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SCB Future: U15-Trainer René Willener im Interview.
«GEH VORAN UND MACH ES BESSER»
Der 33-jährige Berner Oberländer steht in seiner zweiten Saison als Headcoach der U15. Er spricht im Interview über die Wichtigkeit der Trainerausbildung, seine Philosophie und die Qualitäten von SCB Future.
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Wie nennen dich deine Spieler? Die meisten nennen mich Chridä!
Chridä? Ich habe eine helle Haut, und die wird auch nach Strandferien nicht braun (lacht). Als ich beim SC Unterseen-Interlaken zu den Aktiven kam, erhielt ich deshalb diesen Übernamen. Er hat sich mittlerweile in Eishockeykreisen etabliert. Das ist okay so. Ich bin mit meinen Spielern per Du, weil ich ihnen auf Augenhöhe begegnen möchte.
Weisst du eigentlich, dass kein Trainer beim SC Bern über eine höhere Trainerausbildung verfügt? Ja, ich besitze die Pro-Lizenz (höchste Verbandsausbildung - die Red.) Aber U20Coach Mario Kogler wird bald gleichziehen. Dann ist mein Vorsprung dahin.
Im Gegensatz zum Fussball ist die Pro-Lizenz im Eishockey nicht Voraussetzung, ein Profiteam trainieren zu dürfen. Weshalb hast du dennoch sämtliche Ausbildungen absolviert? Ich bin überzeugt: Willst du als Coach einen Job kriegen, musst du gewisse Kompetenzen mitbringen. Und diese kannst du wie in anderen Lebensbereichen in Aus- und Weiterbildungen erwerben. Ich durfte in den vergangenen Jahren sehr viel lernen – nicht nur in direktem Bezug aufs Eishockey.
An was denkst du? Ein Beispiel: Manchmal hast du als Erwachsener das Gefühl, einem 14-Jährigen sei es nach einem Spiel völlig egal, ob er den Match gewonnen oder verloren hat. Das nervt dich als Coach. Aber wenn du weisst, dass sich sein Hirn exakt in dieser Phase neu strukturiert und er deshalb gar nicht rational denken kann, dann kennst du den Grund und hast Verständnis. Solche Dinge erweitern das Wissen, die Kompetenz, machen dich zu einem besseren Trainer. Und bessere Trainer drängen sich für wichtige Aufgaben auf.
Du bist 33, stehst in deiner achten Saison als Trainer. Hast du früher davon geträumt, mit 33 Profieishockey zu spielen? Eishockeyprofi zu werden war natürlich ein Traum. Aber ich wusste bereits mit acht Jahren, dass ich irgendwann auch Trainer sein will. Im Vorjahr hielt ich im Rahmen meiner Pro-Lizenz-Arbeit eine Rede vor diversen Nachwuchstrainern. Dort zeigte ich Notizen aus meiner Kindheit, die meine Mutter aufbewahrt hatte. Sie bezogen sich auf WM und Playoffs der Jahre 2000 und 2001, ich hatte jedes Playoff-Tor und jeden Schweizer WM-Treffer analysiert. Marcel Jenni, Steve Hirschi und Sandro Rizzi kamen in diesen Notizen vor – lustigerweise sassen sie bei der Rede im Publikum.
Was fasziniert dich an der Trainerarbeit? Ich wurde erzogen nach dem Motto: Wenn du etwas zu jammern hast, geh voran und mach es besser. Als Spieler wollte ich die Entscheide des Trainers verstehen. Erhielt ich keine genügende Antwort oder Erklärung, konnte ich mühsam sein. Ich dachte dann: Als Coach würdest du das anders machen. So ist nun meine Philosophie: Ich will, dass die Spieler verstehen, weshalb wir was tun.
Du hast unter anderem für Unterseen-Interlaken und Thun gespielt, warst 2005 Teil eines Projekts des Berufszentrums Interlaken, in welchem Schule und Spitzensport harmoni-
RENÉ WILLENER
Geburtstag:
16. August 1988
Funktion:
Bei SCB Future seit: Stammverein:
Stufenchef U15 Head-Coach U15 Elit 2021 SCUI
siert werden sollten. Ist diese Kombination für einen jungen Sportler auch 2022 die grösste Herausforderung? Auf jeden Fall. Wir sind organisatorisch einen Schritt weiter. Aber einerseits hat der Umfang an Lektionen im Schulsystem 21 zugenommen, anderseits ist der Trainingsumfang ebenfalls gestiegen. Ein 13-Jähriger trainiert bei uns bis zu sechsmal pro Woche. Es gibt Junioren, die stehen morgens um sechs auf und sind abends um acht zuhause. Sie nehmen diese Belastung vielleicht nicht wahr, aber sie ist nicht zu unterschätzen. In diesem Bereich gibt es weiterhin Potenzial.
Du hast in Thun als U15-Stufenchef gewirkt und 60 bis 80 Prozent bei der BLS gearbeitet. Nun bist du beim SCB als Profitrainer angestellt. Inwiefern hat sich dein Alltag verändert? Während meiner Zeit in Thun ging ich um fünf Uhr morgens aus dem Haus und kam um halb zehn Uhr abends zurück. Diese Belastung frisst dich irgendwann auf. Im letzten Herbst wurde ich Familienvater und entschied, damit aufzuhören – mit dem Ziel, als Profitrainer zu arbeiten. Diesen Schritt durfte ich beim SCB machen. Wir haben sechs Trainings pro Woche, zweimal am Vormittag und viermal gegen Abend. Während des Tages kann ich die Trainingseinheiten vorbereiten und sie nach Bedarf individuell für die Spieler gestalten. Ich erachte es als sehr wertvoll, dass ich als Profitrainer Zeit habe, spezifisch auf die Spieler einzugehen. Während der Saison kommen Spiele und Videoanalyse hinzu. Die Analyse können wir sehr detailliert handhaben, weil von allen Heimspielen Bilder verfügbar sind. Auf dem Erreichen der persönlichen Ziele der Athleten. Dabei handelt sich meistens um die NHL. Wir wollen jeden Athleten weiterentwickeln und versuchen, auf dieser Stufe bewusst nicht zu fest zu selektieren, selbst wenn ein paar Tendenzen bereits ersichtlich sind. Gewisse Selektionen müssen wir aber vornehmen, auch organisatorisch, damit wir die Trainingsgruppen optimal betreuen können. Deshalb gibt es auf Stufe U15 die Unterscheidung zwischen Elit und Top – was nicht heisst, dass einer keine Chance mehr zum Profi hat, wenn er im Juniorenbereich einmal nicht selektioniert wird. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass nicht jeder Nachwuchsspieler eine Karriere à la Roman Josi erreichen kann. Ich sage meinen Spielern immer: Ihr seid gut, ihr habt Potenzial – aber ihr befindet euch erst am Anfang auf dem Weg zum Profi.
Es gibt Leute, die kritisieren, in der Schweiz werde zu früh zu stark selektioniert. Das kommt auf die Werte an, die man vergleicht. Andere Länder verfügen über eine höhere Anzahl Nachwuchsspieler – entsprechend mehr schaffen den Sprung in die jeweils höchste Juniorenliga. Aber wenn wir es prozentual betrachten, schaffen es in der Schweiz mehr in die höchste Juniorenliga als in Kanada, den USA, Schweden, Tschechien und Russland. Das Schweizer Eishockey ist punkto Selektionskriterien auf einem guten Weg.
Was steht auf Stufe U15 im Vordergrund: Ausbildung oder Resultate? Primär die Ausbildung. Aber logisch wollen wir Spiele gewinnen, und auch auf Stufe U15 existiert Abstiegsdruck. Allerdings ist der Umgang mit Druck und damit zum Zeitpunkt X die Topleistung erbringen zu können, auch ein Teil der Ausbildung.
Wo siehst du die Qualitäten und das Potenzial von SCB Future? Wir verfügen in der Trainercrew über ein enormes Know-how. Die Trainer sind alle gut vernetzt. Organisatorisch haben wir kurze Wege, weil Off- und On-Ice-Trainings nah beieinander sind. Dranbleiben müssen wir punkto Entwicklung des Eishockeys. Ein 13-Jähriger wird in zehn Jahren Profi sein. Da müssen wir bereits jetzt abschätzen können, wo das Eishockey in zehn Jahren sein wird, und wie wir ihn an die Spitze heranführen müssen. Das bedingt einen regelmässigen Austausch auf allen Stufen – und diesen Austausch haben wir von Johan Lundskog bis zu den Trainern auf tiefster Nachwuchsstufe. (rek)
GASTFAMILIEN FÜR SPIELER GESUCHT
Auf die Saison 2022/23 wechseln einige Spieler aus auswärtigen Vereinen zu SCB Future. Für diese Spieler suchen wir Gastfamilien. Geld verdienen kann man dabei nicht, aber für die Beherbergung gibt es natürlich eine Entschädigung. Sind Sie interessiert, dann melden Sie sich bei SCB Future: marc.weber@scb.ch 031/336 80 95