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Hibakusha sprechen

Testimonial von Danity Laukon, Marshallinseln bei der Humanitären Konferenz in Wien

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Ich heiße Danity Laukon und komme von den Marschallinseln. 2017 schloss ich mich der Studierendenorganisation der Marshallinseln an, um die regionale Antiatomkampagne und -bewegung „Misa 4 The Pacific“ zu gründen.

Im Zuge meiner Arbeit für Solidarität in der Region wurde mir klar, wie wenig ich über die Geschichte der Atomtests wusste, ganz zu schweigen von dem radioaktiven Fallout des zerstörerischsten Atomwaffentests namens Castle Bravo am 1. März 1954 im Bikini-Atoll.

Familien in verschiedenen Teilen der Marshallinseln erlitten als Folge dieses Tests Verbrennungen, Zwangsumsiedlungen, Krebserkrankungen, Fehl- und Totgeburten. All dies setzte sich bei den nachfolgenden 67 Atmosphärentests fort, zusätzlich zu den Schäden, die die Tests bei den Menschen, ihrem Land, ihrer Kultur verursachten. Heute sind viele von uns davon überzeugt, dass unsere größten gesundheitlichen und sozialen Probleme mit dieser nuklearen Vergangenheit zusammenhängen.

Was mir die meisten Sorgen macht, ist die Gesundheit meines Volkes. Als ich im Dezember letzten Jahres nach Hause zurückkehrte, stellte ich fest, dass die Zahl der Krebserkrankungen bei Frauen, Männern und jetzt auch bei Kindern von Marshallesen im In- und Ausland zunimmt.

Unsere Krebspatient*innen werden meist zur Behandlung in andere Länder geschickt. Andere bleiben unbehandelt oder werden nicht diagnostiziert, bis sie sich im Spätstadium ihrer Krankheit und ihres Lebens befinden.

Es gibt noch weitere gene rationsübergreifende Auswirkungen, mit denen die Marshalles*innen heute konfrontiert sind. Ihre Ernährung ist größtenteils von verarbeite ten Lebensmitteln abhängig – aufgrund des Verlustes von Land, kulturellem Wissen und Ressourcen. Bei immer mehr Menschen, Älteren wie Kindern, werden jetzt Diabetes, Bluthochdruck und andere nicht übertragbare Krankheiten diagnostiziert.

Ich glaube, dass dies die neuen Formen von Krankheiten sind, die wir heute als Folge der Atomwaffentests erleben. Unser Gesundheitssystem und die medizinischen Ressourcen vor Ort sind jedoch begrenzt, um die Bedürfnisse all unserer Atomwaffenopfer zu erfüllen.

Der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen wird nun zur Umsetzung diskutiert, und der Schwerpunkt sollte auf der gesundheitlichen Unterstützung der Opfer liegen, die jetzt mit diesen Auswirkungen konfrontiert sind. Als junge Frau aus den Marshall-Staaten und Befürworterin dieses Abkommens kann ich Ihnen versichern, dass die Auswirkungen des verursachten menschlichen Leids über Generationen hinweg andauern. Ich weiß es von den Menschen, die ich täglich sehe!

DANITY LAUKON SPRICHT BEIM NUCLEAR BAN FORUM

ATOMTEST CASTLE BRAVO, 1. MÄRZ 1954

Aus: „The 2022 Vienna Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons“: ippnw.de/bit/hinw22

(Der Text wurde von uns leicht gekürzt.)

„Wie ich den Atombombenabwurf erlebt habe“

Kido Sueichi erlebte als Fünfjähriger die atomare Bombardierung Nagasakis

Damals waren wir mit meiner Mutter und anderen Frauen aus der Nachbarschaft vor unserem Haus, zwei Kilometer südlich vom „Ground Zero“.

[...]Plötzlich hörte ich das Brummen eines Flugzeugs. Ich hörte jemanden sagen: „Seltsam, das hört sich laut an wie ein US-Flugzeug ...“, und wurde von einem Blitz erfasst – mit einem Knall von der starken Explosion getroffen und fiel bewusstlos um. Die linke Hälfte meines Gesichts und das gesamte Gesicht und die Brust meiner Mutter waren verbrannt. Seltsamerweise kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, wie das Gesicht meiner Mutter aussah.

Wir flüchteten in einen tunnelförmigen Luftschutzbunker, der in den Hang eines Hügels gegraben war. Wasser tropfte von der Decke und das Stöhnen der Verwundeten erfüllte den Bunker. Die Augen meiner Mutter waren bald durch Verbrennungen blockiert. Sie konnte nichts mehr sehen und blieb regungslos liegen.

Am folgenden Tag, dem 10. August, wurden wir nach Michinoo evakuiert. Meine Mutter wurde auf das Türbrett gelegt, und ich wurde in einem Korb getragen, mit dem man sonst Erde und Schmutz transportiert. Als wir uns dem Ground Zero näherten, sahen wir auf der Straße verstreute Leichen und Menschen, die um Wasser bettelten. Wir konnten nichts anderes tun, als uns zu verschließen und vorbeizugehen. Im Fluss lagen viele Leichen von Menschen, die mit letzter Kraft versucht hatten, an Wasser zu gelangen. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen, und ich kann es nur als Hölle beschreiben. Das darf nie wieder passieren! [...] Atombomben sind unmenschliche und absolut böse Waffen, die nicht mit Menschen koexistieren können. Sie zerstörten die Städte Hiroshima und Nagasaki in einem Augenblick und kosteten unzählige Menschenleben. Die meisten von ihnen waren schwache Menschen: Kinder, Frauen und ältere Menschen. Nur vier Prozent der Toten wurden von ihren Familien bestattet. Die Mehrheit der Toten wurde „durch Hitzestrahlen außerhalb des Hauses getötet“ oder „innerhalb von Häusern zerdrückt und verbrannt“. Dies waren Todesfälle, die man kaum als menschliche Tode bezeichnen konnte. Selbst diejenigen, die nur knapp überlebten, starben nacheinander an akuten, durch die Atombomben verursachten Krankheiten wie Fieber, Durchfall, Erbrechen, Blutungen und Haarausfall. Ich erinnere mich auch daran, dass ich mitten im Sommer wollene Winterkleidung trug, weil ich 40 Grad Fieber hatte.

Die Hibakusha konnten die Erinnerungen an diesen Tag nicht ertragen. Sie waren nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Die Angst und die Sorge um ihr Leben, ihren Körper, ihren Lebensunterhalt und ihre Psyche begleiten sie ihr Leben lang. Über zehn Jahre lang vertuschten die Besatzungsmächte die durch die Atombombenabwürfe verursachten Schäden und unterdrückten die Medienberichterstattung und die Forschung. Die japanische Regierung ließ die Hibakusha und andere Opfer des Krieges im Stich und ergriff keine Maßnahmen. Die Hibakusha waren gezwungen, zu schweigen.

Unterstützt und ermutigt durch die wachsende Bewegung gegen A- und H-Bomben, die durch den Wasserstoffbombentest auf dem Bikini-Atoll 1954 ausgelöst wurde, gründeten die Hibakusha 1956 die Japan Confederation of A- and H-Bomb Sufferers Organizations (Nihon Hidankyo). Sie führte Erhebungen und Forschungen darüber durch, was die Atombombe für die Menschheit bedeutet, und stellte fest, dass die Atombombe eine unmenschliche und absolut böse Waffe ist, mit der die Menschen nicht koexistieren können und die es uns nicht erlaubt, als Menschen zu sterben oder als Menschen zu leben. Gleichzeitig haben wir unser Leben in dem Glauben gelebt, dass die Rettung der Menschheit vor der Zerstörung durch Atomwaffen der einzige Weg ist, um als Menschen zu leben. Wir haben deutlich gemacht, dass die Schaffung einer Welt ohne Atomwaffen und Krieg der einzige Weg ist, die Menschheit zu retten. Wir haben an die Welt appelliert, die Atomwaffen abzuschaffen, und die japanische Regierung aufgefordert, die Opfer zu entschädigen [...]. Quelle: ippnw.de/bit/hinw22

KIDO SUEICHI, VORSITZENDER VON NIHON HIDANKYO

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