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Was ist das grüne Bottwartal?
2021 fand der deutschlandweit erste #Run4Ratification statt.
Mittlerweile kann man ja wieder rausgehen und sich mit Freunden treffen. Im Winter 2020 war das aber so gar nicht möglich. Vor allem nicht für mich, weil ich währenddessen mein Erasmus in Brüssel verbrachte, einer Stadt, die verhältnismäßig hart vom Coronavirus und schließlich auch vom Lockdown betroffen war. In der Fremde isoliert zu sein ist nicht schön, und damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt, ging ich in Brüssel mehrmals die Woche laufen. 5, 8, 12 Kilometer belgischer Landschaft zogen so fast Tag für Tag an mir vorbei. Ich wäre gern politisch aktiver gewesen, ich hätte gern vor dem EU Parlament demonstriert, ich hätte mich gern mit Freunden getroffen.
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In einer Videokonferenz mit unserer Studigruppe aus dem Saarland, kurz nach meiner Wahl zur Studisprecherin im November, kam dann die Idee auf, das Laufen mit dem Wunsch nach einem vernünftigen Sozialleben und mehr politischem Engagement zu verknüpfen. Einen Lauf wollten wir veranstalten. Am liebsten vor Ort und mit „echten Menschen“, aber während Corona mussten wir auf das online-Format, einen virtuellen Lauf, zurückgreifen. Rückblickend betrachtet zweifle ich nicht an unserem Elan, eine sportliche Großveranstaltung zu organisieren, wohl aber an den Mitteln.
So gründeten wir eine Task Force, die sich um die Organisation kümmerte. Wir trafen uns online und aus der groben Idee „IPPNW-Sportevent Online-Lauf“ wurde der #Run4Ratification.
Ein Lauf für den Frieden, gegen Atombomben in Büchel und für Deutschlands Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV). Ein paar ursprüngliche Ideen, wie die geplanten gratis T-Shirts für alle Teilnehmenden, mussten überdacht und verändert werden, wir arbeiteten uns ein ins Webdesign, erstellten eine WordpressPage und designten Logos und Sharepics. Am wichtigsten war uns dabei, dass Teilnehmer:innen keine Anmeldegebühr zahlen sollten – damit jede und jeder sich mit möglichst wenig Aufwand dem Lauf anschließen konnte.
Wir einigten uns darauf, den #Run4Ratification von April bis Mai stattfinden zu lassen. Über vier Wochen hinweg sollten Teilnehmerinnen und Teilnehmer so viel laufen wie möglich und für ihre Ortsgruppe Kilometer sammeln. Gewinnen sollte das Team mit der größten Gruppengröße und das Team mit den meisten gesammelten Kilometern. Wir erhofften uns dadurch eine Art Schneeball-Effekt anzustoßen: Größere Gruppen sammeln mehr Kilometer, somit sollte der Lauf und letztlich der AVV bekannter werden. Außerdem schafft der Wettkampf zwischen Gruppen mehr Bewusstsein für die breite Unterstützung, die das Atomwaffenverbot in der Zivilgesellschaft erfährt. Ähnlich wie beim ICANStädteappell, der auch aufzeigt, welche Städte sich alle für den AVV aussprechen und ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lässt.
Viele hochmotivierte Studis meldeten sich direkt an – mit einem gratis Shirt nur für die ersten 10 Anmeldungen – und liefen ab dem 22. April Kilometer für Kilometer für das Atomwaffenverbot. Wir konnten viele Anmeldungen aus Düsseldorf registrieren, ebenso meldete sich fast die komplette Womens‘ International League for Peace and Freedom an. Aber noch mehr Städte waren dabei: Hannover, Lübeck, Marburg, Tübingen, die Vulkaneifel… überall liefen Sportler:innen mit und rannten ihren persönlichen #Run4Ratification vor der eigenen Haustür. Irgendwann gingen so viele Anmeldungen ein, dass wir keine Finisher:innen-Packs mehr zum Versenden hatten!
Besonders herausragend waren die Leistungen des Zweiergespanns aus dem Grünen Bottwartal: Die beiden liefen zusammen innerhalb von vier Wochen 851 Kilometer, das sind pro Woche pro Person ungefähr um die 100. Das sind Zahlen, die uns ins Staunen brachten und es drängte sich eine Frage auf: Wo ist dieses Grüne Bottwartal? Und warum sind die da so gut? Wie schafft man das? Leider blieb dieses Geheimnis bis heute (Stand Juli 2021) ungelüftet, da das Gewinnerteam bisher nicht auf Anfragen für ein exklusives Amatom-Interview einging. Zumindest konnte uns Wikipedia verraten, dass die Bottwar ein Nebenfluss der Murr in Baden-Württemberg ist und dass man dort in der Region gut wandern gehen kann.
Übrigens: Schon während die Veranstaltung noch lief, wurde unsere Orga-Gruppe von ICAN International kontaktiert. Wir hatten also tatsächlich Wellen geschlagen. In gemeinsamen Gesprächen entwickelten wir eine Vision für ein internationales Event - das mag vielleicht für den einen oder die andere Laufbegeisterte:n ein kleiner Ausblick sein. Vor allem für die Profi-Läufer aus dem Bottwartal, aber auch für Düsseldorf, das sowohl bei den meisten Teammitgliedern als auch bei den meisten Kilometern auf Platz zwei lag. Auf Platz eins glänzte die saarländische Studigruppe mit 1581,06 gelaufenen Kilometern und 30 Teilnehmer:innen. Zugegebenermaßen hatten wir auch den kleinen Vorteil, viel mehr Menschen persönlich von unserem Lauf erzählen zu können – was wahrscheinlich zu mehr Anmeldungen führte. Aber im Grunde ist das auch egal. Denn der wahre Gewinn für uns alle wäre doch die erfolgreiche Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags durch die neue Bundesregierung! Und solange das noch nicht passiert ist, gehen wir weiterhin laufen. Gern auch einmal um den Fliegerhorst in Büchel herum.
Die Autorin: Sophia Christoph, Studisprecherin der IPPNW, 10. Semester Humanmedizin, Universität des Saarlandes.