6 minute read
Gefragt
6 Fragen an … Nirit Sommerfeld
Deutsch-israelische Schauspielerin und Sängerin sowie Mitglied der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost.
Advertisement
1Die israelische Regierung hat die Annexion großer Teile des palästinensischen Westjordanlandes nach dem Ab kommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten temporär ausgesetzt. Sind
Netanjahus Annexionspläne damit vom Tisch? Mitnichten. Das Abkommen kommt zur rechten Zeit, in der Netanyahu von seiner Strafrechtsverfolgung und von der Umsetzung der Annexion ab lenkt, indem der Deal mit den VAE Israel Milliardenaufträge für die Militärindustrie verspricht und Israels Gesellschaft von einem neuen Luxus-Tourismusziel träumt. Die 53-jährige völkerrechts widrige Besatzung (in Israel „temporärer militärischer Zustand“ genannt) und Beherrschung palästinensischen Landes ist bereits eine de-facto-Annexion. Sie wird schleichend und von der Welt unbemerkt als Ein-Staat-Lösung mit unterschiedlichen Rechten für Juden und Palästinenser legitimiert werden. Da macht es sich doch gut, wenn man im Vordergrund Frieden mit anderen Ara bern schließt. Zumal es da jede Menge zu profitieren gibt.
2Wie schätzen Sie die Lage der Palästinenser*innen ein?
Palästinenser*innen sind tagtäglich in allen Bereichen ihres Lebens extrem eingeschränkt, entrechtet, oft in Lebensgefahr. Leicht vorstellbar, wie es ihnen ergehen wird, wenn sie noch wei ter zurückgedrängt werden. Kaum vorstellbar, welche Folgen das haben wird – nicht nur in Palästina, Israel und im Nahen Osten, sondern womöglich als Flächenbrand, der bis nach Europa reicht.
3Es gibt aber auch Stimmen, die die Untätigkeit und Korruption der Palästinensischen Autonomiebehörde kritisieren.
Das ist in der Tat zu kritisieren. Die palästinensische Administra tion – von Autonomie kann keine Rede sein – arbeitet gezwungenermaßen eng mit Israel zusammen, ist von Israel abhängig, hat aber de facto nichts zu melden. Sie ist autoritär und nicht zimper lich bei der Anwendung von Gewalt, vor allem gegen Demonstranten, die Freiheit und Demokratie fordern. Ändern tut sich nichts – außer dass täglich mehr palästinensisches Land gestohlen wird und die Lebensumstände der Palästinenser*innen sich kontinu ierlich verschlechtern. Die Aussichten auf einen eigenen Staat, der völkerrechtlich vorgesehen ist, schwindet zusehends.
4Wie bewerten Sie die Politik der deutschen Bundesregie
rung mit Blick auf den Konflikt? Bis auf Bekundungen von „Besorgnis“, bestenfalls ‘Unmut’, bleiben alle Schritte der israeli schen Regierung ohne Folgen. Doch Deutschland muss jetzt handeln! Wenn die Haltung der deutschen Regierung zur geplanten Annexion „neutral“ bleibt, muss sie sich fragen lassen: Unterstützt Deutschland einen Staat, der unterschiedliche Rechte seiner Ein wohner*innen je nach ethnischer Herkunft anwendet? Wie weit muss Israels Politik gehen, wie viele Palästinenser*innen müssen vertrieben, inhaftiert, verletzt, getötet werden, bis Deutschland einlenkt? Wie laut müssen wir Jüdinnen und Juden in Deutsch land noch werden, damit ihr uns hört?
5Gibt es überhaupt noch Hoffnung in diesem Jahrzehnte
dauernden Konflikt? Ermutigend sollte das Urteil des Euro päischen Gerichtshofs für Menschenrechte wirken, das feststellt: Die Durchsetzung der Kennzeichnungspflicht von Waren aus einem Besatzungsland, deren Herkunft absichtlich verschleiert wird, ist weder Hetze noch Hass und auch kein antisemitischer Akt, wie Israel es gerne darstellen möchte. Es ist ein Ausdruck freier Meinungsäußerung und in einer Demokratie erwünscht.
6Sollte die Bundesregierung darauf reagieren? Ja, Deutschland täte gut daran, dem Urteil des EGMR zu folgen, insbesondere, da Deutschland derzeit die Präsidentschaft der EU sowie die Präsidentschaft der International Holocaust Remem brance Alliance (IHRA) innehat. Deren „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ wird von der Bundesregierung derart verwendet, dass sie jedwede Kritik an israelischer Politik als antisemitisch interpretiert. Dies führt in vielen Fällen bei vielen Kritiker*innen einschließlich mir selbst zur Einschränkung der Redefreiheit. Der Begründer der Arbeitsdefinition Kenneth Stern sagt dazu, er sei darüber erschüttert, wie die Definition von rechten Gruppierun gen instrumentalisiert werde. Wenn die Bundesregierung ernsthaft Antisemitismus bekämpfen will, sollte sie Antisemitismusbeauftragte einsetzen, die auf renommierte Nahostexperten hören, die Israels Politik faktenbasiert kritisieren, und Israel gegenüber in aller Freundschaft Konsequenzen ziehen.
Vereidigung von Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes – Berlin, ab 1933
Das Deutsche Rote Kreuz im Spannungsfeld zwischen humanitärem Anspruch und Realität 1914 –1945
Thementagung „Medizinund Gewissen“ Samstag, 16. Januar 2021 | 9–19:00 Uhr FAU, Findelgasse 7/9, Nürnberg Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Deutschen Roten Kreuzes laden wir zu einer medizinhistorischen Thementagung in Kooperation mit dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Friedrich Alexander Universität Erlangen ein.
Schirmherr: Prof. Dr. phil. Dieter Riesenberger, Paderborn Organisation: Prof. Dr. med. Karl-Heinz Leven, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, FAU Erlangen Dr. med. Horst Seithe, IPPNW NürnbergErlangen-Fürth
Die endgültige Entscheidung, ob die Tagung stattfinden kann, wird im September getroffen. Programm und Anmeldeinformationen finden Sie unter:
www.medizinundgewissen.de
3 . I P P N W P e a c e A c a d e m y 2 2 . -2 4 . J an u a r 2 0 2 1
T ag u n g s h a u s C l a r a S a h l b e r g B e r l i n -W a n n s e e F r e i t a g 1 8 U h r b i s S o n n t a g 1 5 U h r . K o s t e n : 5 0 , - E u r o
Bei der IPPNW Peace Academy tauschen wir uns ein Wochenende lang über Frieden und Gewaltfreiheit aus. Behandelt werden ge sellschaftliche, weltpolitische und persönliche Fragen. Wie kann ich in meinem Beruf zu*r Friedenstifter*in werden? Wie können Menschen ohne Gewalt geschützt werden? In welcher Beziehung stehen Gender, Ge walt, Krieg und Frieden zueinander und wie wirkt sich Gender auf Konzepte von „Sicher heit“ und Frieden aus? Was ist Friedenslogik?
Die IPPNW Peace Academy ist ein Angebot von und für junge IPPNWler*innen. Studierende anderer Fachrichtungen, die sich mit Krieg und Frieden befassen, sind herzlich willkommen. Eine Kinderbetreuung ist auf Wunsch möglich.
W i r f r eu e n u n s ü b e r E u r e A n m e l d u n g : k o n t a k t @ i p p n w . d e | T e l . 0 3 0 6 9 8 0 7 4 - 0 i p p n w . d e /b i t /p e a c e a c a d e m y
45 th Session on Human Rights of Migrant and Refugee Peoples Berlin Hearing | 23-25 Oct 2020
Programm-Skizze
Samstag 24. Oktober 8:30 – 9:00 h Willkommen 9:00 – 11:00 h Anhörung 11:30 – 13:00 h Anhörung 14:00 – 15:30 h Anhörung 16:00 – 18:00 h Anhörung
Sonntag 25. Oktober 8:30 – 9:00 h Willkommen 9:00 – 11:00 h Intervention der Jury
Das Recht auf Gesundheit ist universell! Wir klagen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen an.
Vom 23.-25. Oktober 2020 findet unser Menschenrechtstribunal im Refugio Berlin statt. Themen der Anhörung sind der Zugang von Geflüchteten zur Gesundheitsversorgung – die Auswirkungen der Lebensverhältnisse in Massenunterkünften auf die psychische und physische Gesundheit – Aufenthaltsstatus, Abschiebung und Gesundheit – die Krimiminalisierung von Solidarität – Deutschlands Verantwortung für die EU-Abschottungspolitik
Das Tribunal auf Sendung: Da coronabedingt im Raum eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung steht, laden wir Sie ein, die Veranstaltung online zu verfolgen. Es wird eine englisch–deutsche Simultanübersetzung geben. Mehr Infos: equalhealth4all.noblogs.org
Die Anhörung ist Teil der 45. Sitzung des Permanent Peoples‘ Tribunal. In diesem Rahmen haben bereits Tribunale in Palermo, Paris, Barcelona, London und Brüssel zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen stattgefunden.
WEBINAR 2 4. Se pt, 18:30 Uhr „Anti-Schwarzer Rassimus im Gesundheitssytem“ – mehr dazu im Forum intern, Seite 8 Weitere Informationen: equalhealth4all.noblogs.org Kontakt: Susanne Dyhr, dyhr@ippnw.de