IV Positionen - September

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DAS MAGAZIN FÜR MITGLIEDER P.b.b. Verlagspostamt 1030 Wien, Zulassungsnr. 03Z034897M

September 2016

Technologie? Gefällt mir! Sablatnig-Gastkommentar: Gefangen im System Seite 10

Interview mit Tschechiens Premierminister Bohuslav Sobotka Seite 14

Foto: istock/ guli studio

Österreich muss technologie- und innovationsfreundlicher werden, um die Chancen der Digitalisierung nützen zu können.

Vorarlberg: Leuchtturmprojekt für Vorarlberg präsentiert Seite 18


Maria Schaumayr und Herbert Krejci im Haus der Industrie

Abschiedsgrüße vom Sozialpartner: ehemaliger ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch (l.), Christian Beuerle (r.) und Herbert Krejci

Große Trauer um einen wortgewaltigen Grandseigneur ABSCHIED Am 10. August 2016 ist der langjährige Generalsekretär der Industriellenvereinigung Professor Herbert Krejci im Alter von 94 Jahren verstorben.

In seine Ära als Generalsekretär von 1980 bis 1992 fallen unzählige Aktivitäten und Initiativen, die „seine“ Industriellenvereinigung heute noch prägen: So das klare Bekenntnis der IV zu Europa. Selbst nach seiner Pensionierung setzte sich der langjährige Generalsekretär vor der Volksabstimmung 1994 maßgeblich dafür ein, die

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Menschen in diesem Land von den Vorteilen der EU-Mitgliedschaft zu überzeugen – mit Erfolg. Außerdem zeichnete er maßgeblich für den klugen Aufbau an Vorfeldorganisationen oder befreundeten Institutionen in der IV verantwortlich: Beispielhaft sei an das Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF) oder den „Arbeitskreis der Automobilimporteure“ erinnert. Auch betrieb er konsequent die Stärkung des „Industrienachwuchses“ sowie die gesellschaftspolitische Öffnung des „Schwarzenbergplatzes“, unter anderem mit Hilfe der Jungen Industrie und der Gruppe 1031. Bis zuletzt war der kritische Bürgerlich-Liberale ein scharfsinniger Beobachter der politischen Entwicklung Österreichs in einem größeren Europa. Er tat dies als das, was er war und wie er in der Vergangenheit viele Mitglieder dieses Hauses bezeichnet hat: als ein großer österreichischer Herr, der sich seiner Unabhängigkeit und Unbeugsamkeit bewusst war. Als Österreicher im klassischen Sinn, der nie Nationalist war, sondern als Europäer. Für seine großartigen Leistungen für die Industriellenvereinigung und das Industrieland Österreich sind wir Herbert Krejci zu großem Dank verpflichtet – ein ehrendes Andenken wird ihm nicht nur in der österreichischen Industrie, sondern auch weit darüber hinaus bewahrt werden! �

Fotos: IV

N

icht nur die überwältigend hohe Anzahl an Trauerbekundungen und bewegenden Nachrufen in heimischen Medien lässt ermessen, welch eindrucksvolle Persönlichkeit Österreich verloren hat: Viele Jahrzehnte hat Professor Herbert Krejci die politische Landschaft der Zweiten Republik und die Industriepolitik maßgeblich mitgestaltet und beeinflusst. Legendär waren seine klaren Analysen wie auch kantigen Pointen, mit denen er komplexe Zusammenhänge auf den Punkt brachte. Als Herbert Krejci am 1. April 1956 in die Vereinigung Österreichischer Industrieller, und zwar in die Pressestelle, eintrat, war das Haus der Industrie – noch – auf dem „Stalinplatz 4“ situiert. Wie kaum ein anderer verstand er es in den darauffolgenden Jahrzehnten – auch noch viele Jahre nach seiner Pensionierung –, wortgewaltig die Entwicklung Österreichs zu einem modernen Industrie- und Technologieland voranzutreiben.


Editorial

Hört die Signale! 2016 brauchen wir keine Maschinenstürmer, sondern Offenheit für neue Technologien.

möglich. Auch eine wirkliche strukturelle Steuerreform – die Tarifreform 2015/2016 war keine Strukturreform – muss am Programm stehen und parallel zu einer umfassenden Budgetsanierung umgesetzt werden.

Wer Arbeit und Wohlstand in Österreich will, tut gut daran, neue Technologien und Innovation zu fördern. Dies ist die Grundlage für die Fortsetzung

Punktuelle Vorstöße für neue Steuern sind jedenfalls standortschädigend.

der österreichischen Erfolgsgeschichte im Zeitalter der Digitalisierung. Der

Nach einer aktuellen PWC-Studie schultern unsere Unternehmen die viert-

digitale Wandel bringt erhebliche Veränderungen und große Chancen für den

höchste Belastung durch Steuern und Abgaben im internationalen Vergleich.

Standort. Wir werden diese Chancen aber nur nutzen können, wenn das

Insgesamt liegt Österreichs Steuerbelastung um beinahe neun Prozentpunkte

österreichische „Betriebssystem“ – Bildung, Steuern, Anreizsysteme – fit für

über dem Durchschnitt der OECD-Staaten.

die Zukunft ist. Nicht ins Bild passen da die Pläne für eine Maschinensteuer bzw. Wertschöpfungsabgabe. Sie sind nicht New Deal, sondern Old Style.

Hört also die Signale: Zukunft braucht Offenheit für Veränderung. Einnah-

Frei nach der – durch und durch falschen – Devise: Wenn wir ein Ausga-

menprobleme brauchen Reformen auf der Ausgabenseite. Arbeitsplätze

benproblem haben, erhöhen wir einfach die Einnahmen.

brauchen investitionsfreudige Unternehmen. Unternehmen brauchen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, damit die Digitalisierung ein Gewinn wird.

Es darf daran erinnert werden, dass Österreich kein Einnahmenproblem hat –

Österreich braucht keine Maschinensteuer bzw. Wertschöpfungsabgabe.

die Einnahmen der Sozialversicherungen steigen von Jahr zu Jahr unentwegt, womit auch das Hauptargument für die Einführung der neuen Steuer, dass nämlich Maschinen im großen Stil die menschliche Arbeitskraft ersetzen, zumindest bislang in Österreich nicht gilt. Dazu kommt, dass angesichts einer Steuer- und Abgabenquote von rund 45 Prozent und einer Staatsquote von über 50 Prozent sowie einer überdurchschnittlichen steuerlichen Belastung heimischer Unternehmen investitionswillige internationale Unternehmen

Ihr

verunsichert werden. Was zumindest den verbalen Versprechungen der Regierungsspitze widerspricht. Die Abgabenentlastung von Löhnen und Gehältern ist naturgemäß grundsätzlich gut und notwendig. Sie ist aber – wie wir angesichts der komplexen föderalen Strukturen täglich erleben können – auch durch Einsparungen

Christoph Neumayer, Generalsekretär

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Herausgeber, Medieninhaber und Redaktion: Vereinigung der Österreichischen Industrie (Industriellenvereinigung), Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Tel.: 01/711 35-2301, Fax: 01/711 35-2313, E-Mail: positionen@iv-net.at, Homepage: www.iv-net.at, ZVR: 806801248, LIVR-N.: 00160, EU-Transparenzregister Nr.: 89093924456-06, Vereinszweck gemäß § 2 Statuten: Die Industriellenvereinigung (IV) bezweckt, in Österreich tätige industrielle und im Zusammenhang mit der Industrie stehende Unternehmen sowie deren Eigentümer und Führungskräfte in freier und demokratischer Form zusammenzufassen; ihre Interessen besonders in beruflicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu vertreten und wahrzunehmen, industrielle Entwicklungen zu fördern, Rahmenbedingungen für Bestand und Entscheidungsfreiheit des Unternehmertums zu sichern und Verständnis für Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verbreiten. Chefredaktion: Dr. Raphael Draschtak, Andrea Gabmeyer. Redaktionelle Mitarbeit: Mag. Martin Amor, Mag. Robert Albrecht, BA. Lektorat: Mag. Brigitte Mayr. Verantwortlich für den Inhalt: MMag. Mathias Burtscher, DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Mag. Johannes Höhrhan-Hochmiller, Mag. Josef Lettenbichler, Dr. Claudia Mischensky, Mag. Gernot Pagger, Dr. Ingrid Puschautz-Meidl, Mag. Michaela Roither, Mag. Irene Schulte. Für den Inhalt der letzten drei Seiten zeichnet die jeweilige Landesgruppe verantwortlich. Grafik: Matthias Penz, Doris Grussmann.

Foto: IV

Druck: Ueberreuter Druckzentrum GmbH, 2100 Korneuburg. Erscheinungsort: Wien. Offenlegung nach § 25 des Mediengesetzes: iv-positionen erscheint 10x jährlich in einer Auflage von 8.300, Unternehmensgegenstand: Information zu industrie- und gesellschaftspolitischen Themen für Mitglieder der Industriellenvereinigung und Meinungsträger in Österreich. Siehe auch unter www.iv-net.at/b80 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet. Die verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter gleichermaßen.

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Coverstory

Technologie macht den Unterschied ALPBACH Technologiefeindlichkeit darf in Österreich keine Zukunft haben, wenn wir die Chancen der Digitalisierung für Wachstum und Wohlstand nutzen wollen. Statt Innovationen steuerlich zu belasten, muss die Politik das Interesse an neuen Technologien schon früh im Bildungssystem fördern.

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auf das Zurückholen der Produktion aus Niedriglohnländern bzw. den Aufbau neuer Innovation & Produktion. „Wir müssen die vorherrschende Technologieaversion in Technologieaffinität umdrehen“, gab deshalb IV-Präsident Georg Kapsch bei den heurigen Alpbacher Technologiegesprächen die Devise aus. Die Herausforderungen der Zukunft lassen sich nur mit Technologie lösen – und das muss auch in der Bildung so früh als möglich vermittelt werden. Es ist notwendig, „schon im vorschulischen Alter Digital Natives zu schaffen“, so Forschungsrat-Präsident Hannes Androsch in Alpbach.

MINT-Kompetenz gefragt Für die Industrie ist Offenheit für neue Technologien ein Schlüsselfaktor – und gelebter Alltag. So arbeiten etwa 85 Prozent der Leitbetriebe in Österreich regelmäßig mit Hochschulen in Forschungspro-

Fotos: Guenther Peroutka, istockphoto/ peterhowell

T

echnologieaffinität statt Technologieaversion: Das ist aus Sicht der Industrie die mentale Erfolgsformel, damit der Standort Österreich auch im Zeitalter der Digitalisierung mit Wertschöpfung und Beschäftigung punkten kann. Schon bisher stammen zwei Drittel unseres Wohlstandes aus „Wir brauchen einen technologischer Veränderung. ForAufbruch, einen geistischung und Innogen Wandel, Mut und vation werden unWillen zu massiven sere Zukunft noch Veränderungen.“ viel stärker bestimIV-Präsident Georg Kapsch men. Die digitale Tr a n s f o r m a t i o n der Industrie („Industrie 4.0“) bietet Europa und Österreich nicht nur die Chance auf neue Produkte und Geschäftsmodelle, sondern auch


Coverstory

jekten zusammen. Der MINT-Bereich hat für den Standort und seine innovativen Industriebetriebe herausragende Bedeutung. Was jedoch fehlt, sind entsprechend qualifizierte Fachkräfte. Acht von zehn größeren Industrieunternehmen berichten nach wie vor von Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal in den Zukunftsbereichen Technik, Produktion sowie Forschung & Entwicklung zu finden – und dies trotz schwächelnder Konjunktur und bereits vorhandener Förder-Initiativen im MINT-Bereich. Mitarbeiter, welche die Bereitschaft zum Lebenslangen Lernen, IT-Kompetenz sowie die Fähigkeit zum interdisziplinären Denken und Handeln mitbringen, machen gerade in der Industrie den Unterschied.

Breite Basis schaffen Von der Digitalisierung kann Österreich nur dann profitieren, wenn die richtigen

Maßnahmen im Bildungsbereich gesetzt werden. „Einen entscheidenden Hebel sehen wir bei der Stärkung der MINT-Kompetenz und ‚Awareness‘ für Technik in Österreich vor allem bei den Jungen“, erläutert IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die Industriellenvereinigung tritt daher für spielerische Frühförderung in Naturwissenschaften und Technik ab dem Kindergarten, eine neue Unterrichtskultur in der Schule und die Forcierung von Kreativität und vernetztem, fächerübergreifendem Denken quer über alle Bildungsstufen ein. Auch die Stärkung der HTL und die verstärkte Kooperation von Unternehmen und Bildungseinrichtungen sind unverzichtbar. Der jährliche „Kindertag der Industrie“ mit über 1.200 Kindern in 30 MINT-Workshops oder die neue Qualitätsmarke „MINT-Schule“ für naturwissenschaftlich-technischen Unterricht sind dafür vorbildhafte Initiativen. Denn

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Coverstory

Forschungsförderung am Prüfstand Österreichs Mittelmaß in Innovations-Rankings – im Global Innovation Index und im European Innovation Scoreboard liegen die „Innovation Leaders weit voraus – hat aber auch andere Gründe. Einer davon ist die Struktur der heimischen Forschungsförderung. Diese bewertet auch der Rechnungshof höchst kritisch. „Die Forschungsförderung ist zu kleingliedrig, sowohl auf Bundesebene als auch über die verschiedenen Gebietskörperschaften hinweg. Wir haben Dop-

multinationaler Konzerne, die rund 64 Prozent der gesamten österreichischen Forschungsausgaben leisten. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Industrie: 265 Leitbetriebe investieren jährlich rund drei Milliarden Euro F&E-Ausgaben – das ist ein Drittel der gesamten Forschungsausgaben Österreichs. Diese Investitionen stützen und nützen wiederum KMU und bringen Arbeitsplätze.

Öffentliche F&E-Ausgaben steigern

IV-Generalsekretär Neumayer: „Damit die Saat aufgeht und Österreich tatsächlich als Frontrunner positioniert wird, brauchen wir eine langfristig gesicherte F&E- und Innovations-Offensive, um F&E-aktive Unternehmen in Österreich zu unterstützen. Nur so können „Damit die Saat aufIdeen nachhaltig geht und Österreich entwickelt und tatsächlich als Frontin den Markt gerunner positioniert bracht werden.“ Schaffung wird, brauchen wir eine Die besserer Rahmenlangfristig gesicherbedingungen und te F&E- und Innovadie Absicherung tions-Offensive.“ und Stärkung der IV-Generalsekretär Christoph Neumayer Budgets für angewandte Forschung pelförderungen, keine Konzentration der sind unverzichtbar, um die InnovationsMittel auf ganz bestimmte Themen“, kri- dynamik anzukurbeln, die Wettbewerbstisiert IV-Präsident Kapsch im Einklang fähigkeit österreichischer Unternehmen mit Forschungsrat-Präsident Androsch. zu erhöhen sowie den Standort für ausAuch Androsch betont, dass man nicht al- ländische Unternehmen attraktiver zu les machen könne: „Man muss die Kunst machen. Um die Ziele der Regierung im der Reduktion und Fokussierung üben, Bereich Forschung, Technologie und Inaber dort klotzen und nicht mit der Gieß- novation zu erreichen und in internatiokanne herumkleckern.“ Seine hohe For- nalen Rankings an die Spitze zu gelangen, schungsquote verdankt Österreich seinen braucht es eine deutliche Steigerung der heimischen Unternehmen und Töchtern öffentlichen F&E-Ausgaben um rund

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zehn Prozent pro Jahr, fordert die Industriellenvereinigung.

Falsche Wege War die Erhöhung der Forschungsprämie von zehn auf zwölf Prozent ein dringend nötiges Signal für Forschungsaktivitäten in Österreich, so wäre die Einführung einer Maschinensteuer der Weg in die Sackgasse. Sie darf keine Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung sein. Diese mehr als dreißig Jahre alte Steueridee belastet vor allem unsere exportorientierten Unternehmen und verhindert dringend notwendige Investitionen am Standort Österreich, kritisiert die Industriellenvereinigung. Ebenso falsch wäre die Arbeitszeitverkürzung als Antwort auf die Digitalisierung. Sie würde nur Arbeitsplätze vernichten, wie das Beispiel Frankreich zeigt.

Offenheit sichert Zukunft Umso wichtiger ist es, dass sich ganz Österreich mit einem entsprechenden Mindset, aus dem auch die richtigen politischen Maßnahmen folgen, fit für die Chancen der Digitalisierung macht. „Wir brauchen einen Aufbruch, einen geistigen Wandel, Mut und Willen zu massiven Veränderungen. Die Bevölkerung trägt dies bei entsprechender Transparenz auch mit“, so IV-Präsident Kapsch. Früher sei es sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmer „einfacher, angenehmer und ruhiger“ gewesen. Kapsch: „Heute stehen wir vor der Entscheidung, wollen wir den Wohlstand bewahren – oder wollen wir am Ende ‚happy people on a sinking boat‘ sein?“ Offenheit für neue Technologien ist zweifellos der bessere Weg für Wohlstand und Zukunft. �

Fotos: IV/Prantl, Zinner

klar ist: Nur eine breite Basis garantiert den industriepolitisch notwendigen Zulauf zu den MINT-Exzellenzeinrichtungen wie den technischen Universitäten.


Technologiegespräche

Zukunft erfinden – Innovationsprozesse neu gestalten ALPBACH Wie entwickeln wir nachhaltige Innovationsstrategien in einer Zeit des digitalen Wandels? Die IV diskutierte im Rahmen des vffi-Arbeitskreises während der diesjährigen Technologiegespräche unterschiedliche Ansätze.

V.l.n.r.: Franz Androsch (voestalpine), Ewa Dönitz (Fraunhofer ISI), Rudolf Strohmeier (Europäische Kommission), Peter Koren (Industriellenvereinigung), Klaus Vamberszky (Zumtobel), Michael Wagenhofer (ORS), Gerhard Eschelbeck (google)

D Foto: Johannes Zinner, AIT

er digitale Wandel bietet Möglichkeiten für Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig bringt er enorme Umbrüche mit sich. Mit Blick auf diese Gesichtspunkte ging Ewa Dönitz, Fraunhofer-Institut ISI in Karlsruhe, in ihrer Keynote bei den Alpbacher Technologiegesprächen auf die Potenziale ein, welche die Disziplin Foresight für die Erstellung von Innovationsstrategien in solchen Transformationsphasen birgt. Aufbauend auf Trendforschung könnten sich Unternehmen gezielt auf verschiedene Zukunftsszenarien vorbereiten. Um innovativ zu sein, brauche es das Aufbrechen der Grenzen einzelner Unternehmensbereiche, womit aber auch die Angst vor Machtverlust über die einzelne Idee einhergehen müsse.

Innovation entsteht nicht im Elfenbeinturm Forschung und Entwicklung (F&E) müsse so dezentral wie möglich und so zentral

wie nötig organisiert sein, um möglichst starke Interaktion mit Kunden, Märkten, Produktion und Kooperationspartnern (wie Universitäten) zu haben. Innovation könne kein Thema sein, das in einem Bereich gebündelt ist, sondern müsse durch das ganze Unternehmen gehen. Unter anderem arbeite man mit standortübergreifenden und interdisziplinären Mitarbeiter-Teams, durch die Ideen gesammelt werden, um aus den besten konkrete Projekte umzusetzen. Auch Startups würden einbezogen, wenn diese Lösungen rascher anbieten können.

Innovation als Kultur Innovationsprozesse bräuchten ein Klima wie in kleinen Venture-Capital-finanzierten Spinoffs. Die Herausforderung liege nicht nur in der technischen Umsetzung von Kundenbedürfnissen, sondern darin, innovative Geschäftsmodelle und tragfähige Business Cases zu entwickeln. Gerade die erfolgreiche Markteinführung

verlaufe in der EU jedoch häufig langsamer als in anderen Regionen. Hierzulande wolle man Projekte perfekt machen. So würden in Europa 30 Prozent aller Apps entwickelt werden, im Gegensatz dazu liege aber deren Marktanteil nur bei sieben Prozent. Es brauche nicht nur die finanzielle Unterstützung von F&E, sondern auch bessere Rahmenbedingungen bei der Umsetzung am Markt. Dazu sei eine stärkere Innovationskultur wichtig. Das bestätigte auch Gerhard Eschelbeck (google) in seiner Keynote. Es gehe um raschen Markteintritt und stetige Optimierung entlang des Kunden-Feedbacks. Essenziell sei das Zulassen des “Moonshot-Thinking”, wonach man nach Lösungen strebe, von denen man sich zuvor nicht vorstellen konnte, dass sie funktionieren. Dafür müsse man weg vom “Ja, aber”-Gedanken hin zur “Ja, und”-Einstellung, denn nur so könne Neues generiert werden. �

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Junge Industrie

Die JI-Delegation mit Botschafter Helfried Carl

JI goes Twin-City-Region STUDIENREISE Rund 25 Mitglieder der Jungen Industrie Wien, Niederösterreich und Burgenland waren in Bratislava, um Politik, Wirtschaft und Automobilindustrie der Slowakei näher kennen zu lernen.

Fachkräfte als Schlüsselfaktor Im Industriebereich ist der Automotive Sektor tonangebend in der Slowakei. Fünf Prozent der slowakischen Arbeitnehmer sind direkt im Automotive Bereich angestellt und zehn Prozent der Arbeitnehmer

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V.l.n.r.: JI-Vorsitzender Matthias Unger und Vorstandsmitglied Vinzenz Kastner mit Stephan Gebeshuber und Martina Kriskova vom Außenwirtschaftscenter

sind indirekt über den starken Autosektor in Beschäftigung. Dabei ist die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften die bei Weitem größte Herausforderung für die Autoindustrie. Gerade Jugendliche in technischen (Lehr-)Berufen sind kaum vorhanden. Aus diesem Grund hat der slowakische Automobilverband in Kooperation mit dem Außenwirtschaftscenter und der WKO das Projekt „young stars“ ins Leben gerufen. Ein duales Ausbildungssystem, wie wir es aus Österreich oder Deutschland kennen, ist in der Slowakei aus staatlichen Mitteln nicht vorhanden.

Deshalb wurde die Initiative von den Vereinen gestartet, die genau eine solche Ausbildung für Schülerinnen und Schüler möglich macht, nämlich sowohl Theorieeinheiten als auch die praktische Anwendung des Gelernten. Man erhofft sich, den vorherrschenden Fachkräftemangel durch die Ausbildung von qualifizierten Arbeitnehmern reduzieren zu können, um als Standort für die Automobilindustrie weiterhin attraktiv zu bleiben. Auch österreichische Unternehmen, wie MIBA, Pankl Racing Systems, ZKW oder HTP bilden im Rahmen der Initiative Lehrlinge aus.

High-Class-Fertigung bei Volkswagen Nach der Diskussion über die Automobilindustrie war eine Besichtigung des VW-Werks in Bratislava unumgänglich. Die Volkswagengruppe beschäftigt in der Slowakei über 10.000 Mitarbeiter. Am Standort Bratislava werden hauptsächlich die SUVs des Konzerns hergestellt. Die Führung gewährte Einblick in den Produktionsprozess der Geländewagen VW Touareg, Audi Q7 und Porsche Cayenne. Ein Automatisierungsgrad von 65 Prozent bei der Herstellung und Zusammensetzung der Autos beeindruckte die JI-Mitglieder und zeigte ein gelungenes Beispiel von Digitalisierung auf. �

Fotos: JI

B Bruch otschafter Helfried Carl empfing die JI-Gruppe am Dach des Botschaftsgebäudes, um über die politische sowie wirtschaftliche Situation der Slowakei zu sprechen. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Österreich seien ausgesprochen gut, so der Botschafter. 92 Prozent der österreichischen Investoren würden sofort wieder im Nachbarland investieren. Die führenden heimischen Unternehmen seien vor allem Automobilzulieferer, Banken und Versicherungen. Laut Stephan Gebeshuber vom Außenwirtschaftscenter liege das Wirtschaftswachstum der Slowakei auch über dem EU-Durchschnitt mit einer weiterhin positiven Tendenz. Vor allem niedrige Steuern sowie niedrige Lohnnebenkosten seien entscheidende Standortfaktoren, die für Investitionen in der Slowakei sprechen. Ab 2017 soll es auch eine Ein-EuroGmbH geben, um Gründer und Startups anzulocken.


Junge Industrie

Neustart? Fehlstart! Vor dem Sommer war viel vom „Neustart“ oder auch dem „New Deal“ die Rede. Die Signale waren durchaus positiv. Jetzt neigt sich der Sommer zu Ende – und wohl auch die Daseinsberechtigung dieser Regierung.

Wo stehen wir jetzt? Regieren heißt eigentlich ge-

bestimmen über ein Abkommen von Bedeutung für

stalten. Einer starken, eben gestaltenden Regierung

die ganze EU?! Ja geht’s denn noch? Gerade für

sollte – idealerweise – eine ebenso starke Opposition

uns, ein Industrieland, das vom Export abhängig ist,

gegenüberstehen, die durch konstruktive Kritik

würden CETA und TTIP mehr Jobs und Wohlstand

ebenfalls ihren Teil zur Zukunftsgestaltung beitragen

bedeuten. Wollen wir uns wirtschaftlich ganz ins

sollte und könnte. Aktuell ist aber von Gestalten

Abseits schießen?

Seien wir ehrlich: Als „gelernte Österreicher“ haben

in Österreich keine Rede mehr. Offenbar befinden

wir uns alle ja nicht einen radikalen Wandel der

sich mittlerweile ALLE Parteien in Opposition. Und

Wenn das der „neue Stil“ ist, wenn das der „New

Regierungspolitik für diesen Herbst erwartet. Aber

der Populismus ist mittlerweile DER Nationalsport.

Deal“ sein soll, den Österreich erwarten darf, dann

zumindest schien die Einsicht zu regieren, dass

stellt sich mittlerweile wirklich die Frage, was die-

es so wie bisher nicht weitergehen könne. Vor der

Jüngstes Beispiel? CETA und TTIP, das beinahe

se Bundesregierung noch zustandebringen soll.

Sommerpause wurden dann auch noch ein paar

schon ausverhandelte Freihandelsabkommen mit

Europa ist im Wandel, Österreich braucht Wandel

Beschlüsse durchgeboxt, die teilweise durchaus in

Kanada und das angepeilte Abkommen mit den

(Stichwort Wettbewerbsfähigkeit!!) – wir brauchen

die richtige Richtung zu weisen schienen. Freilich

USA. Zumindest von den Regierungsparteien hätte

Leadership, Zukunftsgestaltung. Oppositionspar-

war auch hier bei vielen Punkten unklar, wie es im

man sich bei diesen wichtigen, weltpolitischen Fra-

teien haben wir genug. Will denn nicht irgendwer

Detail aussehen würde.

gen ein wenig Sachlichkeit erwartet. Weit gefehlt.

auch mal regieren?!

Kanzler und Vizekanzler lieferten sich mittlerweile Aber in Summe konnte man, wie im damaligen Kom-

ein trauriges Wettrennen darum, wer noch stärker

mentar angemerkt, mit einem gewissen „Gefühl der

und rascher auf die Linie von „Kronenzeitung“ oder

Hoffnung“ in den Urlaub gehen – Christian Kern hatte

„Österreich“ einschwenken könne.

Herzlichst Eure

es, als frischgebackener Kanzler, am deutlichsten formuliert: Nach den langen Jahren der Untätigkeit

Freihandel ist also plötzlich einfach nur „Pfui“, die

habe die Bundesregierung noch eine letzte Chance,

laufenden TTIP-Verhandlungen wollen beide Partei-

sonst würden beide Regierungsparteien „zu Recht“

en abbrechen, zu CETA will die SPÖ ihre Mitglieder

Therese Niss,

in die Bedeutungslosigkeit absinken.

befragen – die Mitglieder einer Partei in Österreich

Bundesvorsitzende der Jungen Industrie

BUNDESTAGUNG DER JUNGEN INDUSTRIE 6.-8. OKTOBER 2016 LINZ, OBERÖSTERREICH

www.jungeindustrie.at/bundestagung

Foto: xxxxxxxxx

Auf_Bruch Technologischer Fortschritt und Internationalisierung sorgen in Industrie und Arbeitswelt zunehmend für tiefgreifende Veränderungen. Diese Umbrüche erfassen alle Bereiche des Lebens und stellen vor allem auch das Bildungssystem vor neue Herausforderungen. Forschung und Entwicklung werden für Unternehmen

A

immer stärker zum zentrealen Standortfaktor. Im Rahmen der JI-Bundestagung 2016 wird in Linz der Frage nachgegangen, welche Rahmenbedingungen in Bildung, Forschung und Gesellschaft es in Österreich braucht, um die Chancen dieser Entwicklungen bestmöglich zu nutzen.

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Gastkommentar

Gefangen im System tönen: Mehr Autonomie? Modellregionen für die ge-

als Bundeskanzler angetreten. In der Bildungsfrage

meinsame Schule? Neue Verwaltung und Behörden

kann er zeigen, wie ernst er es damit meint und ob

ganz neuen Typs? Fehlanzeige. Die Überschriften im

er das Zeug hat, scheinbar hoffnungslos verfahrene

Vielleicht war es dem mangelnden Schlaf nach einer

rot-schwarzen Reformpapier haben sich als leere

Konstellationen aufzulösen – und zwar so, dass trotz

durchverhandelten Nacht geschuldet, dass die da-

Floskeln entpuppt, die den Lackmustest sogenannter

der Polarisierung nicht eine Seite das Image des Siegers

malige Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek

„Detailverhandlungen“ nicht bestanden haben. Zu

für sich monopolisieren kann.

am 17. November des Vorjahres den Mund richtig

groß ist die Zahl jener, die bei der Schule mitreden

voll nahm: „Das Bildungssystem geht in eine neue

wollen: Bund, Länder, Gemeinden, Gewerkschaft. Zu

Kurzfristigen Applaus dürfen sich Kern & Co dabei

Zeit“, verkündete sie. Rot und Schwarz hatten es da

widersprüchlich sind ihre Interessen. Ihre Hebel sind

nicht erhoffen. Wirklich spürbar werden die Ergebnisse

gerade noch einmal geschafft, pünktlich zum bereits

das Geld und eine Personalpolitik uralten Stils. Und

von Reformen im Schulsystem erst nach Jahren. Und

Monate zuvor fixierten Termin eine Bildungsreform zu

weil echte Einigungen in dieser Konstellation schwer

wer weiß, wer dann die Ernte einfahren kann. Nötig

präsentieren. Zehn Monate und ein Schuljahr später

zu erzielen sind, passieren Entwicklungen wie die

sind die Schritte dennoch: Im Interesse der Kinder

ist Heinisch-Hosek als Ministerin Geschichte. Und die

Neue Mittelschule: In dieses Prestigeprojekt einer noch

und Jugendlichen, im Interesse des ganzen Landes,

Bildungsreform? Ein erster Teil ist beschlossen und

früheren Ministerin fließt

in Kraft: In den ersten drei Volksschulklassen gibt es

viel Geld, um das etliche

kein Sitzenbleiben mehr. Außerdem werden mehr als

Standorte gute Ergeb-

2.000 Schulversuche eingespart, weil nicht mehr jede

nisse liefern mögen. Die

Volksschule einzeln einen Schulversuch anmelden

Kosten stellt aber nicht

muss, wenn sie auf Ziffernnoten verzichten will. Neu

nur der Rechnungshof

ist auch, dass schon im Kindergarten der Sprach- und

in Frage.

Entwicklungsstand erhoben werden soll, um bis in die Schule hinein die Förderung anpassen zu können.

Unter dem Strich sind

„Unser Schulsystem schafft es weniger gut als in anderen Ländern, den sozialen Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen.“ Wolfgang Sablatnig ist Wien-Korrespondent der

die Folgen dieser Politik

„Tiroler Tageszeitung“

Schließlich die Ausbildungspflicht: Wer die Schulpflicht

bekannt: Unser Schul-

beendet hat, soll eine Lehre oder eine weiterführende

system schafft es weni-

Schule absolvieren müssen. Wie groß der Bedarf ist,

ger gut als in anderen Ländern, den sozialen Aufstieg

das nur so im internationalen Wettbewerb bestehen

zeigte eine Studie im Auftrag von Sozial-, Bildungs- und

durch Bildung zu ermöglichen. Nach wie vor bestimmt

kann. Anfang Dezember steht mit der Veröffentlichung

Wirtschaftsministerium: Bis zu sieben Prozent der Ju-

der Bildungsstand der Eltern die Bildungschancen der

der aktuellen PISA-Ergebnisse die nächste Zeugnis-

gendlichen eines Jahrgangs laufen Gefahr, sich aus der

Kinder – und damit deren Chancen am Arbeitsmarkt.

verteilung bevor. Wenn die Antwort darauf die ewig

Bildung zu verabschieden. Aktuell haben das 16.000

Wenn Pädagogen und Direktoren in der Schule eine

gleiche Diskussion um Gesamtschule, verschränkten

Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren gemacht:

anregende Atmosphäre schaffen, gelingt ihnen das nicht

Unterricht und die Verwaltung der Lehrer ist, wissen

ein One-Way-Ticket in die Dauerarbeitslosigkeit. Und

wegen, sondern trotz des Bildungssystems. Christian

wir, dass die neuen Zeiten noch nicht angebrochen

die anderen Ankündigungen, die noch in den Ohren

Kern ist im Mai mit dem Versprechen eines „New Deal“

sind – „New Deal“ hin oder her.

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Fotos: Tiroler Tageszeitung, istockphoto/Andrew_Rybalko

Kaum ein Bereich braucht Christian Kerns „New Deal“ dringender als die Schulen und die Bildungspolitik.


Europa

Europa nach dem BREXIT EXIT Die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt liegt auf dem Tisch. Wann er vollzogen wird, ist offen – wie auch das künftige Verhältnis zum Vereinigten Königreich.

S

eit nun etwas mehr als acht Jahren befindet sich Europa in einer Periode fortlaufender, aufeinanderfolgender und voneinander abhängiger wirtschaftlicher wie politischer Krisen. Die vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten der EU wurden dabei schonungslos offengelegt. Resultat war eine Glaubwürdigkeitsund Vertrauenskrise der EU von innen und außen. Mit dem Brexit kommt eine weitere Unsicherheit über den künftigen Kurs der Union hinzu. Da die Entscheidung der Briten auf dem Tisch liegt, gibt es aus Sicht der Industrie keinen Grund für Verzögerungen – die saubere Trennung sollte rasch verhandelt und effizient abgewickelt werden. Großbritannien muss ein klares Verhandlungsziel definieren, die EU darauf mit einer gemeinsamen und konkreten Strategie reagieren. Dies wäre ein erster, wichtiger Schritt, um die Phase der Unsicherheiten zu überwinden und durch entschlossenes, gemeinsames Handeln wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Foto: istockphoto/Christopher Ames

Verhandlungsbeginn wohl erst 2017 Gemäß Art. 50 des Vertrages über die Europäische Union der EU muss die neue britische Premierministerin Theresa May zunächst schriftlich den Austritt erklären, um den Brexit einzuleiten. Dies könnte erst im September 2017 der Fall sein. Nach dem Antrag würden Verhandlungen über ein Abkommen, das die Modalitäten des Austritts und die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU regeln soll, beginnen. Die EU-Mitgliedschaft würde dann automatisch zwei Jahre nach der Notifizierung enden. Diese Frist kann jedoch einstimmig vom Europäischen Rat verlängert werden. Während des gesamten Austrittsprozesses bleibt das Vereinigte Königreich ein vollwertiges EU-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten. Das heißt volle Befugnisse in EU-Institutionen, vol-

ler Zugang zum EU-Binnenmarkt und volle Anwendung der vier Grundfreiheiten (Waren, Dienstleistungen, Personen, Kapital). Das Austrittsabkommen wird vom Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit (ohne Beteiligung Großbritanniens an der Abstimmung) nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen. Sowohl die EU als auch die Briten haben bereits ihren Beauftragten für die Brexit-Verhandlungen ernannt. Auf EU-Seite wird Michel Barnier (ehemaliger EU-Kommissar und französischer Außenminister) zum Chefverhandler der Brüsseler Behörde. Ihm gegenüber wird der neu ernannte EU-kritische Brexit-Minister David Davis Platz nehmen.

Die Chance auf Erneuerung nutzen Ausgehend von der beschriebenen Sachlage wäre es aus Sicht der IV verfrüht, das optimale Modell einer künftigen Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu definieren. „Als leitendes Prinzip soll ein ausgewogener Ansatz gefunden werden, die Briten einerseits möglichst eng wirtschaftlich an die EU zu binden, jedoch die Teilnahme am Binnenmarkt mit entsprechenden Verpflichtungen im Verhältnis zu seiner Nichtmitgliedschaft zu versehen“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die EU täte gut daran, nach dem Brexit-Referendum die Europaverdrossenheit vieler EU-Bürger ernst zu nehmen und sei gefordert, rasch Antworten für ihre Zukunftsfähigkeit zu geben. „Erforderlich ist vor allem die Bereitschaft

der politischen Entscheidungsträger, notwendige Veränderungen in Angriff zu nehmen und an einem besseren, neuen, wettbewerbsfähigen Europa zu arbeiten. Für die Zukunft Europas brauchen wir eine handlungsfähige Union, die den Anforderungen der aktuellen Krisen und vor allem der Zukunft gerecht wird“, so Neumayer, der klarstellt: „Es braucht vor allem eine gemeinsame Strategie zur raschen Bewältigung der dringlichsten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, um die Handlungsfähigkeit der EU zu beweisen und somit die schwächelnde Glaubwürdigkeit im Innen- wie auch Außenverhältnis wiederaufzubauen.“ Beim Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefs am 16. September in Bratislava gibt es dazu die Gelegenheit. �

INFORMATION Evangelia Pipergia e.pipergia@iv-net.at

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Leadership Frauen

Leadership und Diversität VIELFALT Wie Führungskräfte mit Diversität umgehen, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg interkultureller Teams.

Die Praxis lässt erkennen, dass Unternehmen sich erst dann nachhaltig mit Diversität beschäftigen, wenn das Thema in der obersten Führungsebene Priorität hat. Dabei sollten Diversität und Vielfalt fixer Bestandteil jedes modernen Unternehmens sein, denn sie gelten als Wachstumsschub für Betriebe.

Führungskräfte müssen Vielfalt managen Führungskräfte eines Unternehmens müssen den Nutzen und den wirtschaftlichen Mehrwert erkennen, den ihnen Diversität im Sinne von Alter, Behinderung, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung bietet. Führungskräfte sollten sich dabei

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ihrer Multiplikatorrolle bewusst sein und sich gleichzeitig Kompetenzen für inklusive Führung aneignen. Der Umgang mit Gleichbehandlung entscheidet über die Attraktivität eines Arbeitsplatzes und sagt viel über die Firmenphilosophie aus. Vielfalt ist ein wesentlicher Motor für Innovation in Bezug auf die Eröffnung neuer Märkte. Wenn beispielsweise Unternehmen ihre Geschäfte ins Ausland ausweiten und neue Märkte erobern, ist es durchaus förderlich, wenn multikulturell zusammengesetzte Teams neue Produkte entwickeln, sich Mitarbeiter aus dem Zielland um die Kunden aus dem Herkunftsorts des Unternehmens kümmern oder einen internationalen Marketingplan erstellen. „Durch meine Arbeit als Techniker im First-Level-Support komme ich mit vielen Menschen aus aller Welt und aus anderen Zeitzonen ins Gespräch. Egal, ob aus Deutschland, Amerika oder Asien – es macht mir sehr viel Spaß, in einer so vielfältigen Umgebung zu arbeiten“, so der System Engineer Ho Chih Chao Edmund aus Malacca, der bei dem Unternehmen Infineon beschäftigt ist. In gemischten Teams sind Horizonte oft breiter und Entscheidungen robuster. In Zeiten der Globalisierung sollten Belegschaften also bunter werden. Un-

ternehmen mit Diversitäts-Strategien verfolgen dieses Ziel. So auch die BMW Group, die auf eine vielfältige Belegschaft setzt, um die Leistungsfähigkeit und die Innovationskraft des Unternehmens zu sichern und zu stärken. Diversity-Management und die Führung von internationalen Teams wird somit zu einer Führungsaufgabe.

Neue Herausforderungen um eine gesellschaftliche Verantwortung Führungskräfte können beeinflussen, ob interkulturelle Teams erfolgreich zusammenarbeiten oder nicht. Dabei können Leader aber häufig auf Herausforderungen stoßen. Denn wo kulturell unterschiedlich geprägte Menschen zusammen-

Foto: Istockphot/Yuri_Arcurs

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iversität und Vielfalt machen sich heute in vielen Lebensbereichen bemerkbar: Wir leben länger, sind internationaler und globalisierter, unsere Gesellschaft wird durch Zuwanderung heterogener und die Rollenbilder von Frau und Mann verändern sich. Diversität ist kein neues Phänomen, aber die Intensität und Geschwindigkeit dieser Entwicklungen nimmt stetig zu. Doch wie geht man als Führungskraft in einem Unternehmen mit den Herausforderungen dieser neuen ethnischen Vielfalt um?


arbeiten, kann es oft zu Spannungen und Missverständnissen kommen – damit gilt es, richtig umzugehen. Zum einen fördert Weiterbildung zu Konfliktmanagement und Kommunikation die Produktivität heterogener Teams. Denn schwierig wird es dann, wenn Unterschiedlichkeit nicht thematisiert wird. Führungskräfte interkultureller Teams sollten außerdem Verständnis für religiöse Gepflogenheiten zeigen.

Aktives Diversitäts-Management Diversity-Management versucht also, Vielfalt in einem Unternehmen konstruktiv zu nutzen und potenzielle Risiken zu vermeiden. Dafür sollten Entwicklungen antizipiert und aktiv angegangen werden. Einige Unternehmen sind diesen Weg

schon vorausgegangen. In der technisch orientierten Bahnwelt der ÖBB etwa, sind immer mehr Frauen höchst erfolgreich tätig. So ist zum Beispiel Valerie Hackl Vorstandsmitglied der ÖBB-Personenverkehr AG. Durch die Verabschiedung der „ÖBB Gleichstellungs-Policy“ und der „Diversity Charta 2020“ zielt der Konzern aktiv auf die Erhöhung des Frauenanteils und der Vielfalt. So soll unter anderem bis 2020 der Frauenanteil bei Neubesetzungen von Führungspositionen auf 20 Prozent erhöht werden. Auch die Firma Infineon hat sich dieses Ziel vorgenommen. Die BMW Group ist sich ebenso sicher: „Diversity und Inclusion sind Bestandteil der sozialen Verantwortung, die Unternehmen für ihre Mitarbeiter haben.“ �

INFORMATION Bei Interesse für für weitere Informationen: Cecily Weinberger, c.weinberger@iv-net.at

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Staatsbesuch

„Wir sind an guten Nachbarschaftsbeziehungen mit Österreich interessiert“ INTERVIEW Im Gespräch mit den iv-positionen betont Tschechiens Premierminister Bohuslav Sobotka die Wichtigkeit gesamteuropäischer Zusammenarbeit. Die positive Wirtschaftsentwicklung seines Landes führt er auf mutige, nachhaltige Reformen zurück. Verwaltung. Wir führen eine Reihe von Maßnahmen ein, um die Möglichkeit der Korruption zu verringern. Dank des sogenannten Kontrollberichtes wollen wir die sogenannten Karussellgeschäfte, also Steuerhinterziehung, bekämpfen. Die graue und schwarze Wirtschaft sollte auch im Zuge der elektronischen Aufzeichnung des Umsatzes, deren Implementierung in der Praxis nun vor uns steht, schrumpfen.

V.l.n.r.: Jan Sechter (Tschechischer Botschafter), Peter Koren (IV-Vize-Generalsekretär), Christoph Neumayer (IV-Generalsekretär), Bohuslav Sobotka (Tschechischer Premierminister)

Stabilität erreicht. Wir investieren langfristig in wirtschaftliches Wachstum, Bildung, Wissenschaft und Forschung. Welche sind die wichtigsten Wirtschaftsreformen, die Ihre Regierung eingeführt hat oder plant einzuführen? Derzeit bereiten wir eine Änderung des Investitionsförderungsgesetzes vor, was die positive strukturelle Wirkung auf die Investitionen weiter vertiefen soll. Als wichtiges Ziel haben wir uns bis zum Ende unseres Mandats die Vorbereitung des Gesetzes zum sozialen Wohnungsbau gesetzt, welches das Problem der Erschwinglichkeit des Wohnens systematisch lösen soll. Die zweite Richtung ist dann die transparente und effektive

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Europa steht im Moment vor vielen Herausforderungen. Unter anderem ist die Wettbewerbsfähigkeit Europas in Schwierigkeiten. Welche sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Themen und was ist notwendig, damit die EU auch in Zukunft ein starker globaler Akteur bleibt? In einer Situation, die durch eine pessimistische Stimmung wegen des Ergebnisses des britischen Referendums gekennzeichnet ist, ist es für die Europäische Union wichtig, zur Grundlage des Gedankens der Integration zurückzukommen: die Handlungsfähigkeit und das gemeinsame Vertrauen im Zusammenhang mit dem Wissen, dass wir zusammen mehr schaffen. In der Praxis bedeutet das, sich auf das zu konzentrieren, was funktioniert – und das ist der Großteil. Im Gegensatz dazu, darf

sich die Union nicht auf jene Themen beschränken, welche die einzelnen Staaten polarisieren, bei denen kein Fortschritt möglich ist und die Missverständnisse und unnötige Gräben verursachen. Die Europäische Union und ihre Institutionen müssen den Bürgern besser zuhören, die Rolle der nationalen Parlamente wahrnehmen und den Menschen besser die Vorteile eines gemeinsamen Vorgehens zeigen. Wie schätzen Sie die Bedeutung der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit in der MOE-Region ein und sehen Sie einen möglichen Raum für Verbesserungen? Österreich und Tschechien sind durch intensive, interessante und für die Zukunft tragfähige Wirtschaftsbeziehungen verbunden. Die Tschechische Republik ist das zweitwichtigste Land für österreichische Direktinvestitionen und weltweit der sechstwichtigste Handelspartner Österreichs. In Mittel- und Osteuropa ist sie sogar ihr wichtigster Export- und Handelspartner überhaupt. Wir sind an guten Nachbarschaftsbeziehungen mit Österreich interessiert. Seit zwei Jahren unterstützt meine Regierung eine Verstärkung der bilateralen Beziehungen und Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Wie ist die Stellungnahme Ihrer Regierung zum TTIP-Abkommen und wie wichtig ist das Abkommen Ihrer Meinung nach für die tschechische Regierung und Europa? Die Tschechische Republik ist eine relativ kleine und exportorientierte Wirtschaft. Dies bedeutet, dass es für uns von wesentlicher Bedeutung ist, sich der Welt zu öffnen, sowohl auf der Ebene der europäischen Märkte als auch weltweit. Es ist deshalb logisch, dass wir die Vereinbarung des TTIP-Abkommens – genauso wie des CETA- oder des Handelsabkommens mit Japan oder Vietnam – unterstützen. �

Foto: IV

Die tschechische Wirtschaft wächst über dem europäischen Durchschnitt. Was sind die wichtigsten Gründe dafür? Unsere Regierung hat mit wesentlichen Veränderungen in der Wirtschaftspolitik begonnen. Anstatt die ökonomische Krise durch eine Politik der Kürzungen zu vertiefen, haben wir uns für eine Wachstumspolitik entschieden. Damit haben wir die Wirtschaft aus der Stagnation geführt und sowohl ökonomische als auch politische


Bildung

MINT Industrieunternehmen unterstützen gemeinsam mit dem Young Science-Zentrum Schüler bei der Themenfindung für schulische Abschlussarbeiten.

Ein Blick durch das Elektronenmikroskop: Naturfaserverstärkte Bio-Duromere

Forschung als Inspiration für Maturanten

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m Rahmen der neuen Reifeprüfung sind junge Menschen verpflichtet, sogenannte „Vorwissenschaftlichen Arbeiten“ (VWA) bzw. Diplomarbeiten zu verfassen. Die Themensuche gestaltet sich nicht immer einfach. Dabei werden die Schüler nun durch die Young Science-Themenplattform der OeAD-GmbH unterstützt. Auf der Plattform präsentieren Forscher ihre aktuellen Projekte und geben Anregungen für Themen schulischer Abschlussarbeiten. Darüber hinaus erleichtern Literatur-Tipps einen erfolgreichen Einstieg in die Thematik. Auch die Industriellenvereinigung (IV) ist Partner der Young Science-Themenplattform. Neben zahlreichen Forschungseinrichtungen engagieren sich bereits neun innovative Mitgliedunternehmen aktiv: A1, Berndorf Metall- und Bäderbau, EPCOS, Fronius, Lohmann & Rauscher, Mondi, Siemens, Teufelberger, voestalpine.

Fotos: Jan Makotschnig, OeAD

Jugendliche sind begeistert Dass dieses Engagement sehr gut ankommt, beweisen zahlreiche Arbeiten. Deren Ursprungsideen basieren auf realen Forschungsprojekten, die sich auf der Plattform präsentieren. Auf diese Weise wählte auch Jan Makotschnig, Schüler am BG/BRG Leoben NEU, sein Thema. Jan fand auf der Themenplattform das Projekt „Green Composites

for Green Technologies“ der Montanuniversität Leoben. Nun schreibt er seine Arbeit über „Naturfaserverstärkte Biopolymere“. Den 17-Jährigen faszinieren hierbei vor allem die „Ich fand mein Thema Vielseitigkeit von mit Hilfe der ThemenKunststoffen und plattform und nun deren umweltgehört den Kunststoffen freundliche Asmeine Zukunft.“ pekte: „Diesem Jan Makotschnig Stoff sind fast keine Grenzen gesetzt.“ Die Begeisterung geht so weit, dass Jan seinen Ausbildungsweg mit dem Studium Kunststofftechnik auf der Montanuniversität in Leoben fortsetzen möchte.

Die Plattform wächst Derzeit sind bereits über 900 Forschungsprojekte und mehr als 5.000 Themenanregungen online – und es werden stetig mehr. Unternehmen nutzen die Möglichkeit, interessierte junge Menschen an der Schwelle zwischen Schule und weiterführenden Bildungsund Berufswegen mit spannenden Forschungsfragen zu begeistern und damit MINT-Talente (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) von morgen aufzubauen. �

INFORMATION Die Young Science-Themenplattform für schulische Abschlussarbeiten ist ein Projekt von Young Science, dem vom BMWFW finanzierten und beim OeAD angesiedelten Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule. Informationen unter: www.youngscience-themenplattform.at Formular für interessierte Unternehmen, das ausgefüllt an die angeführte Mailadresse geschickt werden kann: www.youngscience.at/vorlage

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IV-Broschüre

Leben von und mit der Zuwanderung POSITION Die IV hat ein neues Positionspapier für eine zukünftige Migrations- und Integrationspolitik vorgestellt.

Gesteuerte versus ungesteuerte Migrationsbewegungen Die Transnationalität der Lebenswelten, globale Netzwerke und Mobilität neh-

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men weiterhin zu. Österreich und die Europäische Union befinden sich in einem tiefgreifenden, migrationsbedingten gesellschaftlichen Wandel. Ungesteuerte Zuwanderung stellt die Souveränität der Nationalstaaten auf den Prüfstand und die EU vor enorme Herausforderungen. Es bedarf mittel- bis langfristiger Strategien zum Umgang mit allen Formen der Migration. Insbesondere für Österreich bedeutet dies: die Erarbeitung einer einheitlichen Zuwanderungsstrategie, Reformen der Rot-Weiß-Rot-Karte, die Entwicklung von Anwerbestrategien für gewisse Ziel- und Herkunftsländer, Abschluss von Mobilitätspartnerschaften und Ausbildungsvereinbarungen sowie eine verstärkte Kooperation mit weltweit führenden Hochschulen und Unternehmen.

Förderung der Selbsterhaltungsfähigkeit und Entlastung der österreichischen Sozialsysteme (Beschäftigungsförderung statt Transferleistung) können u.a. Einstiegsjobs, Eingliederungsbeihilfen in Kombination mit Qualifizierungsförderungen und eine Forcierung der Arbeitserprobung erste Maßnahmen darstellen. �

INFORMATION Die Broschüre zum Download unter www.iv-net.at/mediathek Alexandra Schöngrundner a.schoengrundner@iv-net.at

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Integration: Arbeitsmarktintegration als zentraler Schlüssel Für Menschen mit Migrationshintergrund hat die rasche Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch eine gezielte Beschäftigungsförderung oberste Priorität. Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration setzt arbeitsplatznahe und den Bedürfnissen der Wirtschaft entsprechende Qualifizierung voraus (Integration durch Bildung). Zur

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Fakten, Positionen & Lösungsansätze

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Foto: Istockphoto/Rawpixel Ltd

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as neue IV-Positionspapier, „Migration und Integration neu gestalten“, welches Vorschläge für eine zukünftige Migrations- und Integrationspolitik beinhaltet, wurde im Juni der Öffentlichkeit vorgestellt. Neben einem Leitbild für gesellschaftliche Integration beinhaltet das Papier Ursachen und Hintergründe der Fluchtmigration sowie Empfehlungen zur Steuerung der Zuwanderung. Insbesondere im Bereich der qualifizierten Arbeitsmigration orientiert sich die Broschüre an erfolgreichen Praxisbeispielen und benennt den konkreten Reformbedarf für Österreich wie u.a. eine Neukodifizierung des Fremdenrechts und ein Einwanderungsgesetz. Im Bereich der zukünftigen Integration braucht es mehr Eigenverantwortung und Solidarität, einen verbesserten Zugang zur Bildung und zum Arbeitsmarkt und eine nachhaltige Vermittlung von gesellschaftlichen Grundprinzipien des Zusammenlebens. Nachfolgend zwei Schwerpunkte des Positionspapiers.


Aktuell

ABB setzt auf Digitalisierung als Chance für Wettbewerbsfähigkeit ZUKUNFT Produktion funktioniert digital. Diese Erkenntnis machen sich immer mehr Unternehmen zu eigen. Und behaupten sich damit erfolgreich im internationalen Wettbewerb.

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in Sensor, der an Maschinen angebracht wird und selbstständig Wartungsarbeiten sowie die Befindlichkeiten des Roboters kommuniziert, wurde vor kurzem auf der Hannover Messe, der bedeutendsten Industriemesse der Welt, vorgestellt. Dieser „Smart Sensor“ zeigt deutlich: Wenn es um Digitalisierung geht, ist der ABB-Konzern einer der führenden europäischen Akteure. Durch Innovation und Technologie wer-

CEO Ulrich Spiesshofer erzählt von den künftigen Plänen des ABB-Konzerns.

den Ausfallszeiten reduziert und Energie gespart. Laut ABB-Chef Ulrich Spiesshofer geht der Weg noch weiter in diese Richtung – von der Hardware hin zu Software und Netzwerklösungen. Die Ausrichtung auf Automatisierungstechnik ist Teil eines umfassenden Konzernumbaus des führenden Energietechnikunternehmens. Gerade in Österreich geht die Angst vor Jobverlusten mit der Debatte um Digitalisierung einher. Tätigkeiten vor allem in Verwaltung und Einkauf könnten dadurch ersetzt werden, so die Befürchtung. Auf der anderen Seite käme es jedoch zu einer Re-Lokalisierung der Industrie, welche die Chance birgt, Wertschöpfung wieder in Länder wie Österreich oder Deutschland zurückzubringen, ist Spiesshofer überzeugt. Noch mit jeder industriellen Revolution seien mehr Arbeitsplätze entstanden, als wegfallen. Durch die Rückkehr von Produktion nach Europa könne man den Kunden sehr viel

stärker in die Planung und Automatisierung miteinbeziehen und somit vernetzte Lösungen für Gesamtprozesse anbieten. Für den ABB-Chef steht daher fest: „Es wird eine Re-Lokalisierung und eine Verdichtung geben, und der Mensch geht immer stärker weg von den Fleißaufgaben, vom Ausfüllen von Formularen und den Feinberechnungen, hin in Richtung Kreativität.“ �

FACTBOX Der internationale Konzern erwirtschaftete im Vorjahr einen Umsatz von 35,5 Milliarden US-Dollar. Heute sind insgesamt 135.000 Beschäftigte für die ABB AG weltweit tätig. In Österreich verfügt die ABB über sieben Standorte mit Hauptsitz in Wien und ist in den Bereichen Automatisierung und Energietechnik tätig. Mit rund 400 Angestellten und einem Jahresumsatz von zuletzt 174 Millionen Euro zählt ABB Österreich zu den 250 größten heimischen Unternehmen. ABB Österreich gliedert sich in vier Divisionen: Elektrifizierungsprodukte, Industrieautomation und Antriebe, Prozessautomatisierung sowie Stromnetze.

IV gratuliert den Absolventinnen von „Zukunft.Frauen 10“ ABSCHLUSS Am 14. Juli 2016 lud das BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in Kooperation mit der IV und der WKÖ zur feierlichen Diplomverleihung des zehnten Durchgangs des Führungskräfteprogramms „Zukunft.Frauen“.

Fotos: ABB, Anna Rauchenberger

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ie Abschlussveranstaltung des Jubiläumsdurchgangs von „Zukunft.Frauen“ stand unter dem Motto „Leadership 4.0 – Herausforderungen für das Management von morgen“. Fredmund Malik beschäftigte sich in seiner Keynote „Dem Wandel voraus – Komplexität, Governance und Leadership“ mit der Frage nach neuen Anforderungen an Führungskräfte. In eine ähnliche Richtung ging der Impuls von BM Sophie Karmasin sowie die anschließende hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Führung im Zeitalter von Industrie 4.0

– Potenzial für weibliches Leadership“. Nach dem inhaltlichen Teil gratulierten Christian Friesl (IV), Anna Maria Hochhauser (WKÖ) und Michael Losch (Wirtschaftsministerium) den Absolventinnen und überreichten die Abschlusszertifikate. „Zukunft.Frauen“ findet immer mehr Zuspruch. Mit dem zehnten Durchgang haben bereits 220 Frauen das Programm absolviert. Im Herbst 2016 findet der elfte Durchgang statt. Aufgrund der großen Nachfrage sind zwei weitere Durchgänge für 2017 in Planung. www.zukunft-frauen.at �

Die Absolventinnen des Moduls 10 mit Christian Friesl (IV), Anna Maria Hochhauser (WKÖ) und Michael Losch (Wirtschaftsministerium)

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Vorarlberg

Ein Leuchtturmprojekt für Vorarlberg INNOVATION IV-Vorarlberg, Doppelmayr und KAIROS präsentierten kürzlich mit der „Wälderbahn der Zukunft“ eine Weltneuheit als innovative Verkehrsverbindung.

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n der zu Beginn des Jahres präsentierten Strategie für ein wettbewerbsfähiges, lebenswertes Industrieland Vorarlberg ist eine der konkret vorgeschlagenen Maßnahmen die Umsetzung eines Vorarlberger Leuchtturmprojekts mit internationaler Strahlkraft. Unter Leuchtturmprojekt versteht die Industriellenvereinigung eine Initiative, bei der Technologie, Knowhow und Kreativität aus Vorarlberg für Vorarlberg genutzt wird, nach innen verbindet und nach außen strahlt – und man ist fündig geworden. Basierend auf einer Doppelmayr-Innovation hat das Projektentwicklungsbüro KAIROS ein Konzept für die „Wälderbahn der Zukunft“ erstellt, das am 30. August gemeinsam der Presse präsentiert wurde.

Haltestelle Dornbirn Bahnhof

Fotos: IV-Vorarlberg, KAIROS/Doppelmayr, Apple Karten

Das Projekt Konkret es geht um eine Verkehrsverbindung vom Bahnhof Dornbirn per Hochbahn durch die Stadt und per Seilbahn über das Hochälpele nach Bersbuch im Bregenzerwald, ohne jemals die Gondel verlassen zu müssen (siehe Seite 19). Eine derartige Kombination aus Hoch- und Seilbahn gibt es weltweit noch nicht und wäre eine leistungsfähige und nachhaltige Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs. Für IV-Vorarlberg-Präsident Martin Ohneberg hat die von Doppelmayr entwickelte und von KAIROS vorgeschlagene „Wälderbahn der Zukunft“ großes Potenzial, ein wegweisendes und strahlendes Leuchtturmprojekt vor der Haustüre zu werden, wo heimische Innovation sichtbar gemacht wird: „Die Chancen, die sich aus so einem Projekt ergeben können, sind gewaltig, von der zusätzlichen Wertschöpfung und Werbung für Vorarlberg ganz abgesehen. Wir sollten in eine offensive Diskussion dazu einsteigen und uns auf den Weg machen“, so Ohneberg, der

Streckenführung an der Dornbirner Ach

zeitgleich verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung wie beispielsweise Public-private-Partnership und Infrastrukturanleihen ins Spiel bringt.

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Haltestelle Sägerstraße


Vorarlberg V.l.n.r.: Martin Ohneberg (IV-Vorarlberg), Martin Strele (KAIROS) und Hanno Ulmer (Doppelmayr) bei der gemeinsamen Pressekonferenz

Haltestelle Bersbuch

Haltestelle Brüggelekopf

Die Projektentwickler von KAIROS haben mit www.waelderbahn.at eine Anlaufstelle für Lob, Kritik und Anregungen geschaffen. Dort kann auch das Video zum Projekt angesehen werden.

Haltestelle Karren

Die Reaktionen Die ersten Rückmeldungen sind überwiegend positiv, natürlich gibt es aber auch noch zahlreiche zu klärende Fragen. Besonders auf sozialen Netzwerken verbreitete sich das Projektvideo rasend schnell und verzeichnete zehntausende Zugriffe und viele Kommentare. Die Präsentation war der Aufruf, in eine

offensive Diskussion einzusteigen. Die vielen Rückmeldungen in Form von Anregungen, Kritik, Ideen und Ratschlägen gilt es nun in die Weiterentwicklung des Konzepts einzuarbeiten. Gleichzeitig werden zahlreiche Gespräche im Sinne dieses Leuchtturmprojekts zum Nutzen des Standorts und zum Nutzen der Menschen geführt werden. �

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Vorarlberg

VORARLBERG

MINT-Fächer begeistern PH-Studierende EXKURSION 70 angehende Lehrerinnen und Lehrer der Pädagogischen Hochschule (PH) fuhren vor der Sommerpause im Juni auf Einladung der IV-Vorarlberg in das Swiss Science Center Technorama in Winterthur. der Ausbildung der Lehrkräfte. Das Swiss Science Center Technorama bietet vielseitige Themenbereiche mit umfangreichen Experimentiermöglichkeiten. Im eigenen Tun werden Neugierde, Begeisterung und Verständnis für naturwissenschaftliche Phänomene und Fragestellungen geweckt und Lehrende in der Didaktik der Naturwissenschaften geschult. Nach einer „Einführung in die Didaktik interaktiven Lernens“ durch Mitarbeiter des Technoramas befassten sich die angehenden Lehrpersonen beim eigenständigen Erkunden u.a. mit den Fragen „Was bringt mich dazu, bei einem

Drei JI-Landesgruppen bei BMW

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m 24. Juni besichtigten 30 Mitglieder der Jungen Industrie aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg das BMW-Stammwerk in München. Ein intensives Programm aus interessanter Werksführung, hochprofessioneller Markenpräsentation in der BMW Welt sowie ein kulinarisches Highlight beim gemeinsamen Mittagessen der JI-Landesgruppen erwartete die Teilnehmer. Die Führung im Stammwerk der BMW Group bot spannende Einblicke in den Automobilbau und zog sich durch alle Produktionsbereiche – vom Presswerk bis zur Montage. In direkter Nachbarschaft zum Werk befindet sich das Erlebnis- und Auslieferungszentrum BMW Welt. Vereint unter einem

Dach (Baukosten 500 Mio. Euro) bekommen Kunden und Besucher aus aller Welt einen ganz besonderen Eindruck von der Marke BMW. Der gesellige Austausch und das Netzwerken fanden anschließend bei herrlichem Wetter auf der Terrasse der Bavarie, einem von Feinkost Käfer betriebenen und preisgekrönten Haubenrestaurant, in der BMW Welt statt. �

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Experiment zu verweilen? Welches ist mein Lieblingsexperiment und warum?“

Fachkräftemangel im Fokus IV-Vorarlberg-Geschäftsführer Mathias Burtscher sieht die Exkursion als weitere Maßnahme, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: „Wenn wir wollen, dass unsere Schüler sich für technische und naturwissenschaftliche Studien und Berufe interessieren, müssen wir diese Begeisterung bereits bei den Lehrkräften wecken und ihnen die Kompetenzen mit auf den Weg geben, diese Begeisterung auch im Unterricht weiterzugeben.“ �

TERMINE 22. September 2016 | ganztägig

Tag der Industrie Haus der Industrie, Wien 17. Oktober 2016 | 19:00 Uhr

Veranstaltung mit IV-Chefökonom Christian Helmenstein Foyer, CCR, Millennium Park 4, Lustenau 16. November 2016 | 14:00 Uhr

Vorarlberger Wirtschaftsforum Festspielhaus Bregenz 24. November 2016 | 18:00 Uhr

Gemeinsam zur EXZELLENZ: Neue Wege für den Gesundheitsstandort Vorarlberg Otten Gravour, Hohenems

Fotos: PH-Vorarlberg, BMW/Hubertus Hamm

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ie Studierenden erhielten dort einen vertieften Einblick in die Vermittlung naturwissenschaftlich-technischer Inhalte mit dem Ziel, selbst Interesse für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu entwickeln und in weiterer Folge Begeisterung für diese Schlüsselqualifikationen bei den zukünftigen Schülern zu wecken. Die jährlich stattfindende Exkursion ist eine wertvolle Bereicherung der Lehrerkompetenzen und wichtige Horizonterweiterung in


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