5 minute read

DER FILTERKAFFEE IN WALES UND DIE GEPÄCKPROBLEME IN FINNLAND

In der ersten Mannschaft wird im Bereich Material ein Wandel vollzogen. Fräne Kehrli (61) blickt auf 20 Jahre als Materialchef zurück – sein Assistent Dänu Moser (54) auf deren 6. Es entwickelt sich ein munteres Gespräch über Ordnung und Leidenschaft, Marco Bührers lockere Schraube und Patrik Bärtschis Unordnung sowie unerwartete Herausforderungen in der Champions Hockey League.

Text: Reto Kirchhofer

Fotos:Tom Hiller, Archiv Jürg Wymann, Reto Fiechter, zvg

Wie seid ihr zum SCB gekommen?

Fräne Kehrli: Im Jahr 2002, ich führte in einer Karosseriewerkstatt vier Mitarbeiter, kam Sven Leuenberger auf mich zu. Er war damals noch aktiver SCBSpieler und wollte mir die Nachfolge von Benu Müller als Materialwart schmackhaft machen. Für mich kam dieser Job inklusive Wochenendarbeit aber vorerst nicht in Frage. Später gab es auch Kontakt mit Ueli Schwarz, der Sportchef in Langnau war. Sven und Ueli wussten um meine Leidenschaft für den Sport und für das Handwerk. Schliesslich konnte mich Sven überzeugen, einmal mit SCBSportchef Roberto Triulzi zusammen- zusitzen. Ich sagte mir: «Hey, ich bin bald 40, wenn ich wechsle, dann jetzt.» So begann die Reise. Es kamen im Verlauf der Jahre immer mehr Aufgaben hinzu. Plötzlich waren da auch Cupspiele und Champions Hockey League. Im Herbst 2016 war ich total auf den Felgen und völlig erschöpft. Die Zeichen des Körpers waren klar: Es geht nicht mehr allein. Ich brauchte Hilfe. So kam Dänu ins Spiel. Dänu Moser: Ich bin durch meine Partnerin Judith (Browne – Head of Ticketing, die Red.) zum SCB gekommen. Neben meinem Malerberuf auf dem Bau übernahm ich beim SCB ehrenamtlich viele kleine Aufgaben: Ich half in der Animation aus, etwa beim Einsammeln der Pucks. Später war ich unter Riccardo Fuhrer für die Goalie-Statistik zuständig. Im Tausch mit Jürg Kumli wechselte ich schliesslich von der Statistik zum Material, assistierte Fräne an Matchtagen, opferte für die ChampionsHockey-League-Reisen meine Ferien. Wobei «Opfern» das falsche Wort ist. Es war ein «Dürfen», kein «Müssen».

Kehrli: Als ich unter dieser Erschöpfung litt, wurde ein Teilzeitmandat von Dänu zum Thema. Doch Marc Lüthi sagte: «Entweder Vollzeit oder gar nicht.»

Moser: Als das Angebot auf dem Tisch lag, musste ich nicht zweimal überlegen. Ich ging zu meinem Arbeitgeber, für den ich 30 Jahre gearbeitet hatte, und sagte: «Vielen Dank für alles. Aber ich möchte unbedingt zum SCB.» Am 1. Januar 2017 habe ich offiziell angefangen.

Von der Karosseriewerkstatt zum Job als SCB-Materialchef: Fräne, welches waren zu Beginn die grössten Hürden?

Kehrli: Weil Benu Müller zwar die Spieltage nicht mehr abdecken, aber als Materialchef doch nicht ganz aufhören wollte, konnte mir Roberto Triulzi zu Beginn nur ein 50-Prozent-Pensum anbieten. Dies war finanziell für mich nicht zu stemmen. Peter Schär – er war Direktor der Löwengarage, «Mister Peugeot» und ein riesiger SCB-Fan – bot mir an, mich in seiner Werkstatt ebenfalls zu 50 Prozent anzustellen. So kombinierte ich diese beiden Jobs im ersten Jahr. Es bleibt mir als das härteste und intensivste Jahr in Erinnerung.

Moser: Ich war dankbar, dass mir Fräne zu Beginn alles beibrachte und mich toll in die Aufgabe einführte. Die ersten vier Monate bis zum Playoff-Ende im April 2017 war ich immer auf 300 – schliesslich wollte ich es allen recht machen und meinen Teil beitragen. Nach dem Meistertitel wurde ich krank, der Stressabbau forderte Tribut. Aber ich bin sehr schnell in die Aufgabe reingewachsen und habe rasch gemerkt, was Fräne am wichtigsten ist: Ordnung!

Kehrli: Ich bin penetrant in Sachen Ordnung. Da hatten Dänu und ich die eine oder andere sanfte Auseinander- setzung. (lacht) Aber wir wurden uns meistens einig. Ich habe Dänus Zuverlässigkeit und seine Art sehr geschätzt.

Moser: Auseinandersetzung ja, aber wir sind nie aneinandergeraten. Ordnung und Sauberkeit standen im Zentrum. Häufig wurden wir auch gefragt: Weshalb wäscht ihr die Trainingsleibchen jeden Tag? Ganz einfach: Wir wollten nicht, dass es stinkt. Und die Garderobe musste in einem Zustand sein, der auch Spontanbesuche von Sponsoren oder Medien erlaubte, ohne sich schämen zu müssen. An Fränes Vorliebe für Ordnung hatten übrigens einige Spieler zu beissen. (lacht)

Kehrli: Zum Beispiel Patrik Bärtschi. An seinem Platz war immer ein «Puff». Also füllte ich einmal ein Wägeli mit all seinen Sachen und sagte zu ihm: «So, und jetzt kannst du alles nochmals frisch einräu- men – und zwar richtig.» Ich weiss, dass man sich so nicht unbedingt beliebt macht. Aber es war meine Art, die Spieler zu erziehen, damit Ordnung herrschte.

Sowohl in Fränes erster Saison 2003/04 als auch in Dänus erstem Jahr 2017 gab es sogleich den Meistertitel. Wie war das?

Moser: Das war ein unglaubliches Erlebnis – sehr intensiv, sehr emotional, sehr schön.

Kehrli: Erfolg hilft immer – dies wurde der ganzen Organisation auch in den letzten Jahren speziell bewusst, als eben der Erfolg ausblieb. Gewinnst du, bist du auf der glücklichen Seite, und es ist so: Erfolg macht glücklich.

Was ist das Schönste an der Aufgabe des Materialwarts?

Kehrli: Magst du Sport und Handwerk, bist du auf der schönen Seite. Dann spielen Belastung, unregelmässige Arbeitszeit und die langen Tage eine un- tergeordnete Rolle. Einen solchen Job machst du aus Freude, aus Leidenschaft – und dann kommt viel zurück. Moser: Du bist dein eigener Chef, hast eine vielseitige Büez, bei der du manchmal nicht weisst, was der nächste Tag bringt. Und du kannst einen kleinen Teil zu einem grossen Erfolg beitragen, der viele Menschen in und um Bern bewegt.

Welches ist die grösste Herausforderung im Job?

Moser: Es gibt Momente, in denen es eilt, du innert kürzester Zeit funktionieren und das Richtige tun musst. Zum Beispiel, wenn einem Spieler auf dem Eis das Helm-Bändeli reisst, oder wenn das Eisen am Schlittschuh ersetzt werden muss und der Coach möchte, dass dieser Spieler im nächsten Einsatz wieder dabei ist.

Kehrli: Dann darfst du nicht ins Schlottern geraten, muss unter Druck jeder Handgriff sitzen. Das ist effektiv die grösste Herausforderung. Einer meiner heikelsten Fälle betraf Goalie Marco Bührer. Einmal fiel während eines wichtigen Matchs eine Schraube aus einem seiner Schlittschuhe. Wenn der Goalie ein technisches Problem hat, musst du die Reparatur innert einer halben Minute vornehmen können, sonst muss der Torhüter ausgewechselt werden. Ich hatte keine Chance, innert nützlicher Frist eine passende Schraube aufzutreiben. Ich ging aufs Feld und fand tatsächlich die verlorene Schraube im Schnee auf dem Eis. Ich drehte sie wieder in den Schuh, Bührer konnte weitermachen. Hätte ich sie nicht gefunden, hätte Bührer zumindest den Rest des laufenden Drittels verpasst.

Inwiefern hat sich der Job verändert?

Kehrli: Schleichend sind immer neue Aufgaben hinzugekommen. Und die Ausrüstung entwickelt sich natürlich von Jahr zu Jahr. Zudem wird heute der Erholung mehr Beachtung geschenkt, ebenso der Ernährung. Das geht alles unter den Begriff Professionalität. Letztlich hat es auf jede Saison hin einige Änderungen gegeben – und das macht auch den Reiz dieser Aufgabe aus.

Was für viele Leute ebenso reizvoll sein könnte: Profisportler bei der täglichen Arbeit zu erleben – quasi ungeschminkt zu sehen, wie Spieler ticken. Wie habt ihr das erlebt?

Kehrli: Ich war zu Beginn über all die Rituale erstaunt. Tristan Scherwey zum Beispiel wusste jedes Mal beim Einlaufen, wo ich stehe. Und wehe, ich stand einmal an anderer Stelle! Dann fühlte er sich in seiner Vorbereitung gestört, weil etwas nicht so war wie gewohnt. (lacht)

Ich reichte ihm sein Paar Handschuhe meistens mit meiner linken Hand. Wenn ich ihm sie ausnahmsweise mit der rechten übergab, blieb er stehen und schaute mich verdutzt an. Simon Gamache war auch ein spezieller Vogel: Während sich alle Spieler vor dem Match im Durchgang vor der Garderobe versammelten, spielte er jeweils draussen im «Bärengraben» mit den Einlauf-Kids. Grundsätzlich darf ich sagen: In all den Jahren gab es nicht mehr als eine Handvoll Spieler, bei denen ich sagen musste: «Der war anstrengend.»

Moser: Das stimmt. Es war eine tolle Zeit mit der Mannschaft. Unvergessen sind für mich auch die gemeinsamen Reisen,

This article is from: