Innsbruck informiert (März 2021)

Page 60

© STADTARCHIV/STADTMUSEUM

Stadtgeschichte

Große Warteschlange vor dem Tabakwarengeschäft Ferdinand Nessler, zwischen 1914 und 1920.

Innsbruck vor 100 Jahren von Angelika Kollmann-Rozin

1. März Radfahrer Achtung! Gestern ging ein Herr in ein Geschäft in der Mariahilferstraße und stellte indessen sein Fahrrad neben den Eingang. Kaum war er aber im Geschäft, als auch schon ein Unbekannter sich des Rades bemächtigte, aufsprang und in raschem Tempo gegen die Innstraße davonfuhr. Er wurde von mehreren Radfahrern verfolgt.

8. März Ein Mord in der Altstadt? Am vergangenen Samstag 1 Uhr früh wurde in der Herzog-Friedrichstraße ein 30-jähriger Mann von mehreren Raufbolden angefallen und derart zugerichtet, daß er mit blutüberströmtem Kopf in die Klinik überbracht werden mußte. Wie wir hören, soll der Bedauernswerte seinen Verletzungen erlegen sein.

10. März Ein Protest der Innsbrucker medizinischen Fakultät. In der Aula der Innsbru60

INNSBRUCK INFORMIERT

cker Universität fand eine vom Dekanat der medizinischen Fakultät einberufene Versammlung statt, an der die Professorenschaft, die Ärzte und Mediziner teilnahmen. Zweck der Versammlung war die Stellungnahme gegen die Novelle des Zahntechnikergesetzes. Der Dekan der medizinischen Fakultät Professor Dr. Haberer eröffnete und begrüßte die Versammlung und erklärte nach längerer Rede, daß die Universitätslehrer gegen die Gleichstellung eines rein auf technische Fähigkeiten aufgebauten Handwerkes mit der ärztlichen Kunst feierlich Verwahrung einlegen. Im gleichen Sinne sprach sodann namens der Ärzteschaft der Obmann der Tiroler Ärzteorganisation Dr. Krautschneider und namens der Studentenschaft cand. Med. Krainz, worauf von der Versammlung eine Entschließung angenommen wurde, in der dagegen Protest erhoben wird, daß die Ausübung der mit dem Ärzteberuf verbundenen Rechte in leichtfertiger Weise zum größten Schaden der ganzen

Menschheit, an Laien verliehen werden soll.

11. März Der Liebesbote in Verlegenheit. Eine absonderliche Geschichte hat sich letzthin in Pradl zugetragen. Vor der Wohnungstüre einer Familie erschien ein junger Mann und legitimierte sich der Hausfrau gegenüber als ein Polizeiagent mit dem Auftrage nachzufragen, ob die Tochter der Familie vor kurzem in den Stadtsälen eine Fensterscheibe zertrümmert habe. Diese Beschuldigung und der Vorgang überhaupt erregten begreiflicherweise in der Familie Aufsehen, weil man zudem wußte, daß das 16-jährige Mädchen niemals in der letzten Zeit in den Stadtsälen gewesen sei. Die seltsame Angelegenheit wurde weiter verfolgt und die Erhebungen ergaben, daß der junge Mann, der sich als Polizeiagent ausgegeben hatte, eigentlich nichts anderes war, als ein Liebesbote, der für seinen Freund an die Tochter des Hauses einen Brief zu


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.