JAHRBUCH 2019
(R)ĂœBERSETZEN
Internationales Theaterinstitut Zentrum Bundesrepublik Deutschland
2019
2 Liebe Leser:innen, das Thema Translation schien mit Ausbruch der Coronakrise seltsam aus der Zeit gefallen angesichts reihenweiser Absagen von Festivals, dem schlagartigen Verschwinden des Theaters als öffentliche Gesellung und einem überwältigenden globalen Mobilitätsstopp. Wenn aber Inszenierungen, ob live produziert oder aus den Archiven heraus, in eine weltweit vernetzte Welt gelangen, dann ist das ein Gewinn für einen Austausch über Ländergrenzen hinweg, dann kann das Themen öffnen und Denkräume erweitern. Die Vielzahl der neuen digitalen Angebote lenkt den Blick verstärkt auch auf die Qualität der Übersetzung, der Übertitelung in verschiedene Sprachen und andere Formen der Übertragung. Zudem erscheint gerade jetzt das Nachdenken über die „Scharniere“ zwischen den Kulturen, die inter- und transkulturellen Vermittlungsprozesse und ihrer Akteur:innen gegeben. Unser Jahrbuch will ein Plädoyer sein für die vielen Möglichkeiten einer kompetenten und achtsamen Gestaltung unserer Bewegung in einem freien, offenen Raum des Kulturaustauschs über Sprach- und Landesgrenzen hinweg.
JAHRBUCH ITI EDITORIAL
Dr. Thomas Engel Direktor ITI
Das ITI ist fast überall auf der Welt mit nati- Dr. Yvonne Griesel
arbeitet als Dolmetscherin,
onalen Zentren vertreten. In Deutschland
Übersetzerin und Übertitlerin für zahlreiche
zählen rund 200 Theaterkünstler:innen sowie
Theater und Festivals und leitet das Forum
Vertreter:innen von Verbänden und Institu-
für Dramenübersetzung Drama Panorama.
tionen aus allen Bereichen der darstellenden
Neben ihrer langjährigen Lehrtätigkeit in der
Künste zu seinen Mitgliedern. Als Teil der
Übersetzerausbildung an der Humboldt-Uni-
weltweit tätigen nichtstaatlichen Organisa-
versität zu Berlin veröffentlichte sie mehrere
tion International Theatre Institute enga-
Bücher zum Thema Translation im Theater,
giert sich das deutsche ITI-Zentrum mit vie-
zuletzt „WELTTHEATER VERSTEHEN“ (2014).
len Projekten für die freie Entwicklung der
Mit ihrer Firma SPRACHSPIEL überträgt sie
darstellenden Künste, für die Vielfalt ihrer
fremdsprachige Inszenierungen für Festivals
Ausdrucksformen sowie für die Rechte von
und Gastspiele.
darstellende Künstler:innen.
n Festivals, pp. ngen, dann Die Vielzahl e Sprachen ulturen, die
ung unserer
EDITORIAL
3 Das Jahr 2019 war geprägt von Rufen nach Abschottung, Grenzschließungen, nationalistischen Bestrebungen und rassistischen Ressentiments. Die allgemeine Diskursverschiebung hat auch vor den Theatern nicht haltgemacht. Es wurde Kritik laut an mehrsprachigen Inszenierungen, internationalen Ensembles und experimentellem Arbeiten. Bereicherung scheint als Bedrohung angesehen zu werden. Die Sehnsucht nach einem Theater, das sich wie im 18. Jahrhundert zu Zeiten des Weimarer Hoftheaters der deutschen Sprache verpflichtet sieht, durchdringt die öffentlichen Diskurse. Angst siegt über Neugier. Matthias Lilienthal, der die Münchner Kammerspiele gemeinsam mit seinem multilingualen Ensemble zum Theater des Jahres machte, wurde der politische Rückhalt entzogen. Theaterhäuser müssen die weltoffenen Ansätze ihrer Arbeit verteidigen. Die Diskreditierungsversuche reichen von Hassmails bis hin zu parlamentarischen Anfragen zur ‚Rechtmäßigkeit‘ der öffentlichen Finanzierung von Theatern. Experimentellen Spielstätten wird linke Propaganda unterstellt. Auch die Freie Szene muss um Fördergelder bangen. Es wird deutlich, dass die zunehmende Internationalisierung des Theaters nicht automatisch eine größere Akzeptanz mit sich bringt. Wird Arabisch auf der Bühne gesprochen, ruft das immer noch Unmut hervor. Eine höhere Anzahl von Zuschauer:innen of Color bleibt im Theater eine einmalig hinbekommene Normalität. Der Wunsch die Uhr um viele Jahrhunderte zurückzudrehen, mag manchen, die gegen eine vielfältige und global vernetzte Theaterarbeit sind, als Lösung erscheinen – real ist das nicht. Internationale Kooperationen sind zu einem zentralen, unverzichtbaren Bestandteil gegenwärtiger Theaterarbeit geworden. Sei es Kirill Serebrennikov, der aus dem Hausarrest in Moskau via Skype am Deutschen Theater inszeniert, Majd Feddah, der fest zum Ensemble der Münchner Kammerspiele gehört und kein Deutsch spricht oder Künstler:innen wie Yael Ronen, Gintersdorfer/Klaßen, Gob Squad oder Rabih Mroué, die einen mehrsprachigen, transkulturellen Referenzraum schaffen, der, wie Larisa Schippel ausführt, Neues entstehen Die Beiträge im diesjährigen Jahrbuch beleuchten die verschiedenen Facetten der Translation in den darstellenden Künsten und zeigen auf, was diese bewirken können – wenn man sie lässt. Um zu verstehen, müssen wir uns rüber-setzen, sagt Wiebke Puls über die Arbeit mit der gehörlosen Performerin Kassandra Wedel. Wir müssen die eigene Position verändern. Genau das tut auch Toshiki Okada, der seit Jahren in München inszeniert und mit seiner Dolmetscherin und Dramaturgin Makiko Yamaguchi den Weg zum Ensemble gefunden hat. Er erkennt den Zeitraum, in dem gedolmetscht wird, als Reflexionsort und empfindet diese Zeitverschiebung als kostbar. Maja Zade versucht bei ihren Übersetzungen das Spezifische zu erhalten, Leyla Rabih schlägt Brücken zwischen deutsch-französischen Realitäten und Kate McNaughton adaptiert die englische Sprache für ein internationales Publikum, das auf englische Übertitel angewiesen ist. Stefan Fischer-Fels sieht seine Aufgabe im Kinder- und Jugendtheater darin, Übersetzungsarbeit auf allen Ebenen zu leisten. Vielen Betrachter:innen ist nicht bewusst, welche Arbeit hinter den Kulissen geleistet wird – wer hinter den Übertiteln, Dramenübersetzungen und Verdolmetschungen steht. Dabei ist sich der Videokünstler Voxi Bärenklau sicher, dass alleine die Präsenz der Übertitler:innen bei den Proben sehr viel kreatives Potential freisetzen würde. Der technische Fortschritt ermöglicht glücklicherweise immer kreativere Umsetzungen. Hilfsmittel, wie Übertitelungsprogramme, LED Wände, Apps, VR- Brillen u. a. m., werden stetig verbessert und für die Erfordernisse im Theater adaptiert. Zudem gibt es die Vision, dass bald Künstliche Intelligenz die literarische Übersetzung und Übertitelungen übernimmt. Übersetzungsplattformen wie DEEPL durchsuchen das Internet nach bereits übersetzten Sätzen und Satzteilen und lassen so eine Art stilistischen Flickenteppich entstehen. Das kann für bestimmte Textsorten gut funktionieren – literarische Texte können so nicht adäquat übertragen werden. Professionelle Übersetzer:innen durchsuchen ebenfalls das Internet nach literarischen Paralleltexten, Glossaren, Chats zur Übersetzung der Umgangssprache, historischen Dokumenten und diversen weiteren Quellen, die sie mit Feingefühl in der aktuellen Zeit verorten und für die Übersetzung des Gesamttextes nutzen. Vorhandene
scherin,
Übersetzungen werden als Grundlage genutzt, bei der Gegenwartsdramatik besteht oft ein enger Kontakt zwischen Autor:innen und Übersetzer:innen.
hlreiche
Den Unterschied macht wohl das stundenlange Telefonat mit der Moskauer Kollegin über Nuancen eines Schimpfwortes, die Erklärung des jungen
Forum
Rappers, warum der französische Rap für ein Gastspiel so nicht funktionieren kann oder die Entschuldigung bei einer Schauspielerin, dass ich mit
norama.
dem Übertitel eine Viertelsekunde zu früh dran war. Jahrelange Expertise, Professionalität und Leidenschaft machen auch bei dieser Arbeit den
it in der
Unterschied.
ldt-Uni-
Verstehen kann Ängste abbauen. Gute Übersetzungen helfen dabei, kulturelle Klippen zu umschiffen, lassen Neues entstehen und
mehrere
erweitern nicht nur unser Wissen, sondern auch die darstellende Kunst. Ein Zurück in nationale Denkweisen ist keine Option. Ganz im Gegenteil
Theater,
sollten wir lieber gemeinsam nach vorne denken und neue transparente Wege für den kulturellen Transfer finden. Denn den Diskurs „Was das Theater
“ (2014).
gewesen sein wird“, wie Christine Henniger und Maxim Wittenbecher ausführen, gestalten Theaterschaffende und Publikum gemeinsam.
rägt sie
Idealerweise – in den Worten Umberto Ecos – als ‚opera aperta‘.
estivals
Dr. Yvonne Griesel
JAHRBUCH ITI EDITORIAL
lässt. Um uns in diesem Raum frei bewegen zu können, brauchen wir neben der Bereitschaft, uns auf diesen einzulassen, vor allem eins: Übersetzung.
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03 10 D NAHE
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MICH
EIN O WELT
HEART
53 LILIENTHAL
THEAT
5 INHALT 03 EDITORIAL 05 INHALT 06 PRAKTISCHES 10 DIE ÄLTEREN VERWANDTEN AUF DEM TEENAGE RAVE NAHE KOMMEN
VON KATE MCNAUGHTON
17 EINER WELT
23 ÜBERSETZEN IST FÜR 28 WIR HABEN NUR 33 MAN MUSS SICH IN EINE
EIN GESPRÄCH ZWISCHEN WIEBKE PULS, VERENA REGENSBURGER UND KASSANDRA WEDEL
EIN ODER ZWEI CHANCEN WELT EINFÜHLEN HEART
VON LARISA SCHIPPEL
STEFAN FISCHER-FELS UND GUY DERMOSESSIAN IM GESPRÄCH
DOROTHEA LAUTENSCHLÄGER IM GESPRÄCH MIT MAJA ZADE
39 ONCE TEN PEOPLE KNOW A POEM BY
46 ES IST WIE BEIM BOWLING
DAGMAR WALSER IM GESPRÄCH MIT TOSHIKI OKADA UND MAKIKO YAMAGUCHI
53 RESPEKT UND DIE EINMALIG HINBEKOMMENE NORMALITÄT 59 UND DANN BIN ICH RAUSGESTÜRMT 64 WAS DAS 68 IMPRESSUM THEATER GEWESEN SEIN WIRD YVONNE GRIESEL IM GESPRÄCH MIT MATTHIAS
LILIENTHAL
YVONNE GRIESEL IM GESPRÄCH MIT VOXI BÄRENKLAU
VON CHRISTINE HENNIGER UND MAXIM WITTENBECHER
JAHRBUCH ITI 2019
MICH DER VERSUCH, UNTERSCHIEDE HÖREN ZU LASSEN VON LEYLA-CLAIRE RABIH
6 PRAKTISCHES Internationale Dramatik, weitreisende Gastspiele, mehrsprachige Inszenierungen und Übertitelungen, Zugänglichkeit und Barrierefreiheit sind heute feste Bestandteile der deutschsprachigen Theaterlandschaft. Wie geht man damit um?
IM VORFELD
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Dr amenübersetzung Dramenübersetzer:innen sind literarische Übersetzer:innen, oftmals mit einem theaterpraktischen Hintergrund oder theater- oder translationswissenschaftlicher Ausbildung. Die Kunst der Übersetzung ist es, die Funktion der Sprache im Drama in eine andere Sprache zu übertragen. Ein Hauptproblem liegt dabei in der Analyse der Figurenrede. Für diese anspruchsvolle Arbeit sollte man immer erfahrene Theaterübersetzer:innen anfragen. Hilfe findet man hier: • www.literaturuebersetzer.de/uevz/ • www.drama-panorama.com • oder man wendet sich an die Theaterverlage und -kooperativen, die eng mit Übersetzer:innen zusam menarbeiten.
Mehrspr achige Probenprozesse Bei mehrsprachigen Produktionen besteht die Möglichkeit auf Englisch zu kommunizieren. Bei Konzeptionsgesprächen, in der Endprobenphase etc. sollten jedoch alle ihre Muttersprache sprechen können, damit kein unbewusstes Machtgefälle entsteht. Gute Dolmetscher:innen können simultan dolmetschen, kennen sich in den jeweiligen Theaterkulturen aus und helfen so dabei, kulturelle Klippen zu umschiffen. Dabei ist eine präzise Verdolmetschung, ohne dass die Regisseur:innen an Präsenz verlieren, sehr wichtig. Hilfe, beispielsweise für die Simultanverdolmetschung von Eröffnungsreden, gibt es beim Internationalen Verband der Konferenzdolmetscher:innen (AIIC). Für das begleitende Dolmetschen eines Probenprozesses empfiehlt sich die Suche über den Verband deutschsprachiger Übersetzer:innen literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ). Alternativ können auch Studierende der Translationswissenschaft oder Community-Dolmetscher:innen angefragt werden.
TRANSFER AUF DER BÜHNE
ist. S leitu Dolm gibt Dolm Supp fisch Infor Fran ater und
Übertitelung Die Bühnensprache, die zum Sprechen geschrieben ist, muss bei der Übertitelung für eine sekundenschnelle Rezeption in schriftlicher Form adaptiert werden, ohne den Sprachstil zu verfälschen. Diese Form der Übersetzung ergänzt die Ausgangssprache auf der Bühne, das Sichtbare sowie die gestische und mimische Handlung der Spielenden. Ziel ist es, dass das Publikum möglichst wenig lesen muss und viel auf die Bühne schauen kann. Da die Übertitel meist sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, steht ein professioneller Umgang damit an erster Stelle. Unprofessionell und arrhythmisch gefahrene oder fehlerhaft übersetzte Übertitel können eine Inszenierung sehr negativ beeinflussen – für das Publikum, aber auch für die Künstler:innen.
Die technische Umsetzung Technisch werden die Übertitel mittels Beamer, LED Tafeln, Met Titles (kleinen Bildschirmen in den Vordersitzen), Tablets, Smartphones oder Smartbrillen umgesetzt. Die Übersetzungsleistung bleibt bei den verschiedenen Darstellungsmedien zumeist gleich. Bei der Erstellung der Übertitel kommen verschiedene Softwareprogramme zur Anwendung. Hier bieten sich kostenfreie Programme, wie PowerPoint und Glypheo, oder kostenpflichtige Programme, wie Easytitler, Spectitular, Torticoli, Maestro oder VICOM, an. Vor allem die neu entwickelten Programme sind in der Handhabung meist besser adaptiert und einfacher zu bedienen. Hilfe erhält man u. a. bei Subtext, Sprachspiel, Werkhuis, Maison Antoine Vitez, AMDA, Precott Studio, Panthea oder Bürozwei.
Verdolmetschungen von Inszenierungen Für Inszenierungen, die sehr textlastig sind, mit Improvisation arbeiten oder deren Bühnenbild keine Projektionen zulässt, kann die Verdolmetschung eine adäquate Möglichkeit sein. Das Einsprechen erfordert höchste Konzentration und Feingefühl für das Bühnengeschehen und sollte unbedingt professionellen Theater-Dolmetscher:innen überlassen werden. Es empfiehlt sich Kopfhörer nur auf einem Ohr zu tragen, da die parallele Rezeption des Bühnengeschehens unabdingbar
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ist. Sehr gut geeignet sind Kopfhörer, die über Knochenleitung funktionieren und das Ohr offenlassen. Dolmetschtechnik: Für Fragen zur Dolmetschtechnik gibt es diverse bundeweite und regionale Firmen, die Dolmetschkabinen inkl. Kopfhörern und technischem Support ausleihen. Wichtig ist es, auf die theaterspezifischen Gegebenheiten hinzuweisen. Informatives: Bondas, Irina: Theaterdolmetschen, Berlin: Frank & Timme 2013 sowie Griesel, Yvonne (Hg.): Welttheater verstehen: Übertitelung, Übersetzen, Dolmetschen und neue Wege, Berlin: Alexander Verlag 2014.
Alternative Formen • Dolmetschende Schauspieler:innen auf der Bühne. • Übersetzte Texte, die auswendig gelernt werden. • Zusammenfassende Übersetzungen, die im Vorfeld ausgeteilt werden. • Schattendolmetscher:innen, die hinter den Spielenden auf der Bühne dolmetschen. • Großformatige Textflächen als projizierte Übersetzungen.
Gastspiele Häufig kümmert sich das gastgebende Theater oder Festival um die Übersetzung und Übertitelung, was leider häufig ein erhöhtes Fehlerpotential birgt. Eine normal lange Inszenierung hat durchschnittlich zwischen 800 und 1.500 Übertitel. Für einen reibungslosen Ablauf bei Gastspielen sollte man auf folgendes achten: • Wenn möglich darauf bestehen die produktions eigenen Übertitler:innen mitzubringen. • Immer die bestehende Übertitelmatrix (die rhythmi sierten, gekürzten Übertitel in einer entsprechenden Software) als Vorlage für die Übersetzung in weitere Sprachen nutzen. Liegt die Matrix nicht in der Ausgangssprache auf der Bühne vor, sondern nur auf Englisch, sollte der Stücktext in der Originalsprache verwendet werden. Eine Übersetzung über eine Drittsprache birgt zu viele Fehlerquellen und es kann zu Stille-Post-Effekten kommen. • Werden Übersetzer:innen oder Übertitler:innen von der Gastspielinstitution gestellt, sollte vorher Kontakt aufgenommen und gemeinsam an der Übersetzung gearbeitet werden. Zumindest sollte man sich die Übersetzung im Vorfeld zeigen lassen. • Kontakt zur Video- und Lichttechnik des Gastspiel hauses aufnehmen. • Die Aufhängung der Übertiteltafeln nach den folgenden Parametern im Vorfeld prüfen: Optischer Eingriff ins Bühnenbild, maximale Zeilenlänge, Höhe, Helligkeit, Farbe, Schriftart etc.
So entstehen Übertitel • Übertitler:innen erhalten eine DVD der Inszenierung und das Textbuch.
• • • • • • • • • • • •
Textbuch wird mit der DVD abgeglichen. Die Aufführung wird, wenn möglich, im Vorfeld angesehen. Übersetzung des Dramentextes anhand des Textbuches und der DVD. Erstellung der Übertitelfassung (Übertitelmatrix). Rhythmische Anpassung der Titel. Technische Einrichtung der Übertiteltafeln, Beamer etc., in Zusammenarbeit mit der Bühnentechnik. Übertitelprobe live im Theater (zumindest HP1, HP2 ,GP). Mehrere Korrekturschleifen, wiederholtes Anpassen der Übertitel an Sprechpausen, an die optimale Lesegeschwindigkeit etc. Einblenden der Übertitel bei der Premiere. Auswertung der Premiere mit der Regie, ggf. Änderungen. Nach jeder Aufführung Verbesserung und Anpassung der Übertitel. Meist ist bei der dritten Vorstellung die ‚innere Übertitelmatrix‘ gefunden, sodass die Übertitel in den Folgevorstellungen ‚mitgeatmet‘ werden können.
Zugänglichkeit Seit 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft, die eine gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben ermöglichen soll. Deutschland hat im Vergleich zu anderen Ländern einen immensen Aufholbedarf, was diese Teilhabe betrifft. Zugänglichkeit kann durch verschiedene Grundlagen geschaffen werden. Häufig sind in vielen Institutionen bereits Rollstuhlrampen, Fahrstühle und induktive Höranlagen verfügbar. Häufig mangelt es im Theater aber noch an: • Audiodeskription. • Gebärdensprachdolmetscher:innen (an der Rampe oder als Schattendolmetscher:innen auf der Bühne). • Captions (Übertitel, die auf die Bedürfnisse von hörgeschädigten Zuschauer:innen zugeschnitten und optional über Met Titles, Apps oder AR-Brillen zuschaltbar sind). • Muttersprachlicher Übertitelung, die offen sichtbar ist und so auch von anderen Zuschauergruppen als Hilfsmittel genutzt werden kann (älteres Publikum, leicht hörgeschädigte Menschen). • Leichter Sprache, beispielsweise im Programmheft.
Hilfe • Beratung durch Firmen, die sich auf Übertitelung spezialisiert haben, wie z.B Audioscript, Hoerfilm, Stagetext und viele weitere. • Beratung durch Berufsverbände der Gebärden dolmetscher:innen.
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„WELCHE BEDEUTUNG HABEN FÜR DICH ÜBERTITEL AM THEATER?“ „Theater mit Übertiteln aktivieren meine Imagination. Übertitel offerieren Spielvarianten, die im nächsten Moment auf der Bühne übertroffen oder
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unterlaufen, eingelöst oder widerlegt werden. Hat der Abend Übertitel zu bieten, beteiligt er mich an drei Momenten gleichzeitig: vor der Aktion, in der Aktion, nach der Aktion, und die kommende wird schon angelegt. Eine Aufführung, die übertitelt oder gebärdengedolmetscht wird, ist für mich Theater in fünf Dimensionen, statt der gewöhnlichen vier.“
Ute Scharfenberg war bis 2018 Chefdramaturgin am Theater Magdeburg und Hans Otto Theater Potsdam. Arbeitet zurzeit als Dozentin für Produktionsdramaturgie an der University of Toronto sowie als Produktionsdramaturgin an der Canadian Stage Company.
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DIE ÄLTEREN VERWANDTEN AUF DEM TEENAGE RAVE Über das Übertiteln ins Globische
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Von Kate McNaughton / Übersetzt von Karen Witthuhn In ihrem hervorragenden autobiografischen Essay „This Little Art“1 reflektiert Kate Briggs anhand ihrer eigenen Versuche, Roland Barthes‘ letzte Vorlesungsreihe ins Englische zu übersetzen, über die Kunst des literarischen Übersetzens. Für Barthes, so schreibt sie, enthielt die Literatur alle anderen Wissensformen, da ein literarischer Text immer Ausdruck der Zeit sei, in der er geschrieben wurde, inklusive der Wissensstände in allen Bereichen: Wissenschaft, Philosophie, Technologie, Kunst ... Besonders erfreut zeigte sich Barthes, dass im Französischen die Worte „saveur“ („Geschmack“) und „savoir“ („Wissen“) denselben etymologischen Ursprung haben – für ihn die Bestätigung seiner Theorie, dass die „saveur“ eines Wortes und der darin enthaltene „savoir“ untrennbar verbunden sind.
nehmen wir daher die Worte einer Sprache mit ihrem speziellen Geschmack und dem darin enthaltenen Wissen und versuchen, in einer anderen Sprache Worte zu finden, die diesem Geschmack und diesem Wissen möglichst nahe kommen – eine Aufgabe, die zum Scheitern verurteilt ist, da nie zwei Worte in unterschiedlichen Sprachen gleich klingen und genau das Gleiche bedeuten ... Vor diesem Hintergrund stellt das Übersetzen für Übertitel einen gewissen Luxus dar: Da der Originaltext auf der Bühne gesprochen und daneben unsere Übersetzung in Echtzeit gelesen wird, fertigen wir sie in dem Wissen an, dass die Zuschauer:innen, auch wenn sie kein Wort der Originalsprache verstehen, immer noch etwas von der „saveur“ der Worte mitbekommen, wenn sie hören, wie diese von Schauspieler:innen laut gesprochen werden. Dennoch bleibt die grundlegende Herausforderung aller literarischen Übersetzungen: Wie riggs wendet diese Sicht der Literatur auf überträgt man die Bedeutung und das Gefühl das Übersetzen an und postuliert: „In der Areines literarischen Textes mit dem unzulänglibeit mit dem Geschmack von Worten – und wie chen Werkzeug einer anderen Sprache? unterschiedliche Worte in unterschiedlichen Übersetzt man für ein Publikum in eiSprachen unterschiedliche Geschmäcker in sich nem nicht-englischsprachigen Land ins Engtragen – beschäftigen sich Übersetzer:innen lische – wie ich es seit mehreren Jahre tue, vor immer mit dem Wissen, der Menge an unterallem für deutsche Theater, gelegentlich für schiedlichen und möglichen Wissen auf der französische –, tut sich eine weitere Herausforderung auf: Nur wenige der Zuschauer:innen Welt, auf die wir Einfluss nehmen und die Einsind englische Muttersprachler:innen. Vielmehr fluss auf uns nehmen.“2 Als Übersetzer:innen
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GLOBI
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1. Briggs, Kate: This Little Art, London: Fitzcarraldo Editions 2017.
3. Nerr
2. Ibid., S. 73.
4. „Ham
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übersetzt man für ein globales Publikum: für Menschen, die, wo immer sie auch herstammen mögen, Englisch als ihre Lingua franca nutzen, als ihr Kommunikationsvehikel zwischen Ländern und Kulturen. Eigentlich sprechen diese Menschen nicht Englisch. Sie sprechen ‚Globisch‘.
let-Inszenierung um? Nimmt man Shakespeares Text, werden die Übertitel vielen GlobischSprachler:innen nicht verständlich sein, und so einigen englischen Muttersprachler:innen auch nicht. Weicht man aber zu weit vom Original ab, stößt man jene Muttersprachler:innen vor den Kopf, die mit dem Text vertraut sind ... Eine Bochumer Produktion4 stand kürzGLOBISCH, ODER: WENN SPR ACHE MIT TEL ZUM ZWECK WIRD lich vor eben dieser Herausforderung – und das schon in den Der Ausdruck ‚Globisch‘ stammt von dem fran- ersten beiden zösischen Geschäftsmann Jean-Paul Nerrière Zeilen von Shake„Wie überträgt man und beschreibt das Englisch, das als Lingua speares bekanndie Bedeutung und franca bei geschäftlichen Besprechungen und testem Monolog. das Gefühl eines an touristischen Orten auf der ganzen Welt Im Original heißt literarischen Textes verwendet wird. Nach Nerrière ist Globisch ein es: „To be, or not ins Globische?“ „globales Kommunikationswerkzeug, das nicht to be? That is einmal behauptet, eine Sprache zu sein, sonthe question—/ 3 dern ausschließlich als Mittel dient.” Er merkt Whether ’tis nobler in the mind to suffer”, an (als guter Franzose mit einiger Häme), dass übertitelt wurde: „To be, or not to be, that is englische Muttersprachler:innen in der Komthe question:/ whether it is nobler in the mind munikation auf Globisch oft im Nachteil sind: to suffer”. Der Unterschied ist klein, aber weSie verwenden in Situationen, in denen es einzig sentlich, handelt es sich doch um Shakespeares um Verständnis geht, häufig überkomplizierte wohl berühmteste Zeilen, mit denen viele Konstruktionen. Ein Gespräch zwischen zwei englische Muttersprachler:innen zumindest Nicht-Muttersprachler:innen kann dagegen viel halbwegs vertraut sein dürften. Vor allem ist reibungsloser ablaufen, weil diese durch ihre Shakespeares Rhythmus fest in den Köpfen jeweilige unvollkommene Beherrschung der verankert, und die Übersetzerin stand vor einer Sprache einfachere, verständlichere Strukturen schwierigen Entscheidung: Die Änderung von „tis“ in „it is“ bricht das Versmaß auf, und das anwenden. ausgerechnet bei einer Zeile, die von vielen Zuschauer:innen auswendig mitgesprochen wird. Hinzu kommt, dass das Shakespeare’sche enn Globisch ein bloßes Werkzeug ist, was „tis“ vielen englischen Muttersprachler:innen bedeutet das für die Übersetzung von Theatergeläufig ist – fast könnte man sagen, „tis“ ist übertiteln ins Globische? Wenn literarische das Kürzel für den Klang von Shakespeares Sprache – und daher keine Verständnishürde Texte in eine Sprache übertragen werden darstellt. Das gilt jedoch nicht für Nichtmüssen, die auch Nicht-Muttersprachler:innen Muttersprachler:innen: Wie viele von ihnen zugänglich ist, welche vielleicht nicht in der können in der kurzen Zeit, in der ein Übertitel Lage sind, „saveur“ und „savoir“ in den Worten, steht, ableiten, dass „tis“ „it is“ bedeutet? Eine die sie lesen, zu goutieren? Wie geht man beisolche ungewohnte, altmodische Konstruktion spielsweise mit einer deutschsprachigen Ham-
W
3. Nerrière, Jean-Paul: Parlez Globish, Paris: Editions D’Organisation 2006, S. 14. 4. „Hamlet“, Schauspielhaus Bochum, Premiere 15.06.2019, Übertitelübersetzung von Anna Galt.
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stellt für ein Publikum mit unterschiedlichen Sprachniveaus eine zu große Hürde dar, und die Übersetzerin hat die richtige Entscheidung getroffen, die Zeile zu glätten und für alle leicht verständlich zu machen, auch wenn sich dadurch vielleicht einige muttersprachl iche Shakespeare-Fans auf den Schlips getreten fühlen.
ist schönstes Globisch: Keinen englischen Muttersprachler:innen wäre diese unbeholfene Formulierung in den Sinn gekommen (man müsste im Englischen vor das „Future“ ein „the“ setzen – aber natürlich klingt „Fridays for the Future“ nicht halb so schwungvoll, ein:e englische Muttersprachler:in wäre daher wohl mit einem ganz anderen Vorschlag gekommen). Kurz gesagt, Globisch ist schon jetzt die Sprache von AUFTRIT T DIE ÄLTERE VERWANDTSCHAFT Politik und Wirtschaft auf der Welt – aber welche Konsequenzen ergeben sich, wenn auf einer In seinem Buch „Globish – How the English Lan- rutschigen Grundlage eine Sprache entsteht, guage Became the World’s Language“ vergleicht die keine zwei Sprecher:innen gleich verstehen, der britische Journalist Robert McCrum das eine Sprache, die von Natur aus auf dem kleinsUnited Kingdom mit „einem älteren Verwandten ten gemeinsamen Nenner beruht? auf einem Teenage Rave ... der den Gebrauch des Englischen als höchst erstrebenswerte soziale und kulturelle Kraft [fördert], den ‚weltweiten ngesichts einer solchen Verarmung – vielDialekt des dritten Jahrtausends‘.“5 Vielleicht spielt der Übersetzer, der die Vor- und Nachteile leicht eine unausweichliche Konsequenz unseeiner Versmaßänderung in einer berühmten res Eintretens in ein Zeitalter, das manche als Shakespeare-Zeile abwägt, dabei die Rolle des ‚post-literarisch‘ bezeichnen – ist es wichtig, ältlichen Verwandten – aber ich glaube, sie ist die Genauigkeit, Schönheit, Weite und Tiefe von wichtig. Sprache zu verteidigen. Es ist wichtig, Literatur Schätzungsweise ein Drittel der Weltbe- zu verteidigen. Und ich behaupte, dass wir engvölkerung spricht bis zu einem gewissen Grad lischen Muttersprachler:innen, auch wenn wir Englisch (nur 5 keine Globisch-Sprachler:innen sind, hierbei % sind Muttereine Rolle zu spielen haben. „Nur wenige sprachler:innen), GR AMMATISCHE KORREK THEIT und 80% des InZuschauer:innen sind halts des World englische MutterWide Web sind Wie Nerrière sagt, ist Globisch eine vereinfachte sprachler:innen. in einer Variante und zugängliche Sprache, „nichtsdestotrotz ist Vielmehr übersetzt von Englisch ge- es eine grammatisch korrekte Form des Engliman für ein globales schrieben. Es ist schen, welche englische Muttersprachler:innen Publikum.“ die Sprache des nicht als absichtlich beschränkte Version ihrer Kapitalismus, Sprache erkennen können. Sie merken den der Globalisierung, aber auch des Widerstands: Unterschied nicht. Globisch ist die Essenz des Demonstrierende von Hong Kong bis in den Englischen, das grundlegende Konzentrat der Iran, von Schweden bis Bolivien halten Plakate Sprache, durch sorgfältige Verdichtung entin Globisch hoch, um die Aufmerksamkeit der standen.”6 Globisch muss also als Englisch Weltmedien zu erregen. „Fridays for Future“ durchgehen – daher ist der Prüfstein für
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7. Wie 5. McCrum, Robert: Globish – How the English Language Became the World’s Language, London: Viking 2010, S. 8.
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6. J. Nerrière: Parlez Globish, S. 79.
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mit einem Theaterprozess zu tun, der in allen anderen Bereichen die größtmögliche Sorgfalt an den Tag legt. Schauspieler:innen und Regisseur:innen und Dramaturg:innen betreiben Haarspalterei über jedes einzelne Wort as mag offensichtlich erscheinen – aber allzu des auf der Bühne gesprochenen Textes, was es oft, vor allem, wenn es um Übertitel im Theaausdrückt, wie es betont, mit welchen Gesten es ter geht, wird die Rolle der englischsprachigen verbunden wird ... Wenn man dem gesprocheÜbersetzer:innen als unbedeutend abgetan. nen Wort des Stückes solche Bedeutung zuSchließlich sprechen wir ja alle Globisch, oder? misst, warum dann der Übersetzung so wenig So wird dann häufig die Übertitelübersetzung Aufmerksamkeit widmen, die einem großen von englischen Muttersprachler:innen von Teil des Publikums die Inszenierung doch erst jemandem „korrigiert“, der:die eindeutig kein:e zugänglich macht? Muttersprachler:in ist (und Fehler einbaut, wo vorher keine waren). Oder man bekommt zu DIE „SAVEUR“ DES GLOBISCHEN: VORSCHLÄGE FÜR DIE ZUKUNFT hören, eine Übersetzung wäre nicht notwendig, denn es gäbe schon eine „englische Fassung“. Wie also könnten die Laute und Rhythmen eines Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass diese wahrhaft literarischen Globisch aussehen? Und nicht von englischen Muttersprachler:innen wie definieren wir überhaupt literarisch? Nun, übersetzt wurde und aufwändig überarbeitet Barthes bietet uns kein schlechtes Modell: Es werden muss ... gibt die „saveur“ von Sprache – Klang, RhythIch halte das für ein Symptom von etwas mus, kurz gesagt, die Musik von Sprache – und viel Grundlegenderem als kostensparenden den darin enthaltenen „savoir“ – die in den WorMaßnahmen oder individueller Selbstüberten verkörperte zeitgenössische Weltsicht, aber schätzung: Dahinter steht die vielleicht unbeauch die darin enthaltene Vergangenheit, durch wusste Auffassung, dass, wenn es um Englisch Referenzen, auf die sie zurückgreift, durch die geht (und vielleicht erst recht bei ÜbertitelunEtymologie. Wenn wir ein literarisches Globisch gen), jede Übersetzung, egal welche, es tut. Da erschaffen wollen, welche Musikalität soll uns dies die Sprache ist, die wir alle im Ungefähren leiten, welche gemeinsamen Bezüge teilen wir, als stumpfes Kommunikationswerkzeug über auf der ganzen Welt? „The force be with you”, „Yes we die Grenzen hinweg benutzen, was macht es da can”, „Let’s twist again”? „To be or not to be”? Ja, Hamschon, wenn auch die englischen Übertitel nur let gehört definitiv dazu … Diese vor allem aus ungefähr sind? dem Mainstream stammenden Beispiele mögen belanglos erscheinen, aber ist der Unterschied zur Geburt der englischen Sprache wirklich so groß? Es war Chaucer, der im 14. Jahrhundert ber natürlich macht es etwas: Vielleicht beschloss, anstatt in Latein in einer Sprache sitzen englische Muttersprachler:innen im zu schreiben, die bis dahin kaum mehr als ein Publikum – oder auch nur ein paar Globischörtlicher gesprochener Dialekt war.7 Sprachler:innen, deren Sprachniveau besser ist als das eigene. Und vor allem hat man es
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7. Wie Robert McCrum in „Globish“ (vgl. R. McCrum: Globish – How the English Language Became the World’s Language, S. 53) beschreibt,
sorgte sich auch Chaucer, dass sein „leichtes Englisch” nicht reich oder komplex genug sein könnte, um das auszudrücken, was er sagen
wollte – und womit er unwissentlich eine neue literarische Kultur begründete.
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14 ZURÜCK ZU DEN WURZELN
ZWEI ÄLTERE VERWANDTE
Eine Inszenierung, die in meinen Augen richtungsweisend sein könnte, war „Hekabe“ am Deutschen Theater Berlin8, eine deutsche Fassung auf Grundlage von Homer „Globisch ist schon und Euripides, die mich auf jetzt die Sprache Tuchfühlung mit von Politik und diesen Urtexten Wirtschaft auf der der europäiWelt...“ schen Literatur brachte. Wie sollte ich angesichts dieser Titanen meine englische Übersetzung auf ein Vokabular von 1.500 Wörtern begrenzen, wie es Jean-Paul Nerrière für wirklich funktionales Globish empfiehlt? Nein, der Text war zu schön, und ich musste einen Mittelweg finden, um mit einer großen Palette an Wörtern herumspielen zu können und diese gleichzeitig einem Publikum verständlich zu machen, dessen erste Sprache vielleicht nicht Englisch ist. Ich denke, die Lösung liegt in der Natur des Globischen selbst verborgen, wie Nerrière sie beschrieben hat: Es handelt sich um eine Sprache, die durch Ableitung funktioniert – wenn man beispielsweise das Wort „neutral“ kennt, versteht man auch „neutrally“ und „neutrality“. Globisch-Sprachler:innen verfügen über ein aktiveres Sprachverständnis als Muttersprachler:innen: Ihnen ist bewusst, dass sie nicht jedes Wort der englischen Sprache kennen, und so versuchen sie immer, unbekannte Worte aus dem Kontext abzuleiten, aus Kognaten oder ähnlich klingenden Worten in ihrer eigenen Sprache. Wenn ich dies berücksichtige, habe ich die Freiheit, mit Wörtern zu spielen. Meine Übersetzung ist für ein nicht-muttersprachliches Publikum erfassbar, aber gleichzeitig schön, spielerisch und herausfordernd.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die Mehrheit der Menschen auf der Erde in zwei, drei Generationen ein viel besseres Globisch sprechen als jetzt.9 Vielleicht kann die seltsame Kunst des Theaterübertitelns einen kleinen Beitrag leisten, um diese neue Sprache auf ein Niveau zu heben, das nicht nur rein funktionell, kommerziell, kapitalistisch ist. Ist nicht auch das Theater ein älterer Verwandter auf dem Teenage Rave des Films und der neuen Medien? So lasst uns Hand in Hand gehen, uns zwei nette alte Tanten, die dieser wilden neuen Welt ihr Bestes geben ...
Kate McNaughton arbeitet als Autorin und freie Übersetzerin in Berlin. 2018 erschien ihr Debütroman „How I Lose You“ in Großbritannien und Frankreich. Als Übersetzerin ist sie für zahlreiche Theater tätig, für die sie Stücke übersetzt und Übertitel erstellt, u. a. für die Schaubühne Berlin, das Deutsche Theater, das Berliner Ensemble und das Maxim Gorki Theater.
8. Premiere am 22.11.2019. 9. Immer mehr Länder führen Englischunterricht für immer jüngere Altersstufen ein – vgl. R. McCrum: Globish – How the English
Language Became the World’s Language, S. 256.
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„WAS MUSS EINE GUTE AUDIODESKRIPTION IM THEATER LEISTEN?“
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meine eineaktivieren Inszenierung Imagination. Übertitel offerieren Spielvarianten, genussvoll erleben zu können. Die blinden Besucher:innen die im nächsten Moment über auf der Bühne übertroffen hören die Kommentare Empfangsgeräte und oder unterlaufen, eingelöst oderfinden widerlegt werden. Kopfhörer. Vor den Aufführungen Tastführungen Hat derzum Abend Übertitel zu bieten, beteiligt er mich statt, Kennenlernen von Kostümen, Requisiten an drei gleichzeitig: vor der Aktion, in und der Momenten Bühnenbilder. Präzise, kompakt und dabei
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Verfügung, die professionelle Sprecher:innen füllen müssen. Eine gelungene Audiodeskription besteht aus dem richtigen Maß an Informationsdichte sowie einer dem Stück angepassten lebendigen Sprache. Audiodeskription sollte ein selbstverständliches Angebot an deutschen Theater- und Opernhäusern zu allen Inszenierungen werden. Das ist für mich Inklusion!"
Anke Nicolai
ist seit 1997 als Hörfilm-Autorin, Redakteurin, Tonregisseurin und LiveBeschreiberin für Audiodeskription tätig, u. a. in Zusammenarbeit mit Theater- und Opernhäusern. Zudem Gründungsmitglied des Vereins Hörfilm e. V.
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EINER WELT NAHE KOMMEN Ein Gespräch zwischen Wiebke Puls, Verena Regensburger und Kassandra Wedel
Dann machen sie dies zusammen, Musik, bauen über Echoschleifen einen Song, Wedel tanzt, Puls tanzt, beide singen – und zwischen ihnen ist keine Lüge, nichts Falsches mehr. (Süddeutsche Zeitung, Egbert Tholl)
Die Inszenierung „Luegen“ war die erste Regiearbeit von Verena Regensburger, die im April 2017 an den Münchner Kammerspielen Premiere hatte. Auch wenn es in dieser Inszenierung nicht um das Übersetzen als solches geht, sagt die Inszenierung doch viel darüber aus. Wiebke Puls, Verena Regensburger und Kassandra Wedel setzten sich nach drei Jahren, in denen die Inszenierung auch bei internationalen Gastspielen gezeigt wurde, für uns zusammen und reflektierten gemeinsam über ihre Arbeit.
VERMEINTLICHE SPR ACHBARRIEREN WIEBKE PULS: Verena, hattest du bei den Proben das Gefühl, übersetzen zu müssen? Du hattest dir ja viele Gedanken gemacht, wie der Abend sich hörenden und gehörlosen Menschen vermitteln kann. Hattest du eigentlich auch den Eindruck, dass du innerhalb unseres Teams Übersetzungsarbeit leisten musstest?
VERENA REGENSBURGER: In meiner Erinnerung ist es nicht so gewesen. Vermeintliche Sprachbarrieren, unterschiedliche Formen von Kommunikation sind immanentes Thema des Abends und durchziehen fast alle Spielprozesse. Aber im Team gab es vielmehr so etwas wie neue Spielregeln. Wir mussten uns beispielsweise dran gewöhnen, dass wir uns – egal zu wem wir gerade sprechen – zu dir, Kassandra, wenden, damit du von unseren Lippen ablesen kannst. Bei den langen Gesprächen hatten wir eine Dolmetscherin dabei. Ich denke, dies führte unabdingbar zu einer noch ausgeprägteren Auseinandersetzung mit Sprache. Die Beschäftigung mit und das teilweise Erlernen von Gebärdensprache beeinflusste die Art der Kommunikation in der Produktion und ermöglichte sowohl dem Team als auch den Zuschauer:innen einen alternativen Zugang zu unseren alltäglichen Formen der Interaktion.
WIEBKE PULS: Es wurde oft beschrieben, dass wir auf der Bühne so gut miteinander sind. Das, glaube ich, liegt daran, dass wir von Beginn an sehr direkt kommuniziert haben und dass auch vieles über die Augen läuft — Verabredung ohne Übersetzung. Irgendetwas was zwischen uns sehr direkt funktioniert, ungeachtet der Versprachlichung oder der Verkörperung.
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Um der (De-)Konstruktion von Wahrheit und Wahrnehmung auf die Spur zu kommen, treffen in „Luegen“ eine hörende — Wiebke Puls — und eine gehörlose Schauspielerin — Kassandra Wedel — aufeinander. Virtuos begeben sich die Künstlerinnen unter der ebenso freien wie einfühlsamen Regie von Verena Regensburger in ein Experiment. Die Bühne wird zum Versuchsraum für bewusst und unbewusst Kommuniziertes, zu einem Authentizitätslabor, das einlädt zu dechiffrieren, genauer hinzusehen und zu beobachten. Der Text entstand über die Unmittelbarkeit von im Probenprozess formulierten Gedanken und versucht sich auf diesem Weg einer Form von Wahrheit anzunähern. Über Worte wie über Gestik, Mimik oder zwischenmenschliche Kommunikation werden die Inhalte vermittelt. Es geht um Perspektiven- und Identifikationswechsel — nicht zuletzt mittels Sprache, sei es Laut-, Gebärden- und/ oder Körpersprache.
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18 Raum gegeben hat. Ich hatte schon andere Produktionen, EIN SICH BEGEGNEN AUF AUGENHÖHE in denen viel unterbrochen wurde — auch gerade, weil gedolmetscht wurde. VERENA REGENSBURGER: Zu Beginn der Proben stand für uns noch nicht fest, ob VERENA REGENSBURGER: oder in welcher Form wir den Abend für ein gehörloses Für mich war es ein Geschenk, meine erste StückenPublikum zugänglich machen können. Es gab die Übertwicklung mit euch zu erarbeiten. Gerade die Konzenlegung, ob die Vorstellungen gedolmetscht werden. Aber tration, die die Zusammenarbeit verlangt hat — nicht in wir haben einen solchen Ehrgeiz entwickelt, es aus dem Verbindung mit einer Anstrengung, sondern mit einem Team heraus zu lösen. Es ging uns nie um das Übersetbesonderen Fokus — war eine ungewöhnliche Erfahrung, zen als solches, sondern um eine Gleichwertigkeit im die ich in meiner Arbeitsweise in Ehren halte und pflege. Verstehen und Erleben — auch wenn über unterschiedliWas ich spannend fand, war die Art und Weise, wie wir che Kanäle wahrgenommen, rezipiert wird. auf der Bühne geprobt haben — ich glaube, das liegt mir auch nicht, dass K ASSANDR A WEDEL: man unterbricht Ein sich Begegnen — auf Augenhöhe. „Es ging uns nie um oder reinruft… Ich denke, man VERENA REGENSBURGER: das Übersetzen als muss sich die Zeit Meinst du, das Wissen darum, dass Wiebke Schauspiesolches, sondern um nehmen. Einmal lerin ist und keine professionelle Dolmetscherin, macht eine Gleichwertigkeit seid ihr 45 Minuten einen Unterschied fürs Publikum? im Verstehen und mit Taschenlampen Erleben.“ durch den Raum K ASSANDR A WEDEL: und dabei wie in Man sieht den Unterschied. Doch viele Gehörlose haben einen Flow geraten — in dem ihr extrem aufeinander kon- mir gesagt, dass sie Wiebkes Gebärden mögen — da sie zentriert wart, in dem ihr euch so aufeinander eingespielt eine andere Art hat. und zusammen etwas herausgefunden habt. Das empfinde ich als ein viel kraftvolleres Entstehen, als wenn ich euch WIEBKE PULS: von außen zurufe, was ich gerne sehen möchte. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich bei „Luegen“ perfekt adaptieren muss, sondern dass es viel mehr darum geht, K ASSANDR A WEDEL: wie man sich etwas zu eigen macht. Das ist eine Qualität Manchmal muss man einfach Geduld haben. Die erste von dem, was wir da machen. Probe von ‚Lippenlesen‘, in der Wiebke die Kopfhörer aufhatte und von meinen Lippen ablesen sollte, war ÜBERSETZUNG KOMMT EINER WELT NAH ein furchtbarer Moment. Ich hatte das Gefühl, wie eine Gehörlosen-Lehrerin zu sein und merkte, wie bei Wiebke K ASSANDR A WEDEL: die Wut hochkam. Ich wollte das beenden — die arme Wenn du, Wiebke, gebärdest, was ich spreche, fühlt sich Wiebke! Aber dann habe ich zu Verena geschaut (lacht) das für dich wie eine Übersetzung an oder so, als würund du gabst mir das Zeichen, ich solle weitermachen. dest du etwas in einer anderen Sprache erzählen?
WIEBKE PULS:
WIEBKE PULS:
Während es frustrierend war und mich wütend gemacht hat, habe ich gleichzeitig gewusst: Das ist eine Erfahrung, die ich jetzt machen muss.
Das ist schon eine Übersetzung. Einige Vorstellungen lang warst du beispielsweise ziemlich frei im Umgang mit deinem Text. Du bist in den Bildern geblieben, aber hast die Reihenfolge verändert, etwas weggelassen oder es ein bisschen anders ausgedrückt. Ich hatte nur eine bestimmte Anzahl von Gebärden gelernt. Aber auch wenn du etwas Neues sagen würdest, würde ich trotzdem
K ASSANDR A WEDEL: Hätten wir unterbrochen, wäre die Erfahrung so nicht zustande gekommen. Das hat mich nachhaltig geprägt.
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versuchen, das mit Gesten auszudrücken. Ich glaube, dass mit Wohlwollen jeder verstehen kann, was ich zeigen will. Und darum geht es, oder? Es gibt ja noch viel mehr Möglichkeiten als die Gebärden: den Gesichtsausdruck, den Körper…
etwas anderes in meinen Augen. Wenn du vom ‚visuellen Klang‘ sprichst, dann bin ich hin und her gerissen, weil ich denke, es ist großartig, dass du diese Übersetzung gefunden hast, weil sie dich teilnehmen lässt am Klang und gleichzeitig denke ich, arme Kassandra, sie sieht nicht, was…
VERENA REGENSBURGER: …den Kontext.
K ASSANDR A WEDEL: …du hörst.
WIEBKE PULS: Auch wenn „Luegen“ weitestgehend für Gehörlose wie für Hörende zu verstehen ist — über die Visualisierung, Vertextung von Sprache, Gebärden — habe ich jedes Mal ein ganz kleines bisschen ein schlechtes Gewissen, was die Musik betrifft. Gehörlose können dir zusehen, wie du im Tanz den Text performst, sie können die Vibrationen über die Bassboxen spüren, aber sie hören die Musik und den Gesang nicht.
WIEBKE PULS:
K ASSANDR A WEDEL:
WIEBKE PULS:
Musik-Übersetzung ist eine riesige Diskussion! Es ist schwierig. Was kann man übersetzen? Was ist schon Interpretation?
Du hast eine erstaunliche Intuition. Wenn wir z. B. gesungen haben und du die Hand auf meine Brust oder meinen Rücken gelegt hast, dann hast du allein über die Resonanz so viel verstanden, dass ich jedes Mal beeindruckt war.
WIEBKE PULS: Du kannst Sinneseindrücke synästhetisch übersetzen. Du kannst versuchen, einem auf anderen Kanälen die Wahrnehmung nahe zu bringen. Aber es ist keine Musik mehr, es ist etwas anderes.
Nein, noch schlimmer, was alles fehlt. Egal, wie viel Übersetzung sie leistet, es bleibt eine Welt, die für sie so niemals erlebt werden kann. Ich bin dann hin und her gerissen zwischen tiefem Respekt und großem Mitleid.
K ASSANDR A WEDEL: Übersetzung ist nicht 1:1. Sie kommt einer Welt nah.
DIE SCHÖNHEIT DER GEBÄRDENSPR ACHE VERENA REGENSBURGER:
Kassandra, du hast es mir mal so erklärt: Für viele K ASSANDR A WEDEL: Gehörlose ist die Gebärdensprache die Muttersprache Ich glaube, dass es ‚visuellen Klang‘ gibt, dass Musik und die Lautsprache Zweitsprache. Also vergleichbar, nicht nur akustisch wie wenn ich Englisch lerne. Bei dir ist es evtl. nochmal sein muss. etwas anders, da du nicht von Geburt an gehörlos bist. „Wenn man versucht, Selbst bei der Über- In einer Szene haben wir mit unterschiedlichen Verknüpsetzung vom Engli- fungen, Gewichtungen von Laut- und Gebärdensprache alles zu übersetzen, schen ins Deutsche gearbeitet. Wann fühlt es sich für dich am natürlichsten kann man auch etwas kann man sich z.T. an? kaputt machen.“ nur an Begriffe annähern. K ASSANDR A WEDEL: Wenn ich entweder nur rede oder nur gebärde. Wenn WIEBKE PULS: du beides machst, funktioniert das zwar, aber es ist Ich glaube, dass Sprachen diese Lücke überbrücken schwierig. Lautsprachbegleitende Gebärden sehen nicht können, weil du sie einfach weiter strapazieren kannst mehr schön bzw. sauber aus. Die Sätze sind unklarer — und am Ende steht für ein Wort ein ganzer Absatz. man schwimmt eher, muss mehr suchen. Wenn du beides Aber dann hat jemand begriffen, was es ist, auch wenn zusammen machst, ist es, als würdest du rennen und das eine Wort fehlt. Die Sinne zu übersetzen, das ist singen. Man kommt außer Atem. Die Sprachen haben
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20 einen anderen Rhythmus. Wir haben es als Kunstform benutzt. Es verschwimmt, wie der Klang über ein Hörgerät. Das haben wir visuell veranschaulicht. Am Anfang wird klar gebärdet (Gebärden begleitende Lautsprache) und es wird immer weniger, Bruchstücke (Lautsprache begleitende Gebärden). Somit kehrt sich die Verständlichkeit für das hörende und gehörlose Publikum nach und nach um.
WIEBKE PULS: ‚Übersetzen‘ beschreibt, was wir gemacht haben, ohne vom eigentlichen Übersetzen zu sprechen, so wie man es im Allgemeinen versteht. Was wir mit „Luegen“ gemacht haben, ist ‚über setzen‘, sich ‚rüber setzen‘, auf die andere Seite setzen. In dem Sinn finde ich den Begriff fast noch schöner, nämlich eine Erfahrung, einen Standpunkt teilen, die eigene Position verändern!
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WENN MAN VERSUCHT, ALLES ZU ÜBERSETZEN, K ANN MAN AUCH ETWAS K APUT T MACHEN.
Verena Regensburger ist freischaffende Regisseurin, Theater- und Kunstschaffende. „Luegen“ war ihr WIEBKE PULS: Abschlussprojekt als Regieassistentin an den Am Ende haben wir oder hast du Momente für die Bühne Münchner Kammerspielen. Im Rahmen ihrer gewählt, in denen es um eine Distanz geht, die es zu Goethe-Institut Residenz in Bangalore (Indien) überbrücken gilt. In den Proben gab es noch die Szene entwickelte sie gemeinsam mit Schüler:innen „Das Telefonat“, in der wir uns nicht der Abhinaya Taranga Schauhörten und nicht sahen — aber erspielschule das Stück staunlicherweise, wie über Telepathie, „My Name Is I Love You“. „Was ist es eigentlich, doch ein Gespräch zustande kam. was sich den Wiebke Puls ist seit 2005 EnsemMenschen neben all K ASSANDR A WEDEL: blemitglied der Münchner den Worten erzählt?“ Die Frage war, wie übersetzt man es? Kammerspiele. Für ihre Arbeit „Das Telefonat“ lebte davon, dass es wurde sie mehrfach ausgeaus dem Moment heraus improvisiert wurde. Wenn man zeichnet, u. a. 2003 mit dem Boy-Gobert-Preis versucht, alles zu übersetzen, kann man auch etwas der Körber-Stiftung, 2005 mit dem Alfred-Kerrkaputt machen. Darstellerpreis für die Rolle der Kriemhild in „Die Nibelungen“ und zuletzt im Rahmen des VERENA REGENSBURGER: 55. Berliner Theatertreffens 2018 mit dem 3satMan muss den Abend nicht Wort für Wort verstehen — Preis für ihre darstellerische Leistung in „Tromim Gegenteil. Mir ist es wichtiger, dass man euch zusieht. meln in der Nacht“. WIEBKE PULS:
Kassandra Wedel ist freischaffende Tänzerin, Cho-
Der verbale Anteil der Information ist viel geringer, als wir eigentlich denken. Ich finde das relativ magisch. Was ist es eigentlich, was sich den Menschen neben all den Worten erzählt? Worüber nehmen sie die Information auf? Das sieht man hier, dass Kommunikation über die Worte hinaus geht. Trotzdem ist die Sprache essenziell — worüber wir in „Luegen“ sprechen und auf welche Weise wir das tun.
reografin und Schauspielerin. Sie ist Ensemblemitglied des Deutschen Gehörlosen Theaters und zweifache Deutsche Hip Hop Meisterin und Weltmeisterin im Solo und Duo der inklusiven Hip Hop Meisterschaften. Mit der Tanzgruppe Nikita Dance Crew tritt sie in ganz Europa auf. Wedel spricht neben der deutschen und englischen Lautsprache auch die deutsche sowie die internationale Gebärdensprache.
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VERENA REGENSBURGER: Der Abend dreht sich bereits inhaltlich darum — wir versuchen zu übersetzen, nämlich innere Vorgänge oder die eigenen Wahrnehmungsweisen, und möchten dabei herausfinden, wo wir uns wirklich begegnen.
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„Der Text ist im Theater nur eine der Komponenten bei einer Theaterinszenierung. Erst durch die Verkörperung auf der Bühne wird er lebendig. Diesen Prozess kann man am besten nachvollziehen, wenn man sich als Übersetzerin als Teil des Inszenierungsprozesses sieht. In unseren Workshops haben wir wichtige
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fachspezifische, aber auch politische Debatten (z. B. über Autor:innenrechte für die Übertitler:innen) geführt. Heute ist Drama Panorama ein gemeinnütziger Verein mit mehreren parallel arbeitenden Teams, die unterschiedliche Projekte, vor allem im Bereich Gegenwartsdramatik
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und ihrer Vermittlung, entwickeln. In der gleichnamigen Reihe werden beim Neofelis Verlag Berlin neue, ins Deutsche übersetzte Stücke herausgegeben.“
Dr. Barbora Schnelle
ist Theaterwissenschaftlerin, Theaterkritikerin und Übersetzerin namhafter Autor:innen ins Tschechische. Als Übersetzerin und Herausgeberin entdeckte sie Jelinek für Tschechien. Außerdem Gastdozentin in Brno und Gründerin der Internet-Theaterzeitschrift Yorick.
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ÜBERSETZEN IST FÜR MICH DER VERSUCH, UNTERSCHIEDE HÖREN ZU LASSEN Seit fast 20 Jahren arbeite ich in Frankreich und Deutschland, mache Theater und verbreite so zeitgenössische Texte in verschiedene Richtungen. Meine Arbeit ist also die einer Vermittlerin. Nach dem Studium in Frankreich habe ich bei Manfred Karge an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin eine Ausbildung als Schauspielregisseurin absolviert. Praktische Schule. Brecht‘sche Schule. Das Erlernen einer ‚Bühnengrammatik‘ war gesetzt: Theater entsteht nicht erst auf der Bühne, sondern im Text. Das Theater beginnt mit dem, was ich als Regisseurin sehe, was ich aus dem Text nehme, zusammenstelle oder entgegensetze, in den Text hineininterpretiere, also was ich dort sehe und projiziere.
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o habe ich gelernt, Theater auf Deutsch zu denken. Damals waren meine Deutschkenntnisse noch begrenzt und ‚Deutsch verstehen‘ vermischte sich damit, einem Bühnengeschehen folgen und einen Szenenvorgang nachvollziehen zu können. Ende der 90er Jahre, als ich zum ersten Mal Inszenierungen von Frank Castorf besuchte, war ich vor mehrere Bedeutungsebenen gestellt: manche gespielt, andere nur gesprochen, wieder andere nur visuell. Meine damalige Sprachschwäche verschärfte meine Aufmerksamkeit und mein Zugang zur Bedeutung hing vom Spiel der Spielenden ab. Die Klarheit der Sprache erreichte mich durch die Klarheit des Spiels. Ich habe immer mit zeitgenössischen Texten gearbeitet, weil mich interessiert, wie
Autor:innen, die im gleichen historischen Moment wie ich leben, von derselben Komplexität der Welt geprägt sind, die Welt schreiben. Aus meiner deutsch-französischen Berufserfahrung bin ich fast immer einer Schnittstellenposition zugeordnet: Ich kenne das deutsche Theatersystem und die französische Theaterlandschaft, ich führe Regie auf beiden Seiten des Rheins und war immer mit unterschiedlichen Wahrnehmungen des Theaters konfrontiert. Meine erste Regiearbeit kommentierte das französische Fachpublikum mit: „Es gibt viele Ideen, super, aber deine Schauspieler:innen spielen etwas zu grob, oder?“, und das deutsche: „Es gibt einige Ideen, aber warum spielen deine Schauspieler:innen nicht?“ Wenn ich ein Stück in Deutschland inszenierte, sagten die Deutschen: „Ah, es ist sehr französisch“, wenn ich ein Stück in Frankreich inszenierte, sagten die Französ:innen: „Na ja, es ist ziemlich deutsch“. Ich habe gelernt, diese unterschiedlichen Erwartungen zu verstehen. Wo das Theater in Deutschland vorwiegend ‚Handlung‘ war, war es in Frankreich vor allem ‚Text‘. Ich habe gelernt, ohne Radar zu segeln, mich weniger auf einen Rat von Expert:innen zu verlassen, die richtig und falsch deklarieren, als auf die Aufmerksamkeit des Publikums. Inszenieren bedeutet für mich immer auch übersetzen. Ich muss den Schauspielenden mein Verständnis des Textes vermitteln, damit sie sich dieses aneignen und auf der Bühne als Partitur wieder neu erfinden können. Inszenieren heißt für mich, einen Text weiterzugeben, ihm zu ermöglichen ‚hinüber‘ zu gehen, damit ein anderes Publikum seinen Inhalt emotional erfassen kann.
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Von Leyla-Claire Rabih
24 Neben meiner Arbeit als Regisseurin arbeite ich vermehrt als Übersetzerin und, zusammen mit Frank Weigand, als Herausgeberin der Reihe „SCÈNE – Neue französische Theaterstücke“, die seit 1999, zunächst unter der Herausgeberschaft von Barbara Engelhardt, erscheint. Es ist für mich selbstverständlich geworden, Theatertexte zu übersetzen, ohne sie selbst auf die Bühne zu bringen. Oftmals stellt sich als erstes die Frage nach dem Grad der Umsetzung des Textes oder der Geschichte und danach, welche Zusammenhänge für die Zuschauenden wichtig sind.
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ies ist eines der grundlegenden Themen der Arbeit, die Frank Weigand und ich bei der Herausgabe der Reihe „SCÈNE – Neue französische Theaterstücke“ leisten. Bei der Auswahl der Manuskripte ergeben sich so etliche Fragen: Kann ein Text auf den deutschen Bühnen ‚übernommen‘ werden, trotz seines französischen Charakters? Oder muss er sogar übernommen werden, gerade wegen seines französischen Charakters? Welche Person schafft es, die Inhalte zeitgemäß zu übersetzen? Welche Worte werden gewählt? Regelmäßig übersetzen wir auch gemeinsam und hier ergänzen sich unsere Unterschiede und Divergenzen am stärksten: eine französische Regisseurin und ein deutscher Übersetzer. Statt die Geschichte umzusiedeln oder die Namen der Figuren ‚zu verdeutschen‘, fokussieren wir uns auf eine Sinndeutung von Schlüsselelementen, damit sich Lesende und Zuschauende die originale Situation vorstellen können. So entsteht in der Trennung eine interessante Verbindung. Bei unserer Übersetzung von Fabrice Melquiot „Les Séparables“ (Die Zertrennlichen) fragen uns die Jugendlichen zum Beispiel oft: „Es spielt nicht bei uns, oder?“ und „Aber warum sprechen sie so viel über Araber?“, während sie die Probleme der Diskriminierung und Gleichstellung, die im Text vorhanden sind, dennoch vollständig wahrnehmen. Ganz anders war die Arbeit an den Übersetzungen der Texte des syrischen Autors Mo-
hammad Al Attar aus dem Arabischen ins Französische zusammen mit Jumana Al-Yasiri. Die drei Texte, die wir übersetzt haben, wurden alle zu Beginn der syrischen Revolution, zwischen 2011 und 2014, geschrieben. Sie stellen Figuren dar, die in den Ereignissen gefangen waren und „Theater entsteht ständig versuchnicht erst auf der ten, sie zu verBühne, sondern kraften und über im Text.“ politische Fragen nachzudenken. Zumeist waren es Alltagssituationen, die durch Alltagssprache charakterisiert waren. Hier war die Herausforderung der Übersetzung eine ganz andere. Es war schwierig, die Selbstverständlichkeit, mit der die Figuren in ihrer Alltagssprache politische Reflexionen oder Fragen formulierten, in ein alltägliches französisches Sprachregister zu übersetzen. Teilweise war es notwendig, bestimmte Dinge im französischen Text zu kontextualisieren, sich manchmal die Freiheit einer Umschreibung zu nehmen, um zu erklären, was im syrischen Kontext offensichtlich war. Diese Anpassungen wurden während der Probenarbeit weitergeführt, zusammen mit den Schauspielenden. Manche Sätze wurden mehrmals umformuliert, um den alltäglichen Ton des Gesprächs zu erhalten.
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bersetzen und vermitteln bedeutet zwangsläufig, sich selbst Missverständnissen und Reibungen auszusetzen. Vor zehn Jahren habe ich „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth in Frankreich adaptiert. Dieses Stück gilt dort immer noch als eine Erzählung über den Aufstieg des Nationalsozialismus, während meine Adaption die Wirtschaftskrise thematisiert, die Suche nach privaten Lösungen, kurz bevor die Not zu mächtig wird und die Betroffenen anfangen, an eine bestimmte politische Lösung zu glauben und zum Stimmzettel zu greifen. Diese Deutung löste Kontroversen aus; die Adaption und die Inszenierung wurden vom Fachpub-
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likum der französischen Theaterlandschaft massiv kritisiert. Bühnenbild, Kostüme und Schauspiel wurden als Karikatur betrachtet, die der persönlichen Betrachtung des Textes nicht entsprachen. Mein einziger Trost als Übersetzerin kam von den Kommentaren der deutschen Dramaturg:innen, die die Inszenierung zwar auch nicht sonderlich mochten (zu französisch!), aber den Text schätzten: Sie hörten in der französischen Adaption das lakonische und lapidare Gespräch zwischen den Horváth-Figuren. Für mich war es ein echtes Kompliment und eine Bestätigung, dass der Versuch nicht vergeblich war.
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ufgrund meiner ‚brechtschen‘ Ausbildung gehören die Begriffe von Situation und Konflikt zu meiner individuellen Theaterauffassung. Besonders interessant ist für mich ein Text, wenn er zwischen dramatischer Situation und Erzähltext abwechselt. Ein heute gängiges Stilmittel in der zeitgenössischen Dramatik und Theaterarbeit, wenn zum Beispiel Figuren aus dem szenischen Dialog aussteigen und sich an das Publikum richten. Ein solches Heraustreten und Kommentieren nimmt Abstand von der Situation, bildet Momente der Selbstfindung der Figuren und der Gestaltung der Welt. Es handelt sich vielleicht um den Versuch, die Welt neu zu erfinden. In einer Zeit, in der die Fiktion massiv in Bildform konsumiert wird, kann Spracherzählung eine andere Wirkung erzielen. So dient das Theater nicht dem Eintauchen in die Fiktion, sondern stellt sich eher dem Versuch, genau das zu vermeiden. Der Theatertext lässt das Wort kollektiv hören und seine Übersetzung ist eine Erweiterung dieses gemeinsamen Wirkens. Übersetzen bedeutet für mich nicht das Anpassen im Sinne von harmonisieren, nicht das Liefern eines ‚ready to understand‘. Sondern im Gegenteil, Übersetzen ist für mich der Versuch, Unterschiede hören zu lassen, ohne die Verwirrungsgebiete oder die Missverständnisse zu vermeiden. Es geht mir darum, Brücken zwischen Realitäten zu schlagen und nicht darum,
auf beiden Seiten das Gleiche zu tun. Es geht mir darum, die Lücke zwischen unseren Wahrnehmungen zu messen, die sich – je nach den Orten und Momenten des Körpers – unterscheiden, angelehnt an Grundzüge der FeldenkraisMethode, die eine einfachere Organisation der Bewegungen durch Bewusstsein anstrebt. Das heißt, die Sprachen und Gesellschaften, die sie trennen und verbinden, als einen lebendigen Organismus zu betrachten.
Leyla-Claire Rabih arbeitet als freischaffende Regisseurin und Übersetzerin zwischen Frankreich und Deutschland. Sie leitet die Compagnie Grenier Neuf in Dijon, übersetzt vom Deutschen ins Französische – und umgekehrt – und gibt gemeinsam mit dem Übersetzer Frank Weigand die Theateranthologie SCÈNE – Neue französische Theaterstücke heraus.
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Wenn unzureibestenSprachübertragung geeignet und was bedeutet chend mitgedacht undSprachübertragung umgesetzt wird, führt das für meine Übersetzung? Wenn das, gerade bei internationalen Festivals, unzureichend mitgedacht und umgesetzt wird, führt das, meist zu Unruhe und Frust auf allen Seiten: gerade bei internationalen Festivals, meist zu Unruhe und bei den Macher:innen ebenso wie im Publikum. Frust auf allen Seiten: beiAcrozz den Macher:innen ebenso wie im Mit Getting konnten wir dieses Thema erstmals zu einem zentralen Teilwir desdieses Festivals machen. Publikum. Mit Getting Acrozz konnten Thema Wir entwickelten für des jedeFestivals Produktion – in enger erstmals zu einem zentralen Teil machen. WirAbsprache mit den Künstler:innen – die (hoffentlich) entwickelten für jede Produktion – in enger Absprache mit am besten geeignete Übertragungsform, kümmerden Künstler:innen – die (hoffentlich) am besten geeignete ten uns um Übersetzungen und QualitätskontrolÜbertragungsform, uns um Übersetzungen und le undkümmerten unterstützten die Kommunikation während
des Festivals, zur Not auchdie spät abends an der Bar. Qualitätskontrolle und unterstützten Kommunikation Ich habe zur das Not Gefühl, Beteiligwährend des Festivals, auchdass spätseitdem abends viele an der Bar. te anders über die sprachliche Übertragung ihIch habe das Gefühl, dass seitdem viele Beteiligte anders über rer Produktionen nachdenken – weil sie gemerkt die sprachliche Übertragung ihrer Produktionen nachdenken haben, wie sehr die Kommunikation mit dem Pu– weil sie gemerkt haben, wie sehr die Kommunikation blikum davon beeinflusst wird und welchemit neuen Wege sich dadurch wird öffnen können.“ dem Publikum davon beeinflusst und welche neuen Wege sich dadurch öffnen können.“
Karen Witthuhn
ist Übersetzerin und Initiatorin des Übersetzerprogramms Getting Acrozz im Rahmen des PAZZ Performing Arts Festivals 2012 in Oldenburg. Nach ihrem Studium in Bristol arbeitete sie als Regisseurin, Dramaturgin, Produktionsleiterin sowie Übersetzerin und ist Mitglied des Übersetzungsbüros Transfiction.
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WIR HABEN NUR EIN ODER ZWEI CHANCEN Stefan Fischer-Fels und Guy Dermosessian im Gespräch Wir haben Stefan Fischer-Fels, den Leiter des Jungen Schauspiels am Schauspielhaus Düsseldorf und Guy Dermosessian, Projektmanager im Diversity Management für die Kulturstiftung des Bundes, getroffen und mit ihnen über ihre internationalen Erfahrungen mit Kinder- und Jugendtheater gesprochen. Wo liegen die Schwierigkeiten bei der Vermittlung und was haben Kinder uns voraus?
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STEFAN FISCHER-FELS: Im Kinder- und Jugendtheater haben vielleicht 80% der Kinder und Jugendlichen andere Hintergründe als die „(bio)deutschen“ Bildungsbürger:innen. Wir finden, dass das ein Grund ist, unsere Arbeit fundamental zu überprüfen. Wenn wir dieses sehr interkulturelle Publikum ansprechen wollen, müssen wir Vermittlungsarbeit leisten und Übersetzungsleistungen auf allen Ebenen anbieten. Nur dann kann unser Theater mehr sein als ein Ort für Eliten.
sagen, das ist nichts für mich, weil da nichts von meinem Leben drin ist, dann ist es vermutlich für immer vorbei.
GUY DERMOSESSIAN: Meine Kinder sind jetzt vier und fünf und oft im Theater. Bei ihnen funktioniert alles über Bilder, die sie teilweise ohne Sprache sehr frei speichern. Üblicherweise werden sie aber von Lehrer:innen vorbereitet, was schade ist, denn dann können sich die Bilder nicht mehr frei entwickeln. Aber genau darin sehe ich im interkulturellen Bereich eine große Chance. Denn ‚etwas zu verstehen‘ hat nicht unbedingt immer etwas mit Sprache zu tun. Emotionen transportiere ich z. B. meinen Kindern gegenüber auf Arabisch. Auf Deutsch regeln wir eher praktische Dinge, wie beispielsweise Zähne putzen, schlafen... Das heißt, sie drücken, wie sehr viele ihrer Generation, Traurigsein, Lustigsein, Glücklichsein in einer anderen Sprache aus. Mit diesem inneren Widerspruch nehmen sie dann Theater auf Deutsch wahr oder die Bücher, die ich ihnen vorlese.
GUY DERMOSESSIAN: Als ich anfing in Deutschland ins Theater zu gehen, war mir die deutsche Literatur noch fremd. Mir war es sehr unangenehm, in einer Gruppe zu stehen und die ganze Zeit gespiegelt zu bekommen, wie dumm ich bin. Dabei hielt ich mich nicht für dumm; ich war einfach nicht mit der deutschsprachigen, sondern mit der französischsprachigen Literatur vertraut – was natürlich wiederum einen unschönen kolonialen Hintergrund hat. Ich hatte das Gefühl, ich habe eigentlich etwas zu erzählen, aber irgendwie kam ich nicht durch, wurde nicht gehört.
STEFAN FISCHER-FELS: Das ist genau der Punkt, der mich so beschäftigt. Unser junges Theaterpublikum von heute ist ja immer auch das Publikum von morgen, und wir haben die Chance, dass Menschen, die sonst nie mit Theater in Berührung kommen würden, bei uns und durch uns eine Liebesbeziehung zum Theater entwickeln. Aber wir haben nur ein oder zwei Chancen. Wenn sie nach der Vorstellung
STEFAN FISCHER-FELS: Das sind für mich alles Übersetzungsleistungen. Guy arbeitet im Diversitäts-Management für die Kulturstiftung des Bundes und fragt sich aus seiner Perspektive: Wie kann man so ein Haus anders denken und öffnen? Mir ist klar geworden, dass einige wesentliche Übersetzungsleistungen von Seiten der Institution noch fehlen. Welche Sprache spricht wen an? Sind die Codes, die wir im Theater benutzen, überhaupt verständlich für die Leute, die wir ansprechen wollen? Die Stücke, die wir spielen, können religiöse Gefühle, Verbote, Ängste berühren – nicht nur psychologisch, sondern ganz real. Unsere Arbeit muss also etwas mit Kenntnis und Sensibilität für andere Kulturen zu tun haben, die Teil unserer Gesellschaft sind. Diese Kontextualisierung müssen wir lernen und beachten, um allen Kindern und Jugendlichen den Weg ins Theater zu öffnen. Wir müssen überlegen, ob die ‚deutsche‘ Perspektive in Gegenwartsstücken, Märchen und Klassikern
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der einzige Zugang zu Theatergeschichten sein sollte. Wir haben beispielsweise unser Ensemble, aber auch die Autor:innen diversifiziert, weil wir gesagt haben, wir können ja nicht einem Publikum, das total divers ist, das Erfahrungen, Geschichten und andere Hintergründe mitbringt, ausschließlich „biodeutsche“ Mittelschichtsperspektiven vor die Nase setzen. Es geht darum, auf sein Publikum zu reagieren, auch von ihm zu lernen und das Theater verständlich zu machen für Menschen, denen die Ästhetiken und Sprachen, die wir hier benutzen, nichts sagen. Die sich von uns (noch) nicht angesprochen fühlen.
GUY DERMOSESSIAN: Ein spannendes Beispiel ist eine Stückentwicklung in Dortmund. Eine Familiensituation mit Jugendlichen verschiedener Nationalitäten, die immer die gleiche Handlung in jeweils ihrer Sprache aus verschiedenen Perspektiven erzählt haben. Es gab keine sprachliche Übersetzung, sondern eine bildliche. Es ging um die bildliche Übertragung, bei der es mal für zehn Kinder lustig war, für zwei traurig oder umgekehrt. Ein transkultureller Transfer, der im Theater oft vorkommt. Ich z. B. sehe vor dem Hintergrund, dass meine Eltern in Beirut leben, ein Stück über Revolution und Krieg anders als jemand mit einer anderen Biografie. Aber jenseits der Notwendigkeit der sprachlichen Übersetzung beschäftigt mich oft die Frage der Übersetzung im Sinne von Kontextualisierung. Wie können wir Zugänge schaffen, damit sich ein Publikum ganz anders einlassen kann – nicht nur auf die Stücke, sondern auch auf das Haus? Es geht uns darum Möglichkeiten zu finden, die meist europäischen Erzählungen zu öffnen. Damit meine ich nicht: ‚Weg mit dem Kanon‘, sondern eher: ‚Lasst uns den Kanon neu verhandeln!‘
STEFAN FISCHER-FELS: Ja, ich finde es wichtig das Theater für die Personen zu öffnen, die sich von uns bisher noch nicht wirklich angesprochen gefühlt haben. Das ist wirklich nicht leicht und dazu kommt, dass der Gap zwischen der Medienerfahrung und der Theatererfahrung, vor allem bei Jugendlichen, unendlich groß ist. Eine Untersuchung darüber, was Besucher:innen vom Theaterbesuch abhält, hat ergeben, dass es vor allem Angst vor Langeweile und Angst vor dem Nichtverstehen ist. Hier ist die Arbeit der Theaterpädagog:innen ganz wichtig, die versuchen, Themen, Theatersprachen und Menschen zusammenzu-
bringen. Für mich ist das alles eine Frage von Übersetzung. Wenn jeder nur in seiner Blase bleibt, führt uns das gesellschaftlich ja nicht weiter. Wir müssen Konflikte ansprechen, ohne uns die Köpfe einzuschlagen. Und immer wieder geht es zentral um Übersetzung und Vermitt„Wie können wir lung. Für mich ist das Möglichkeiten finden, der entscheidende die europäischen Punkt, was Theater Erzählungen zu überhaupt machen öffnen?“ muss. Kann ich mich connecten oder nicht?
GUY DERMOSESSIAN: Und dafür gibt es ganz verschiedene Wege: Rabih Mroué hat sich bei seiner Inszenierung „Riding on a Cloud“, in der es um den Krieg im Libanon geht, für die arabische Sprache entschieden. Er hat mir erklärt, dass er sich mehr mit dem Rhythmus der Sprache auseinandergesetzt hat, um eine Art Soundscape zu kreieren. Es ging also nicht so sehr darum zu verstehen, sondern eher darum, sich hineinzufühlen. Für mich sind die besten Theatererfahrungen die, in denen ich emotional angesprochen werde. Oft entsteht trotz Übersetzung eine Art Entfremdung. Ich habe einmal erlebt, wie im Theater für die arabische Community übersetzt wurde. Da wurde versucht alles richtig zu machen und doch waren die Reaktionen verhalten, eher in dem Sinn: ‚Wir sind nicht blöd! Wenn wir nicht genau da lachen, wo ihr lacht, dann einfach, weil wir es nicht lustig finden.‘
STEFAN FISCHER-FELS: Interessant wird es natürlich, wenn man auf Gastspielreise geht und auf eine Übersetzung angewiesen ist. Wir hatten in Russland eine Aufführung, in der 800 Kinder über Kopfhörer die Verdolmetschung mitgehört haben. Man hörte die Stimme des Dolmetschers als permanentes, leises Geräusch – die Lacher kamen verzögert. Ich hatte das Gefühl, es spielt eine große Rolle, wer übersetzt und vor allem wie. Der Text wurde – meinem Gefühl nach – eher abgelesen und nicht gefühlt, dadurch entstand eine Distanz zu unserem Stück und es war eine völlig andere Aufführung. In Brasilien war es dann überraschend anders. Mangels technischer Möglichkeiten gab es keine Verdolmetschung, sondern eine Schauspielerin, die sich ein
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30 paar Proben angesehen hatte und sich an den Bühnenrand setzte und vor jeder Szene kurz auf Brasilianisch zusammenfasste, was passieren würde. Ich dachte erst, dass sie uns den ganzen Abend zerstören werden. Aber man beruhigte mich und sagte, sie würden das immer so machen und ich könne ihnen vertrauen. Die „Was Besucher:innen Schauspielerin hat vom Theater abhält, genau den Rhythist die Angst vor mus des Stücks Langeweile und aufgenommen, sich Nichtverstehen.“ einen wunderbaren Text geschrieben und den brasilianischen Kids genauso viel erzählt, dass sie folgen konnten. Es war, als ob es zur Inszenierung gehörte. Das war sensationell, es hat großartig funktioniert. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Eine andere schöne Variante war, als wir einmal in Indien gespielt haben. Da haben die Schauspieler:innen einige Schlüsselsätze auf Indisch gelernt und in den deutschen Text eingestreut. Zusätzlich gab es Übertitel, die aber nur die wichtigsten Teile des Dialogs übersetzten. Diese Kombination hat z. B. gut funktioniert. Das war für mich der Königsweg. Den gesamten Text auswendig zu lernen wäre natürlich die ganz große Geste. Kann aber auch komplett schiefgehen, wenn es nur phonetisch gelernt wird und man nichts versteht.
GUY DERMOSESSIAN: In „Babel“ vom Jungen Schauspiel Frankfurt haben Jugendliche verschiedene Erzählungen aus eigener Perspektive in ihrer eigenen Sprache erzählt. Anfangs auf Deutsch, dann auf Französisch, Englisch, Arabisch, Amharisch… Obwohl man die Sprache nicht verstanden hat, konnte man den Kontext verstehen, es entstanden verschiedene Dynamiken im Raum. Und es hat einen dazu ermutigt, in Kontakt zu treten. Weil wenn du es wirklich verstehen wolltest, musstest du dir die Person merken, die gelacht hat, um sie nach dem Stück zu fragen, worum es ging. Ich fand es interessant, dass diese Form von Ohnmacht neue Strategien hervorbringt, sich in dem Moment auch auf die anderen Sprachen einzulassen. Also nicht nur im Sinne von Sprache. Es war ohne Übertitel und man hat sich gesagt, gut, dann nehme ich das jetzt mal phonetisch und ästhetisch wahr.
STEFAN FISCHER-FELS: Eine weitere Möglichkeit, die ich im Kinder- und Jugendtheater ganz stark erlebe, vor allem bei internationalen Festivals, ist, dass man eben auch ganz bewusst Stücke aussucht, die nicht textlastig sind. Weswegen das deutsche Theater in der internationalen Szene manchmal ein Problem hat. Wir gelten als großartige Theaterkultur, aber „very text-based“. Das ist ein Problem, wenn du auf dem internationalen Markt bestehen willst. Theater für die ganz Kleinen ist ein fantastisches Feld für Gastspiele und internationale Kollaborationen. Also fast jedes Festival lädt Theaterstücke für Zweijährige und Dreijährige ein, weil das sowieso fast ohne Worte funktioniert und international verständlich ist. Eine interessante Erfahrung, dass die Zweijährigen ganz selbstverständlich einen anderen Zugang finden müssen und können. Im Gespräch mit und aufgeschrieben von Yvonne Griesel.
Stefan Fischer-Fels
ist seit der Spielzeit 2016/17 künstlerischer Leiter des Jungen Schauspiels am Düsseldorfer Schauspielhaus. In gleicher Funktion war er schon von 2003-2011 in Düsseldorf tätig. 1996-2003 war er als Dramaturg und Theaterpädagoge und 2011-2016 als künstlerischer Leiter am GRIPS Theater Berlin tätig. Im Vorstand der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche (ASSITEJ) engagiert er sich für das Recht von Kindern auf kulturelle Teilhabe sowie für die künstlerische und kulturpolitische Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendtheaters.
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Guy Dermosessian, aufgewachsen im Libanon, ist Gründer des internationalen Musiklabels Kalakuta Soul Records und als Künstler und Kurator zwischen Musik und darstellender Kunst tätig. Als Projektmanager der Zukunftsakademie NRW beriet er verschiedene Kulturinstitutionen des Landes NRW im Fachbereich Diversity Management. Seit 2019 leitet er die DiversityAbteilung des Düsseldorfer Schauspielhauses, wo er auch die Reihe Embracing Realities im Unterhaus kuratiert.
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„Schon während des Studiums
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habe ich mich vor allem für den kulturellen Transfer im Theater interessiert und viele deutsch-italienische Produktionen als Übersetzerin begleitet. Der Schritt, auch an der Übertitelung von Produktionen zu arbeiten, kam da als logische Konsequenz meiner wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten. Der wichtigste und schönste Aspekt beim Übertiteln ist für mich nach wie vor möglichst vielen Menschen Zugang zum Theater zu ermöglichen.“
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Dr. Anna Kasten promovierte an der Universität Palermo und Düsseldorf zu Neuer Dramatik und deren intermedialen Bearbeitungen. Sie arbeitet als Übertitlerin und ist im Leitungsteam der Firma Panthea.
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MAN MUSS SICH IN EINE WELT EINFÜHLEN Warst du mal im Theater und hast nichts verstanden?
MAJA ZADE: Ja, schon sehr oft, aber ich habe das immer als sehr interessant empfunden. Auf einmal achtet man auf ganz andere Dinge und faszinierenderweise versteht man da doch auch viel, weil es Körper und Menschen auf der Bühne gibt, die ihre ganz eigene Sprache haben. Du arbeitest als Übersetzerin, Dramaturgin und seit 2018 auch als Autorin. Dein Stück „status quo“ wurde unter anderem ins Lettische und Norwegische übersetzt. Was war dir bei dieser ‚Übertragung‘ wichtig?
dieser Form dort nicht gibt – da muss man dann teilweise etwas schummeln und sehen, ob sich Inhalte dadurch verändern. In „status quo“ ist die normale Sprache, in der die männliche Form dominiert, umgekehrt, so dass die weibliche dominant ist. Im Englischen gibt es zum Beispiel keine Dominanz von femininen oder maskulinen Begriffen. Dort muss erst gar nicht das weibliche Suffix angehängt werden oder ‚man‘ durch ‚frau‘ ersetzt werden. Das ist natürlich sehr interessant, weil dann ein Aspekt wegfällt, der dem deutschen Publikum als erstes auffällt und sich nicht von der ersten Zeile an erzählt, dass die Geschlechterrollen gespiegelt sind und dass wir auf eine Welt blicken, die irgendwie ungewöhnlich ist.
Du arbeitest selbst auch als Übersetzerin. Aus und Bei „status quo“ wollte ich gerne, dass jede in welche Sprachen übersetzt du? Inszenierung in der Stadt spielt, in der sie adaptiert wird, damit das Publikum das Ich übersetze aus dem Deutschen und Gefühl hat, dass das, was auf der Bühne Schwedischen ins Englische und aus dem geschieht, unmittelbar etwas mit ihnen zu Englischen und Schwedischen ins Deutsche. tun hat. Ich habe das Stück auch selbst ins Englische übersetzt und da alles umgelegt. Wie kam es dazu, dass du Übersetzerin wurdest? Bei der Übersetzung für die Inszenierung in Riga dachten sie zunächst, dass das nicht Eigentlich aus Zufall. Ich habe damals am funktioniert, weil da doch alles so anders ist, Royal Court Theatre in London gearbeiaber im Endeffekt haben sie das Geschehen tet, und wir haben überlegt, ob wir eine im Stück dann doch in Riga spielen lassen Übersetzung von Marius von Mayenburgs und das scheint sehr gut zu funktionieren. „Feuergesicht“ in Auftrag geben wollen. Wir haben darüber geredet, dass die Sprache Warum gab es Zweifel, ob es funktioniert? nicht ganz leicht zu übertragen ist, und um zu probieren, wie es vielleicht gehen In Riga meinten sie zunächst, dass die Gekönnte, habe ich die ersten Seiten übersellschaft dort anders funktionieren würde, setzt und dann bekam ich den Auftrag, das was ich natürlich nicht beurteilen kann. Bei ganze Stück zu übersetzen. Ich habe dann der englischen Übersetzung war es tricky, zunächst nur ins Englische übersetzt, bis dass ein Erzählstrang im Theater spielt und mich Nils Tabert vom Rowohlt Theaterverlag es das System eines Ensembletheaters in
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34 gefragt hat, ob ich Lars von Trier übersetzen möchte, und seitdem übersetze ich in beide Richtungen.
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Wie gehst du beim Übersetzen eines Dramas vor?
Marius von Mayenburg zum Beispiel besprochen, dass sie die Handlung gerne komplett nach England verlegen wollen und dann habe ich das so gemacht. Das würde ich in Deutschland für einen Verlag eher nicht machen, da solche Entscheidungen doch häufig beim Theater liegen und das dann Bearbeitungen sind, die eher von Dramaturg:innen gemacht werden.
Zu Beginn lese ich das Stück mehrmals, lerne es genau kennen. Zuerst mache ich eine grobe Übersetzung und gehe sie danach so oft durch, bis sie klingt, als wäre sie ein eigenständiger Text. Dann gehe ich zuIch habe das Gefühl, dass die Arbeit von Übersetrück zum Original und schaue, ob ich mich zer:innen oft nicht gesehen wird, wie siehst du das? zu weit davon entfernt habe und korrigiere dann zum Teil nach. Das erste Stück, das Ich glaube, hier an der Schaubühne liegt der man von eine:r Autor:in übersetzt, ist immer Fokus sehr auf der internationalen Theaterdas schwierigste, weil man sich in eine Welt arbeit und somit auch auf den Personen, die und eine Sprache einfühlen ‚hinter den Kulissen‘ übermuss. Ich habe die meissetzen. Gestern zum Beispiel ten Stücke von Marius von hatten wir eine Lesung mit „Den Autor:innen ist Mayenburg ins Englische Annie Ernaux, wo mein Kollege meist sehr bewusst, übersetzt, und das fällt mir explizit auf die Übersetzerin wie wichtig die deswegen mittlerweile – je Sonja Finck eingegangen ist Übersetzung ihrer nach Stück – nicht mehr so und ihren Anteil an der deutStücke ist.“ schwer. Außerdem hilft in schen Ausgabe von Ernaux‘s dem Fall auch, dass ich oft Buch gewürdigt hat. Aber mit als Dramaturgin an den Produktionen seiner einem allgemeinen Blick finde ich es durchStücke beteiligt bin und wir uns sehr gut aus schockierend, wie oft Übersetzer:innen kennen. in Spielzeitheften und auf Theaterwebsites nicht erwähnt werden – ich fände es wichtig, Gibt es Unterschiede ob du für den deutschspradass die Übersetzer:innen immer gemeinchigen Raum oder den englischsprachigen Raum sam mit den Autor:innen genannt werden. übersetzt? Den Autor:innen ist meist sehr bewusst, wie wichtig die Übersetzung ihrer Stücke Absolut. In Deutschland übersetzt man ist. Das Problem liegt eher auf der Seite der häufig im Auftrag eines Theaterverlags, Theater. während man in England oft direkt für ein Theater übersetzt. Das hat dann durchaus Du arbeitest jetzt schon seit 20 Jahren als Dramaeinen anderen Stellenwert. Ich werde dann turgin an der Schaubühne. Was hat sich verändert? oft während der Proben in Großbritannien angerufen und gefragt, ob wir ein Wort änEs ist alles viel internationaler geworden. dern können. Das würde in Deutschland verIch glaube wir waren eines der ersten Themutlich niemand machen, in England fühlt ater hier in Berlin, das Übertitel angeboten sich das etwas kreativer an, weil es für eine hat. Das entwickelte sich aus dem Fakt, dass bestimmte Inszenierung mit zugeordneten wir mit unseren Stücken viel international Künstler:innenpersönlichkeiten gemacht auf Gastspiel waren. Da dachten wir: wir wird. Bei der Übersetzung von „Märtyrer“ haben ja sowieso die Übertitel auf Englisch haben der Regisseur aus England und Autor oder Französisch und im Grunde sind genug
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Leute in Berlin, die nicht Deutsch sprechen, und warum soll man es nicht mal probieren? Inzwischen bieten fast alle Theater in Berlin Vorstellungen mit Übertiteln an. Wie war das mit der Übertitelung am Anfang? Da war das noch ziemlich neu und wir haben das eigentlich auf den Gastspielen gelernt, weil das da natürlich gemacht werden musste und dann haben wir uns so langsam rangetastet. Mittlerweile gibt es ja viele Firmen, die das auf den Weg bringen und betreuen, früher ging das eher über Einzelpersonen am Theater, die dann die Übertitel auf den Gastspielen gemacht haben. Uli Menke macht zum Beispiel seit vielen Jahren Übertitel und übersetzt Stücke für uns, wie zuletzt „Die Anderen“ von Anne-Cécile Vandalem. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass viele Leute sich gar nicht vorstellen konnten, sich Theater mit Übertiteln anzusehen, aber inzwischen ist das zumindest in den Großstädten gang und gäbe, und es funktioniert in den meisten Fällen auch ganz gut. Innerhalb der Proben für ein Stück ist ja oft eh schon wenig Zeit für Bühnenproben. Wie bringt man da noch Übertitel oder Übersetzungen unter?
Und bei Stücken aus dem Repertoire, beziehungsweise Premieren? Da sieht das alles schon etwas komplizierter aus und die Übertitel müssen bereits bei den Endproben, die ja sowieso total voll sind, mitgedacht werden. Da ist es meistens so, dass ich oder ein:e Kolleg:in nach der Premiere nochmal für die weiteren Vorstellungen nachkorrigieren. Das Komplizierte ist immer, sich in den Rhythmus der Vorstellung einzugrooven, weil Übertitel zu fahren wirklich eine Kunst ist und man dadurch, dass man z. B. eine Pointe zu früh oder zu spät fährt, viel kaputtmachen kann. Am besten klappt es bei Produktionen, die schon viel getourt sind, wie zum Beispiel „Ungeduld des Herzens“, bei der der Regisseur Simon McBurney auch noch genug Zeit und Lust hatte, die Übertitel nochmal zu prüfen und den Rhythmus zu setzen. Wichtig ist auch, dass die Personen, die die Vorstellung fahren, auch die Produktion und die Spielenden gut kennen, um auf aufführungsspezifische Besonderheiten zu reagieren. Wie entscheidet ihr, welches Stück ihr übertitelt? Ganz oft haben wir die Übertitel, weil wir damit auf Gastspiel waren und dann werden die bei den Vorstellungen in Deutschland einfach übernommen. Beim FIND-Festival haben wir internationale Produktionen zu Gast und da ist es klar, dass wir alles übertiteln, genau wie bei Koproduktionen mit anderen Ländern.
Das ist unterschiedlich. Bei einem Gastspiel oder Festival ist eigentlich genug Zeit da, vor allem auch, weil es mittlerweile proUnd gibt es ein Feedback auf Seiten des Publikums? fessionelle Betriebe gibt, die das übernehmen. Die Mitarbeitenden bekommen vorher Ja, immer ganz unterschiedlich, aber ich das Textbuch und Aufzeichnungen der habe das Gefühl, dass sich bei Übertiteln Vorstellungen. Das heißt, die sind dann die Geister scheiden. Ich glaube, wenn man meistens schon super vorbereitet und sowohl die gesprochene als auch die projireduzieren den Text im Vorhinein. Dann zierte Sprache kann, ist man generell krigeht das auch noch an die Dramaturgie, tischer. Bei einem deutschsprachigen Stück die alles überprüft und notfalls korrigiert mit englischen Übertiteln zum Beispiel, fällt oder weiter kürzt. Danach gibt es dann einem immer sehr deutlich auf, was fehlt. normalerweise einen Durchlauf mit den Aber alles zu übersetzen ist auch keine Schauspieler:innen, wo nochmal KorrektuLösung, weil man dann ja nur noch mit dem ren gemacht werden. Lesen der Übertitel beschäftigt ist.
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Vielleicht in einer politischen Dimension, aber im Theater geht es ja mehr um die Unterschiedlichkeiten, was die Bedeutung angeht. Spannend ist, dass ja Schreibende oft mit der eigenen Sprache spielen und zum Beispiel absichtlich grammatikalische Fehler einbauen. Zum Beispiel die Elemente von Kunstsprache bei Marius von Mayenburg sind im Englischen relativ schwer so zu übersetzen, dass sie als bewusste Kunstsprache rüberkommen und nicht einfach als Übersetzungsfehler. Bei der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche wiederum ist es oft so, dass Milieusprache und Dialekte im Deutschen viel flacher wirken und schnell ‚Schenkelklopfer‘-Potenzial bekommen. Begegnen dir solche kulturellen Differenzen öfter in deinem Arbeitsalltag? Ja, durchaus. Zum Beispiel letzte Woche, da waren wir in Großbritannien und hatten da ein Projekt mit drei jungen englischen und drei jungen deutschen Autor:innen und das war schon so, dass wir verschiedene Theaterverständnisse hatten. Der Versuch von uns Deutschen, den englischen Autor:innen zu erklären, was Postdramatik heißt, war sehr spannend. Hier wird ja zum Beispiel sehr viel Jelinek gespielt und die englischen Autor:innen haben uns beim Lesen eines Jelinek-Stücks gefragt, warum wir das auf der Bühne machen und wie. Das Theater dort kommt einfach viel mehr von den Autor:innen, hier hingegen eher aus der Regie. Das ist erstmal total interessant, dass es zwei so diverse Sichtweisen auf eine Thematik oder Ästhetik oder Art zu Schreiben gibt. Wo liegen deiner Meinung nach kritische Punkte in der ‚internationalen Theaterarbeit‘? Im Theater muss man, glaube ich, aufpassen, dass es eine Diversität in den Festivals gibt und nicht immer die gleichen Sachen ein-
geladen werden – bei Theater der Welt zum Beispiel ist das anders. Und auch beim FINDFestival versuchen wir Stücke einzuladen, die noch nie in Deutschland oder zumindest Berlin gezeigt wurden, von denen wir glauben, etwas lernen zu können. Allein über die verschiedenen Theatersysteme zu sprechen, ist ein sehr fruchtbarer Austausch, denn das, worüber man Theater macht und wie, hängt stark damit zusammen, wie die jeweilige Gesellschaft aussieht. Mich interessiert immer sehr, wenn Leute, die die Sprache nicht sprechen, ihren Eindruck schildern und sich die Schilderung mit der Idee der Inszenierung deckt. Dann habe ich das Gefühl, die Übertitel waren gut. Ich finde es wichtig, dass das Spezifische bleibt, nicht in einem globalen Raum verfliegt, sondern das Beobachtende beibehält und über die Stadt, den Ort und den eigenen Platz in der Welt reflektiert. Das ist eine Spezialität des Theaters: die Möglichkeit, sich in andere Personen und Strukturen hineinversetzen zu können.
Maja Zade, aufgewachsen in Schweden und Deutschland, arbeitete nach ihrem Studium an der London University und der Queen’s University in Kanada zunächst als Lektorin und seit 2000 als Dramaturgin und Autorin an der Schaubühne Berlin, wo ihre Stücke „status quo“ und „abgrund“ 2019 uraufgeführt wurden. Zade übersetzt zudem Stücke aus dem Deutschen, Englischen und Schwedischen für den deutschund englischsprachigen Raum.
Dorothea Lautenschläger ist Theater- und Kulturwissenschaftlerin und arbeitet seit 2016 als Koordinatorin und Assistentin in verschiedenen Projekten des Internationalen Theaterinstituts in Berlin. 2019 gründete sie gemeinsam mit Sabine Westermaier die rua. Kooperative für Text und Regie, welche die vernetzte Zusammenarbeit zwischen Regisseur:innen und Autor:innen fördert.
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aus einem bilateralen Modell kann man viel für den Kulturaustausch im allgemeinen Sinn lernen. Außerdem herrschte ein rüder Ton zwischen den Kulturen, als wir 2014 mit dem Kulturportal diablog.eu anfingen. Wir wollten eine alternative Art von Kommunikation und Dialog zwischen dem deutschund dem griechischsprachigen Raum aufzeigen, und als Übersetzer:innen sind wir dafür prädestiniert.“
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Dr. Michaela Prinzinger übersetzt griechische Literatur und dolmetscht. Sie gründete 2013 die zweisprachige Kulturplattform www.diablog.eu und 2017 den gemeinnützigen Verein Diablog Vision e. V., der seit 2018 in Berlin Kulturveranstaltungen durchführt.
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oweit die Ankündigung eines Theaterereignisses während der Wiener Festwochen 2016, das mir hier als Aufhänger für die folgende Diskussion dienen soll, in der ich der Frage nachgehen möchte, wie Translation (Übersetzen, Dolmetschen, in klassischen oder audiovisuellen Formaten, Lokalisierung u. a.) in unserem globalisierten und digitalisierten Dasein unsere Wahrnehmung, die Möglichkeiten unserer Wahrnehmung und zugleich ihren eigenen Charakter verändert. Ein portugiesischer Theaterregisseur inszeniert ein Stück auf Englisch, das sich inhaltlich um Shakespeares Sonett Nr. 30 rankt, führt es in Wien auf und bezieht zehn Menschen aus dem österreichischen Publikum ein, die das Sonett auf Deutsch auf der Bühne auswendig lernen. Das Ganze wird Deutsch-
Englisch gedolmetscht und bekommt deutschsprachige Ü bertitel, die von Dr. Anna Kasten in Berlin für das HAU Hebbel am Ufer erstellt wurden. Shakespeare: Sonett Nr. 30 When to the sessions of sweet silent thought I summon up remembrance of things past, I sigh the lack of many a thing I sought, And with old woes new wail my dear time’s waste: Then can I drown an eye, unus’d to flow, For precious friends hid in death’s dateless night, And weep afresh love’s long since cancell’d woe, And moan the expense of many a vanish’d sight: Then can I grieve at grievances foregone, And heavily from woe to woe tell o’er The sad account of fore-bemoaned moan, Which I new pay as if not paid before. But if the while I think on thee, dear friend, All losses are restor’d and sorrows end. Die in der Aufführung benutzte Übersetzung ist die hier folgende: Wenn ich zum stillen Rat in meiner Brust Entbiete die Erinn’rung alter Tage, Wein’ ich um manchen schmerzlichen Verlust Und füg’ zu altem Leid die neue Klage. Dann fließt mein Aug’, das selten Tränen trüben, Um Freunde, die des Todes Nacht verschlang, Es weint aufs neu um halb vergess’nes Lieben, Um mancher frohen Hoffnung Untergang.
1. Programm der Wiener Festwochen 2016. European Cultural News. https://www.european-cultural-news.com
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Die Wiener Festwochen bescherten dem Publikum im Schauspielhaus mit der Produktion „By heart“ des portugiesischen Theatermachers Tiago Rodrigues einen unvergesslichen Abend. Rodrigues, in seiner Heimat durch sein subversives und poetisches Theater gleichermaßen bekannt, schreibt seine Stücke selbst und greift dabei auch immer wieder auf persönlich Erlebtes zurück. In „By heart“ ist es die Geschichte seiner Großmutter Candida, die 1919 geboren, ihr ganzes Leben lang eine begnadete Köchin war. Das Studium blieb ihr verwehrt, aber die Liebe zu Büchern trug sie zeitlebens in sich. (European Cultural News.1)
40 Und so, beschwert von alter Zeit Beschwerde, Seh’ Leid um Leid im Buch ich aufgemalt, Verwehtes Weh beugt tief mein Haupt zur Erde, Ich zahle neu, als hätt’ ich nie gezahlt. Doch denk ich dein, fühl ich das Leid entschweben Und, Liebster, nichts verlor ich je im Leben.
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Übersetzung: Terese Robinson.2 Bereits eine flüchtige Durchsicht der möglichen deutschen Übersetzungen dieses Sonetts zeigt, dass hier aus der Fülle der Übersetzungen eine kluge Auswahl getroffen wurde. Die Übersetzerin, Terese Robinson, geb. Therese Langenbach, aus Deutschland, die 1939 nach Schweden emigrieren musste und 1945 in Malmö starb, übersetzte neben Shakespeares Sonetten, die immer wieder aufgelegt wurden, auch Baudelaires „Les fleurs du mal“.3
Unter translatorischem Aspekt haben wir es mit mehreren Schichten zu tun – wie bei anderen Inszenierungen im Theater auch: Da ist zunächst der Text des Dramas/des Texts/hier: des Gedichts, im Original und in seinen Übersetzungen als Grundlage für eine Inszenierung, da ist der Inszenierungsprozess, der immer häufiger ebenfalls ein mehrsprachiger ist4, und da ist die Aufführung an verschiedenen Orten, die sich wiederum verschiedener translatorischer Methoden bedient, von denen die häufigste wohl die der Übertitel ist.
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blicherweise wird beim Übersetzen an einen bilateralen Vorgang gedacht, an dem meist zwei Sprachen, vielleicht auch Kulturen, beteiligt sind. Und dieser Vorgang wird in der Regel zwischen den Kategorien des Eigenen und des Fremden angesiedelt. Das heißt, die Logik des Übersetzens wird damit auf etwas beschränkt, das Eigenes in die Sprache des Fremden bringt, ie Suche nach weiteren Aufführungen von oder Fremdes in die Sprache des Eigenen über„By Heart“ mit Tiago Rodrigues lässt einen trägt. Aber das ist im besten Fall die Oberfläschnell fündig werden – natürlich in Portugal, che. dann in Italien, in den Niederlanden, in Belgien, Kunst gehört wie Wissenschaft zu den in Australien, in Kanada... die Reihe ließe sich Produzent:innen von Wissen. Theater sind wie fortsetzen. Die Ankündigung der Aufführung Universitäten Institute der Erzeugung von greift auf George Steiner zurück und zitiert ihn: Wissen, von Interpretationen, von Sichtweisen „Once ten people know a poem by heart, there’s – und damit von Erkenntnis. Natürlich funktionothing the KGB, the CIA or the Gestapo can do niert die künstlerische Erkenntnis anders als about it. It will survive.“ (George Steiner) die wissenschaftliche Erkenntnis, aber das ist
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2. Shakespeare, William: Sonette und andere Dichtungen, München: Georg Müller 1927.
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3. ‚Übersetzer:innen im Exil‘, so viel nur nebenbei, ist eine Gruppe von Menschen, von denen sehr wenig bekannt ist – im Unterschied zu
rege
Wissenschaftler:innen, deren Exilschicksale recht gut aufgearbeitet sind, oder auch Künstler:innen (vgl. „Künste im Exil“, die Präsen-
Hilfe
tation der Deutschen Nationalbibliothek). Das soll sich ändern: Die Forschungsgruppe Translationsgeschichte an der Universität Wien
Bede
untersucht gemeinsam mit je einer Forschungsgruppe der Universität Mainz (Fachbereich Translations-, Sprach-, und Kulturwissen-
ist e
schaft, Prof. Dr. Andreas Kelletat) und der Universität Lausanne (Centre de Traduction Littéraire, Prof. Dr. Irene Weber-Henking) im
dung
Rahmen des Forschungsprojekts „Exil: Trans“ das Leben und Werk von Übersetzer:innen, die von der NS-Diktatur ins Exil gezwungen
auf d
wurden: https://pf.fwf.ac.at/project_pdfs/pdf_abstracts/i4135d.pdf
hen.
4. Vgl. Griesel, Yvonne: „Babel auf der Bühne. Translation zwischen Ästhetik und Pragmatik“, in: Natalie Bloch/Dieter Heimböckel/
vers
Elisabeth Tropper (Hg.), Vorstellung Europa – Performing Europe. Interdisziplinäre Perspektiven auf Europa im Theater der Gegenwart,
das K
Berlin: Theater der Zeit 2017, S. 184-199.
min/
einen t eteiegel des des änkt, ingt, berflä-
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hier nicht von Belang. Jan Assmann sieht drei kenntnis, dem neuen Wissen, der neuen InterPhasen der Wissensproduktion: Thematisierung pretation, Stabilität. Es ist damit in der Welt. – Textualisierung – Tradition.5 Die semiotische Funktionsweise aller Kommunikation besteht aus zwei grundlegenden Verfahren: etwas als Zeichen zu äußern und etwas als Zeichen zu interpretieren. Grundlage ie Phase der Thematisierung ist wohl unter- dafür ist die menschliche Fähigkeit zu interprehalb der Grenze der Versprachlichung anzusie- tieren. „Man kann nicht nicht interpretieren“, deln, sie ist intuitiv, ein Erspüren, Empfinden, sagt der Semiotiker Rudi Keller in Abwandlung Erlauschen, Reflektieren, die Notwendigkeit zu des Kommunikationsaxioms von Paul Watzlawick.6 verspüren, etwas zum Thema zu machen, indi- Die menschliche Interpretationsfähigkeit geht viduell oder bereits sozial. Das, was Assmann der Kommunikationsfähigkeit voraus, sie ist die Textualisierung nennt, gibt der Erkenntnis ihre Bedingung. Und eine Interpretation hat so eine semiotische Form – sprachlich, visuell, lange Bestand – unabhängig von ihrer Gestalt akustisch, multimedial. Und diese Semiotisie- – wie sie nicht in Konflikt gerät. Solange interrung des Wissens, also seine ‚Übersetzung‘ in pretierende Subjekte eine Möglichkeit finden, Zeichen, macht es stabil und kommunizierbar. für sich Kohärenz herzustellen, solange sie in Nur so wird es kommunizierbar. Ansonsten der Lage sind, die Äußerung als sinnvoll zu inbleibt es eingeschlossen in einem Hirn. Es terpretieren und in ihren Sinnzusammenhang kann die Form von Texten erhalten oder von einzubauen, solange bleiben sie bei ihrer Interanderen mehr oder weniger stabilen Artefakpretation. Richtig-Falsch sind hier keine gültiten. gen Maßstäbe. Kohärenz ist für Rezipient:innen Ich bleibe hier der Einfachheit halber ausreichend, wünschenswert, notwendig, jede beim sprachlich formulierten Text, der nun in Änderung der Interpretation verlangt nach der Regel mit den Mitteln einer Sprache formu- Aufwand, ist also erst einmal unökonomisch liert wird. Dieser Text gibt dem Neuen, der Erund wird vermieden.7
D
5. Vgl. Assmann, Jan: Ma’at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München: Beck 2006. 6. Keller, Rudi: Zeichentheorie: Zu einer Theorie semiotischen Wissens, Tübingen: A. Francke 1995. 7. „Man muss nämlich systematisch unterscheiden zwischen dem, was ein Wort bedeutet und dem, was ein Sprecher in einer bestimmten
Situation damit meint. (Die englische Sprache lädt in diesem Falle geradezu ein zu einer Kategorienverwechslung.) Ich will der Klarheit
halber das eine die Bedeutung eines Ausdrucks nennen und das andere den Sinn einer Äußerung. [...] Die Bedeutung kennen heißt zu
wissen, wie der Ausdruck in der Sprache verwendet wird, seine Gebrauchsregel kennen. Sie lässt sich beschreiben durch eine Formulie-
rung der Gebrauchsregel. Was jemand mit einer bestimmten Äußerung meint, lässt sich beschreiben durch eine Angabe dessen, was er
mit der Äußerung mitzuteilen beabsichtigt. Mit anderen Worten: Wir geben die Bedeutung eines Wortes an, indem wir eine Gebrauchs-
hied zu
regel formulieren und wir beschreiben den Sinn einer Äußerung, indem wir Intentionen explizieren. [...] Ich will den Unterschied mit
äsen-
Hilfe der (unter Linguisten beliebten) Schachanalogie verdeutlichen. Wer weiß, wie man mit dem Springer ziehen darf, kennt die
t Wien
Bedeutung dieser Figur. Wer die Intentionen eines bestimmten Zuges durchschaut hat, kennt den Sinn dieses Zuges. Im Schachspiel
ssen-
ist es wie im Sprachspiel: Die Kenntnis der Bedeutung eines Ausdrucks ist eine notwendige Bedingung dafür, den Sinn einer Verwen-
im
dung dieses Ausdrucks verstehen zu können, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung. Der Prozess des Schließens von der Bedeutung
auf den kontextspezifischen bzw. situationsspezifischen Sinn nennt man »interpretieren«, das Ziel des Interpretierens ist das Verste-
hen. Was der Hörer zu verstehen versucht, ist (dieser Terminologie gemäß) nicht die Bedeutung – diese muss er kennen. Der Hörer
versucht vielmehr den Sinn der Äußerung zu verstehen auf der Basis der Kenntnis der Bedeutung.“ Keller, Rudi: Bewerten. Vortrag für
das Kolloquium „Values and Evaluating“ an der University of California at Davis im Oktober 2002. http://www.germanistik.hhu.de/filead-
ungen
enwart,
min/redaktion/Fakultaeten/Philosophische_Fakultaet/Germanistik/Germanistische_Sprachwissenschaft/Dateien/Keller/Bewerten.pdf
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es nist ier: berrung, er 4 , und rten, oriufigs-
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42
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Auf diesem Weg wird üblicherweise lokales Wissen erzeugt, denn es ist zunächst einsprachig und kulturell verankert. Soll es über die Grenzen des Sprachraums hinaus rezipierbar werden, verlangt es nach Translation. Im Sinne der Assmann‘schen Triade von Thematisierung, Textualisierung und Tradition gelangen wir damit an die Grenze zwischen der Herstellung und der Fixierung von Erkenntnis durch Textualisierung und ihrer Verbreitung, oder anders ausgedrückt: zur Frage nach der Reichweite der Erkenntnis des (neuen) Wissens. Die Erkenntnis ist zunächst lokal. Wie wird sie mehrsprachig und transkulturell?
nehmen sein, die von der Übertitelung und der Dolmetschung zu leisten sind. Sie schaffen die Bedingungen für die Interpretation und damit für die Rezeption und bleiben dabei komplementär zum visuellen, akustischen etc. Part der Inszenierung. Das Ziel ist die Rezeption im Sinne „Dieser neue, der Intention der e rweiterte WissensInszenierung. raum ist dank der Wenn das Übersetzer:innen gelingt, realientstanden.“ siert sich die dritte Phase der Assman‘schen Wissensproduktion – die Tradierung/Tradition. Die (neue) Erkenntnis, das Wissen setzt sich durch, etabliert sich und kann sich verbreiten. Die Translation macht aus it der Auswahl eines Shakespeare-Sonetts diesem Prozess nun eine weltweite Option. Dank ist bereits ein transkultureller Kern der Inszeder translatorischen Erweiterung ist dieses nierung gelegt. Shakespeare liegt weltweit in Wissen nicht mehr lokal – einzelsprachlich und Übersetzungen vor, sein berühmtes Sonett 66 räumlich begrenzt, sondern wird mehrsprachig kommt allein auf 150 deutsche Übersetzungen. und transkulturell. Auf diese Weise kann es Das vereinfacht nur scheinbar die Lage, denn nunmehr als Referenzpunkt dienen. Es entsteht damit wird die Auswahl zum entscheidenden also ein Referenzraum, der mehrsprachig ist Problem. Welche Übersetzung ins Französische, Portugiesische, Italienische oder was auch und insofern auch wiederum Anknüpfungsimmer passt am besten zu der Aufführung, der punkte für Folgeprozesse bietet. Wir können uns also nun einen KomInszenierung im jeweiligen Land? Das ist eine Frage, die sich Regisseur Rodrigues wohl selbst munikationsraum in mehreren Sprachen vorstellen, der sich auch noch erweitern kann, in stellt und sich an der Auswahl – aus gutem dem Wissensbestände zirkulieren können, zu Grund – beteiligt. Shakespeare ist aber hier denen jeder Mensch Zugang hat, der eine dieja nur das Mittel zum Zweck. Die eigentliche Botschaft liegt ja woanders. Um diese Botschaft, ser Sprachen beherrscht... In diesem Wissensraum können Menschen über dasselbe Wissen diese Idee, diese Erkenntnis transkulturell kommunizieren, sich darauf berufen, darüber wirksam werden zu lassen, also den zweiten sprechen und sich austauschen, um es wiederTeil des semiotischen Vorgangs zu realisieum weiterzugeben. ren – nämlich die gewünschte Interpretation Dieser neue, erweiterte Wissensraum ist beim Rezipierenden zu erzielen – bedarf es der dank der Übersetzer:innen entstanden. Diese Translation, die nun also den Text (Artefakt), der ja im Ausgangskontext vielfach eingebettet Vorstellung von einem Wissensraum, innerhalb und verknüpft ist, im neuen Sprachraum, wo er dessen Semiose (Sinnstiftung) stattfinden kann, lässt sich meines Erachtens gut mit Lotmans seine neue Wirkung entfalten soll, erneut verknüpft: mit der jeweiligen bereits vorhandenen Begriff einer Semiosphäre fassen, also ein Übersetzung des Basistexts (hier: Shakespeare) Diskurs- und Symbolraum. Diese Semiosphäre nennt Lotman auch Kultur. und mit den Rezeptionsvoraussetzungen des Dabei umschließt die Semiosphäre verPublikums – den Wissensvoraussetzungen. Es schiedene Sprachen (i. S. semiotischer Sprawerden also vielfältige Verknüpfungen vorzu-
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8. Vgl.
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chen), die – ähnlich den hundert Augen des Argus – in der umgebenden Realität verschiedene Dinge erkennen).8 Damit schieben sich in semiotischer Perspektive die Grenzen des Kommunikationsraumes vor, soweit die Semiose reicht, d. h. soweit es Menschen gibt, die die Texte in den verschiedenen Sprachen interpretieren, also in ihre semiotische Kodierung einbauen, ihnen einen Sinn geben können, ihn so verstehen, dass er ihnen etwas sagt. Dieser Prozess ist prinzipiell unabgeschlossen. Umberto Eco nennt ihn eine „opera aperta“. Indem also bei jeder Aufführung dieser Inszenierung zehn Menschen gemeinsam mit Rodrigues über seine literaturbegeisterte Großmutter nachdenken und das Sonett 33 auswendig lernen, weitere Menschen im Publikum diesen Prozess verfolgen, das Gedicht mit nach Hause nehmen (sie bekommen es ja quasi als Austrittskarte), folgen sie der Idee, dass etwas, das sie in ihren Kopf aufnehmen, nicht gefährdet ist, solange... sie es nicht vergessen.
Prof. Dr. Larisa Schippel arbeitete als Universitätsprofessorin (i.R.) für Transkulturelle Kommunikation an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Translationswissenschaft, vor allem in der Translations- und Kulturgeschichte. Neben zahlreichen internationalen Publikationen war sie Mitherausgeberin der Publikationsreihen „TRANSÜD“ (bis 2012), ist Mitherausgeberin von „Forum: Rumänien“ und der Reihen „translationen“ und „Blickpunkt Rumänien“. Darüber hinaus ist sie Mitherausgeberin der Zeitschrift „Chronotopos - A Journal of Translation History“.
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8. Vgl. Lotman, Jurij M.: Die Innenwelt des Denkens: eine semiotische Theorie der Kultur, Berlin: Suhrkamp 2010.
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Die Grundvoraussetzung und die größte Herausforderung ist: Vertrauen herzustellen.
„WAS MACHT DOLMETSCHEN IM THEATER AUS?“
Alle offenen Fragen sollten im Vorfeld geklärt werden, auch wenn das
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manchmal bedeutet, Organisator:innen auf die Nerven zu gehen. Ansonsten erfordert die Arbeit eine Mischung aus theater-übersetzerischem Können und Dolmetschkompetenzen: sprachlich geschliffene Übersetzungen der Vorlage, gepaart mit soziokultureller Kontextualisierung, Flexibilität, Präzision und schnellem Reaktionsvermögen. Und natürlich immer wichtig: gut zuhören können.
Irina Bondas, aufgewachsen in Kiew, arbeitet als Autorin, Dipl. Dolmetscherin und Übersetzerin für internationale Theater- und Filmfestivals. Sie veröffentlichte ein Buch zum Simultandolmetschen im Theater. Ihr erstes Minidrama wurde in Bochum uraufgeführt.
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ES IST WIE BEIM BOWLING…
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Dagmar Walser im Gespräch mit Toshiki Okada und Makiko Yamaguchi Seit fünf Jahren arbeiten der Autor und Regisseur ze für Toshiki ins Japanische und für die Toshiki Okada und die Dolmetscherin und DramaturSchauspieler:innen ins Deutsche. Da geht es gin Makiko Yamaguchi regelmäßig zusammen an den um Dolmetschen, oft aber auch um VermittMünchner Kammerspielen. Nach der Premiere von „The lung, bzw. eben dramaturgisches Mitdenken. Vacuum Cleaner“ im Dezember 2019 hat Dagmar Walser die beiden getroffen, um über diese Zusammenarbeit und Toshiki Okada, du sprichst kein Deutsch. Was die Rolle der Übersetzung bei den Proben zu sprechen. bedeutet das für dich, wenn du an einem deutschen Stadttheater inszenierst? Makiko Yamaguchi, wie hat eure Zusammenarbeit überhaupt angefangen? TOSHIKI OK ADA: Da ich nicht nur der Regisseur, sondern auch MAKIKO YAMAGUCHI: der Autor der Stücke bin, kenne ich den Text Matthias Lilienthal hat uns für München sehr gut, auch wenn ich nicht jedes Wort zusammengebracht. Wir kennen ihn beide verstehe, das bei der Probe gesprochen wird. schon lange. Ich habe mit ihm zusammen Makiko ist neben mir und flüstert mir stän2009 fürs HAU Hebbel am Ufer in Berlin das dig zu, was auf der Bühne gesagt wird. Aber Festival Tokio Shibuya: The New Generation ehrlich gesagt höre ich oft gar nicht genau kuratiert. hin, sondern schaue auf die Spielhaltung Damals habe ich für die Japan Foundaund die Bewegungen der Schauspieler:innen. tion in Köln gearbeitet. Ich hatte Matthias Mich interessiert vor allem, ob diese stimmt, aber schon bei seinen Japan-Recherchen bzw. wie sie sich verändert. Das funktioniert davor unterstützt, als ich noch beim Goetheoft sogar ohne die konkrete Sprachebene. Institut in Tokio war. Matthias hat dann auch 2014 für Theater der Welt in Mannheim eine Viele internationale Regisseur:innen behelfen sich neue Arbeit von chelfitsch und Toshiki in mit Englisch als einer Drittsprache. Du nicht. Auftrag gegeben („Super Premium Soft Double Warum nicht? Vanilla Rich“). Und als er ein Jahr später die Münchner Kammerspiele übernahm, wollte TOSHIKI OK ADA: er, dass Toshiki mit dem Münchner EnsemMakiko und ich sind über die Jahre ein gut ble zusammenarbeitet und er hat mich eingespieltes Team geworden. Das hat sich gefragt, ob ich mitmachen würde. bewährt. Aber auch wenn mein Englisch besser wäre, bin ich nicht sicher, ob ich mir Was genau ist deine Rolle? zutrauen würde, ausschließlich auf Englisch zu proben. Natürlich gibt es Momente, in MAKIKO YAMAGUCHI: denen wir Englisch sprechen. Wenn etwa Im Programmheft steht, dass ich Dolein:e Schauspieler:in auf mich zukommt und metscherin und Dramaturgin bin. In der mich ganz bewusst auf Englisch anspricht, Praxis gehen diese Aufgaben oft nahtlos dann geht es meistens um einen direkten ineinander über. Ich bin bei den Proben Kontakt und nicht darum, detailliert eine und allen Besprechungen dabei, übersetFrage oder Antwort zu verstehen. Und dann
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antworte ich auch auf Englisch. Oder manchmal spreche ich von mir aus ganz bewusst auf Englisch, wenn es um meine Methode geht und es mir richtig scheint, etwas ganz einfach auszudrücken. Auf die Länge aber wäre es zu frustrierend für mich: Der Unterschied zwischen dem, was ich sagen will und dem, was ich auf Englisch sagen kann, wäre zu groß.
MAKIKO YAMAGUCHI: Das Japanische und das Deutsche sind auf ganz vielen Ebenen sehr unterschiedlich. Manchmal hat z. B. ein japanischer Satz gar kein Subjekt, manchmal gleich mehrere. Und dementsprechend denkt es sich auch anders im Japanischen als im Deutschen. Etwas, was ich längst verinnerlicht habe, aber für alle anderen natürlich immer wieder auch gewöhnungsbedürftig ist. Wie übersetzt du? Wortwörtlich?
MAKIKO YAMAGUCHI: Nein, das wäre gar nicht möglich und würde meistens auch gar nicht viel Sinn machen. Mir geht es darum, die Kernaussage oder das Kernanliegen von Toshiki oder den Schauspieler:innen zu verstehen und zu übersetzen. Manchmal lasse ich deshalb Floskeln oder redundante Aussagen einfach weg, weil sie ablenken könnten. Toshiki spricht, wie er schreibt: oft mit vielen Nebensätzen und die Schlussfolgerung kommt – wie oft im Japanischen – ganz am Schluss. Da muss ich jedes Mal entscheiden, wie ich das am besten vermitteln, also übersetzen, kann. Heißt das, das hängt immer von der jeweiligen Situation ab?
MAKIKO YAMAGUCHI: Ja klar, der jeweilige Kontext ist entscheidend. Klassisch heißt dolmetschen, genau das zu übersetzen, was gesagt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ich habe
gerade auch hier in München wieder erfahren, dass, wenn der gemeinsame Kontext (Theaterausbildungen, Ästhetik, Infrastruktur, Theaterverständnis) nicht gegeben ist, auch oft mehr übersetzt werden muss. Also nachzufragen, zu paraphrasieren, eigene Ergänzungen zu machen, damit die Situation richtig verstanden werden kann. Das klingt nach einem ständigen Entscheiden und Unterscheiden, was gerade wichtig und richtig ist?
MAKIKO YAMAGUCHI: Genau, denn es geht dabei ja nicht um meine Meinung. Mein Lehrer bei der Dolmetscherausbildung hatte 23 Jahre lang in Europa gearbeitet und auf Japanisch, Deutsch und Englisch übersetzt. An eine seiner – oft eigenwilligen – Thesen habe ich mich besonders oft erinnert: Er sagt, dass Dolmetscher:innen auch gute Performer:innen sein müssen. Es geht nicht nur darum, korrekt zu übersetzen, sondern auch das Nonverbale zu berücksichtigen und dass der:die Dolmetscher:in quasi ein Teil des Sprechenden wird, um dessen Glaubwürdigkeit zu untermauern. Wenn Toshiki etwa bei der Probe auf die Bühne geht, um etwas zu erklären, gehe ich mit. Und wenn er einem:einer Schauspieler:in eine Bewegung zeigt, dann mache ich diese auch. Das hat mir viel Spaß gemacht! Toshiki, du verstehst nicht, was Makiko genau übersetzt. Ist das nicht auch ein Stress für dich?
TOSHIKI OK ADA: Im Gegenteil. Es gibt mir Zeit. Durch unsere langjährige gemeinsame Erfahrung ist es für mich auch nicht so wichtig, wie gut oder richtig sie übersetzt. Für mich ist wichtig zu beobachten, ob das, was ich sage und Makiko übersetzt, bei den Schauspieler:innen ankommt und etwas verändert bzw. verbessert. Es ist wie beim Bowling... Ich werfe die Kugel und dann muss ich warten, was sie bewirkt. Oder ob sie trifft.
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48 Ist die Verständigung zwischen euch allen einfacher geworden mit den Jahren?
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TOSHIKI OK ADA: Das könnte man denken, aber ich bin nicht sicher, ob es wirklich so ist. Wichtig ist, dass nicht nur wir beide ein eingespieltes Team geworden sind, sondern auch der Bühnenbildner Dominic Huber, der „Es geht darum, ein Dramaturg Tarun Kade Teil des Sprechenden und die zu werden.“ Kostümbildnerin Tutia Schaad, die bei allen Projekten dabei waren. Andreas Regelsberger hat alle Stücke während der Probenzeit übersetzt. Und wichtig war auch, dass der Schauspieler Thomas Hauser bei allen vier Stücken gespielt hat. In diesem Team ist das Verständnis füreinander stetig gestiegen. Aber auch meine Ästhetik hat sich in diesen Jahren verändert und so gab es immer wieder neue Herausforderungen.
das sind Begriffe, die es teilweise aus dem Englischen importiert so auch im Japanischen gibt und die im deutschsprachigen Theaterkontext ganz bestimmte Bedeutungen haben, aber für Toshikis Theaterverständnis je nach Situation eine ganz andere. Da gilt es aufzupassen, weil sie eine super Gelegenheit für Missverständnisse sind. A ndererseits frage ich mich ab und zu auch, ob Missverständnisse unbedingt zu vermeiden sind, oder ob sie nicht einfach zu einem Prozess dazu gehören – und sogar wichtig sind.
Wenn wir von internationalen oder interkulturellen Arbeiten sprechen, hat man es oft ja auch mit stereotypen Vorstellungen zu tun: Wie funktioniert das deutsche Stadttheater? Wie ticken die Japaner? Als Zuschauerin ging es mir so, dass ich bei eurer ersten Inszenierung in München – „Hotpepper, Air Conditioner and The Farewell Speech“ – noch ziemlich oft dachte: Da clashen nun tatsächlich zwei unterschiedliche Ästhetiken aufeinander. Bei „No Sex“ und „The Vacuum Cleaner“ – obwohl sie vordergründig auch japanische Phänomene in den Blick nehmen – schien mir das viel organischer und das Zusammenspiel reifer geworden. MAKIKO YAMAGUCHI: Ihr habt gesagt, wie wichtig das war, dass ihr als Bei der ersten Produktion war es mir vor alTeam kontinuierlich zusammengearbeitet habt. Die lem wichtig, dass Toshiki, weil er als einziger Inszenierung „Noˉ -Theaters“ wurde ja auch in Kyoto bei einem Festival gezeigt. War das wichtig, dass kein Deutsch kann und ‚fremd‘ ist, sprachlich nicht isoliert wird. Diese Gefahr ist klei- die deutschen Künstler:innen durch dieses Gastspiel ner geworden, weil die anderen seine Arbeit mehr über Japan bzw. das japanische Theater und Publikum erfahren konnten? heute besser verstehen, auch wenn sie sich natürlich immer weiterentwickelt. Aber er ist weniger ‚exotisch‘ und dazu kommt, dass TOSHIKI OKADA: wir beide das deutsche Stadttheatersystem Ich glaube nicht, dass man auf einer so und seine Strukturen immer besser kennenkurzen Gastspielreise viel über Japan lernt. Interessant für mich war viel eher, dass das und verstehen gelernt haben. japanische Publikum eine neue Erfahrung War das auch in Sachen Übersetzung eine Herausgemacht hat. Eine Arbeit von mir über Japan, forderung? eine kritische Analyse des Noˉ -Theaters, von heute aus gesehen, aber von deutschen und MAKIKO YAMAGUCHI: nicht japanischen Schauspieler:innen Es gibt Begriffe, die werden im deutschspragespielt, mit japanischen Übertiteln. Das war chigen Theater anders verstanden, als eine neue Erfahrung fürs japanische PubliToshiki sie vielleicht meint. Emotion, Mitleid, kum, das diese Kritik an Japan ja zuerst für Empathie, Psychologie, Performance z. B., sich übersetzen musste.
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Hat sich deine Arbeit durch deine Erfahrungen in München in den letzten Jahren verändert?
TOSHIKI OK ADA: Meine Arbeitsweise hat sich verändert. Sie ist kollektiver geworden. Denn als Regisseur bin ich in München, auch wenn ich mein eigenes Stück inszeniere, in einer schwachen Position: weil ich die deutsche Sprache nicht verstehe, auf Makiko angewiesen bin, der Kontext für mich neu war. Das hat zu einer Zusammenarbeit geführt, in der ich von vielen abhängig bin. Das war neu für mich, und das hat auch meine Zusammenarbeit mit meiner Gruppe chelfitsch verändert. Inwiefern?
TOSHIKI OK ADA: Hier in Deutschland sitzt man ja sehr oft in der Probe zusammen und redet und reflektiert über alles Mögliche, das Stück, die Gefühle der Schauspieler:innen, den Kontext... Das habe ich nun auch bei den Proben mit chelfitsch eingeführt, dass wir uns rund um den Tisch zusammensetzen und reden. Also nicht nur ich als Autor und Regisseur sage, wo’s lang geht, sondern alle reden mit und tauschen sich aus. Makiko, bei „Pratthana – A Portrait of Possession“ warst du in der Rolle der Veranstalterin dabei. Die Produktion wurde hauptsächlich vom Asia Center unterstützt, einer Abteilung der Japan Foundation, für die du arbeitest und die den Austausch und die Vernetzung von japanischen Künstler:innen und Künstler:innen aus dem südostasiatischen Raum fördert. Welche Rolle spielte da die Übersetzung?
MAKIKO YAMAGUCHI: Es war in jeder Hinsicht eine aufregende Arbeit. Für den ganzen Prozess, inklusive Recherchen in beiden Ländern, waren insgesamt sieben Übersetzer:innen und Dolmetscher:innen engagiert. Diesen Übersetzungsprozess haben wir sehr ernst genommen. Von den ersten Gesprächen bis
zur Premiere in Bangkok vergingen mehr als zweieinhalb Jahre. Das ganze Team hatte sich viel Zeit genommen die jeweiligen Kontexte, Kulturen, Geschichten und Hintergründe kennenzulernen. Für eine japanische Ko-Produktion war das eine ganz neue Art der Zusammenarbeit, dass so viel Wert auf einen Austausch auf Augenhöhe gelegt wurde. Das deutschsprachige Theater ist in den letzten Jahren internationaler und auch vielsprachiger geworden. Ihr seid beide seit vielen Jahren international unterwegs. Hat sich euer Blick auf die Rolle der Übersetzung durch die Erfahrungen der letzten Jahre verändert?
TOSHIKI OK ADA: Theater ist immer Übersetzung. Nur im internationalen Theater fällt es halt besonders auf. Weil es da immer Übertitel gibt und oft die Sprache, die auf der Bühne gesprochen wird, nicht dieselbe ist wie im Publikum. Ich finde es tatsächlich interessant, darauf zu schauen, wo solche Konstellationen auch neue künstlerische Möglichkeiten ergeben. Mir fällt dazu ein: Eine Schauspielerin oder ein Schauspieler in München, ich erinnere mich nicht mehr genau wer, hat während der Proben einmal gesagt, dass sie diesen Zeitraum, in dem sie warten muss, bis Makiko übersetzt hat, auch als „Theater ist immer Reflexionsort genießt. Dass Übersetzung. Nur man nicht im internationalen sofort reagieTheater fällt es halt ren kann und besonders auf.“ muss... Und dieser Zwischenraum, diese Zeitverschiebung ist auch für mich als Künstler wichtig und kost bar. Selbst wenn ich in einem rein japanischen Kontext inszeniere.
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MAKIKO YAMAGUCHI: Wichtig ist, dass die Konstellation stimmt und dass genügend Zeit da ist, eine gemeinsame Sprache für die jeweilige Produktion zu finden. Denn der Teufel liegt ja meistens im Detail und die größten Missverständnisse sind am Ende vielleicht keine interkulturellen, sondern die Verständigung zwischen einzelnen Individuen. Was mir diese Arbeiten wieder sehr klar gemacht haben, ist, wie wichtig für ein gutes Gelingen dabei alle jene sind, die am Schluss gar nicht sichtbar sind, also Dolmetscher:innen, Übersetzer:innen, etc., die sich für eine gute Kommunikation einsetzen. Diese Kompetenzen und ein kreativer Umgang damit scheinen mir, auch wenn es sehr aufwändig ist, gerade in unserer globalisierten, Englisch sprechenden Welt wichtig und förderwürdig.
d Toshiki Okada gilt als der wichtigste Regisseur des
Dagmar Walser ist Theaterkritikerin und Redakteu-
jungen japanischen Theaters. 1997 gründete er in Tokio die Theatergruppe chelfitsch, deren Produktionen er schreibt und inszeniert. Die mehrfach ausgezeichneten Arbeiten von chelfitsch sind für ihre Bewegungschoreografien und die Verwendung japanischer Umgangssprache bekannt und regelmäßig in Europa zu sehen. Mit seiner Inszenierung „The Vacuum Cleaner“ wurde er zum Theatertreffen 2020 eingeladen.
rin beim Schweizer Radio SRF 2 Kultur und Mitglied der Programmgruppe des Zürcher Theater Spektakels. Gemeinsam mit Barbara Engelhardt gab sie die Anthologie „Eigenart Schweiz. Theater in der Deutschschweiz seit den 90er Jahren“ im Verlag Theater der Zeit heraus.
Makiko Yamaguchi arbeitete am Goethe-Institut in Tokio und beim Japanischen Kulturinstitut in Köln. Für die Kulturstiftung der Stadt Tokio baute sie ein internationales Netzwerk im Kunst- und Kulturbereich auf, seit 2015 ist sie beim Asia Center der Japan Foundation in Tokio für die Intensivierung der künstlerischen Zusammenarbeit im Bereich Contemporary Performing Arts innerhalb Asiens verantwortlich. Für die Münchner Kammerspiele vermittelt sie als Dramaturgin und Dolmetscherin zwischen Toshiki Okada und dem Ensemble.
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„WAS IST DAS BESONDERE AM THEATERÜBERSETZEN FÜR DICH?“ „In der Theaterübersetzung verbanden sich die verschiedenen Stränge meines Lebens: Meine internationale Erfahrung, die Sprachen und die Schauspielausbildung, die ich damals gerade absolvierte. 2012 beschloss ich, die Theaterübersetzung zu meinem Beruf zu machen. Gleichzeitig wollte ich etwas Eigenes schaffen und internationale Theaterstücke aus den Schubladen der Verlage auf eine Lesebühne holen. So entstand 2013 AMBIGÚ, eine Reihe szenischer Lesungen mit einem interaktiven Ansatz. Auch hier ging es letztlich darum, den Klang der Worte aus dem Papier zu lösen und im Raum erlebbar zu machen. Das Wichtigste beim Theaterübersetzen ist für mich den Text zu hören, als gesprochenes Wort zu behandeln, ohne ihn mundgerecht zu machen. Wenn ich das Gefühl habe, die Stimme des Autors bzw. der Autorin im Deutschen zu hören, ist es gut.“
Franziska Muche arbeitete erst in Brüssel bei der Academic Cooperation Association (ACA) und wechselte dann zum Dramenübersetzen. Übersetzt namhafte spanische Autor:innen und übertitelt auf internationalen Festivals. Sie gründete AMBIGÚ, eine Reihe, die zeitgenössische Theaterstücke präsentiert.
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RESPEKT UND DIE EINMALIG HINBEKOMMENE NORMALITÄT Du bist Westberliner und hast bereits 1983 für die taz über die Ostberliner Theater geschrieben. Als einer der wenigen hast du die Stadt als Ganzes genutzt. War das der Grundstein deiner interkulturellen Arbeit?
MAT THIAS LILIENTHAL: Ich fand das Theater im Osten einfach viel spannender, das war eine total unbekannte, neue Welt, die wollte ich einfach kennenlernen. Aber klar, die DDR und die BRD waren zwei verschiedene Staaten. Insofern war der Kulturtransfer dazwischen noch komplizierter und beruhte auf dem Missverständnis, dass alle aus der gleichen Kultur kommen. Es gab Ostberliner Dialekt und Westberliner Dialekt und trotzdem funktionierten die wie zwei fremde Sprachen. War das schwer für dich? Total! Als ich im November 1991 an der Volksbühne angefangen habe, war ich unter 285 Leuten an der Volksbühne der einzige Westler. Zumindest fühlte es sich so an. Wenn ein Theater international arbeitet, liegen dem meist Herkunft und Sprachen der Intendant:innen zugrunde. An den Kammerspielen war das nicht so. Es waren zwei verschiedene Ansätze. Einerseits haben etwa 43 Prozent der Münchner:innen einen Migrationshintergrund und das Ensemble eines Stadttheaters sollte ein Spiegel der städtischen Gesellschaft sein. Städte wie Frankfurt, München, Hamburg oder Wien können ganz
stark migrantisch sein, trotzdem ist das Ensemble einer Bühne meist deutschstämmig. Noch schlimmer: man könnte fast den Eindruck haben, dass auf den Schauspielschulen alle blond und blauäugig sind. Aber die Mehrheit der Deutschen ist ja nicht blond und blauäugig. Deshalb haben wir uns selbst unter Druck gesetzt und wollten, dass im Ensemble 40 Prozent aller Mitarbeitenden keinen „bio-deutschen“ Hintergrund haben. Und der zweite Aspekt? Durch meine Arbeit am HAU Hebbel am Ufer und bei den internationalen Festivals hatte sich ein Stamm von Regisseur:innen herausgebildet: Toshiki Okada, Rabih Mroué, Amir Reza Koohestani oder Yael Ronen. Wir haben uns gefragt, wie man sie im Stadttheater, im Ensemble und in den Repertoirebetrieb integrieren kann. Außerdem haben wir 30 Prozent unserer Ressourcen dafür verwendet, freie Arbeiten koproduzieren zu können. Die Münchner Kammerspiele sind finanziell gut ausgestattet. Wenn man da mit Toshiki Okada arbeitet, sollte man es sich leisten, auch Makiko Yamaguchi zu verpflichten, die einerseits aus dem Japanischen dolmetscht, aber auch dramaturgisch arbeitet. Nur so kann die Exaktheit im sprachlichen und kulturellen Transfer gewährleistet werden, die man für die Arbeit braucht und dann auch haben möchte. Ist das Publikum auch migrantischer geworden? Hat sich da durch euren Ansatz etwas verändert?
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Yvonne Griesel im Gespräch mit Matthias Lilienthal
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54 Nicht flächendeckend, aber an Abenden das auf einer bestimmten Ebene versucht in wie Anta Helena Reckes „Mittelreich“ waren Frage zu stellen. plötzlich deutlich mehr People of Color im Publikum da. Wenn unter 400 Menschen 90 Die Kammerspiele haben ja die Gemüter in den Schwarze Menschen sind, denkt man zuletzten Jahren stark erhitzt. Hat die internationale nächst: Das Bild hat einen Fehler. Es hat aber Ausrichtung ihren Anteil daran? keinen. Der Fehler ist, wenn keine Schwarzen Menschen im Publikum sind. Und wenn Das spielte auch eine Rolle. Beim Ärger plötzlich 40 Prozent Menschen mit Migratiüber englischsprachige Übertitel stellt sich onshintergrund oder 25 Prozent PoC da sind, natürlich schon die Frage: Worüber ärgert dann ist das die einmalig hinbekommene sich das Publikum? Sie müssen ja nicht Normalität. Bei „Hellas München“ hatten hinsehen. Es gab auch Ärger darüber, dass wir richtig viel griechisches Publikum. Das z.B. in „Dionysos Stadt“ Arabisch gesprolag auch daran, dass ein Darsteller, der am chen wird. Es sei ein deutsches Theater und Münchner Flughafen arbeitet, sehr aktiv auf da solle Deutsch gesprochen werden. Wenn Social Media ist und über diesen Weg richtig Arabisch auf der Bühne gesprochen wird, viele Leute ins Theater gelotst hat. ist der Ärger noch größer, als wenn Englisch gesprochen wird. Wenn Damian Rebgetz mit Man kann Theater also divers gestalten, sowohl in englischsprachigem Akzent redet, wird das sozialer als auch in internationaler Hinsicht. eher als charmant verbucht. Grundsätzlich schon. Wenn sehr viel mit Jugendlichen und Geflüchteten gearbeitet wird – wie etwa bei „#love“ – dann ist auch das Publikum stark migrantisch und auch Geflüchtete kommen ins Theater. Dass ein Publikum im alltäglichen Betrieb migrantisch durchsetzt ist, so wie es am HAU Hebbel am Ufer in Berlin war, an diesen Punkt sind wir mit den Kammerspielen noch nicht wirklich gekommen. Seht ihr das als politischen Auftrag in unserer heutigen Zeit? Wir haben das schon gemacht, bevor die AfD sich so eindeutig positioniert hat, aber natürlich macht mir das jetzt Spaß, noch mehr darauf rumzureiten als vorher. Das Stadttheater wurde um 1800 in Weimar und Mannheim gegründet und hat eigentlich die deutsche Nation um 70 Jahre vorweggenommen. Dadurch sind die National- und Stadttheater auch der deutschen Sprache so verpflichtet. Damals war das ein revolutionärer Akt, aber die Stadttheater fühlen sich dem bis heute verpflichtet. Wir haben
Warum hat sich das Publikum über die Titel aufgeregt? Wegen der Ablenkung. Außerdem hieß es, dass es sowieso kein Publikum gäbe, das kein Deutsch versteht. Aber wir haben Gegenbeweise. Bei zwei, drei Vorstellungen sind die Übertitel aus technischen Gründen ausgefallen. Danach hatten wir 15 bis 30 Beschwerden. Geht man davon aus, dass die Vorstellungen mit 300 Leuten besucht waren, sind das immerhin fast zehn Prozent des Publikums. Habt ihr je bereut, dass ihr die englischen Übertitel eingeführt habt? Nein, es wird ja auch nicht nur an den Kammerspielen gemacht. Im Festivalbetrieb ist es normal. Vor etwa zehn Jahren hat es angefangen, dass englische Übertitel an deutschen Theatern gezeigt werden. Ich finde das total gut. Was ich eher bereue ist, dass wir das nicht auch in der Kammer 2 und 3 konsequent durchhalten konnten. Aber das hatte finanzielle Gründe. Die Übertitel in der
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Kammer 1 kosten etwa 100.000 Euro pro Jahr. Konzeptionell hätte ich es richtig gefunden, es auf allen drei Bühnen anzubieten. An den Kammerspielen wird auf Arabisch, Japanisch, Englisch und noch anderen Sprachen gearbeitet. Ich hatte immer das Gefühl, die Sprachund Kulturbarrieren werden im Probenprozess en passant miterledigt. Stimmt das? Nicht ganz. Ich habe immer darauf gedrungen, in mehrsprachigen Produktionen oder wenn syrische Schauspieler:innen beteiligt waren, ein:e Dolmetscher:in für die Proben zu engagieren. Wenn in den letzten 14 Tagen vor der Premiere die Nerven blank liegen, kommt es auf eine exakte Übersetzung an. Wir hatten vor ein paar Wochen z. B. eine Probensituation, in der mein Englisch und das des Dramaturgen nicht exakt genug waren, um das zu beschreiben, was wir sagen wollten. Da kommt es auf minimale Signifikanzen an. Man braucht dann einfach ein:e Dolmetscher:in. Auch deshalb haben wir in diesen Sektor viel Geld investiert.
können, sollen auch alles verstehen. So wie ich die Menschen respektiere, die kein Deutsch können und ihnen die englischen Übertitel zur Verfügung stelle, so möchte ich das auch für die Menschen, die nicht so gut Englisch können. Zumal die Übertitel„Wenn Arabisch auf anlage ja der Bühne gesprobereits da ist chen wird, ist der und auch eine Ärger noch größer, Person, die als wenn Englisch die Titel fährt. gesprochen wird.“ Das ist für mich einfach eine Frage von Respekt, den ich versuche auf diese Art zum Ausdruck zu bringen. Das hat natürlich auch negative Seiten. Manchmal nimmt das Übersetzen von englischen Texten ja auch die Aura weg. Aber mir ist die Zugänglichkeit dann in Relation wichtiger. Teilweise sind Übertitel durch die Kürzung ja ein sehr starker Eingriff in den Text. Normalerweise gibt es auch keine Gegenkontrolle von eurer Seite. Ist das nicht befremdlich?
Das ist spürbar. Bei einer Produktion von Toshiki Okada hatten wir einmal eine andere Dolmetscherin engagiert als sonst. Sie war sehr gut, aber die Signifikanzen von Theater kannte sie nicht. Man braucht Leute, die gut dolmetschen und mit den Besonderheiten des Theaterbereichs umgehen können. Viele Dolmetscher:innen hübschen zum Beispiel mein Tarantino-Deutsch auf. Dann kann ich aber nicht mehr vermitteln, was ich eigentlich senden wollte. Englisch ist ja auch im Theater eine Art Lingua franca. Trotzdem setzt du dich immer vehement dafür ein, dass alles Englische ins Deutsche übertitelt wird. Das ist für mich eine Frage des Respekts. Zuschauer:innen, die nicht so gut Englisch
Nein, ich kenne das, weil ich am Anfang meiner Dramaturgentätigkeit selbst Texte für Übertitel eingekürzt habe. Ich finde es schlimm, wenn einem die Übertitel so sehr um die Ohren fliegen, dass man gar nicht mehr auf die Bühne gucken kann. Weil ich es hier gar nicht mehr merke, vertraue ich euch total. Das ist etwas sehr Besonderes und sehr Seltenes. Glaubst du, dass diese internationale Entwicklung an den Bühnen sich fortsetzen wird? Oder geht es eher zurück zum Nationalen, so wie wir das auch politisch gerade beobachten? Das ist ja nicht nur eine isolierte Bewegung im Theater. Berlin zum Beispiel hat eine englischsprachige Bevölkerung, die das Leben sehr beeinflusst. Auch im Festivalbetrieb werden sich vollkommen neue Fragen stellen. Wird der kulturelle Austausch aufgrund
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56 der Klimakrise wieder eingeschränkt? Welche Rolle spielt die Globalisierung? Alles Fragen, die wir neu aushandeln müssen.
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Einige kleinere Städte haben auch angefangen, auf Englisch zu übertiteln. Aber dort stellt sich die Frage nach dem Publikum, das man damit erreicht, natürlich noch mehr. Im ersten Jahr hier haben wir die Leute auch erst langsam daran gewöhnen müssen, obwohl in den großen Konzernen in München wie Siemens Englisch ja Betriebssprache ist. Die technischen Masterstudiengänge an der TU München sind komplett auf Englisch umgestellt. Aber diese Leute für das Theater zu gewinnen ist sehr schwer. Die denken erst mal: Theater in Deutschland ist für mich nichts, da verstehe ich nichts. Dass wir das trotzdem gemacht haben, ist Teil eines aufklärerischen Projekts. Und dass es die AfDler ärgert, ist natürlich noch ein Grund mehr, es zu tun. Hier arbeiten seit Jahren Menschen mit unterschiedlichen Sprachen an künstlerischen Projekten. Aber man hat das Gefühl, Sprache spielt eine untergeordnete Rolle, da das gemeinsame Projekt im Vordergrund steht.
Gab es eigentlich Reaktionen darauf, dass auf der Bühne mit Akzent gesprochen wird? Ja, anfangs schon und das sehr stark. Es kam vor, dass Schauspieler:innen ausgebuht wurden und natürlich leiden sie darunter. Aber viele Fragen haben sich nach drei Jahren erledigt. Die Leute gewöhnen sich und man kann sich gar nicht mehr daran erinnern, dass das je anders war.
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Tut es dir leid, dass du jetzt schon aufhören musst? Es gibt eine Ebene, da hat man das Gefühl, es gibt Dinge, die sind unerledigt geblieben. Andere Sachen sind zu kurz gekommen und es gibt wieder andere Dinge, für die die fünf Jahre auch schon zu lang sind. Was würdest du dir denn zum Abschluss von uns Übertitler:innen wünschen? Ich würde mir wünschen, dass eure Arbeit niemandem mehr aufstößt und dass internationale Zugänglichkeit eine Selbstverständlichkeit auf allen Bühnen wird. Ich finde wie ihr es macht prima und hoffe, dass das keine Entwicklung ist, die in den nächsten fünf Jahren wieder verschwindet.
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Matthias Lilienthal ist seit der Spielzeit 2015/16 IntenDas Ensemble hat natürlich im Laufe der Jahre gelernt, mit den kulturellen Unterschieden umzugehen und sie unterschiedlich zu verarbeiten. Das Ensemble hat sich von einem Schauspiel-Ensemble zu einem Projektmacher:innen-Ensemble gewandelt. Die Schauspieler:innen und Performer:innen sind kulturell extrem gebildete Projektpartner:innen. Aber die Kammerspiele sind in gewisser Weise auch eine Mogelpackung. Die Hälfte der Inszenierungen wird auf Englisch erarbeitet. Später wirken sie dann aber wie deutschsprachige Inszenierungen.
dant der Münchner Kammerspiele. Nach seiner Zeit als Chefdramaturg an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in den 90ern war er künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des HAU Hebbel am Ufer (2003-2012) und Programmdirektor für Theater der Welt (2002 und 2014).
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„WAS HABEN ÜBERTITEL FÜR DEINEN BERUFLICHEN WEG FÜR EINE ROLLE GESPIELT UND WAS MACHT EINE GUTE ÜBERTITELUNG AUS?“ „Sicher viel. Die benötigte rhythmische Genauigkeit und die textliche Auseinandersetzung mit Theaterstücken aus unterschiedlichen Sprachgebieten haben mich für verschiedenste Theaterstoffe sensibilisiert und auf Festivals und in festen Spielstätten habe ich viele internationale Theatermacher:innen kennengelernt. Eine gute Übertitelung sollte, ohne dass Inhalt und Stil verloren gehen, dramaturgisch perfekt gekürzt sein, damit der neu entstandene Text die Zuschauer:innen nicht ablenkt und in Einklang mit dem Bühnengeschehen und der gesamten In szenierung steht.“
Monica Marotta ist als Produktionsleiterin, Dolmetscherin, Übersetzerin und Übertitlerin tätig. Nach dem Studium in Neapel arbeitete sie seit der Jahrtausendwende in Berlin für viele internationale Festivals, bevor sie Projektleiterin des Studio R wurde.
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UND DANN BIN ICH RAUSGESTÜRMT… Wie bist du eigentlich zum Theater gekommen?
VOXI BÄRENKLAU: Über Christoph Schlingensief. Ich hatte in den 80er Jahren als bildender Künstler angefangen und motorisch angetriebene Tinguely-Figuren mit eingebauten Leuchtstoffröhren aus Schrott geschweißt. Dann habe ich bei Werner Nekes in Offenbach studiert und Schlingensief war sein Assistent. Er war eine Attraktion und hat mir sofort meine Freunde ausgespannt. Ich konnte ihn nicht ausstehen. Wir wurden dann von der Hochschule wegrekrutiert: ich als Kameraassistent, Christoph als Regieassistent und fanden die Profis alle scheiße. Christoph hat gegen den Regisseur intrigiert, ich den Kameramann rausgeekelt – wir waren solche Arschlöcher. Aber so haben wir uns 1987 zusammengerauft. Er drehte gerade den Film „Mutters Maske“ und hat mich gefragt, ob ich Licht machen will. Ich durfte nur in der professionellen Filmbranche nie erwähnen, dass ich mit Schlingensief arbeite, sonst hätte ich dort keinen Job mehr bekommen. Sein Ruf war eher ruinös.
Theoretiker:innen zu einem Symposium ein und wir entwickelten „Atta Atta – die Kunst ist ausgebrochen“. Das Prinzip war, einen Film zu drehen, in dem Leute – unter ihnen bekannte Schauspieler:innen, wie z. B. Hannelore Elsner und Otto Sander – vom Brandenburger Tor zur Volksbühne laufen, wir das filmen und so tun, als würde das live stattfinden. Damals war zum Glück die Videotechnologie schon etwas digitalisierter als das analoge Kino. Wir haben das erste Mal für ein Bühnenprojekt Filme gedreht und so getan, als würden sie live auf der Bühne zu sehen sein. Wir filmten die Schauspieler:innen pseudolive bis ins Foyer, wo sie sich Ku-Klux-KlanKapuzen aufgesetzt haben. Dann sind Statist:innen mit Ku-Klux-Klan-Kapuzen in den Zuschauerraum gekommen, mit denen wir live weitergedreht haben. Das war mein Einstieg ins Theater. Bei Castorf kam das mit den Live-Kameras erst später, als dann Bert Neumann Bühnenbilder gebaut hat, die vom Publikum nicht einzusehen waren. Heute wird in Kritiken oft geschrieben, dass wir das von Castorf übernommen haben, der das schon früher besser gemacht hätte. Aber gut (lacht).
Warum seid ihr dann an die Volksbühne gegangen? Matthias Lilienthal hat den Film „Terror 2000“ gesehen und sich dafür stark gemacht, dass Schlingensief an die Volksbühne kommt. Dann haben wir unsere erste gemeinsame Produktion dort gemacht. Ich hatte zwar keine Ahnung von Theater – aber warum nicht? Die Probenarbeit war Schlingensief nicht spontan genug; stattdessen lud er Peter Sloterdijk, Bazon Brock, Boris Groys, Carl Hegemann und andere
Nach deiner Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief hat man im Theater länger nichts mehr von dir gesehen. Christophs Tod war ein furchtbarer Verlust. Es ist ein Riesen-Vakuum zurückgeblieben und ich habe fünf Jahre gebraucht das aufzuarbeiten. Aber dann kam ein Anruf von Kay Voges, der mich treffen wollte, weil sein Videokünstler ausgefallen ist. Wir haben uns um elf Uhr verabredet, den ganzen Tag
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und die Nacht durch geredet – obwohl Berlinale war. Wir haben fast gar nicht über das Projekt gesprochen und es war sofort klar: Wir machen das zusammen! Das war wieder so eine Begegnung der ganz speziellen Art. Ich war so glücklich, weil ich endlich wieder einen gefunden habe, mit dem ich spielerisch Dinge entwickeln konnte. Er hat Ahnung von Film, immer Lust auf Neues – für mich ein kongenialer Partner! Wahnsinn, was wir auf die Bühne gebracht haben, z. B. bei „Stadt der Blinden“ in Hamburg oder bei „Dies Irae – Tag des Zorns“ am Burgtheater. Die digitale Technik ist ein Geschenk für uns; wir probieren wie Kinder immer weiter aus. Viel Spinnerei – aber am Ende steht auch etwas. Wenn man sich deine Arbeit vor Augen führt, frage ich mich, was Übertitel, die ja jetzt immer häufiger Bestandteil einer Aufführung sind, für dich und deine Arbeit bedeuten? Das absolute Toperlebnis, was Übertitel anbelangt, war in Stockholm. Vor zwei Jahren hatten wir beim Bergmann-Festival eine Premiere mit „Huset vid nattens Ände“ von Sebastian Hartmann, bei der wir sehr viel mit Projektion gearbeitet haben. Eine dunkle Inszenierung, in der jedes Licht eine ausgefeilte Wirkung hat, alles sehr diffizil, wie ich es liebe. Wenn ich nach den Übertiteln gefragt habe, hieß es immer: „Kommen dann…“. Sie kamen aber nicht, auch bei der Generalprobe waren sie nicht da. Die Übertitel kamen dann bei der Premiere. Und ich dachte, mich haut's um. Das Streulicht der Übertitel-Projektionen, das ja eigentlich ein Schwarzlicht ist, aber trotzdem ja einen Lichtwert hat, vor dem diffizil eingeleuchteten Bühnenbild. Es ging komplett drauf. Ich bin ausgeflippt! Für mich sind da Welten untergegangen. Ich konnte es nicht ertragen und dann bin ich rausgestürmt zum Produktionsleiter. In der Pause haben sie dann die Möglichkeit gefunden, das einzustellen, damit nicht das ganze Bühnenlicht von Übertiteln zerstört wird.
Jetzt kommen immer mehr englische Übertitel, nicht nur auf Gastspielen, sondern häufig auch im Repertoire. Wäre es nicht wichtig, die ästhetisch mitzudenken? Ja, bescheuert, dass man immer erst am Schluss an die Übertitelung denkt und meint, es ist nicht so wichtig. Ich freue mich immer, wenn ich Übertitel habe, weil ich sie ja auch manchmal brauche. Meist will man sie mitdenken, aber dann fehlt der Startpunkt, ab wann man sie mitdenken sollte. Dabei müsste man sie von Anfang an ins Bühnenbild einarbeiten. Meistens fehlt es einfach an den Ressourcen – im Kopf oder bei der Umsetzung. Im Theater ist man natürlich nicht bereit, eine:n Übertitler:in zu bezahlen, der bereits im Probenprozess beteiligt ist. Sollte man aber eigentlich. Auch ich werde nur einbezogen, wenn ich mich selbst darum kümmere. Dann überlege ich mit den Bühnenbildner:innen, wie wir mit der Übertitelung umgehen. Ich muss aber selber rumfragen, wer dafür zuständig ist und das verlangt unheimlich viel Energie. An „Die Übertitelung der Volksbühfristet immer so ne wurde ja ein stiefmütterliches diese optisch Dasein, weil man eher schwerso viele andere wiegende LED Sachen hat.“ angeschafft, die jetzt fest installiert ist. Wenn ich sehen will, wie das in meinem Lichtkonzept wirkt, sind die Leute oft noch nicht da, um etwas auszuprobieren. Das ist aber wichtig, denn die Übertitel können ja das Bühnenbild schwerwiegend verändern. Wir haben die LED dann teilweise einfach höher gehängt, sie etwas angestrichen, damit es nicht ganz so schlimm aussieht. Aber dass es eine LED-Wand und keine Projektion mit Streulicht ist, das ist auf jeden Fall schon mal ein Vorteil.
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Könnte man denn mit den Übertiteln auch kreativer umgehen? Man hat durchaus Möglichkeiten, die Übertitel anders zu gestalten, sie stilistisch zu integrieren. Bei „Don‘t be evil“, wo sehr viel mit Social Media, WhatsApp-Optik etc. gespielt wird, hätten die englischen Titel gut in die Screens integriert werden können. Aber dadurch, dass die LED fest installiert ist, hat man nur darüber nachgedacht, sie ein bisschen höher zu hängen, weil sie sonst dem Scheinwerfer in die Quere kommt. So wie Kay und ich am Bildeindruck arbeiten – mit einem Überangebot an Informationen – ist es auch nicht ganz so schlimm, wenn die Übertitel höher hängen. Aber man hätte die Textinformationen natürlich ins Bild nehmen und so das Publikum weiter reinholen können. Wäre es für dich nicht am besten, das Publikum hätte VR-Brillen auf und die Übertitel wären quasi unabhängig vom Bühnenbild? Eigentlich nicht. Mir ist es lieber, wenn ich den optischen Eindruck selber gestalten kann. Das Bild ist sonst zu schwer zu kontrollieren. Mit den Brillen würde ich dann lieber etwas anderes machen – also sie bewusst einsetzen und nicht nur für Untertitel. Aber es ist wirklich schade, dass wir bei „Don't be evil" nicht bewusster und intensiver mit den Übertiteln gearbeitet haben. Die Übertitelung fristet immer so ein stiefmütterliches Dasein, weil man so viele andere Sachen hat und sich zu wenig darum kümmert. Daher bleibt dann leider oft nur eine Leinwand, auf die man projizieren muss oder eine LED – eigentlich wirklich langweilig.
Würde es helfen, wenn schon bei den ersten Konzeptionsbesprechungen Übertitler:innen als Ansprechpartner:innen dabei wären? Das an den Theatern zu etablieren, halte ich wirklich für sinnvoll. Bei der heutigen Produktionsweise erarbeitet die Regie den Text meist sehr frei. Gerade bei so jemandem wie Kay, der Text spontan erarbeitet, gibt es bis zum Ende kein Skript. Das entwickelt sich. Dieser Prozess wird auch zelebriert und er braucht das auch. Dann fühlt man sich mit Übertiteln unter Druck gesetzt und will lieber nicht von Anfang an jemanden dabeihaben. Aber meines Erachtens sollte man die Regisseur:innen dazu bringen, damit umzugehen. Dann kann man damit spielen und erst dann können auch neue Formen entwickelt werden. Wichtig wäre, dass wir dich sehen – als Übertitel in Person sozusagen. Wenn du rechtzeitig bei den Konzeptionsgesprächen dabei wärst, wäre uns wahrscheinlich klarer: da kommen Übertitel, darüber müssen wir auch noch nachdenken und es vielleicht diesmal ganz anders machen. Aber das hat natürlich auch immer mit Personen zu tun. Das erfordert wirklich eine gewisse Sensibilität in der Anfangsphase der Produktion. Aber dann könnte ich es mir sehr gut vorstellen. Eure Präsenz könnte vieles verändern.
Voxi Bärenklau arbeitete nach seinem Kunststudium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach als Kameramann für Film und Fernsehen, u. a. für Helge Schneider, Michael Ballhaus und Martin Scorsese. Seine enge künstlerische Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief, mit dem er zahlreiche Filme drehte, brachte ihn ab 2002 zunehmend auch als Licht- und Videodesigner an renommierte europäische Theater und Opernhäuser. Seit 2006 lehrt Bärenklau zudem Digitalfilm an der FH Dortmund im Fachbereich Design.
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„WAS MACHT FÜR DICH EINE GUTE DRAMENÜBERSETZUNG AUS?“
„Literatur- und auch Theaterübersetzen bestehen darin, den Ton der literarische(n) Stimme(n) zu hören, zu
erkennen, wie er gemacht ist, und das dann mit den Mitteln der eigenen Sprache nachzugestalten. Beim Theaterübersetzen entsteht – bei den eher
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realistisch-naturalistisch angelegten Stücken – eine charakteristische Redeweise für jede Figur, die für Schauspieler:innen und Regie als Vorlage funktionieren muss. Bei stark formbetonten (meist klassischen) Stücken ist diese Redeweise künstlich überformt. Bei vielen modernen Stücken entsteht eher ein Autor:innen-Ton (ähnlich wie bei Prosawerken) mit unterschiedlichen Anteilen von Natürlichkeit und Künstlichkeit. Je nach Art des Textes erwächst aus einer charakteristischen Wechselwirkung von stilistischer Sprachgestaltung und Haltung der sprechenden Stimme(n) der zu treffende Ton.“
Dr. Frank Heibert ist Übersetzer, Autor und Musiker. Im Jahr 2015/16 hatte er die August Wilhelm von Schlegel-Gastprofessur an der FU Berlin inne.. Mit zahlreichen Preisen für seine Übersetzungen ausgezeichnet. Hält Seminare, u. a. zur Dramenübersetzung.
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WAS DAS THEATER GEWESEN SEIN WIRD
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Überlieferungen der darstellenden Künste im digitalen Zeitalter Von Christine Henniger und Maxim Wittenbecher
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ABSTR ACT: Jeder Prozess in den darstellenden Künsten hinterlässt Spuren und Zeichen, die im Spannungsverhältnis zum Jetzt-Charakter des Aufführungsereignisses stehen. Es gilt, diese in eine Form zu überführen, in der sie auch außerhalb der Gegenwart les- und verstehbar bleiben. Dieser Prozess der Übersetzung des Theaters aus der Vergangenheit in die Zukunft ist die Aufgabe und Herausforderung der Gedächtnis- und Wissensinstitutionen, die sich dem Sammeln, Verzeichnen und Auffindbarmachen von Sammlungen und Beständen der darstellenden Künste verschrieben haben. Die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, Informationen zu strukturieren, zu vernetzen, verteiltes Wissen zu verbinden und zu transferieren und somit auch das Wissen um das Theater vielfältig erfahrbar zu machen, bieten vollkommen neue Wege des Zugangs zu diesen Spuren und Zeichen. Bisher werden diese Wege wenig wahrgenommen, teils aufgrund ihrer Technologiegebundenheit und einer damit scheinbar einhergehenden Entmachtung des Individuums, teils auch wegen der Nähe des Digitalen zu technologischen und naturwissenschaftlichen Wissensdomänen, die mit dem Wissen des Theaters (bisher) inkompatibel scheinen.
Dabei sind die Effekte digitaler Technologien auf Praxis, Wissen und Überlieferung des Theaters weder per se positiv noch negativ. Sie müssen in ihrer Wirkung und Wirksamkeit verstanden und befragt werden, um die mit ihnen einhergehenden Vorteile nutzen und die (immanenten) Schwierigkeiten einschätzen und benennen zu können. Was nicht in der Gegenwart des Aufführung(s)Zeit-Raums (mit-)erlebt wird, kann nicht vollständig erfahren werden. Die Aufführung vergeht im Moment ihrer Entstehung, die Performance trägt als ein Hauptcharakteristikum ihr Verschwinden in sich.2 Das Bewahren der darstellenden Künste und das Übergeben des Gewesenen aus der Vergangenheit in die Zukunft scheinen somit sonderbare Prozesse, die konträr zum eigentlichen Charakter dieser Kunstform zu liegen scheinen. Was bleibt, sind womöglich einige wenige Überreste3, die nicht unmittelbar das Kunstwerk sind, sondern es in Teilen repräsentieren – ein plurimediales4 Puzzle, das (wieder) in ein Ganzes zusammenzusetzen kaum möglich ist. Was vom Theater übrig bleibt – die Überreste, die vermeintlich
1. Der Titel nimmt Bezug auf das Essay von Martin Nachbar und Jochen Roller: „Was das Archiv gewesen sein wird“, in: Wolfgang
Schneider/Henning Fülle/Christine Henniger (Hg.), Performing the Archive. Studie zur Entwicklung eines Archivs des Freien Theaters,
Hildesheim/Zürich/New York: Universitätsverlag Hildesheim 2018, S. 202-224.
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2. So betrachtet u. a. Peggy Phelan die Ephemerität der darstellenden Künste als wesentliches Merkmal. Vgl. Phelan, Peggy: Unmarked.
The Politics of performance, London: Routledge 1993.
3. Auf dieses Problem bezieht sich das von Dr. Susanne Foellmer koordinierte Projekt: „ÜberReste. Strategien des Bleibens in den
darstellenden Künsten“, das von 2014-2018 von der DFG gefördert wurde.
5. Das
4. Auf die dingliche Diversität dieser Überreste macht Prof. Dr. Jan Lazardzig in seinen „Drei Thesen zu einer zeitgemäßen Überliefe-
rungsstrategie des theaterkulturellen Erbes“ aufmerksam, die er im Rahmen einer Veranstaltung des Runden Tisch Berliner
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akzidentell entstehen, aber auch die Dokumente, die absichtlich produziert werden – kann dabei allerdings auch Zugang zu miterlebten und nicht erlebten bzw. auch nicht erlebbaren Ereignissen der darstellenden Kunst geben. Jedem Objekt, das Dokument eines Ereignisprozesses in den darstellenden Künsten ist, liegt eine näher zu bestimmende Aussagekraft inne, die das Wissen um dieses Ereignis über Zeit und Raum hinweg übersetzen kann. Informationen zu Objekten und Ereignissen zugänglich zu machen, um ihre Interpretation und Analyse in den darstellenden Künsten zu ermöglichen, ist eine der großen Herausforderungen, der sich die Wissens- und Gedächtnisinstitutionen, die Theatersammlungen betreuen, in ihrer täglichen Arbeit gegenübersehen. Das Erschließen und insbesondere das Verzeichnen ist dabei ein komplexer, immer wieder auszuhandelnder Prozess, der bestenfalls interne institutionelle Ablagesystematiken und externe Such- und Recherchewege gleichermaßen berücksichtigt, um so vielfältigen Zugang zu dem Verbleibenden bieten zu können.
D
ie Verwendung eines spezifischen Sprachsystems, das versucht sowohl die Geschichte des Objekts in Form von Entstehungs- und Wirkzusammenhängen als auch dessen potenzielle Zukunft in Form von Erhaltung, Auffindbarkeit und Einordnung zu erfassen, ist Basis der Archivarbeit. Während die archivische Verzeichnung im klassischen Sinne sich in erster Linie auf die präzise Beschreibung und Erfassung von physischen Archivobjekten im Verhältnis zu Beständen und Bestandszusammenhängen in Institutionen konzentriert, ist
dies für die Archivpraxis in den darstellenden Künsten aber schon immer ein Problem.5 Denn in der Plurimedialität und dem Verhältnis der Objekte zur Dynamizität des Theaterereignisses liegt eine der größten Schwierigkeiten des archivischen Aufschreibens von Informationen über die darstellenden Künste. Keines der existierenden Erfassungsmodelle ist derzeit vollständig geeignet, um sowohl auf die Ereignishaftigkeit des Theaters als auch die Objektbezogenheit, die das Archiv mit sich bringt, gleichermaßen eingehen zu können. Keines ermöglicht dokument- und ereignisübergreifend Informationen zu den darstellenden Künsten angemessen zu beschreiben. Was früher durch Findbücher, Ordnungslisten und Karteikartensysteme geordnet und klassifiziert wurde, geschieht heute meist digital in Datenbanken, formalisiert in diversen Datenmodellen. Der Übergang in das digitale Zeitalter in den Wissens- und Gedächtnisinstitutionen der darstellenden Künste geschah langsam und ist immer noch im Gang. Doch genau hier liegt womöglich eine Chance für das besondere Verhältnis der darstellenden Künste in ihrer Ereignisgebundenheit und Prozessualität und des Archivs in seiner Objektzentriertheit und Faktizität. Die Nutzung von sogenannten strukturierten Daten bietet eine vielversprechende Möglichkeit, um auf die benannten Anforderungen reagieren zu können.6 Sie ermöglichen Findbarkeit und Vergleichbarkeit, indem wiederkehrende Arten von Informationen zu Objekten und Artefakten an wiederkehrenden Orten auffindbar sind. Strukturierte Daten im Archiv, und dies ist ein wesentlicher Vorteil für die Verzeichnung in den darstellenden Künsten, sind dabei längst nicht mehr an die physische Gegenständlichkeit von Objekten gebunden. Mehr und mehr werden auch Daten zu nicht
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5. Das DFG-geförderte Forschungsprojekt „Verzeichnungen. Medien und konstitutive Ordnungen von Archivprozessen der Aufführungs
künste“ von Franz A. Cramer und Barbara Büscher versucht sich diesem Problem mit Mitteln performativer Praxis zu nähern:
https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/218477758 6. Zum Verständnis strukturierter Daten siehe u. a. hier: https://developers.google.com/search/docs/guides/intro-structured-data
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66 greifbaren ‚Objekten‘ strukturiert aufgezeichnet. Das heißt: Es lässt sich auch Ephemeres wie Aufführungsereignisse und Produktionen strukturiert beschreiben.
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W
ährend früher vorwiegend relationale Datenbanken zur Speicherung solcher Daten in tabellarischer Form zum Einsatz kamen, werden heute immer häufiger flexible und dynamische Technologien und Methoden verwendet, wie etwa die Anwendung von Linked Data7 und des Resource Description Framework (RDF)8. Dabei werden Informationen als eine Sammlung von vielen einzelnen, klar definierten, nahezu natürlichsprachlichen Aussagen hinterlegt, bestehend aus Subjekt, Prädikat und Objekt. So ist etwa „Frank Castorf ist der Regisseur von ‚Die Brüder Karamasow‘“ eine solche Aussage. Die Zahl der Aussagen über eine Person, eine Inszenierung, ein Video etc. ist nicht begrenzt. Gerade durch diese Nichtbegrenzung erhält das System dieser zunächst simpel wirkenden Aussagen seine Flexibilität und Dynamizität. Die hinter einem solchen System stehenden, als Ontologien bezeichneten Datenmodelle umfassen Beschreibungen der Klassen, d. h. Arten von Dingen, und der Relationen, die zwischen diesen Dingen bestehen. Ein zentraler Gedanke solcher Linked Data-Ontologien ist es, dass sie gemeinsam mit den Daten geteilt und genutzt werden sowie ihre Verwendung offen beschrieben wird, um allen Zugang zu gewähren, nicht nur zu den Daten
selbst, sondern auch zur verwendeten Sprache der Beschreibung.9 Durch diese Offenheit ist es möglich, Verzeichnungen verschiedener Institutionen zu verbinden und somit die aus ihnen stammenden Informationen gemeinsam und ergänzend sichtbar zu machen. Die Mediathek für Tanz und Theater des „Wie das Theater ITI Deutschland, ins (digitale) Archiv als Wissens- und übersetzt wird, hängt Gedächtnisinstialso ebenso sehr von tution, wirkt hier den Nutzer:innen an der Schnittder Systeme und stelle von praktiModelle ab.“ scher Anwendung und theoretischer Reflexion. Sie arbeitet in mehreren Projekten sowohl mit frei verfügbaren strukturierten Daten, erzeugt aber auch selbst weiterverwendbare Daten. Sie ist eingebunden in bestehende Projekte im Linked Data-Anwendungsbereich, aber auch in die kooperative Entwicklung von Datenmodellen und Datenmodellerweiterungen.10 Darüber hinaus sucht und bietet sie den Raum für Diskurs zu Fragen der Anwendbarkeit und Grenzen solcher Modelle. Jede technologische Entwicklung ist in ihrer Struktur und Intention zu befragen und zu diskutieren – so auch die technologischen Implikationen, die die Linked Data-basierten Modelle mit sich bringen. Denn was über Ereignisse der darstellenden Künste und ihre Dokumente gesagt werden soll, muss eben im Sprachsystem des Modells gesagt werden, in
7. Eine Einführung zu Linked Data findet sich hier: http://www.linkeddata.org 8. Eine Beschreibung von RDF findet sich u. a. hier: http://www.w3.org/RDF 9. Die Modelle reichen von sehr einfachen Formen wie schema.org bis hin zu hochkomplexen Modellen zur Beschreibung von kulturellem
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Erbe wie dem CIDOC Conceptual Reference Model (CRM).
10. Zu nennen sind hier:
Die Gründungsjahre der Tanzfabrik Berlin: http://www.mimecentrum.iti-germany.de/de/projects/tanzfabrik
Die Biomechanik Meyerholds und ihre Rekonstruktion: http://www.mimecentrum.iti-germany.de/de/projects/digbio
11. Auf
Das digitale Festival-Archiv von Theater der Welt: http://www.iti-germany.de/archiv/theater-der-welt-archiv
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Das nonverbale Theater im ehemaligen Ostteil Berlins 1970-1991: http://www.mimecentrum.iti-germany.de/de/nonverbalestheater
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dem sie beschrieben sind. Dabei können solche Modelle zum einen an Grenzen der Expressivität stoßen, d. h. sie sind nicht fähig, umfassend die Intention des Verzeichnenden abzubilden. Sie können aber auch zu eng kategorisieren und dementsprechend zu wenig Interpretationsraum für die Verzeichnenden und die Suchenden lassen. Wie das Theater ins (digitale) Archiv übersetzt wird, hängt also ebenso sehr von den Nutzer:innen der Systeme und Modelle ab.
S
o vielfältig die Möglichkeiten solcher neuen, flexiblen Datenmodelle und -modellierungen sind, so sehr verlangen diese zum einen ein grundlegendes Verstehen von digitalen Sphären, Systemen und ihren Wirkweisen auf Seiten der Anwender:innen, zum anderen ein Verständnis der Wissens- und Beschreibungsdomänen durch die Entwickler:innen der Modelle. Wenn die Wissensdomäne der darstellenden Künste gleichwertig und gegenseitig mit den technologisch-informationswissenschaftlichen Arbeitsprozessen der Modellierung fungiert, bei der künstlerisch- und wissenschaftlich-reflektierende Prozesse mit Verzeichnungs- und Modellierungsprozessen auf mögliche gegenseitig-transformatorische Wirkweisen hin untersucht werden, können an dieser Schnittstelle von interdisziplinärer und intersektionaler Zusammenarbeit beide Arbeitsfelder wesentlich profitieren und so auch eine tiefergehende kritische Befragung der Nutzung von digitalen Technologien, auch in Bezug auf die Überlieferung der darstellenden Künste, ermöglichen. Die Möglichkeiten, die sich durch eine Dezentralisierung von Informationsbeständen für die Enthierarchisierung von Sprache, Wissen und Information (auch für die darstellenden Künste) ergeben, sind vielfältig, allerdings nur
schwer einschätzbar.11 Eine Handlungsmacht in Bezug auf solche neuen digitalen Systeme ergibt sich jedoch nur daraus, deren praktische Anwendung zu testen, Strukturen grundlegend zu erkennen, einzuordnen und dann auf ihre Funktionsweisen hin zu befragen. Hier liegt eine Stärke der darstellenden Künste und der sie begleitenden Theater-, Tanz- und Performance-Wissenschaften – in ihrem Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis , das gekennzeichnet ist durch eine permanente Befragung der eigenen Arbeitstechniken und Forschungsmethoden. Sie können auf die Herausforderungen, die sich aus dem digitalen Wandel ergeben, rasch und flexibel reagieren, diese aus verschiedenen Perspektiven reflektieren und diskutieren, neu entstehende Praktiken aushandeln und so unterschiedliche Arbeitsweisen verflechten und miteinander denken.
Christine Henniger leitet die Mediathek für Tanz und Theater am Internationalen Theaterinstitut in Berlin und engagiert sich als Teil der Initiative für die Archive des Freien Theaters e.V. für die Schaffung eines dezentralen, digitalen Archivs der freien darstellenden Künste. Sie ist u. a. Mitherausgeberin der Studie „Performing the Archive. Studie zur Entwicklung eines Archivs des Freien Theaters“.
Maxim Wittenbecher koordiniert das Video- und Medienstudio des Internationalen Theaterinstituts in Berlin. Neben der Mitarbeit in mehreren Digitalisierungsprojekten des ITI im Bereich kulturelles Erbe – zuletzt „Nonverbales Theater im ehemaligen Ostteil Berlins“ (2019) – entwickelte er das digitale Archiv Theater der Welt. Er ist Ko-Autor des paam-Datenmodells für die Verzeichnung von Archivbeständen im Bereich darstellende Kunst.
11. Auf die „Handlungsmacht im Zeitalter der Dezentralisierung“, die Befragung von Verantwortung und Ermächtigung in der post
humanen Gesellschaft, geht u. a. James Bridle ein. Vgl. Bridle, James: „Handlungsmacht im Zeitalter der Dezentralisierung“, in:
ARCH+ 236 (2019), S. 24-31.
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INTERNATIONALES THEATERINSTITUT ZENTRUM BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Vorstand PR ÄSIDENT Joachim Lux
VIZEPR ÄSIDENTEN:INNEN Martine Dennewald, Dr. Bettina Sluzalek
BEISIT ZER:INNEN
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Matthias Gehrt, Barbara Kastner, Jan Linders, Barbara Mundel, Holger Schultze, Tobias Veit, Jörg Vorhaben, Karen Witthuhn
MITARBEITER:INNEN der Geschäftsstelle DIREK TOR
PROJEK TKOORDINATION SZENENWECHSEL
Dr. Thomas Engel
Sigrid Hilmer
PROJEK TLEITUNG MEDIATHEK FÜR TANZ UND THEATER
KOORDINATION VIDEOSTUDIO, DIGITALISIERUNG, DATENMANAGEMENT
Christine Henniger
Maxim Wittenbecher
PROJEK TLEITUNG FESTIVAL AK ADEMIE THEATER DER WELT 2020
PROJEK TMITARBEIT DIGITALISIERUNGSPROJEK TE
Malin Nagel
Michel Barre, Thekla Neuß, Jonas Pitz, Charlotte Warkentin
PROJEK TLEITUNG THEATERPREIS DES BUNDES, TOURING ARTISTS Michael Freundt
PROJEK TLEITUNG GEGENWARTSTHEATER, SZENENWECHSEL Andrea Zagorski
SEKRETARIAT Annette Doffin
PRESSE Stefan Woll
FINANZEN Kerstin Hefenbrock
PROJEK TKOORDINATION ÜBERSET ZER:INNENWERKSTAT T, JAHRBUCH Dorothea Lautenschläger
PROJEK TKOORDINATION TOURING ARTISTS, MOBILITÄT, NET ZWERKE Jana Grünewald
PROJEKTMITARBEIT TOURING ARTISTS, THEATERPREIS DES BUNDES, FESTIVALAKADEMIE 2020 Dorothea Lautenschläger / Felix Sodemann
STUDIO2 Lene Gaiser
WEBENT WICKLUNG, IT ADMINISTR ATION Martin Eisenbeiss Dank an alle PRAKTIKANT:INNEN und BUNDESFREIWILLIGE 2019/20: Lilian Chamai Bose, Laura Burkhardt, Elena Ferri, Teresa Fazan, Lene Gaiser, Hua Huang, Aylin Michel, Franziska Schüffler, Felix Sodemann
BISHER
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INTERNATIONALES THEATERINSTITUT ZENTRUM BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Tel. + 49 (0)30 61 10 76 50 | Fax + 49 (0)30 611 07 65 22 info@iti-germany.de | www.iti-germany.de
GEMENT
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BISHER ERSCHIENEN „Was bleibt“, Jahrbuch 2013, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2013. „Festivals“, Jahrbuch 2014, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2014. „Verständigung“, Jahrbuch 2015, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2015. „Wer ist Europa“, Jahrbuch 2016, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2016. „Arts under Attack“, Jahrbuch 2017, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2017. "ZUSAMMEN_WIRKEN", Jahrbuch 2018, Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e. V. (Hg.), Berlin: 2018.
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Kunstquartier Bethanien Mariannenplatz 2 10997 Berlin
70 IMPRESSUM JAHRBUCH DES ZENTRUMS BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND DES INTERNATIONALEN THEATERINSTITUTS E.V.
HER AUSGEBER:INNEN Dr. Thomas Engel Dr. Yvonne Griesel
REDAK TION Dorothea Lautenschläger
MITARBEIT Annette Doffin Franziska Schüffler
JAHRBUCH ITI 2019
TR ANSCRIPTION Dr. Yvonne Griesel Dorothea Lautenschläger Franziska Schüffler
KORREK TOR AT/LEK TOR AT Jan Dreier
ÜBERSETZUNG DEUTSCH-ENGLISCH
ÜBERSETZUNG ENGLISCH-DEUTSCH
Kate McNaughton Dr. Anna Galt
Karen Witthuhn
GESTALTUNGSKONZEPT Jan Grygoriew | www.jangry.com
GESTALTUNG UND TEXTSATZ Martin Eisenbeiß
DRUCK Spree Druck, Berlin
REDAK TIONSSCHLUSS 07.02.2020
GEFÖRDERT DURCH
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Luegen (Regie: Verena Regensburger), Münchner Kammerspiele, Foto: Franz Kimmel M (Regie: Eberhard Köhler), Teatr Pokoleniy, Foto: Victoria Atamanchuk Hamlet (Regie: Johan Simons), Schauspielhaus Bochum, Foto: JU Bochum Luegen (Regie: Verena Regensburger), Münchner Kammerspiele, Foto: Franz Kimmel Chroniques d’une révolution orpheline (Regie: Leyla-Claire Rabih), Grenier Neuf, Foto: Benoît Delgrande Paradies (Regie: Mina Salehpour ), Junges Schauspiel/Düsseldorfer Schauspielhaus, Foto: David Baltzer abgrund (Regie: Thomas Ostermeier), Schaubühne Berlin, Foto: Arno Declair By Heart (Regie: Tiago Rodrigues), Foto: Magda Bizarro Pratthana - A Portrait of Possession (Text: Uthis Haemamool, Regie: Toshiki Okada), Tokyo Metropolitan Theatre, Foto: Hajime Kato Theater der Welt 2014, Nationaltheater Mannheim Vi må snakke om Faust (Regie: Thorleifur Örn Arnarsson), Nationaltheatret Oslo, Foto: Daniel Angermayr Ausschnitt aus einer GraphDB-Visualisierung des Linked-Data Datensatzes zur Festivalausgabe 2017 von „Theater der Welt“, Projekt „Digitales Archiv Theater der Welt“
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FOTOCREDITS
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