Farbe entspricht den Empfindungen? Lassnig erfindet ihre ureigenen Schmerzfarben, Druck- und Völle farben, Krebsangstfarben, Todes- und Verwesungsfarben. Ihre ersten Körpergefühlsbilder entste hen zwischen 1947 und 1949 als Zeichnungen. Deformation und Abstraktion als Ausdrucksformen bedeuten für sie dabei nicht Verlust, sondern vielmehr Verdichtung.

Provenienz Galerie Kargl, Wien; seither österreichische Privatsammlung

Maria Lassnig, in: Kat. Maria Lassnig. Zeichnungen und Aquarelle, Galerie Ulysses, Wien 1992
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1951
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Gerwald Rockenschaub

o.T., 2011 MDF, bemalt; 3 Teile 78 x 75 x 55 cm Unikat

Gerwald Rockenschaubs Werk ist geprägt durch das Prinzip der Reduktion auf wenige, aber we sentliche Elemente, Strukturen und Farben, die er – teils am Computer – entstehen lässt und dadurch die künstlerische Handschrift auf klare Formen und starke Farbkontraste minimiert. Inspiration bezieht er dabei sowohl aus dem Alltäglichen als auch aus Positionen der Moderne, insbesondere der Ästhetik des Bauhaus wie auch den abstrakten Konstruktionen Wassily Kan dinskys und den Konzepten der Popkultur. Dabei kommt es zu einer „eigenartige(n) Allianz aus abstrakter Digitalität und greifbarer Sinnlichkeit, mit der Dynamik von Coolness, intelligentem Anarchismus und überraschender Komik.“1

1987 wandte sich der Künstler und DJ Rockenschaub trotz seines Erfolgs von seinen geometrischabstrakten Ölbildern ab, da ihm Malerei als überholt und nicht mehr zeitgemäß erschien. Seit den frühen 80ern hatte er, ausgehend von Zeichnungen und Malerei, eine extrem reduzierte, einfache Formensprache entwickelt, inspiriert von Piktogrammen, der entpersonalisierten und reduzierten minimal art und der Ästhetik der Popkultur. Heute entstehen seine Werke fast ausschließlich am Computer, der längst das Atelier ersetzt. Nach ihrem Entwurf werden die Arbeiten ohne Umweg direkt in der ausgelagerten Produktionsstätte angefertigt und direkt zum Ausstellungsort gebracht. Kunst, Industriedesign und Medien verschmelzen bei Rockenschaub. Intensive Farbkontraste und einfache, klare Formen wirken als Blickfang. Hinter ihrer Schlichtheit stecken jedoch häufig kom plexe Spiele mit visuellen Bedeutungen und Assoziationen.

Seinen aus L-förmigen Metallprofilen zusammengesetzten und lackierten Skulpturen ist eine Ver wandtschaft zum russischen Konstruktivismus nicht abzusprechen. Gleichzeitig sieht man ihnen den Entwurfsprozess durch das populäre CAD-Programm Vectorworks an. Rockenschaub macht kein Geheimnis aus dem computerbasierten Ursprung seiner Werke. Neben den Entwürfen von Objekten nutzt er auch verschiedene Programme, um Räume maßgetreu nachzustellen und seine –zum Teil begehbaren – Skulpturen und Installationen den örtlichen Gegebenheiten ideal angepasst zu konzipieren. Sein Formenrepertoire umfasst bisher riesige industriell gefertigte Plexiglasplatten, aufblasbare PVC-Objekte sowie computergenerierte Animationen, die Rockenschaub raffiniert in den verschiedenen Ausstellungsräumen inszeniert und mit oft nur minimalen Eingriffen überra schende Verschiebungen der Wahrnehmung provoziert. Dabei manipuliert er die Architektur der Räume oder baut seine Skulpturen hindernisartig ein für die Besucher, deren gewohntes Verhältnis zu Raum und Kunstwerk er somit in Frage stellt. Die Bedingungen für die Ausstellung bildender Kunst werden reflektiert und hinterfragt.

Text: Mag. Ina Waldstein

1 Margareta Sandhofer, Gerwald Rockenschaub, in: Parnass, Heft 3/2020, S 84

Provenienz Galerie Eva Presenhuber, Wien
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2011
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Arik Brauer

Der Mars auf Besuch, 2003/14 Öl auf Holz; gerahmt 100 x 70 cm

Signiert links unten: Brauer Rückseitig nummeriert, bezeichnet und datiert: 648 Der Mars auf Besuch 2003 weiter bearbeitet 2014

Arik Brauers Werke sind einmalig und unverwechselbar. Märchenhafte Welten, filigrane, fein ge malte Figuren, phantasievolle Wesen in liebevoller Eleganz und vielschichtige Szenen zeichnen seine Arbeiten aus. Als Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus nimmt Brauers Œuvre einen wichtigen Platz in der österreichischen Kunstgeschichte ein. Die Beliebtheit seiner Werke ist ungebrochen, schuf er doch mit seiner grenzenlosen Phantasie symbol hafte, wunderbare Bildräume. Im vorliegenden Werk Der Mars auf Besuch ist Brauer ein weiteres meisterhaftes Bild gelungen.

Warme Farbtöne, welche der Szene eine unvergleichlich magische Stimmung verleihen, sind subtil gewählt. Der Besuch vom Planeten Mars ist das außergewöhnliche Thema des Werkes. Der Gast wirkt jedoch nicht bedrohlich, sondern scheint lediglich ein ungewöhnliches Ereignis zu sein. Über aus interessant ist die Komposition. Zwei Drittel des Bildes werden vom Erdteil eingenommen. Das obere Drittel ist für den Himmel bestimmt, auf dem sich der Besucher, der Mars, zentral präsentiert. Der Planet hat denselben braunen Farbton wie das Erdreich. Er ist strukturiert durch amorphe For men, die ihn lebendig wirken lassen. Eingerahmt von zartem Gewölk in ebendiesem warmen Braun schwebt er heran. Die Himmelsstimmung in einem atmosphärischen rot orangen Farbton zaubert einen wundervollen Kontrast zur Landschaft. Auf dieser spielt sich eine märchenhafte, verzauberte, liebevolle Szene ab. Der Betrachter ist eingeladen, zahlreiche Figuren, Wesen, Bäume und Pflanzen, die sich bis zum fernen Horizont auf der Landschaft tummeln, zu entdecken.

Typisch für Brauers Arbeiten ist das Mitschwingen einer starken Symbolik. So scheint die im Bild vordergrund sitzende Frau hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. Mit ihrer rechten Hand stützt sie ein sehendes Gebilde, in der linken Hand hält sie etwas, das einem großen Auge gleicht. Sie wendet dieses Richtung Mars und dreht sich auch mit dem Oberkörper dem Besucher des Himmels hinter ihr zu. Zwischen Frau und Mann bewegt sich ein weiteres Wesen tanzend, ebenfalls den Besucher musternd. Der Mann symbolisiert eine gewisse Stärke, ist aufmerksam und geistig präsent. Farblich hat ihn Brauer harmonisch mit dem fellartigen Umhang an die Landschaft und mit dem orange roten Kleid an die atmosphärische Farbigkeit des Himmels angepasst. Brauer gelingt es auf subtile und spielerische Art, dem Bild viel Bedeutung zuzuweisen und gleichzeitig dem Betrachter bewusst genug Freiraum für die eigene Deutung zu überlassen.

Beachtenswert ist auch die strukturhafte Darstellung der Gegenstände. Eine Struktur bzw. ihre Il lusion in der Malerei zu erreichen, war für Brauer fundamental und auch immer eine große und willkommene Herausforderung in seinem Schaffen.

Seit jeher ist die Verbindung von Natur und Mensch eines der zentralen Themen im Schaffen von Arik Brauer, was er in diesem Bild ein weiteres Mal meisterhaft bewiesen hat.

Text: Dr. Sophie Höfer

40
2003/14
15|
41

Aljoscha

Archē and Ápeiron of biological engineering, 2022 Aluminium mit irisierender Oberfläche 2-teilig 235 x 95 x 130 cm und 160 x 90 x 110 cm

Er bezieht sich auf nichts, was schon da ist; kreiert neue, futuristische Skulpturen; sieht seine Werke als lebendige Wesen an. Biofuturismus ist Aljoschas Versuch, eine neue Ästhetik unseres Lebens, aber auch eine neue Lebensform zu schaffen. In seinem Werk trifft Kunst auf die synthe tische Biologie und so entstehen komplexe Skulpturen wie die vorliegende.

Gleich einem lebendigen Wesen scheint sich die Skulptur in die Luft erheben zu wollen. Sie ist ge erdet, hat ihre Beine fest am Boden, gleichzeitig reckt sie sich aber nach oben; drückt unverkenn bare Dynamik und Kraft, aber auch filigrane Verletzlichkeit aus.

Die hier präsentierte Skulptur formte Aljoscha aus Aluminium. Zunächst wirkt sie weiß, doch blickt man genauer hin, nähert man sich der Figur, wird das Auge von bunten, schillernden Farben über rascht. Aljoscha überzog sein Werk mit einer Perlmutt-Oberfläche, um den gewünschten, lebendi gen Effekt zu erreichen.

Der Künstler ist überzeugt davon, dass wir im Zuge der biologischen Revolution von lebenden Ge genständen umgeben sein werden. Die zukünftigen Möglichkeiten der Kunst sieht er darin, mit lebenden Substanzen zu arbeiten und neue Lebensformen zu schaffen; aus dem künstlerischen Akt wird etwas vollkommen Neues geboren.

So ist es nur allzu verständlich, dass die ephemeren Skulpturen an biologische und organische Ob jekte erinnern; die Natur schwingt in Aljoschas Arbeiten mit. Mit seiner Formensprache erschafft er neue Welten, stellt Vorhandenes in Frage, setzt sich aus bioethischer Sicht mit der Gesellschaft und ihren Prozessen auseinander.

Provenienz Atelier des Künstlers, Düsseldorf

42
2022
16|

Wolfgang Hutter

Herbstlandschaft, 1981

Öl auf Hartfaserplatte; gerahmt 50 x 70 cm

Signiert und datiert rechts unten: Hutter 81

1

„Die Phantasie hat Dome gebaut, Engel erfunden, Teufel und Transvestiten. Sie hat die Welt um einiges reicher gemacht… Ohne Phantasie gäbe es keine Erotik, nur der natürliche Trieb bliebe… Letztlich ist die Kraft der Phantasie größer als jene Kraft, die alles überprüft und nur gelten läßt, was wissenschaftlich beweisbar ist.“1

Wolfgang Hutter ist ein Wiener Phantast der ersten Stunde und feierte schon in den 1960er-Jahren auf internationalen Ausstellungen große Erfolge. Die Phantasmagoriker, wie Albert Paris Gütersloh seine Schützlinge nannte, traten ihren Siegeszug um die Welt an. Wolfgang Hutter ist der verspiel teste, manchmal auch rätselhafteste unter ihnen. Seine Bildwelten muten an wie magische Theater kulissen, verheißungsvoll und spannungsgeladen.

In Herbstlandschaft tauchen wir ein in eine Welt voll magischer Pflanzen und Gewächse. Pralle Fruchtkapseln und bunte Dolden drängen in den Vordergrund und über die Bildränder hinaus. Rie senhaft zwingen sie uns einen ungewohnten Blickwinkel auf. Wie kleine Krabbeltiere staunen wir am Erdengrund über die sich vor uns auftürmende Natur. Diese „All-over-Wucherungen“, dieser „manieristische horror vacui“2 bedeckt fast gänzlich diesen wundersamen Landschaftsausschnitt und lässt nur an manchen Stellen ein wenig vom zartblauen Himmel durchschimmern, der Frei heit und Weite verheißt. Jedes Detail ist mit unglaublicher Genauigkeit, mit sicherem Strich und Liebe zum fantasievollen Detail gemalt, durch die „präzise Wiedergabe gewinnt das Phantastische an Glaubwürdigkeit.“3 Die Pflanzen haben ein Eigenleben, sie wirken mit ihren Rundungen und in ihrer prachtvollen Ausgestaltung wie eine vornehme Gesellschaft, die sich hier versammelt hat, um miteinander zu kokettieren. Eine erotische Spannung liegt über diesem Zaubergarten, ein erwar tungsvolles Begegnen in wundervoller Farbigkeit zieht uns in seinen Bann.

Text: Mag. Sophie Cieslar

2

Hutter

1983,

272

Wien 2008,

27,

3

44 1981 Provenienz österreichischer Privatbesitz
Wolfgang
in: Wolfgang Hutter. Werkverzeichnis, Dortmund
S.
Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus, Ausstellungskatalog, Belvedere,
S.
69
Wolfgang Hutter in: Belvedere, Wien 2008, S. 28 17|
45

Wolfgang Hutter

Der rote Herbst, 1980 Öl auf Hartfaserplatte; gerahmt 50 x 70 cm

Signiert und datiert links unten: Hutter 80

„Meine Bilder sollen genommen werden als ein Bericht aus einer Welt, deren Existenz uns bisher unbekannt geblieben ist. Erzählend in Farben und Formen, gibt man von den täglichen Reisen in die eigene Phantasie Bericht.“1

Bei Wolfgang Hutter stehen nicht fremde Kulturen oder ein verlorener Garten Eden wie bei Arik Brauer im Zentrum der Darstellung; er erschafft vielmehr eine eigene, künstliche Welt, in der wir bisher noch nie dagewesene, real nicht existierende Gebilde und Pflanzen erblicken. „Er baut eine eigene künstliche Szenerie auf, die wie aus Plastik und Papiermaché, aus Marmorschliff und KreppPapier, aus Bändern und Perlen gemacht ist.“2

In verschiedene Rot- und Lilatöne hüllt Wolfgang Hutter die magische Szene in „Der rote Herbst“, die ein abgeerntetes Feld zeigt. Wir sehen bizarre Gebilde, die eher an die verlassenen Hüllen von historischen Gewändern, als an zusammengeschnürte Strohballen erinnern. Eine große, sich nach oben hin öffnende zentrale Form wird symmetrisch flankiert von weiteren figuralen Gebilden, die sich aus den fast militärisch angeordneten Reihen der Stoppeln des geschnittenen Strohs abheben.

Diese muten wiederum eher wie Protagonisten eines Renaissancetheaters an – ein Eindruck, der noch durch die von oben wie ein Vorhang herabhängenden Perlenstränge und wehenden Bänder verstärkt wird – als wie Zeugen einer bäuerlichen Kultur. Die Formen der Strohbündel sind mit ihren schmalen Taillen eindeutig weiblich konnotiert. Eros, eine unverhüllte Sinnlichkeit, ist in allen Bildern Wolfgang Hutters allgegenwärtig, auch wenn, wie hier keine Frauen an sich abgebildet sind. Er „tritt hinter Blüten, Hecken, Bäumen hervor, wie magisch vom Ewigweiblichen angezogen, wel ches er selbst sich in lockend-berauschenden Farben und Formen malt.“3 Wolfgang Hutter erfasst erotische Sehnsüchte in meisterhaft-präziser Technik und mit einem untrüglichen Gespür für eine Farbigkeit voller Symbolik, Leidenschaft und Mysterien.

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Wolfgang Hutter in: Wolfgang Hutter. Werkverzeichnis, Dortmund 1983, S. 119

2 Johann Muschik, Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus, Wien 1974, S. 76

3 Wolfgang Hutter. Werkverzeichnis, Dortmund 1983, S. 56

46
1980
18|
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Drago J. Prelog

Getrenntes Doppelbild (2-teilig), 1991 Acryl auf Leinwand; ungerahmt 160 x 410 cm

Signiert und datiert unten mittig: Drago Julius Prelog 1991

Eine in zwei geteilte Leinwand, getrennt durch das markante Profil eines Menschen, bemalt mit unzähligen, übereinanderliegenden Linien in den Farben Gelb, Rot, Blau und allen, durch deren wiederholten Auftrag entstehenden Abstufungen und Intensitäten. Gemeinsam definiert das Liniengeflecht den Raum und die Dimension des Bildes.

Zeit seines Lebens lotete Prelog das Verhältnis zwischen Bildgeschehen und Bildrand aus. In den frühen Arbeiten lösten sich noch Linienknäuel von der Mitte der Leinwand aus bis hin zum Rand auf. Später nahm ein Gewirr an Linien, die sich über die gesamte Fläche ausdehnten, ihren Platz ein. Bekannt sind seine Haut- und Rindenbilder, die Berg- und Stefflbilder. Alles führte dazu, dass der Künstler, der sein Schaffen der Untersuchung von Zeichen verschrieb, sein persönliches Alphabet erschuf. Wie sagte der Künstler: „Ich bilde nicht ab – ich setze Zeichen!“

Nahtlos in diese Entwicklung und Denkstruktur reihen sich seine Profilbilder ein. Zunächst arbeite te Prelog sich an seinem eigenen Profil ab. Ließ es sich bewegen, überlappen, verschwimmen. Das Gesichtsprofil wird zum Zeichen, steht stellvertretend für den Menschen an sich. Das lässt an die Ideenlehre von Platon denken. Eídos ist in diesem Fall das Zeichen, das der Betrachter zu sehen be kommt: Das menschliche Profil, das wir sogleich erkennen und zuordnen können. Dem wiederum liegt die Idea zugrunde. Idea, in der platonischen Ideenlehre als nur geistig erfassbare, unwandel bare Urbilder verstanden, ist in diesem Fall all das, was Prelog mit dem menschlichen Sein an sich verbindet und hier mitschwingen lässt.

Peter Liaunig ließ, als der Künstler 2020 verstarb, verlauten: „Drago J. Prelog war nicht nur ein enger Freund, sondern er war und ist wesentlichster Teil der Keimzelle unserer Sammlung und unseres Hauses. Er war es, der meinen Eltern in den mittleren 1960er-Jahren völlig uneitel Tür, Tor und Au gen zu vielen Künstlern im Umfeld der Wiener Galerien ‚Zum Roten Apfel‘ und ‚Nächst St. Stephan‘ öffnete. Die zu dieser Zeit entstandenen Freundschaften markieren die Anfänge und bilden die Basis der Sammlung Liaunig.“

Provenienz erworben bei der Galerie Lang Art Service GmbH; seit 1991 institutionelle Sammlung

50
1991
19|
51

Marc Adrian

Green Lady, 1974 Malerei auf Leinwand; Hinterglasmontage, gerahmt 102 x 73 cm

Rückseitig bezeichnet, datiert und signiert: Study-the green lady 74 Marc Adrian

Marc Adrians Bilder befinden sich in einem andauernden Zustand der Auflösung; in ihnen trifft die Komponente Raum auf die Komponente Zeit. Die Bewegung macht aus einem statischen, von der Auseinandersetzung mit Mondrian inspiriertem Gemälde, eine Sinneserfahrung. Die Hinter glasmontagen sind Adrians Möglichkeit, mit der Wahrnehmung und den Sinnen seiner Betrachter zu experimentieren.

Ausgangspunkte von Adrians Schaffen waren Plastik, Malerei, Computerkunst und konkrete Poesie. Parallel zu seinen literarischen, plastischen und bildenden Arbeiten schuf Adrian eine Reihe von avantgardistischen Filmen. Von Anfang an waren seine Streifen dabei eine Auseinandersetzung mit herrschenden Ideologien und behandelten Themen wie Gewalt, Sexualität, Macht und Staat, Wahr nehmung und Täuschung. Anfangs arbeitete Adrian mit Kren zusammen, als er sich jedoch psycho logisch-narrativen Themen zu widmen begann, trennte sich die Künstlergemeinschaft.

1965 begann Adrian ein Studium der Wahrnehmungspsychologie in Wien. Im selben Jahr war er neben Künstlern wie Frank Stella, Bridget Riley und Victor Vasarely mit einer Hinterglasmontage in der Ausstellung "The Responsive Eye" im Museum of Modern Art in New York vertreten. Diese Aus stellung war Ausgangspunkt für jene Kunstrichtung, die unter der Bezeichnung Op-Art firmierte, was ursprünglich als Gegenbegriff zur damals in den USA vorherrschenden Pop-Art gedacht war.

Der Grundgedanke Adrians Hinterglasmontagen, inspiriert durch die Auseinandersetzung mit der Op-Art, war, dass der Künstler zwischen gemalten Formen und Betrachter industriell gefertigtes Riffelglas montierte. Ändert der Betrachter seinen Standpunkt, so verändert sich die Darstellung. Die Gemälde werden lebendig. Neue Motive werden gesehen, die wiederum neue Zusammenhänge, Eindrücke und Gefühle hervorrufen. Seine Hinterglasmontagen sind Modelle zur Bilderzeugung aus Bewegung und Licht.

Provenienz österreichische Privatsammlung

52
1974
20|
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Brigitte Kowanz

Genius Loci, 2017 Neon, Spiegel 80 x 80 x 19 cm

Der titelgebende Geist des Ortes umweht diese Neon- und Spiegelarbeit von Brigitte Kowanz. Die im Jänner dieses Jahres verstorbene Lichtkünstlerin bezieht sich mit Genius Loci auf den globa len Datenraum des Internets, den sie mit Licht übersetzt.

Die Beschäftigung mit Licht begann bereits in den 1980er-Jahren. Damals arbeitete sie mit dem Künstler Franz Graf zusammen, der jedoch zur Malerei zurückkehrte, während Kowanz vom Licht fasziniert war: „Die Malerei hat mir nicht genügt“, erklärte sie, denn Licht sei schließlich die Grund lage allen Lebens.

Sie wollte vielmehr eine Malerei entwickeln, die die neuen Medien – Film, Video, Fotografie – mit einbezog und abbildete, wie sie in einem Gespräch zu ihrer Ausstellung Lost under the Surface im Museum Haus Konstruktiv 2020 feststellte. Damit wurde sie zur Vorreiterin eines medienübergrei fenden Ansatzes.

Bei Kowanz‘ Arbeiten muss der Betrachter umdenken: Es geht nicht mehr darum, ein an der Wand hängendes, beleuchtetes Bild anzusehen, sondern das Licht selbst zu betrachten. Die Künstlerin bestimmt Orte, aber kennt selbst keinen Ort. „Es ist in einer Bewegung, aber zugleich überall,“, so Kowanz.

Aber was ist Licht? „Licht ist, was man sieht“. Die Künstlerin arbeitete sich an dem Gedanken ab, dass Licht omnipräsent, aber transparent sei, nicht zu fassen und unsichtbar. Licht zeige sich eben nur in Verbindung mit Material: „Jedes Material, das uns umgibt, ist reflektiertes Licht“.

Daher erzeugte die Künstlerin Situationen, wo sich Licht zeigen konnte, und gab diesem immate riellen Material, wie sie es nannte, eine Form. Dies geschah entweder durch die Verwendung von Satzzeichen oder von Morsecodes, später auch durch den Einsatz von Spiegeln. Der Spiegel sei das ideale Instrument, um Licht sichtbar zu machen, da er virtuelle Räume abbilde, sagte Kowanz.

Mit Werken wie Genius Loci macht die Künstlerin einen virtuellen Raum auf. Die Handschrift in dem Spiegelkasten ist nur schwer zu lesen, absichtlich entfernte sich Kowanz von der eindeutigen Les barkeit. Das schwierige Erkennen der einzelnen Buchstaben war für sie eine „Codierung auf einer zweiten Ebene“. Dennoch lebt ihre Arbeit nicht allein von dem (stets vorhandenen) theoretischen Überbau, sondern durch die sinnliche, poetische Erfahrung des Betrachters.

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2017
21|

Herbert Boeckl

Erzberg V, 1948 Öl auf Leinwand; gerahmt 81,5 x 97,5 cm

In Erzberg V spüren Betrachter sowohl die gewaltige Natur und ihre Monumentalität, gleichzeitig wird ihr eine Sanftheit und Fragilität entgegengestellt. Boeckls Spätwerk und damit Neuorien tierung hatte mit dem Ende des Krieges 1945 begonnen.

Die Bergflanke, die der Abbau des Eisenerzes in seine heute unverkennbare spitz zulaufende Form gebracht hat, hat die Farben menschlichen Inkarnats. Sie wirkt wie verletzliche Haut, die nun un geschützt den Gewalten der Natur ausgeliefert ist. Wie ein unerklärlicher Fremdkörper hebt sie sich in Rosa- und Ockertönen, in die Türkis und Blau hineinspielen, von den bewaldeten Stellen und den Feldern der Umgebung ab. Die Farbe ist Bedeutungsträger, sie lässt den Raum entstehen und aus ihr strömt das Licht im Bild. Herbert Boeckl baut im Sinne Paul Cézannes seine Landschaft aus einem Gewebe von bunten Flecken. Perspektive und Stofflichkeit verschwinden unter der einheitlichen Farbsubstanz. Dennoch bleibt die zentrale Qualität der Natur, ihr tektonischer Aufbau erhalten. Allerdings wird die Bildwirklichkeit zu einer „Angelegenheit der Farben untereinander“1 und somit zu einer eigenen, neuen Realität, die über das Abgebildete weit hinaus geht.

„Ich vergleiche die Kunst mit dem Meer, das alle Kontinente bespült und verbindet; manches Mal wohl durch den Sturm aufgepeitscht, bringt es neue Schätze an den Tag. Der Bürger erschrickt und vermeint es ist die Sintflut. Es ist aber nur das Atmen.“2

1 Stefan Lüddemann, Mit Kunst kommunizieren, Wiesbaden 2007, S. 39

2 Herbert Boeckl in: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2009/2010, S. 261

Provenienz Herbert Boeckl-Nachlass, Wien, B 114; Univ. Prof. Dr. Oskar Boeckl, Salzburg; Galerie Maier, Innsbruck; seither österreichische Privatsammlung

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1948
22|
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Anton Mahringer

Sommertag in Kärnten, 1939 Öl auf Leinwand; gerahmt 51,5 x 68,5 cm

Signiert und datiert rechts unten: Anton Mahringer 1939

Ab 1935 kommt im künstlerischen Schaffen Anton Mahringers eine weitere Besonderheit hinzu. Neben dem meisterlich gewählten und betonten Kolorit seiner beeindruckenden Landschaftsbil der der Kärntner Gegend, entwickelt er sich hin zur malerischen Darstellung des Lichts, die sei ne Landschaftsansichten bereichert und damit deutlich an atmosphärischer Stimmung gewin nen ließ. In Folge dessen wird für den Künstler zunehmend eine helle, transparente Farbpalette charakteristisch, welche die Landschaften in eine sonnendurchflutete Lichtstimmung taucht. Das warme Sonnenlicht nimmt dabei geradezu die Hauptrolle in den Landschaftsszenen ein.

Dafür ist das stimmungsvolle Bild Sommertag in Kärnten aus dem Jahr 1939 ein besonders schö nes Beispiel. Mahringer öffnet dem Betrachter einen ungehinderten Blick auf eine lichtdurchflute te Sommerlandschaft mit sanften hügeligen Wiesen und Feldern in wunderschönen, leichten und pastelligen Farbtönen vordergründig in Grün und Gelb, zwischendurch akzentuiert durch große Nadelbäume in sattem Grün, weiter zu einem Dorf mit einem schlanken aufragenden Kirchturm bis hin zu den fernen Gebirgsketten in kühleren Farbklängen von Blau, Violett, Rosa und Weiß, die farblich scheinbar nahtlos in den sommerlichen Himmel übergehen. Der Horizont ist charakteris tisch für Mahringer sehr hoch angesetzt. Durch das bewusste Nebeneinandersetzen von warmen Farbtönen in der Landschaft und kühlen Farbtönen im fernen Hintergrund des Gebirges und des Himmels schafft der Künstler eine gelungene Tiefenperspektive und steigert die sinnliche Wirkung von Wärme und Kälte.

Vermutlich hatte Mahringer die Farbenlehre des Stuttgarter Professors Adolf Hölzel dazu inspiriert. Hölzel hatte zwar kurz vor Mahringers Studienzeit in Stuttgart die Akademie verlassen, seine Farb theorien waren aber weiterhin an der Akademie sehr angesehen. In seinen Lehren beleuchtet er unter anderem die subjektive Wirkung des Wechsels von warmen und kalten Farben. Mahringer hat diese Wirkung in seinen Landschaften seiner geliebten Wahlheimat Kärnten auf höchstem Niveau umgesetzt. Nicht umsonst wurde er von späteren Rezensenten als Maler, der es versteht, auch die Luft zu malen, bezeichnet. Bis heute ist die Begeisterung für sein Werk ungebrochen und er ist zweifellos einer der bedeutendsten Landschaftsmaler des 20. Jahrhunderts in Österreich.

Text: Dr. Sophie Höfer

60 1939 Provenienz österreichischer Privatbesitz
23|
61

Josef Floch

Winter in Pötzleinsdorf, 1921 Öl auf Leinwand; gerahmt 90 x 80 cm Signiert links unten: Floch

Stilistisch und auch in der melancholischen Grundstimmung, die den alles dominierenden Blau tönen zuzuschreiben ist, orientiert sich Josef Floch an den Bildern der Blauen Periode von Pablo Picasso. Dieser setzt sich nach dem Selbstmord seines engsten Freundes, des spanischen Dich ters Carles Casagemas, mit existentiellen Themen auseinander und verarbeitet diese in höchst emotionalen Kompositionen, die vorwiegend in der Farbe Blau ausgeführt sind. Josef Floch kom biniert diesen Gefühlskolorismus mit Neuerungen in der räumlichen Gestaltung der Bildfläche, die er aus seiner Beschäftigung mit der Kunst Paul Cézannes ableitet.

In weiten Bereichen hat er die Konturen der Bildgegenstände aufgelöst, lediglich die Silhouetten der Gebäude im Hintergrund und die Baumgruppe davor sind noch durch schwarze Linien eingegrenzt. Sind es bei der Architektur bewusst gesetzte Linien, so ist es bei den Bäumen eher ein Freilassen eines schwarzen Untergrundes, aus dem sich optisch eine Abgrenzung ergibt. Ansonsten lässt Floch den Farben freien Lauf. Er gruppiert verschiedene Töne dicht an dicht und schafft mittels der so entstehenden bewegten Farbflächen Raum und Struktur im Bild: Eine Technik, die auf Errungen schaften Paul Cézannes zurückgeht. Aus der Farbigkeit heraus entstehen nicht nur der innere Auf bau eines Bildes, sondern auch die Licht- und Schattenzonen im Bild. Im expressiven Duktus und der Bereitschaft starke Kontrastfarben einzusetzen, finden sich auch Anklänge an die Malerei des Fauvismus, an Maurice de Vlaminck und André Derain.

Josef Flochs „Bilder sind von einer Stille, die der Ewigkeit gleicht, seine Figuren, Räume, Land schaften scheinen dem Betrachter wie durch einen feinen Schleier entrückt. Sie erzählen keine Geschichten, haben keine Handlung, sie beschreiben Zustände. Seine Gemälde gleichen Stilleben, die Geheimnisse atmen“1

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Marianne Hörmann, Josef Floch, Schweigen der Bilder – Sprache der Träume, in: Parnass 2000, Heft 4
62 1921 Provenienz österreichischer Privatbesitz
24|
63

Alfons Walde

Nach der Vesper, um 1922 Öl auf Karton; gerahmt 70 x 75,5 cm

Signiert rechts unten: A Walde Originales Künstleretikett rückseitig auf Karton Betitelt auf rückseitigem Aufkleber

Tirol und vor allem Kitzbühel sind kaum ohne Alfons Walde vorstellbar. Der mit Preisen ausge zeichnete Künstler greift das Thema des Zusammentreffens immer wieder auf; so kann man die se Werke als Ausdruck der besonderen Geselligkeit des Künstlers werten, aber auch als Wunsch bilder für eine intakte dörflich-kleinstädtische Kultur, wo jeder jeden kennt und auch gerne kurz miteinander redet.

Die Vesper ist vorbei, jetzt darf der Abend noch mit einem kurzen Tratsch ausklingen, bevor es nachhause geht. Die beiden Kitzbüheler Bäuerinnen haben unterhalb Kirche, dort, wo die Treppen hinauf gehen, einen Platz gefunden, um sich etwas auszutauschen, über die Mühen des Tages, die kleinen Freuden des Alltags, über die wohl daheim nicht immer ausgesprochenen Wünsche. Mit ihren Trachten, dem leuchtenden Rot des Umhangs der einen Bäuerin und dem ebenso kräftigen Blau der Schürze der anderen sowie den schwarzen Hüten mit den dekorativen Bändern geben sie ein höchst pittoreskes Bild ab, umso mehr, da sie Walde in einen Lichtkegel gestellt hat, in dem der Schnee unter dem Nachthimmel hell aufleuchtet. So fügt sich der Kontrast der Primärfarben, zwischen Hell und Dunkel in Verbindungen mit den bogenförmigen Flächen zu einem überaus aus druckvollen archetypischen Ganzen, wie es für den Maler in den 1920er Jahren typisch wurde.

Alfons Walde hat das Motiv der Begegnung und kurzen Konversation geliebt, viele seiner Bildmotive kreisen darum: Tratschen nannte er selbst ein Sujet aus dem Jahr 1914, bei Drei Frauen in Tracht (1913) ist der Plausch etwas ausgeweitet, bei der Begegnung (1924), dem monumentalen Gemälde in der Sammlung Leopold, treffen zwei Frauen auf einen entgegenkommenden Mann und auch im oft wiederholten Auracher Kirchl sehen wir klein im Vordergrund zwei Frauen, die genau der Komposi tion von Nach der Vesper entsprechen.

Provenienz Privatbesitz, Österreich; Wiener Kunst Auktionen (im Kinsky), 26.09.1995, Nr. 202; seither österreichischer Privatbesitz

66
1922
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Alfons Walde

Winterstadt Kitzbühel, um 1925 Öl auf Karton; gerahmt 35,5 x 34 cm

Nachlass-Stempel mit Bestätigung von Guta E. Berger, geb. Walde, rückseitig

Die Dekade nach dem Ersten Weltkrieg bis Ende der 1920er-Jahre umfasst Waldes zweite wich tige Schaffensphase. Die Themen sind im Wesentlichen dieselben wie vor dem Krieg: bäuerliche Genreszenen mit Kirchgängern, sonntäglichen Begegnungen und ähnlichem, Schneelandschaf ten aus der Kitzbüheler Bergwelt und die von Walde in die Tiroler Malerei eingeführten Winter sportbilder.

Als Alfons Walde 1918 aus dem Krieg zurückkehrte, stand er vor der Entscheidung, seine Ausbildung in Wien fortzuführen oder in der vertrauten Umgebung seines Heimatortes Kitzbühel ganz für sich an seinem malerischen Werk weiterzuarbeiten. Waldes Entschluss für den Verbleib in Tirol stand bald fest und ist bezeichnend für seine reservierte Haltung allem Großstädtischen gegenüber. Da bei hatte er die wesentlichen Anregungen für sein künstlerisches Vokabular im secessionistischen und frühexpressionistischen Wien der Vorkriegsjahre erhalten, speziell bei Klimt und Schiele. Aber schon damals wandte er deren formale Anregungen zumeist an jener halb bäuerlichen, halb klein städtischen Milieuwelt der Kitzbüheler Gegend an.

Ein häufig aufgegriffenes Motiv ist – wie beim vorliegenden Gemälde – das Kitzbüheler Stadtbild mit seinen charakteristischen Kirchtürmen und Häusergiebeln. Wir sehen das malerische Ensemble der Altstadthäuser mit der Pfarrkirche und den Bergen im Hintergrund, tief verschneit unter der strahlenden Wintersonne. Formal erinnert das Bild noch an das subtile Frühwerk mit der Betonung des Grafischen und dem Kontrast von Erdtönen und dem Schnee in seinen verschiedenen Schat tierungen.

Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers; österreichischer Privatbesitz

68
1925
26|
69

Lena Henke

Bull Run, 2019 Edition 1/3 Fiberglas, Stahl, Farbpigment 56 x 127 x 57 cm

Lena Henke testet in ihrem Werk die Möglichkeiten und Grenzen von Bildhauerei gepaart mit technischer Innovation aus. Meisterhaft setzt sie Themen wie Weiblichkeit und Machtverhält nisse um; sie versteht dabei das Formen von Körpern als veränderbaren Prozess des Gestaltens.

Bulls Run wurde 2019 in der Ausstellung My Fetish Years im Museum für Gegenwartskunst Siegen und 2021 in Babysteps into Masochism in der Galerie Layr gezeigt. In Babysteps into Masochism war es der Bullenkopf, der Besuchern als erstes ins Auge sprang. Durch die Verbindung dieser Skulptur mit der Thematik beider Ausstellungen muss er im Kontext von Sexualität und Voyeurismus gese hen werden.

Ein Umschwung hat stattgefunden: War Henke zuvor auf die Selbstbetrachtung konzentriert, nimmt sie jetzt die Position der Betrachterin ein; spielt mit Fetischen und Sexualität. Ihr violetter Bullen kopf scheint, obwohl seine Augenhöhlen leer und starr sind, ebenfalls alles zu beobachten.

Zu den Themen der Künstlerin gehören neben dem Mythos der Männlichkeit auch die Befragung traditioneller Räume und Darstellungsweisen; darunter fällt auch die Repräsentation von Skulptu ren auf Sockeln. Daher ist ihr Bullenkopf zwar auf einer Konstruktion aus Stahl angebracht, aber für seine Repräsentation verweigert sie den Sockel als traditionelles Darstellungselement. Stattdessen thront die Skulptur einem Understatement gleich auf einem einfachen, schwarzen Sessel.

70
2019
27|

Ferdinand Andri

Am Bauernmarkt, 1901 Öl auf Leinwand; gerahmt 75 x 56 cm

Signiert und datiert rechts unten: F. Andri 1901

Das Œuvre des Künstlers ist von traditionellen, provinziellen Sujets geprägt, die er mit seinen oft religiösen Motiven dekorativ und farbenfroh gestaltete. Andris Werke sind in der ganzen Welt gefragt und finden sich unter anderem im Leopold Museum, im Niederösterreichischen Landes museum, in der Berliner Nationalgalerie und in der National Gallery of Victoria in Melbourne.

Zeit seines künstlerischen Schaffens setzte sich Andri mit dem Leben der einfachen, bäuerlichen Bevölkerung auseinander, die er als wesentlichen Teil österreichischen Kulturgutes präsentierte. Seine Darstellung ist vereinfacht, klare Formen dominieren das Bildgeschehen; selbst wenn wie im vorliegenden Werk die Figuren eng zusammen angeordnet wurden. Die zusammenstehenden Da men im bäuerlichen Gewand sind angeschnitten, überschneiden einander; die dominante Figur im Vordergrund dreht dem Betrachter den Rücken zu. Hier wird nicht versucht, Blickkontakt mit einem Außenstehenden zu suchen oder in das Bild zu führen; die Frauen sind vertieft in ihre Gespräche. Andri gewährt einen privaten Einblick auf die Szene. Der Betrachter kann sich vorstellen, dass er inmitten eines gut besuchten Markts steht, er wird in das Getümmel geworfen und bleibt doch ein unbeteiligter Beobachter.

Das Traditionelle und Religiöse sind zentrale Themen im Werk des Künstlers, der sich als Land schafts-, Genre- und Porträtmaler, als Lithograf und Bildhauer einen Namen machte. Sein beson deres Interesse und Bemühen galt der Freskomalerei und damit verbunden der Erneuerung der kirchlichen Kunst; die er in Holzplastik und Mosaik verwirklichte.

72
1901
28|
73

Anton Kolig

Stillleben mit Äpfeln und Birnen in roter Schale, 1915 Öl auf Leinwand; gerahmt 38,4 x 45,3 cm

Datiert und unleserlich bezeichnet oben links: 1915 Signiert linker Rand Mitte: Kolig

Niemand geringerer als Carl Moll und Gustav Klimt ermöglichten im Jahr 1912 Anton Kolig durch eine großzügige Förderung ein Reisestipendium nach Frankreich. Diese Reise stellte sich als wegweisend für seine künstlerische Entwicklung heraus. Vor allem durch die Kunst von Paul Cé zanne erhielt Kolig entscheidende Impulse für seine Malerei. Koligs männliche Akte, Allegorien, Porträts und Stillleben zählen heute zu den Glanzstücken expressionistischer Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich.

Das vorliegende Werk Stillleben mit Äpfeln und Birnen in roter Schale aus dem Jahr 1915 schuf Ko lig, zurück aus Frankreich, in Nötsch in Kärnten. Mit dem Sujet des Stilllebens beschäftigte er sich erstmals um 1910. In den beiden darauffolgenden Jahren griff er dieses Thema so häufig auf, dass es einen wesentlichen Teil seines Œuvres einnimmt. Kolig wird eine leuchtend schillernde Farbigkeit in seinen Werken zugeschrieben. Sein Verlangen nach Farbe ist ebenfalls im vorliegenden Stillleben deutlich erkennbar. Diese spielt auch eine wesentliche Rolle in der Bildgestaltung.

Hier wählt Kolig herbstliche Farben und eine gedecktere Farbpalette in samtigen Erdtönen. Es sind rote, gelbe, grüne und blaue Früchte in zufälliger Anordnung in einer roten Schüssel zu sehen. Der malerische, impulsive Pinselstrich vermittelt einen spontanen Eindruck. Genau darum geht es Kolig. Er zielt nicht auf die makellose Darstellung des Bildthemas ab, sondern er versucht in seinem freien, malerischen Duktus vielmehr den subjektiven Eindruck des Sujets festzuhalten. Und dies gelingt ihm auf meisterliche Weise. Die Farbe wird expressiv und temperamentvoll in dicken Schichten auf getragen. Konturen und Binnenflächen fließen ineinander über und werden miteinander verfloch ten. Die Obststücke wirken mit wenigen Pinselstrichen und Farbflecken sowie Licht- und Schatten effekten überaus plastisch. Die Schüssel scheint geradezu mit dem Hintergrund und dem Tisch, auf dem die Obstschale steht, zu verschmelzen. Ein paar Früchte liegen außerhalb der Schüssel auf dem Tisch und tragen zu mehr Räumlichkeit bei. Der Hintergrund ist sehr lebendig gestaltet, sowohl durch den Farbwechsel als auch durch die freie, teils wilde Pinselführung.

Kolig, der später mit Sebastian Isepp, Franz Wiegele und Anton Mahringer zum Nötscher Kreis zähl te, ist mit dem vorliegenden Stillleben ein äußerst stimmiges Werk gelungen. Es ist ihm dabei ge glückt, ein scheinbar einfaches Motiv in ein erhabenes Bild in expressiver Manier zu verwandeln.

Text: Dr. Sophie Höfer

74
1915 Provenienz österreichische
29|
75

Otto Muehl

o.T., 1984 Öl auf Leinwand; gerahmt 140 x 160 cm

Monogrammiert und signiert rechts unten: m11.4.84

Otto Muehl polarisierte und provozierte, sowohl als Mensch als auch als Künstler. Neben seinen rebellischen Materialaktionen ist Muehl vor allem bekannt für sein malerisches Werk. Das vor liegende Gemälde erzählt auf groteske Weise vom Malerstar Vincent van Gogh als Lustmolch und Berserker.

Als Aktionskünstler hatte Muehl gemeinsam mit Günter Brus, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarz kogler die Wiener Kunstzene in den 1960er-Jahren in Atem gehalten. Mit vollem Körpereinsatz re bellierte der Bürgerschreck gegen Tabus, Konventionen und Autoritäten. Dabei kam Muehl, der studierte Kunstpädagoge, eigentlich aus der Malerei. Sie begleitete ihn zeitlebens und stellte den Auftakt und das Ende seines künstlerischen Schaffens dar. In den Jahren 1984 bis 1987 entstand eine Serie von Ölbildern, die sich auf den weltberühmten Maler Vincent van Gogh bezogen. In etlichen Bildern arbeitete er sich an dem Thema ab. 1984 widmete Muehl ihm auch einen eigenen Spielfilm. Muehl ging es nicht um Verehrung oder Rezeption (wie er es mit seinen Sonnenblumen 1954 getan hatte), sondern um die Entmystifizierung beziehungsweise um die kritische Hinterfragung von van Goghs Rolle als Malergenie. Auf bizarre Weise versuchte Muehl den Status des großen Meisters zu entzaubern. Im vorliegenden Sujet bediente er sich einer grotesken Bildsprache, die van Gogh als Schlächter und Sexualtäter in ein abstruses Licht rücken. Muehl ging noch einen Schritt weiter und setzte van Gogh Hörner auf, die ihn als diabolisches Monster mit erigiertem Phallus zeigen. Der Berserker scheint sich in seiner Rolle zu gefallen, mit grinsender Miene geht er auf Menschenjagd. Schreiend suchen die gequälten Körper im wilden Gemetzel nach Schutz, andere praktizieren se xuelle Handlungen. Die Gewaltszene spielt vor einer grünen Klippe.

Muehls Bild wirkt bizarr und verstörend, es verbindet Leben und Tod, Gewalt und Sexualität auf be drohliche Weise. Muehl bezeichnete seine Malerei als aktionistische Konzeptmalerei. „Ich komme ja auch vom Aktionismus. Ich bin Darsteller der polymorphen Perversität der Gesellschaft. Das mache ich ganz bewusst,“1 so Muehl einst. Im wilden Duktus und übersteigerter Farbintensität orientiert sich das Motiv am Expressionismus und Fauvismus. Bei den Farben beschränkte sich Muehl auf eine expressiv leuchtende Palette in Orange-, Blau,- Grün- und Violetttönen, wobei er die Figuren und Formen in kräftigen schwarzen Linien konturierte. Es scheint, als habe Muehl die Bildsprache der modernen Meister von Vincent van Gogh über Richard Gerstl bis Henri Matisse in sich aufgesogen und zu einer eigenen modernen Interpretation verwandelt.

Text: Dr. Stefan Üner

1 Peter Noever (Hrsg.), Otto Mühl 7, Ausst. Kat. MAK, Wien 18.2.–5.4.1998, Ostfildern 1998, S. 11
78 Provenienz Estate Otto Muehl, Wien
1984
30|
79

Otto Muehl

Mein Kaffee, 1986 Acryl auf Leinwand; gerahmt 100 x 120 cm

Otto Muehl zählte zu den herausragendsten, aber auch kontroversesten Künstlerpersönlich keiten der österreichischen Nachkriegsmoderne. Mit teils verstörenden Performances machte der Wiener Aktionskünstler zeitlebens von sich reden. Neben seinem performativen Schaffen, hinterließ Muehl ein umfangreiches malerisches Erbe.

Sein Faible für Malerei wird besonders in den 1980er-Jahren sichtbar, als Muehl sich an verschie denen Themen und Motiven künstlerisch abarbeitete. Neben Serien von Paarungen, Köpfen oder Vincent van Gogh entstand einer Reihe von Bildern, die sich mit der Linie und Kontur auseinander setzten. Muehl arbeitete von 1986 bis in die frühen 2000ern an dieser Serie, wobei das vorliegende Werk mit dem Titel Mein Kaffee von 1986 zu den frühesten Zeugnissen dieser Art zählt. In Anleh nung an die Pop Art thematisiert Muehl ein banales Motiv aus dem Alltag. In stilisierender, plakativer Malweise zeigt es eine umgekippte Kaffeekanne.

Muehl beschränkt sich in seinem Bild auf eine reduzierte Palette in greller Farbigkeit. Mit den Rand überschneidungen und dem diagonalen Bildaufbau entstehen Spannung und Dynamik. Muehl ge lingt es hier eindrucksvoll, einen scheinbar trivialen Gegenstand in ein künstlerisches Sujet mit Witz und Ironie zu verwandeln.

Text: Dr. Stefan Üner

Provenienz Sammlung Friedrichshof, Burgenland; seither österreichischer Privatbesitz

80
1986 31|
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Hans Staudacher

o.T., 1959 Mischtechnik auf Spanplatte; gerahmt 130 x 85 cm

Signiert links unten: H. Staudacher Rückseitig datiert und monogrammiert: 1959 H.St.

Malen bedeutet für Hans Staudacher Aktion, Dynamik und Bewegung mit gesamtem körper lichem Einsatz. Er greift ungehindert auf Emotionen und Impulse zurück. Er fängt Zeitmomente ein und bringt sie als Collagen, mit rhythmischen Lettern oder gestisch-expressiven Pinselstri chen auf die Bildfläche. Seine Arbeiten gleichen zu Kunst gewordener Energie. Er gilt als wich tigster Vertreter des lyrischen Informel in Österreich.

Entscheidende Impulse in seiner künstlerischen Entwicklung erhielt Staudacher in der Stadt Paris, die er in der Zeit von 1954 und 1962 mehrfach bereiste, wo er auch George Mathieu, den wohl wich tigsten Vertreter des Informel, kennenlernte.

Seit Mitte der 1950er-Jahre arbeitete Staudacher konsequent gegenstandsfrei und forcierte eine offene, prozessuale Bildform. Es dominiert neben dem Malerischen das Skripturale als zentrales Element. Dabei geht es ihm um das Durchbrechen von traditionell gelernten Sichtweisen und Kom positionen.

Das vorliegende Bild ist ein seltenes frühes Beispiel Staudachers abstrakter Malerei. Im Jahr 1959, in dem dieses Werk entstanden ist, stellte der Künstler gerade erfolgreich in Essen, Paris, der Wiener Secession sowie im Boston Museum aus. In dieser Zeit verwendete er gerne Hartfaserplatten als Bildträger, die er unbehandelt ließ. Der Malgrund blickt immer wieder hervor, ist im unteren Be reich flächig freigelassen und übernimmt ebenso ein gestalterisches Element. Dadurch verstärkt sich der prozessuale Werkcharakter noch deutlicher, auf den Staudacher abzielte. Der Bildraum erscheint real und konkret, aber ohne tiefenräumliche Wirkung. Die Farbe wird in mehreren Schich ten auf die Bildoberfläche gesetzt. Er erschafft ein Zusammentreffen von linearen und farbflächi gen Elementen, die sich überschneiden und überlagern und den gesamten Bildraum rhythmisch bewegen. Feine Pinselstriche werden neben pastose Pinselstriche gesetzt, kalligrafisch konnotier te Kürzel finden sich neben großen Buchstaben, deckende Farbflächen, vorwiegend in Weiß und Schwarz, stehen poetisch verhaltenen, linearen Elementen gegenüber. Buchstaben sind übermalt, durchkreuzt oder mitunter durchgestrichen. Manchmal finden sich auch Zahlen im Bildgefüge. Eine einheitliche Lesbarkeit ist weder beabsichtigt noch möglich. Einzig die Signatur des Künstlers ist in allen seinen Werken erkennbar und hebt sich aus einer manchmal mehr manchmal weniger abs trakten Bildfläche hervor. Dieses Prinzip der Formlosigkeit soll jedoch nicht mit Willkür oder Un bedachtheit gleichgesetzt werden. Im gesamten Œuvre zeigt sich zwar eine offene, aber durchwegs präzise Strukturierung. Der weltoffene und der Aktualität des Kunstgeschehens zugewandte Künst ler zeigt bei diesem Werk einmal mehr, dass er den Vergleich mit den weltberühmten Kollegen der zeitgenössischen internationalen Avantgarde mühelos aufnehmen kann.

Text: Dr. Sophie Höfer

Provenienz Galerie Bienenstein, Wien; seither Sammlung Sanziany & Palais Rasumofsky, Wien

82 1959
32|
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Ross Bleckner

o.T., 2018

Öl auf Leinwand; gerahmt 182,9 x 167,6 cm

Rückseitig signiert und datiert: Ross Bleckner 2018

Die großformatigen, fast kosmischen abstrakten Gemälde von Ross Bleckner wurden in den 80er- und 90er-Jahren in New York zum Inbegriff einer ästhetischen Ära. Der Künstler genoss Star-Charakter, vor allem, da er als jüngster Künstler, mit nur 46 Jahren, eine Einzelretrospekti ve im Guggenheim erhielt.

Bleckners erste Hochphase war in den 90er-Jahren, doch seit 2016 erfährt der Künstler einen er neuten Aufschwung; er wurde von Artnet als ein „80s Art World It Boy Having a New York Moment“ beschrieben, als er allein in jenem Jahr sechs Ausstellungen gleichzeitig bestritt.

Die Werke Ross Bleckners thematisieren und untersuchen die Schnittstelle von Biologie, Psycholo gie und Identität; aber auch die Sehnsucht nach Schönheit spielt eine Rolle. Die Ergebnisse reichen von geometrischer Abstraktion bis hin zu symbolischen Arbeiten. Seine Hauptsujets sind dabei oft von diffusen Hintergründen umgeben.

Im vorliegenden Werk korreliert das Motiv mit dem Unerkennbaren, sucht nach Erkenntnis und Ver ständnis. Bleckners Malprozess ist vielschichtig; er arbeitet mit Öl in Verbindung mit Zink, Wachs oder pulverisierten Metallpartikeln. Die Technik sowie das Gezeigte zielen darauf, den Betrachter zu beeinflussen, dessen Denkprozesse und seine Wahrnehmung zu steuern.

Text: Mag. Valerie Gaber

Provenienz

Atelier des Künstlers, New York; seither österreichischer Privatbesitz

84 2018
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Markus Prachensky

La Battaglia di San Romano, Paris, 2010 Acryl auf Leinwand; ungerahmt 100 x 140 cm

Rückseitig am Keilrahmen bezeichnet und datiert: La Battaglia di San Romano-Paris-2010

In diesem letzten Zyklus Prachenskys nimmt er Bezug auf die drei berühmten Schlachtenbilder gleichnamigen Titels des florentiner Malers Paolo Uccello (1397-1475)1. Das Besondere an dieser Werkserie ist, dass Prachenskys Bilder direkt mit der Komposition und den Farben der Werke Uccellos korrespondieren. Während der erklärte Gegner der Dreidimensionalität früher Musik, Architektur und Landschaften in eine abstrakte Bildsprache übersetzte, werden hier in Antwort auf Ucellos Kompositionen räumliche Perspektiven eröffnet und gleichsam Paraphrasen der Renaissance-Vorbilder geschaffen.

Bereits als 20-Jähriger sah Prachensky das erste Bild des Tryptichons in Florenz, bald danach das zweite Bild im Louvre, aber erst sechzig Jahre später begann er nach einem Besuch der National Gallery in London, wo das dritte der Bilder hängt, mit seiner Hommage an Uccello.

Er ist fasziniert von der fesselnden Komposition der drei Werke, dem Kontrast zwischen Bewe gung und Statik, Verharren und Vorwärtsdrängen. Obwohl die Figuren in dem bühnenartigen Set ting eigentümlich steif und hölzern wirken, ist die Anspannung der Kämpfenden und das agressive Knistern in der Luft förmlich spürbar. Ein Wald aus Lanzen, Fahnen und Helmschmuck der Ritter, die sich dicht zusammengedrängt zur Schlacht versammelt haben, dominiert die obere Hälfte des monumentalen Werkes. Die Beine der Schlachtrösser, Edelleute und Knappen und die teils stark verkürzt dargestellten Körper der Pferde in prachtvollen Geschirren bilden die untere Hälfte. In der Mitte sprengt ein Reiter gleichsam aus dem Bild heraus und bringt eine starke Dynamik in die Szene.

Die kalligraphisch anmutende Anordnung der Pinselstriche im oberen Teil ist eindeutig als abs trahiertes Muster der Lanzen lesbar, gut erkennbar an dem gelben X rechts oben, das einem ge kreuzten Lanzenpaar bei Ucello entspricht. Lässt dieser in der Komposition Freiräume, so finden sie sich bei Prachensky ebenfalls wieder. Der breite rote Balken am unteren Bildrand entspricht den dichten Stellen des Kriegsgetümmels. Der heftige Bruch in der Mitte des Balken mit den agressiven Farbspritzern markiert genau jene Stelle, an der sich in Ucellos Werk die Spannung im heftigen Vor wärtssprengen des schwarzen Pferdes entlädt.

Es ist jene gewisse Ambivalenz zwischen Archaik und Vergänglichkeit, die diese faszinierende Serie des Künstlers mit seinen früheren Werken verbindet.

„(…) In der formalen Zuspitzung und der daraus resultierenden Dynamik tut sich eine Seelenver wandtschaft auf. Meisterhaft rezipiert Prachensky in dieser, seiner letzten Serie, das Prinzip von Ordnung und Unordnung, von Zügellosigkeit und Beherrschtheit und von Enge und Weite, die all unser Sein bestimmen.2

Text: Mag. Ina Waldstein

1 Die berühmte Schlacht fand 1432 statt. Siena kämpfte, unterstützt von Mailänder Soldaten, gegen den Erzrivalen Florenz, der als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorging. Cosimo de Medici beauftragte einige Jahre später Paolo Uccello mit drei Tafelbildern, Sinnbildern seiner politischen Macht. Die Werke sollten das Erdgeschoss seines Florentiner Palastes zieren. Bereits im 19. Jahrhundert wurden sie aber auseinandergerissen und gingen an unterschiedliche Museen.

2 Peter Iden, in: Ausstellungskatalog „Markus Prachensky. La Battaglia di San Romano. Omaggio a Paolo Uccello“, Galerie Ulysses, Wien 2011-12, [o.S.]

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2010
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Martha Jungwirth

Maske aus Borneo, 2001

Aquarell auf grundiertem Papier; gerahmt 104 x 71 cm

Signiert und datiert rechts unten: Martha Jungwirth 2001

„Das Malen ist eine körperliche, konzentrierte Aktivität. Ich male mit dem ganzen Körper, ich gehe um das Bild, ich habe keine Standfläche und keinen Fluchtpunkt, ich male am Tisch, am Boden, und meistens gleichzeitig an verschiedenen Sachen.“1

Seit ihren künstlerischen Anfängen schätzt Martha Jungwirth das Papier als Malgrund und wen det sich seit den 1980er-Jahren verstärkt dem großformatigen Aquarell zu. In einzigartigen Farb kompositionen, in einem „kontrolliert psychischen Automatismus“2 vermittelt die Künstlerin ihre sensible Wahrnehmung der Wirklichkeit. Dabei haben ihre Kompositionen stets ihren Ausgangs punkt im persönlichen Empfinden der Künstlerin selbst. „Meine Kunst ist wie ein Tagebuch, seis mographisch... Zeichnung und Malerei sind eine Bewegung, die durch mich durchgeht“3, erklärt sie.

„Das Papier wird zur Partitur der eigenen Wahrnehmung und reagiert durch die Farbklänge ebenso wie durch die Fleckenstrukturen und wird gleichzeitig zum Resonanzkörper der innewohnenden Empfindung“4. Dabei wird aber keineswegs eine reflektierte Herangehensweise ausgeschlossen, das Konzept ist vorher gedanklich festgelegt, es gilt, eine unsichtbare, subjektive Realität in die Sicht barkeit zu transponieren. So entstehen wundervoll intensive Bildwelten, in denen Martha Jungwirth virtuos mit all den Facetten, die die Aquarellmalerei bietet, spielt. Sie kombiniert zart durchschei nende Partien mit stark leuchtenden, kraftvollen Farbfeldern, lässt assoziative Gebilde – figurale Partien oder Naturformen – entstehen, die harmonisch und zugleich spannungsgeladen koexistieren.

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Martha Jungwirth, 2014 in: Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Martha Jungwirth, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2018, S. 17

2 Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Eine Windsbraut in der Küche. Zur Genese der Kunst Martha Jungwirths, in: Hans-Peter Wipplinger. Martha Jungwirth. Retrospektive, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Krems, Krems 2014, S. 15

3 Martha Jungwirth, 2012 in: Hoerschelmann, Schröder, S. 16

4 Antonia Hoerschelmann, Ich male meine Wirklichkeit. Zu den Bildwelten von Martha Jungwirth, in: Hoerschelmann, Schröder, S. 20

Provenienz direkt von der Künstlerin erworben; seither österreichische Privatsammlung

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2001
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Martha Jungwirth

Maske aus Borneo, 2007

Aquarell auf grundiertem Papier; gerahmt 104 x 71 cm

Signiert und datiert rechts unten: Martha Jungwirth 2007

„Das ist die Methode meiner Arbeit: ich bin dabei ganz auf mich bezogen, Zeichnung und Malerei sind eine Bewegung, die durch mich durchgeht. Durch meine Wahrnehmung und meine Gestik wird es etwas anderes. Das Bild ist ein intelligentes Fleckengefüge, nichts Festgefahrenes. Es geht um das Fluide, Durchsichtige.“1

Martha Jungwirth reist gerne, auch zu entfernt gelegenen Destinationen wie zum Beispiel Süd ostasien. Die Inspiration zu vorliegendem Aquarell holte sich die Künstlerin auf der Insel Borneo, genauer gesagt bei einer Maske, die sie wohl von dort mitgebracht oder dort gesehen hat. Solche Masken, zumeist aus Holz gefertigt, dienten rituellen Zwecken und sind Sinnbilder bedrohter oder bereits untergegangener Kulturen. Mit einiger Fantasie kann man die groben Formen der Maske vielleicht erahnen, aber es geht der Künstlerin vielmehr um das Erfassen der Energie, die Wieder gabe der geheimnisvollen Aura, die von diesen Kultgegenständen ausgeht.

Martha Jungwirth kontrastiert den von einem spontan gesetzten, dichten Formengefüge dominier ten oberen Bildteil mit der weitgehend freigelassenen Partie in der unteren Hälfte und erzeugt so eine unglaubliche Spannung. Rasch setzt sie die Farben dicht an dicht auf das Papier, fängt einen flüchtigen Gedanken, eine spontane Eingebung, ein Gefühl, das sich ihr in diesem einen Moment aufdrängt, ein und hält dieses unwiederbringliche Momentum fest. Dabei malt sie stets eine mög liche Veränderlichkeit, ein Gefühl der Vergänglichkeit mit. Wie einen Geistesblitz, eine Gedanken notiz, die wir gerade noch, bevor sie uns wieder entwischt ist, zu Papier bringen. Die unglaubliche Dichte und Intensität, die diese flüchtigen Momente dennoch haben, entstehen rein aus der Kraft der Farben, die Martha Jungwirth meisterlich für ihre Zwecke einzusetzen versteht. Sie sind die Grundlage der Bildstruktur und auch Träger der Empfindung. Jegliche Erinnerung geht in unglaub licher Verdichtung ein in jene Farbigkeit, die in einem kontrastreichen, einander ergänzenden Mit einander die unglaubliche Sensibilität der Künstlerin offenbart.

Provenienz direkt von der Künstlerin erworben; seither österreichische Privatsammlung

Text: Mag. Sophie Cieslar 1 Martha Jungwirth in: Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Martha Jungwirth, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2018, S 16
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2007
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Max Oppenheimer

Geigen, Hände, Noten, um 1949 Öl auf Leinwand; gerahmt 40,5 x 81,5 cm

Signiert rechts unten: MOPP

In Max Oppenheimers Werk ist das Tempo und die Dynamik der Musik spürbar. Der Akt des Musizierens wird intensiv erlebt. Im vorliegenden Werk nimmt Oppenheimer Anleihen beim Kubis mus und Futurismus; er schafft durch seinen besonderen Kniff eine einzigartige Komposition.

Neben Porträts und Stillleben, in denen Oppenheimer stilistische Anregungen aus der Neuen Sach lichkeit, dem Kubismus, dem Futurismus und dem Dadaismus verarbeitet, galt sein Interesse vor al lem der Darstellung von Musik und deren Protagonisten. Bereits in früher Kindheit hatte er Geigen unterricht erhalten und beschäftigte sich auch künstlerisch lebenslang mit dem Thema Musik bzw. dem Thema Streichinstrumente, das er in verschiedensten Variationen und Techniken bearbeitete. Einen Höhepunkt diesbezüglich markiert die kollektive Hagenbund-Ausstellung in Wien 1924, in der seine monumentalen Orchesterszenen in Öl mit großem Erfolg präsentiert wurden.

Ausgehend vom 1914 entstandenen Gemälde Heßquartett1, das die Musiker in die Komposition noch miteinbezieht, kommt es schon ein Jahr später zu einer formalen Steigerung des Motivs; indem Op penheimer im Ausstellungsplakat für den Kunstsalon Wolfsberg sich erstmals ausschließlich auf die Musikinstrumente, die Hände der Streicher und die Notenhefte konzentriert und die Darstellung der Personen bewusst auslässt. In Anlehnung an kubistische bzw. futuristische Gestaltungsmittel werden die Motive so ineinander verschachtelt dargestellt, dass die Perspektive völlig außer Kraft gesetzt wird.

Auch in dieser Version zeigt Oppenheimer bewusst nicht die Köpfe der Musiker, sondern konzent riert sich ganz auf die drei Instrumente, zwei Violinen und ein Klavier, die Notenhefte und die An ordnung der vier Hände. Dabei legt Oppenheimer viel Wert darauf, die Griffe der einzelnen Finger exakt wiederzugeben. In den bekannten Farblithografien des Rosé Quartett2 steigert er den Fokus auf die Hände sogar noch intensiver, indem er sie – an die mageren Figuren Schieles erinnernd –überzeichnet sehnig und detailliert, mit stark betonten Knöcheln darstellt, was hier nicht im glei chen Ausmaß der Fall ist. Die Notenblätter scheinen durch den Raum zu flattern; bei den Händen und Instrumenten kann sich der Betrachter nicht sicher sein, ob es sich um zwei eng nebeneinan dersitzende Musiker handelt oder nur einen, dessen atemberaubend schnelle Bewegungsabläufe wie auch in futuristischen Werken parallel dargestellt werden.

Text: Mag. Ina Waldstein

1 MOPP. Max Oppenheimer, 1885-1954, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum der Stadt Wien, Wien 1994, Abb. S. 114; Marie-Agnes von Puttkamer, Max Oppenheimer – MOPP (1885-1954), Leben und malerisches Werk mit einem Werkverzeichnis der Gemälde, Wien 1999, S. 242, WkV. Nr. 93

2 Das Rosé-Quartett war ein 1882 von Arnold Rosé und seinem Bruder Eduard Rosé in Wien gegründetes  Streichquartett. Es gehörte zu den bedeutendsten Ensembles der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.

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1949
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Hans Bischoffshausen

TV francaise, 1956/63 Spachtelmasse, Lack auf Karton auf Sperrholz; ungerahmt 50 x 65 cm

Rückseitig zwei Monogramm-Etiketten; eigenhändig betitelt, datiert und signiert: TV-FRANCAISE 1956/ 1963, Bischoffshausen Nachlass-Stempel, Inv. Nr. 280

Avantgardist, Autodidakt, Außenseiter. Mit seiner radikal reduzierten Bildsprache avancierte der Kärntner Maler Hans Bischoffshausen zu den wichtigsten Vertretern der Nachkriegsmoder ne. Stellvertretend dafür steht sein Werk TV Francaise von 1956/63, das Bischoffshausens künst lerische Essenz – nämlich Reduktion, Radikalität und Materialität – auf eindrucksvolle Weise widerspiegelt.

Als Bischoffshausen im Jahr 1956 an seinem Werk TV Francaise arbeitete, befand er sich am Puls der Zeit. Er kannte die internationalen Tendenzen durch Ausstellungen in Italien und Österreich. Nach einer anfänglichen Reflexion der Klassischen Moderne von Paul Klee bis Pablo Picasso fand Bischoffshausen zu einer eigenen Formensprache, die sich der Materialität, Reduktion und Struk tur widmete. TV Francaise ist eines der frühesten Zeugnisse von Bischoffshausens künstlerischer Metamorphose, die mit seinem Aufenthalt im Paris der 1960er-Jahre ihren Höhepunkt erreichte. Er selbst beschrieb seine Entwicklung wie folgt: „…durch Professor Kurt Weber zur Malerei hingeris sen, beginnt seit 1947 der Sturz in die Malerei. Nach Einführung und Weg über die Impressionis ten, analytischem und synthetischem Kubismus eröffnet sich das spielerische Geheimnis von Paul Klee. Nach André Malraux, logisch und wichtig für den Lehrling der Malerei, ergibt sich über viele Stationen die Öffnung zu Lucio Fontana, dessen Teilwerk ich in Abbildungen und real ab 1956 als mein Anliegen erkenne. Über eine noch folgende Zeit fossiler und durchgeübter Materialschlachten in Asphalt, Asche, Firnis und Blech ergibt sich der Durchstoß 1956/57 zur eigenen Formsprache.“1 In TV Francaise lotete Bischoffshausen auf experimentelle Weise die Grenzen der herkömmlichen Malerei aus. Dabei bediente er sich einer reduzierten Formensprache im informellen Gestus. Die Verwendung einfacher Materialien wie Spachtelmasse und Sperrholz verleihen dem Reliefbild nicht nur Plastizität und eine eigene Optik, sondern auch eine Neudefinition des Werkbegriffs. Bischoff shausens Konzept beruht auf Materialität und Reduktion. Stille und Leere schwingen in dem phi losophisch konnotierten Bild mit. Zen, ZERO, Arte Povera und die internationale Avantgarde von Lucio Fontana bis Antoni Tàpies sind hier nicht fern. Werktitel und Motiv lassen auf einen Fernseher schließen, der in den 1950ern zum Massenmedium wurde. Anders als die Pop Art, die etwa zeit gleich stattfand, geht es hier nicht um die plakative Darstellung von Konsum, sondern um eine kon zeptuelle Neuorientierung in der Kunst, die sich auf spirituelle Weise dem Sein widmet.

Text: Dr. Stefan Üner

1 sezession-graz.at/hans.bischoffshausen/ [24.08.2022]

98
1956/63
österreichischer Privatbesitz
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Alfred Hrdlicka

Orpheus II, 1963

Bronze; 2005 nach Stein von 1963 234 x 50 x 80 cm

Rechts unten bezeichnet: A.H. und E A

Mord, Macht, Missbrauch. Mit seiner tabulosen Darstellung existenzieller Abgründe avancierte Alfred Hrdlicka zu den einflussreichsten Bildhauern im 20. Jahrhundert. Zeit seines Lebens stand der menschliche Körper im Mittelpunkt seines Schaffens. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählt die überlebensgroße Skulptur Orpheus II, die auf sein Hauptwerk, dem Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Wiener Albertinaplatz, zurückgeht. Aufgrund ihrer künstlerischen Qualität, ihrer limitierten Auflage und ihrem historischen Kontext zählt die Plastik zu Hrdlickas exklu sivsten Arbeiten.

Als Alfred Hrdlicka 1988 auf Initiative des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk den Auftrag für ein Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus am Albertinaplatz in der Inneren Stadt in Wien er hielt, befand sich Hrdlicka am Höhepunkt seines Erfolges. Als Kind der Zwischenkriegszeit erlebte Hrdlicka die Schrecken des Krieges hautnah. Schon früh wurde er mit politisch brisanten Themen konfrontiert. Zeitlebens engagierte sich der linksorientierte Künstler für Gerechtigkeit und Aufklä rung. Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus konzipierte der Bildhauer als begehbares Denkmal. Neben der kolossalen Marmorskulptur Orpheus betritt den Hades schuf Hrdlicka die Bronzefiguren Orpheus I und Orpheus II, wobei es sich bei letzterer um die hier vorgestellte Arbeit handelt. In Anlehnung an den Naturalismus orientierte sich Hrdlicka an einer figurativen Formensprache in expressiver Gebärde. Das Körperhafte und Pathetische kommt hier nicht zu kurz. Der aus der grie chischen Mythologie stammende Orpheus erscheint als kraftvolle und maskuline Figur in Allansicht.

In ekstatischer Haltung richtet sich der nackte Körper nach oben. Mit der Wahl des Materials in Bronze zeigt sich Hrdlickas Bewunderung für die Klassik. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um ein E. A. (Epreuve d‘artiste) Künstlerexemplar. Die Gesamtauflage betrug 12 Bronzegüsse. Gegossen wurde die Skulptur bei Fonderia Venturi Arte Bologna. Schon Künstler wie Salvador Dalì, Fritz Wotruba und Miguel Berrocal vertrauten auf das italienische Traditionsunternehmen, das seit Mitte der 60er-Jahre für höchste Qualität im Bereich der Kunstgießerei steht.

Die Skulptur Orpheus II entstand 1963 als eine Auftragsarbeit für die Salzburger Festspiele, wo die Steinfassung dieser Arbeit seitdem im Kleinen Festspielhaus bzw. dem heutigen Haus für Mozart permanent gezeigt wird. Diese Marmorskulptur wurde 2005 in Bronze umgesetzt. Weitere Bron zegüsse dieser Arbeit befinden sich etwa in der Sammlung der Neuen Galerie Graz, Graz oder der Sammlung Würth, Künzelsau. Die Bronzeskulptur zählt zu den eindrucksvollsten Zeugnissen der modernen Plastik Österreichs und nimmt aufgrund ihrer Wirkung und Bedeutung einen besonde ren Stellenwert im Werk von Hrdlicka ein.

Text: Dr. Stefan Üner

Provenienz Galerie Ernst Hilger, Wien; seither Sammlung Sanziany & Palais Rasumofsky, Wien

100
1963
39|

Walter Schmögner

aus dem Coronazyklus: Der Würfel, Hannibal, Sechs Freundinnen, Namungimusik, 2020 Mischtechnik auf Leinwand; gerahmt á 80 x 100 cm

Walter Schmögner wurde 1943 in Wien geboren, wo er eine akademische Ausbildung zum Grafi ker erhielt. Er arbeitet als Maler, Zeichner, Buchkünstler, Bildhauer und Bühnenausstatter.

Ihre Vielseitigkeit sticht ins Auge. Sie tragen viele Hüte – welcher ist Ihnen der liebste?

Das Wichtigste war mir immer das Zeichnen, vor allem mit Bleistift. Mit dem Bleistift kann man nicht lügen, ein Strich ist ein Strich. Mein Leben besteht aus Zeichnen, und heute bin ich bald 80 und zeichne noch immer.

Die Bilder in der Zeitreise-Ausstellung stammen aus dem „Corona-Zyklus“. Welchen Aspekt wollten Sie der Diskussion um die Pandemie hinzufügen?

Ich reagiere instinktiv auf äußere Anlässe und will meine Bilder selbst werden lassen. Ich arbeite wie in einem System von Unbewusstheit, lasse mich von einer magischen Kraft ziehen, bis das Bild fertig ist. Diese Bilder hier haben an sich nichts mit Corona zu tun, aber sie sind in der Zeit entstanden.

Deutlich stellt sich der Bezug zur Pandemie in Ihrer Arbeit „Der Würfel“ dar. Sind die Würfel gefallen?

Das ist die alte Geschichte vom Tod und dem Würfel – je nachdem, wie gewürfelt wird, wird gestorben. In diese Richtung habe ich das Bild gelenkt. Wer überlebt also?

Wenn wir von Corona reden: Der überlebt, der geimpft ist und vernünftig war.

Die Titel Ihrer Bilder lassen oft aufhorchen. Kommt zuerst der Titel oder die Idee?

Zuerst kommt eigentlich die Skizze, dann erst die Übersetzung auf Papier oder Leinwand. Der Titel kommt immer am Schluss. Ich überlege mir, was am besten dazu passt, ich erfinde da gerne etwas.

Das trifft sicherlich auf den Titel Namungimusik zu…

Das habe ich mir ausgedacht, es klingt ein wenig afrikanisch und dynamisch. Die Dynamik in dem Bild hat mit Musik zu tun. Ich bin selbst Musiker, und den Rhythmus verlernt man nicht. Mein Gefühl für Rhythmus übersetzt sich wohl in Kunst.

Wie entsteht Ihre Malerei? Zeichnen Sie Ihre Gedanken?

Ja, das kann man so sagen. Es ist wie eine Metamorphose von Gedanken in Gestalten.

Wie wichtig ist Ihnen in Ihrer Arbeit die Ironie, die Tragikomik?

Meine erste Ausstellung 1965 nannte ich „Humor Satire Ironie“, das zieht sich weiter. Ich halte es wie in der jüdischen Tradition – man muss über sich lachen können!

Sie sind für Ihren subversiven Witz bekannt – ich denke da an Ihre Briefmarke mit der vergammelten Birne 1986…

Da geht es um die Lust zu sehen; wie im Prozess des Verfalls wunderschöne Farben und Formen entstehen können. So wie eben bei der faulen Birne. Das Komische und der Verfall hängen oft zu sammen, man kann es positiv sehen oder negativ, ich sehe beides. Aber im Endeffekt bleibe ich positiv.

Text: Mag. Alexandra Markl

102 40|

Provenienz österreichischer Privatbesitz

2020
103

Werner Berg

Kirchgeherin, 1961

Öl auf Leinwand; gerahmt 75 x 95 cm

Monogrammiert rechts unten: W.B.

Stark, mit klaren Linien und dem Blick für Details in Ausdruck und Stimmung porträtiert Werner Berg eine Landschaft und ihre Bevölkerung, die sich in ewigem Umbruch, in einem Zwischenraum und Zwischensein befindet.

„1923 kam ich zum Studium nach Wien, und seitdem wurde mir Österreich zum Schicksal, zum Bo den meiner geistigen Entwicklung. Dass ich dann, Maler geworden auf dem Rutarhof in Kärnten lan dete, war Fügung oder, besser: eine Kette von Fügungen. Das Unterland, das so abseitig und über schrien ist, hatte es mir bald angetan. Ungewöhnlich und von keinem Klischee erfassbar erschienen mir auch von Anfang an die Menschen, die Kärntner Slowenen, deren Wesen ich noch nirgends echt geschildert sah. Es wäre so töricht wie falsch, sie herabzusetzen, noch auch sie billig zu idealisieren. Katholische Religiosität im Verein mit aus dem Schoß der Uhrzeit Überkommenem, ein unentweg ter Fleiß und Misstrauen gegenüber großen Tönen, aber auch gegen alles zu Klare kennzeichnen die Bevölkerung. Nach einem Jahre Hiersein hätte ich leichter und mehr aussagen können als jetzt nach über zwanzig Jahren, denn alles, was sich hier vollzieht, ist nicht leicht benennbar oder durchsich tig. Eben dies Geheimere musste aber für den Künstler unserer Zeit, der ja dem Vordergrund der Dinge misstraut und die Erschütterung der Welt in den Eingeweiden spürt, ein großer Anreiz sein. Gewiss gibt es anderswo prächtigere Trachten und stattlichere Menschen, aber nur zu leicht fehlt – ich habe es zuweilen erfahren – jenes schwer zu definierende Gewürz der Besonderheit. Wer von denen, die nicht mit den Pappendeckelkronen der Altmeisterlichkeit spielen, könnte noch jene klare Selbstverständlichkeit und robuste Frische anstreben wie Courbet oder Leibl? Der Sprung, der Hang zu Chimäre, man mag ihn bedauern oder nicht, ist unleugbar, auch ist es das Chimäri sche nicht allein, das in den Geräuschen des Tages auf den unheimlichen Unterton horchen lässt, lange noch, bevor der steinerne Gast auftritt. Man gehe in eine der unberührteren Dorfkirchen, zu Allerheiligen auf den Friedhof von Eberndorf oder an einem der bestimmten Feiertage zum Hem ma- oder Liesnaberg, wo das Volk zusammenströmt und eine Fülle von Anblicken bietet, in denen man mühelos hinter Anekdote und Folklore große Form, zeitlose Begebenheit und bildträchtiges Geheimnis entdecken kann.“1

Provenienz Privatbesitz, Deutschland; österreichischer Privatbesitz

106
1961
41| 1 Werner
1947
107

Franz Grabmayr

Winterbaum , 1983

Öl auf Leinwand; ungerahmt 155 x 111,5 cm

Rückseitig signiert und datiert: Grabmayr 1983

1

Franz Grabmayr, der Maler der vier Elemente hat ein unverwechselbares Werk geschaffen, in dem er den Farben und Kräften der Natur, der er sich ein Leben lang tief verbunden fühlte, in aufwühlenden, skulptural anmutenden Bildern beeindruckende Denkmäler setzte. Seine un beirrbare, im positivsten Sinne eigenbrötlerische Herangehensweise, in der sich pragmatische Bodenständigkeit mit aktionistischen Tendenzen vermischte, machte ihn zum Vorbild für jün gere Künstler wie Gunter Damisch oder Herbert Brandl. Zuerst als Geheimtipp gehandelt wer den Grabmayrs Arbeiten längst regelmäßig in wichtigen Museen und Galerien gezeigt und von Sammlern und Kunstliebhabern hoch geschätzt.

Trotz seiner Vorliebe für Ruhe und Abgeschiedenheit und dem Umstand, dass Grabmayr Auftritte in der Szene lieber vermied, gibt es interessante Parallelen zur zeitgenössischen Kunstgeschichte, wie dem Wiener Aktionismus, der Land-Art oder den Material-Bildern Anselm Kiefers. „Es ist diese Energie des Malakts, die sich auf dem Bildleib abdruckt und die Franz Grabmayr von allen anderen, die in der Stofflichkeit der Farbe ihr wesentlichstes Ausdrucksmedium finden, unterscheidet. Die Materialmalerei von Gaston Chaisac, Jean Fautrier, Jean Dubuffet, Antoni Tapiès oder Alberto Burri ist demgegenüber statisch."1 Als sein großes Vorbild sah der Künstler Paul Cézanne, dessen Werk er intensiv studierte. Von den österreichischen Malern sind es besonders die Expressionisten Herbert Boeckl und Oskar Kokoschka, denen er sich verwandt fühlte, aber auch die Fauves und die Maler der Brücke waren wichtige Inspirationsquellen für ihn. Grabmayrs glückliche Kindheit am Land in Kärnten führte zu einer tiefen und spürbaren Naturverbundenheit: Berge und Felsen, Flüsse, Wur zeln, alte Bäume, Kornmandeln, Sandgruben und immer wieder das Feuer sind seine Motive. In den über die Jahre immer pastoser werdenden Gemälden verarbeitete er Unmengen an Farbe, in die er häufig vor Ort gefundenes Material, das zum Motiv passte, hineinmischte, wie etwa Sand, Asche oder Stroh. Dicke Schichten Farbe werden mit der Spachtel wuchtig neben- und übereinander auf getragen, bis eine reliefartige, geradezu zerklüftete Oberfläche entsteht, die unter dem Einfluss der Schwerkraft auch nach Abschluss des Werkes noch weiterarbeitet - seine Ölbilder scheinen so beinahe ein Eigenleben zu führen.

Grabmayrs Werke sind im doppelten Sinne keine Fliegengewichte, man kann gut erkennen, dass hier angepackt und mit und in der Natur gearbeitet wurde:

„… Ich erleb‘ die Natur so kraftvoll und muss mit der gleichen Kraft das umsetzen. Und im Bild muss die Kraft der Natur drinnen sein.“2

Text: Mag. Ina Waldstein

Provenienz

Privatbesitz

108 1983
österreichischer
Klaus A. Schröder: Das Gewicht der Malerei und die Transparenz des Körpers, in: Franz Grabmayr“, Hrsg.: Österreichische Galerie Belvedere, Wolfratshausen 2002, S. 163 2 Franz Grabmayr in: Franz Grabmayr, Galerie Welz, Salzburg 2022, S 3 42|
109

Franco Kappl

o.T., 2021 Acryl auf Leinwand; ungerahmt 180 x 145 cm

Rückseitig bezeichnet, signiert und datiert: o.T. F. Kappl 2021

Der Kärntner Gegenwartskünstler Franco Kappl hat sich mit seinen abstrakt-expressiven Bil dern längst einen Namen am internationalen Kunstmarkt gemacht. Dass der Maler auch leisere Töne anschlagen kann, beweist er in dieser jüngeren Arbeit von 2021. Mit Ruhe und Routine erzeugt er ein poetisches Zusammenspiel von Farbe und Form.

Franco Kappl blieb sich stets treu. Seit Jahrzehnten arbeitet er kontinuierlich an seinem abstrakten Bildkosmos. Als Schüler von Arnulf Rainer lernte er die Formeln des Informel kennen. Mit Abstrak tion, Spontanität und Zufall wollten die jungen Wilden der 1980er die klassische Malerei befreien. Auch Franco Kappl arbeitet in ähnlicher Weise. Er steht in der Tradition des abstrakten Expressio nismus und des Informel von Herbert Brandl, Hubert Scheibl und Siegfried Anzinger bis zu Anto ni Tàpies und Pierre Soulages. Kappls Markenzeichen sind Großformate meist in Schwarz-Weiß. Spontan und impulsiv geht er dabei an die Sache heran. Sein Duktus ist explosiv und energiegela den, der wilde Gestus dominiert in seinen ungegenständlichen Motiven. Es geht nicht um Abbildung oder Repräsentation; Kappls Bilder bauen sich aus einer inneren Ordnung und Notwendigkeit auf, die für sich allein autonom stehen.

So auch bei dem vorliegenden Acrylbild, bei dem Kappl den Umkehrprozess anwendet. Wo nor malerweise die Farbe Schwarz den Bildraum beherrscht, setzt er bewusst auf die Farbe Weiß in Kombination einer sparsamen Farbpalette. Weniger ist mehr. Die Form wird zum Gefühlsträger, die Farbe tut ihren Rest. Das Sujet lebt von der Abstraktion und Reduktion, von der Leere und Struktur. Impulsive Pinselstriche stehen im Kontrast zu den horizontalen Linien, die sich aus schwarzen Ele menten zu zarten grafischen Linien verwandeln, die aus dem Bildraum fließen. Unterbrochen wird das Konzept von einem breiten, lasierenden Pinselstrich in der Mitte, der der fragilen Optik eine gewisse Beständigkeit und Festigkeit verleiht. Das Ganze wirkt spontan und intuitiv, gleichzeitig kalkuliert. Kappl folgt seiner Eigenlogik und das mit großem Erfolg. Auf einen Werktitel verzichtet der Maler. Aus der Askese soll das Bild für sich selbst sprechen.

Text: Dr. Stefan Üner

Provenienz Galerie Ulysses, Wien

110
2021
43|
111

Hermann Nitsch

o.T., 2005 Öl auf Leinwand; gerahmt 105,5 x 80,5 cm

Rückseitig signiert und datiert: Hermann Nitsch 05

Die drastische Erweiterung der Farbpalette ist typisch für jüngere Werke Hermann Nitschs. Leuchtende, knallige Farben, die sich nebeneinandergesetzt in ihrer Wirkung verstärken, versprühen eine unbändige Lebensfreude und einen ungebrochenen Optimismus. Ein Schüttbild wird überlagert mit einer dicken Farbschicht im oberen Bereich, die der Künstler im noch feuch ten Zustand mit der Hand bearbeitet hat. Die kompakte, runde Form zeigt die Spuren, die die Fin ger und Hände des Künstlers hinterlassen haben. Das Rot der zugrundeliegenden Schüttung wird von intensivem Blau in unterschiedlichen Schattierungen und einem hellen Grün überlagert.

„Das SEIN ist für mich und mein Theater und meine Kunst der wesentliche Bezugspunkt.“1 In den Bildern Hermann Nitschs, wie in den Aktionen oder im Orgien Mysterien Theater, geht es immer um das Existentielle, um das Leben, das Sterben, die Auferstehung. Wenngleich er früh zum intensiven Rot – der Farbe des Blutes – als bestimmenden Farbton in seinem Werk findet, setzt er sich doch immer wieder mit der Farbenlehre auseinander. In den Jahren 1979 bis 1981 und 1989 bis 2002 hält er Kurse zu einfachen Farb- und Formversuchen an der Frankfurter Kunsthochschule ab. Auch in seiner Verehrung der großen Meister der Malerei – Tizian, Tintoretto, Veronese, Rubens, El Gre co, Vermeer oder Velasquez – schwingt das genaue Studium von, wie Nitsch es nennt, gekonnten „Farbräuschen“2 mit. Jeder Farbton kann einer bestimmten Stimmung zugeordnet werden und diese beim Betrachter hervorrufen: „die reine farbe, die harmonie der farbe, jenseits komplizierter kunst gestaltungen, vermag gesundheit, ruhe, ausgeglichenheit, lebendigkeit, freude und rausch zu ver mitteln, auch gefühle, empfindungen wie trauer, freude, schmerz, qual, angst, liebe. katastrophen wie verletzung, tod, zerstörung, vorgänge wie heilung, genesung, auferstehung konnten durch farb reihen dargestellt werden.“3

Neben der Bedeutung der Farbigkeit an sich, die vor allem im späten Werk verstärkt zum Tragen kommt, spielt aber auch die Auffassung Hermann Nitschs, die Farbe nicht bloß als Klang zu begrei fen, sondern als Farbsubstanz, eine wesentliche Rolle. Hier liegen seine Wurzeln im internationalen Informel und eröffnen ihm neue Möglichkeiten im Einsatz einer „Farbmaterie, die verschmiert wer den kann, verspritzt werden kann. man kann in die Farbpaste, in den Farbschleim wie in Eingeweide hineingreifen.“4 Nebenstehende Arbeit von 2005 ist ein gutes Beispiel für diesen sehr sinnlichen Umgang.

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Hermann Nitsch auf: https://www.parnass.at/news/nitsch-neue-arbeiten, aufgerufen am 11.9.2022

2 https://www.nitsch.org/farblehre/, aufgerufen am 11.9.2022

3 Hermann Nitsch auf: https://www.nitsch.org/farblehre/, aufgerufen am 11.9.2022

4 Hermann Nitsch auf: https://www.parnass.at/news/nitsch-neue-arbeiten, aufgerufen am 11.9.2022

112 2005
44| Provenienz österreichischer Privatbesitz
113

Hermann Nitsch

o.T. (Schüttbild), 2020 Acryl auf Leinwand; ungerahmt 200 x 150 cm

Rückseitig signiert und datiert: Hermann Nitsch 2020

Zeit seines Lebens arbeitet Hermann Nitsch am Gesamtkunstwerk des Orgien-Mysterien-Thea ters, vorübergehend widmet er sich ausschließlich dem Schreiben von Partituren und Realisie ren von Aktionen. In den frühen 1980er-Jahren findet er wieder zur Malerei zurück, die vor allem in seinem späten Werk wieder eine wesentliche Rolle spielt.

„eine starke lust überkam mich, wände und bodenflächen wieder zu bemalen. ich erlebte… viel freu de beim beschütten, besudeln und bespritzen der flächen mit blutroter farbe. geschult durch die aktionen erreichte ich eine bei den früheren malereien nicht vorhandene unbekümmertheit, frische und spontaneitat. Eigentlich habe ich alles nur von oben bis unten besudelt.“1.

Die enigmatischen Schüttbilder von Hermann Nitsch sind wesentlicher Bestandteil seines male rischen Schaffens. Sie entstehen im Rahmen der Aktionen, Malaktionen und auch als eigenstän dige Werke. Sie sind gleichsam die Essenz seines Kunstwollens. Dabei setzt er auch hier die Farbe Rot, die für ihn für Tod und Leben gleichermaßen steht, ein. Von einem verdichteten oberen Rand lässt er sie nach unten rinnen. Die Rinnsale ergeben ein spontanes Geflecht an teils parallel, teils einander überlagernden, mal dunkleren, mal helleren Streifen, die eine vibrierende Dynamik ent falten. “Die Malerei soll unser Empfinden zu tiefer und intensiver sinnlicher Registrierung öffnen.“2

Hermann Nitschs Malerei ist Zeichen einer „gewaltigen Vitalitätsaufwallung“3, die uns die Urkräfte unseres Daseins direkt vor Augen führt und erfahrbar macht.

Text: Mag. Sophie Cieslar

1 Hermann Nitsch in: Nitsch. Das bildnerische Werk, Ausstellungskatalog, Museum moderner Kunst, Wien, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1988/1989, S.198

2 Hermann Nitsch in: Mappe zur 20. Malaktion in der Wiener Secession, Wien 1987, S, 25 3 s.o., S.27

114 2020
45| Provenienz österreichische Privatsammlung
115
Die Künstler ZEITREISE2022 12.–28. Oktober Mo–Fr 10–18 Uhr Sa 15. & So 16. Oktober 10–17 Uhr

Marc Adrian Aljoscha

Ferdinand Andri Karel Appel

Werner Berg

Hans Bischoffshausen Ross Bleckner

Herbert Boeckl

Herbert Brandl

Arik Brauer Josef Floch

Franz Grabmayr

Hans Hartung

Lena Henke

Alfred Hrdlicka

Wolfgang Hutter Martha Jungwirth

Franco Kappl Anton Kolig

Brigitte Kowanz Maria Lassnig

Constantin Luser

Anton Mahringer Otto Muehl

Hermann Nitsch

Max Oppenheimer

Markus Prachensky

Drago J. Prelog

Arnulf Rainer

Gerwald Rockenschaub Hubert Scheibl

Walter Schmögner

Hans Staudacher

Alfons Walde

118

Marc Adrian

Marc Adrian wurde 1930 in Wien geboren. Er studierte ab 1948 zunächst Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste; 1965 absolvierte er ein Studium der Wahrnehmungspsychologie an der Universität Wien. 1970 wurde er als Professor für Malerei und ästhetische Theorie an die Hochschule für bildende Kunst in Hamburg berufen. 1982, sowie 1995 und 1996 hatte er einen Lehrauftrag an der Akademie für angewandte und bildende Kunst in Wien inne.

Adrian tat sich als Avantgardekünstler und als Filmemacher her vor. Mit seinen Filmen gehörte er neben Peter Kubelka und Ferry Radax zur ersten Generation des österreichischen Avantgarde films. In seinen Arbeiten setzte er sich mit Rhythmusinterferenzen und Strukturproblemen, mit Infra- und Metastrukturen und der optischen Semantik in Bildern, Objekten, Texten und Filmen auseinander.

Seine Werke sind im In- und Ausland in zahlreichen Ausstellungen präsentiert worden. 1967 erhielt er den Theodor-Körner-Preis.

Marc Adrian starb 2008 in Wien.

Aljoscha

Der ukrainische Künstler Aljoscha kam 1974 als Aleksey Aleksee vich Potupin in Glukhov zur Welt. 2001 und 2002 lernte er unter Prof. Konrad Klapheck an der Kunstakademie Düsseldorf als Gast hörer. An der internationalen Sommerakademie für bildende Kunst in Salzburg konnte er 2006 bei Shirin Neshat studieren. Bereits zwei Jahre später erhielt er seine erste Auszeichnung: Den ersten Preis in Skulptur auf der XXXV. Premio Bancaja, Valencia, Spanien. 2009 überzeugte er erneut und erhielt den Skulpturpreis „Schloss park 2009“ in Köln. Aljoscha zeichnete sich weiter aus; erhielt Stipendien für „Hybrid Art Projects“ in El Zonte 2010 und 2011 für den Kunstgarten Graz.

Spannende Projekte machten auf den Künstler aufmerksam: Im Jahr 2010 fand das Installationsprojekt »bioism uprooting populus« statt, welches durch die Karin Abt-Straubinger Stiftung in Stuttgart gefördert wurde. Als der deutsche Bundestag mit der Aus stellung „1914/18 – Not Then, Not Now, Not Ever“ zum 100. Mal an das Ende des Ersten Weltkriegs erinnerte, vertrat Aljoscha die Ukraine.

Seine Werke sind in zahlreichen Privatsammlungen und Museen vertreten, darunter im Erarta Museum of Contemporary Art in St. Petersburg, im Kupferstichkabinett Berlin sowie im State Museum of Contemporary Art in Thessaloniki. Heute lebt und arbeitet der Künstler in Düsseldorf.

Aljoscha, in: https://www.beck-eggeling.de/ de/artists/aljoscha

Marc Adrian: https://www.sixpackfilm.com/ en/catalogue/filmmaker/22/
119

Ferdinand Andri

Ferdinand Andri wurde 1871 in Waidhofen an der Ybbs, Öster reich-Ungarn, geboren. Sein Vater war Vergolder; er selbst machte von 1884 bis 1886 eine Lehre beim Holzschnitzer und Altarbauer Johann Kepplinger in der Nähe von Linz. Sein Weg führte ihn über die Staatsgewerbeschule in Innsbruck nach Wien an die Akademie der bildenden Künste. Seine Lehrer waren Julius Victor Berger, Eduard von Lichtenfels und August Eisenmenger. 1892 zog es ihn weiter an die großherzogliche Kunstschule, um unter Caspar Ritter und Claus Meyer zu lernen. Seine Studienreisen führten ihn nach Italien, Frankreich, England und Nordamerika.

Andri wurde 1899 Mitglied der Wiener Secession und war 1905/06 ihr Präsident, bevor er sie 1909 verließ. Auch an der JugendstilZeitschrift Ver Sacrum arbeitete er in dieser Zeit mit. Bereits 1912 galt er als anerkannter Landschafts-, Genre- und Porträtmaler; auch als Lithograf und Bildhauer hatte er sich einen Namen ge macht. Im selben Jahr trat er dem Deutschen Werkbund bei. Ob wohl er 1914 als Lehrer für die Wiener Akademie vorgeschlagen wurde, lehnte Erzherzog Franz Ferdinand ihn ab; der Erzherzog hatte nichts übrig für die modernen Kunstströmungen.

1915 wurde seinem Gesuch auf Aufnahme als Kriegsmaler statt gegeben. Ihn verschlug es nach Belgrad, danach in die Bucht von Cattaro, nach Montenegro und Albanien. Malend und Eindrücke festhaltend kam er auch ins Ortlergebiet und in die Dolomiten. In Tirol entstanden zahlreiche Porträtstudien, sowie Plakatentwürfe zugunsten des Kinderhilfswerks, der Kriegsinvalidenstiftung und für Kriegsausstellungen.

Nach Kriegsende zog er nach St. Pölten, gleichzeitig erhielt er endlich den Lehrauftrag an der Wiener Akademie, an der er bis 1939 unterrichtete. Er leitete 16 Jahre eine Meisterschule, wurde Prorektor und nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich Vorsitzender der kommissarischen Leitung der Akademie. Andri war Mitbegründer des österreichischen Werkbundes.

Zeit seines Lebens wurde er mit einigen Preisen ausgezeichnet, darunter der Lampi-Preis der Akademie der bildenden Künste Wien (1890), die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft (1941), der Ferdinand-Georg-Waldmüller-Preis der Stadt Wien (1944) und der Goldene Lorbeer des Künstlerhauses (1951).

Ferdinand Andri starb 1956 in Wien.

Karel Appel

Der für seine farbintensiven Kompositionen berühmte Karel Appel wurde 1921 in Amsterdam geboren. Seine Familie hatte klare Vorstellungen, wie er sein Leben zu gestalten hatte; das Friseurge schäft seines Vaters hätte er weiterführen sollen. Doch mit 21 re bellierte er und meldete sich an der Rijksacademie voor Beelden de Kunsten an; der Rauswurf aus dem Elternhaus folgte prompt.

Mit den Malern Constant und Corneille gründete er die Künstler vereinigung Nederlands Experimentele Groep. Zu dieser Zeit schuf er Skulpturen aus Schrott, musste aber einsehen, dass er als Bildhauer wenig Anklang fand; seine Gemälde waren es, die Erfol ge feierten. Die abstrakte, farbintensive Malerei führte ihn gerade wegs zur Gründung des Künstlerkollektivs CoBrA; der Name setzt sich aus den Heimatstädten der Protagonisten zusammen: Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam. Karel Appel wurde schnell zum bedeutendsten Repräsentanten der Vereinigung.

Appel wurde bereits 1954 mit dem UNESCO-Preis auf der XXVII. Biennale in Venedig ausgezeichnet. Im selben Jahr folgte der Internationale Preis für Grafik in Ljubljana. Auf der Biennale in Sao Paulo erhielt er den Großen Preis für Malerei und 1960 den Internationalen Preis der Guggenheim Foundation.

Seine Werke wurden international ausgestellt, darunter in Wien, Paris, München, Den Haag, Washington, Los Angeles, Amsterdam und Berlin. Die letzte Ausstellung fand 2022 in Paris und New York in der Galerie Max Hetzler statt.

Karel Appel starb 2006 in Zürich.

Ferdinand Andri: By Ferdinand Andri, in: https://www.gedaechtnisdeslandes.at/ fileadmin/user_upload/Personen/ andri-ferdinand-2145.jpg Karel Appel, von Marcel Antonisse / Anefo - Nationaal Archief
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Hans Bischoffshausen

Der 1927 in Feld am See geborene österreichische Maler und Kulturkritiker Hans Bischoffshausen zählt zu den Hauptvertreten der zeitgenössischen Malerei und Graphik; der Kärntner wird der europäischen Avantgarde der späten 50er-und 60er-Jahre zugerechnet.

Hans Bischoffshausens Kindheit und frühen Ausbildungsjahre wa ren von Umzügen und Krieg geprägt. Er legte seine Reifeprüfung in Villach ab und begann 1946 ein Architekturstudium an der TH Graz, welches er nie beendete. Diese Jahre nutzte Bischoff shausen, um sich als Autodidakt mit den Techniken und Stilmit teln der Klassischen Moderne auseinanderzusetzen.  Zwischen 1957 und 1959 waren Hans Bischoffshausens Werke in zwei Einzelausstellungen zu sehen. Erstere fand in der Galleria del Cavallino in Venedig statt. Letztere wurde in Otto Mauers Galerie nächst St. Stephan in Wien dem Publikum präsentiert. Infolgedessen erhielt der Künstler den ersten Joanneumspreis für zeitgenössische Malerei und konnte sich so einen Traum erfüllen: Er zog nach Paris und schloss sich der Gruppe Zero-Avantgarde an. Durch diese Gruppe lernte er den italienischen Künstler Lucio Fontana kennen, der Bischoffshausens Arbeitsweise und Leben nachhaltig prägte.

Werner Berg

Werner Berg zählt heute zu einem der bekanntesten österrei chischen Künstler des letzten Jahrhunderts. 1904 im Wupper tal geboren, ergriff ihn schon früh die Leidenschaft zur Kunst. Jedoch musste er nach der Schule, aufgrund der nach dem Ersten Weltkrieg finanziell schlecht gestellten Situation der Familie, eine Handelslehre und ein Studium der Staatswissenschaften absolvieren, welches er 1927 in Wien mit Promotion samt Auszeichnung abschloss. Direkt im Anschluss bot sich Werner Berg nun endlich die Möglichkeit, seinen lang gehegten Traum zu verwirklichen: Er studierte unter Karl Sterrer Malerei an der Akademie der bildenden Künste. Bald entsprach Sterrers Lehr weise nicht mehr seinen Vorstellungen und so wechselte Berg als Meisterschüler nach München zu Karl Caspar. Im Jahre 1930 zog er mit seiner Frau Amalie Kuster auf einen von ihm erworbenen Hof nach Kärnten, wo sie mit einem befreundeten Dichter die bäuerliche, ländliche Idylle genossen. In den frühen Bildern sind es vor allem seine Kinder, die seine Darstellungen bevölkern.

In der Heimat feierte Berg große Erfolge und nahm an einer Vielzahl von Ausstellungen teil, jedoch änderte sich die Lage mit Beginn des Nationalsozialismus maßgeblich. Bergs Bilder wurden auf der Schau Entartete Kunst gezeigt, sie „würden nicht dem gesunden Volksempfinden entsprechen“, was die Untersagung der Fortsetzung der Malertätigkeit und ein Ausstellungsverbot mit sich trug. Zum Schutz und um seiner Leidenschaft als Maler weiterhin nachgehen zu können, trat er 1936 der Auslandsorgani sation der NSDAP bei. Während der Kriegsjahre ließ sich Werner Berg zum Sanitäter ausbilden, um eine Einberufung zu umgehen, wurde jedoch 1941 als Kriegsmaler nach Norwegen gesandt.

Nach dem Krieg bemühte sich Werner Berg um die österreichi sche Staatsbürgerschaft, die er 1947 mit seiner Familie erhielt. Im selben Jahr wurde Berg Mitglied des Art Club in Wien; er pflegte Kontakte zu jungen Künstlern wie Arnulf Rainer, Paul Flora und Maria Lassnig, die ihn auf seinem Hof in Kärnten besuchten. Sein zunehmender Erfolg zeichnete sich durch zahlreiche Ausstellun gen und Auszeichnungen ab; er nahm 1950 an der Biennale von Venedig teil und 1961 an einer großen Werkschau im Münchner Lehnbachhaus. 1968 entstand eine Werner-Berg-Galerie in Blei burg, die seit seinem Tod (1981), zu einem Museum umfunktio niert, sein Œuvre zeigt.

Fontana zerstörte die homogene Fläche monochromer Farbe durch Einschnitte in die Leinwand und öffnete dadurch das Bild für den Raum. Auch die Arbeiten von Bischoffshausen zeichnen sich durch eine radikal reduzierte Formensprache und eine minimalistische Materialwahl aus. Wie auch seine französischen Freunde betrieb Hans Bischoffshausen Strukturforschung in Weiß auf Weiß. Der Künstler entwickelte Struktur-Reliefs: Diese plasti sche Erweiterung der Bildfläche führt zur Auflösung der Trennung von Bild und Raum. Die letzten seiner Arbeiten aus dieser Periode waren nicht mehr auf Fotografien festzuhalten, sondern nur noch mit dem Tastsinn erforschbar.

Mit seinem Werk war Hans Bischoffshausen in Österreich zu dieser Zeit ein Einzelgänger. Später entdeckte er die Kreuzform für sich und erforschte sie, indem er die Bildflächen lochte und brannte. Längst arbeitete er nicht mehr nur in Weiß, sondern auch in Gold und Rot. Er starb 1987 in Villach.

Hans Bischoffshausen, 1985 © Fotograf Michael Leischner, Villach, in: http://sammlung-essl.at/jart/prj3/ essl/main.jart?content-id=1363947043047&rel=de&ar
ticle_id=1364382716111&reserve-mode=active 121

Ross Bleckner

Zu den wichtigsten lebenden Zeitgenossen zählt Ross Bleckner, der 1949 in New York geboren wurde. Ab 1971 studierte er mit Sol LeWitt und Chuck Close an der New York University und am California Institute of the Arts; er schloss 1973 mit einem Master ab. Zwei Jahre später widmete ihm die Mary Boone Gallery eine Einzelausstellung. Das Guggenheim Museum zeigte in einer MidCareer Retrospektive bereits 1995 Werke des Künstlers.

Bleckner ist in einigen wichtigen Sammlungen präsent; darunter im Museum of Modern Art New York, im Museum of Contempo rary Art Los Angeles, in der Collezione Maramotti in Italien, dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Spanien und im Whitney Museum of American Art in New York.

Herbert Boeckl

Der autodidaktisch hochbegabe Künstler Herbert Boeckl gilt als eine der prägenden Figuren der Kunst des 20. Jahrhunderts. Maß geblich beeinflusste er die österreichische Moderne, nicht nur als Schöpfer von Landschaften, Stillleben und sakralen Arbeiten, sondern auch als Lehrmeister von einer ganzen Künstlergenera tion. Sein Werk, das anfangs von Schiele und Kokoschka inspiriert gewesen war, entwickelte sich zusehends in Richtung abstrakter Malerei, wobei die Farbigkeit immer im Vordergrund stand. Nach dem Tod Klimts und Schieles und der Übersiedlung Kokoschkas von Wien nach Dresden führte er die österreichische Malerei aus der Stagnation des Expressionismus. Herbert Boeckl (bis 1938 „Böckl“) wurde 1894 in Klagenfurt ge boren. Nachdem die Wiener Akademie der bildenden Künste ihn nicht angenommen hatte, studierte er zunächst Architektur an der Technischen Hochschule und belegte nebenbei einige Kunst kurse. Er kam in Kontakt mit Adolf Loos, der das Talent Boeckls erkannte und ihn als Privatschüler aufnahm; woraus sich Be kanntschaften mit Egon Schiele, Carl Moll und Oskar Kokoschka ergaben, die sein Frühwerk prägten. Nach dem Ersten Weltkrieg brach er sein Architekturstudium ab und widmete sich voll ends der Malerei. Er stellte im Wiener Künstlerhaus sowie in der Secession aus; erhielt 1934 sogar den Großen Österreichischen Staatspreis für das Werk „Hymnus an Maria“. Schließlich wurde er Professor an der Akademie, die ihn fast zwanzig Jahre zuvor als Student abgelehnt hatte, und wurde für einige Zeit deren Direktor. Neben seiner beachtlichen künstlerischen Karriere, die ihn etwa bis zur Biennale in Venedig brachte, gilt er vor allem als Wegbereiter des kulturellen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Er starb 1966 in Wien an den Folgen eines Hirnschlags.

Ross Bleckner, von Porter Hovey Herbert Boeckl in seinem Atelier in der Argentinierstraße, 1964, abgebildet in: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl Ausstellungskatalog, Belvedere Wien, Wien 2009/2010, Weitra 2009, S. 400
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Herbert Brandl

Der sich selbst als „Pessimist aus Leidenschaft“ beschreibende Künstler Herbert Brandl wurde 1959 in Graz geboren. Er zählt mit seinen großformatigen Bilderwelten zu den erfolgreichsten österreichischen Malern der Gegenwart. Dies zeigt sich einer seits dadurch, dass seine Werke in bekannten Museen ausgestellt werden, darunter die Albertina, das Museum Moderner Kunst Stif tung Ludwig, die Kunsthalle Bern und die Kunsthalle Zürich, das Centre Georges Pompidou in Paris, sowie das Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid. Andererseits zeichnet sich Herbert Brandls Erfolg in den Verkaufserlösen diverser Auktionen der letzten Jahre ab.

Herbert Brandl besuchte die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien bei Herbert Tasquil und Peter Weibel. Als er sich in den 1970ern der Malerei zuwandte, wurde das Tafelbild wieder einmal totgesagt. An dessen Platz waren Performance-, Konzeptund Medienkunst gerückt. Doch der junge Künstler ließ sich nicht beirren und studierte die Malerei. Aufgrund seines farbexplosiven und gestischen Stils zählte der gebürtige Steirer bald zu den sogenannten Neuen Wilden.

Seit den 1980er-Jahren ist Herbert Brandl ein wichtiger öster reichischer Vertreter des Neoexpressionismus. In einem Interview erklärte der Künstler, dass er sich seiner Meinung nach auf einer Wanderung befände, auf der er stehen bliebe, um Details oder Geschichten zu sehen. Zentrale Themen sind und waren für ihn problematische Lebenssituationen wie Unfälle oder auch der Tod. Diese Bezüge sind für den Betrachter nicht zwingend er kennbar, sieht er doch vorwiegend Natur, Blumen und Landschaf ten. Für Brandl ist es aber gerade diese Auswahl an Motiven, die diese schmerzhaften Situationen darstellbar machen.

Ab Mitte der 80er-Jahre nahm Brandl an international bedeu tenden Ausstellungen teil. Dazu gehören die Biennale de Paris (1985), Musée d’Art de la Ville de Paris (1990), die documenta IX (1992) und „Painting on the Move“ in der Kunsthalle Basel. 2007 war er auf der Biennale in Venedig im österreichischen Pavillon vertreten. Zwischen 1985 und 1991 hatte er eine Gastprofessur in Wien inne; im Jahr 2004 folgte dann der Ruf als Professor an die Kunstakademie in Düsseldorf. Heute lebt und arbeitet er in Schwanberg und Wien.

Arik Brauer

Arik Brauer wurde 1929 in Wien geboren und musste bereits in jungen Jahren vor dem Nazi-Regime fliehen; er überlebte die Zeit untergetaucht in einem Versteck, sein Vater starb in einem Konzentrationslager. Direkt nach Kriegsende trieb es ihn an die Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er bis 1951 bei Ro bin Christian Andersen, Albert Paris Gütersloh, Josef Dobrowski und Herbert Boeckl studierte. Kurze Zeit war er Mitglied des Art Clubs; 1947 gegründet hatte dieser sich vor allem der Abstraktion verschrieben. Eine vollkommen andere Richtung schlug Arik Brauer ein, als er gemeinsam mit Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden die Schule des Phantasti schen Realismus ins Leben rief. Ebenfalls in diese Zeit fiel sein Gesangsstudium an der Musikschule der Stadt Wien.

Die Folgejahre lesen sich wie ein Abenteuerroman. Er fuhr mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika; lebte als Sänger und Tänzer in Israel und trat auch vor heimischem Publikum im Raimundtheater auf. 1957 wurde er für einige Zeit sesshaft in Paris und heiratete die Israelin Naomi, die ihm zwei Töchter schenkte. In Paris durfte er auch seine erste erfolgreiche Einzelausstellung feiern; der Start schuss für viele weitere internationale Ausstellungen, darunter die Weltwanderausstellung der Wiener Schule des Phantastischen Realismus oder die Brauer Retrospektive in den USA.

Akademisch machte sich Arik Brauer ebenfalls einen Namen. Er hatte eine Gastprofessur in Salzburg inne und wurde 1986 schließlich zum ordentlichen Hochschulprofessor an der Akade mie der bildenden Künste in Wien berufen.

1994 eröffnete der damalige Bürgermeister Helmut Zilk das sogenannte „Arik Brauer Haus“ im sechsten Bezirk. 2002 erhielt Arik Brauer das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse; 2011 wurde ihm das Goldene Ehrenzeichen für die Ver dienste um das Land Wien verliehen. Kurz vor seinem Tod nahm er zudem den  Fritz-Csoklich-Demokratiepreis entgegen. 2021 starb der Maler, Grafiker, Sänger und Dichter in Wien.

Herbert Brandl, photo: Christoph Chavanne, in: https://www.km-k.at/en/event/katalogprasentation/ Arik Brauer, von Monica Boirar
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Josef Floch in seinem Pariser Atelier, 1948, abgebildet in: Karl Pallauf, Josef Floch. Leben und Werk, 1894-1977, Wien 2000, S. 37

Franz Grabmayr

1927 wurde Franz Grabmayr in Pfaffenberg in Kärnten geboren. Er verbrachte seine Kindheit auf einem Bergbauernhof; die Natur verbundenheit sollte ihn auch in seiner Malerei prägen. Bereits mit zwölf Jahren begann er, Aquarelle zu malen.

Vor seiner ersten Ausstellung, „Junge Kärntner Begabungen“ im Künstlerhaus Klagenfurt 1952, arbeitete er als Hauptschullehrer. Der Erfolg spornte Grabmayr an, sodass er 1954 als Werkstudent an der Akademie der bildenden Künste bei Robin Christian An dersen sein Studium begann. Seine Frau, die er 1956 vor der Mona Lisa im Louvre kennenlernte, ermutigte ihn weiter; er konnte die Lehrtätigkeit aufgeben und sich ganz der Malerei widmen.

Im niederösterreichischen Waldviertel ließ er sich mit seiner Fami lie nieder und malte inmitten der Natur seine ersten Landschafts bilder. 1967 wurde er Assistent von Gustav Herring, der zu der Zeit an der Akademie der bildenden Künste lehrte. 1970 ermöglichte ihm ein Stipendium der österreichischen Bundesregierung einen sechsmonatigen Studienaufenthalt in Venedig.

Ende der 60er-Jahre begann er seine ersten „Tanzbilder“, inspiriert von der Pantomime und dem bewegten Körper. In den 80er-Jah ren entwickelte Grabmayr seine fahrbare Werkstatt; er begann, gezogen von einem Traktor, um seine Motive herumzufahren und dabei mit der Spachtel Farbe auf die Leinwand aufzutragen.

Von 1994 an reiste Franz Grabmayr wiederholt nach Kärnten, Griechenland und Italien; er suchte das Licht des Südens für seine Kunst. Ab 1997 kehrte seine Familie ins Waldviertel zurück. Nach einigen Operationen malte er noch bis 2010 in der Natur; 2012 entstanden die letzten Tanzblätter im Winteratelier.

Josef Floch

Josef Floch, 1894 in Wien geboren, gilt heute als einer der inter national erfolgreichsten Künstler aus Österreich.

Von 1913 bis 1918 besuchte er die Akademie der bildenden Künste; seine Lehrer waren Rudolf Bacher, Franz Rumpler und Hans Tichy. Studienreisen brachten ihn nach Ägypten, Palästina und die Niederlande, wo er die Werke Rembrandts und Vermeers studierte. Während seiner Studienzeit konnte er wichtige Kon takte zu Kollegen und Sammlern, vor allem aber zum einflussrei chen Kunstkritikerpaar Erika und Hans Tietze knüpfen. Nach dem Studium schloss er sich dem Hagenbund an.

1925 zog Floch nach Paris; durch die Hilfe seines Freundes Willy Eisenschitz konnte er sich rasch etablieren. Zu dieser Zeit hatte er bereits ein beachtliches Werk an Landschaften, Figurenbildern und Porträts vorzuweisen; zudem hatte er sich einen Namen als Maler und Lithograf gemacht. Ausstellungen im Salon d’Automne, im Salon des Tuileries und der Galerie von Berthe Weill ließen nicht lange auf sich warten.

Anfang der 30er-Jahre reiste Floch nach Übersee und versuchte, dort Fuß zu fassen. Doch erst 1941 emigrierte er mit seiner Fa milie über Spanien nach Amerika; nach anfänglichen Problemen konnte er auch dort Erfolge feiern. 1942 erschien die erste Mono grafie, herausgegeben von Maximilien Gautier in Paris.

Aus familiären Gründen blieb Josef Floch in Amerika; er starb 1977 in New York.

Franz Grabmayr starb 2015.

Franz Grabmayr, Foto: Jochen Littkemann, in: https://www.derstandard.at/story/2000015507891/ kuenstler-franz-grabmayr-gestorben
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Hans Hartung

Die lyrische Abstraktion ist es, die den 1904 in Leipzig geborenen Maler und Grafiker Hans Hartung zu einem der Wegbereiter der Kunstrichtung Informel macht und ihn auf den Rang eines inter national anerkannten Malers hebt.

1924 studierte Hartung an der Universität Leipzig Philosophie und Kunstgeschichte und wechselte schließlich an die Akademie der bildenden Künste in Leipzig und Dresden. Mit seinem Wechsel nach München und der Lehre unter dem Maler Max Doerner 1928 ent wickelte er seine spontanen, zeichenhaften Linienkompositionen. Hartung ließ sich vom Zufälligen leiten; fertigte allerdings Skizzen an und plante den Eindruck seiner Bilder zu dieser Zeit genau.

1932 folgte der Umzug nach Paris, wo er unter anderen auf Kandinsky, Mondrian, Miró und Calder traf; er beteiligte sich an der Ausstellung des „Salon des Surindépendants“. Mit 35 Jahren trat er in die Fremdenlegion ein; im Kampfgeschehen wurde er schwer verwundet und kehrte 1939 nach Paris zurück, wo er die französische Staatsbürgerschaft erhielt.

Ab 1949 nahm Hartung immer wieder an Ausstellungen in Paris, Brüssel, München und Basel teil. 1955 war er auf der ersten docu menta zu sehen und ist in den Folgejahren immer wieder auf ihr vertreten. Es folgten Preise: unter anderem der Prix Guggenheim (1956), der Große Internationale Preis für Malerei auf der Biennale in Venedig (1960) und der Oskar-Kokoschka-Preis der Republik Österreich (1981); Hartung festigte damit seinen Rang als inter national anerkannter Maler.

Eine besondere Ehre stellte die Aufnahme in die Académie des Beaux-Arts in Paris dar.

Hartung starb 1989 in Antibes, als einer der wichtigsten Repräsen tanten des europäischen Informells. Noch zu Lebzeiten hinter ließ er eine Sammlung von Lebenserinnerungen; „Autoporträt“ erschien bereits 1977.

Lena Henke

Lena Henke wurde 1982 in Warburg geboren. Die international vertretene Bildhauerin, Fotografin und Installationskünstlerin ist spätestens seit 2022 den Österreichern ein Begriff, seit ihr „Sleeping Elephant“ in den barocken Carlone-Saal im Oberen Belvedere einzog.

Sie studierte sowohl an der Glasgow School of Art und der Frank furter Städelschule; 2010 schloss sie ihr Studium als Meisterschü lerin bei Michael Krebber ab. Unermüdlich testet sie in ihrem Werk die Möglichkeiten und Grenzen von Bildhauerei gepaart mit technischer Innovation aus; gleichzeitig beschäftigt sie The men wie Weiblichkeit und Machtverhältnisse im Stadtraum.

Im selben Jahr ihres Abschlusses stellte Lena Henke an der UCLA in Los Angeles aus. Ein Jahr später präsentierte sie ihre Werke in Berlin am KW Institute of Contemporary Art. Ausstellungen in Miami, New York, Zürich, Frankfurt und Berlin folgten. Ihre Skulpturen sind in einigen Sammlungen vertreten, darunter dem Skulpturen Park Köln, dem MAMCO in der Schweiz, dem Institute of Contemporary Art in Miami, dem Whitney Museum of Modern Art in New York, der Sammlung des Bundes in Bonn und der Sammlung Verbund in Wien.

Lena Henke konnte bereits einige Preise entgegennehmen; unter anderem den GWK-Förderpreis Kunst des Dortmunder Kunstver eins, den Pollock-Krasner Foundation Grant und den Marta-Preis der Wemhöner-Stiftung.

Hans Hartung, von Paolo Monti - Verfügbar in der digitalen Bibliothek der Europäischen Bibliothek für Information und Kultur (BEIC) Lena Henke, von: GWKMuenster
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Alfred Hrdlicka

Der Name Alfred Hrdlicka steht für bedeutende politische Kunst der Zeitgeschichte, vorranging in Österreich, aber spätestens seit seinem Beitrag zur Biennale in Venedig 1964 international anerkannt. Als Bildhauer, Zeichner, Maler und Grafiker hinterließ er ein Werk, das auch über zehn Jahre nach seinem Tod noch fortdauert und den öffentlichen Raum entscheidend mitprägt. Sich selbst bezeichnete er als „Alten Meister“, der sich mit allen Kunstgattungen, auch längst vergangenen, beschäftigte.  Seine Kindheit und Jugend waren geprägt von blutigen Aus einandersetzungen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Österreich. 1928 als Sohn eines politisch aktiven Vaters in Wien geboren musste er bereits früh gewalttätige Parteikonflikte mit erleben; so wurde er mit nur sechs Jahren von der Polizei im Zuge einer Hausdurchsuchung misshandelt. Den Anschluss erlebte der erst Zehnjährige hautnah mit; die Zeit des Zweiten Weltkriegs überlebte er nur knapp, indem er sich bei einem befreundeten Zahntechniker versteckte, bei dem er auch in die Lehre ging. Sein Vater musste Zwangsarbeit leisten, sein älterer Bruder starb als Soldat der Wehrmacht in Leningrad.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges studierte Hrdlicka Malerei an der Akademie der bildenden Künste bei Albert Paris Gütersloh und Josef Dobrowsky. Daran schloss er ein vierjähriges Studium der Bildhauerei unter Fritz Wotruba an. Die feinmotori schen Fähigkeiten, die er als Zahntechniker erlernt hatte, ermög lichten ihm eine genaue und detaillierte Arbeit an der Skulptur. 1960 hatte er seine erste Ausstellung zusammen mit Fritz Martinz in Wien. Einer seiner größten Erfolge kam vier Jahre später, als er gemeinsam mit Herbert Boeckl Österreich auf der 32. Biennale in Venedig vertreten durfte. Kurz darauf folgte eines seiner ersten öffentlichen Kunstdenkmäler, die Karl-Renner-Büste (1967) am Wiener Ring, die schon bei der Aufstellung zu heftigen Protesten geführt hatte.

Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von seinem kreativen Schaffen, aber auch seinen akademischen Leistungen in der deutschsprachigen Welt: So hatte er eine Professur an der Hoch schule für bildende Künste in Hamburg, der staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart, sowie an der Universität der Künste in Berlin inne. 1989 schließlich kam er an die Universität für angewandte Kunst in Wien. Im Jahr 2009, nach über fünfzig Jahren des kreativen Schaffens, starb Alfred Hrdlicka in Wien. Er erhielt ein Ehrengrab am Zentralfriedhof.

Wolfgang Hutter

Wolfgang Hutter wurde 1928 geboren; sein Vater war der Maler Albert Paris Gütersloh, der eine jahrelange Liebesaffäre mit der verheirateten Milana Hutter hatte und seinen Sohn erst in seinem Testament 1973 als solchen anerkannte. Dennoch wurde Güters loh zum wichtigsten Mentor für Wolfgang Hutter.

1945 kam dieser an die Akademie der bildenden Künste in die Klasse seines Vaters. Dort lernte er Ernst Fuchs, Rudolf Haus ner, Edgar Jené und Fritz Janschka kennen, mit denen er eine surrealistische Gruppe innerhalb des Wiener Art Clubs gründete; er war auch maßgeblich an der Gründung der Wiener Schule des Phantastischen Realismus beteiligt. Ab 1966 lehrte Hutter an der Universität für angewandte Kunst in Wien; 1974 wurde ihm der ordentliche Professorentitel verliehen.

Große öffentliche Aufträge brachten seine Werke in den Fokus der Kunstwelt. So gestaltete er zum Beispiel den Eisernen Vorhang im Stadtteather Wiener Neustadt, die Wandmalerei „Von der Nacht zum Tag“ im Großen Festspielhaus in Salzburg und das Mosaik „Abend“ an der Hausfassade des Dag Hammarskjöld Hofs in Wien Floridsdorf. Sein künstlerisches Können stellte er in Werken wie dem Lithografiezyklus „Tätowierungen“ (1965) und in den Grafi ken „Zauberflöte“ (1974) unter Beweis.

Hutter trat auch international erfolgreich auf; so war er unter anderem auf den Biennalen in Venedig 1950 und 1964 vertreten, sowie in Sao Paulo 1953 und 1963, Tokio 1961 und Florenz 1975. Seine Werke waren in vielen Ausstellungen zu sehen und befinden sich in Sammlungen und Museen in Europa, Nord- und Südameri ka sowie Japan.

2014 starb der Künstler in Wien.

Alfred Hrdlicka, Foto.© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU, in: https://austria-forum.org/af/ Biographien/Hrdli%C4%8Dka%2C_Alfred Wolfgang Hutter: https://www.derstandard.at/ story/2000007013670/maler-wolfgang-huttergestorben
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Martha Jungwirth, Foto von Lisa Rastl, in: https://www.derstandard.at/ story/2000075225799/martha-jungwirth-seismo gramme-innerer-bewegungen

Franco Kappl

1962 wurde Franco Kappl in Klagenfurt geboren. Mit 20 Jahren ging er nach Wien, um Malerei an der Akademie der bildenden Künste zu studieren; er besuchte die Meisterklasse von Arnulf Rainer. Ein Studienaufenthalt 1988 führte ihn an das Royal College of Art in London; 1991 und 1997 arbeitet er für mehrere Monate in New York.

Martha Jungwirth

Die bekannte Wiener Künstlerin Martha Jungwirth hat sich längst einen fixen Platz in der zeitgenössischen Kunstszene erobert. Ihre Aquarelle, die im Zentrum ihres Schaffens stehen, repräsen tieren eine gesellschaftsrelevante und teils realistische Malerei.

Die mehrfach preisgekrönte und nach wie vor aktive Künstlerin ist auf dem Kunstmarkt sehr begehrt; nicht zuletzt wegen ihrer Präsenz in zahllosen internationalen Ausstellungshäusern. Martha Jungwirth wurde 1940 in Wien geboren. Wien ist nach wie vor das Zentrum ihres Schaffens und auch der Ort ihrer Ausbildung zur Malerin: Sie studierte an der Akademie für angewandte Kunst in Carl Ungers Klasse und übernahm dort schließlich selbst die Position der Lehrbeauftragten. Schon im Alter von 22 wurden ihre Werke erstmals, sogar vor Abschluss ihres Studiums, in Wien ausgestellt; in der Galerie zum Roten Apfel. Seitdem stellte die Künstlerin regelmäßig in Wien aus, bis sie auch international ins Rampenlicht trat. Ausstellungen in Griechenland, Großbritannien und Skandinavien folgten dicht aufeinander. Derzeit wirkt Jungwirth sowohl in Wien als auch im Künstlerdorf in Neumarkt an der Raab.

Als einzige Frau gehörte Martha Jungwirth der Künstlergruppe „Wirklichkeiten“ an, die 1968 eine skandalträchtige Ausstel lung in der Secession eröffnen konnte. Ziel dieser Gruppe war es, einen Gegenpol zu dem in Wien vorherrschenden Informel aufzubauen. Von diesen Gegensätzen stark geprägt, entwickel te Martha Jungwirth in den folgenden Jahren einen eigenen Stil, der zwischen abstrakter und realistischer Malerei pendelt. Für ihre Ölbilder und Aquarelle, aber auch für die Bleistift- und Tuschezeichnungen, genießt sie in Österreich und international Hochachtung.

Zu bedeutenden Erfolgen ihres bisherigen Schaffens zählen in jedem Fall die großen Ausstellungen, wie etwa auf der docu menta 6 (1977), oder ihre Personale in der Albertina (2018). Für ihr umfangreiches Werk ist sie mit zahlreichen Förderungen, Stipendien und Preisen ausgezeichnet worden, so etwa mit dem Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (2012) und jüngst dem Oskar-Kokoschka-Preis (2018).

Schon früh konnte Franco Kappl mit Einzelausstellungen bril lieren. Darunter 1986 im Künstlerhaus und 1987 in der Galerie Freund in Klagenfurt; ein Jahr später in der Galerie Ulysses in Wien und 1991 in der Ulysses Gallery in New York. Einzelausstel lungen fanden außerdem in Zürich, Haarlem und München statt. Seit 1984 ist er auf zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten. Er ist vor allem durch seine schwarzen oder weißen Flächen bekannt, die seine Malerei dominieren. Während der Hinter grund Ruhe verströmt, bringt die abstrakte Figur Dramatik in die Komposition. Ein Raum, der von Lichtakzenten durchflutet wird, öffnet sich.

Kappl in seinem Klagenfurter Atelier, in: https://kaernten.orf.at/v2/news/ stories/2734057/index.html

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Anton Kolig

Der für seine herausragenden Porträts bekannte Maler Anton Kolig wird zu den bedeutendsten Künstlern des frühen 20. Jahr hunderts gezählt. Stilistisch wird er dem Farbexpressionismus zugeordnet; er nimmt mit seinem Hang zur monumentalen Malerei eine Sonderstellung ein. Die wenigen Kunstwerke, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, erfreuen sich größter Beliebtheit.

Anton Kolig wurde 1886 im heutigen Mähren geboren. Sein Vater war bereits als Maler aktiv. Sein Werdegang als Künstler wurde begleitet von Bekanntschaften mit Oskar Kokoschka, mit dem er an der Kunstgewerbeschule studierte, und vor allem Sebastian Isepp und Franz Wiegele, die er an der Akademie der bildenden Künste kennenlernte. Mit diesen dreien und Anton Faistauer trat Kolig 1911 erstmals an die Öffentlichkeit; bei einer Ausstel lung des Hagenbundes, wo Klimt und Moll auf ihn aufmerksam wurden. Sie ermöglichten ihm einen Aufenthalt in Paris, den er aufgrund des Ersten Weltkrieges abbrechen musste.

Kolig war einer der wenigen Maler, die tatsächlich an der Front dienen mussten, bis er zum Kriegsmaler ernannt wurde. Bis 1918 entstanden zahlreiche Porträts von Offizieren, Generälen und Gefangenen, die bei einer großen Ausstellung in Klagenfurt zu sammen mit Egon Schieles Arbeiten ausgestellt wurden. Für diese Porträts erhielt er 1936 den österreichischen Staatspreis.

Der kleine Ort Nötsch im Gailtal, den er durch Wiegele kennen gelernt hatte, wurde für ihn bald zum Zentrum seines Schaffens. Immer wieder kehrte er dorthin zurück, auch wenn ihn eine Professur an die Württembergische Akademie in Stuttgart und mehrere große Aufträge nach Salzburg und Klagenfurt brachten. 1943 wurde er allerdings zwangspensioniert und kehrte endgültig nach Nötsch zurück. Seine Kunst, die seine homoerotische Nei gung und Religiosität thematisierte, wurde von Hitler explizit ab gelehnt; viele seiner Werke, vor allem die öffentlichen Arbeiten im Landtagssaal in Klagenfurt, wurden verhängt oder zerstört. 1944 wurden er und seine Familie bei einem Bombenangriff schwer verletzt, der Großteil seines Werkes zerstört. 1950 starb er.

Brigitte Kowanz

Brigitte Kowanz wurde 1957 in Wien geboren; ihr Vater war der bekannte Fußballer Karl Kowanz. Sie ging nach der Matura 1975 an die Hochschule für angewandte Kunst und schloss ihr Studium 1980 mit Magister Artium ab. Bereits zum Ende ihres Studiums hat te sie ihr Thema gefunden: Die Untersuchung von Raum und Licht.

Ihre Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Im selben Jahr stand bereits die erste Ausstellung in Mailand an, die „Nuove Imagine“, Triennale. In den Folgejahren stellte sie international in Einzel- und Gruppenausstellungen aus; darunter „Aperto“ auf der Biennale in Venedig 1984; den Biennalen in Sao Paulo (1987) und Sydney (1990); in Basel in der Fondation Beyeler (2000); in London in der Hayward Gallery (2013); auf der Biennale in Kairo (2019) und der Expo 2020 in Dubai (2021).

Die international bekannte Künstlerin wurde durch einige Preise ausgezeichnet. 1989 erhielt sie den Otto Mauer Preis; 1991 den Preis der Stadt Wien für bildende Kunst; 2009 den großen Österrei chischen Staatspreis für bildende Kunst; den deutschen Licht kunstpreis 2018 und 2019 den Kairo Biennale Preis, um nur eine Auswahl zu nennen.

An der Universität für angewandte Kunst in Wien lehrte sie von 1997 bis 2021 als Professorin. Die Künstlerin verstarb Anfang 2022.

Anton Kolig, in: Museum des Nötscher Kreises: https://noetscherkreis.at/anton-kolig/ Brigitte Kowanz: Bild von der APA
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Maria Lassnig

Die einst als „strange“ und „morbide“ verschriene Maria Lassnig gilt heute als eine der einflussreichsten und bedeutendsten Künst lerinnen Österreichs; sie ist eine der Begründerinnen des öster reichischen Informel. 1919 wurde sie in Kappel am Krappfeld in Kärnten geboren. 1941 trat Lassnig in die Meisterklasse Wilhelm Dachauers der Wiener Akademie der bildenden Künste ein, die sie, weil man ihre Werke als „entartet“ einstufte, schon 1943 wieder verlassen musste. Sie führte ihr Studium bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl fort. Nach ihrem Diplom im gleichen Jahr kehrte sie 1945 nach Klagenfurt zurück. 1948 war das auch der Ort ihrer ersten Einzelausstellung, auf der sie „Körperbewusstseinszeich nungen“ und kleine surreale Figurenkompositionen zeigte.

1951 zog sie wieder nach Wien; ein Paris-Stipendium im gleichen Jahr sowie ein weiterer Aufenthalt 1952 brachten sie in Kontakt mit André Breton, Benjamin Péret, Gisèle und Paul Celan. Erst 1954 kehrte sie an die Akademie der bildenden Künste zurück und schloss in der Klasse Albert Paris Güterslohs ihre akademische Ausbildung ab. Gemeinsam mit Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer gehörte sie zum Kreis um Monsignore Otto Mauer. Gemeinsam mit Arnulf Rainer galt sie als Begründerin der informellen Malerei in Österreich.

1964 starb ihre Mutter, der Tod erschien immer wieder in ihren Bildern. Depressionen und ein Leberleiden belasteten sie. 1968 bezog sie ein Atelier im East Village in New York, wo ihre Arbeiten als „strange“ und „morbide“ abgelehnt wurden.

Erst 1980 kehrte sie aus den USA nach Wien zurück und über nahm an der Hochschule für angewandte Kunst eine Professur für Malerei. Gemeinsam mit Valie Export vertrat sie Österreich auf der Biennale in Venedig. 1982 gründete sie in ihrer Meisterklasse Österreichs einziges Lehrstudio für Trickfilm. Auf der documenta in Kassel wurden Werke Lassnigs 1982 und 1997 ausgestellt. In diesem Zeitraum fanden auch zahlreiche Einzelausstellungen statt: im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, im Kunstmu seum Düsseldorf und der Kunsthalle Nürnberg, im Kunstmuseum Luzern, ab den 1990er-Jahren dann auch in Paris, New York, Den Haag, Frankfurt, Zürich, München und Rom. 2004 erhielt sie für ihren „außergewöhnlichen Beitrag zur zeitgenössischen Malerei“ den Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt.

Maria Lassnig starb 2014 in Wien.

Constantin Luser

Constantin Luser wurde 1976 in Graz geboren, wo er die ersten Jahre seines Lebens verbrachte. Er besuchte das akademische Gymnasium in Graz und anschließend studierte er bis 1999 Indus trial Design an der Fachhochschule Graz. Danach zog es ihn nach Wien an die Akademie der bildenden Künste; dort besuchte er Kurse bei Renée Green und Marina Grzinic für konzeptuelle Kunst. Seine Ausbildung schloss Constantin Luser an der Universität für angewandte Kunst in Wien ab. Dort studierte er bis 2004 Visuelle Medien bei Brigitte Kowanz.

Bereits 2000 trat er mit einer Lichtinstallation, die er gemeinsam mit Nikolaus Gansterer an der Fassade der Universität für an gewandte Kunst in Wien anbrachte, an die Öffentlichkeit. 2003 folgte eine Lichtschreibmaschine an der Nordfassade des Tele kom-Hochhauses im Rahmen von „Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas“. Weitere Installationen sorgten für Aufsehen in Linz, Moskau und Reykjavik.

Im Rahmen der Kreuzberg Biennale in Paris bestritt er 2012 seine erste Gruppenausstellung. 2013 folgten die ersten Einzelausstel lungen, darunter im Oberen Belvedere, im Gironcoli Museum in Herberstein und in der Rotwand Gallery in Zürich.

Der international bekannte Künstler lebt und arbeitet in Wien und Graz.

Maria Lassnig, von Maria LassnigMaria Lassnig Stiftung Constantin Luser, von Universalmuseum Joanneum
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Anton Mahringer

Anton Mahringer war einer der Künstler, die sich in Kärnten niederließen, um sich umgeben von der malerischen Landschaft inspirieren zu lassen. Als Mitglied des Nötscher Kreises wurde sein Werk von Anton Kolig geprägt. Dem Künstler wurden Zeit seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen zuteil, so der Österreichische Staatspreis für Malerei 1948 und die Große Goldene Ehrenmedail le des Künstlerhauses Wien, 1957. Zusätzlich zu seinem beacht lichen Werk auf der Leinwand hinterließ Mahringer auch an mehreren Orten öffentliche Arbeiten in großem Format, darunter in den nunmehr denkmalgeschützten Draukraftwerken, wo er von der Presse vielfach gerühmte Wandmosaike anbrachte. Seine Portraits sowie die farbenfrohen Stillleben und Landschaften sind zentral im Werk Mahringers und nach wie vor sehr geschätzt. 1902 in Neuhausen auf den Fildern, Baden-Württemberg, geboren, zog die Familie Anton Mahringers bald nach Schwäbisch Gmünd. Die Lehrtätigkeit des Vaters an einer Fachschule für Goldschmiede ermöglichte es Anton, sich schon in der Schulzeit mit Malerei zu beschäftigen. Aufgrund einer Beinverletzung, die ihn lebenslang belasten sollte, absolvierte Mahringer zunächst eine Banklehre, bis er schlussendlich seinem Hang zur Kunst folgte und schließlich an der Stuttgarter Kunstakademie aufgenommen wurde. Dort kam er mit Anton Kolig, dem bedeutenden Kärntner Maler, in Kontakt, der erst kürzlich nach Stuttgart berufen worden war.

Die Freundschaft mit seinem Lehrer Anton Kolig führte ihn im Zuge einer Exkursion in das Kärntner Gailtal, das eine enorme Wirkung auf den noch jungen Künstler ausstrahlte und fortan oft zu seinem Motiv werden sollte. Kärntens Faszination auf den Maler führte so weit, dass er bald dorthin übersiedelte und mit seiner Frau schließlich ein Haus im Gailtal bezog. Von hier aus unternahm er fortwährend Wanderungen in die umliegenden Berge, die ihm Inspiration für sein vielfach preisgekröntes Werk wurden. 1972, anlässlich seines 70. Geburtstages, widmete ihm die Kärntner Landesgalerie eine umfangreiche Personalausstellung. 1974 starb Anton Mahringer in Villach.

Otto Muehl

Otto Muehl, 1925 in Gmunden geboren, gehört einerseits zu den umstrittensten Künstlern Österreichs, gleichzeitig ist seine kunst historische Bedeutung unumstritten. Als wesentlicher Protagonist des Wiener Aktionismus, neben Hermann Nitsch, Günter Brus und Adolf Frohner, ging er bis an die Grenzen von Malerei und traditioneller Kunst.

Mit achtzehn Jahren wurde Otto Muehl zur deutschen Wehrmacht eingezogen; er absolvierte eine Offiziersausbildung und wurde Leutnant. 1944 war er Teil der Infanterieschlachten im Zuge der Ardennenoffensive. Nach dem Krieg studierte er Deutsch und Geschichte auf Lehramt, zusätzlich Kunstpädagogik an der Aka demie der bildenden Künste in Wien; bereits neben dem Studium arbeitete er als Maltherapeut.

Anfang der 60er-Jahre entwickelte sich seine Malerei weiter; weg von der an Proportion und Komposition orientierten Malerei hin zu rhizomatischen, oft ganze Räume einnehmenden Gebilde aus Schrott. Um das Tafelbild zu erweitern, musste es nicht nur überwunden, sondern regelrecht zerstört werden. Die erste Aktion fand 1962 in seinem Kelleratelier statt; im Zuge des Manifests „Die Blutorgel“ ließen sich er, Hermann Nitsch und Adolf Frohner einmauern. Das ist der Auftakt zu extremen Körperkunstaktionen. 1968 fand gemeinsam mit Oswald Wiener, Peter Weibel und Gün ter Brus die wohl berüchtigste Aktion im Hörsaal der Universität statt: „Kunst und Revolution“.

Zwei Jahre später gründete Otto Muehl die Kommune „Aktion analytische Organisation“, kurz AAO, und anschließend 1974 die Kommune Friedrichshof im Burgenland; diese bestand bis 1988. Ursprünglich sollte hier eine radikale Antwort auf den „Wich telstaat“ gegeben werden; die traditionellen Familien wurden aufgelöst, freie Sexualität sollte gelebt werden. Muehl entwickelte jedoch autoritäre sowie diktatorische Tendenzen. Die Werke der 70er-Jahre sind im Kontext der Kommunenidee zu sehen.

Otto Muehls Werke sind in wichtigen Museen und Sammlungen vertreten. 2013 starb er in Portugal.

Otto Muehl, https://www.wikiart.org/de/otto-muehl Anton Mahringer im Atelier, 1951, © Christian Mahringer, Salzburg, abgebildet in: Gerbert Frodl (Hg.)/Elisabeth Brandstötter (Hg.), Anton Mahringer, Salzburg 2004, S. 400
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Hermann Nitsch

Mit Recht kann Hermann Nitsch als der bedeutendste Vertreter des Wiener Aktionismus genannt werden. Der für sein umfassen des theoretisches Werk und die hunderten Aktionen berühmte Künstler, der den Begriff des Gesamtkunstwerkes konsequent lebte, ist einer der angesehensten Künstler Österreichs.

1938 in Wien geboren, besuchte Hermann Nitsch die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und übernahm eine Position als Gebrauchsgrafiker im Technischen Museum. Schon mit 19 Jahren kam ihm die Idee des Orgien-Mysterien-Theaters (kurz O. M. Thea ter). Er plante ein sechs Tage dauerndes Festspiel aufzuführen, in dem sich alle Künste harmonisch miteinander vereinigen sollten

In den frühen 60er-Jahren nahm er bereits an einigen Ausstellun gen und Aktionen teil, vorrangig in Wien. Diese waren aber derart polarisierend, dass mehrere Prozesse gegen Nitsch und seine Mitarbeiter geführt wurden; auch Gefängnisstrafen waren die Folgen seiner aktionistischen Arbeit. Aus diesem Grund kehrte er Österreich bald den Rücken und zog bis 1978 nach Deutschland. Auch in Amerika führte er seine Aktionen weiter durch.

Der Kauf von Schloss Prinzendorf war Hermann Nitsch ein jahre langes Anliegen, da er hier den idealen Ort für die Aufführung des O.M. Theaters erkannt hatte. 1971 erwarb er den Grund von der Kirche. International hatte sich Nitsch bereits einen Namen ge macht; er nahm 1972 an der documenta 5 in Kassel zusammen mit Harald Szeemann teil.

Die folgenden Jahrzehnte organisierte er Dutzende Aktionen; nahm national und international an Symposien und Ausstellungen teil und realisierte Teile seines O.M. Theaters in mehrtägigen Aktionen. Mittlerweile war er aus der Kunstszene Österreichs nicht mehr weg zudenken, wenn auch nach wie vor heftig kritisiert. 1998 konnte er schließlich das 6-Tage-Spiel in Prinzendorf aufführen; das bislang größte und intensivste Werk, das Nitsch durchführen konnte.  Es ist unmöglich, die produktive Arbeit Hermann Nitschs hier an zuführen. Es muss genügen, festzuhalten, dass kurz hintereinander gleich zwei Museen öffneten, die sich bis heute mit seinem umfang reichen Werk befassen: dem Nitsch Museum in Mistelbach (2007) und dem Museo Hermann Nitsch in Neapel (2008). Bis zu seinem Tod 2022 widmete er sich seiner Kunst und seinen Aktionen.

Max Oppenheimer

Max Oppenheimer zählt zu den Protagonisten des Expressionis mus in Wien. Vor allem für seine Porträts bekannt, schuf er auch religiöse Kompositionen und symbolistische Gemälde. Zusammen mit Kokoschka und Schiele war er der Schöpfer einer ganz eigenen Ausprägung der expressionistischen Malweise, die in seinem spä teren Werk auch futuristische Tendenzen aufnahm.  1885 in Wien geboren, studierte Max Oppenheimer an der Akade mie der bildenden Künste in Wien unter Christian Griepenkerl und anschließend drei Jahre in Prag. Schon kurz nach seiner Rückkehr konnte er an der Kunstschau in Wien teilnehmen. Stilistisch war er zunächst von van Gogh beeinflusst, später von seinen Kollegen Kokoschka, Schiele und Gütersloh. Es folgte eine Hinwendung zur Porträtmalerei; berühmte Persönlichkeiten wie Arthur Schnitzler, Stefan Zweig und Adolf Loos nahmen vor seiner Leinwand Platz. Die Jahre, die er in Berlin verbracht hatte, brachten ihn aber auch kubistischen Elementen näher; wie es etwa eindrucksvoll in seinen Großstadtbildern zu erkennen ist. Etwa zu dieser Zeit begann er auch, seine Werke mit dem Markenzeichen „MOPP“ zu signieren. Sein wohl bedeutendstes Gemälde war das monumentale “Philhar monikerbild,” an dem er ab 1935 arbeitete. Zusammen mit diesem Bild floh er 1938 als Jude vor den Nationalsozialisten zunächst in die Schweiz und weiter nach Amerika, wo er das vollendete Werk bei der Weltausstellung in San Francisco zeigen konnte. Oppenhei mer starb 1954 in New York.

Hermann Nitsch, Foto auf https://www.golfrevue.at /2019/08/12/hermann-nitsch-farbgewaltig/ Max Oppenheimer, Mopp vor der Staffelei (Katalog Jüd. Museum), in: http://maxoppenheimer.info/de/biografie
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Markus Prachensky, © Foto: Roland Icking, in: https://esslm useum.wordpress.com/2011/08/08/in-erinnerung-an-markusprachensky/

Drago J. Prelog

Karl Julius Prelog wurde 1939 in Cilli, Slowenien, geboren. Die Wurzeln seiner Eltern reichten mütterlicherseits bis nach Grie chenland; die Familie seines Vaters verteilte sich auf Slowenien und Österreich. Bereits mit fünf Jahren übersiedelte Karl Julius mit seiner Familie in die Obersteiermark. Sein Vater musste noch einmal nach Slowenien zurück, um das restliche Hab und Gut zu holen. Er schrieb bis zu zweimal die Woche nummerierte Briefe. Den letzten erhielt die Familie im Juni 1945; seitdem galt Prelogs Vater als vermisst, wurde aber nie für tot erklärt.

Die Schule bestritt Karl Julius in Schladming; danach ging es für ihn von 1954 bis 1958 an die Bundesgewerbeschule in Graz, in die Abteilung für dekorative Malerei bei Otto Brunner. Dort lernte er E. Thage kennen, den einzigen Menschen, mit dem er sich später über seine Bilder austauschen würde.

Markus Prachensky

Als einer der wichtigsten Vertreter der österreichischen Avant garde ist Markus Prachensky besonders für seine expressiv-abs trakten Arbeiten mit den lebendigen Farben bekannt. Er gilt als Mitbegründer des Informel in Österreich und prägte die Wiener Kunstszene mit seinen Aktionen und theoretischen Schriften. Noch heute wird seiner mit zahlreichen Einzelausstellungen gedacht und der Kunstmarkt hat ein anhaltendes Interesse an Arbeiten aus all seinen Schaffensphasen.

Markus Prachensky wurde 1932 in Innsbruck als Sohn des Malers und Architekten Wilhelm Nicolaus Prachensky geboren. Nach der Matura zog Markus nach Wien, um zunächst das Studium der Architektur, wie schon sein Vater, zu absolvieren. Zusätzlich entschied er sich 1953 für das Studium der Malerei, beides an der Akademie der bildenden Künste. Obwohl er sich bald mehr und mehr der Malerei hingab, blieb sein strukturiertes Denken, eben so wie die Grundelemente seiner Malerei – Säulen, Querbalken – ein Ergebnis seiner Beschäftigung mit den Bauelementen.  Er schloss schon während seines Studiums Freundschaft mit Wolf gang Hollegha, Josef Mikl und Arnulf Rainer. Diese vier sammel ten sich um 1956 um Monsignore Otto Mauer, dem damaligen Domprediger von St. Stephan. Mauer war ein enorm kunstsinni ger Mensch und förderte die Wiener Avantgarde wie kaum ein anderer. Zusammen wurde die Künstlergruppe „Galerie nächst St. Stephan“ gegründet, die schon 1957 in der Wiener Secession ausstellen konnte.

Zeit seines Lebens war das Reisen Markus Prachenskys große Lei denschaft. Seinen Wohnsitz verlegte er für einige Zeit nach Paris, wo er sich mit der dortigen Avantgarde-Szene austauschen konn te. Von seinen Destinationen nahm er die Inspiration für ganze Serien an Arbeiten mit; wie etwa bei einer großen Italienreise 1992/1993 oder die Serie „Hongkong Ramble“ (2000). Neben sei nen Reisen und Ausstellungen hatte Prachensky außerdem eine Professur an der Akademie der bildenden Künste inne. 2011 starb er in Wien, sein Ehrengrab befindet sich am Zentralfriedhof.  2017 eröffnete die Albertina eine große Retrospektive, die Markus Prachenskys Werk würdigte und in Kontext zu anderen Avantgarde-Malern setzte.

1958 schrieb Prelog die deutsche Ausgabe des Qurans in seiner Geheimschrift ab und nannte sich fortan Drago; er knüpfte damit an seine südslawische Herkunft an. Im selben Jahr wurde er an der Akademie der bildenden Künste aufgenommen und besuchte die Klasse von Albert Paris Gütersloh. In Wien traf er auf Martha Jungwirth, Alfred Schneller und Richard A Pechok; außerdem lern te er die Künstler um die Galerie Zum Roten Apfel kennen. Wenig später sah er die Ausstellung von Wols in der Galerie nächst St. Stephan und die Zentralgestaltungen sowie Blindenzeichnungen von Arnulf Rainer; beides beeindruckte den jungen Künstler und so entstanden seine ersten Zentralformationen, Zeichnungen und Collagen, die er sogleich in der Galerie Zum Roten Apfel aus stellte. Es folgten Ausstellungen in der Neuen Galerie in Graz, im Museum Liaunig und der Pasinger Fabrik in München.

Drago J. Prelog wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter das Große Ehrenzeichen des Landes Steiermark, das Goldene Verdienstzeichen des Landes Salzburg, der Anton-Fais tauer-Preis und den Preis der Neuen Galerie Graz.

Im März 2020 starb der Künstler; er erhielt ein Ehrengrab in Wien.

Drago J. Prelog, von Bernhard Holub
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Arnulf Rainer

Der für seine Übermalungen berühmte Arnulf Rainer zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. In seiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Schaffensphase entwickelte er sich von anfänglichen surrealistischen Tendenzen zum Begründer des Informel in Österreich.

Arnulf Rainer wurde 1929 in Baden bei Wien geboren. Schon in der Volksschule zeigte sich seine künstlerische Begabung; er folgte aber zunächst dem Wunsch seiner Eltern und studierte Hochbau in Villach. 1949 schloss er die Ausbildung ab und be warb sich sofort an der Akademie der angewandten Kunst in Wien. Zwar wurde er aufgenommen, kehrte der Akademie aber nach nur einem Tag den Rücken, nachdem er mit einem Mitarbei ter dort aneinandergeraten war. Dasselbe passierte an der Wiener Akademie für bildende Künste, die er nach drei Tagen verließ: Seine Arbeiten waren als entartet bezeichnet worden.

Seine Berufung zum Künstler hatte Arnulf Rainer aber längst erkannt und ließ sich von den konservativen Kunsteliten nicht abbringen. Zusammen mit Ernst Fuchs, Arik Brauer und einigen weiteren namhaften Künstlern gründete er 1950 die sogenannte „Hundsgruppe“, mit der er 1951 ausstellte. Es folgten Aufenthalte in Frankreich und erste Einzelausstellungen in Österreich und Deutschland. In dieser Zeit entwickelte er eine Kunstform, die zum Informel werden würde.

Die vielleicht wichtigste Bekanntschaft seiner Karriere schloss Rainer 1953. Monsignore Otto Mauer förderte ihn und andere Avantgarde-Künstler in seiner Galerie, aus der bald die Malergrup pe Galerie nächst St. Stephan werden würde.

Staatspreise, Professuren und Ehrendoktorate sind mittlerweile so zahlreich, dass sie kaum noch aufgezählt werden können. Beispielhaft erwähnt seien hier nur der Große Österreichische Staatspreis (1978) und der Aragón-Goya Preis für sein Lebenswerk (2006), erstmals verliehen an einen nicht aus Spanien stammen den Künstler. Er gehört zu den wenigen Künstlern, denen noch zu Lebzeiten ein Museum gewidmet wurde: 2009 eröffnete das Arnulf Rainer Museum in Baden.

Gerwald Rockenschaub

Der Künstler und DJ Gerwald Rockenschaub wurde 1952 in Linz geboren. Zunächst studierte er Geschichte, Psychologie und Philo sophie an der Universität Wien, bevor er bis 1982 in der Klasse von Herbert Tasquil an der Hochschule für angewandte Kunst seine Ausbildung beendete. Bereits in den frühen 80er-Jahren arbeitete er als DJ und als Künstler; er tat sich zunächst als Maler, später mit seiner Installationskunst hervor.

Er hatte bereits 1981 eine Ausstellung mit Herbert Brandl im Forum Stadtpark in Graz; im selben Jahr wurden seine Arbeiten in der Clubgalerie der Secession gezeigt, ebenfalls gemeinsam mit Herbert Brandl. 1983 und 1984 folgten Ausstellungen in der Galerie nächst St. Stephan und der Galerie Krinzinger in Innsbruck. In den Folgejahren wurde Gerwald Rockenschaub außerdem in Hamburg, St. Gallen, Köln und Nizza ausgestellt.

1993 bespielte er den österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig. Mit „Das Labor“ eroberte er Amerika; er wurde 1996 in der New Yorker Kunsthalle gezeigt. 1998 widmete ihm die Galerie Hauser & Wirth eine eigene Ausstellung, 2007 war er auf der do cumenta in Kassel vertreten und 2021 drehte sich in der Albertina alles um Rockenschaub, um nur eine Auswahl zu nennen.

Ausgezeichnet wurde er zudem mit dem Fred-Thieler-Preis für Malerei, 2007.

Rockenschaub: http://sammlung-essl.at/jart/prj3/essl/ main.jart?content-id=1363947043047&rel=de&article_ id=1364874376854&reserve-mode=active

Arnulf Rainer im August 2014 in seinem Atelier in Passau. © hans Klaus techt/apa, in: https://www.fr.de/ kultur/kunst/arnulf-rainer-wird-kunst-muss-kaemp fen-rest-salon-13276529.html
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Walter Schmögner

Der dem Süden und dem Reisen verbundene Walter Schmögner wurde 1943 in Wien geboren und verbrachte seine Kindheit in Toledo, Spanien. Zeit seines Lebens würde Spanien eine wichtige Rolle spielen, genauso wie das Reisen an sich; es zog ihn immer wieder für längere Zeit in die Ferne, sei es nach Frankfurt oder Hamburg, oder weiter weg nach Paris, London und New York.

Als die Familie nach Wien zurückkehrte besuchte er die Graphi sche Lehr- und Versuchsanstalt. Sein Talent wurde vom ehema ligen Kulturstadtrat von Wien, Viktor Matejka, erkannt, der den jungen Künstler fortan förderte. 1963 folgte die erste Ausstellung bei Wilhelm Herzog und anschließend in der Galerie 33 Stufen. 1972 stellte er im Musée d’Art Moderne in Paris und im Kunsthaus Zürich aus. Wenig später folgten Ausstellungen in der Albertina, in der Galerie Paul Facchetti in Paris und Zürich sowie der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.

Schmögner tat sich nicht nur als Maler hervor, sondern auch als Zeichner, Foto- und Filmkünstler, Bühnenausstatter sowie Bildhau er. Er schuf zahlreiche Kunstbände und Kinderbücher; bei einigen arbeitete er unter anderem mit H. C. Artmann, Barbara Frisch muth, Peter Hacks und Helmut Qualtinger zusammen. Für „Das Drachenbuch“ erhielt er den Deutschen Literaturpreis; das Buch wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Der breiten Öffentlichkeit ist er durch die Cartoons „Co & Mix“ aus dem Standard bekannt.

2004 wurde er mit dem silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und 2010 mit dem Preis der Stadt Wien für Bilden de Kunst ausgezeichnet. Zuletzt wurde er anlässlich seines 75. Geburtstags mit einer umfassenden Ausstellung in der Albertina und der Sammlung Peter Infeld gewürdigt.

Hubert Scheibl

1952 wurde Hubert Scheibl in Gmunden geboren. Zwischen 1976 und 1981 lernte er unter Größen wie Max Weiler und Arnulf Rai ner an der Akademie der bildenden Künste und schloss sich den „Neuen Wilden“ an.

In den 80er-Jahren boomte die figürlich-expressive Malerei, gleichzeitig entstand in Österreich eine Gegenbewegung, die sich der Abstraktion verpflichtete. Neben Herbert Brandl und Erwin Bohatsch ist Hubert Scheibl einer der wichtigsten Vertreter. Seine Malerei entwickelte sich kontinuierlich weiter. In den 80er-Jahren war die Malerei noch reliefhaft und pastos. In den 90ern wandelte sich sein Ausdruck, die Malerei wurde leichter, fließender und mehr von der Fläche bestimmt. Nach wie vor der Natur als Ausgangspunkt für seine Motive verpflichtet, stellte er keine friedliche Szenerie dar, kein Postkartenmotiv, sondern präsentierte den Betrachtern ein Spannungsfeld von Weite und Enge, von Ordnung und Chaos. Gegensätze sind ein Leitmotiv in den dynamischen Werken des Künstlers.

Neben Ausstellungen im österreichischen Raum, darunter im Essl Museum, konnte sich Scheibl einem internationalen Publikum 1985 bei der Biennale in Sao Paulo und 1988 bei der Biennale in Venedig präsentieren.

Walter Schmögner, Foto Nikolaus Korab, https://www.schmoegner.at/about.html?lng=de Hubert Scheibl, von Franz Johann Morgenbesser from Vienna, Austria
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Hans Staudacher

Hans Staudachers Schaffen wird dem Tachismus und dem Action Painting zugeordnet und wurde durch einige Kunstpreise hono riert. 2004 wurde Staudacher sogar das Ehrenkreuz für Wissen schaft und Kunst verliehen.

Er wurde am 14. Jänner 1923 in St. Urban am Ossiacher See in Kärnten geboren. Sein. Inspiriert durch die Maler des Nötscher Kreises erlernte er die Malerei zunächst als Autodidakt. Professio nellen Unterricht erhielt er in der Malschule von Arnold Clement schitsch und übersiedelte daraufhin nach Wien, wo er sich mit der Kunst von Kubin, Schiele und Klimt auseinandersetzte. Auch Paris tat es dem Künstler an. So lebte er einige Zeit dort und kam in Berührung mit George Mathieu und dem „Lettrismus“.

In den 50ern wurde er ein aktives Mitglied der Wiener Secession, welche ihm die Plattform bot, mit seinen Informel-Ausstellungen Pionierarbeit in Österreich zu leisten. 1956 vertrat er Österreich bei der Biennale in Venedig und 1965 in Tokio. 1975 repräsentier te er gemeinsam mit Cornelius Kolig und Gotthard Muhr Öster reich bei der Biennale in Sao Paulo.

Staudachers Werke wurden auf der ganzen Welt Teil privater und öffentlicher Sammlungen. Unter anderem finden sie sich in der Graphischen Sammlung Albertina und dem Sammlungsbestand des Museums of Art in Cincinnati.

2021 verstarb der Künstler in Wien.

Alfons Walde

Tirol und vor allem Kitzbühel sind kaum ohne Alfons Walde vor stellbar. Der mit Preisen ausgezeichnete Künstler festigte seinen Status und seine Verbindung zu Kitzbühel durch seinen 1923 gegründeten Kunstverlag, durch den er Postkarten, Kunstdrucke und Poster anfertigen ließ, die ihn einer breiten Öffentlichkeit zu gänglich machten.

Alfons Walde wurde 1891 in Oberndorf, Tirol geboren, lebte allerdings seit 1892 in Kitzbühel, wo sein Vater Schulleiter wurde. Schon früh zeigte sich sein auffallendes Interesse an allem, was mit bildnerischem Darstellen zu tun hatte. 1910 begann er an der Technischen Hochschule in Wien Architektur zu studieren. Neben den vorgeschriebenen Fächern belegte er auch Vorlesungen in Freihandzeichnen, Aktzeichnen und Aquarellieren. Durch die Bekanntschaft mit dem Architekten Robert Oerley, der 1911/12 Präsident der Wiener Secession war, lernte er die Wiener Avant garde kennen. 1911 kam es zur ersten, erfolgreichen Ausstellung in Innsbruck, und zwei Jahre später zur künstlerischen Premiere in Wien: Wiener Secession, 1913. Die Beziehung zu Egon Schiele ent wickelte sich zu einer Freundschaft. Obwohl er von 1914 bis 1918 Kriegsdienst bei den Tiroler Kaiserschützen leisten musste, setzte er sein Studium in Wien fort. Lange hielt es ihn nicht dort, denn er verließ die Hauptstadt und kehrte nach Kitzbühel zurück, ohne die Verbindung zur Secession abzubrechen; bereits 1920 stellte Walde wieder dort aus.

Erfolg und Anerkennung blieben nicht aus. Neben der Malerei war Walde auch als Architekt tätig. Er baute die Tal- und Bergstation der Hahnenkammbahn in Kitzbühel. Der Künstler war bereits zu Lebzeiten außerordentlich beliebt, als Maler wie als Graphiker. 1932 erhielt er den Auftrag, das erste offizielle Tirol-Plakat zu gestalten.

Der Zweite Weltkrieg und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten taten dem Schaffen Waldes keinen Abbruch. Er wurde 1956 zum Professor erhoben. Zwei Jahre später, 1958, starb er in Kitzbühel.

Alfons Walde, Maler, Architekt, Designer: Alfons Walde (1891-1958), abgebildet in: Wiener Zeitung am 26.01.2019

Hans Staudacher, 2014, Fotonachweis: Archiv Sammlung Essl, in: http://sammlung-essl.at/jart/prj3/essl/main.jart?contentid=1363947043047&rel=de&article_id=1364874377349&reser ve-mode=active
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editionen

HANS BISCHOFFSHAUSEN

WERKVERZEICHNIS

Das Werkverzeichnis zu Hans Bischoffshausen basiert auf dem Nachlass des Künstlers, den seine Ehefrau zu einem Großteil erhalten und 2016 ihren Erben hinterlassen hat. Neben allen Arbeiten in öffentlichen Sammlungen werden sämtliche in Privatbesitz aufgefundenen Arbeiten in dem Werkverzeichnis erfasst.

Die Redaktion und Datenaufnahme der Werke hat Charlotte Kreuzmayr übernommen. Alle Angaben werden selbstverständlich vertraulich behandelt. Der bisher erfasste Nachlass besteht aus zahlreichen Kunstwerken Bischoffshausens, aber auch aus Fotos, Briefen, Dokumenten, Korrespondenzen, Skizzen, Ordnern voll mit Ausstellungsbeteili gungen, Kunstkritiken und Tagebüchern etc. Das muss alles in ein chronologisches System gebracht, erfasst, geordnet und zu einer reproduktionsreifen Form verarbeitet werden.

Ein kleines Team macht die höchst umfangreiche wissenschaftliche Bearbeitung möglich: Die 50er Jahre werden von Christian Kircher an Hand von Tagebüchern aufgearbeitet.

Robert Fleck schreibt über die Zeit in Paris und Frankreich und über den Kontext Bischoffshausen und die ZERO-Künstler.

Christa Steinle recherchiert über Hans Bischoffshausen und seine Grazer Zeit.

Matthias Boeckl arbeitet das relativ unbekannte Kapitel Bischoffshausen und die Architektur auf.

Clara Kaufmann schreibt über das Spätwerk der 70er- und 80er-Jahre. Charlotte Kreuzmayr führt Gespräche mit Sammlern und Zeitzeugen.

Erscheinen: Ende 2023

Sollten Sie Werke von Hans Bischoffshausen besitzen, wenden Sie sich bitte an: charlotte.kreuzmayr@chello.at, 0699/10029621

Foto Michael Leischner

Impressum

Eigentümer, Herausgeber und Verleger:

Palais Kinsky, A-1010 Wien, Freyung 4,

Wien, UID Nr. ATU 37293905. Für den Inhalt verantwortlich:

Ernst Ploil, A-1010 Wien, Freyung 4,

00-9, office@imkinsky.com.

Autoren:

Sophie Cieslar, Mag. Valerie Gaber,

Mag. Alexandra Markl, Clarissa Mayer, Dr. Stefan Üner, Mag. Ina Waldstein

Lektorat: Mag. Valerie Gaber Digitalfotografie, Satz, Druck, Bindung: Print

HAV Produktions GmbH, A-2540 Bad Vöslau, Druckhausstraße 1, T +43/2252/402-0, office@printalliance.at, www.printalliance.at

Design: Alexander Rendi — Florian Cerny

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Michael Kovacek & Dr.
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Alliance
Michael Kovacek kunstraum@imkinsky.com +43 664 2404 826 Nadine Kraus-Drasche kunstraum@imkinsky.com +43 1 532 42 00 21 Kunstraum imkinsky.com/kunstraum Hier finden Sie alle Exponate auch online. Die persönliche Betreuung erfolgt durch:
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