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Eric Blum blickt auf seine bewegte Zeit beim SCB zurück.
«ICH SAH, WIE ER FLOG UND FLOG...»
Er war ein Top-Verteidiger beim SCB, erzielte in sieben Jahren im Durchschnitt 0,47 Scorerpunkte pro Spiel und war 2019 der letzte Meisterschütze. Doch seit dem 14. Februar 2021 hatte Eric Blum nach einem brutalen Foul und den Folgen seiner Hirnerschütterung keinen einzigen Einsatz mehr. Im Interview blickt er auf seine Zeit in Bern zurück und in eine ungewisse Zukunft.
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# 58 ERIC BLUM
Beim SCB von 2014 bis 2022 344 Spiele – 30 Tore / 132 Assists / 162 Scorerpunkte 3 Meistertitel 2016 / 2017 / 2019 2 Cupsiege 2015 / 2021
Weit über ein Jahr ist vergangen seit dem fiesen Foul, das dich bis jetzt ausser Gefecht gesetzt hat. Das hat im Übermass Zeit ergeben, um auch über deine Karriere und das Danach nachzudenken. Wo stehst du heute? Ja, es gab viel Zeit zum Nachdenken. Es gab Momente, in denen ich mich in Gedanken an die Zukunft verloren habe. Da waren dann all die Hypothesen, bei denen man nicht weiss, ob sie eintreten. Aber ich wurde auch psychologisch begleitet. Und da kam Ähnliches zum Ausdruck wie im Sport: «Denke nicht zu viel. Bleibe im Moment, lebe von Tag zu Tag.» Es ist in einer solchen Situation sehr empfehlenswert, das zu tun. Aber Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich habe versucht, mich auf den Therapieprozess zu konzentrieren, was viel Energie benötigt hat. Priorität 1 war, wieder gesund zu werden. Einige Ziele habe ich unterwegs nicht erreicht, entsprechend gross war jeweils die Enttäuschung. Es gibt keine präzise Antwort auf die Frage, wo ich stehe. Stand heute fühle ich mich sehr gut. Im Alltag bin ich beschwerdefrei. Zuletzt hat die Therapie sich auf Belastung auf dem Eis bezogen. Ich habe im Concussion Center Übungen gemacht, in denen vieles zusammenkam: Trampolin springen, mit Zahlen beschriebene Tennisbälle fangen, sie erkennen, sich beim Springen auf Kommando drehen und an eine Wand geschriebene Buchstaben in Reihenfolge nennen usw. Wir Sportler sind wie Hunde, die alles als Spiel nehmen. Ich habe diese Tests bestanden. Doch alle Reize, denen man im Eishockey ausgesetzt ist, bringt men, weiter daran arbeiten zu können. Ich kann ja nicht eine eigene Mannschaft aufbieten, um auf dieser Stufe weiter zu trainieren.
Du hast immer soweit als möglich trainiert. Wie gross waren die Fortschritte bzw. wie stehen die Aussichten? Die Fortschritte sind im Grundsatz gross, aber man muss alles relativieren. Wenn ich die Ausgangslage nehme, dass mein Vorfall einem frontalen Autounfall ähnelt, ist es ein grosser Erfolg, wenn ich im Training wieder einen genauen Pass zu Tristan Scherwey spielen kann. Körperlich und hockeytechnisch könnte ich auf jeden Fall weiterspielen. Aber es spielen eben die erwähnten Einflüsse mit. Ich möchte, wie seinerzeit Kevin Lötscher, die Chance haben, den Weg so lange gehen zu können, bis definitiv Klarheit herrscht, ob es noch geht oder nicht.
Hast du schon konkrete Pläne für die Zeit nach der Aktivkarriere? Ich bin sehr offen und kann mir Verschiedenes vorstellen. Ich kann mich für viel begeistern. Dank dem Netzwerk als Hockeyspieler könnte ich im Moment wohl sofort einen Job finden, aber das wäre ohne Fundament. Deshalb werde ich auf jeden Fall noch eine Ausbildung machen.
Kannst du dir auch vorstellen, im Eishockey zu bleiben? Ja. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist eine klassische Trainerausbildung zu machen. Aber individuell auf einzelne Spieler
man im Therapieraum nicht unter. Auf dem Eis sind zehn Spieler, der Puck und die Gegenspieler können von überall herkommen. Und alles geht enorm schnell. Dazu kommen Sitzplätze, Werbung, Lärm usw. Es ist faszinierend, was da an Informationsflut zu verarbeiten ist. Das frühe Saisonende hat mir die Möglichkeit genomeinzugehen oder mit jüngeren Spielern zu arbeiten, das wäre etwas. Seinerzeit hat mich bei Kloten der tschechische Verteidiger Radek Hamr individuell betreut. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe eine spezielle Einstellung zum Spiel, die wohl asiatisch geprägt ist. Die rasche Erkennung der Situation, das Lesen der Körpersprache gehören dazu. Es gibt Techniken, die bei allen funktionieren, die ich weitergeben könnte. Aber auch im Branding-Bereich wäre für mich das eine oder andere vorstellbar.
Blicken wir zurück. Acht Jahre SCB, was bleibt zurück? Es ist vor allem unglaublich schnell gegangen. Und es ist verrückt, was in dieser Zeit alles passiert ist. Privat kam ich als Single, jetzt habe ich eine Familie. Sportlich gab es drei Meistertitel, zwei Cupsiege und Olympia. Und ich habe in dieser Zeit mein bestes Hockey gespielt. Es gibt sehr viele Erinnerungen und Erlebnisse. Erlebnisse in einer gewissen Intensität und mit entsprechender Emotion zu sammeln, darum geht es im Leben. Die Meistertitel überragen schon alles. Ich stand vorher auch schon in Finalserien, aber hatte noch nie gewonnen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit dem Meisterteam den Umzug durch die Stadt zu machen. Und es gab so viele Begegnungen mit Coaches und Mitspielern, erfreulich und herausfordernd. Das sind alles Puzzleteile, die einen Beitrag geleistet haben zu dem, was ich jetzt bin.
Und du warst 2019 im Final gegen Zug der letzte Meisterschütze... Ja, ich habe das Bild noch vor mir. Andrew Ebbett hat mir den Puck an die blaue Linie gespielt. Ich war nicht in der Position, um richtig Kraft in den Schuss zu legen, also habe ich versucht, einfach Richtung Tor zu zielen. Eigentlich wäre es ja ein Slapshot gewesen, aber der Puck flog sehr langsam. Ich sah, wie er flog und flog und an allen vorbei den Weg ins Netz fand. Es war schon klar, dass das 2:1 kurz vor Ende des zweiten Drittels im fünften Finalspiel ein sehr wichtiges Tor war, aber wir waren als Mannschaft unglaublich fokussiert. Wir haben die Fassung bewahrt, um unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Entsprechend war die Haltung: Schön, aber weiter geht’s. Auch in meinem letzten Spiel am 14. Februar 2021 gegen Davos gelang mir noch ein Tor. Das ist das Einzige, was ich aus jenem Spiel noch weiss. Colin Gerber hatte geschossen und ich habe den Puck vor dem gegnerischen Tor backhand abgelenkt. Als Verteidiger befinde ich mich normalerweise nicht in der Nähe des gegnerischen Tors. Ich habe keine Ahnung mehr, warum ich dort war. (dk)