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Olympische Spiele 2022: Ramon Untersander und Simon Moser sind die Mutzen in Peking.
EIN REALISTISCHES ZIEL UND DER TAG X
SCB-Captain Simon Moser ist in Peking bereits zum dritten Mal an Olympischen Spielen, für Ramon Untersander ist es die zweite Teilnahme. Im Interview blicken die Beiden auf ihre bisherigen Erfahrungen zurück, äussern sich zur letzten Phase vor der Abreise nach Peking und zu den Herausforderungen neben dem Eis.
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Was ist der erste Gedanke, wenn ihr das Wort Olympische Spiele hört? Simon Moser: Es ist der grösste Sportanlass mit vielen verschiedenen Disziplinen und man kann sein Land vertreten. Das ist eine grosse Ehre. Ramon Untersander: Mir kommen die alten Griechen in den Sinn... Ja, es ist das grösste und speziellste Sportfest der Welt.
Für dich, Simon, ist Peking nach Sotschi 2014 und Pyeongchang 2018 bereits die dritte Olympia-Teilnahme, für dich, Ramon, nach 2018 die zweite. Welche Erinnerungen habt ihr? Simon Moser: 2014 war sehr interessant, weil die NHL-Spieler dabei waren. Rein resultatmässig sind die Erinnerungen nicht allzu gut. Aber alles andere rundherum war sehr imposant und auch sehr unterschiedlich. In Russland war vieles in der Umgebung, innerhalb des olympischen Areals. Man konnte mit den Velos von Stadion zu Stadion radeln. In Südkorea waren die Stadien weitläufiger verteilt. Da musste man den Bus nehmen, um zu anderen Wettkampforten zu gelangen. Ramon Untersander: Sportlich gesehen war es 2018 für uns ziemlich bitter. Wir verloren in der Gruppenphase zwei Mal klar, gewannen nur gegen Südkorea mit 8:0 und schieden dann in der ViertelfinalQualifikation mit 1:2 n.V. gegen Deutschland aus. Die Einrichtungen in Pyeongchang waren auf temporäre Nutzung ausgelegt, aber das olympische Gefühl war da. Mir hat der gemeinsame Einlauf von Nord- und Südkorea sehr imponiert und auch deren Unterkunft mit der riesengrossen nordkoreanischen Flagge am Haus und den kleinen südkoreanischen Fähnchen an den Fenstern. Sotschi war aus Schweizer Sicht ziemlich speziell. Es gab in der Gruppenphase zwei 1:0-Siege gegen Lettland und Tschechien und eine 0:1-Niederlage gegen Schweden. Dann folgte die 1:3-Niederlage gegen Lettland in der Viertelfinal-Qualifikation. Simon, du warst der Torschütze beim Sieg gegen Lettland. Woran erinnerst du dich? Simon Moser: Die Entscheidung fiel im ersten Spiel gegen Lettland erst kurz vor Schluss (Anm. Red: nach 59:52 Minuten). Es gab an diesem Turnier viele enge Spiele. In der K.o.-Phase ist die Tagesform entscheidend. In der zweiten Begegnung mit Lettland, als wir in der Viertelfinal-Qualifikation 1:3 verloren, hatten wir viele Torchancen. Ich habe vor allem in Erinnerung, dass der lettische Goalie, der keinen Club-Vertrag hatte, enorm stark gespielt hat.
In Südkorea war wie vier Jahre zuvor Endstation in der Viertelfinal-Qualifikation mit dem 1:2 n.V. gegen Deutschland. Ist es nur aus Mediensicht so, dass Spiele gegen Deutschland als so speziell betrachtet werden? Simon Moser: Schon bei den Junioren spielt man oft gegen Deutschland und auch gegen die Slowakei. So gesehen sind diese Begegnungen vielleicht etwas anders als die andern. Aber ich denke schon, dass es zum grossen Teil ein Medienthema ist, nicht zuletzt, weil wir halt einige Male, an der WM 2010, an Olympia 2018 und an der WM 2021, wichtige Spiele gegen Deutschland verloren haben. Ramon Untersander: Es gibt eine gewisse Rivalität, schliesslich sind die Deutschen unsere Nachbarn. Die Spiele sind oft hartumkämpft, aber es gewinnt der bessere. Aber wir müssen die daraus gewonnenen Erfahrungen nützen
Welche sportlichen Erwartungen habt ihr im Hinblick auf Peking? Simon Moser: Der Halbfinal ist ein realistisches Ziel, aber es kommt immer darauf an, ob man am entscheidenden Tag seine Topleistung bringt. Ramon Untersander: Wir müssen aus dem letzten Turnier lernen, dass es eben auf diesen Tag X ankommt. Es gilt in K.o.-Spielen, die beste Leistung abzurufen, aktiv zu spielen, das Zepter zu übernehmen.
Die Herausforderungen stellen sich aber auch neben dem Eis. Inwieweit wisst ihr, was auf euch zukommt? Simon Moser: Ich habe mir nicht viele Gedanken dazu gemacht. Es ist so, wie es ist. In Südkorea waren wir einmal bei den Alpinen im House of Switzerland und haben dort ein Fondue gegessen. Vielleicht ist in Peking auch etwas in der Art möglich. Ramon Untersander: Es gibt sicher keine Zeit, um die chinesische Mauer anzuschauen. Was bezüglich der Pandemie auf uns zukommt, habe ich mir nicht überlegt. Wir nehmen es, wie es kommt und machen, was man machen muss. An der WM 2021 in Riga gab es ja auch schon starke Einschränkungen, aber es konnte trotzdem auch mal etwas organisiert werden wie ein gemeinsames Essen in einem Restaurant am Wasser.
Es gab vor der Abreise noch wichtige Spiele mit dem SCB. Waren die Gedanken trotzdem schon bei Olympia? Simon Moser: Für mich war Olympia schon ziemlich nahe, weil ich wegen Corona pausieren musste. Es ging vor allem darum, etliche Unterlagen einzubringen. Aber die letzte Phase vor Olympia ist generell speziell. Ich erinnere mich an 2018, als vom SCB 13 Spieler dabei waren. Das hat man bereits in den Wochen zuvor der Spielweise angemerkt. Im Unterbewusstsein spielte Olympia schon mit. Ramon Untersander: Für mich war es schwierig, weil mit Simu und Tristan Scherwey in den letzten zehn Tagen vor der Olympiapause beide Kollegen aus unserem Captain-Team gefehlt haben. Das war ein mentaler Spagat. Meine Familie ist ausgezogen. Man musste zahlreiche Tests machen und steht im Aufgebot, aber bis zur Ankunft in Peking weiss man nicht, ob man wirklich teilnehmen kann. Man probiert alles, um sich zu schützen. So habe ich beispielsweise nach den letzten Heimspielen nicht wie gewohnt mit dem Team in der PostFinance Arena gegessen, sondern mein Essen geholt und mit nach Hause genommen. Olympia stand vor der Tür und war trotzdem weit weg. Phasenweise führte das schon zu Ablenkung, war aber nicht mehr präsent, sobald man das Eis betrat.
Und wie verbringt ihr eure freie Zeit an Olympischen Spielen? Simon Moser: In Pyeongchang waren wir zu viert in einem Appartement. Wir haben viel gejasst oder andere Disziplinen angeschaut, entweder direkt an den Wettkampfstätten oder am Fernsehen. Lesen und vor allem Schlafen gehören auch dazu. Ramon Untersander: In der Nationalmannschaft spielen wir oft Brändi Dog, das geht für vier bis sechs Spieler, es können sogar bis zu zwölf Spieler teilnehmen. Wir hatten jeweils unsere sogenannte SAC-Hütte in den Physiotherapie-Räumen. Dort gab es Tischtennis und Spielekonsolen. Jassen, Pokern oder Netflix sind ebenfalls ein Thema. (dk)
Ramon Untersander und Simon Moser nach der Ankunft in Peking.
Das Interview wurde vor der Abreise nach Peking geführt.