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Projekt «Mobiles Sicherheitskommunikationssystem MSK»

Das Schweizer Mammutprojekt «MSK»

«MSK» soll künftig die «mobile sichere Breitbandkommunikation» für Bund, Kantone, BORS und Betreiber kritischer Infrastrukturen in allen Lagen sicherstellen – und ab 2035 das Polycom-Funksystem ablösen. Wir erklären, worum es geht, wie der Zeitplan aussieht und weshalb es am SPIK 2025 einen «MSK-Halbtag» gibt.

Markus Röösli, Direktor von PTI, erläuterte uns zentrale Punkte von MSK.
© zVg

Blaulicht-Organisationen, Führungsstäbe, der Bevölkerungsschutz, Teile der Armee sowie die Betreiber kritischer Infrastrukturen sind auf eine sichere, reibungslose Kommunikation, den zuverlässigen Austausch grosser Datenmengen und den jederzeit sicheren Zugriff auf digitale Datenbanken angewiesen. Im Alltag sowie – ganz besonders – im Fall von (Natur-)Katastrophen, einem Black-out, Terrorattacken oder anderen Not- respektive Krisenlagen.

Daher beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS bereits 2018 mit der Evaluation eines landesweit einheitlichen, krisensicheren und breitbandigen «Mobilen Sicherheitskommunikationssystems MSK». Dessen Errichtung wurde 2020 vom Bundesrat beschlossen – und bis 2022 wurden in Pilotprojekten in mehreren Kantonen Studien und Feldversuche sowie eine Stabsrahmenübung in der Ostschweiz durchgeführt.

Der Schweiz fehlt ein landesweites krisensicheres Mobilfunknetz

Allerdings ist die Schweiz diesbezüglich nicht optimal aufgestellt. Denn die heute in der Schweiz verfügbaren Telekommunikationssysteme der kommerziellen Mobilfunkbetreiber weisen aufgrund von Sicherheitsdefiziten, mangelnder respektive gänzlich fehlender Härtung sowie Lücken in der Funkversorgung nur eine geringe oder gar keine Krisenresistenz auf. Das haben die Sicherheitsverbundübungen von 2014 und 2019, Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Telematik im Bereich Rettung und Sicherheit von 2017 sowie Rückmeldungen der BORS zu identifizierten Lücken aufgezeigt.

MSK soll BORS, Führungsstäben und anderen Institutionen die «mobile sichere Breitbandkommunikation» ermöglichen – im Alltag sowie in Krisenlagen.
© VBS/DDPS
Hybrides MSK-Kombi-Netz aus drei Komponenten

Die dabei gewonnenen Erkenntnisse zeigten: Idealerweise wird das MSK als «Kombi-Lösung» erstellt, bestehend aus drei Komponenten: Teilhärtung von Standorten der kommerziellen Mobilfunknetze, Aufbau eines MSK-Hybridnetzes sowie Mitnutzung militärischer Infrastruktur. Dabei sollen Synergien mit dem vom Bund bereits 2019 in Auftrag gegebenen nationalen «Sicheren Datenverbundnetz Plus SVDN+» (siehe Box) genutzt werden – etwa für die Anbindung des MSK Core mit den Verteilnetzen zu den Basisstationen.

Nachdem die Kantone und die hauptsächlich betroffenen Bundesstellen diese «MSK-Kombi-Variante» einstimmig unterstützten, beauftragte der Bundesrat im Dezember 2023 das VBS mit der Erarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zur Ablösung von Polycom durch MSK.

Kosten von knapp drei Milliarden Franken

Gemäss der Vorlage belaufen sich die Gesamtkosten für das MSK auf rund 2,9 Mrd. Franken. Davon entfallen rund 1,8 Mrd. Franken auf Betrieb und Unterhalt (bis 2046). Entwicklung und Beschaffung kosten 1,1 Mrd. Franken. Darin enthalten sind Planungs- und Entwicklungsleistungen, die Anpassung der Glasfaserkabelinfrastruktur, die Härtung und Umrüstung der nötigen Sendestandorte (inkl. möglicher Umnutzungen bestehender Polycom-Standorte), die IKTHardware und Software sowie ein «Mission Critical UserInterface» für handelsübliche (Commercial of the Shelf, COTS) Smartphones, Tablets und Laptops der BORS.

Gemäss dem in der Vernehmlassungsvorlage skizzierten Kostenschlüssel (der von der Politik noch endgültig verhandelt werden muss) schultert der Bund 30 Prozent der Kosten (ca. 880 Mio. Franken). Die Kantone tragen mit 70 Prozent (2 Mrd. Franken) die Hauptlast. Im Gegenzug wird eine Governance angestrebt, die ihnen entsprechende Verantwortung und Mitbestimmung einräumt – erreicht durch eine «Organisation BORS», die alle Nutzerorganisationen auf politischer und operativer Ebene durch entsprechende Gremien vereint und repräsentiert. Die Geschäftsstelle der Organisation BORS würde bei Polizeitechnik und -informatik (PTI) Schweiz angesiedelt werden. PTI «gehört» dem Bund und den Kantonen und ist unter anderem deshalb ideal für diese Aufgabe geeignet.

Ergänzend zu Bund und Kantonen sollen das Fürstentum Liechtenstein (ca. 9,4 Mio.) und Dritte, namentlich die Betreiber kritischer Infrastrukturen (ca. 58,5 Mio.), Beiträge ans MSK leisten.

Einheitliche Strukturen anstelle eines Flickenteppichs

Drei Milliarden sind viel Geld – doch die Schweiz soll dafür auch endlich ein landesweit einheitliches, breitbandiges und krisensicheres Mobilfunknetz erhalten, wie PTI-Direktor Markus Röösli auf Anfrage erklärt: «Im Gegensatz zum Polycom-Funknetz, bei dem Bund und Kantone dezentrale Teilnetze betreiben, wird MSK ein landesweit einheitliches Mobilfunknetz mit definierten internationalen Standards sein. MSK wird im gemeinsamen Auftrag von Bund und Kantonen aufgebaut und betrieben. Die übergeordnete technische und organisatorische Koordination von Teilnetzen fällt weg.»

Eng gesteckter Zeitplan

Die Einführung von MSK soll (sukzessive) ab dem Jahr 2030 erfolgen, damit das System ab 2035 landesweit betrieben werden kann. Denn dann erreicht das Sicherheitsfunksystem «Polycom» sein Nutzungsende.

Weil bis zum Einführungsstart ab 2030 nur noch knapp sechs Jahre Zeit bleiben, sind die zuständigen Stellen von PTI, BABS, den politischen Gremien und Vertretern der Nutzerorganisationen seit Ende der Vernehmlassung am 24. Oktober 2024 intensiv mit den Vorarbeiten für ein MSKVorprojekt befasst. Markus Röösli: «Bis zu den beiden Regierungsratskonferenzen von Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) im Mai 2025, bei denen das MSK-Projekt traktandiert wird, sind wichtige Vorarbeiten zu erledigen. Danach, voraussichtlich im Juni, geht das Projekt in den Bundesrat. Im Anschluss soll ein MSK-Vorprojekt starten, in dem zentrale Grundlagen realisiert werden. Fragen zu Budgetierung, Kostenteiler, Leistungsumfang, Projektleitung und Governance müssen ebenso beantwortet werden wie technische Fragen, etwa zur Netzwerk-Architektur. Zudem ist zu klären ob Synergien mit laufenden Projekten der Armee genutzt werden können, um beiderseits Zeit zu sparen und potenzielle Doppelspurigkeit zu vermeiden.»

Dieses Vorprojekt, währenddessen auch eine fundiert ausgearbeitete Botschaft zuhanden der Parlamente erarbeitet wird, soll zwischen Ende 2026 und Mitte 2027 abgeschlossen werden können. «Danach könnte dann die Realisierung von MSK starten», hofft Markus Röösli.

MSK soll ab 2030 sukzessive in Betrieb gehen und ab 2035 das bisherige Sicherheitsfunksystem «Polycom» ablösen.
© VBS/DDPS

Das Vorhaben MSK als eigenes Thema am SPIK 2025

Mit Blick auf die grosse Bedeutung des Projektes MSK nicht nur für die Polizei, sondern für die gesamte Blaulicht-Welt organisiert der Verein Swiss Police ICT am Nachmittag des 25. März 2025 einen «MSK-Halbtag». Als Key-Speaker konnte Tero Pesonen, Chairman der «Critical Communications Broadband Group (CCGB)» der TCCA, gewonnen werden. Er wird Einblicke in die zahlreichen internationalen Projekte zur Realisierung mobiler Breitbanddatensysteme für BORS und die aus diesen gezogenen Lehren geben. Im Anschluss werden die Unternehmen Swisscom, ViaSat, Nokia und RUAG, die sich für Referate beworben haben, ihre Technologien, Lösungen und Strategien für MSK präsentieren.

Markus Röösli, der die Begrüssung und das Schlusswort am MSK-Halbtag übernehmen und beim anschliessenden Apéro für Fragen zur Verfügung stehen wird, erachtet den Event am Vortag des SPIK als «ideale Möglichkeit für alle mit dem Thema krisensichere Kommunikation für BORS befassten Fachpersonen, sich aus erster Hand zu informieren, wie die Zukunft der BORS-Kommunikation geplant wird».

Alle Detailinfos zum Programm sowie zu den Inhalten der Referate am MSK-Halbtag finden Interessierte auf der Website des SPIK 2025.

«Info» Das «Sichere Datenverbundnetz Plus SDVN+»

Im Herbst 2019 bewilligte der Bund einen Verpflichtungskredit über 150 Millionen Franken für die Realisierung eines nationalen «Sicheren Datenverbundsystems SDVS». Dieses beinhaltet im Wesentlichen vier Komponenten: das «Sichere Datenverbundnetz Plus SDVN+», das «Datenzugangssystem DZS», ein «Lageverbundsystems LVS» und die «Funktionelle Erneuerung des Meldevermittlungssystems VULPUS FEV».

Das SDVN+, ein breitbandiges Layer-2-Transportnetz für grosse Datenmengen, bildet das Kernstück des SDVS. Es basiert auf dem Führungsnetz Schweiz (CH) und soll die Grundlage für alle sicherheitspolitisch relevanten Telematik-Systeme des Bevölkerungsschutzes bilden. Namentlich dient es als zentrales Transportnetz im Bevölkerungsschutz und im nationalen Krisenmanagement – und ist damit eine wichtige Grundlage für MSK.

Zudem beinhaltet das SDVN+ den Anteil «Layer 3» des DZS. Dieser gewährleistet die gesicherte IP-Vernetzung der Systeme für die Führungskommunikation der Führungsstäbe des Bundes, der Kantone und der wichtigsten Betreiber kritischer Infrastrukturen.

Realisiert wird das SDVN+ seit 2021 unter der Projektverantwortung des BABS und dem Kommando Cyber der Armee, das als Generalunternehmen Erstellung, Betrieb, Support und Services verantwortet.

Während der Bund für die zentralen Komponenten von SDVN+ bis zum Übergabepunkt am Kantonsstandort zuständig ist, verantworten die Kantone die nötige Härtung der Gebäudeinfrastruktur am Standort Übergabepunkt und stellen mit ihren dezentralen Komponenten den Datentransport ab dem Übergabepunkt bis zum Kantonsnutzer sicher.

Kernstück im Zeitverzug

Entgegen den ursprünglichen Plänen, bis Ende 2024 die Kantone an das SDVN+ anschliessen zu können, gefolgt von den Bundesstandorten und den Betreibern kritischer Infrastrukturen, teilte das BABS im September 2024 mit, dass eine Neuplanung der Erschliessung der Kantonsstandorte nötig wurde, wodurch etwa acht Monate Verzögerung entstehen. Begründung: «Die umfangreiche Erarbeitung und Freigabe der Planungs-Grundlagen zum Bau der Glasfaserinfrastruktur benötigten im komplexen Umfeld zwischen Bund, Kantonen und Dritten mehr Zeit als geplant. Zudem gab es Herausforderungen bei der Beschaffung der notwendigen Informatik-Komponenten. Diese Umstände konnten trotz beschleunigender Massnahmen im Projekt nicht vollständig kompensiert werden.» Daher lancierten das BABS, das Kommando Cyber und armasuisse Immobilien eine Überarbeitung der Erschliessungsplanung der Standorte.

«Info» Das Sorgenkind «Polycom»-Funknetz

Mit dem Aufbau des Funksystems «Polycom», über das Polizei, Feuerwehr, die Kräfte des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), das sanitätsdienstliche Rettungswesen, Zivilschutz, Nationalstrassenunterhalt, Betreiber kritischer Infrastrukturen und Kräfte der Armee im subsidiären Einsatz verschlüsselt kommunizieren, wurde 2001 begonnen. Erst 2015 wurde mit dem Beitritt des Kantons Zug die lang erwartete «nationale Einheitlichkeit» erreicht.

Noch im gleichen Jahr teilte der Hersteller der Basisstationen mit, dass die Einsatzbereitschaft des Systems ab 2018 nicht mehr garantiert werden könne und die Basisstationen von TDM auf IP nachgerüstet werden müssen. Dies führte zum Projekt «Werterhalt Polycom WEP 2030», das dafür sorgen soll, dass das täglich von rund 60’000 Nutzern frequentierte Funknetz bis 2035 weiterbetrieben werden kann. Dabei wurde erst kürzlich ein wichtiger Meilenstein erreicht. Ende 2024 teilte das BABS mit: «Die Migration aller Antennenstandorte auf das neue (digitale) System ist abgeschlossen.»

Bis 2030 muss der MSK-Ersatz realisiert sein

Dennoch muss es nun zügig vorangehen, denn der zeitgerechte Ersatz des Polycom-Systems durch MSK wird eine knappe Angelegenheit. EADS, Lieferantin von Polycom, hat das System per 2035 abgekündigt, wobei Betrieb und Nutzung von Polycom bis zum Vertragsende gesichert sind. Dennoch muss die Migration von Polycom auf MSK schon deutlich früher und schrittweise erfolgen können. Entsprechend ist die Realisierung eines Grundbetriebs von MSK ab 2030 eine wichtige Etappe, die keine Verzögerungen erlaubt. Sonst wird eine vollständige, sichere Migration von Polycom zu MSK kritisch. So bleibt nicht nur aus Sicht der Blaulichtkräfte zu hoffen, dass das Projekt MSK «wie am Schnürchen gezogen» laufen wird. Sonst heisst es womöglich bald vonseiten der BORS: «Bern, wir haben ein Problem!»

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