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IPPNW Jahreshauptversammlung 2021 in der WG-Küche

In Vor-Corona-Zeiten bedeuteten die Jahreshauptversammlungen meist einen gemeinsamen Ausflug mit der StudiGruppe, die Möglichkeit, den Namen aus den Emails Gesichter zuzuordnen, und inspirierenden Input durch die Vorträge und die Gespräche in den Pausen. Nach jeder Mitgliederversammlung hatten wir das Gefühl, den Verein etwas besser kennengelernt zu haben und auch ein Stückchen mehr dazu zu gehören. Nun, die Vor-Corona-Zeiten sind vorbei. Aber mittlerweile ist es ja auch schon wieder normal, dass alles anders ist. Im Vorhinein zu dieser zweiten online Versammlung im April 2021 waren wir eher skeptisch. Um das Wochenende nicht ganz alleine vor dem Laptop zu sitzen, haben wir es dann mit einem Brunch in der WG-Küche verbunden.

Das Rahmenprogramm der Mitgliederversammlung hatte einen klaren Schwerpunkt: Maja Göpel, Politökonomin, Expertin für Klimapolitik und wissenschaftliche Direktorin von der Denkfabrik „The New Institute“, und Barbara Höhn, Energiebeauftragte für Afrika beim Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, sprachen über die Klimakrise und über den Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Kein klassisches IPPNW-Thema – oder doch? Im Anschluss an die Vorträge beschloss die Mitgliederversammlung durch eine Satzungsänderung, dass die IPPNW zukünftig auch zur Aufklärung über die durch die Klimakrise verschärften Konflikte beitragen soll. In den letzten Jahren wurde das bereits in einigen Projekt umgesetzt und die gemeinsam mit der KLUG (Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit) organisierten Vorträge von Frau Göpel und Frau Höhn zeigen, dass es bereits enge Verknüpfungen zu den klimapolitisch aktiven Gruppen gibt. Doch ab jetzt steht dies auch in unserer Satzung.

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Außerdem wurde das Positionspapier des Vereins zum NahostKonflikt ausführlich vorgestellt - ein spannender Einblick in das Ergebnis einer über Jahre geführten Debatte im Verein. In den zahlreichen Workshops wurde die Vielschichtigkeit der IPPNW deutlich. Es gab unter anderem Workshops zu Fukushima, zu den Kriegen im Nahen und Mittleren Osten, zu der Kriminalisierung gesellschaftlichen Engagements und zu dem Atomwaffenverbotsvertrag. In dem Workshop von den MEZIS konnten wir die zukünftige Rolle von uns als Ärzt*innen und Studis diskutieren. Sowohl Arbeitsumfeld als auch -bedingungen werden sich wandeln - so viel steht fest. Offen bleibt die Frage, wie wir uns daran anpassen. Was werden neue Anforderungen und Hindernisse sein - und was neue Stärken? Woraus können wir lernen und woran werden wir scheitern? Wie wird sich das Feld der Medizin verändern und wie unser Zugang zu Heilung? Auch wurden verschiedene Konzepte von “Krankheit” als Begriff sowie dessen soziokulturellen Prägungen in den Raum gestellt und sowohl über mögliche Veränderungen als auch notwendiges Umdenken unsererseits gesprochen. Ganz klar war es den vortragenden Personen ein Anliegen, auch die individuelle Position zu stärken und an das eigene Mitwirken zu appellieren. Auch dem Input der Zuhörer*innen wurde genug Raum gegeben, um persönliche Meinungen und Erfahrungen auszutauschen und in einen – wenn auch virtuellen – Gesprächsdiskurs zu kommen.

Obwohl der Atomwaffenverbotsvertrag gerade im Januar diesen Jahres in Kraft trat, wurde er im Plenum erst am Sonntag so richtig erwähnt. Dann aber mit globaler Unterstützung: Sechs bekannte Gesichter aus der internationalen IPPNW sprachen über ihre Erfahrungen, wie globale Friedensarbeit in Pandemiezeiten aussieht und wie der Vertrag zur globalen Abrüstung beitragen kann. Ein gelungenes Moment, auch um die Verbindung zur internationalen IPPNW-Föderation zu betonen und den deutschen Mitgliedern das große globale Netzwerk an Friedensaktivist*innen in Erinnerung zu rufen.

Die Mitgliederversammlung beschloss nicht nur eine thematische Ergänzung der Satzung. Ab jetzt wird in der Satzung und im Namen der IPPNW eine gendersensible und diskriminierungsarme Sprache verwendet – eine vielleicht überfällige Anpassung, aber auch nicht die direkte Lösung der dahinterstehenden Probleme. Nur durch eine Satzungsänderung wird sich nicht viel verändern. Den Worten müssen nun Taten folgen. Das Gendersternchen sehen wir als stetige Erinnerung daran, dass wir in unserem alltäglichen Engagement auf Antidiskriminierung und Gleichberechtigung achten und uns laut dafür aussprechen. Die thematische Ergänzung der Satzung verstehen wir als Motivation, sich weiter mit der Klimaszene zu vernetzen und über den Zusammenhang zwischen Krieg und Klimakrise aufzuklären sowie die internationale Friedensarbeit als notwendige Voraussetzung für eine Lösung der Klimakrise zu betonen.

Bei der nächsten Mitgliederversammlung wird es möglicherweise noch weitere Veränderungen geben, denn die Mitglieder haben den neuen Vorstand beauftragt, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie sich der Verein auch für andere in den Gesundheitsberufen arbeitenden Personen öffnen könnte.

Apropos neuer Vorstand: Dieses Jahr hat sich dort einiges bewegt. Mit Daniel Öhler als Vorstandsmitglied und Friederike Bröderhausen als stellvertretender internationaler Counclerin wurden auch zwei neue junge Gesichter in den Vorstand gewählt. Neu dazugekommen sind außerdem Ute Rippel-Lau, langjähriges IPPNW und engagiertes ICAN Mitglied aus Hamburg, Ralph Urban, der Erfahrung aus seiner politischen Arbeit bei den Grünen mitbringt, und Robin Maitra, aktuell auch Menschenrechtsbeauftragter der Ärztekammer Baden Württemberg. Charlotta Conrad und Ute Waterman führen ihre wertvolle Arbeit im Vorstand fort. Zwei erfahrene IPPNW Persönlichkeiten haben den geschäftsführenden Vorstand übernommen – Lars Pohlmeier und Angelika Claußen.

Die Mitgliederversammlung beschäftigte sich allerdings nicht nur mit Vereinsinterna und Vorstandswahlen. Sie richtete sich mit zwei Forderungen direkt an die Bundesregierung: Zum einen wurde die Bundesregierung aufgefordert, das Pariser Klimaschutzabkommen konsequent einzuhalten und damit verbunden eine sozial-gerechte und ökologische Energiepolitik umzusetzen. Zum anderen wurde die Unterzeichnung des AVVs gefordert. Als erste Schritte sollen der Artikel 6 des AVVs möglichst bald umgesetzt und die Opfer des Uranbergbaus in Deutschland entschädigt werden.

Auch wenn sich der persönliche Austausch bei dieser MV größtenteils auf kurze Chat-Nachrichten während der Vorträge beschränkte und es kein abendliches Beisammensein gab, hat es sich trotzdem gelohnt, denn die Vorträge und Workshops waren lehrreich und auch dank der sehr gelungenen Moderation von Lukas Breuning konnten in der virtuellen Welt rege Diskussionen entstehen. Die Beschlüsse zeigen, dass sich der Verein verändert – strukturell und in der inhaltlichen Schwerpunktsetzung. Zeit für uns als Studierende, die Richtung dieser Veränderung mitzubestimmen. Wie soll sich der Verein weiter entwickeln? Was ist euch wichtig? Sammelt eure Ideen und bringt sie ein – bei der nächsten MV in Hamburg!

Die Autorinnen: Stella Ziegler (im 4. Semester) und Franca Brüggen (im Praktischen Jahr)

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