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Kurdische Aktivistin Nazdar Ecevit von Abschiebung bedroht Der Medizinprofessor Moritz Mebel ist gestorben Bundestag billigt Eurodrohne trotz haushaltrechticher Bedenken
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Nazdar Ecevit ist weiterhin von der Abschiebung aus Deutschland in die Türkei bedroht. Die kurdische Aktivistin stammt aus der Stadt Cizre, die 2015-16 während der vom Staat verhängten Ausgangssperre von türkischen „Sicherheitskräften“ angegriffen und zerstört worden ist. Sie kam 2016 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Obwohl sie massiver politischer Verfolgung durch den türkischen Staat ausgesetzt ist, wurden ihr Asylantrag sowie ihr Folgeantrag abgelehnt. Im April war die Polizei in ihre Unterkunft bei Kassel eingedrungen, um sie ins Abschiebegefängnis am Frankfurter Flughafen zu bringen. Aufgrund des öffentlichen Drucks und ihres Widerstands wurde die unmittelbar bevorstehende Abschiebung abgebrochen. Eine Woche später wurde Nazdar Ecevit wegen einer anhängigen Petition aus der Abschiebehaft entlassen.
„Ihre Abschiebung wäre ein Signal für eine fortschreitende Ignoranz gegenüber Demokratieabbau und staatlicher Repression in der Türkei“, schreiben die IPPNWMitglieder Christa Blum und Elke Schrage in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau. Unter dem Präsidialsystem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gebe es keine rechtsstaatliche Justiz. Bei der virtuellen Türkeireise hätten alle Gesprächspartner*innen einhellig berichtet, dass Regierung, Polizei und Justiz zum Repressionsinstrument gegen jede Form von Opposition geworden sind.
Mehr dazu: www.fr.de/meinung/ tuerkei-recep-tayyip-erdogan-opposition-asyl-darmstadt-90471504.html
Der Medizinprofessor Moritz Mebel ist tot. Der Urologe starb am 21. April 2021 im Alter von 98 Jahren in Berlin. Mebel hatte sich in der DDR als Spezialist für Nierentransplantationen einen Namen gemacht. Mebel studierte in der Sowjetunion Medizin, promovierte in Moskau und ging 1958 in die DDR. Dreißig Jahre lang arbeitete er als Forscher und Urologe. Ab 1962 war er maßgeblich am Aufbau des ersten DDRNierentransplantationszentrums in OstBerlin beteiligt. Von 1982 bis 1988 leitete Mebel die Urologische Klinik der Charité.
Ab 1971 gehörte Mebel dem Zentralkomitee der SED an. Auf Beschluss des Ministerrates der DDR übernahm er die Leitung der „Ärzte der DDR zur Verhütung eines Nuklearkrieges“ (1983-1990). Dass von der SED ausgesuchte „Genossen“ eingesetzt wurden und die DDR auf internationalen Kongressen der IPPNW repräsentierten, führte zu heftigen Konflikten mit den IPPNW-Mitgliedern, die der kirchlichen Friedensbewegung angehörten.
Mebel, der aus einer jüdischen Familie stammte und 1932 als Kind mit seiner Familie in die Sowjetunion emigriert war, hatte im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Roten Armee gekämpft. Er hat sich bis zuletzt politisch engagiert. Am 8. Mai 2020 mahnte er anlässlich des 75. Jahrestags der Kriegsendes in einem Offenen Brief an Heiko Maas zu mehr Demut gegenüber Russland: „Wir stehen für alle Zeiten in der Schuld des Landes, das im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Menschen verlor. Das scheint hierzulande weitgehend vergessen.“ T rotz haushaltsrechtlicher Bedenken hat der Haushaltsausschuss des Bundestages am 14. April 2021 der Entwicklung und Beschaffung der Eurodrohne gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien zugestimmt. Das Gremium billigte die entsprechende Vorlage des Verteidigungsministeriums in Höhe von 3,1 Milliarden Euro für den Anfangsflugbetrieb einer zukünftigen Eurodrohne. Der Weg für eine Mehrheit in den Koalitionsfraktionen wurde frei, nachdem die Regierungspartner Anfang Februar grundsätzlich grünes Licht für die Beschaffung gegeben hatten. Die SPD hatte auf einem unbewaffneten System bestanden. Friedensaktivist*innen befürchten, dass diese deutsche Festlegung gegenüber Frankreich langfristig keinen Bestand haben wird.
Das Verhalten der SPD in dieser Frage scheint zudem inkonsequent: Ende letzten Jahres hatte die Fraktion die Bewaffnung der Heron-TP-Drohne noch mit Verweis auf weiteren Diskussionsbedarf auf Eis gelegt. Das SPD-geführte Finanzministerium kritisierte zudem, dass die Eurodrohne erhebliche Kostenrisiken in sich berge. Finanzstaatssekretärin Hagedorn schrieb, es sei problematisch, dass für die Eurodrohne nach 2025 jährlich ein dreistelliger Millionenbereich erforderlich sei. Es sei völlig unklar, woher diese Gelder stammen sollen. Für sie sei „eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar.
Mehr unter: ippnw.de/bit/drohnen
GleichBehandeln fordert Änderung des Aufenthaltsgesetzes Weltweiter Zugang zu Impfungen gefordert
Finnischer Präsident setzt sich für ein OSZE-Gipfeltreffen ein
Ohne Angst zum Arzt zu gehen – das ist in Deutschland für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus nicht möglich. Ein Bündnis von über 44 zivilgesellschaftlichen Organisationen – darunter die IPPNW, GFF, Ärzte der Welt, Amnesty International, Diakonie, Pro Asyl, AWO – fordert mit der Kampagne „GleichBeHandeln“ daher eine Gesetzesänderung. Die Coronapandemie habe deutlich gemacht, wie wichtig das Recht auf Gesundheitsversorgung ist, sowohl für jeden einzelnen Menschen als auch für die gesamte Gesellschaft.
Dieses Recht wird jedoch in Deutschland Hunderttausenden verwehrt. Denn der Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet das Sozialamt, Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel umgehend an die Ausländerbehörde zu melden, wenn sie eine Kostenübernahme für medizinische Leistungen beantragen. Aus der begründeten Angst vor Abschiebung heraus vermeiden es daher Menschen, die teils schon jahrelang in der Mitte unserer Gesellschaft leben, sich ärztlich behandeln zu lassen. Die Folgen: lebensbedrohliche Erkrankungen bleiben unbehandelt, Covid-19-Infektionen werden nicht entdeckt, Schwangere können nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen, Kinder erhalten keine medizinische Grundversorgung.
Das Bündnis fordert den Gesetzgeber auf, den Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes schnellstmöglich zu ändern und ruft alle Parteien auf, sich dafür einzusetzen. A m 8. Mai wurde auch in diesem Jahr in zahlreichen Gedenkveranstaltungen an insgesamt zwischen 60 und 70 Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges erinnert. Die deutsche IPPNW-Sektion unterstützte aus diesem Anlass den Vorschlag des finnischen Präsidenten Sauli Niinistö, ein neues Gipfeltreffen im Geiste der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) einzuberufen. Die KSZE war in den frühen 1970er Jahren gegründet worden als Plattform für politische Entspannung zwischen Ost und West. 1975 fand sie in Finnland statt, wo die sogenannte Schlussakte von Helsinki unterzeichnet wurde. Diese war Grundlage für die Gründung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Niinistö schlägt vor, im Jahr 2025 erneut ein Gipfeltreffen der Großmächte in der finnischen Hauptstadt zu veranstalten, zum fünfzigjährigen Bestehen der OSZE.
„Die Entstehung der OSZE war ein historischer Meilenstein. Es kann keine Sicherheit gegen Russland geben, genauso wie es keine Sicherheit gegen die USA oder die NATO gibt. Nachhaltige Sicherheit können wir nur gemeinsam erarbeiten. Dieses Konzept lebt die OSZE vor“, erklärte der IPPNW-Vorsitzende Lars Pohlmeier. Die langjährige Geschichte der OSZE stehe für den Prozess der nuklearen Abrüstung und der Rüstungskontrolle – einem Konzept gemeinsamer Sicherheit. Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure – darunter die IPPNW – hat am 19. Mai 2021 eine Kampagne zur Aufhebung des Schutzes von geistigen Eigentumsrechten auf Impfstoffe, Medikamente und andere medizinische Güter zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie gestartet. Unter dem Kampagnenmotto „Sign! – Mensch vor Patent“ soll der politische Druck auf Bundesregierung und EU erhöht werden, sich dem Vorstoß von mehr als 100 Staaten des globalen Südens anzuschließen und sich für den bei der Welthandelsorganisation verhandelten „Waiver“ (Verzichtserklärung) im Rahmen des TRIPS-Abkommens einzusetzen.
„Patente dienen vor allem den Interessen der Pharmaindustrie“, so das Bündnis. Sie seien eine große Barriere bei der Ausweitung von Produktionsstandorten und steigerten die Kosten für dringend benötigte Gesundheitsgüter. Die Aussetzung der Patente könne einen bedeutsamen Beitrag zur Eindämmung der größten Gesundheitskrise der letzten 100 Jahre leisten, weil in der Folge dezentraler, schneller und kostengünstiger Impfstoffe produziert werden könnten. Um eine gerechte Verteilung von Impfstoffen zu gewährleisten, brauche es eine massive Steigerung der Produktion. „Während einer globalen Pandemie in nationalen Grenzen zu denken und auf Profite zu schauen, verletzt das Menschenrecht auf Gesundheit vor allem der Menschen im globalen Süden“, erklärte IPPNW-Vorstandsmitglied Carlotta Conrad.