DAS CHRISTLICHE ÄTHIOPIEN Geschichte – Architektur – Kunst
DAS CHRISTLICHE ÄTHIOPIEN Geschichte – Architektur – Kunst
Herausgegeben von Walter Raunig
Fotokampagne von Basilio Rodella
Abbildung auf der vorderen Umschlagseite: Detail einer Lunettenmalerei in der alten Kirche Maryam Sion in Aksum.
Inhalt
Umschlaggestaltung: grafica, Regensburg Zeichnungen Landkarten: Alexandra Gane, München Pläne, Grundrisse: Lothar Pascher, München Übersetzungen Hans Obermann, München Franziska Dörr, Rom
Fotonachweis Bibliothèque National, Paris: Abb. 168 Bams/foto Rodella, Montichiari (Brescia): Abb. 1, 3, 4, 5, 7, 8, 13, 15, 21, 22, 23, 24, 29, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 119, 120, 121, 123, 124, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 142, 143, 144, 149, 150, 193, 208, 210, 211, 213, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223 Stanislaw Chojnacki, Sudbury (Canada): Abb. 145, 147, 151, 152, 156, 161, 162, 164, 165, 176, 182, 184, 185, 186, 187, 189, 196, 197, 205 Maria Dawid, Innsbruck: Abb. 125 Gallery Sam Fogg, London: Abb. 192 Georg Gerster, Zumikon (Schweiz): Abb. 26 Paul B. Henze, Bethesta (USA): Abb. 141, 146, 148, 153, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 166, 167, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 177, 178, 179, 180, 181, 183, 188, 190, 191, 194, 195, 198, 199, 200, 201, 202, 204, 205, 207, 209 Oswald Iten, Unterägeri (Schweiz): Abb. 224 Lothar Pascher: Abb. 6, 10, 117, 122 Helga Raunig, München: Abb. 31, 41, 116, 225, 226, 227 Walter Raunig, München: Abb. 2, 9, 11, 12, 16, 17, 18, 20, 28, 40, 88, 81, 101 Eva Schmidt, Hamburg: Abb. 25 Diana M. Spencer: Abb. 163 Staatliche Münzsammlung München: Abb. 14 Wilhelm Staude, Wien †: Abb. 19, 27, 118 Viktor Zelger, München: Abb. 214
Geleitwort Prinz Asfa-Wossen Asserate 7
I Äthiopien – Abessinien – Eritrea – Afrika Walter Raunig 13
II Bedeutende Bauten aus 2500 Jahren Lothar Pascher 45
III Sinn und Bedeutung der religiösen Architektur Äthiopiens Renata Salvarani 159
IV Wandgemälde, Ikonen, Manuskripte, Kreuze und anderes liturgisches Gerät Stanislaw Chojnacki 171
V Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Geschichte der äthiopischen Kirche Zewde Gabre-Sellassie 251
VI © 2005 Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg Editoriale Jaca Book SpA, Milano All rights reserved ISBN 3-7954-1541-1 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fototechnischem oder elektronischem Weg zu vervielfältigen. Weitere Informationen zum Verlagsprogramm erhalten Sie unter: www.schnell-und-steiner.de
Christlicher Alltag auf dem Hochland Girma Fisseha 283
ANHANG Zeittafel 297 Typologie äthiopischer Kirchen 301 Architektur – Glossar 302 Ausdehnung des alten und „mittelalterlichen“ Äthiopiens 303 Felsenkirchen in Äthiopien 304 Quellen und Literatur 310
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Geleitwort
Abb. 3 Stillende Muttergottes zwischen zwei Engeln, Detail: Jesuskind, 18. Jahrhundert, Privatsammlung, Paris
Vor circa 500 Jahren hörte der damalige Kölner Propst Johannes Potken im Kloster Santo Stefano di Mori zu Rom, wo äthiopische Mönche und Priester eine Bleibe hatten, eine eucharistische Liturgie, die im Altäthiopischen, dem Ge’ez, gefeiert wurde. Dieses Erlebnis regte Potken an, bei den Äthiopiern Roms das Ge’ez zu lernen. Nachdem er sich eine hinreichende Kenntnis der Sprache angeeignet hatte, veröffentlichte er im Jahre 1513 in Ge’ez (das er ungenau als „Chaldäisch“ bezeichnete) die Psalmen Davids und das Hohelied Salomos nach einer Handschrift der Bibliotheca Vaticana. 1515 kehrte er nach Köln zurück und nahm den äthiopischen Schriftsatz mit sich, um dann 1518 die Psalmen Davids in Hebräisch, Griechisch, Äthiopisch und Lateinisch herauszubringen. 1522 fügte er seinem Werk eine Tafel mit dem äthiopischen Alphabet, dem Vaterunser und Ave Maria in Latein hinzu. Spätestens nach diesem Ereignis (schon im Mittelalter hatte das Abendland spekuliert, dass Äthiopien die Heimat des sagenumwobenen „Priesterkönig Johannes“ sei) begann das entlegene Kaiserreich Äthiopien die gelehrte Welt Europas in seinen Bann zu ziehen. Obwohl sich im 16. Jahrhundert verschiedene europäische Gelehrte mit dem Äthiopischen beschäftigten, war der entscheidende Vorstoß dem Reichshofrat Hiob Ludolf vorbehalten, der allgemein als Begründer der äthiopischen Studien in Europa gilt. Der im Jahr 1624 zu Erfurt geborene Ludolf war einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit. Das literarische Ergebnis seiner Studien bildet eine äthiopische und amharische Grammatik samt den entsprechenden Wörterbüchern, vor allem aber die „Historia Aethiopica“ mit Commentarius und den zwei Appendices. Diese Werke sind bis auf unsere Tage eine unentbehrliche Quelle für die Kenntnis des damaligen Äthiopiens. Ludolfs meisterhafter Arbeit haben wir zu verdanken, dass in den kommenden Jahrhunderten Äthiopien das Interesse vieler europäischer Gelehrte erweckte und seine alte Kultur wissenschaftlich erforscht wurde. Leider hat in den letzten dreißig Jahren das öffentliche Image Äthiopiens schwer gelitten. Dieses Land, das schon Herodot und Cosmas als eines der fünf mächtigsten Länder des damaligen Orients lobten, sollte zum Synonym für Hunger, Krieg und Pestilenz degradiert werden. Äthiopien ist jedoch viel bunter und vielseitiger als wir dies aus Katastrophenmeldungen kennen. So bin ich den beiden Verlagshäusern Jaca Book und Schnell & Steiner zu großem Dank verpflich-
Abb. 4 (nachfolgende Doppelseite) Deckenverzierung aus Bet Mariam in Lalibela.
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Äthiopien – Abessinien – Eritrea – Afrika Walter Raunig
Abb. 5 Landschaft am Haik-See südlich von Addis Abeba.
Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung (484–430), nennt im dritten Buch seiner „Historien“ das ganz im Süden der damals bekannten Erde wohnende Volk der „Äthiopier“. Wo waren sie tatsächlich beheimatet? Wie verhält sich ihr Name zu anderen Völker- und Ländernamen in den weiten Räumen südlich des Mittelmeers, zu den in der griechisch-römischen Welt geläufigen Namen „Äthiopien“, „Ägypten“, „Afrika“, „Libyen“ und „Nubien“? Diese decken sich nur zu einem Teil mit den geographischen Vorstellungen späterer Zeiten oder mit denen, die wir heute davon haben. Während „Asien“ als eigener Kontinent gesehen wurde, galt dies für „Afrika“ nicht. Der Name Afrika geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein Volk namens Afri zurück, das im Hinterland der antiken Städte Karthago und Utica im heutigen Tunesien lebte und spätestens im Verlaufe der punischen Kriege (264–241; 218–201; 149–146 v. Chr.) in den Blickwinkel der Römer kam. So verstand man schon während des zweiten punischen Krieges unter dem Namen „Afrika“ ein weit über den Siedlungsraum der Afri hinausgehendes Gebiet, und bald hernach wurde bereits der ganze Raum vom Atlantik im Westen bis an die Grenze Ägyptens im Osten als „Afrika“ bezeichnet. Dieses „Afrika“ deckte sich ungefähr mit den Ländern, die von den Griechen seit der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. durchgehend mit dem Namen „Libyen“ benannt wurden. Allerdings tauchte dieser Name schon in der ersten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. bei Pindar (ca. 518–ca. 446) als Bezeichnung für das große Land südlich des Mittelmeeres auf; ja, der Name „Libyen“ reicht sogar noch weiter zurück, denn die Ägypter bezeichneten ein Berbervolk westlich von ihnen nach deren eigenem Namen als Rbw/Lbw. „Ägypten“ wurde stets als etwas Eigenständiges gesehen und in der Antike sogar Asien zugerechnet. Die Länder am mittleren Nil waren als „Nubien“ bekannt. Dieser Name leitet sich vom ägyptischen nub = Gold her, und Nubien findet als Goldland heute durch die archäologische Forschung seine Bestätigung. Für die Länder am mittleren Nil wurde in Ägypten aber auch der Name „Kusch“ verwendet – und dieses Land Kusch deckte sich zunächst mit dem Land der Äthiopier. Ihre Heimat lag also südlich von Ägypten, in der Hauptsache auf dem Territorium der heutigen Republik Sudan. Herodot z.B. nennt die Äthiopier als Bewohner dieser Region. Erst im Laufe der Zeit „wanderte“ dann der Name „Äthiopien/Äthiopier“ weiter nach Süden und bezeichnete das antike Staatswesen und die Einwohner von Aksum im nordostafrikanischen Hochland. In einer griechischen Inschrift des Königs Ezana (330–365 n. Chr.) finden wir den Namen „Äthiopien“ für sein Reich. Völlig unabhängig davon wurden in der Antike aber auch andere Bewohner Afrikas, und zwar solche im Westen wie im Osten, lange Zeit als „Äthiopier“ bezeichnet. Der bis weit ins 20. Jh. hinein gebräuchliche Name für das große Land im Nordosten des Kontinents, der Name „Abessinien“, ist ebenfalls sehr alt, genau genommen ist er für diesen Raum wohl noch älter als der Name Äthiopien. „Der Name Abessinien leitet sich von dem Volksstamm der Habasat her und kann daher korrekterweise nur für die ethnische und politische Einheit gebraucht werden, die sich im alten aksumitischen Reich konkretisierte.“ (Hammerschmidt 1967: 150) Araber und ihnen folgend auch die Europäer brachten immer wieder das arabische al-Habas mit dem arabischen habasa in Verbindung, was „zusammensammeln“ bzw. „(Völker-)Gemisch“ bezeichnet. Der Raum des alten, d.h. antiken Äthiopien umfasste den nördlichen Teil des heutigen Landes und dazu beinahe das gesamte Gebiet des seit 1993 unabhängigen Staates Eritrea. Seine genaue Ausdehnung ist aber unbekannt. Der aus dem Griechischen kommende Name „Eritrea“ stammt wie „Äthiopien“ aus antiker Zeit und bezeichnet das Land am erythräischen, d.h. am „Roten Meer“. Unter den „Roten“ sind im alten Arabien die Hellhäutigen zu verstehen.
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(Himyar = hmr [semitisch] = rot. Die Himjariten, ursprünglich ein Volk in Südwestarabien, heute Jemen.) In Europa wurde der Name Eritrea mit der Inbesitznahme des Gebietes am Roten Meer durch Italien im 19. Jh. weithin bekannt.
Lage und Bevölkerung
Abb. 7 Schilfboot am Tanasee; solche Boote standen schon im alten Ägypten in Verwendung – in Äthiopien sind sie noch heute gebräuchlich.
Trotz augenblicklicher Spannungen zwischen Äthiopien und Eritrea darf nicht übersehen werden, dass beide Länder von gleichen geographischen Gegebenheiten bestimmt werden, dass beide heutigen Staaten gemeinsame uralte kulturelle Wurzeln haben und dass sie damit von überaus vielen Gemeinsamkeiten ausgehen müssen. So gilt vieles, was in diesem Buch von Äthiopien gesagt wird, genauso für Eritrea. Die 1.133.380 km2 große und in sieben Bundesstaaten sowie die selbständige Hauptstadt Addis Abeba unterteilte „Demokratische Bundesrepublik Äthiopien“ dürfte heute weit über 60 Millionen und das 121.144 km2 große Eritrea ca. 3,5 Millionen Einwohner haben. Beide Staaten umfassen das nordostafrikanische Hochland und an ihren Rändern Tiefländer. Das Hochland, ein Lavaplateau aus rotbraunen Lateriten, wird durch den tertiären Grabenbruch geteilt, der in seinem nördlichen, am Roten Meer liegenden Teil eine Depression bis 116 m unter dem Meeresspiegel aufweist und durch das Awash-Tal zu den im Süden gelegenen Seen führt. Das Hochland ist durch fruchtbare Hochflächen, die dazwischen liegenden tiefen Taleinschnitte der Flüsse, seine erosionsbedingten, prominent emporragenden Plateauberge (Ambas) und im nördlichen Teil besonders durch hoch und steil aufragende Gebirge gekennzeichnet. An vielen Stellen Äthiopiens und Eritreas sind noch Anzeichen der einst regen Vulkantätigkeit (Vulkanmassive) zu erkennen, in der mit bis zu 60°C im Sommer enorm heißen Danakilwüste mit ihren Salzlagern (Seen) ist sie sogar heute noch zu beobachten. Mehr als die Hälfte Äthiopiens liegt auf über
Abb. 8 (nachfolgende Doppelseite) Landschaft an den Wasserfällen des Blauen Nil („Tisisat“ = Rauch des Feuers) südöstlich von Bahar Dar am Tanasee.
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Abb. 6 Der Koka-See südöstlich von Addis Abeba, mit Mt. Zuqala im Hintergrund. (alte Aufnahme)
1.200 m Seehöhe. Der bekannteste Fluss des Landes ist der aus dem Tanasee kommende und über 880 km durchs Hochland fließende Blaue Nil, dessen Wassermassen für den Sudan und Ägypten seit Jahrtausenden lebenswichtig sind. Nach 700 km Flusslauf im Sudan vereinigt er sich bei Khartum mit dem Weißen Nil. Neben einer ganzen Reihe von Seen im Südosten ist der in der nördlichen Landeshälfte auf 1860 m Höhe liegende Tanasee mit einer Fläche von gut 3.600 km2 der größte See Äthiopiens. In Äthiopien werden vier Klimazonen unterschieden, die für die einzelnen Höhenlagen charakteristisch sind: Die Kolla ist die unterste Lage und damit auch die heißeste Zone bis 1.800 Meter Seehöhe mit Wüsten- oder Trockensavannenvegetation. Im Südwesten des Landes gibt es in dieser Lage aber auch den subtropischen Feuchtwald. In dieser untersten Zone gedeihen Dattelpalmen, wilder Kaffee, Bananen- und Gummibäume. Die so genannte Woina-Dega (Weinhochland) ist die nächst höhere Zone und reicht bis auf rund 2.400 Meter. Sie ist die gemäßigte, warme Zone mit dem so wichtigen Ackerbau und mit Viehzucht. Sie weist die größte Siedlungsdichte auf. Darüber liegt bis zu einer Höhe von 3.500 Metern die Dega, eine kühlgemäßigte Zone, in der vor allem Viehzucht betrieben wird. Daran schließt sich die recht kühle bis kalte Hochgebirgsregion an. Auf ihren höchsten Erhebungen im Semien-Bergland kann sogar Schnee fallen. Der höchste Berg Äthiopiens und der vierthöchste Afrikas ist der Ras Deschen mit 4.620 Metern. So unerträglich heiß die Niederungen in Äthiopien sein können, so angenehm sind meist die Höhenlagen mit ihren moderaten Temperaturen. So gilt zum Beispiel für die Hauptstadt Addis Abeba eine Jahresdurchschnittstemperatur von 23° C. In Äthiopien gibt es zwei Regenzeiten, und zwar vom März bis Mai (= die kleine Regenzeit) und vom Juni bis September. Der meiste Regen fällt in Äthiopien im Südwesten des Landes, bis weit über 2.000 mm im Jahr. Den geringsten Niederschlag bekommt der Südosten mit 600 mm. Die Böden des Hochlandes sind sehr fruchtbar, und bei einigermaßen sinnvoll betriebenem Bodenbau könnte sich Äthiopien nicht
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nur spielend selbst ernähren, sondern sogar einen beachtlichen Überschuss an Nahrungsmitteln exportieren. Äthiopien ist nämlich ein Agrarstaat, in dem 85 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig sind. Es gedeiht eine große Menge an Nutzpflanzen wie Gerste, Weizen, Teff (ein Getreide mit kleinen Samen), Durra (eine Hirseart), Bananen, Ensete (eine Bananen ähnliche Pflanze), Taro und Yams (zwei Knollenfrüchte), Gemüse, Gewürze, Südfrüchte u.a. Äthiopien ist auch die Heimat des Kaffees, der über den Jemen von den Türken weit verbreitet und schließlich zu einem Weltgetränk wurde. Der Bodenbau wird – ganz im Gegensatz zum übrigen Afrika südlich der Sahara – nicht mit der Hacke, sondern mit dem Pflug betrieben, was die alten Beziehungen des Landes mit dem Vorderen Orient zeigt. Äthiopien weist heute nur mehr einen geringen Waldbestand auf. Durch unkontrollierte und ungebremste Holznutzung – in erster Linie für Brennholz – über sehr lange Zeit hinweg beträgt er heute nur noch 3,5 % der gesamten Landesfläche. Weite Teile Äthiopiens und Eritreas waren aber einst durch lichten Busch- und Savannenwald gekennzeichnet. Dichte Wald- oder Regenwaldbestände gab es – und gibt es zum Teil noch – in tiefen Tälern und im feuchten Südwesten. Beim Versuch, die zahlreichen Ethnien Nordostafrikas in eine Ordnung zu bringen, gehen auch heute noch die Ansichten der Fachleute auseinander. Der Raum Äthiopiens und Eritreas wird von einer Vielzahl von Völkern mit verschiedenen Sprachen und Kulturen bewohnt. Äthiopien wurde so als ein „Museum der Völker“ bezeichnet (Conti Rossini 1929: 20). Die einzelnen eigenständischen Sprachen dürfen auf 70–80, die Dialekte auf über 200 geschätzt werden. Die großen Sprachfamilien sind etwa wie folgt zu unterteilen: Die kuschitischen Sprachen können in vier große Gruppen gegliedert werden: in eine nördliche mit den Bega (Bedscha), die das Bedauje sprechen und zu denen in Eritrea die Beni Amer und Hadendoa gehören; in eine zentrale Gruppe, die Agau, mit diversen Dialekten – die Agau-Sprache wirkte am stärksten auf das altäthiopische Geez (Ge’ez), das „Latein der äthiopischen Kirche“ ein –, in eine südöstliche Gruppe der Afar und Saho, Burgi-Gelebra, Somali und Oromo – letzteres ist heute in mehrere Dialekte gespalten und weit verbreitet – und schließlich in eine süd-
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Abb. 9 Die Semienberge in Nordäthiopien.
Abb. 10 Landschaft an der Straße zwischen Dessie und Adigrat bei Amba Alagi in Tigre.
westliche Gruppe, die Sidama-Völker, zu denen u.a. die Gimirra (mit dem Zweig der Magi), die Ometo, die Sidamo und die Kaffa gehören. Bei diesen Völkern der Südwest-Gruppe leben die sogenannten „Naturreligionen“ z.T. heute noch weiter. Die semitischen oder semitisierten Sprachen unterteilen sich in eine nord- und eine südäthiopische Gruppe. Zur Nordgruppe gehören die altertümlichen Zweige Tigre (in Eritrea), Tigrinja (in Eritrea und Nordäthiopien) und das Geez. Die in Äthiopien wichtigste und sehr weit verbreitete Sprache ist das Amharische mit eigener Schrift, das sich zwar aus dem alten Geez entwickelte, sich aber heute von diesem mehr unterscheidet als Tigre und Tigrinja. Zur südlichen Gruppe gehören das Gurage südwestlich von Addis Abeba, und das Harari, die Sprache der islamischen Stadt Harar. Das Argobba und das Gafat sind heute praktisch verschwunden. Arabisch spielt in Äthiopien nur im Südosten (Harar) eine Rolle, in Eritera ist es jedoch von Wichtigkeit. Zu den Völkern mit nilotischen Sprachen gehören in Eritrea die Kunama und die Barea als ein nördlicher Zweig. Berta, Mao, Gumuz, Suro und andere bilden einen westlichen bzw. südwestlichen Zweig. Die sprachliche Zuordnung dieser Völkerschaften ist aber zum Teil schwierig. Die mit Abstand wichtigste abendländische Sprache im modernen Äthiopien ist Englisch. In Eritrea spielt vor allem bei alten Menschen auch Italienisch noch eine gewisse, wenn auch bescheidene Rolle.
Alt-Äthiopien Äthiopien und Eritrea blicken mit Stolz auf eine sehr lange Tradition hoher Kultur zurück, die mindestens in die Zeit um 1000 v. Chr. reicht. Einzelne Teile der zwei Länder standen sogar noch viel früher mit altorientalischen Zivilisationen in Kontakt, dabei besonders mit Ägypten. Das
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Reich der Pharaonen hatte es nämlich auf wertvolle Güter abgesehen, die nur aus Nordostafrika kommen konnten. Es ist bekannt, dass schon im Alten Reich (ca. 2.650–2.150 v. Chr.) Kontakte mit einem Südland („PWT“ = Punt) bestanden haben, die sich in späteren Zeiten zweifellos fortsetzten und schließlich im Neuen Reich um 1482 unter Königin Hatschepsut (1488–1468; Datierung nach Hornung) zur berühmten See-Expedition in dieses „Götterland“ führten. Nach übereinstimmender Meinung fast aller Fachleute muss Punt, unter dem kein fest umgrenztes Territorium zu verstehen ist, im Raume des südlichen Roten Meeres gelegen sein. Aus der Zeit Salomos (ca. 960–936) wissen wir, dass in seinem Auftrage Phöniker zusammen mit eigenen Leuten von Ezeon Geber am Golf von Akaba aus – in der Nähe wurde Kupfer abgebaut! – nach dem Lande Ophir segelten, um von dort Gold, Elfenbein, Edelsteine, Silber, Ebenholz, Affen und Pfauen zu holen (1. Kön. 9,26–10,22). Dieses Ophir muss in Südarabien und auch gegenüber in Afrika gesucht werden. Unter Pharao Necho II. (615–595) scheint die erste Umsegelung Afrikas, und zwar durch Phöniker (596–594), von Ost nach West erfolgt zu sein, und dabei berührte man natürlich auch die Küstenländer Nordost-Afrikas. Zu ptolemäischer Zeit (325–30) intensivierte Ägypten die Kontakte mit dem Süden. So wurden an der afrikanischen Rotmeerküste Elefantenfangstationen und Handelsplätze eingerichtet. Die Ägypter versuchten unter Ptolemäus II. Philadelphus (282–248) auch, die Einheimischen am Roten Meer davon abzuhalten, Elefanten zu töten, und stellten dafür eine Belohnung in Aussicht. Dies taten sie nicht aus Gründen des Tierschutzes, sondern in dem Bestreben, die Elefanten, die sie als Kriegswaffe einsetzten, lebend zu fangen. Neben den Kontakten zur See bestanden aber seit mindestens dem dritten Jahrtausend auch solche zu Lande zwischen den Nilländern Ägypten und Sudan und den Räumen des heutigen Eritreas und Nordäthiopiens. Hier in den ostsudanesisch-eritreisch-äthiopischen Grenzregionen entstanden im Laufe der zwei Jahrtausende vor Christus kleine, aber autochthone, d.h. afrikanische Staatsgebilde mit komplexen Gesellschaften. Neben den schriftlichen Berichten über die Südkontakte Ägyptens werden diese auch durch archäologische Funde bewiesen. So stammen aus Adulis (südlich von Massaua) und aus anderen Gegenden ägyptische Importwaren (unter kleinen Figuren ein Horusfalke), aus der Gegend von Matara in Eritrea eine Sphinx aus Stein. James Bruce erhielt bei seinem Aufenthalt in Äthiopien eine ägyptische Inschriftentafel, die seiner Angabe zufolge 1771 in Aksum gefunden wurde (Bruce 1790). Vor allem aber ist aus Adulis ein Thron aus Marmor bekannt, das sogenannte „Monumentum Adulitanum“, dessen zwei Gedenkinschriften in Griechisch von dem bekannten Indien-Reisenden Cosmas Indicopleustes im 6. Jh. n. Chr. abgeschrieben worden waren. Die eine der beiden Inschriften stammt von Ptolemäus III. Euergetes I. (246–222/1). Es besteht also absolut kein Zweifel an den sehr langen Kontakten Ägyptens mit Nordostafrika. Dieser Raum stand aber auch mit anderen Regionen in Verbindung. So gab es zwischen Eritrea-Ostsudan und Südarabien einen Jahrtausende alten Obsidianhandel, der bis Ägypten reichte. Seit dem 3. und 2. Jahrtausend wurden die Kontakte noch enger. Aus Nordostafrika kamen Weihrauch und Myrrhe, Ebenholz, Elfenbein von Elefanten und Flusspferden, Häute, Felle, Gold und lebende Tiere. Keramikfunde dokumentieren den Zusammenhang der südarabischen Küstenregion mit dem äthiopisch-eritreisch-nubischen Raum. In der Folgezeit wurde dann der von Südarabien ausgehende Kultureinfluss, also in Richtung von Ost nach West, überstark. So erfuhren vor allem die Hochländer des heutigen Nord-Äthiopien und Eritrea wohl schon ab 1000 v. Chr. eine klar südarabische, d.h. sabäische Prägung, während das tiefer gelegene Innere Eritreas und des Ostsudan afrikanisch-kuschitisch war und später dann, um Christi Geburt, vom erstarkenden meroitischen Reich (ca. 300 v. Chr. – ca. 260 oder 350 n. Chr.) kontrolliert wurde.
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Abb. 11 Landschaft beim antiken Matara nahe dem heutigen Ort Senafe in Eritrea.
Schließlich drangen auch aus dem schwarzafrikanischen Bereich Einflüsse ins äthiopische Hochland und machten sich dort im Laufe einer sehr langen Zeit physisch-anthropologisch wie kulturell bemerkbar. Diese „schwarzafrikanische“ Komponente im Wesen Äthiopiens darf nicht übersehen werden. Im Verlaufe der Ausdehnung des äthiopischen Herrschaftsbereichs unter Kaiser Menelik II. (1884–1913), also sehr spät, wurden dann sogar negride Völker und Länder direkt dem äthiopischen Staatsverband angegliedert. Der oben angesprochene Süden der arabischen Halbinsel, der Raum des heutigen Jemen, wies in der Zeit um 1000 v. Chr. mindestens ein bedeutendes Staatswesen auf, dessen Wirtschaft auf Bewässerungsbodenbau, Handel, Produktion und Export von Aromata basierte. Dieses Reich des frühen Alt-Südarabien war das von Saba mit seinem Zentrum Marib. Es expandierte nach Süden, nach Osten, nach Norden und – über das Rote Meer hinweg – eben auch nach Westen, nach Nordostafrika. Hier in Afrika trafen die semitischen Südaraber auf die einheimischen Kuschiten. Ob es dabei zu ernsten Reibereien kam, wissen wir nicht. Aus den archäologischen Forschungen in Nordäthiopien und Eritrea ist uns aber bekannt, dass die Südaraber mit ihrer Kolonisation Erfolg hatten, dass die frühesten Zeugnisse hoher Kultur, so z.B. in Architektur, Schrift, plastischer Kunst, Religion, aber auch im Bodenbau mit Pflug, in der Terrassenfeldkultur und Bewässerungstechnik rein südarabisch, d. h. sabäisch waren. In Yeha, nahe Aksum, steht noch heute der besterhaltene sabäische Tempel; von einem zweiten Tempel in diesem Ort sind nur mehr Fundamente erhalten. Erst allmählich bildete sich dann – infolge geographischer Trennung vom Mutterland, Weiterwirkens des einheimisch-kuschitischen Erbes und des Einflusses aus der hellenistisch-römischen Welt – seit den letzten Jahrhunderten v. Chr. eine eigenständige Kulturprovinz mit Siedlungen städtischen Charakters und entsprechender politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlicher Strukturierung heraus, die in einer Reihe von Merkmalen die alte südarabische Heimat zwar noch klar erkennen ließ, doch hob sie sich von dieser bereits deutlich ab; so z.B. in der Errichtung von 130 Stelen aus Trachyt-Stein – darunter sehr großen –, in Gräbern, Steinplatt-
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formen u.a. Da schließlich die Kontakte mit der griechisch-römischen Welt besonders eng wurden, erstaunt es nicht, wenn der Raum Äthiopien –Eritrea als der südlichste Ausläufer der alten Mittelmeerzivilisation gesehen wird. Die hier in Nordostafrika im Laufe der Zeit entstehenden größeren „arabisierten“ Zentren mit „Umland“ konnten sicherlich auf vorhandene ältere, zumindest staatsähnliche Gebilde aufbauen. Erst in den letzten 20 Jahren machte archäologische Forschung deutlich, dass es in Nordäthiopien und Eritrea zur Bildung komplexer Gesellschaften kam, infolge langer Kontakte des Raumes zu Ländern am Mittelmeer und am Indischen Ozean. So könnte es schon vor Aksum, spätestens vom frühen 1. Jahrtausend an einen klar organisierten „äthio-sabäischen Staat bis ins 5. oder 4. Jh. v. Chr.“ (Fattowich 2004) gegeben haben, nämlich das heute auch noch wenig fassbare Reich von Daamat im Grenzgebiet von Eritrea und Nordäthiopien. In der Zeit um Christi Geburt kristallisierte sich schließlich als führendes Zentrum Aksum heraus, das zur beherrschenden Macht und Metropole des ganzen Raumes wurde und über eine Zeitspanne von rund 1000 Jahren die Geschichte des Vorderen Orients mitprägte, ja, in Nordostafrika über lange Zeit hinweg – dabei mindestens zweimal auch in Südarabien – tonangebend war. Dazu trug wesentlich der alte, seit dem 1. Jh. v. Chr. intensiv werdende Handel zwischen dem Mittelmeer und Indien sowie auch mit dem Inneren Afrikas (Elfenbein-, Felle-, Aromata-, Straußenfedern- u.a. Export) bei. Die Geschichte des Reichs von Aksum kann – nach einer präaksumitischen Zeit – in eine frühaksumitische, in eine aksumitische und in eine spätaksumitische Periode eingeteilt werden. Der Name „Aksum“ findet sich das erste Mal allerdings erst auf einem Bronzegerät aus dem 2. Jh. n. Chr. Den für alle folgenden Zeiten prägenden Stempel erhielt das Hochland von Äthiopien durch die Übernahme des Christentums um die Mitte des 4. Jh. Im Jahre 301 wurde Armenien als erstes Land der Erde offiziell christlich, 312 folgte Rom und kurz hernach begannen die beiden nach einem Schiffbruch in Aksum festgehaltenen Christen Frumentius und Ädesius mit ihrer Missionstätigkeit. Unter dem bedeutenden Herrscher Ezana (330–365) tauchen die ersten Münzen mit dem Kreuzeszeichen auf, und eine Siegesinschrift anlässlich seines erfolgreichen Feldzugs gegen Nubien lässt ihn als Christen erkennen. Die älteren Münzen seiner Herrschaftszeit zeigen noch die heidnischen Sonnen- und Mondsymbole. Die Annahme des Christentums wird auch an einer nach Ezanas Tod erschienenen Münze deutlich, denn „die anstelle der alten Mondsymbole auftretenden Kreuze markieren die Annahme des Christentums als Staatsreligion ... in auffälliger Weise“ (Hahn 1994:26). Ein Erfolg der Missionierung scheint sich aber, wie allgemein angenommen wird, auf das Herrscherhaus und Angehörige der führenden Gesellschaftsschicht beschränkt zu haben. Eine das ganze Land erfassende Verbreitung erfuhr das Christentum wohl erst 100 Jahre später, denn auch die sicher schon seit längerer Zeit im Lande anwesenden Christen – fremde Reisende und Kaufleute – lebten in den Zentren wie Adulis und Aksum. Nach äthiopischer Tradition kamen um die Mitte des 5. Jh. neun heilige Männer als Missionare ins Land. Es könnte sich dabei um Kleriker (Mönche) gehandelt haben, die nach dem Konzil von Chalcedon (451) aus dem Vorderen Orient (evtl. aus Syrien) nach Aksum gingen. Missionarisches Wirken musste jedenfalls sehr erfolgreich gewesen sein, da das aksumitische Reich sehr rasch christlich wurde. Eine wichtige Rolle scheinen dabei die Gründungen von Klöstern (Mönchswesen) gespielt zu haben. In dieser Zeit dürfte auch die Bibel aus dem Griechischen in die einheimische Sprache des Geez übersetzt worden sein. Seit dem 6. Jh. taucht das Kreuz auf täglicher Gebrauchskeramik auf. Dabei entfaltete sich der religiöse, künstlerische, ja gesamtkulturelle Einfluss Ost-
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Abb. 13 Im Stelenpark von Aksum. Die bei Herschergräbern errichteten Stelen sind weltweit die größten. Abb. 12 Die 2,5 m hohe Kalksteinstele mit Inschrift des christlichen, äthiopischen Statthalters und späteren Herrschers Abraha in Südarabien (ca. 535 bis 560). Auf ihr ist von den Reparaturarbeiten an den im Jahre 543 gebrochenen großen Damm von Marib die Rede. Abraha errichtete auch in Sana eine Kathedrale, da nach seinen Vorstellungen die Stadt nicht nur Wirtschaftszentrum sondern auch Wallfahrtsort sein sollte. Nationalmuseum Sana.
roms – nach dem Tode Theodosius’ I. 395 endgültig von West-Rom getrennt – auf das Reich in Nordostafrika derart stark, dass er sich schließlich prägend für alle späteren Epochen durchsetzte. Durch die Macht des Herrn des Himmels, welcher im Himmel und auf Erden mächtiger ist als alles, was existiert, Ezana, der Sohn von Ille Ameda, ein Mann aus Halen, König von Aksum und Hamer, Durch die Macht des Herrn des Himmels, der mich zum Herrscher gemacht hat, der Vollkommene, der in aller Ewigkeit regiert, Und der unbesiegbar für seine Feinde ist. Kein Feind wird vor mir bestehen (können) ... Christen, christliche Sendboten und christliche Gemeinden fanden sich Dank des weitreichenden Handelsverkehrs schon sehr bald in vielen Teilen des Orients bis nach Indien. So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Laufe der ersten 500 bis 600 Jahre nicht nur der gesamte Raum des Mittelmeeres von der Atlantikküste bis an die Levante, Ägypten (seit dem 1. Jh.) und Nubien (seit dem 6. Jh.), sondern auch weite Teile des asiatischen Orients christlich geworden waren. Dabei standen die christlichen Gemeinden Südarabiens mit dem christlichen Reich von Aksum in Kontakt und wurden – falls nötig – von dort aus unterstützt. Die Bedeutung des Handelsverkehrs ist für die Ausbreitung von Kulturen, gegenseitige Beeinflussung, Anregung und Entwicklung nicht hoch genug einzuschätzen. Ein beachtlicher Teil dieses Verkehrs spielte sich im Raum des erythräischen Meeres, d.h. des Roten Meeres, Indischen Ozeans und des persisch-arabischen Golfes schon sehr früh zur See ab. Dies gilt auch für Nordostafrika, namentlich für das aksumitische Reich. Denn, wenn auch über sehr lange Zeit hinweg Kontakte zwischen Ägypten, den Mittelmeerländern und Byzanz den Nil entlang durch die Reiche in Nubien nach Aksum liefen, so lag das Haupteinfallstor doch an der Rotmeerküste, und dabei spielte das alte Adulis mit seinem Hafen im Golf von Zula die wichtigste Rolle. Dieser Ort existierte spätestens seit ptolemäischer Zeit, zu der es bereits Handelskontakte bis nach Indien gab, wobei die Fahrten entlang der Küsten erfolgen mussten. Die Ausnutzung der Monsunwinde im Indischen Ozean, um über das offene Meer von Arabien und Afrika direkt nach dem Subkontinent segeln zu können, scheint indischen Seeleuten schon lange bekannt gewesen zu sein. So dürfte Eudoxos aus Kyzikus gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. mit Hilfe eines solchen Inders die Direktfahrt gewagt haben. Die Kenntnis der Windverhältnisse im Ozean erhielten die Seeleute aus dem Westen aber endgültig erst durch den Griechen Hippalus, der – vielleicht war er schon mit von der Partie bei der Eudoxos-Fahrt – um 100 v. Chr. die Seeroute von Ägypten nach Indien wesentlich verkürzte. Die Berücksichtigung der Monsune wird wohl „für die Geschichte des indischen Seehandels kaum von geringerer Bedeutung gewesen sein als später die Auffindung des europäischen Seeweges nach Indien 1497/98 und die Eröffnung des Suezkanals 1869“! (Hennig 1944: 280). Mit der Nutzung der Monsunwinde nahm der Seeverkehr aus dem Römischen Reich in die Länder am erythräischen Meer enorm zu, d.h. nach Nordost- und Ost-Afrika, Arabien, an den persisch-arabischen Golf und nach Indien. Besonders in den letzten Dezennien v. Chr. und mit der Konsolidierung der römischen Macht im Orient („Pax Augusta“) war die Voraussetzung für einen in ruhigen Bahnen verlaufenden und regen Fernhandel geschaffen worden. So berichtet Strabo (XVII, 798) von zahlreichen Schiffen,
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Abb. 14 Die aksumitische Münzprägung begann im 3. Jh. n. Chr. unter König Endybis (227–235). Es war die einzige antike Münzprägung in Afrika ausserhalb Nordafrikas. Wie Funde belegen, standen aksumitische Münzen auch in Südarabien und in Indien in Verwendung. In Indien wurden sie sogar – gleich den römischen Münzen – nachgeahmt. Vier aksumitische Originale, oben von l. nach r.: König Ebana (Mitte 5. Jh.) mit Kappe zwischen zwei Ähren (Rückseite). König Ebana mit Tiara zwischen zwei Ähren (Vorderseite) – Goldmünze. König Ausana (um 500) mit Tiara zwischen zwei Ähren (Vorderseite). König Ausana mit Kappe zwischen zwei Ähren (Rückseite). unten: König Za-ya´abiyo la Madkhen (Ende 6./Anf. 7 Jh.). Kreuz unter einem auf zwei Säulen ruhenden Bogen (Rückseite). Kopf des Königs mit Krone frontal (Vorderseite). König Mahadis (um 420). Engel mit Kreuzszepter (Rückseite). König in langen Hosen und mit Krone (Vorderseite).
die in der Zeit um Christi Geburt von Myos Hormos oder Berenike, zwei wichtigen Hafenplätzen an Ägyptens Rotmeerküste, aus nach Indien segelten, einzelne davon sogar bis in den Golf von Bengalen; und wir hören von einer ersten indischen Gesandtschaft, die Augustus im Jahre 20. v. Chr. auf Samos besuchte (XV, 719). Rom begehrte Luxusgüter aus dem Orient in beachtlichen Mengen. Geliefert mussten dabei werden: Weihrauch, Myrrhe und andere DuftSpezereien, edle Hölzer, Tierfelle (Leoparden!), Straußeneier und -federn, Rhinozeroshörner, Edelsteine, Perlen, Schildpatt, Elfenbein, edle Seiden- und Baumwollstoffe, wilde Tiere für die Zirkusspiele – unter Caesar kam sogar eine Giraffe nach Rom –, viel Pfeffer, Zimt und anderes mehr. Diesen Importen standen Exporte des Römischen Reichs entgegen wie Glas, Keramikund Eisenwaren, Leinenstoffe, Arbeiten der Kunst und des Kunstgewerbes sowie Zinn, Kupfer und Blei. Und vor allem: Die Importe wurden auch mit Geld (Goldmünzen in großer Menge!) bezahlt. Der Abfluss an Gold nach Indien muss enorm gewesen sein. Ein ganz beachtlicher Teil des indischen Goldes scheint ursprünglich aus dem Römischen Reich gekommen zu sein. „Nach geringer Schätzung entziehen Indien, die Serer und die arabische Halbinsel unserem Reiche jährlich 100.000.000 Sesterzen“. Mit diesen Worten beklagt Plinius (nat. hist. XII, 41) den Geldabfluss aus dem Reich in den Orient. Bei diesem Handel – vor allem zur See – mag nun vieles an den wichtigeren Orten Südarabiens und Nordostafrikas vorbeigegangen sein, dennoch hatten sie daran ihren Anteil und Gewinn. Roms und später Byzanz’ Wirtschaftskontakte mit Aksum liefen vor allem über Adulis, das auch seinerseits mit Indien in Kontakt stand. Dies zeigen neben vielen römischen auch aksumitische Münzen, echte, wie in Indien sogar gefälschte, oder das aus dem Subkontinent stammende Geld, das aus dem aksumitischen Bereich bekannt ist. Auf Debre Damo, dem wohl ältesten erhaltenen Kloster Äthiopiens, wurde im Jahre 1940 ein Schatz von 104 Kuschan-Münzen gefunden. Das nordwestindische Kuschanreich existierte von der zweiten Hälfte des 1. bis in
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die zweite Hälfte des 3. Jh.. Die Kontakte zu Indien liefen einmal mehr, einmal weniger intensiv, im Prinzip aber durch die ganze Geschichte hindurch bis in unsere Tage. So kamen aus Indien nicht nur die – dort schon um 3000 v. Chr. in Mohenjo Daro nachgewiesene – Baumwolle, der Webstuhl und die Webtechnik, sondern auch die Kenntnis der Elefantenhaltung und -führung, technische Fähigkeiten, sicherlich auch Techniker, Architekten und Handwerker sowie Produkte, und dabei in erster Linie wertvolle, schöne Textilien. Indischer Einfluss macht sich außerdem, und dies schon seit Jahrhunderten, in der äthiopischen Malerei bemerkbar. Die wichtigste Quelle für unsere Kenntnis der weiten Verbindungen und des Handels im Südmeer, also von Ägypten bis Indien und Ostasien, ist der so genannte „Periplus des Erythräischen Meeres“. Diesen verfasste um 70–80 n. Chr. ein uns mit Namen unbekannter, ein einfaches Griechisch sprechender „Kaufmann zur See“, der wohl aus Ägypten stammte und mit seiner Schrift eine Art Segel- und Kauffahrer-Handbuch für Geschäftsreisende im erythräischen Meer schuf. In Paragraph 4 dieses Handbuches wird über Adulis berichtet, „von dem aus nach der im Binnenlande gelegenen Stadt Koloe – heute Kohaito oder Hishmale nahe dem Provinzhauptort Adi Keyh in Eritrea –, dem ersten Handelsplatz für Elfenbein, ein Weg von drei Tagen führt. Von dieser Stadt aber bis zur Metropole der so genannten Axumiten sind fünf weitere Tagesreisen; in diese wird alles Elfenbein von jenseits des Nils durch das sogenannte Kyeneion importiert, und von da nach Adulis. Die ganze Masse der getöteten Elefanten und Nashörner weidet in den höher gelegenen Gegenden und nur selten werden sie auch in der Gegend am Meer um Adulis gesehen.“ (Fabricius 1883: 39 ff.). Der unbekannte griechische Kaufmann und Seefahrer berichtet aber auch über das aksumitische Reich und dessen Zentrum selbst. So erfahren wir unter anderem, dass die Küste unter der aksumitischen Oberhoheit stand und dass König Zoskales sparsam und darauf bedacht gewesen sei, den Wohlstand zu mehren, einen edlen Charakter besessen und über hellenistische Bildung verfügt habe. Um 522–525 n. Chr. hielt sich der ägyptische Kaufmann und spätere Mönch Cosmas Indicopleustes (= der Indienfahrer) im Reich von Aksum auf und berichtet darüber in seiner rund 25 Jahre später verfassten „Topographia Christiana“. Ungefähr um dieselbe Zeit sandte Kaiser Justinian I. (527–565) Gesandte an den aksumitischen Hof, Nonnosus ca. 535 und Julianus 564 n. Chr. Die byzantinische Delegation berichtete vom Herrscher, der auf seinem Prunkwagen von Elefanten gezogen worden sei. Im Lande gebe es auch sehr viele Elefanten, denn in Yeha seien 5000 zusammengetrieben worden – eine zweifellos übertriebene Zahl. Aus schriftlichen wie archäologischen Quellen geht also unzweideutig hervor, dass Aksum ab dem 3. Jh. n. Chr. ein bedeutendes politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum mit eigener Münzprägung war, in dem die griechische Sprache als Umgangssprache verwendet wurde. Aksum unterhielt mit weiten Bereichen des Orients geschäftliche sowie diplomatische Kontakte und dabei kam es sogar zur Begegnung mit Ostasien. Wir wissen von chinesischen Seefahrern, die nicht erst im 15. Jh., also zur Hochzeit chinesischer Seefahrt nach dem Westen, sondern bereits seit dem ersten christlichen Jahrhundert nach Äthiopien und Nubien kamen. Die erfolgreichen Feldzüge aksumitischer Herrscher gegen die in Afrika nördlich wohnenden Blemmyer, gegen das nachmeroitisch-nubische Reich am Nil mit seinem noch existierenden Zentrum Meroë, das gegen 350 n. Chr. von Ezana erobert wurde, oder die zweimalige, wirksame Besetzung Südarabiens im 3. und 6. Jh. zeigen, dass der altäthiopische Staat in Nordostafrika auch militärische Macht demonstrierte. Im Omayyaden-Wüstenschloss von Qusair Amra in Jordanien (8. Jh. n. Chr.) sind die mächtigsten Herrscher der Welt abgebildet, darunter der “Negus” von Äthiopien. Aksum zählte also zu den vier Weltreichen.
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Abb. 15 Die größte, je geschaffene Stele mit einem Gewicht von ca. 550 t und 35 m Länge in Aksum übertrifft den größten ägyptischen Obelisken. Sie scheint aber schon bei ihrer Aufstellung umgestürzt und zerbrochen zu sein. Im Hintergrund die moderne Kathedrale von Aksum.
Unter König Asbeha (oder Kaleb) erlebte Altäthiopien seit etwa 520 eine neue, wenn auch nur kurze Blütezeit. Im Jahre 525 besetzte es erneut Südarabien, doch dann, und zwar schon in diesem 6. Jh., begann der Stern Aksums zu sinken. Das Reich trat in seine Spätphase ein. Während dieser zweiten Besetzung Arabiens machte sich nämlich der dortige äthiopische Statthalter Abraha vom Reich unabhängig, und sein Feldzug gegen Mekka wurde 570 zum Fiasko – „Sahst du nicht, wie dein Herr mit den Elefantengefährten verfuhr? Führte er nicht ihre List irre und schickte über sie Vögel in Scharen, die sie bewarfen mit Steinen aus gebranntem Ton? Und er machte sie wie abgefressene Saat.“ (105. Sure des Korans – „Der Elefant“, da Abraha mit einem oder mehreren Elefanten gegen Mekka zog.) Spätestens 572 war es aufgrund von Rebellionen und Aufständen mit der Äthiopien-Herrschaft in Südarabien zu Ende. Diese Aufstände wurden von den Persern (Sassaniden) kräftig unterstützt, um von 575 und 598 an über Südarabien zu herrschen. Bald hernach, und zwar knapp vor 632, also noch zu Lebzeiten des Propheten, fasste dann der Islam auch im südlichen Arabien Fuß, und im Anschluss daran breitete er sich bekanntlich sehr rasch über den gesamten Vorderen Orient aus. Die erste islamische Gemeinde außerhalb der seit den ersten Jahrhunderten n. Chr. wichtigen Handelsorte Mekka und Medina gab es übrigens auf afrikanisch-aksumitischem Boden, also in Altäthiopien, wohin sich die frühesten Anhänger Mohammeds vor Verfolgung im eigenen Land retteten und wo sie wohlwollend aufgenommen wurden. Die frühe Ausbreitung des Islam in Afrika nahm aber kurz darauf vom Dahlak-Archipel vor der Küste Eritreas aus ihren Anfang. Nach dem Verlust der gesamten südarabischen Besitzungen und Einflusssphären führte Aksum im Jahre 687 wiederum Krieg gegen Nubien. Im Jahrhundert darauf wurde es von den nördlich wohnenden Wüstenstämmen bedroht, und innenpolitisch scheint es im Reich auch nicht gut bestellt gewesen zu sein, da sich ein Usurpator mit Namen Daniel zum wahren Machtträger aufschwingen konnte, während der König nur mehr ein Schattendasein führte; und der wichtige Ort am Meer, Adulis, wurde in den Jahren 640 und 703 von Dschidda aus angegriffen
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und zerstört. Die Folge davon war die fortschreitende Versandung seines Hafens. Im 10. Jh. dürfte es schließlich zu einem katastrophalen Ende gekommen sein, „hervorgerufen durch den Sieg der legendären ‚jüdischen‘ Königin Esato (Judith) über Axum, von der man nicht weiß, ob sie Herrscherin der aufständischen Sidamo war, aus Nubien kam oder als Anführerin der Falasha zu gelten hat“ (Tunis-Duchateau 1999: 7). Die Falasha, äthiopische Juden, waren Agau, die den jüdischen Glauben vor dem Exil angenommen hatten. Sie kannten und kennen somit weder den Talmud noch nachexilische Feste. Als Anführerin der gegen die Zentrale rebellierenden Agau und Sidama (mit Matriarchat) hat sie – wie heute allgemein angenommen wird – Aksum angegriffen und Stadt wie Reich zerstört. Damit geriet Äthiopien – noch verstärkt durch die Umklammerung inzwischen islamisch gewordener Länder – in eine Jahrhunderte andauernde Isolation, die zwar vereinzelt und punktuell durchbrochen wurde, für die Entwicklung des Landes in kultureller und religiöser Hinsicht aber fatal war. Der Handel des nordostafrikanischen Raumes mit der arabischen Halbinsel blieb in der Endphase Aksums und auch noch nach dessen Fall weiterhin wichtig, seine weitreichenden Kontakte vom byzantinischen Reich bis Persien, Indien und darüber hinaus bis Ostasien kamen aber mehr und mehr zum Erliegen. Die über Tausende von Kilometern reichenden Verbindungen – vor allem zur See –, auf denen Waren und Produkte verschiedenster Provenienz transportiert und verhandelt wurden, gingen nun im Roten Meer, im persisch-arabischen Golf und im Indischen Ozean – ganz ähnlich den Verhältnissen zu Beginn und in der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. – hauptsächlich wieder in arabische, persische und indische Hände über. Die Geschichte Äthiopiens in den folgenden 500 Jahren ist weitgehend unbekannt. Immerhin wissen wir, dass nach den inneren Wirren im 10. Jh. ein neues Staatswesen entstand. Nach äthiopischer Tradition lebten jedoch die Nachkommen der alten Königsdynastie, der salomonischen Dynastie, die sich auf Menelik I., Sohn von König Salomo und der Königin von Saba, zurückführt, im Inneren des äthiopischen Hochlandes, in Schoa weiter. Von 1137 bis 1270 lag die Macht in Äthiopien dann in Händen der Zagwe-Dynastie, den Nachfolgern Judiths. Ihre Heimat war die Region Lasta mit dem Ort Roha (= Edessa, das 2. Jerusalem), der später nach dem Namen des bekanntesten Herrschers dieser Dynastie in Lalibela umbenannt wurde. Sollte diese Judith, wie Erzählungen berichten, auch eine Christenverfolgung mit viel Zerstörung an
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Abb. 16 Reste eines großen antiken Bauwerkes in Matara nahe Senafe (Eritrea).
Abb. 17 Tempelanlage aus aksumitischer Zeit auf der Hochebene von Kohaito in Eritrea.
Kultur gebracht haben, so erlebte der christliche Glaube unter ihren Nachfolgern – es wird von fünf bis 16 Zagwe-Herrschern gesprochen – eine neue Blüte. Die Agau bekehrten sich zum Christentum – und viele Felskirchen wurden geschaffen, darunter gegen Ende des 12. Jh. die bedeutendsten unter König Lalibela. Ihn nahm die äthiopische Kirche auch in den Kanon ihrer Heiligen – 12. Juni ist sein Festtag – auf. Die Tradition der „Errichtung“ von Felskirchen reicht in Äthiopien vom 7. Jh. bis in neueste Zeit. Im Jahre 1270 schickte sich Yekuno Amlak an – er sah sich als Nachfahre der früheren salomonischen Dynastie –, die Zagwe-Herrscher, deren letzte drei völlig bedeutungslos waren, zu entmachten. Dies gelang ihm auch. Nach äthiopischer Tradition soll die Machtübernahme aufgrund der Vermittlung des Heiligen Tekle Haimanot friedlich erfolgt sein. Die Zagwe-Familie regierte jedenfalls noch sehr lange als Lokalherrschaft in Lasta. „Die Wiedereinsetzung der Salomoniden eröffnet eine neue Periode äthiopischer Geschichte, die wir mit J. Tubiana als das Reich der Ämhara bezeichnen wollen. Auch hier lassen sich wieder mehrere markante Abschnitte unterscheiden.“ (Hammerschmidt 1968: 53). Es war aber eine Periode, in der die Herrscher in besonderer Weise – ähnlich den Kaisern des europäischen Mittelalters ständig durchs Land ziehend – ihren Aufgaben nachkommen mussten. Aksum spielte zwar als religiöses Zentrum und als Krönungsort nach wie vor eine wichtige Rolle, politisch hatte es aber ausgedient. In dieser Zeit musste der Bestand des Reiches gegen die muslimischen Kleinstaaten im Südosten gesichert werden. Dabei tat sich besonders Amda Seyon I. (Säule Zions, 1314–1344) erfolgreich hervor. Unter ihm kam es neben den militärischen Erfolgen auch zu einer neuen Blüte im geistigen und literarischen Leben, und diese setzte sich rund hundert Jahre in der Zeit Zara Jakobs (Spross Jakobs, 1434–1468) verstärkt fort.
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Abb. 18 Der weltweit besterhaltene „südarabische“, d.h. voraksumitische Tempel und rechts davon die heutige Kirche von Yeha.
Abb. 20 Die „vornehme Dame“ von Hawelti-Melazo, eine 80 cm hohe, antike Steinstatue einer sitzenden Frau in langem Faltenkleid. Nationalmuseum Addis Abeba.
Abb. 19 Das sogenannte „Bad der Königin von Saba“, ein großes Wasserreservoir aus antiker Zeit in Aksum.
Zara Jakob verfasste selbst oder veranlasste die Abfassung theologischer Werke, eine neue Kirchenordnung, er nahm an theologischen Disputationen teil und kümmerte sich um die Ausstattung von Kirchen und Klöstern, die – ganz ähnlich wie in Europa – die Träger von Kunst, Kultur und Gelehrsamkeit waren. In seiner Zeit wurden auch koptisch-arabische Texte ins Geez übersetzt. Der Kaiser suchte Kontakte zu den im Lande lebenden oder ins Land kommenden Juden, wandte sich aber auch wieder gegen sie und gegen die Heiden. Zara Jakob darf als Bewahrer, als Kulturförderer und als Reformator angesehen werden, als erneut erfolgreicher Verteidiger des Landes gegen die muslimischen Kleinstaaten – und als derjenige Herrscher, der wohl mit der römischen Kirche Kontakt suchte. Äthiopische Mönche nahmen nämlich 1439 am Konzil von Florenz teil, wo sie – vorbehaltlich der Zustimmung des Kaisers – einer Union mit Rom zustimmten. In den Beginn des 14. Jh. fällt auch die Abfassung des wichtigsten literarischen Werks Äthiopiens, des „Kebra Nagast“ (Ruhm der Könige), das alte Überlieferungen von der Herkunft (z.B. den Bericht über die Königin von Saba und Salomo) sowie die Bestimmung Äthiopiens zusammenfasste und so zum Hauptdokument für Staat (Kaiserreich), Dynastie und Kirche wurde. In dieser Periode des neuen Erblühens äthiopisch-christlicher Kultur entstanden auch großartige Werke der Buch-, Wand- und Ikonenmalerei – das älteste, erhaltene Manuskript stammt von 1280 – sowie des Kunsthandwerks. Zu Beginn des 14 Jh. scheinen Äthiopier bis Europa und Ostasien gereist zu sein, wie die mittelalterlichen Autoren Montecorvino, Carignano und Sanudo berichten. Auch bei Marco Polo (1254–1324) wird Abessinien genannt. Seit dem 15. Jh. kamen die Europäer nach Äthiopien, so die Portugiesen Pêro da Covilhã und Afonso de Pavia als Gesandte sowie Lazaro de Andrade, die Florentiner Kaufleute Antonio Bartoli (noch vor 1400) und Andrea
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Corsoli, der Sizilianer Pietro Rombulo und die Künstler Nicolò Brancaleon und Gregorio Bicini aus Venedig. Das Wirken der beiden Letztgenannten lässt sich bis heute nachweisen. Über Jerusalem, wo äthiopische Mönche lange Zeiten hindurch anwesend waren, kamen Nachrichten vom christlichen Reich im Südosten nach Europa. Ein ganz wesentlicher Antrieb für Europäer, mit diesem Reich „im Osten“ auch in Kontakt zu treten, erwuchs dann aus einem sonderbaren Brief, dessen Absender bis heute unbekannt ist. Seit ca. 1165 waren in Byzanz und kurz darauf auch an westeuropäischen Herrscherhöfen wohl fingierte Briefe eines angeblich christlichen und mächtigen Fürsten weit im Osten, eines „Herrschers über drei Indien“ mit Namen Johannes bekannt, in denen dieser den Wunsch eines Kontaktes mit den Christen des Westens aussprach. Diese Briefe sollten zweifellos in der europäischen Christenheit die Hoffnung auf eine Unterstützung in den Auseinandersetzungen mit der islamischen Welt durch einen ideal geschilderten und mächtigen Christenfürsten im Osten wecken. Und in der Tat, so fragwürdig die Briefe auch waren – über den Absender gibt es heute nur Vermutungen –, so wirkten sie doch durch Jahrhunderte hindurch, bis im Zeitalter der großen Entdeckungen Klarheit geschaffen werden konnte. Die Suche nach dem „Priesterkönig Johannes“ war neben dem Missionsauftrag und dem Bestreben, die Gewürzinseln direkt zu erreichen, der dritte treibende Faktor für die frühen Entdeckungsreisen. Als einzig realer Kernpunkt dieser Suche Europas nach dem Reich des Johannes könnten das stets christlich gebliebene Land Äthiopien und seine Herrscher angesehen werden – was in Europa wiederholt auch geschah. Wegen der mangelhaften geographischen Kenntnisse und der Irrtümer des europäischen Mittelalters konnte sich die Vorstellung von Äthiopien als dem „im Osten“ liegenden christlichen Reich aber erst im 16. Jh. endgültig und zu Recht durchsetzen. Kontakt mit Europa wurde aber auch von Äthiopien her gesucht, und dabei in erster Linie mit Portugal. Als Folge davon kamen 1520 Dom Rodrigo de Lima und der Geistliche Francisco
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Abb. 25 Der Tempel in Yeha aus voraksumitischer Zeit hat die Maße 15 x 20 m im Grundriß. Davor liegt heute ein Friedhof.
Abb. 26 Das auf einem Tafelberg liegende und nur über eine Felswand zugängliche Kloster von Debre Damo in Nordäthiopien, dessen Gründung in die Frühzeit des Christentums zurückreicht.
Vorhergehende Seiten: Abb. 21 Christus am Kreuz mit Maria und Johannes aus Ura Kidane Mariam am Tanasee. Abb. 22 Wandgemälde aus Bet Mariam in Lalibela; Jesus und die Samariterin, die aus einem Brunnen Wasser schöpft.
Vorhergehende Seiten: Abb. 23 Inneres der Monolithkirche Gennete Mariam (Garten Mariens) östlich von Lalibela. Abb. 24 Verziertes Fenster in der Kirche von Abraha Atsbeha.
Alvarez nach Äthiopien, wo sie bis 1526 blieben. Einer ihrer Begleiter, der Schiffsbarbier João Bermudas, kehrte nicht mehr zurück. Er scheint bald hernach im Auftrag des äthiopischen Kaisers Lebna Dengel (1508–1540) nach Rom um Hilfe gesandt worden zu sein, denn im Jahre 1527 fiel der Krieger Ahmad ibn Ibrahim al-Ghazi, genannt Grañ der Linkshänder, der sich zum Imam von Harar, dem islamischen Wirtschafts- und Kulturzentrum im Südosten mit eigener Münzprägung seit dem 16. Jh., hinaufgearbeitet hatte, in Äthiopien ein und verwüstete das Land in den folgenden 16 Jahren auf das schrecklichste. Er „plünderte und raubte, verbrannte Kirchen und Klöster und zwang die Christen, zum Islam überzutreten. Viele wertvolle Handschriften wurden in dieser Zeit vernichtet, und wenn auch genügend erhalten blieben, um die literarische Kontinuität zu wahren, ist doch der Verlust eines breiten Stroms von Textzeugen sehr beklagenswert – ganz abgesehen davon, dass auch Werke zugrunde gegangen sein können, von denen keine Kopie überlebte.“ (Hammerschmidt 1968: 59 f.). So wandte sich 1541 Kaiser Claudius (Galawdewos, 1540–1559) – wie zuvor schon sein Vater – wiederum nach Rom an den Papst, es war Paul III., um Hilfe. Das äthiopische christliche Reich stand vor seinem sicheren Ende. Doch im letzten Augenblick traf wie ein Wunder eine portugiesische Flotte unter Befehl Dom Estêvão da Gamas, des zweiten Sohnes von Vasco da Gama, in Massaua ein, um den Expansionsbestrebungen der Türken (seit 1517 in Massaua) im Roten Meer Einhalt zu gebieten. Als Claudius davon erfuhr, rief er sofort die Portugiesen zu Hilfe, und Dom Christóvão da Gama, auch ein Sohn Vasco da Gamas, brach mit nur 400 Mann ins Landesinnere auf. Nach ersten Erfolgen konnte Grañ aber die Portugiesen besiegen und köpfte eigenhändig den in Gefangenschaft geratenen Kommandanten. Das Schicksal des Reiches schien besiegelt – aber dennoch stellte sich der Rest der Portugiesen von 120 Mann vereint mit den Äthiopiern einer Entscheidungsschlacht nahe dem Tanasee und – wiederum wie ein Wunder – Ahmed Grañs Heer wurde vernichtend geschlagen. Er selbst fiel.
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Mit diesem Sieg am 21. Februar 1543 war Äthiopien gerettet. Die Jahre größter Zerstörungen aller Art, vor allem der Kunstschätze und Bauten, waren beendet. Einer der tiefsten, mit immensen Schäden verbundenen Einbrüche in der langen Geschichte des Landes war überwunden. Mit der erfolgreichen Teilnahme der Portugiesen an der Rettung des Reiches war nun auch die Tür für die Europäer weit geöffnet; eine neue Periode nahm ihren Anfang. Nach 900 Jahren war die weitgehende Isolierung Äthiopiens von der abendländischen Welt durchbrochen. Unter den Europäern, die nun ins Land kamen, spielten die Portugiesen eine überragende Rolle, und unter ihnen seit 1557 die Jesuitenmissionare. Ihr Einfluss auf den Hof und die Kultur Äthiopiens war beachtlich. Viele moderne Errungenschaften auf allen Gebieten fanden Eingang. Es gab aber auch Schwierigkeiten, so z.B. mit dem in Fraktionen gespaltenen einheimischen Klerus in theologischen Fragen. Neben verständnisvollen und anpassungsfähigen Europäern, die hohes Ansehen genossen, wie z.B. der Jesuit Afonso Pedro Páez, gab es natürlich auch wenig geschickt agierende, wie den katholischen Patriarchen Alfonso Mendes, so dass in den folgenden 90 Jahren nicht immer Sonnenschein über den Beziehungen zwischen den Partnern lag und gravierende Differenzen auftraten. Um die Mitte des 16. Jh. fiel von Süden her das Viehzüchtervolk der Oromo ins äthiopische Kernland ein und drang in den folgenden Jahrhunderten bis an die Grenze von Tigre im Norden und des Sudan im Westen vor. Gegen sie wie auch gegen die Falasha hatte der Herrscher zu kämpfen. Zugleich bedrohten vom Norden her die Türken das Land. Äthiopien durchlebte also in der zweiten Hälfte des 16. und im ersten Drittel des 17. Jh. wiederum eine sehr bewegte Zeit. Dazu trug natürlich auch das erfolgreiche Wirken der Europäer, vor allem der Portugiesen und der mit ihnen kommenden Jesuiten bei. Ihr Einfluss wurde im Laufe der Zeit so stark, dass Kaiser Susenyos (1607–1632) im Jahr 1622 das römisch-katholische Bekenntnis annahm und 1628
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Abb. 27 Alte Brücke aus dem 16. oder 17. Jh.
zur Staatsreligion erhob. Dies führte aber sofort zu einer Rebellion und schließlich zur Abdankung zu Gunsten seines Sohnes Fasilides. Die Abdankung Susenyos’ und die Thronbesteigung seines Sohnes Fasilides (Basilides, 1632 bis 1667) dürfen als weitere Zäsur in der äthiopischen Geschichte angesehen werden. Susenyos gab dem Volk den alten Glauben zurück – er selbst blieb aber katholisch –, Fasilides verwies die europäischen Kleriker des Landes, einige, die nicht gehen wollten, ließ er hinrichten, unterstützte voll und ganz die einheimische Kirche, errichtete im 65 km nördlich des Tanasees gelegenen Ort Godar seine Residenz und schuf die Voraussetzungen für ein Weiter- und Neuerblühen von Kunst und Kultur – für die „Periode von Gondar“. Seine Nachfolger bauten dann die neue Residenz zu einem ganzen Komplex von Schlössern aus und hielten z.T. prächtig Hof. Unter ihnen ragte Iyasu I. Tallaq (der Große, 1682–1706) heraus, der Verwaltungsreformen (Steuerwesen) durchführte und eine Konsolidierung des Reiches vorantrieb, indem er unbotmäßige Lokalherrscher zur Räson brachte und die Bedrohung durch die Oromo beseitigte. Doch bereits in der ersten Hälfte des 18. Jh. begannen Macht und Ansehen des Kaiserhofes zu schwinden. Iyasu II. (1730–1755) herrschte nur mehr über Begemder und Godscham, also einen Reichsteil. Nach ihm erstarkte sogar der Oromo-Einfluss am Hof, die Macht der Zentrale schwand weiter dahin, und der von Kaiser Joas I. (ab 1755) zu Hilfe gerufene Fürst Mikael Se‘ul ließ, nachdem ihm später der Kaiser nach dem Leben getrachtet zu haben scheint, den Herrscher 1769 ermorden. Ras Mikael setzte einen Sohn von Iyasu II. als Kaiser Johannes II. ein. Diese Ereignisse waren der Beginn einer sich über rund 85 Jahre hinziehenden Periode des noch stärkeren Zerfalls der Zentralmacht, allgemeiner Anarchie und für den aus Albanien stammenden Herrscher Ägyptens, Ali Pascha, eine günstige Gelegenheit, nach seinem Einmarsch in den Sudan 1820 im Jahre 1840 auch Äthiopien zu unterwerfen. Das Unternehmen schien anfänglich erfolgreich zu werden, endete aber mit einer Niederlage und der Vertreibung der Ägypter. Am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jh. war auch die Zeit, in der europäische Forschungsreisende wie Bruce, Salt und Rüppel nach Äthiopien kamen und von diesem Land berichteten.
Erneuerung und Eintritt in die moderne Geschichte Die beklagenswerte Situation Äthiopiens änderte sich erst mit dem Auftreten des 1818 geborenen Ras Kasa, der dem willkürlichen Schalten und Walten der Lokalherren ein Ende bereitete. Es gelang ihm, sich militärisch durchsetzen und im Jahre 1855 vom Abuna, dem Oberhaupt der äthiopischen Kirche, als Tewodros (Theodorus) II. zum Kaiser (bis 1868) krönen zu lassen. Den Sohn seines – neben Ras Webe von Tigre – zweiten Hauptrivalen und Herrschers von Schoa, Haile Melekot, ließ er vorsorglich unter guten Bedingungen festhalten. Theodorus war ein umsichtiger, tüchtiger Herrscher, dessen zahlreiche Reformen auf vielen Gebieten erfolgreich verliefen. Umso unerklärlicher ist es, dass er sich im Laufe der Jahre zu einem höchst unerfreulichen, vor allem seinen eigenen Leuten gegenüber brutalen Zeitgenossen entwickelte. Als er Europäer gefangen hielt und auf ein Ultimatum Englands nicht reagierte, stieß ein britisches Expeditionskorps unter Robert Napier vom Golf von Zula (Adulis!) aus ins Landesinnere vor, wurde dabei von einzelnen Landesfürsten sogar unterstützt und eroberte am Ostermontag 1868 die kaiserliche Festung von Magdala. Theodorus erschoss sich, die Engländer zogen unter Mitnahme
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wertvoller Manuskriptbestände überraschenderweise wieder ab und überließen das Land seinem Schicksal. Trotz dieser Auseinandersetzung mit dem britischen Weltreich wurde in der Zeit des Theodoros die Tür nach außen erneut geöffnet und eine ganze Reihe von Europäern kam ins Land. Mit seinem Nachfolger, Ras Kasa aus Tigre, der sich in den Wirren nach 1868 schließlich im Jahre 1878 als Kaiser Johannes IV. durchsetzen konnte, blieb Äthiopien ein zur Welt hin weit geöffnetes Land. In diesem 19. Jh. startete nach einem Versuch im 17. Jh. durch Peter Heyling aus Lübeck auch die protestantische Mission 1840 mit Samuel Gobat, Christian Kugler und C. W. Isenberg (ab 1831) ihre Tätigkeit in Äthiopien, und aus ihr gingen schließlich seit 1958 eigene protestantische Kirchen hervor. Der Unterschied zwischen Protestanten und Katholiken war in Äthiopien aber lange unbekannt. Im Jahre 1882 schloss Kaiser Johannes mit Menelik, dem 1865 aus der Verbannung geflohenen Sohn Haile Melekots und nunmehrigen Herrscher Schoas, ein Abkommen, dem zufolge Menelik Herr über die südlichen Landesteile wurde. Als Gegenleistung musste er ihn als Kaiser anerkennen. Damit war innenpolitisch eine wichtige, positive Entscheidung getroffen worden. Von außen her wurde das Reich aber erneut bedroht. Johannes musste gegen die Ägypter unter dem Khediven Ismail (1863–1882), der Massaua, Keren und Harar besetzte, und gegen die Mahdisten kämpfen. Dabei schlugen die Äthiopier zweimal die ägyptischen Expeditionsheere (1875 und 1876) und traten den bis Gondar vorrückenden und das Land verwüstenden Mahdisten entgegen. Johannes fiel aber 1889 in der Schlacht von Metemma. Der Tod Johannes IV. darf wiederum als eine Zäsur in der Geschichte des alten nordostafrikanischen Reiches gesehen werden, denn anschließend kam eine bedeutende Herrschergestalt auf den äthiopischen Thron, mit der das Land endgültig in die moderne Zeit geführt wurde – und diese Persönlichkeit war der am 3. November 1889 in der neuen Marienkirche auf dem Mt. Entoto bei Addis Abeba zum Kaiser gekrönte bisherige Herrscher der Südgebiete Menelik II. (bis 1913). Mit ihm trat Äthiopien durch das aktive Bemühen des Kaisers wie auch durch weltpolitische Umstände (Kolonialismus) voll ins Licht des Weltinteresses, vergleichbar mit der „Portugiesenzeit“ des 16. und 17. Jh. oder der „aksumitischen Periode“ unter Ezana. Von den zahlreichen Vorhaben und Unternehmungen Meneliks seien nur hervorgehoben: die Einverleibung und die Eroberungen großer Gebiete des Hochlandes westlich und südlich von Schoa – darunter das kleine Reich von Kaffa – sowie Harars durch Ras Makonnen 1887, den Vater Haile Selassies, das Bemühen Meneliks, das Reich zu öffnen und technisch-zivilisatorisch voranzutreiben, und die Abwehr europäischer Kolonialbestrebungen. Zur Zeit seines Vorgängers war Italien in Nordostafrika auf den Plan getreten: 1869 wurde Assab italienisch, 1879 übernahm der italienische Staat Assab, 1882 wurde Assab Kolonie, 1885 wurde Massaua italienisch, 1890 Schaffung der Kolonie Eritrea, die im Laufe der Zeit, d.h. im Endeffekt Italien unglaublich viel kostete. Trotz Scharmützeln der Krieger von Kaiser Johannes mit den Italienern waren aber die Beziehungen Meneliks zu ihnen zunächst gar nicht schlecht, und im berühmten Vertrag von Uccialli wurden 1889 strittige Fragen zwischen Äthiopien und Italien geregelt. Durch eine Textunklarheit – Artikel 17 hatte im Italienischen und im Amharischen unterschiedlichen Inhalt – kam es dann zum Streit. Dem italienischen Text zufolge trat Italien von 1889 an als Protektoratsmacht Äthiopiens auf, was im amharischen Text nicht ausgesagt wurde und was der Kaiser verständlicherweise auch kategorisch ablehnte. Nach ergebnislosen Neuverhandlungen kündigte
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Abb. 28 Der alte Palast von Kaiser Menelik II auf dem Mt. Entoto bei Addis Abeba.
Menelik 1893 den Vertrag und informierte die europäischen Mächte. Italien reagierte mit dem Einmarsch in Äthiopien. General Baratieri stieß am 1. März 1896 mit einer modern ausgerüsteten Armee von 14000 Mann gegen Adua vor, traf dort auf Meneliks 80000 Mann Fußtruppen sowie 8600 Reiter und musste eine vernichtende Niederlage einstecken. Dieser Sieg der Äthiopier ließ damals die ganze Welt aufhorchen. Der Vertrag von Uccialli wurde aufgehoben und Äthiopiens völlige Unabhängigkeit von Italien anerkannt. Nun kamen zahlreiche Europäer in den verschiedensten Funktionen und mit den verschiedensten Absichten ins Land, und die Weltmächte trachteten, mit Menelik in engen Kontakt zu treten. Damit fand moderne Technik in noch stärkerem Maße Eingang als vorher, Handelsbeziehungen wurden geknüpft, ein allgemeines Gesundheitswesen nahm seinen Anfang (erste Impfmaßnahmen), im Jahre 1909 wurde in Addis Abeba, das 1883 von Kaiserin Taitu gegründet worden war, das MenelikHospital eröffnet, und nachdem schon vorher eine Telegraphenleitung gelegt worden war, begannen die Franzosen 1897 sogar von Dschibouti aus mit dem Bau der 784 km langen Eisenbahn (fertiggestellt 1917). Der Schweizer Ingenieur Alfred Ilg wurde zum Vertrauten des Kaisers und stieg bis zum Staatsminister auf. So fungierte er auch als „Botschafter“ des Kaisers, der Europa über den Angriffskrieg Italiens gegen Äthiopien informierte. Viele Maßnahmen, die unter der Regierung Meneliks getroffen wurden, brachten das Land weit voran. „Mit Recht gilt Menelik II. als der Herrscher, der die Grundlagen zu einem modernen Staat legte.“ (Hammerschmidt 1968: 73). Am 12. Dezember 1913 erreichte die Nachricht vom Tode des Kaisers das Land und die Welt.
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Das 20. Jahrhundert Der großen Herrscherpersönlichkeit Meneliks II. – in den letzten Jahren seiner Regentschaft war er durch Krankheit stark eingeschränkt – folgte sein Enkel Lidsch Iyasu, dessen negative Charaktereigenschaften und dessen wohlwollende Haltung dem Islam gegenüber sehr bald auf die Ablehnung einflussreicher Kreise stießen. Verständlicherweise stellte sich die Kirche entschieden gegen Lidsch Iyasus Religions- und Kulturpolitik. Am 27. September 1916 trafen sich die gegen ihn revoltierenden Rase (Fürsten) unter der Führung des 1892 geborenen Ras Tafari Makonnen, dem Sohn des Ras Makonnen von Harar und späteren Kaisers Haile Selassie. Zusammmen mit Abuna Matteos setzten sie Lidsch Iyasu ab und ernannten Zauditu, die Tochter Meneliks, zur Kaiserin. Ihr zur Seite wurde Ras Tafari als Regent gestellt. Der Vater Lidsch Iyasus, Negus (König) Mikael von Wollo, erhob sich gegen die Absetzung seines Sohnes, wurde aber noch 1916 in der Schlacht von Segalle besiegt und gefangen genommen. Lidsch Iyasu floh zunächst zu den Afar in die Danakilwüste, aber auch er wurde 1921 gefangen und bis zu seinem Tod 1935 eingesperrt. Der Regent suchte einen engeren positiven Kontakt zur Welt; so setzte er 1923 die Abschaffung der Sklaverei durch, erreichte die Aufnahme Äthiopiens in den Völkerbund und reiste 1924 nach Europa. Im Jahre 1928 wurde er zum Negus und nach dem Tod von Kaiserin Zauditu 1930 zum Kaiser (Negus Negesti) von Äthiopien als Haile Selassie I. (Kraft der Dreifaltigkeit) gekrönt. Kurz zuvor hatte er Ras Gugsa von Tigre, den früheren Gatten der Kaiserin, der gegen ihn revoltierte, in der Schlacht von Anchin besiegt. Ras Gugsa fand dabei den Tod. Trotz Festigung der Herrschaft des Kaisers, der von ihm eingeleiteten Reformen und der engeren Beziehungen des Landes zu den tonangebenden Staaten der Erde – mit Italien z.B. wurde 1928 ein auf 20 Jahre laufender Freundschaftsvertrag abgeschlossen – war Äthiopien „im Jahre 1935 in den Augen der Weltöffentlichkeit ein Land ohne Zukunft. Man war der Ansicht, dass eine der führenden Nationen die Zivilisation dieses Landes übernehmen müsse.“ (Skarnicel 1951: 98) So stieß Mussolinis Expansionspolitik in verschiedenen Kreisen Europas auf Verständnis oder sogar Zustimmung. Denn während Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg nichts anderes übrig blieb, als dem Verlust seiner Kolonien nachzutrauern, konnte sich das faschistische Italien daran machen, sein „Impero Italiano in Africa“ zu schaffen. Dabei sollten – und für die kurze Zeit von 1936–41 ist dies auch gelungen – die Kolonie Eritrea, Italienisch Somaliland und das dazwischen liegende Kernstück Äthiopien zu einem großen Verband von „Africa Orientale Italiana“ für immer zusammen gefasst werden. Und auch die 1896 bei Adua erlittene Schmach der Niederlage war noch gutzumachen. Der Kaiser traf Maßnahmen gegen die drohende Gefahr eines Überfalls auf sein Land, doch Italien war militärisch dem schwach gerüsteten Äthiopien turmhoch überlegen. Im Dezember 1934 wurden nach italienischer Provokation und Zusammenstoß an der somalisch-äthiopischen Grenze 107 Äthiopier getötet. Anfang Oktober 1935 überschritten ohne Kriegserklärung italienische Streitkräfte unter General de Bono die Nord- und unter General Graziani die Südostgrenze Äthiopiens. Am 5. Mai 1936 marschierte die italienische Armee in Addis Abeba ein. Der Kaiser floh nach England und organisierte von dort und später vom Sudan aus den Widerstand. Unvergessen bleibt sein Auftreten beim Völkerbund in Genf am 29. Juni 1936. Trotz vieler Sympathien, die er damit gewann, blieb sein Hilferuf praktisch ohne Folgen. Äthiopien wurde von den Mächtigen der Erde, die durchaus gegen die Expansionsbestrebungen Italiens waren, schmählich im Stich gelassen. Nach der Kriegserklärung Italiens an Großbritannien 1940 griffen britische Truppen Eritrea und Äthiopien an. Im Mai 1941 war Addis Abeba
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wieder frei, und der Kaiser kehrte im Triumph zurück. Als Dank für den Sieg über die Aggressoren ließ er die schon 1933 mit der Grundsteinlegung begonnene neue Dreifaltigkeitskirche in der Hauptstadt errichten. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren dann Äthiopiens Gewicht und Stimme zweifellos gewachsen und Kaiser Haile Selassie war über drei Jahrzehnte hinweg eine der bekanntesten und geschätzten Persönlichkeiten des politischen Weltgeschehens. Das Land trat in engen Kontakt zum Westen, unterhielt aber zugleich gute Beziehungen zum Ostblock. Zahlreiche Reformen und Neuerungen in Staat und Gesellschaft wurden initiiert. 1952 übergab die UNO die Verwaltung von Eritrea, das seit 1941 unter britischer Oberhoheit gestanden hatte, an Äthiopien, und Addis Abeba wurde 1963 Sitz der Organisation Afrikanischer Einheit. Trotz der zahlreichen Neuerungen und Verbesserungen wie auch des hohen Ansehens des Herrschers kam es am 14. Dezember 1960 während einer Reise des Kaisers nach Brasilien zu einer von der Garde und Studenten getragenen Rebellion, die nach rascher Rückkehr von Haile Selassie jedoch sofort zusammenbrach. Mit der Einglierung Eritreas als 14. Provinz des Staates schuf sich das offizielle Äthiopien aber sehr bald wieder einen neuen Gegner. Denn es formierte sich sofort eine eritreische Unabhängigkeitsbewegung, die fast durch drei Jahrzehnte hindurch – bis 1974 noch in der Monarchie und anschließend in der kommunistischen Ära – gegen die Zentralregierung in Addis Abeba kämpfte. Dazu kam noch die Unzufriedenheit junger, vielfach im Ausland ausgebildeter Intellektueller und Militärs mit den trotz aller Reformen und positiven Veränderungen herrschenden sozialen Verhältnissen. Darüber hinaus wirkten sich die andauernde Agitation der Ostblockländer, im Jahre 1973 die Hungersnot in Wollo und Tigre, die Formierung der Oromo-Befreiungsfront und nicht zuletzt auch das Alter des Kaisers negativ aus. Die Militärrebellion in Negelli, Borana vom Januar 1974 brachte die Absetzung des Kaisers, und General Aman Andom wurde erster Vorsitzender der provisorischen Militärregierung. Nun sahen die kommunistischen Kräfte, getragen von der Sowjetunion und den anderen Ostblokkstaaten, ihre Chance gekommen. Die USA, die hätten gegensteuern können, waren durch Watergate wie gelähmt. General Andom und 59 Mitglieder der kaiserlichen Familie und der kaiserlichen Herrschaft wurden im November 1974 ermordet – die kommunistische Gewaltherrschaft nahm ihren Anfang. Im folgenden Jahr wurde dann der 83jährige Kaiser ermordet, und nach der Ermordung von General Teferi Benti und anderer Mitglieder des Derg (Provisorischer Militärverwaltungsrat) setzte sich Mengistu Haile Mariam an die Spitze des Derg und des Staates. Unter seiner Gewaltherrschaft wurde der Terror verstärkt fortgesetzt. Hunderttausende von Äthiopiern – unter ihnen auch Patriarch Theophilos – erlitten einen gewaltsamen Tod, viele flohen ins Ausland. Präsident Siad Barre von Somaliland nutzte 1977 die Gelegenheit, marschierte in Äthiopien ein und versuchte ganz Ogaden zu erobern. Mit kräftiger Hilfe der Sowjetunion und Kubas wurden die Somalier aber zurückgeschlagen. In verschiedenen Regionen Äthiopiens regte sich vehementer Widerstand gegen das kommunistische Regime in Addis Abeba, und im Mai 1991 war der grauenvolle Spuk nach 17 Jahren vorbei; die Kämpfer der EPRDF (Ethiopian Peoples Democratic Front) marschierten geordnet in Addis Abeba, die Soldaten der EPLF (Eritrean Peoples Liberation Front) in Asmara ein. Äthiopien und Eritrea konnten und mussten neu beginnen, seit 1993 als zwei unabhängige Staaten. In den vergangenen zehn Jahren sind zwei blutige Konflikte zwischen beiden Ländern aufgebrochen. Es ist zu hoffen, dass sie auf dem Hintergrund der gemeinsamen geschichtlichen und kulturellen Wurzeln künftig Probleme zum Wohle ihrer Völker dauerhaft und allein auf friedlichem Wege lösen werden.
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Bedeutende Bauten aus 2500 Jahren Lothar Pascher
Die Präaksumitische Periode
Yeha Der 50 km östlich von Aksum in einer Höhe von 2200 m liegende Ort war schon in der präaksumitischen Periode ein bedeutendes Zentrum. Die Blütezeit Yehas lag 500 v. Chr. Aber schon im 2. Jh. verlor der Ort an Bedeutung. In frühen Reiseberichten (F. Alvarez, 1520; J. Bruce, 1769; H. Salt, 1810; Th. Bent, 1893) wird Yeha bereits als bemerkenswerte Ruinenstätte erwähnt.
Der Tempel
Abb. 29 Nicht bearbeitete Stelen im Stelenpark von Aksum.
Das eindrucksvolle Gebäude ist das älteste noch weitgehend erhaltene Bauwerk, zu dem es in Äthiopien keine Parallele gibt. Der Tempel stammt aus der Zeit um 500 v. Chr., vielleicht ist er aber auch noch älter und reicht bis ins 8. Jh. v. Chr. zurück. Die Tempelruine steht auf einem flachen Hügel und ist weit in der Landschaft sichtbar (Abb. 18). Der rechteckige, außen glatte Baukörper ist in seiner Längsachse ostwestlich orientiert, 18,66 m lang und 15,02 m breit. Das Eingangsportal an der Westseite wird durch einen mittig angeordneten Wandrücksprung betont, der innen als Wandverstärkung hervortritt. Eine an dieser Seite vermutlich vorhandene Treppenanlage, die zum Eingang führte, konnte bisher wegen der Gräber aus späterer Zeit nicht nachgewiesen werden. Der Tempel steht auf einem stufenförmigen Unterbau, seine Außenwände sind vollkommen glatt. Die Wandstärke im Erdgeschoss beträgt 1,25 m, im Obergeschoss ist sie um 20 cm geringer. Die teilweise noch in voller Höhe erhaltenen Wände sind fensterlos. Nach Angaben der Deutschen Aksum Expedition (DAE) zeigte die Westwand aber zwei Fensteröffnungen. Im östlichen Bereich des Erdgeschosses sind paarweise angeordnete Aussparungen zu sehen, die zur Einbindung der Querwände dienten. Im rechten Seitenraum führte an der Südseite möglicherweise eine Treppe in ein oberes Stockwerk. Auf dem Boden ist noch die Lage der für eine zweigeschossige Bauweise erforderlichen Pfeiler in der Raummitte zu sehen. Das Obergeschoss besaß vermutlich einen Lichthof wie der Wasserspeier für die Entwässerung der Zwischendecke in halber Höhe der Nordwand vermuten lässt. Das Mauerwerk besteht aus Kalksteinen mit Seitenlängen bis zu 3,10 m in Lagerschichten von 22 bis 28 cm Höhe. Es ist glatt bearbeitet, trocken versetzt, mit haarfeinen Stoß- und Lagerfugen in höchster Genauigkeit hergestellt. Die einzelnen Blöcke sind an den Kanten geglättet, die Flächen sind fein gespitzt. Diese Ausführungsqualität ist auch im antiken Marib in Südarabien anzutreffen. Im Bereich der Türöffnung an der Westseite sind in der 55 cm breiten Türnische Dübellöcher eingelassen, die möglicherweise zur Verankerung eines Türrahmens oder einer Verkleidung dienten. In den obersten Steinschichten der Ostwand und der nördlichen und südlichen Längswand finden sich Wandfriese. Brandspuren zeigen, dass der Tempel durch Feuer zerstört wurde. Ab etwa dem 6. Jh. haben ihn dann Christen genutzt. In einer Innenecke wurde ein Taufbecken mit Doppeltreppe gefunden, wie es aus Matara in Eritrea bekannt ist. Im umgebenden Areal des Tempels fallen einige roh belassene Grabstelen auf, eine davon mit rechteckiger Altarplatte und einer flachen Rundschale mit kreisförmiger Vertiefung darauf.
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Grat-Beal-Gebri Etwa 200 m nord-nordöstlich der Tempelruine liegt auf einer Anhöhe die Fundstelle Grat-BeatGebri. Dieses heute besiedelte Areal ist rund 3000 m2 groß. Die hier im Jahr 1971 freigelegten Mauerreste lassen auf ein monumentales Bauwerk ähnlich den südarabischen Bauten schließen. Von seinen ursprünglich sechs monolithischen Pfeilern mit rechteckiger Basis in der Portikusfront waren 1906 noch die Stümpfe von zweien, 1971 nur noch der Rest eines einzigen mit den Abmessungen von 0,97 x 0,84 m erhalten. An der Südseite fand sich eine vielstufige, breite Treppenanlage aus unregelmäßig gearbeiteten Stufen mittelmäßiger Qualität. Nördlich des Portikus, im mittleren Bereich der Anhöhe, sind die Archäologen 1973 auf Reste eines durch Brand zerstörten, bisher in Äthiopien unbekannten Gebäudetyps aus präaksumitischer Zeit gestoßen. Es wurden bis ca. 2 m starke und bis etwa 3 m hohe Wände aus grobem, in Erdmörtel gebetteten Bruchstein freigelegt, die Räume von verschiedenen Ausmaßen umschlossen. Bemerkenswert sind die in das Mauerwerk eingefügte Bewehrung aus Holz und eine Oberflächenbehandlung mit einem rot getünchten erdhaltigen Wandputz. Die noch erhaltenen angekohlten Holzteile und zahlreiche Flecken verkohlten Materials weisen auf die Zerstörung des vermutlich zweigeschossigen Bauwerks durch Feuer hin. Die 1973 durchgeführten Untersuchungen ergaben außerdem, dass an der gleichen Stelle ein zweites Gebäude über älteren Gebäuderesten errichtet worden ist.
Das Gräberfeld Daaro-Mikael Nicht weit von der Tempelruine entfernt fand man 1960 unter einer etwa 1 m dicken Erdschicht in den gewachsenen Fels eingearbeitete Gräber unterschiedlicher Ausführung aus vor- und
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Abb. 30 Der Stelenpark in Aksum
Abb. 31 Einstöckige Sonderform des äthiopischen Tukul-Hauses in Lalibela.
frühchristlicher Zeit, zum Teil mit vielen Grabbeigaben. Es handelt sich dabei um bis zu 3,5 m tief eingemeißelte Schachtgräber mit senkrecht abgesenktem, annähernd rechteckigem Zugangsschacht von etwa 1,20 x 1,40 m Querschnitt mit zwei oder drei gegenüberliegenden, niedrigen, von der ebenen Sohle her ausgehöhlten Grabkammern. Kleine rechteckige, nur lukengroße Öffnungen mit Leibung, oft auch mit einer Schwelle, führen in die bis 1 m hohen, in gerundeter Form ausgehöhlten Grabkammern. Die Schachtöffnung an der Oberfläche und die Grabkammern waren mit Steinplatten verschlossen. Die zahlreichen Funde in den oberen Erdschichten und die besonders reichen Grabbeigaben belegen, dass Yeha ein bedeutendes Zentrum der Keramikherstellung und Metallverarbeitung gewesen ist. Bronzeutensilien wie Waagen, Gewichte und Pinzetten von hoher Präzision zeugen vom Können der Bronzeschmiede und Gießer. Einmalig sind die als Identitätsmarken bezeichneten Objekte in Löwen-, Stier- und Vogelform oder mit geometrischen Motiven (südarabische Schriftzeichen!).
Die aksumitische Periode Aksum Das Königreich Aksum, vor rund 2000 Jahren die größte Macht auf afrikanischem Boden, unterhielt wirtschaftliche und politische Beziehungen zur gesamten damals bekannten Welt, von Rom bis Indien. Inschriftensteine in Sabäisch, Geez und Griechisch zeugen von den Feldzügen und Ruhmestaten seiner Herrscher (Abb. 34). Nicht nur der aksumitische Hof, sondern auch Teile der Bevölkerung waren des Griechischen mächtig. Die Aufzählung der vier damaligen Weltmächte des persischen Religionsstifters Mani (216–276) nennt Aksum an dritter Stelle nach Per-
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sien und dem römischen Weltreich, gefolgt vom Reich „Sileos“ (Indien oder China?) und zeigt die Bedeutung des Reiches in der damaligen Zeit an. Das christliche Zeitalter Aksums und somit Äthiopiens beginnt um 350 mit der Annahme des Glaubens durch König Ezana und der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion. Aksum ist von da an mit der Kathedrale Mariam Zion, in deren Obhut sich nach äthiopischer Tradition die Bundeslade befindet, religiöses und geistiges Zentrum Äthiopiens. Vom einstigen Glanz des aksumitischen Reiches, dessen Blüte vom 3. bis in das 6. Jh. währte, zeugen heute jedoch nur noch einige wenige erhaltene Denkmäler.
Die Paläste Das alte Aksum war eine offene Stadt, unbefestigt und ohne Stadtmauer, über deren Bebauung und die Lebensbedingungen seiner Bewohner die Forschung bisher aber noch kein genaues Bild geben kann. Die wenigen Spuren großer, bisher erforschter Bauten aus der Blütezeit zeigen uns die hohe Entwicklungsstufe der aksumitischen Kultur nur in Umrissen und lassen vermuten, dass weitere Bauwerke auf ihre Freilegung warten. Im Bericht der Deutschen Aksum Expedition (DAE) – sie stand unter der Leitung von E. Littmann – über die 1906 durchgeführten Grabungen werden drei große Bauten der Führungsund Herrschaftsschicht beschrieben, die nach den in ihrer Nähe gebauten Kirchen benannt sind, für deren Bau Material aus den Palastruinen verwendet worden ist, wie uns schon F. Alvarez, Mitglied einer portugiesischen diplomatischen Mission, 1520 berichtet. Von den Palästen, die von der DAE aufgenommen wurden, sind heute keine Spuren mehr sichtbar. Auch sind beim Bau der schräg durch den Ta´aka Mariam Palast verlaufenden Straße von Aksum nach Gondar zur Zeit der italienische Besetzung 1936–41 keine Archäologen mit einbezogen worden, um
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Abb. 32 Treppenanlage am Eingang zum Zentralgebäude des antiken Dongur-Palastes.
Abb. 33 Reste des Dongur-Palastes, rechts im Bild der Treppenaufgang an der Südseite.
die noch vorhandenen Spuren des Palastes zu dokumentieren. Von der 1966 bis 1968 vom Ethiopian Archaeological Institute (EAI) unter Leitung von F. Anfray freigelegten Dongur-Residenz sind aber, durch höhere Überlagerungen geschützt, viele Mauerteile über dem Podium erhalten geblieben, deren freigelegte Reste bewahrt werden konnten und so noch heute zu sehen sind. Wie am Beispiel Ta´aka Mariam und Dongur belegt, wurden alle Gebäude einer Anlage auf einem erhöhten, nach außen abgetreppten Podium errichtet. Im Zentrum stand nochmals erhöht ein stattliches Zentralgebäude, durch Höfe von den ausgedehnten Nebengebäuden getrennt, die für Versorgung, Unterbringung der Dienerschaft und als Speicher für den herrschaftlichen Hofstaat notwendig waren. Die Wände sind durch Vor- und Rücksprünge gleichmäßig gegliedert, wobei Querwände für Innenräume in der Regel an einem Wandvorsprung anschließen. Zahlreiche Fundamente von Treppen belegen die mehrgeschossige Bauweise. Charakteristisch für alle Palastbauten ist die quadratische Grundrissform der Zentralgebäude mit den markanten turmartigen Eckrisaliten und den dazwischen durch regelmäßig angeordnete Vor- und Rücksprunge gegliederten Wandflächen. Diese auf einem hohen, mehrfach abgesetztem Podium dominierend in der Mitte stehenden Gebäude – vermutlich mit drei oder auch mehr Vollgeschossen – haben Treppen in diagonal gegenüberliegenden Ecktürmen gehabt. An den Haupteingang führte eine dreiseitige Monumentaltreppe mit großem Absatz, und je nach Größe des Bauwerks fanden sich weitere Freitreppen an den anderen Seiten. Die äußere Gliederung und Symmetrie des Baukörpers spiegelt auch die innere Raumordnung wider. Nimmt man die Stockwerksstelen als Abbild eines aksumitischen Palastes an, dann lagen die repräsentativen Räume in den oberen Geschossen mit großen Fenstern, während im Erdgeschoss nur Räume untergeordneter Nutzung mit kleinen Fenstern anzutreffen waren. Im Rückschluss aus der in Kirchen tradierten Bauweise ist außerdem anzunehmen, dass repräsenta-
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Enda Semon Die im westlichen Gebiet des heutigen Aksum freigelegten Teile von Fundamenten und einem Podium mit 35,5 m Seitenlänge weisen auf einen stattlichen Palast hin. Rücksprünge an allen vier Seiten gliedern die Außenwände. Das Podium hat fünf etwa 0,5 m hohe Absätze, die an den Ecken aus nur einem Quaderstein bestehen und dazwischen aus Bruchsteinen gemauert sind. Wie im Enda Mikael-Palast standen die Innenwände auch hier auf Streifenfundamenten, die eine großzügige Grundrissgestaltung erkennen lassen. Die Pfeiler für die Deckenkonstruktion standen auf Einzelfundamenten, wie durch die unter dem einstigen Fußboden in situ gefundenen Fundamentsteine erkennbar wird. Der Palast hat im Erdgeschoss an der Ost- und an der Westseite zwei etwa 11,3 x 19,5 m große Säle mit 28 Säulen und im Mittelteil einen 15säuligen Raum, zwei zehnsäulige Räume in der Nordost- und Südwestecke und mehrere kleine zweisäulige Räume. Vom Mittelraum führten unter dem Boden zwei mit breiten Steinplatten abgedeckte, 0,25 m breite Kanäle, symmetrisch zur Querachse liegend, nach Osten und endeten außen in Wasserspeiern. Sie dienten wahrscheinlich zur Ableitung des Regenwassers von den Dachflächen des großen Gebäudes, das im Inneren des obersten Geschosses vielleicht einen offenen Lichthof besaß. Eine Monumentaltreppe mit acht Stufen von 1,1 m Auftritt und 0,22 m Steigung führte an der Südseite in den Palast; eine Treppe mit 0,67 m Auftritt und 0,3 m Steigung an der Nordseite war etwas weniger stattlich. Aufgrund der Steinmetzzeichen an den Eckquadern des Podiums wird das Gebäude in die erste Hälfte des 4. Jh. n. Chr. datiert.
tive Räume eine größere Deckenhöhe und möglicherweise eine Kassettendecke über einem umlaufenden Aksumfries mit reichem Dekor gehabt haben. Anzahl und Größe der Paläste zeigen das hoch entwickelte handwerkliche Können der aksumitischen Bauleute. Außer vereinzelten Steinmetzzeichen sind bisher aber keine Inschriften gefunden worden, die auf Namen von Bauherren oder Baumeistern hinweisen. Wie der Grundriss des Ta´aka Mariam-Palastes in seiner strengen axialen Anordnung zeigt, handelt es sich dabei um die großzügigste und imposanteste Anlage in Äthiopien überhaupt. Sie hat Ähnlichkeit mit Ruinenkomplexen in Matara.
Enda Mikael Mitten im westlichen Teil der heutigen Stadt Aksum liegen Fundamente und Teile des Podiums von einem quadratischen Palast mit 27 m Seitenlänge. Seine Außenseiten sind durch Eckrisalite und dazwischen liegende, um 1,5 m zurückgesetzte Wandflächen gegliedert. Bei der Anlage dürfte es sich um das Zentralgebäude eines ursprünglich größeren Bauwerks handeln. Die 3 x 3 m großen Fundamente in der Mitte des Südost- und Nordwestrisalits zeigen die Lage der Treppen an. Der Palast hatte im Erdgeschoss zwei neunsäulige quadratische Räume an den Ecken, vier achtsäulige Räume und einen viersäuligen Raum. Zum Haupteingang im Mittelfeld der Nordseite führte ursprünglich eine dreiseitige Monumentaltreppe mit vermutlich zehn Stufen von 0,8 m Auftritt und 0,25 m Steigung sowie einem breiten Absatz vor dem Eingang. Eine ähnliche Treppe an der Südseite wurde im Zuge der Errichtung späterer Bauten dort abgetragen.
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Abb. 34 Inschriftenstein von König Ezana in Griechisch und Geez.
Der Ta’aka (Tekle) Mariam-Palast Der größte bekannte Gebäudekomplex der alten Stadt Aksum ist der Ta´aka Mariam-Palast am Südwestrand der heutigen Stadt. Der gesamte Grundriss des Palastes zeigt eine großzügig geplante, streng axialsymmetrische Anordnung. Die rechteckige Anlage ist in Längsrichtung nordsüdlich orientiert und hat die beeindruckende Ausdehnung von 86 x 118,5 m mit einer Grundfläche von 10.200 m2 gehabt. Der Palast stand erhöht auf einem Podium, das, dem natürlichen Gefälle des Geländes folgend, in zwei Ebenen nach Süden abgetreppt war. Auf dem annähernd quadratischen, höher gelegenen nördlichen Teil stand der mehrgeschossige Zentralbau, von den umgebenden Nebengebäuden durch Höfe getrennt. Die Nebengebäude um den Südhof lagen auf dem rechteckigen, etwa 1 m tiefer liegenden Teil des Podiums. Das Podium hatte an der Südseite eine Höhe von insgesamt 4 m mit acht Absätzen, an der Nordseite waren es sechs oder sieben Absätze. Eine Vorstellung über die Größe des Palastes vermittelt die Anzahl von mehr als hundert Räumen allein im Erdgeschoss der Nebengebäude. Der Zentralbau mit 24 m Seitenlänge stand um 2 m erhöht im Zentrum auf einem weiteren Podium mit vier Absätzen. Zu den Eingängen zwischen den Eckrisaliten an der Nord- und Südseite führten dreiseitige monumentale Freitreppen mit breiten Absätzen. Die Treppe an der Nordseite hatte vermutlich 11 Stufen mit 0,46 cm Auftritt, 0,17 cm Höhe und ein Podest von 2,91 m Tiefe. Das Erdgeschoss hatte viersäulige, dreisäulige und zweisäulige Räume. Zwei Treppen zu den Obergeschossen befanden sich diagonal gegenüber im Südost- und Nordwestrisalit. Der Palast hatte drei Tore, eines in der Mittelachse der Nordseite und je eines an der Ost-
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und Westseite des Südhofes. Das Tor an der Nordseite führte in den 27,5 x 43 m großen Nordhof und geradewegs auf den Zentralbau. Die Eingänge der beiden symmetrisch liegenden Eckbauten an den Schmalseiten des Hofes waren durch Portiken betont. Der südlich des Zentralbaus gelegene Mittelhof war zum Nordhof durch eine Mauer mit Durchgängen getrennt und an der Ost- und Westseite von schmalen Seitenflügeln und nach Süden vom Mittelflügel umschlossen. Auf dem tiefer liegenden Teil des Podiums befand sich der 19,5 x 73,5 m große, von Gebäuden umgebende Südhof, der an den beiden Schmalseiten auch von außen durch Tore zugänglich war. Den Toren außen vorgelagert waren Freitreppen, eine dreiseitige, an der untersten Stufe 20,6 m breite im Westen, und eine gerade 7 m breite Treppe im Osten. An der Hofseite von den Gebäuden befand sich ein befestigter, 1,8 bis 2 m breiter Umgang mit acht Ausgleichsstufen in den Nordecken des Hofes zum höher gelegenen Mittelflügel. Die Räume des 21,0 m tiefen Südflügels sind um einen quadratischen Säulenhof in der Mittelachse und zwei Gruppen von Räumen links und rechts angeordnet. Zwischen dem mittleren Säulenhof und dem nächsten, westlichen Wohnhof wurde ein von Korridoren umgebener Raum freigelegt, dessen Mauern und Fußboden aus gebrannten Ziegeln bestanden. Es könnte sich dabei um einen Raum mit Hypokaustenheizung gehandelt haben, wie er auch in der Dongur-Residenz ausgegraben worden ist.
Die Dongur-Residenz Im Südwesten, rund 500 m vom Ortsrand des heutigen Aksum entfernt, liegen am Fuß der Hügel von Beta Giorgis die als Dongur-Residenz bezeichneten Mauerreste eines antiken Gebäudekomplexes von 3000 m2 Fläche. Die gesamte Anlage stand auf einem Podium, das – heute noch sichtbar – an der Südseite etwa vier bis fünf Absätze hoch und dem ansteigenden Gelände entsprechend an der Nordseite niedriger ist. Auf einem zweiten Podium von 1,8 m Höhe stand das mit 18 m Seitenlänge nicht sehr große Zentralgebäude (Abb. 35). Eine dreiseitige Freitreppe mit sieben Stufen und einem breiten Absatz führte hier zum Haupteingang an der Ostseite, und zweiarmige Treppen führten zu den Eingängen an der West- und Südseite. Das Erdgeschoss war in Ost- und Westrichtung von durchgehenden, mit den Innenseiten der Eckrisalite fluchtenden Wänden in drei Bereiche und innerhalb dieser wiederum durch Querwände in sieben Räume unterteilt. Der große Raum am Haupteingang war viersäulig, alle übrigen kleineren Räume waren zweisäulig. Die Treppen zu den Obergeschossen lagen diagonal gegenüber in den Nordost- und Südwestrisaliten. Ganz von außen führten drei Eingänge in die Residenz, der Hauptzugang an der Ostseite nahe der Nordwestecke in den 13 x 24,5 m großen Haupthof vor dem Zentralbau. Diesen trennte eine Mauer mit Durchgängen zu beiden Seiten des Zentralbaus von den übrigen Höfen ab. Der zweite Eingang an der Nordseite führte in einen schmalen, abgewinckelten Hof an der Nord- und Westseite des Zentralbaus. Und der dritte Eingang an der Südseite, mit einer vorgelegten zweiarmigen Freitreppe von 3 m Breite, führte durch einen Gang in den Südhof. Der Zentralbau war somit von Innenhöfen umgeben. Die anschließenden Nebengebäude hatten im Erdgeschoss etwa 40 Räume. Mehrere Treppenfundamente weisen auf eine mehrgeschossige Bauweise hin. Unter einem in geometrischem Muster verlegten Plattenbelag im Zentralgebäude und in
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Abb. 35 Gesamtanlage Dongur-Palast.
mehreren Räumen der Nebengebäude wurden Einzelfundamente in Zweier- oder Vierergruppen freigelegt, die als Basis für Steinpfeiler oder Holzsäulen dienten, von denen jedoch nichts erhalten blieb. Spolien aus anderen Bauwerken sind an mehreren Stellen zu erkennen, dazu eine im Bodenbelag liegende Basisplatte einer Stele. Es wurden drei aus Ziegel gemauerte Öfen gefunden. Der mit Ziegeln ausgelegte Boden mit kleinen Ziegelpfeilerchen darauf sowie Spuren von Asche in einem Raum lassen vielleicht auf eine Hypokaustenheizung schließen. Im alten Aksum war die Verwendung von Ziegeln in Bauten ganz selten anzutreffen. Ziegel wurden wegen ihrer aufwendigen Herstellung nur für besondere Zwecke verwendet. In einer tieferen Schicht an der Südwestecke des Palastes wurden Mauerreste gefunden, die von einem früheren Bauwerk an dieser Stelle stammen. Aufgrund der gefundenen Keramiken, darunter auch Amphoren aus dem Mittelmeergebiet, Glas-Phiolen und Münzen, kann die Residenz in spätaksumitische Zeit, etwa in das 7. Jh., datiert werden.
Gräber Von den letzten Ruhestätten in Aksum, Ruhestätten für Herrscher oder andere höchste Würdenträger, vom „Grab des Bazen“, „Grab mit den Ziegelbögen“, „Nefas Mawcha“, „MausoleumOstgrab“, „Grab mit der Scheintür“ und der Doppelgrabanlage der Könige Kaleb und Gebre Maskal, seien hier nur das „Grab des Bazen“, „Nefas Mawcha“ und die Doppelgrabanlage von Kaleb und Gebre Maskal näher betrachtet.
Das Grab des Bazen Nahe dem vermutlich östlichen Stadtrand des antiken Aksum, am Fuß des Hügels Medfa Walatu, liegt ein kleines Gräberfeld mit mehreren umgestürzten und noch einer stehenden Stele. Diese im felsigen Abhang steckende, 6,5 m hohe und grob behauene Stele markiert eine unterirdische, 10 m weiter südlich gelegene Grabanlage. Ein Zusammenhang zwischen Stele und Grab
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kann jedoch nicht nachgewiesen werden. In der aksumitischen Königsliste wird Bazen als Herrscher Aksums zur Zeit Christi Geburt genannt, was jedoch nicht dazu führen sollte, aus der Benennung des Grabes durch die Einheimischen eine Datierung abzuleiten. Ein gerader, 9,5 m langer Treppenabhang mit 16 Stufen führte durch eine Bogenöffnung in einen Querraum, der 7,5 bis 8,5 m unter dem steil abgefallenen Gelände liegt. Von diesem Raum aus sind insgesamt vier Grabnischen zugänglich, drei nebeneinander liegend geradeaus an einer Seite, die vierte rechts vom Eingang entgegengesetzt gerichtet. Sieben weitere kleinere, unregelmäßig geformte Grabnischen liegen zu beiden Seiten des Treppenabganges. Die Form der Felsaushöhlung lässt vermuten, dass das Grab ursprünglich nur durch einen Schacht zugänglich war und der Treppenabhang erst später angelegt worden ist. Das Grab ist deshalb von besonderem Interesse, weil seine räumliche Anordnung große Ähnlichkeit mit der viel späteren Anlage der Könige Kaleb und Gebre Maskal aufweist.
Das Grab mit den Ziegelbögen Dieses Grab liegt im Stelenpark, 26 Meter von Stele 3 entfernt, und kann aufgrund christlicher Motive auf Grabbeigaben ins 4. Jh. datiert werden. Ein gerader Treppenabgang mit drei Absätzen führt in den unterirdischen Bau von unregelmässigem Grundriss. Außergewöhnlich ist eine Bogenkonstruktion und die Verwendung von gebrannten Ziegeln, die syrischen oder idischen Einfluss vermuten lassen.
Nefas Mawcha Das große Grab Nefas Mawcha südöstlich der Riesenstele, wegen der in den Trockenmonaten hier auftretenden gewaltigen Staubwirbel „Ausgangspunkt der Winde“ genannt, die von dort über den ganzen Ort hinwegfegen, zählt wegen der riesigen Deckelplatte aus einem 140 m3 großen und 360 t schweren Stein zu den bemerkenswertesten aksumitischen Denkmälern. Die nordöstlich gerichtete monumentale Grabanlage bedeckt eine Grundfläche von 16 x 23 m. Der Eingang an der westlichen Schmalseite führt zuerst in das Ambulatorium um die Grabkammer, das an der Eingangsseite 1,3 m breit, an den drei anderen Seiten 1,45 m breit und 2,4 m hoch ist. Axial geradeaus liegt die zentrale Grabkammer mit 4,55 m Breite, 14,6 m Länge und etwa 2 m Höhe. Wände aus Schichtmauerwerk, in Schichten von 11 bis 28 cm Höhe und 0,85 m Wandstärke, umschließen die Kammer. Eine zweite Mauer, an den Schmalseiten dicht und ohne Abstand vorgemauert, an den Längsseiten im Abstand von 1,5 m parallel zur Innenwand der Grabkammer verlaufend, bildet einen zweiten Ring, wobei der Raum zwischen den beiden Längswänden mit Schüttgut verfüllt ist. Auf dieser Doppelmauer (Füllmauer) liegen dicht aneinander gestoßene Blöcke von 3 m Länge, 0,9–1,2 m Breite und 0,5 m Höhe, auf der Innenwand der Grabkammer um 0,4 m zurückgesetzt, mit der Wand des Ambulatoriums bündig abschließend und an jedem Ende mit einer bearbeiteten 0,5 m tiefen Auflagerfläche für die Steine darüber. Zwischen dem äußeren Auflager dieser Blöcke und der Außenwand überspannen Decksteine des Ambulatorium, die von gleicher Dicke, aber kürzer sind und nur 2,2–3,2 m Länge und 0,9–2,2 m Breite haben. Besonders breite Blöcke überdecken die Ecken. Wie Klammerlöcher zeigen, waren diese Blöcke mit den Nachbarsteinen durch je zwei Metallklammern verbunden, was sehr selten vorkommt.
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Die riesige Deckelplatte über der zentralen Grabkammer ist 17,3 m lang, 6,7 m breit und 1,12 m dick. Ihre Unterseite ist glatt und eben fluchtend bearbeitet. Die Außenflächen sind dagegen nur zur Hälfte horizontal bearbeitet. Die obere Kante ist am südlichen Teil schon fertig, am nördlichen noch roh. Der Boden von Grabkammer und Ambulatorium ist mit Granitplatten gepflastert. Portale an den Eingängen fehlen. Die monumentale Deckelplatte und die technisch alle anderen Grabbauten in Aksum übertreffende aufwendige Ausführung geben Zeugnis von der Bedeutung des uns bis heute unbekannten Auftraggebers und vom Können der Bauleute. Die große Stele 1 hat bei ihrem Sturz die im Bau befindliche Grabanlage aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr., die heute wie ein Trümmerfeld erscheint, zerstört (Abb. 31). Abb. 36 Steinblöcke werden von Metallklammern zusammengehalten.
Das „Mausoleum-Ostgrab“ Die heute als „Mausoleum“ bezeichnete Grabanlage aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. ist der westliche Teil der monumentalen, symmetrisch auf die Stele 1 ausgerichteten Gesamtanlage. Von dem axial vor der Stele liegenden abgesenkten Vorhof führen gegenüberliegende Portale in das nach Westen gerichtete Mausoleum und das spiegelbildlich dazu liegende Ostgrab. Die Anlage wurde nicht fertig gestellt.
Das Grab mit der Scheintür Im Stile der Stockwerkstelen im späten 4. oder frühen 5. Jh. errichtet, liegt dieses Grab am westlichen Rand des Stelenparks. Die nur noch in Teilen erhaltene Anlage – ohne Inschriften und schon in frühester Zeit ausgeraubt – besteht aus unterirdischen Kammern und dem Graboberbau mit der Scheintür mittig darüber. Ein axial liegender, gerader Treppenabgang führt zu dem 9,8 x 12 m großen unterirdischen Bau (vgl. Aufriss Seite 306 unten links).
Die Doppelgrabanlage der Könige Kaleb und Gebre-Maskal Diese Doppelgrabanlage liegt ungefähr zwei Kilometer nördlich der Stadt Aksum in einem Sattel zwischen flachen Hügeln mit herrlichem Ausblick über die Stadt und die Ebene im Süden sowie in Richtung des Mareb-Tales nach Norden und auf die Berge um Adua. Von der auf einem Podium erhöhten monumentalen Anlage in aksumitischem Stil geben nur noch die äußeren Podiumsmauern und die innerhalb davon liegenden Fundamente sowie die Grabkammern Zeugnis. Die in Stufen abgetreppten Mauern der Podien sind an den Ecken durch besonders große Quadern verstärkt, die 0,5 m Höhe und bis zu 1,5 m Länge haben. Sie sind heute an vielen Stellen in rekonstruiertem Zustand zu sehen. Die Ausmaße der gesamten rechteckigen Anlage betragen in Nord-Süd-Richtung 39 m, in Ost-West-Richtung etwa 30 m. Von einer Vorterrasse führt eine 12 m breite Freitreppe über sechs Stufen auf die beiden Podien, auf denen vermutlich Grabkirchen, die des Königs Kaleb im Norden und die des Königs Gebre-Maskal im Süden, gestanden haben. Weitere Treppen führten von der Vorterrasse empor zu einem Absatz vor dem Mitteleingang der Westseite jeder der Kirchen und von da durch einen Vorraum mit geradem, axial angeordnetem Treppenabgang zu den Grabanlagen darunter. Diese zu Beginn des
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letzten Jahrhunderts noch vorhandenen Treppenanlagen sind heute verschwunden. Die freigelegten Gebäudefundamente zeigen das gleiche Grundrissschema, das auch typisch für dreischiffige Basiliken mit Emporengeschoss ist. Beide Kirchen hatten gleiche Abmessungen (13 x 24 m bzw. 14 x 26 m). Die Grabanlagen der beiden Könige, in ihrer Grundform Mehrfachschreine, sind sich ähnlich. Die nördliche, König Kaleb zugeordnete Anlage, hat einen im oberen Teil 2,2 m breiten, sich nach sieben Stufen auf 1,35 m verengenden Treppenabgang, der in einen nordsüdlich verlaufenden Quergang mündet, von dem drei nach Osten gerichtete Kammern, etwa 2 m breit und 2,6 m tief, zugänglich sind. Die südliche, König Gebre-Maskal zugeordnete Anlage mit 1,5 m breitem Treppenabgang, hat einen ebenfalls in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Quergang. An diesem liegen nach Osten hin in der Mitte eine größere, 2,53 m breite und 2,56 m tiefe Kammer mit Türgewände und zwei schmälere Kammern gleicher Tiefe links und rechts daneben. An der gegenüberliegenden Seite, nach Westen, findet sich an jeder Seite der Treppe eine kleinere Kammer mit Türgewände. In der größeren Kammer stehen nebeneinander drei Sarkophage, deren Deckelplatten aber fehlen. In die Stirnseite des südlichen, in vier Stücke zerbrochenen Sarkophags ist ein Kreuz eingemeißelt. Der nördliche hat Hebebossen an den Seiten. Zwei erhaben reliefierte Kreuze an den Wänden der südlichen Kammer weisen auf die Entstehung in frühchristlicher Zeit hin. Die Wände aus Schichtmauerwerk von unterschiedlichster Höhe sind aus sorgfältig behauenen, genau aneinander gepassten, sehr großen Steinen gefügt. Die Umrahmung der Tür zur mittleren Kammer des Grebes Gabre-Maskal ist in Form der Türen auf den Stelen
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Abb. 37 (links) Abgang in die Grabanlage des Königs Gebre-Maskal. Abb. 38 (rechts) Sarkophage in der südlichen Grabkammer. Grab des Königs Gebre-Maskal.
Abb. 39 Kopfteil der Stele 1, Frontseite.
aus einem einzigen Stein gemeißelt, und auch die Decke besteht aus einer einzigen Platte. Stelen Einzigartig und ohne vergleichbare Beispiele sind die in Aksum an drei Orten verteilten und als Totengedenksteine errichteten Stelen, deren Entwicklung in den Stockwerkstelen ihren Höhepunkt gefunden hat. Das kleinste Stelenfeld liegt am Fuße des Hügels Medfa Walatu mit heute noch einer einzigen und zwar aufrecht stehenden Stele nahe dem Grab des Bazen. Zu Beginn des 20. Jh. waren dort noch drei umgestürzte größere und einige kleinere Stelen zu sehen. Das zweite Stelenfeld mit etwa zwei Dutzend noch aufrecht stehender Stelen ist das im Westen, außerhalb der alten Stadt liegende „Gudit-Stelenfeld“, fälschlicherweise nach der aus späterer Zeit bekannten Königin Judith benannt. Das heute landwirtschaftlich genutzte Feld ist ca. 40 ha groß und diente vom 1.–5. Jh. den „Normalbürgern“ von Aksum als Begräbnisstätte. Bei einer Untersuchung von 1995/96 wurden 594 große Steine gefunden und aufgezeichnet, von denen die meisten wohl Stelen gewesen sind. Einige davon sind große behauene und oben abgerundete Stelen. Das dritte Stelenfeld mit den bedeutendsten aller Stelen liegt nahe an der antiken Stadt und ist heute in zwei Bereiche geteilt, in den Stelen-Park und in das nördliche Stelenfeld. Der gesamte Bereich erstreckt sich über 750 m Länge von Südwest nach Nordost. Die DAE hat hier 1906 zusammen mit den sechs großen, reich bearbeiteten Stockwerkstelen in nächster Nähe
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der alten Stadt 78 Stelen beschrieben und zur besseren Übersicht eine Nummerierung eingeführt, die von späteren Forschern, besonders von S. Munro-Nay in den Jahren 1972–74, erweitert worden ist. Nach Form und Bearbeitung können die Stelen unterteilt werden in: – völlig unbearbeitete, rohe Felsblöcke in länglicher oder auch breiter und flacher Form, oft noch mit Löchern der Sprengkeile – halb bearbeitete, meist zugespitzte Steine mit geglätteter, auch gerundeter Oberfläche und beliebigem Querschnitt, einem rechtwinkligen Querschnitt angenähert, mit ausgeprägtem Fußende, von 1,6–9,5 m Länge – einfache Stelen mit bestimmter Form, glatten Flächen, rechteckigem, breitem, seltener quadratischem Querschnitt, von 1,5–20,9 m Länge, in der Kopfform unterschiedlich, aber meist halbkreisförmig, auch mit flachem Spitzbogen, an Fronten und Seiten nach oben verjüngt – Stelen bestimmter, klarer Form, mit besonderem architektonisch-ornamentalem Schmuck. Diese sind die Denkmäler der alten Königsstadt, die das meiste Aufsehen erregen. Nach Art ihrer Ausführungen werden die Stelen 1–6 mit ihren monolithischen Idealvorstellungen von Turmhäusern „Stockwerkstelen“ genannt. Die eingemeißelten Architekturformen geben einen mehrgeschossigen turmartigen Hausbau, in Holz-Stein-Bauweise mit vorkragenden runden Querhölzern, den so genannten Affenköpfen, wieder. Auch Tür- und Fenstereinfassungen sind mit Rahmengestell und den an den Ecken vortretenden Kopf- und Fußriegeln nachgebildet. Aus heutiger Sicht sind diese Stelen Grabzeichen der mächtigen, einflussreichsten Aksumiten, die über die notwendigen Mittel und Arbeitskräfte verfügten, solche Stelen anfertigen und errichten zu lassen. Die Stelen 3, 2, und 1 standen in einer Linie und in gleicher Richtung südwestlich ausgerichtet. In dieser zeitlichen Reihenfolge haben sich auch Größe und Ausarbeitung von Ost nach West gesteigert. Die einzige heute noch stehende Stockwerkstele ist die 23 m hohe und 160 t schwere Stele 3. Die Bruchstücke der gestürzten Stele 2 wurden zusammengefügt und restauriert. Sie stand seit 1937 an der Porta Carpena in Rom und wurde 2004 nach Äthiopien zurückgebracht, um an ihrem ursprünglichen Platz wieder aufgestellt zu werden. Die größte, vermutlich bei der Aufstellung gestürzte und dabei zerbrochene Stele 1 ist 30 m lang und über 500 t schwer. Es ist der größte Monolith, den Menschen jemals angefertigt und aufzustellen versucht haben. Die an ihrem Fuß errichteten Grabanlagen, als „Mausoleum und Ostgrab“ bezeichnet, sind nicht mehr fertig gestellt worden, nachdem die Stele im frühen 4. Jh. bei der Aufstellung umgestürzt war und auch das damals noch unvollendete Monument Nefas Mawcha zerstört hatte. Allen Stockwerkstelen gemeinsam ist die sich nach oben verjüngende Form, die balkenumrahmte Eingangstür mit an den Ecken vortretenden Balkenköpfen und die Fenster in den Geschossen darüber. Die unteren Fenster sind annähernd quadratisch und mit Kreuzsprossen in vier Teile geteilt; sie sind als Oberlicht für die Torhalle oder als Fenster eines niedrigen Zwischengeschosses anzusehen. In den Geschossen darüber sind die Fenster rechteckig hoch, oben von einem Querholz, darunter von einem senkrechten Mittelpfosten in gleich breite Felder geteilt, wobei die obersten Fenster auf Stele 1 in Art von Transennen ornamentiert sind. Die oben abgerundeten Stelenköpfe sind durch segmentbogenförmige Einziehungen an den beiden Seiten deutlich von dem „Turmhaus“ darunter abgesetzt. Dübellöcher in den vertieften Kopfflächen weisen auf dort befestigte Metallplatten hin, von denen aber keine einzige gefunden werden konnte. Der auf der Rückseite von Stele 3 eingemeißelte Rundschild lässt vermuten, dass die Frontseiten die Insignien einer Gottheit, vielleicht des Kriegsgottes Ares oder eines Herrschers
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Abb. 40 Die von Mussolini nach Rom verbrachte Stele Nr. 2, die im Jahr 2004 an Äthiopien zurückgegeben wurde.
Abb. 41 Der Stelenpark von Aksum, rechts Stele 1.
(in Form von Schild und Speeren), getragen haben könnten. Am Fuß der Stelen lagen Altarplatten mit vorgelegten Stufen aus zwei Teilen, die klammerartig die Stele an Vorder- und Rückseite umfasst haben. Die Platten der Stelen 5, 4, und 3 sind etwa 4,2 m breit, ragen bis ca. 1,5 m vor die Stelenfront und haben vier eingearbeitete Opferschalen mit Henkeln. Vor den Stelen 5 und 4 sind die Platten durch eine Opferbank erhöht. Im Grundriss haben Stele 6 und 4 die Form eines einfachen, rechteckigen Gebäudes. Bei den anderen Stelen ist die Form durch Eckrisalite bereichert, ganz nach dem Vorbild der aksumitischen Bauweise mit ihren Vor- und Rücksprüngen. Stele 3 hat die Risalite nur an der Frontseite, Stele 5 und 2 haben sie an der Front- und Rückseite, und bei Stele 1 sind konsequent alle vier Seiten ausgearbeitet und hinterschnitten. Stele 5 fällt durch zwei unterschiedliche Bearbeitungen aus der Reihe. Vermutlich war sie anfänglich mit größeren Abmessungen geplant, musste aber infolge eines Schadens zu einer kleineren Stele umgearbeitet werden. Sie hat in den unteren vier Stockwerken Seitenrisalite an Vorder- und Rückseite, im oberen Teil aber nur noch einen einfachen, rechteckigen Querschnitt. Die Eckpfeiler hören über dem vierten Geschoss auf. Der Kopf, sonst klar abgesetzt, beginnt ohne Wandteil dazwischen schon in Höhe der obersten Fenster. Auch der Fries der unteren Begren-
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zung des Kopfes beginnt am linken Rand als Bogenfries, ist aber in Form von aneinander gereihten Säulchen ohne Bögen fortgesetzt. Möglicherweise wurde eine Vergrößerung der Fläche für die Metallplakette am Kopf notwenig. An der Rückseite des Monoliths hat die in der Mitte zurükkgesetzte Fläche Balkenköpfe. Die mit 9,78 m nicht sehr große Stele 7 ist durch ihr einzigartiges Ornament besonders bemerkenswert. Sie hat einen breiten, flachen Querschnitt mit leicht konvexer Vorder- und Rükkseite und einen spitzbogenförmigen oberen Abschluss. In erhabenem Relief sind im oberen Teil der Front- und Rückseite Häus’chen mit Satteldach und erhabenen Balkenköpfen an den Ecken eingemeißelt. Bis heute hat die Forschung keine Hinweise auf die Auftraggeber oder die Durchführung der Arbeiten zur Errichtung dieser außergewöhnlichen Denkmäler erbracht. Die Frage der Steingewinnung, des Transportes sowie die Aufstellung hat aufgrund der beachtlichen Größe der Stelen ganz besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Gestein, aus dem die Stelen und die großen Blöcke der anderen großen Monumente gemeißelt worden sind, ist der dem Granit verwandte Nephelinsyenit. Spuren der Steingewinnung wie zahlreiche Keillöcher und rinnenartige Eintiefungen zur Abtrennung von großen Blöcken sind in der Umgebung von Aksum nachgewiesen worden. Bei Annahme eines Steintransportes vom Gobedra-Hügel (Bruch Gobedra III) zum Ort der Stele 1 ergibt sich bei gleichmäßiger Neigung von etwas weniger als 0,9 % eine Rampenlänge von etwa 4 km. Die Frage, wie der Transport der riesigen Blöcke bewältigt werden konnte, bleibt offen. Die Aksumiten hatten Eisenwerkzeuge und reichliche Holzvorkommen. Lederbänder, Seile und Zuggeschirr mussten in genügender Menge verfügbar gewesen sein. Ob Rundstämme als Walzen Verwendung fanden und welche Zugtiere – Rinder oder auch Elefanten – eingesetzt wurden, liegt im Bereich der Vermutungen. Als Beispiel ist die Arbeitsleistung für die Aufstellung des vatikanischen Obelisken (25,37 m lang und 331 t schwer) vor dem Petersdom in Rom durch Domenico Fontana 1590 von Interesse, der dazu tausend Mann und hundert Pferde benötigt hat.
Throne Die Thronstühle bestehen in der Regel aus annähernd quadratischen Fußplatten mit 1,8–2,7 m Seitenlänge und aufgesetztem Sitzblock und sind manchmal aus einem Stein gemeißelt. Die Sitzblöcke haben an drei Seiten etwa 0,12 m breite und ebenso tiefe Nuten zur Aufnahme der Steinplatten für die Seiten- und Rücklehne. Die Außenseiten dieser Lehnen, von denen nur wenige erhalten sind (heute im Schatzhaus der Kathedrale), tragen eingemeißelte Inschriften mit den Beschreibungen der Ruhmestaten der Könige. Des öfteren heißt es in Texten: „und errichtete diesen Thron“. Das zeigt die Zusammengehörigkeit der verstreut gefundenen Inschrifttafeln und der Throne. Die Throne standen einzeln oder auch zu mehreren zusammen erhöht auf einem Unterbau mit zwei umlaufenden Stufen, die nur noch an einigen Thronen erhalten sind, sicher aber ursprünglich bei allen vorhanden waren. Beim Königsthron sind viereckige Eckpfeiler für einen Baldachin zu sehen. Die Pfeiler mit kubusförmiger 0,5 m hoher Basis und 0,5 m Seitenlänge und darauf stehendem, 1,5 m hohem Schaft von 0,38 m Seitenlänge haben abgeschrägte, konkav geformte Kanten. Der Stufenunterbau fehlt. Auch an sechs weiteren Stühlen sind die Sockel mit den Ausnehmungen für die Baldachinpfeiler noch vorhanden. Die aus dem 6. Jh. durch Kosmas Indikopleustes überlieferte Beschreibung eines in Adulis
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Abb. 43 Die alte, aus dem 17. Jh. stammende Kathedrale Maria von Zion in Aksum mit Freitreppe und zwei Glockenhäuschen. Abb. 42 Richterstühle und Throne in Aksum.
im Freien stehenden Thrones oder Richterstuhles aus weißem Marmor, dem „Monumentum Adulitanum“, kann auf die Throne in Aksum übertragen werden. Wichtig für die Beurteilung der Throne in Aksum ist dabei die ausdrückliche Erwähnung, dass der Thron auch auf der Rükkseite eine Inschrift getragen hat. Von einer ganzen Reihe von Thronstühlen sind nur mehr Teile, vor allem Fußplatten, erhalten.
Der Statuensockel In 130 m Entfernung nördlich von Ta´aka Mariam, am Abhang eines die alte Stadt beherrschenden Hügels, wurden 1906 der Unterbau und ein Sockel mit 0,92 m langen Fußstandspuren einer Statue freigelegt, für die eine Höhe von etwa 5 m angenommen wird. Dieser Sockel ist der bisher einzige und daher besonders wichtige Beweis für eine Kolossalstatue, die sicherlich in die Blütezeit des aksumitischen Reiches zu datieren ist.
Die alte Zionskirche An der Stelle der Zionskirche, die unter Ahmed ibn Ibrahim al-Ghazi (Grañ) im 16. Jh. zerstört wurde, stand seit jeher, vermutlich schon in vorchristlicher Zeit, ein bedeutendes Heiligtum des Landes. Die heutige alte, d.h. im 17. Jh. erbaute Kathedrale nimmt nur einen Teil der Fläche des alten Podiums ein, dessen Erforschung bisher nicht möglich war. Um eine ungefähre Vorstellung der ersten fünfschiffigen Kathedrale zu erhalten, müssen daher die Beschreibungen, wie die Berichte von Alvarez und Constanhoso sowie Littmanns Übersetzung der aksumitischen Chronik
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herangezogen werden. Folgenden Eindruck vermittelt uns Alvarez von diesem Bauwerk (1881): „ ... Diese Kirchen ist sehr gros / und hat fünf hoher und breiter Fach (Schiffe) / die alle gewelbet / und ob dem Gewelb mit erden und estrich beschlagen / und die gewelb sampt den wenden sehr schön ausgemalet sind / und ist die ganze kirchen mit werkstücken gepflastert / welche gar schön und künstlich zusammengefüget / Und hat sieben Capellen / die stehen alle mit dem rück gegen auffgang der Sonnen / mit ihren Altaren gantz zierlich zugerichtet.“ Die heutige, unter Kaiser Fasilides im frühen Gondar-Stil auf dem alten Podium erbaute Kathedrale ist von einem annähernd ovalen Kirchhof umgeben, den man durch ein zweigeschossiges Torgebäude an der Westseite betritt. Eine neunstufige Freitreppe von fast 60 m Breite führt auf einen Absatz vor der Umfassungsmauer des Podiums und eine siebenstufige, etwa 12 m breite Treppe führen auf das Podium. Die früher von der alten fünfschiffigen Kathedrale ganz eingenommene Fläche wird von einer Mauer mit Zinnen umschlossen, wobei die ursprünglichen Vorund Rücksprünge des abgetreppten Podiums in späterer Zeit begradigt und ausgefüllt worden sind. Zu beiden Seiten der Treppe auf dem Podium steht auf fünfstufigem Unterbau je ein quadratisches Glockenhäuschen aus dem 19. Jh. mit rechteckigen Tür- und Fensteröffnungen. Die Kuppeldächer der zwei Häuschen tragen Dachaufsätze mit Metallkreuzen. Die rechteckige Kirche ist 15,5 m breit und 37 m lang und hat an der Südseite einen außen angesetzten Turm mit trapezförmigem Grundriss für die Treppe zum flachen Dach. Die Westfassade kennzeichnen drei große Rundbogenöffnungen (bis 1910 rechteckig) über niedrigen, aus Stein gemauerten Brüstungen. Die mittlere Öffnung ist schmaler und nur 2,4 m breit, die beiden äußeren dagegen sind mit 3,1 m gleich breit und alle mit diagonalen Holzgittern geschlossen. Die Haupteingänge füh-
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Abb. 44 Seitenansicht der alten Kathedrale von Aksum, links das moderne kirchliche Schatzhaus.
Abb. 45 Antiker Wasserspeier und antike Säulenbasen in Aksum.
ren an den beiden Schmalseiten, an Nord- und Südseite, in die Vorhalle. Auch sie sind im oberen Bereich mit diagonalen Holzgittern versehen. Die Flächen der anderen Fassaden sind ohne Gliederung und architektonischem Schmuck. Die Längswände haben nur wenige Tür- und Fensteröffnungen (die Ostwand drei Bogenfenster). Ein vierstufiger Sockel am Mauerfuß, an den Eingängen unterbrochen, ist später vorgesetzt worden. In regelmäßigen Abständen angeordnete Wasserspeier kragen in Dachebene vor. Den oberen Wandabschluss bildet ein Zinnenkranz, der an der Westseite einen torartigen Bogen mit Dachkreuz besitzt. Mittig auf der Dachfläche, im Grundriss etwa westlich der Wand zum Allerheiligsten, befindet sich ein kleiner quadratischer Aufbau, der ein großes Kreuz trägt. Der fast fensterlose, dunkle Kirchenraum ist dreischiffig von zwei Pfeilerreihen unterteilt. Das Mittelschiff ist etwa 4,6 m, die Seitenschiffe sind etwa 3 m breit. Die Pfeiler stehen in Längsrichtung in ungleichen Abständen und sind 1908 durch Bögen verbunden worden. Monumentale Wandmalereien schmücken den Kirchenraum. Das Allerheiligste ist durch Vorhänge verhüllt. Stufen, Inschriftensteine, Wasserspeier und andere Spolien aus alten aksumitischen Bauten finden sich in großer Zahl an den verschiedensten Stellen des Gebäudes.
Die Neue Zionskriche Die neue Zionskirche ist ein Zentralbau mit großem Kuppeldach und einem freistehenden, den antiken Stelen nachempfundenen Glockenturm. Sie wurde nach dem Entwurf des griechischen Architekten K.A. Doxiades gebaut und am 1. Februar 1965 – anlässlich des Besuches von Köni-
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gin Elisabeth – unter Haile Selassie I. eingeweiht.
Frühe Kirchen des 10. bis 15. Jahrhunderts Von den ersten Kirchen aus frühchristlicher Zeit ab dem 4. Jh. sind nur Fundamentreste nachgewiesen, und so galt die heute noch stehende Klosterkirche von Debre Damo Enda Abuna Aragawi lange Zeit als das einzige erhaltene christliche Baudenkmal Äthiopiens, das in allen seinen architektonischen Elementen den antiken aksumitischen Baustil widerspiegelt. Erst als ab Mitte des 20. Jahrhunderts das Interesse an Äthiopien und seiner Kunst und Architektur zu einer Intensivierung der Forschung führte, wurden in entlegenen und manchmal nur schwer zugänglichen Landesteilen weitere alte Kirchen entdeckt, die Kriegen, Zerstörungen und der Vernachlässigung entgangen sind. Dazu gehören z.B. die bereits 1938 erforschte Kirche Imrahane Kristos in einer Grotte unweit Lalibela, die seit 1956 bekannte Kirche Bethlehem in Gayent, die 1972 entdeckte, in einer Felsnische versteckte kleine Kirche Cherkos Agobo und die seit 1973 bekannte Kirche Giorgis bei Zarema. Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass all diese Kirchen aufgrund ihrer architektonischen Merkmale und der ornamentalen Ausschmückung, gestützt auf einzelne Radiokarbondatierungen, in das frühe Mittelalter datiert werden können.
Gebaute Kirchen, freistehend Die Klosterkirche von Debre Damo Das Kloster Debre Damo ist nach Debre Libanos das wichtigste Kloster Äthiopiens und war von
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Abb. 46 Der Tafelberg von Debre Damo, auf dem das weit in frühchristliche Zeit zurückreichende, gleichnamige Kloster liegt.
Abb. 47 Teil der Klosteranlage von Debre Damo.
Abb. 48 (nachfolgende Doppelseite) Südfassade von Enda Abuna Aragawi auf Debre Damo, ein klassisches Beispiel der Holz-SteinBauweise mit den aus der Mauer hervortretenden Querbalken, den sogenannten „Affenköpfen“.
Anbeginn an ein geistiges Zentrum mit großer Ausstrahlungkraft. Es liegt auf einem 2216 m hohen Tafelberg (Abb. 35), der an seinem einzigen Zugang nur über ein 15 m langes, aus Lederstreifen geflochtenes Seil zu erklettern ist, das von den Mönchen im Torbau über die Felswand herunter gelassen wird (Abb. 75). Für den Materialtransport zum Bau des Klosters soll eine Rampe oder Treppe angelegt worden sein, deren Abbruch König Gebre-Maskal nach Beendigung der Bauarbeiten verfügte. Die unzugängliche Lage bot Schutz vor Angriffen. So habe in der schweren Zeit des 16. Jh. die königliche Familie in Debre Damo Zuflucht gefunden, und die Könige Lebna Dengel (1508–40) und Galawdewos (1540–59) sollen dort auch bestattet worden sein. Im westlichen Teil des Tafelberges liegen, von Steinmauern eingefasst, die aus Bruchstein gemauerten Flachdachhäuser der Mönche, Priester und Klosterschüler mit dem Haus des Abtes in der Mitte. Das Kloster beherbergt heute rund 150 Mönche; in seiner Blütezeit waren es mehr als tausend. Da Frauen der Zugang verwehrt ist, haben sich fromme Frauen in einer Dorfgemeinschaft am Fuß des Berges angesiedelt.
Die große Kirche Enda Abuna Aragawi Die Kirche liegt an der östlichen Spitze des Tafelberges (Abb. 34). Ihr Alter ist nicht sicher anzugeben. Sie dürfte aus der Zeit zwischen dem 8. und 10. Jh. stammen. Durch einen zweigeschossigen Torbau betritt man den von einer hohen Mauer umschlossenen Hof, der früher durch eine Mauer in einen vorderen und einen hinteren Bereich unterteilt war. Im vorderen Teil stehen das Glocken- und das Schatzhaus. An der Nordseite der Kirche ist eine Zisterne in
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den Fels gehauen. Die zweigeschossige Kirche vom Typus einer dreischiffigen Emporenbasilika ist 20 m lang, 9,7 m breit und ca. 7,5 m hoch. Mit einem in die Rechteckform einbezogenen Sanktuarium, das an beiden Seiten von Pastophorien flankiert ist, entspricht der Bau einer in frühchristlicher Zeit in Syrien und Ägypten verbreiteten Grundrissform. Auf stufenförmig abgetreppten Fundamentsockeln stehen die in Holz-Stein-Bauweise errichteten Wände im aksumitischer Bautradition. Anders als auf den Stelen sind die Steinbänder aber nicht gleich hoch. Die Abstände zwischen den einzelnen Lagen der Holzbalken mit den vorkragenden Querhölzern, den so genannten Affenköpfen, werden nach oben mit zunehmender Gebäudehöhe größer. Zum Schutz gegen Schlagregen haben die Wände umlaufende Gesimsbänder aus dünnen, flachen Steinplatten in Höhe der Geschoss- und Dachdecke. Der ursprünglich vorhandene originale Wandputz ist nur noch in wenigen Resten an geschützten Stellen feststellbar. Vor- und Rücksprünge der Außenwände, an den Ecken aus größeren, behauenen Steinen gemauert, gliedern den Baukörper und verbessern die Stabilität der Wände. Die mit einem flachen Erddach erbaute Kirche hat heute darüber ein Wellblechdach, das aus der Zeit der italienischen Besetzung (1936–41) stammt. Türen und Fenster sind in aksumitischer Tradition aus kräftigen Holzbalken gefügt. Die beiden Eingangstüren an der Nord- und der Südseite, zu den Seitenschiffen, sind nur 0,7 m breit, 1,45 m hoch und mit Zahnschnitt- und Schnurornamenten über den Rahmen verziert. Der Eingang zur inneren Vorhalle an der Südseite ist vermutlich später eingebaut worden, denn er hat nur eine einfache Umrahmung, und seine beiden nebeneinander liegenden, halbkreisförmigen Oberlichtelemente sind breiter als der Rahmen darunter. Sie sind im Scheitel und am Fuß der Bögen mit kreisförmigen Wülsten verziert. Das Doppelhauptportal im Westen ist seitlich von zwei quadratischen Steinpfeilern aus einem Stück eingefasst. Der Mittelpfeiler, dessen Fuß aus einem umgekehrten Konsolkapitell besteht, hat oben einen Aufsatz mit seitlichen Viertelbögen, in runden Wülsten endend. Die Fenster erster Ordnung sind rechteckig und durch einen Riegel in der Abmessung der Rahmenhölzer quer unterteilt. Nur das Fenster in der Westwand des nördlichen Anbaus hat eine reiche Sprossenteilung. Die Fenster der zweiten Ordnung sind allgemein etwas kleiner; einzelne, wie z.B. das über dem Westportal, zeigen geschnitzte Ornamente auf den zurückgesetzten inneren Rahmenhölzern. Durch den Haupteingang gelangt man in die äußere, über die ganze Gebäudebreite reichende, vermutlich später angebaute Vorhalle mit einem Seiteneingang an der Nordseite. Die Decke des Raumes teilen zwei Balken in drei annähernd quadratische Felder, die mit Bohlen in Ecküberkragung überdeckt sind. Die im mittleren Drittel zurückspringende Innenwand zur Kirche hat in den seitlichen Flächen Fenster, von einem Querriegel waagerecht unterteilt und in der unteren Hälfte mit einem Paneel mit Flechtmusterrelief
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Abb. 49 (links) Eingang von Enda Abuna Aragawi. Abb. 50 (rechts) Innenseite der Nordwand des linken Seitenschiffs von Enda Abuna Aragawi.
Abb. 51 Detail der Außenwand.
geschlossen. Den oberen Teil schmücken Transennen mit Bogenmotiv. Durch ein in der Gebäudeachse liegendes Doppelportal in aksumitischer Bauweise gelangt man in die innere Vorhalle, die noch einen Eingang von außen an der Südseite hat. An der Nordseite führt eine Tür in das Treppenhaus zum Emporengeschoss. Drei Säulen tragen die Decke, zwei davon sind aus Stein, auf flachen Basen, quadratisch mit abgefasten Kanten und mit Kapitellen in Form von kreuzförmigen Konsolen; die dritte ist aus Holz. Darauf ruhende Balken teilen die Decke in große Felder, von denen die mittig zur Gebäudeachse liegenden Felder als Kassettendecke ausgebildet sind, die in drei Feldern (von vier) noch erhalten ist (Abb. 52). Die Kassetten (25 x 25 cm) aus Holzplatten mit Ornamenten oder Tierund Fabelwesen in tiefem Relief geschnitzt, werden von profilierten Längs- und Querprofilen mit quadratischem Querschnitt, die auf Gehrung gestoßen sind, gehalten. Es ist ungewiss, ob diese einmaligen Schnitzarbeiten ganz speziell zur Ausschmückung der Kirche geschaffen worden sind oder möglicherweise aus einem ursprünglich viel größeren Ensemble stammen. In der vorhandenen Decke, so wie sie heute zu sehen ist, fehlen fünf Reliefs. Über die Treppe zum Obergeschoss gelangt man zuerst auf die nördliche Empore und durch einen Lichthof mit angrenzender, offener Halle auf die südliche Empore sowie in einen nach Westen angrenzenden Raum. Durch ein Doppelportal in der Gebäudeachse, genau wie das der Vorhalle in aksumitischer Bauweise, betritt man aus der zweiten Vorhalle den dreischiffigen Kirchenraum. Die Wände zwischen Mittelschiff und Emporen ruhen auf Holzarchitraven, die an jeder Seite von drei monolithischen, verschieden geformten und wohl aus früheren Bauwerken stammenden Steinsäulen getragen werden. Zwei davon zeigen Reliefs an den Kapitellen. Ein
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Abb. 52 Teil der Kassettendecke von Enda Abuna Aragawi. Abb. 53 Das Innere von Enda Abuna Aragawi. Vorraum beim Haupteingang
Abb. 54 Teil der Kassettendecke von Enda Abuna Aragawi.
Aksumfries ziert die Wände über den Architraven; die vertieften Flächen des Frieses sind mit unterschiedlich geschnitzten Ornamenten geschmückt. Insgesamt sind es 36 je 24 x 28 cm große Paneelen. Darüber öffnen sich zu beiden Seiten drei Fenster von den Emporen auf das Mittelschiff, und ein Doppelfenster ist an der Stirnseite vom Lichthof im Obergeschoss eingelassen. Ein Doppelfenster als Blendfenster ist über dem Triumphbogen angeordnet. Der hufeisenförmige, aus Holzsegmenten zusammengesetzte Bogen ruht auf Wandpfeilern mit Konsolen. Geschnitzte Ornamente bedecken die Leibungs- und Stirnflächen. Das Mittelschiff hat heute eine Flachdecke. Das herrliche, mit Schnitzwerk verzierte offene Dachwerk mit trapezförmigem Querschnitt, von drei Sprengwerken mit Holzbogen getragen, ist bedauerlicherweise verloren gegangen. Seine Konstruktion, ähnlich derjenigen in den Kirchen Imrahane Kristos in Lasta und Bethlehem in Gayent, wurde aber von der DAE dokumentiert, und Buxton hat sie 1944/45 noch gesehen und fotografiert. Auch die Wände des Allerheiligsten ziert ein Aksumfries mit unterschiedlichen Reliefs. Die insgesamt 21 Paneelen sind etwas kleiner als im Mittelschiff (18 x 20 cm), und drei schmälere haben nur die halbe Breite. Den Raum überwölbt eine aus Holzrippen geformte Kuppel von 2 m Durchmesser, deren Flächen ursprünglich auch mit Paneelen geschlossen waren, heute jedoch nur mit Tuch bedeckt sind. Zwei dieser Paneelen zeigen zwei Heilige bzw. ein Flechtwerkornament. Vom Allerheiligsten führen Türen zu den beiden Pastophorien, die auch Türen zu den Seitenschiffen haben. Das Pastophorium an der Nordseite ist schon sehr früh erweitert worden. Es dient als Mausoleum des Königs Lebna Dengel. Der Fußboden der Kirche ist im letzten Feld des nördlichen Seitenschiffes und dem anschließenden Mausoleum um eine Stufe, im letzten Feld vor dem
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Triumphbogen und im Allerheiligsten um zwei Stufen erhöht. Die kleine Kirche An der Ostseite des Tafelberges, am Südende einer Felsstufe, liegt auf einer kleinen Terrasse 20 m unter dem Plateau die ebenfalls Abuna Aragawi geweihte kleine Kirche. Die in Ost-West-Richtung orientierte Kirche ist räumlich in Umgang und Allerheiligstes unterteilt und in jüngster Zeit stark verändert, mit Wellblech gedeckt, verputzt und gestrichen worden. Im Allerheiligsten findet sich rechts des Altars eine mit Steinplatten verschlossene Bodenöffnung von 0,5 m Seitenlänge, die in eine Höhle darunter führt, in der Legende nach Abuna Aragawi verschwunden ist. Nahe der Nordwestecke der Kirche führt ein 3 m tiefer Eingang in den Fels mit einer kleinen ovalen Höhle an der linken Seite, unter deren Boden vermutlich eine Krypta liegt. Geradeaus gelangt man durch eine trapezförmige Öffnung in einen etwa 4,20 m langen, 2,95 m breiten und nur 1,65 m hohen Raum in Nord-Süd-Richtung mit schönem Reliefschmuck an den Wänden; er ist in der Mitte durch eine Kuppel erhöht und an den Schmalseiten durch Nischen erweitert. Zu beiden Seiten der Nische sind in der Nordwand zwei Sterne, ein vierzackiger Stern in einem Kreis von 0,63 m und rechts ein achtzackiger Stern mit 0,8 m Durchmesser, zu sehen. Die Westseite schmücken drei große Reliefs, links ein achtarmiges Kreuz in einem Kreis von 1,2 m, in der Mitte ein stark beschädigtes, bogenförmig umrahmtes Relief mit Kreuzen, möglicherweise eine Kalvarien-Darstellung, und rechts wieder in einem Kreuz von 1,2 m Durchmesser ein lateinisches Kreuz. Die Ostseite schmücken zwei Reliefs, eines neben dem Eingang, auch bogenförmig umrahmt, darin ein vierarmiges, 1,13 m hohes Kreuz mit einem Vogel links darunter, dessen Schnabel auf ein Gefäß gerichtet ist, und rechts daneben wieder ein achtarmiges Kreuz, ähnlich dem an der Westwand, in einem Kreis von 1,19 m Durchmesser. Die Monumen-
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Abb. 55 Vorzeichnung für Wandbilder an der Innenseite der Nordwand von Enda Abuna Aragawi.
Abb. 56 Höhle unter der kleinen, ebenfalls Enda Abuna Aragawi geweihten Kirche von Debre Damo.
talität der Ausschmückung lässt auf die besondere Bedeutung der Höhle für die ganze Klostergemeinschaft schließen. Auf der nach Norden breiter werdenden Fläche dieser Felsstufe liegt der Friedhof der Klostergemeinschaft. In den ansteigenden Felswänden finden sich zahlreiche vermauerte Grabhöhlen. In einigen verbringen jedoch Einsiedler ihr Leben; auch Tekle Haimanot soll während seines Aufenthalts im Kloster in einer solchen Höhle gelebt haben (siehe Abb. 73).
Bethlehem im Gayent Südöstlich von Debre Tabor liegt die 1956 durch Th. Pakenham und W. Staude bekannt gewordene mittelalterliche Kirche. Weitab von allen größeren Straßen ist hier eine gebaute Rechtekkkirche erhalten geblieben, die ihresgleichen sucht. Über ihr Alter ist nichts bekannt. Die von einer ringförmigen Mauer mit Torhaus umgebene rechteckige Kirche mit ihrem Umgang unter einem strohgedeckten Kegeldach steht inmitten eines Hains alter Bäume. Ein Ring von hohen, kreuzförmigen Mauerpfeilern mit Holzarchitraven auf Konsolen trägt das aufgehende Mauerwerk darüber mit dem großen Kegeldach darauf. Sechs Zugänge führen in den mit einer brüstungshohen Mauer umgebenen Umgang, der die ostwestlich orientierte Kirche mit den Abmessungen 15,6 x 12,6 m umläuft. Sie steht auf einem hohen, weit nach außen vortretenden Sockel aus Steinquadern, der an den Eingängen von den eingesenkten Stufen unterbrochen ist. Das ebenflächig bearbeitete Quadermauerwerk der Wände ist mit hellrosa getöntem Stein, im Wechsel helleren, fast weißen, schachbrettartig versetzten Blöcken gemauert, die gering zurückgesetzt die Wände farblich und plastisch beleben. Die im unteren Wandteil rechteckigen Quadern werden nach oben hin kürzer; in der obersten Schicht sind sie schließlich quadratisch. Die hoch in das
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Kegeldach reichenden Außenwände haben die Form eines Stufengiebels, der an den Senkrechten und Waagerechten mit vorspringenden Quaderschichten abschließt. Fenster und Türen sind in der traditionell üblichen Art mit an den Ecken vortretenden Querhölzern ausgeführt. Eine Besonderheit sind über den Türen in Türbreite angeordnete Holzbalken, ähnlich einem Entlastungssturz, die an beiden Enden ebenfalls vortretende Querhölzer haben. Die im Vergleich mit den Fenstern erster Ordnung etwas kleineren Fenster zweiter Ordnung sind in der Mittelachse der Ostansicht in eine Dreiergruppe, links und rechts davon als Zweiergruppe zusammengefasst. Die Eingangstüren liegen in der Mittelachse der Westseite sowie im ersten Feld der Nord- und Südseite. Pfeiler aus Steinquadern gliedern den dreischiffigen Innenraum der Länge nach in vier Felder. Auf den Pfeilern, die hölzerne Konsolen auch zur freien Seite des Mittelschiffes haben, liegen Holzarchitrave mit einem Aksumfries darüber; unmittelbar darauf hat jede Seitenwand fünf halbkreisförmige Oberlichtfenster mit profilierten Holzbögen. Der offene Dachstuhl mit trapezförmigem Querschnitt wird in Achse der ersten Pfeilerreihe von einem doppelten Sprengwerk getragen. Die Kassettendecke der Dachflächen besteht aus einem engen Raster von überplatteten Längsund Querhölzern. Die Seitenschiffe dagegen besitzen flache Kassettendecken. Das an allen vier Seiten von Bögen eingefasste dritte Feld des Mittelschiffes ist ebenso wie das Allerheiligste von einer Kuppel überwölbt. Diese beiden Kuppeln sind aus eng aneinander gesetzten, radial angeordneten Rippen gebaut. Über der Basis schmückt ein Ring von Holzkonsolen die Kuppeln, die unten zwischen den Rippen mit Steinen, oben mit Holz ausgefacht sind. Die über dem Allerheiligsten erhöhten Seitenwände stehen ebenfalls auf einem Holzarchitrav mit Aksumfries darüber. Ein kleines Fenster dritter Ordnung liegt unter der Kuppel in der Außenwand nach Osten. Das an der Nordostecke an das Allerheiligste anschließende Deckenfeld hat eine Bohlendecke mit Ecküberkragung und an der Südostecke eine Flachdecke über zwei gekreuzten Hauptbalken. Die beiden Seitenschiffe überwölbt im dritten Feld quer zum Mittelschiff ein Tonnengewölbe aus Holz. Das Mauerwerk der Wandflächen des Innenraumes ist ohne Bemalung. Umso reicher ist der Schmuck der Holzbauteile. An den Stirnseiten der Bögen, Seiten und Untersichten der Architrave sind verschiedene Flechtwerkornamente eingeschnitten. Bänder aus übereinander liegenden Viertelstäben mit Schnurornament verzieren den Übergang von Architraven zum Aksumfries und darüber zum Mauerwerk. Verschiedene Knaufformen schmücken das Gebälk. Auch die in der Außenwand über den Türen eingebauten Balken sind mit geschnitzten Flechtwerkornamenten geschmückt. Einige Fensteröffnungen sind mit geschnitzten Transennen, die Mehrzahl jedoch nur mit Gitterwerk aus Eisen geschlossen. Einfache Malereien aus jüngerer Zeit bedecken die Außenwände. Die Bethlehemkirche ist das einzige, in seiner Kombination ungewöhnliche Beispiel einer Rechteckkirche mit einem Kegeldach. Die einfachere Ausführungsqualität des Mauerrings aus Bruchsteinen für das Kegeldach und die Auflagerung eines Dachbalkens in der hoch liegenden Fensteröffnung in der Mittelachse der Westseite stehen im Widerspruch zur hohen Bauqualität der Kirche. Die handwerklich sorgfältige Ausführung des Kegeldachs lässt aber vermuten, dass das Kegeldach schon während des Baus der Kirche als adäquater Witterungsschutz konzipiert worden ist.
Kern ohne erkennbare spätere Veränderungen erhalten geblieben ist. Aufgrund stilistischer Merkmale der Ornamentik und der Ausführungstechnik der reichen Ausschmückung, die sich in ihrer Formensprache mit Beispielen mediterraner Kunst des 7. und 8. Jh., besonders der ägyptisch-koptischen, in Beziehung setzen lässt und die aufgrund einer Radiokarbonmessung ins 9. Jh. datiert werden muss. Außenwände aus Bruchsteinen mit einigen sichtbaren Balkenköpfen, in Deckenhöhe über Längshölzern, und ein Gesims aus Steinplatten sowie das äußerst einfache, strohgedeckte Satteldach lassen nicht vermuten, welches Kleinod sich dahinter verbirgt. Der ursprüngliche Kern der Kirche ist im Grundriss kreuzförmig. Er hatte drei Eingänge von Westen her, einen in der Mitte und je einen zu den Seitenschiffen. In späterer Zeit sind Anbauten in einfacher Bauweise mit einem großen Vorraum an der Westseite mit einem Mittel- und zwei Seitengängen und kleine Räume an den beiden Seitenschiffen im Norden und Süden angefügt worden. Der gesamte Baukörper hat eine größte Breite von 11,7 m und eine Gesamtlänge von 13,9 m. Durch den Westeingang des angebauten neueren Vorraums mit Eingangstüren an der Nord- und Südseite gelangt man durch die axial liegende Haupteingangstür – nach aksumitischer Art umrahmt – in den kleinen Vorraum in Form einer Contra-Apsis. Der im Grundriss rechteckige Raum ist ab Türhöhe kreisförmig, mit einem runden Gesims aus Holz und einem Aksumfries darüber, und hat eine Rundbogenöffnung zum Mittelschiff. Das etwa 2,2 m breite und nur 3,7 m lange und 5,9 m hohe Mittelschiff ist zwei Felder lang. Die quadratischen, monolithischen Steinsäulen zu beiden Seiten haben abgefaste Kanten, niedrige Basen und würfelförmige Kapitelle. Darauf liegende Holzarchitrave, die an den Enden auf Wandpfeilern mit Konsolen ruhen, tragen die Wände, die an den Längsseiten Aksumfriese mit ornamentierten Paneelen haben. Über dem Scheitel des Triumphbogens umläuft ein weit vortretendes Gesims die Wände, über dem an den Seiten eine Reihe von drei Fensteröffnungen, nach Osten ein Doppelfenster und ein einzelnes nach Westen liegen. Zwei offene Dachtragwerke, ähnlich einem doppelten Sprengwerk, tragen die im Querschnitt trapezförmige, innen kassettierte Dachdecke. Rundbögen auf Wandpfeilern mit Konsolen verbinden die Seitenschiffe mit den im zweiten Feld an der Nord- und Südseite anschließenden Räumen, an die in jüngster Zeit an der Nordseite ein Vorraum mit Eingang und an der Südseite ein weiterer Nebenraum angebaut worden sind. Die mit flachen Holzdecken überdeckten Räume sind 3,7 m hoch. Über einem Gesims verläuft ein Aksumfries mit reich verzierten Paneelen. Die runde Apsis war früher sicher mit einer Holzkuppel überwölbt, trägt heute aber eine flache Holzdecke. Die Pastophorien zu beiden Seiten sind durch Türen nach aksumitischer Art mit der Apsis und den Seitenschiffen verbunden. Die Innenwände und die Wandpfeiler sind in Holz-Stein-Bauweise ohne vorstehende Querhölzer (Affenköpfe) ausgeführt. Die Stirnseite der Bögen zu den Apsiden, die Konsolen der Bögen und Architrave sind mit geschnitzten Ornamenten verziert. Der Boden des Mittelschiffes ist im Feld vor dem Triumphbogen, wo auch die Altarschranke steht, um eine Stufe erhöht, gleich hoch mit dem Boden der Apsis. Die ursprünglich mit Flachdach gebaute Kirche hat vermutlich erst in späterer Zeit das jetzige, strohgedeckte Satteldach erhalten. Der kreuzförmige Grundriss der Kirche (ohne spätere Anbauten) ist mit den Kirchen Jammadu Mariam, Mikael Amba, Cherkos Wukro und Bet Giorgis (Lalibela) vergleichbar.
Giorgis, Zarema Cherkos Agobo In der Region von Atsbi im östlichen Teil der Provinz Tigre liegt in 2800 m Höhe eine der ältesten, wenn nicht sogar die älteste Kirche Äthiopiens, die dank ihrer Abgeschiedenheit in ihrem
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Diese kleine Kirche, wohl aus den 10.–12. Jh., 16 km nördlich von Atsbi, ist unter einem Fels-
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überhang so gegen den Berg gebaut, dass die Räume an der Südseite vom gewachsenen Fels begrenzt werden. Der Baukörper der dreischiffigen Kirche misst 6,7 m in der Länge und 5,6 m in der Breite und hat am Westeingang 1 m zurückspringend einen später angefügten Vorraum mit 2,2 m Länge und 4 m Breite. Nord- und Ostwand sind durch Wandrücksprünge entsprechend der inneren Raumteilung gegliedert. Über dem nach außen abgetreppten Sockel, der bis über Fußbodenhöhe reicht, sind die Wände in Holz-Stein-Bauweise mit gleichmäßig angeordneten, vorkragenden Affenköpfen gebaut. Ein Gesims aus flachen Steinplatten umläuft den Baukörper in Deckenhöhe. Auch die Fenster und Türen in aksumitischer Art haben weit vorkragende Balkenköpfe. Der Vorraum an der Westseite sowie das schützende, gegen die Felswand gestützte Pultdach aus Rundhölzern, sind spätere Anbauten. Das Kirchenschiff ist mit zwei Feldern nur 3 m lang. Architrave zwischen Wandpfeilern mit Konsolen, nur in der Mitte der Nordseite von einem Pfeiler gestützt, tragen die Wände des 4,2 m hohen Mittelschiffes, das an drei Seiten ein Aksumfries mit schnitzwerkverzierten Paneelen umläuft. Die Wände darüber haben kleine, hoch liegende Fenster in der Mitte und ein Blendfenster mit Kreuzmotiv an der Stirnseite über dem Triumphbogen. Die flache Decke ist zwischen den quer gespannten Balken in annähernd quadratische Kassetten geteilt, mit einem kreuzförmigen Feld über der Raummitte. Die Kassettenfelder sind ohne Schmuck, und nur die Umrahmungen sind durch Längsnuten profiliert. Die 2,4 m hohen Seitenschiffe tragen eine flache Balkendecke aus Holz. Der Triumphbogen auf seitlichen Wandpfeilern und Holzkonsolen in Form eines gedrückten, asymmetrischen Bogens ist mit einem nicht sehr sorgfältig gearbeiteten flächigen Ornament an der Stirnseite verziert. Er ersetzt einen älteren Bogen, dessen perfekt gerundete Stirnfläche darüber noch sichtbar ist. Die Wände des Allerheiligsten haben im oberen Bereich glatte, von waagrechten Profilen gegliederte Holzflächen. Zwischen den Ecküberkra-
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Abb. 57 Südfassade der Kirche Imrahane Kristos.
Abb. 58 (links) Fenster der Südfassade von Imrahane Kristos. Abb. 59 (rechts) Eingangstür zum südlichen Seitenschiff von Imrahane Kristos.
gungen hat die Decke ein rechteckiges, in Kassetten unterteiltes Mittelfeld. Türen zu beiden Seiten führen in die Pastophorien, von denen nur das südliche eine Tür zum Seitenschiff hat. Gebaute Kirchen in Grotten Imrahane Kristos Die Kirche, die zu den bedeutendsten Äthiopiens gehört, ist nach ihrem Stifter, dem Zagwe König Imrahane Kristos – „Christus zeige uns den Weg“ – benannt, der um 1132–72, möglicherweise auch einige Jahre später regierte. Demnach kann der Bau in die Mitte des 12. Jh. datiert werden. Kirche und Schatzhaus stehen in einer riesigen Grotte am Fuß des Steilabfalls im Bergmassiv des 4190 m hohen Abuna Yosef. Die Grotte hat eine Öffnung von 50 m Breite, rund 10–12 m Höhe und reicht, leicht ansteigend, fast 45 m tief in den Berg. Die erste ausführliche Beschreibung verdanken wir dem portugiesischen Kaplan Francisco Alvarez, der 1520 die Kirche gesehen hat. Der kirchliche Bezirk in der Grotte ist nach außen durch eine geradlinig verlaufende, etwa 3 m hohe und in jüngster Zeit erneuerte Mauer mit drei Türen abgeschlossen. Eine Querwand mit zwei Toren unterteilt die Grotte zur Nordostecke der Kirche. Parallel zur nordwestlichen Grottenwand steht das einfach ausgeführte 17 m lange, 8 m breite und ca. 4,50 m hohe Schatzhaus, das in zwei Räume unterteilt ist. Die Wände sind in Holz-SteinBauweise und ohne Pfeilerverstärkungen gebaut, mit Türen und Fenstern nach aksumitischer Art. In der südöstlichen Hälfte der Grotte liegt die dreischiffige, in Ost-West-Richtung gerichtete 12 m lange und 9,5 m breite Basilika, mit einer von Pastophorien flankierten eingezogenen Apsis. Die Wände stehen auf einem niedrigen Sockel aus behauenem rötlichen Stein und sind in HolzStein-Bauweise in nahezu gleichmäßig hohen Schichten ohne „Affenköpfe“ gebaut und an den
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Ecken mit Holzblöcken verstärkt. Das verputzte Bruchsteinmauerwerk ist weiß getüncht. In Höhe des Flachdaches umläuft ein Gesims aus rechtwinklig behauenen, flachen Steinplatten das Gebäude, und etwas darüber umläuft ein weiteres die vier höheren Eckrisalite. Vor- und zurücktretende Wandpartien gliedern die Fassade außen, jedoch nicht im Kircheninneren. Die Kirche hat drei Eingänge, an der West-, Nord- und Südseite, am Westeingang mit einer, am Süd- und auch Haupteingang mit drei vorgelegten Stufen aus dem gleichen rötlichen Stein wie der Gebäudesockel. Fenster in zwei Ordnungen, an allen Seiten mit Transennen, erhellen das Innere. Ein Blendfenster in der Mitte der Längsseiten, in der Reihe zweiter Ordnung, hat nur gestalterische Gründe; eine Öffnung war dort wegen des innen gegen die Wand stoßenden Bogens nicht ausführbar. Der Boden des nahezu quadratischen Innenraums ist mit rötlichen Steinplatten belegt. Die Holz-Stein-Bauweise der Wände ist auch innen sichtbar belassen. Drei Felder mit Bögen auf T-förmigen Pfeilern mit Holzkonsolen darauf trennen das Mittelschiff von den beiden Seitenschiffen. Je zwei Pfeiler stehen auf einem gemeinsamen Sockel. Sie sind schichtweise aus dunklem und hellem behauenem Stein gemauert, wobei anders als bei den Wänden, die niedrige, der Holzbalkenhöhe entsprechende Schicht über die Pfeilerflucht vorsteht und das hellere Band zurückgesetzt ist. Die oberste Steinschicht ist umlaufend profiliert. Jedes der beiden Seitenschiffe ist quer zum Mittelschiff durch zwei Bögen unterteilt, die auf Pfeilervorlagen an der Außenwand und auf den T-förmigen Pfeilern zum Mittelschiff stehen. Die Bögen sind gemauert und nicht aus Holz wie in den meisten anderen Kirchen dieser Zeit. Das zweite und dritte Feld des Mittelschiffes sind durch einen umlaufenden Aksumfries erhöht, mit drei Feldern an den Stirnseiten, mit fünf an den Längsseiten; in die langen Seiten sind im Wechsel zu den Paneelfeldern zwei Oberlichtfenster eingebaut. Die Decke hat in Längsrichtung einen trapezförmigen Querschnitt und wird von drei Tragwerken in der Art doppelter Sprengwerke getragen, von denen das allseitig freie Tragwerk in der Mitte reich ornamentiert ist und die an den Enden als Teil der
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Abb. 60 Die in Holz ausgeführte Kuppel von Imrahane Kristos.
Abb. 61 Dachkonstruktion über dem Mittelschiff von Imrahane Kristos.
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schnitzwerkverziertes Tor in der Abgrenzung. Die über einem kreuzförmigen Grundriss gebaute, ostwestlich orientierte Kirche ist in ihrer Anlage dreischiffig, mit nur zwei Stützenfelder langen Seitenschiffen. Die sonst bei Kirchen mit Rechteckgrundriss üblichen Pastophorien fehlen. Die Wände sind aus rötlichem Haustein in regelmäßigem Schichtmauerwerk sorgfältig gefügt. Die Kirche hat drei Eingänge, alle von Westen. Durch den Haupteingang in der Mittelachse tritt man in den niedrigsten Teil des Mittelschiffes, der eine Decke mit Ecküberkragung hat. Durch die beiden anderen Eingänge gelangt man direkt in die Seitenschiffe. Auf Holzsäulen liegende Architrave aus Holz mit einem darüber verlaufenden Aksumfries tragen die Mauerwerkwände des erhöhten Mittelschiffes, die an Nord- und Südseite je zwei Fensteröffnungen haben. Darüber wölbt sich das tonnenartig gerundete Dachwerk aus nicht ganz halbkreisförmigen Dachbalken, an den Stirnseiten senkrecht abgemauert. Der Holzbogen in der Mitte ist auf einen waagerechten Balken mit Wandkonsolen aufgesetzt. Regelmäßig angeordnete Längsund Querhölzer mit Paneelen darüber bilden die gewölbte Deckenfläche. Balkendecken überspannen die Seitenschiffe. Die Apsis ist von einer Holzkuppel überwölbt. Figürliche Darstellungen schmücken die Kassettenfelder des Aksumfrieses und die untersten Felder der Tonnenwölbung. Vielfarbig leuchten die geometrischen Flechtwerkmalereien auf Gebälk, Paneelen und Kassetten.
Makina Medhane Alem Außenwand ausgefacht sind. Die in annähernd quadratische Kassetten unterteilten Deckenflächen werden von Längshölzern mit regelmäßig darauf angeordneten Querhölzern gebildet. Die tragenden Hölzer sind mit Nuten profiliert, die Kassettenfelder reich ornamentiert. Die Seitenschiffe und das erste Feld des Mittelschiffes haben Flachdecken. Der Boden von Apsis und Pastophorien ist gegenüber dem Kirchenraum um eine Stufe erhöht. Der Triumphbogen verbindet das Mittelschiff mit dem Allerheiligsten, in dem ein Aksumfries den Wandabschluss zur Decke bildet. Über der achteckigen Basis wölbt sich die aus Holz gebaute Kuppel, die auch von außen über dem Flachdach zu erkennen ist. Durch Türen zu beiden Seiten der Apsis gelangt man in die Pastophorien, die wiederum Türen zu den Seitenschiffen haben. Die Ausschmückung der Kirche ist einzigartig. Bögen und hölzerne Bauteile sind in reicher Vielfalt, geradezu verschwenderisch, mit Schnitzereien verziert. Die Seitenschiffe haben Kassettendecken in Kreuzform. Direkt auf Holz aufgetragene Malereien schmücken den Dachraum über dem Mittelschiff (Abb. 61), Intarsien und Malereien auf stuckähnlicher Grundierung die Flachdecke am Eingang. Die Fenster, von denen einige in der unteren Hälfte auch mit schnitzwerkverzierten Paneelen geschlossen sind, haben Transennen unterschiedlichster Form, aus Stein gemeißelt oder aus Holz geschnitten, und zeugen vom großen Ideenreichtum der Erbauer (Abb. 68). An der Südseite der Kirche liegt das Grab des Stifters. Eine Reihe anderer Gräber findet sich entlang der nordwestlichen Wand der Grotte, einer von Mönchen und Nonnen bevorzugten Begräbnisstätte.
Jammadu Mariam Im Osten der Region Lasta liegt in einer Grotte verborgen die wenig bekannte Kirche Jammadu Mariam. Der Zugang zu dem im Schutz der Grotte liegenden Kirchenbezirk führt durch ein
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Abb. 62 Konsole zu einem Bogen des Mittelschiffs in Holz geschnitzt von Imrahane Kristos.
Abb. 63 Bogenzwickel von Imrahane Kristos.
Östlich von Lalibela, an der Ostflanke des Makina, einem Ausläufer des Abuna Yosef-Massivs, liegt in einer geräumigen, annähernd 50 m tiefen Grotte mit einer dreieckigen, 30 m breiten und 10 m hohen Öffnung die Kirche Makina Medhane Alem. Nach außen ist der Kirchenbezirk mit einer Mauer zwischen den dort liegenden riesigen Felsblöcken abgeschlossen. Eine zweite, näher an der Kirche verlaufende Mauer umschließt einen kleineren Bereich im Norden und Westen. Die Außenwände der kleinen dreischiffigen Basilika sind abwechselnd aus höheren Bändern aus Bruchstein in Erdmörtel und zurückgesetzten, niedrigen Schichten behauener Quader aus rötlichem Stein, ganz in Anlehnung an die Holz-Stein-Bauweise gemauert. Ein umlaufendes Gesims aus behauenen Steinen mit einer Attika aus Bruchsteinmauerwerk darüber bildet den oberen Abschluss. In der Mittelachse überragt den Baukörper die verputzte Erhöhung des Mittelschiffes mit dem Satteldach um 2,3 m, die in den Wänden an den Längsseiten drei kleine Fensterluken, eine an der Stirnseite im Westen und zwei übereinander an der Ostseite hat. Auf einer niedrigen Aufmauerung sitzt die Kuppel über dem Allerheiligsten, die nach Osten zwei lukenartige Öffnungen hat. Fenster und Türen sind in traditioneller Art mit den an den Ecken vortretenden Querhölzern ausgeführt; allerdings sind die unteren Balkenköpfe am Nord- und Südeingang durch rechteckig bearbeitete Steine von 11 x 14 cm ersetzt. Der Innenraum der in Ost-West-Richtung orientierten Kirche ist dreischiffig und von Pfeilern in drei Felder unterteilt. Auf den erhöhten Wänden des Mittelschiffes, von Architraven mit darüber liegendem Aksumfries getragen, liegt das offene Dachtragwerk mit einem Sprengwerk in Pfeilerachse. Die Seitenschiffe sind mit Balkendecken, das Allerheiligste ist mit einer Holzkuppel versehen. Die Stirnflächen des Triumphbogens, die Konsolen und Architrave sind mit eingeschnittenen Ornamenten, das Gebälk ist mit Zierknäufen geschmückt. Die Decken des Mittelschiffes und der Seitenschiffe sind mit Flechtbandornamenten in leuchtenden Farben bemalt. Die Wand-
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malereien sind schlecht erhalten. Da sie teilweise übertüncht sind, lassen sie sich stellenweise nur noch erahnen. Grottenkirchen, gebaut und aus Fels
Abb. 64 Die Grottenkirche Mikael Debre Selam, wohl aus dem 13.-15. Jh., nahe Atsbi.
Mikael Debre Selam Etwa 10 km nordwestlich von Atsbi, in einer Grotte von geringer Tiefe und unter der Felswand eines Tafelberges steht die kleine Kirche Mikael Debre Selam, verborgen hinter später davor gesetzten Wänden und einer Überdachung. Sie dürfte aus dem 13.–15. Jh. stammen und besitzt reiche Wandmalereien, die nubisch oder arabisch beeinflusst sind. Um der Kirche die erforderliche Größe unter dem schützenden Fels geben zu können, haben die Erbauer den in Fläche und Höhe fehlenden Raum aus dem Berg gemeißelt. Halb gebaut und halb Felsenkirche ist die Kirche dadurch eine Besonderheit. Der Baukörper der kleinen dreischiffigen Basilika, die annähernd ostwestlich orientiert ist, misst 9,7 m in der Länge, 6,9 m in der Breite und vom Boden bis an die Decke der Grotte 3,7 m. Die Außenwände der Ost- und Südseite bilden die eindrucksvolle, dekorative Schauseite. Auf einem außen dreimal abgetreppten Sockel, der hier funktionslos bis etwa 1 m über den Fußboden reicht und nicht das sonst übliche Podium, auf dem der Baukörper steht, anzeigt, sind die Wände in Holz-Stein-Bauweise errichtet. Rücksprünge zeichnen die innere Raumteilung an den Außenwänden ab. Hohe, kräftige Holzbalken mit auffallend großen „Affenköpfen“ geben den Wänden im Wechsel mit Schichten von Quadermauerwerk ihre ornamentale Wirkung. Mit
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Abb. 65 Hauptschiff von Mikael Debre Selam.
einem Gesims aus flachen, rechtwinklig bearbeiteten Steinplatten abschließend, stoßen sie dicht an die Decke der Grotte. Die bergseitigen Außenwände der Nord- und Westseite sind aus dem Felsen gemeißelt. Sie sind schmucklos und nur durch einen sehr schmalen Gang vom Massiv des Berges getrennt. Eine Rinne im Fels leitet das Wasser einer Quelle im hinteren Teil der Grotte an der Westseite vorbei zu einem Taufbecken. Fenster und Türen in aksumitischer Bauweise befinden sich nur an den frei zugänglichen Seiten. Das quadratische Apsisfenster hat eine Transenne mit Kreuzmotiv aus Stein. Der Eingang zum südlichen Seitenschiff – zur Außenseite der Grotte gerichtet – hat einen Portalvorbau mit zwei Eckpfeilern, die einen Bogen tragen und an beiden Seiten zum Gebäude mit Brüstungsmauern und über Türhöhe mit Holzbalken anschließen. Die winkelförmigen Pfeiler sind in Holz-Stein-Bauweise gemauert, die Bogenstirn darüber ist profiliert. Der andere Zugang führt durch eine Tür von Süden und durch den Vorraum an der Westseite in das Mittelschiff. Der um die Breite des nördlichen Seitenschiffes verkürzte Vorraum hat über der Eingangstür eine Fens-
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Abb. 66 (links) Mikael Debre Selam mit der typischen Affenkopf-Konstruktion. Abb. 67 (rechts) Pilasterkapitell für die Bogen in Mikael Debre Selam.
Abb. 68 Fenster über dem Südeingang von Mikael Debre Selam mit Ikone der Madonna mit Kind auf der Innenseite eines Fensterladens.
teröffnung mit Kreuzornamenten. Die Decke besteht aus zwei Feldern mit unterschiedlichen Kassetten. Das Mittelschiff ist nur 1,7 m breit und mit zwei Feldern insgesamt 3,7 m lang. Die beiden quadratischen Steinpfeiler mit abgefasten Kanten und wulstförmigen Kapitellen stehen auf prismatischen Basen. Darüber wölben sich Bögen, an den Stirnwänden auf Wandpfeilern mit Konsolen, die an die waagerechte Felsdecke der Grotte gemauert sind. In gleicher Höhe ist ein Blendbogen über dem Westeingang ausgeführt. Das 7,2 m hohe Mittelschiff ist rechteckig, um 3,2 m in den Fels erhöht. Auch der Aksumfries an den vier Seiten mit dem darüber liegenden Gesims ist in den Fels gemeißelt. Die Seitenschiffe sind 3,3 m hoch, die Decke bildet der gewachsene Fels. Blendbögen auf Konsolen sind aus dem Fels der Nordwand gemeißelt. Auf dem im letzten Feld des Mittelschiffes um eine Stufe erhöhten Boden steht knapp hinter den beiden Pfeilern die Altarschranke aus Holz. Ein Rundbogen mit Kreuz umrahmt den Durchgang, geschnitzte Ornamente verzieren die Paneelflächen der Seiten. Wandpfeiler mit Konsolen tragen den Triumph-
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bogen zum Allerheiligsten, dessen Wände mit einem Aksumfries aus Holz an die Felsdecke stoßen. Die halbkugelförmige Kuppel darüber ist aus dem Fels geschlagen. Felskirchen Lalibela Lalibela liegt in 2630 m Höhe inmitten der nach Südwesten gerichteten, zum Oberlauf des Takkaze abfallenden Hänge der Berge von Lasta, deren höchste Erhebung der 4190 m hohe Abuna Yosef ist. Der ursprünglich Roha genannte Ort ist eine Gründung der Zagwe Dynastie, die von etwa 900 bis 1268 regierte und Roha zu ihrer Haupt- und Residenzstadt bestimmt hat. König Lalibela (etwa 1185–1225), nach dem der Ort schon früh benannt wurde, wird die Verwirklichung des monumentalen Ensembles von Felskirchen zugeschrieben, die den Ort so berühmt gemacht haben. Der durch die Ausbreitung des Islam unter den Fatimiden erschwerte Zugang zu den christlichen Stätten, zum Geburtsort Jesu, zu den Orten der Passion und der Auferstehung, erweckte den Wunsch König Lalibelas, für alle Christen, die Jerusalem nicht mehr besuchen konnten, in Lalibela eine Entsprechung zu schaffen. So erklärt sich die Vision König Lalibelas, die äthiopische Hauptstadt zu einem neuen Jerusalem zu machen, weshalb sich in Lalibela auch ein Golgatha, ein Grab Christi, ja ein Jordan und ein Sinai finden. Die Idee, ein Ensemble mit Monolithkirchen aus dem gewachsenen Fels zu meißeln, zu skulptieren und auszuhöhlen, ist außergewöhnlich. Viel ist bisher darüber gerätselt worden, welche Gründe die Erbauer dazu bewogen haben könnten, diese aufwendige und handwerklich in höchstem Maße anspruchsvolle Ausführungsart zu wählen, bei der ganze Baukörper an allen Seiten freistehend aus dem Fels herausgearbeitet worden sind, verbunden durch ein System labyrinthartig erscheinender Gräben, Gänge und Tunnelröhren. Begründet sich die in ihrer Art umgekehrte „Bauweise“ durch Wegnehmen aus dem Streben nach Dauerhaftigkeit und Unzerstörbarkeit? Weder die Tempel und Grabmäler im Alten Ägypten, die Felsdenkmäler der Nabatäer von Petra in Jordanien oder Madain Saleh in Saudiarabien, noch die in Tuffkegeln versteckten, ausgehöhlten Kirchen Kappadokiens sind mit Lalibela vergleichbar. In der Konzeption ähnlich ist die hinduistische Tempelanlage Kailasa von Ellora am Mt. Merou in Maharashtra. Die Frage nach den Planern, Baumeistern und Bauleuten für die Verwirklichung der kühnen Idee, diese Kirche und die ganze Anlage aus dem Fels zu meißeln, ist offen. Es gibt keine Gründungsurkunden, keine Aufzeichnungen über die Entstehung oder andere Datierungshilfen. Erst Jahrhunderte später, im 15. Jh., gibt es Aufzeichnungen in einer Chronik über das Leben König Lalibelas, die viel Legendenhaftes und Phantasievolles enthält, aber in Ermangelung anderer Unterlagen die einzige Informationsquelle über sein Leben ist. König Lalibela, später von der Äthiophischen Kirche heilig gesprochen, ist in Roha geboren, und schon seine Geburt wird mit Legenden, die auf seine königliche Bestimmung hinweisen, verklärt. Bisher gibt es keine Erkenntnisse über das angewandte Maßsystem und über das Verfahren und die Geräte zur Vermessung der Baukörper und der Innenräume sowie die Trassierung von Stollen und Gängen. Nur zuverlässige Messverfahren konnten sicherstellen, dass Richtung und Neigung von Stollen wie z.B. von Bet Emanuel zu Bet Merkorewos und Bet Lehem stimmten. Das gilt auch für die Aushöhlungen, bei denen ausreichende Abstände und Überdeckungen eingehalten werden mussten. Welche enorme Leistung den Erbauern zur Verwirklichung ihrer Vor-
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Abb. 69 Umgebung von Lalibela.
stellungen abverlangt wurde, wobei auch die einfachen technischen Mittel und Werkzeuge der Zeit in Betracht zu ziehen sind, sollen ein paar Zahlen verdeutlichen. Für die kleine Kirche Beta Giorgis mussten rund 3.400 m3 Fels in den Hof und rund 450 m3 zur Herstellung des Innenraumes gelöst und abtransportiert werden. Für die große Kirche Medhane Alem waren das gleich 15.000 m3 für den Hof und 10.000 m3 für das Innere. Folgt man den Aussagen der Chronik, dass das Werk während der Regierung von Lalibela geschaffen worden ist, müsste der Ort damals einer gewaltigen Großbaustelle geglichen haben. In welchem Zeitraum und Ablauf die Kirchen aus dem Feld, einem rötlichen vulkanischen Tuff, gearbeitet worden sind, lässt sich nur vermuten. Nahe liegend erscheint ein Arbeitsablauf, bei dem mit zeitlich versetzten Arbeitstakten im ersten Abschnitt die große Freilegung des Baukörpers in stufenförmig abgetreppten Ebenen vonstatten ging, unmittelbar gefolgt vom zweiten Abschnitt für die Feinarbeiten, den eigentlichen Steinmetzarbeiten bis zur fertigen Skulptierung. Beim Erreichen der obersten Fensteröffnung könnte durch stollenartig vorgetriebene Aushöhlungen der Innenraum in Grobform begonnen worden sein, der dann vom Eingangsniveau aus-
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gehend in Feinarbeit freigemeißelt wurde. Eine andere Variante, bei der zunächst der Baukörper im Groben freigelegt und dann mit der detaillierten Bearbeitung der Fassaden und der Aushöhlung vom Eingangsniveau begonnen wurde, erscheint wegen der damit notwendigen Gerüste und Arbeitsbühnen aufwendiger und deshalb vielleicht weniger wahrscheinlich. Unter welchen Bedingungen die Arbeiten im dunklen Innenraum ausgeführt wurden, bei Beleuchtung mit Fackeln, Öllampen oder Kerzen, möglicherweise auch mit Hilfe von Spiegeln, ist nur schwer vorstellbar. Voll Staunen berichtet als erster Europäer F. Alvarez, der als Angehöriger der portugiesischen Gesandtschaft unter Dom Rodrigo de Lima Äthiopien bereist und im September 1520 Lalibela gesehen hat, in seiner Beschreibung der großen Kirchengebäude „... dergleichen seines Erachtens in der ganzen Welt nicht zu finden sind, Kirchen in lebendigen Fels kunstvoll gehauen“. Nach der ausführlichen Beschreibung aller anderen Kirchen Lalibelas berichtet er zuletzt über Bet Giorgis und beginnt einleitend: „Ich muss aufhören, von diesen gewaltigen Gebäuden zu schreiben, auch wenn es bei mir keine Zweifel gibt, es wird bei vielen unglaubhaft sein, die meinen werden, ich habe übertrieben.“ Seine Beschreibung enthält auch interessante Zeichnungen der verschiedenen Kirchen; einige Grundrisse sind durchaus treffend, andere phantasievoll von der Wirklichkeit abweichend. Alvarez hat die Monolithkirchen sicher noch in bestem Zustand gesehen. Jahrhunderte später zeigt A. Raffray in seinem 1882 gedruckten Buch über die Felskirchen Bilder des Steinzerfalls. Auch Monti della Corte dokumentiert 1940 den bedenklichen Zustand in Fotos und Zeichnungen, D. Buxton 1947 ebenfalls in Fotos. Restaurierungsversuche haben schon unter Kaiserin Zauditu (1916–30) begonnen und wurden auch später weitergeführt. Obwohl aus heutiger Sicht als nicht ganz fachgerecht beurteilt, haben sie doch mehr zum Schutz und zur Erhaltung beigetragen, als geschadet. 1978 ist Lalibela durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Mit Unterstützung der UNESCO wurden die dringenden Maßnahmen zum Denkschmalschutz eingeleitet. Zur Zeit ist allerdings die Wirkung der Bauwerke durch die Schutzdächer aus Wellblech mit ihren Traggerüsten aus Stahlrohr und Eukalyptusstangen stark beeinträchtigt.
Die Kirchen der nördlichen Gruppe Die Monolithkirchen der nördlichen Gruppe, heute auch „erste Gruppe“ genannt (in älteren Veröffentlichungen als „zweite Gruppe“ bezeichnet), liegen in West-Ost-Richtung hintereinander, in der Mitte eines nach Norden und Süden abfallenden Felsrückens. Zwei in den Fels eingeschnittene Hauptzugänge führen zu dieser Gruppe, einer vom Bach Yordanos im Süden auf Bet Mariam zulaufend und der andere von Westen, tief in den Fels eingeschnitten auf Bet Debra Sina-Mikael-Golgotha zu. An seinem Ende, im Schnittpunkt mit dem Graben vor diesen Kirchen im Westen, erhebt sich einem Torbau gleich der Monolithblock, das „Grab Adams“ mit seiner 2,5 m breiten und 9,0 m hohen Front. Über eine Freitreppe mit sechs unregelmäßig hohen Stufen gelangt man durch eine schmale Rundbogenpforte in einen nur 3 x 2 m großen Raum unter dem Grab, von wo man nach Norden und Süden in den die Gruppe umlaufenden Graben kommt. Die Pforte unter dem Grab ist im oberen Bereich stark verwittert und erst in jüngster Zeit wieder in voller Höhe aus den Ablagerungen früherer Jahrhunderte freigelegt worden. Unter den Ablagerungen waren auch Teile der ursprünglichen Türrahmung in
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Vorhergehende Seiten: Abb. 70 Blick in die Kirchengrube von Gennete Mariam bei Lalibela. Abb. 71 Wandfresken in Gennete Mariam, der hl. Minas zu Pferd, Muttergottes und wahrscheinlich der heilige Einsiedler Hor im Kreuzeslanze. Abb. 72 und 73 Reich verzierte Wände, Decke, Bogen und Kapitelle in Gennete Mariam.
Abb. 74 Das „Grab Adams“ mit Zugangstreppe in Lalibela.
aksumitischer Art mit ihren Balkenköpfen und der abgestuften Türschwelle sowie die Freitreppe verschüttet. Das eigentlich „Grab Adams“, eine kleine von Osten zugänglichen Zelle, befindet sich in der Ebene über der Pforte. Im oberen Drittel der Westseite schmückt das „Grab“ ein etwa 1,5 m hohes Kreuz mit flammenförmiger Umrahmung, das ähnlich einer Lichtöffnung tief eingemeißelt, aber nicht durchgebrochen ist.
Bet Debra Sina – Bet Mikael – Bet Golgotha Die Kirchenräume von Bet Debra Sina und Bet Mikael liegen nebeneinander in einem nur teilweise freigearbeiteten, im Grundriss schiefwinkligen, nach Osten breiter werdenden Massiv. Die Westfassaden der beiden Kirchen liegen in einer Front, die von Bet Mikael misst etwa 7 m und die von Bet Debra Sina 10 m in der Länge. Die freie Südfassade von Bet Debra Sina hat 11 m und die Ostfassade, die in der Seite eines von Süd nach Nord verlaufenden Stichgrabens liegt, etwa 9,5 m Länge. Bet Debra Sina erhebt sich auf einem hohen, dreistufig abgetreppten Podium.
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Der einschließlich Podium etwa 11,5 m hohe Baukörper hat glatte Außenflächen, ohne erhabene Ornamente, Fenster in zwei Ordnungen und als einzigen Schmuck ein rechtwinkliges Gesims als oberen Abschluss an West- und Südseite. Der dreischiffige Kirchenraum ist in Ost-West-Richtung orientiert, 9,5 m lang, 8,5 m breit und 5 m hoch und wird durch zwei Reihen nicht in gleichem Abstand stehender Pfeiler in fünf Felder unterteilt. Die nicht ganz regelmäßigen kreuzförmigen Pfeiler mit Außenmaßen von etwa 1,2 m und 0,4–0,6 m an den Stirnseiten haben mit Kreuzreliefs geschmückte Kapitelle, die an den Ecken in geschwungener, konkaver Form abgefast und von einer Randleiste eingefasst sind. Über den darüber liegenden Konsolen wölben sich Bögen in beiden Richtungen. Gleich geformt sind auch die Wandpfeiler mit ihren Kapitellen, Konsolen und Blendbögen an den Außenwänden. Die Stirnseiten der Bögen sind mit einem profilierten Band eingefasst. Direkt über den Bögen und am Übergang zur waagerechten Decke umlaufen zwei weitere Bänder alle Felder. Der Haupteingang liegt im zweiten Feld an der Südseite, wo gangbare Stufen in das hohe Podium eingearbeitet sind. Eine Steinplatte in Achse des Eingangs überbrückt den Graben davor zu einem Tunnelgang. Ein zweiter Eingang führt im Westen vom Stufenpodium in das Mittelschiff. Durchgangstüren in der Nordwand führen im zweiten und fünften Feld in den parallel angrenzenden Kirchenraum von Bet Mikael. Baulich sind das Allerheiligste und die Pastophorien nicht besonders ausgebildet. Der Triumphbogen und die raumumschließenden Wände fehlen, jedoch ist der Boden über die ganze Raumbreite des östlichen Feldes und im vierten Feld des Mittelschiffes um zwei Stufen erhöht, und die Pfeiler des dritten Feldes stehen erhöht auf einer Stufe oder Schwelle in Längsrichtung. Die flache Decke ist ohne besonderen Schmuck. Bet Mikael im Norden, parallel zu Bet Debra Sina, grenzt nur mit seiner Westseite an den die ganze Kirchengruppe umlaufenden Graben. Schmucklose, kreuzförmige Lichtöffnungen in Form griechischer Kreuze, zwei im Südschiff und drei im Nordschiff des zweischiffigen Innenraumes, bilden die Fenster erster Ordnung. Darüber liegt in jedem Schiff in zweiter Ordnung eine halbkreisförmige Öffnung, mit Umrahmung nach aksumitischer Art. Eine weitere einzelne, aber blinde Umrahmung ist links daneben aus dem Fels gemeißelt. Der nicht ganz rechtwinklige Innenraum von Bet Mikael wird von West nach Ost breiter, wobei die Nordwand leicht gekrümmt verläuft. Die nicht symmetrisch im Raum stehende Reihe von drei kreuzförmigen Pfeilern bildet zwei verschieden breite Schiffe mit vier Feldern. Das Südschiff ist etwa 2,5 m, das Nordschiff 3,5 m breit. Der gesamte Raum ist 10,7 m lang, etwa 6,0 m breit und 4,4 m hoch. Die nicht ganz ebenmäßigen Pfeiler mit ungleichen Interkolumnien haben Außenmaße von 0,8–1 m, wobei die Stirnseiten der Kreuzarme etwa 0,5 m breit sind. Auf würfelförmigen Verstärkungen mit schmucklosen Konsolen darauf wölben sich Bögen in Längs- und Querrichtung, wobei die über dem Nordschiff aufgrund der größeren Spannweite in ihrer Form gedrückt sind. Die Wandpfeiler haben die gleiche Form, ausgenommen der Pfeiler an der Westwand, der mit 0,6 m besonders weit in den Raum ragt. In Höhe der Konsolen umläuft ein dreifaches profiliertes Band, gleich hoch wie die Konsolen, die Wände. Hohe rechteckige Nischen – zwei im südlichen und drei im nördlichen Schiff mit kreuzförmigen Lichtöffnungen – gliedern die Westwand. Darüber befinden sich die von Profilbändern eingefassten halbkreisförmigen Öffnungen. Der Hauptzugang zu Bet Mikael führte durch die Rundbogentür im westlichsten Wandfeld, in gleicher Achse mit dem Südeingang von Bet Debra Sina. Ein weiterer Eingang im dritten Feld ist offensichtlich in späterer Zeit hergestellt worden, da er in eine noch teilweise erhaltene Bogenumrahmung mit einem Kreuz darüber einschneidet. Vermutlich ist auch die kleine, nur 2 x
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Abb. 75 Außenseite der Doppelkirche Debre Sina (Berg Sinai) – Mikael Golgotha in Lalibela.
Abb. 76 Fenster erster und zweiter Ordnung von Debre Sina – Mikael Golgotha.
Abb. 77 Reliefdarstellung des hl. Giorgis in einer Blendbogennische der Mikael Golgotha Kirche.
1,3 m große Iyasus- (Jesus) Zelle eine spätere Ergänzung. In den Blendbogennischen an der Ost-, Süd- und Nordwand stehen die überlebensgroßen Relieffiguren von sieben Heiligen: Maria an der Ostwand, Yohannes, Cherkos und Giorgis an der Südwand und Gebre-Kristos, Istefanos und Mikael an der Nordwand. Die flach gehaltenen Figuren, die auf niedrigen, verschiedenen hohen Stufen stehen, sind in strengen und wenig gerundeten Formen skulptiert. Sie sind vom Figurentypus alle gleich und alle in Frontalansicht dargestellt. Mit Ausnahme von Cherkos, der auf dem Kopf eine turbanähnliche Kopfbedeckung trägt,
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Abb. 78 Inneres von Debre Sina – Mikael Golgotha mit dem Flachrelief des hl. Cherkos in einer Blendbogennische.
ist ihr Kopf mit einer Kapuze bedeckt. Die in stilisierten Falten fallenden Gewänder bestehen aus einer langen, bis über die nackten Füße reichenden Toga und einer darüber getragenen Tunika. Die rechte Hand hält ein Stabkreuz, gerade oder schräg vor dem Körper, die linke ein Buch oder eine Schriftrolle. Die Figur des Cherkos ist mit der Umrahmung nur 2,2 m hoch, da sich darüber ein Rundbogenfenster zur Kirche Debra Sina öffnet, die anderen sind, wie die des Giorgis, dessen nicht ausgearbeitete Füße in Klötzen stecken, 3 m hoch. An allen Figuren finden sich Spuren von Bemalung. In die Umrahmungen eingeritzte Schriftzeichen sind vermutlich erst spä-
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ter angebracht worden. Nicht so gut erhalten, was zum Teil durch Steinzerfall verursacht ist, sind die Reliefs an der Ost- und Nordseite. Ein Grab mit dem ausgestreckten Leichnam Christi im Hochrelief, bewacht von zwei Engeln an den Seiten, befindet sich in der Nische im ersten Feld der Nordwand, abgeschlossen mit einem schmiedeeisernen Gitter davor. Ein Relief von Maria ist in das nordöstliche Wandfeld eingemeißelt. Unter einer Steinplatte im Fußboden des dritten, nördlichen Feldes, soll das Grab König Lalibelas liegen. Unbekannt ist, ob sich darunter ein Felsgrab oder möglicherweise eine Krypta befindet. Durch die Ostwand führt eine an beiden Seiten von Wandpfeilern flankierte Rundbogentür in die Kapelle Bet Golgotha-Selassie. Dieser Raum erhält nur wenig Licht durch eine einzige Fensteröffnung in der Südwand. Dort liegen zwei gleiche Fensteröffnungen nebeneinander, eine zu Bet Golgotha-Selassie und die andere zur Iyasus-Zelle. Die Kapelle ist trapezoid im Grundriss, an der Ostseite 6,5 m, an der Westseite 4,5 m breit und an der Nordseite 6 m, an der Südseite 6,8 m lang. Die Seitenwände formen mit der Decke eine hufeisenbogenförmige Wölbung. In der Mittelachse steht im ersten Drittel der Länge ein scharfkantiger quadratischer Pfeiler mit Konsolen an seinen vier Seiten, aber ohne Kapitell. Gurtbogenähnliche Rippen, von gleicher Breite wie der Pfeiler, laufen kreuzförmig nach den vier Seiten. Die nach Osten gerichtete Rippe endet an der hufeisenbogenförmigen Umrahmung in Linie mit der Vorderkante des erhöhten Fußbodens. Der dort um 1,2 m erhöhte Boden ist an der obersten der drei Stufen 5,5 m breit und 2,4 m tief. In der Mittelachse verspringen die Stufen auf die Breite von etwa 1 m um eine Auftrittsbreite nach vorne, und die untersten Stufen sind zum Mittelpfeiler hin mit einer 0,4 m hohen und 1 m breiten Schwelle verbunden, die sich zum Pfeiler hin auf 0,8 m verschmälert.
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Abb. 79 Der hl. Cherkos in der Mikael Golgotha Kirche.
Abb. 80 Westliche Außenwand von Bet Mariam (Haus Mariens) in Lalibela.
In der Mitte der Ostwand befindet sich eine 1,4 m breite, insgesamt 2,7 m hohe und 1,1 m tiefe Nische, die nach innen und hinten kleiner wird. In kleineren Nischen zu beiden Seiten findet sich je eine Figur im Hochrelief. Die Gesichter sind jedoch zerstört und nur der Kreuznimbus in Form eines Kleeblattkreuzes ist noch erkennbar. Beide Figuren tragen lange Gewänder und heben die Hände in Gebetshaltung. Davor stehen auf dem durch drei Stufen erhöhten Teil drei monolithische Altäre mit 0,7 bis 0,9 m Seitenlänge, am Fuß sich leicht verbreiternd, der höhere in der Mitte 1,5 m, die beiden seitlich daneben 1,35 m hoch. Die sorgfältig aus dem gewachsenen Fels gemeißelten Altäre haben oben eine quadratische Eintiefung von nur wenigen Zentimetern und an allen Seiten, ähnlich den hölzernen Tragaltären, eine etwa 0,15 m breite, glatte Umrahmung, die an den Ecken, wie die Füße dieser Altäre, auf dem Boden enden. Im oberen Teil tragen sie in quadratischer Umrahmung ein Kreuzrelief, mit dem senkrechten Balken an die Umrahmung stoßend. Der mittlere Altar ist im Fußteil mit den 0,6–0,7 m hohen anthropomorphen Darstellungen der vier Evangelisten geschmückt. Die Hochreliefs der Figuren mit erhobenen Armen und offenen Händen zeigen an der Westseite einen Engel, Figuren mit Adlerkopf nach Osten, mit Stierkopf nach Süden und mit Löwenkopf nach Norden. Eine Grablege ist in den Boden der niedrigen Kammer eingemeißelt. Mit den Darstellungen der Heiligen sind die Kirchen Bet Mikael und Bet Golgotha-Selassie die einzigen äthiopischen Kirchen mit figürlichen Steinplastiken.
Bet Mariam Bet Mariam, äußerlich schlicht und mit bescheidenen Ausmaßen, ist die von allen am reichsten ausgeschmückte Kirche. Aus dem um die ganze Gruppe von Kirchen umlaufenden offenen Grab-
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gang gelangt man an die Südseite in den trapezförmigen großen Hof, in Ost-West-Richtung etwa 34 m lang, an der Westseite 21 m, an der Ostseite 37 m breit. Die Hofwände sind in der Mitte der Ostseite 11 m, an der Westseite 8–9 m hoch und an der Nord- und Südseite nur zwischen 5 und 7 m, da die Kirche unter bester Ausnützung der vorhandenen Bodenform in der Mitte der Längsachse aus dem Felsrücken gearbeitet worden ist. In der glatten westlichen Hofwand liegt über einem Doppelportal mit Rundbogen die königliche Loge mit zwei Bogenfenstern gegenüber dem Haupteingang der Kirche. Nordseitig flankiert Bet Maskal und südseitig Bet Danagel die Kirche. Ein Tunnelgang in der Ostwand führt zu Bet Medhane Alem. Im östlichen Teil des Hofes sind drei Wasserbecken eingelassen. Das kleinste, mit etwa 1 m im Quadrat, in Form eines Taufbeckens, liegt an der Nordwestecke der Kirche und ist schon stark verwittert. Es ist nicht sehr tief und hat abgesenkte Stufen an allen vier Seiten. Ein weiteres Becken in der Nordostecke, mit einem um eine Stufe erhöhten Rand ist 4 x 4,5 m groß und 3 m tief, mit Eintrittstufen nur an der Westseite. Das dritte, architektonisch bemerkenswerteste Becken an der Ostseite der Kirche ist in einen erhöhten Block gemeißelt, dessen Rand ein Meter über dem Hof liegt. An seiner Nordseite führen sieben über die ganze Breite reichende Stufen an den Beckenrand, mit eingesenkten Stufen an der Ost- und Westseite in das 3,3 x 2,8 m große und 1,5 m tiefe Becken. Die wohlproportionierte, nicht ganz rechtwinklige Kirche vom Typus einer dreischiffigen Emporenbasilika steht auf einem nur wenig erhöhten Sockel. Sie ist 15,65 m lang und 9,20 breit
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Abb. 81 Nordöstliche Außenwand von Bet Mariam
Abb. 82 und Abb. 83 Fensteröffnungen von Bet Mariam
und an der Westseite 9 m, zur Ostseite hin ansteigend 10 m hoch. Als einzige besitzt sie drei mit Portiken geschmückte Eingänge. Die Eingangsvorbauten haben Doppelportale mit Rundbögen über Konsolensteinen und innen in der Mitte einen Pfeiler ohne Basis und Kapitell unter der flachen Decke. Die Seitenwände sind durch Pilaster gegliedert und bis auf Kapitellhöhe geschlossen. Sie haben zwei Bogenfenster nebeneinander, analog zu den Portalen. Der Portikus am Westeingang ist mit Reliefs geschmückt, die aber schon sehr stark verwittert sind. Die äußeren Pfeiler sind mit Löwen, der mittlere ist mit Kreuzen an der Außen- und Innenseite sowie mit einem Würfelkapitell mit Henkelkreuz darüber verziert, die Stirnseiten der Bögen sind profiliert. An der Giebelwand darüber befindet sich ein rechteckiges Relief, das zwei galoppierende Reiter mit Lanzen zeigt. Über den Häuptern der Pferde sind Scheiben, vermutlich die von den Reitern hochgehaltenen Schilde, zu sehen. Den rechten Reiter, der einen Drachen (oder ein Wildschwein) aufspießt, begleiten ein Vogel, ein Löwe und ein Krokodil. Das Relief ist links unten zu sehr verwittert, um auch nur Vermutungen über das Ziel der Lanze des zweiten Reiters anzustellen. Die Portiken an den Seiten sind weitgehend durch Mauerwerk ergänzt; ob auch sie mit Reliefs geschmückt waren, ist ungewiss. Das Bauwerk hat glatte Außenwände, die durch drei umlaufende Gesimse gegliedert sind. Das erste, auf Höhe des Daches über den Portiken wenig vortretend, und das zweite, unter den Fenstern der Giebelseiten, sind flach rechteckig, mit parallelen Nuten. Das dritte, oberste Band ist schmaler und im Querschnitt quadratisch. Die Gesimse an Ost- und Westfassade sind waagerecht, laufen aber an den Längsseiten parallel zu der von West nach Ost um etwa 1 m anstei-
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Abb. 84 Kapitell in Bet Mariam.
genden Traufkante. Den oberen Abschluss bildet das breite prismatische Dachgesims des flach geneigten Satteldaches, dessen Oberfläche ein Kreuz aus erhabenen breiten Bändern ziert. Die Steinkreuze an den Giebeln sind später aufgesetzt. Die Fenster der ersten Ordnung, mit Eckauskragungen und Umrahmungen nach aksumitischer Art, haben Transennen mit verschiedensten Arten von Kreuzen, die an der Frontseite noch profiliert sind. Die obersten Fenster sind alle rechteckig, ohne Transennen und Umrahmung. Lediglich die beiden über dem Westeingang liegenden Fenster wiederholen die Form der Rundbogenportale, mit Rechteck und Bogen über seitliche Konsolen. Die Öffnung mittig darüber hat die Form eines Vierblattkreuzes. Mit Ausnahme der Westseite gibt es an den anderen Seiten weitere Fenster in verschiedener Höhe, von denen die beiden mit Svastika- und Andreaskreuz sowie
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Abb. 85 Wand- und Deckenfresken in Bet Mariam.
die kreuzförmigen Lichtöffnungen an den Längsseiten und die in der Mittelachse der Ostseite vermuten lassen, dass sie später eingemeißelt wurden, da sie ohne Rücksicht auf Gesimse in diese einschneiden oder sie überschneiden. Durch den Portikus an der Westseite gelangt man zunächst in einen fast quadratischen Vorraum mit Mittelpfeiler. Eine Tür in der linken Seite führt in einen kleinen Raum mit dem Aufstieg zu den Emporen. Geradeaus, durch den bogenüberwölbten Durchgang, betritt man im 2,3 m breiten Mittelschiff den drei Felder langen Kirchenraum mit den 2 m breiten Seitenschiffen. Die quadratischen Pfeiler zu beiden Seiten haben 0,5 m Seitenlänge und abgefaste Kanten. Nur die vordersten, dem Eingang am nächsten, stehen auf einer durch eine kleine Abstufung angedeutete Basis. Alle haben Würfelkapitelle und vierseitig auskragende Konsolen mit Bögen
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darüber. Über den Arkaden um das Mittelschiff ziert die Wandflächen ein mehrfach profiliertes Gesims mit einem Aksumfries darüber, in das Emporenfenster integriert sind, die auch die Frieshöhe bestimmen. An den Längsseiten öffnet sich ein Fenster über jedem der drei Bögen und eines an der Westseite. Die zwischen den Fenstern liegenden Flächen des Frieses sind in vier Kassettenflächen unterteilt. Die Tonnenwölbung des Mittelschiffes ist von breiten Gurtbögen in Achse der beiden Pfeilerreihen gegliedert. Über den Seitenschiffen wölben sich Bögen in den Pfeilerachsen zu den Konsolen der Wandpfeiler an den Außenwänden, die keine Basen und Kapitelle haben. Ein Profilband, das an den Wänden waagerecht verläuft, an den Bögen aber deren Form folgt, und ein weiteres Profilband, das darüber den Anschluss der Wand zur flachen Decke betont, schmücken die Seitenschiffe. Auf dem nach Osten leicht ansteigenden Boden stehen die Pfeiler an den beiden Seiten des Mittelschiffes auf einer Schwelle, die nur wenig breiter als die Pfeiler selbst ist. Im letzten Feld vor dem Triumphbogen zum Allerheiligsten ist der Boden um eine weitere Stufe erhöht. Dort steht genau in der Längsachse, in einer Linie mit den östlichen Pfeilern des Mittelschiffes, ein quadratischer Pfeiler ohne Basis, oben vierseitig mit Konsolen an die Tonnenwölbung stoßend. Dieser konstruktiv nicht notwendige, in ganzer Höhe mit Tuch verhüllte Pfeiler ist einzigartig und gilt als Objekt der Verehrung. Nach einer Vision König Lalibelas hat Christus mit seiner Hand diesen Pfeiler berührt, weshalb er vor allen Blicken verhüllt ist und auch als Symbol der Glaubenseinheit gilt. Er wird auch „And-Pfeiler“ genannt, nach dem amharischen Wort für eins = „and“. Das quadratische Allerheiligste ist etwas aus der Achse nach Süden versetzt. Über den durch Gesimsbänder gegliederten Wänden wölbt sich die Halbkugel der bis 6,6 m hohen Decke. Die vier übereinander liegenden Fenster haben tiefe Leibungen. Von den Pastophorien zu beiden Seiten führen nach aksumitischer Art umrahmte Türen in die
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Abb. 86 (links) Decken- und Bogenleibungsfresken in Bet Mariam. Abb. 87 (rechts) Wandfresko in Bet Mariam, Mariä Heimsuchung.
Abb. 88 Die Kirche Medhane Alem (Erlöserkirche) mit renovierten Säulen, die größte der Felskirchen Lalibelas.
Seitenschiffe. Die Außenwände des Pastophoriums sind an der Nordostecke mit mehreren Nischen versehen. Die Emporenräume über den Seitenschiffen, nur für Geübte über Trittlöcher vom Erdgeschoss zu erklimmen, sind nur etwa 1,4 m hoch und nicht als vollwertige Geschosse nutzbar; nur der in Gebäudeachse über dem Westeingang liegende Raum hat mit 2,2 m normale Höhe. Größtes Augenmerk wurde der Ausschmückung geschenkt. Besondere Bauglieder, Pfeiler, Kapitelle, Konsolen, Bogenleibungen und Stirnseiten am Mittelschiff sind reliefiert und farbig behandelt. Nahezu alle Innenflächen der Wände und Decken sind reich mit ornamentalen oder figürlichen Malereien geschmückt. Besonders beachtenswert sind die beiden erhabenen Reliefs in Kreuzform am ersten und zweiten Pfeiler rechts im Mittelschiff. Die Würfelkapitelle haben geschwungen abgefaste Kanten und sind wie die Konsolen reich geschmückt. Leibungen und Stirnseiten der Bögen zieren großflächig Mäanderformen, vegetabiler Schmuck oder Flechtwerkornamente, die Scheitel der Bögen sind durch Kreuz-, Davidstern- oder Rosettenmotive besonders betont.
Bet Medhane Alem Diese in ihrer strikten Konzeption und sorgfältigen Ausführung beeindruckende Felskirche ist die größte aller mittelalterlichen Kirchen Äthiopiens. Ein schmaler Tunnelgang führt hinunter in den fast quadratischen Hof von 45 m Länge in Ost-West- und 43 m Breite in Nord-Süd-Richtung, dessen Wände von 15 m Höhe im Osten bis
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auf 10 m im Westen abfallen. Ein weiterer Gang in der Mitte der westlichen Hofseite führt zur benachbarten Kirche Bet Mariam. An der tiefsten Stelle in der Südwestecke ist der Hof mit dem die ganze erste Gruppe von Kirchen umlaufenden, breiten Gang verbunden, in den auch das Regenwasser abgeleitet wird. An der Ostseite der Kirche, nahe der Nordostecke, ist ein etwa 1,5 x 1,5 m großes Wasserbecken mit umlaufendem, um eine Stufe über die Hoffläche erhöhtem Rand, das an der Seite zur Kirche eine halbkreisförmige Trittstufe hat. Die 33,7 m lange, 23,7 m breite und 9,6–11,5 m hohe Kirche steht auf einem bis zu 1,30 m hohen, durchschnittlich bis 3,20 m vorspringenden Sockel. Wie ein Ringhallentempel hat das Gebäude rundum 34 Pfeiler, neun an den Längsseiten und sechs an den Stirnseiten. Die Pfeiler an den Seiten sind rechteckig mit einer mittleren Abmessung von 1 x 0,7 m, die an den Ecken quadratisch, 0,7 x 0,7 m. Sie sind alle schmucklos und ohne Basis, am Fuß breiter werdend, und stoßen oben stumpf an die Attika des vorspringenden Daches. Etwa in dreiviertel der Höhe sind die Eckpfeiler durch quadratische Blöcke, die ein Kreuzrelief tragen, mit den nächsten Pfeilern der anschließenden Gebäudeseiten zu einer Dreiergruppe verbunden. Die hohe, mit einem Bogenrelief geschmückte Attika folgt der Form des flach geneigten Satteldaches. Die zurückgesetzten, glatten Fassaden der Kirche haben eine Länge von 31,6 m und eine Breite von 21,4 m und sind von zwei umlaufenden Gesimsbändern gegliedert. Das untere ist nur wenig vortretend und liegt über den Fenstern erster Ordnung, etwas unter den Konsolen der Pfeiler im Inneren. Das breitere Gesims über den Fenstern zweiter Ordnung tritt, den Bogenansatz der Mittelschiffwölbung im Kircheninneren anzeigend, durch einen quadratischen Stab in der Mitte stärker hervor. An den Giebelseiten folgt es der ansteigenden Attika. Mittig in jedem Pfeilerfeld befin-
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Abb. 89 und Abb. 90 Details der Kirche Medhane Alem in Lalibela.
Abb. 91 Innenraum von Medhane Alem.
den sich Fenster in zwei Ordnungen, nur das Mittelfeld an der Ostseite hat zwei Fenster zweiter Ordnung und darüber ein rechteckiges Fenster der ersten Ordnung an der Westseite umlaufend profiliert, die an den anderen Seiten haben unten Auskragungen in der Art von Balkenköpfen. Drei Formen von Transennen schmücken die Fenster erster Ordnung. An den Westseiten sind es zwei hohe, nebeneinander liegende rechteckige Öffnungen mit Rundbogen, an den Längsseiten sind es Durchbrechungen in Form eines griechischen Kreuzes; die an der Ostseite sind in der unteren Hälfte geschlossen, mit Kreuzrelief versehen und haben darüber nebeneinander zwei rechteckige Öffnungen mit Hufeisenbögen. Alle Fenster der zweiten Ordnung sind Rundbogenfenster, am Bogenansatz mit seitlichen konsolförmigen Auskragungen und ohne Transennen. Nur eine rechteckige Fensteröffnung, die einzige der dritten Ordnung, befindet sich in der Mittelachse der Ostseite. Gesimsbänder und Fenster sind, in Anpassung an die westöstlich unter Ausnutzung des ursprünglichen Felsniveaus ansteigende Längsseite des Daches ausgeführt. Im Innenraum steigen daher über dem waagerechten Fußboden die Brüstungshöhen der Fenster allmählich zum Allerheiligsten hin an. Das Haupteingangsportal, in Gebäudeachse an der Westseite mit zwei Stufen davor, ist 1,1 x 2,4 m groß. Die schlichte äußere Umrahmung ist in der Wandfläche zurückgesetzt, ohne Balkenköpfe außen, jedoch an der Innenseite. Die Rundbogentüren im dritten Feld an der Nordund Südseite entsprechen der Fensterform der zweiten Ordnung. Der Nordeingang hat außen und innen eine Umrahmung mit Balkenköpfen, der Südeingang nur innen. Das flach geneigte Satteldach wird umlaufend, an der Traufe und am First, von einem erhöhten, breiten Band eingefasst und ist in der Fläche mit dem Relief ähnlich einer Rundbogenhalle mit acht Feldern verziert. Die senkrecht zur Traufe verlaufenden Rippen sind oben konsolartig verbreitert und darüber zum First hin mit Bögen verbunden. Die breiten, profilierten Rippen korrespondieren genau mit der Lage der Pfeiler an den Gebäudelängsseiten. Sie enden vor dem erhöhten Band an der Traufkante, eine Regenrinne bildend. An den am tiefsten liegenden Ecken der Westseite haben sich vermutlich Wasserspeier befunden, die aber durch die starke Verwitterung an der Nordwestecke, dem Westrand des Daches und der Südwestecke bis zur Mitte der Südseite, zerstört worden sind. Der Grundriss ist in der Breite in fünf, in der Länge in acht gleich breite Felder geteilt. Die am Haupteingang im ersten Feld mittig liegende Vorhalle ist drei Felder breit. Die Wände zwischen den Pfeilern zum Kirchenraum reichen bis an die Oberkante der Konsolen, die Bögen darüber sind offen. Eine Tür in der Nordwand führt in den quadratischen, nur ein Feld großen Raum an der Nordwestecke mit einer Treppe in eine niedrige Aushöhlung darüber. Der fast quadratische Innenraum wird von vier Reihen scharfkantiger Pfeiler, die auf gleicher Achse wie die Pfeiler des äußeren Umgangs angeordnet sind, in fünf gleich breite Schiffe unterteilt. Das Mittelschiff ist durch ein Tonnengewölbe erhöht, die Seitenschiffe haben flache Decken. Über den Pfeilern ohne Basis, oben mit Konsolen nach allen Seiten, wölben sich Bögen in Längs- und Querrichtung, die an den Außenwänden auf Pilastern, die mit Blendbögen verbunden sind, enden. Die Stirnseiten der Bögen haben profilierte Einfassungen, ebenso wie die Übergänge von den Wänden zu den Flachdecken, beziehungsweise die Zwischenwände am oberen Abschluss. Der Fußboden im letzten Feld vor dem Triumphbogen ist um eine Stufe erhöht und der Boden des Allerheiligsten und der Pastophorien liegt noch um eine Stufe höher. Das Allerheiligste ist drei Felder breit und zwei Felder tief und hat wie das Mittelschiff der Kirche ein tonnengewölbtes Mittelfeld mit je einem Pfeiler an beiden Seiten. Verbindungstüren führen zu den auf gleicher Höhe liegenden Pastophorien links und rechts, die auch Türen zu den außen lie-
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Abb. 92 Wasserbecken vor der Medhane Alem Kirche in Lalibela.
genden Seitenschiffen haben, alle nach aksumitischer Art ausgeführt. Die das Allerheiligste und die Nebenräume umschließenden Wände reichen bis zur Höhe der Oberkante der Konsolen und lassen durch ihre geringere Stärke die Pfeiler pilasterartig hervortreten. Links des Triumphbogens, vor der Wand zum Allerheiligsten, sind parallel nebeneinander drei rechteckige Grablegen mit unterschiedlichen Abmessungen in den Boden gemeißelt, die an den Rändern Ausnehmungen für die nicht mehr vorhandenen Decksteine haben. Durch das Fehlen von jeglichem Zierrat kommt die Architektur der Kirche ganz besonders eindrucksvoll zur Wirkung.
Die Kirchen der östlichen Gruppe Die Kirchen der östlichen Gruppe, auch „zweite Gruppe“ genannt, liegen am südöstlichen Rand von zwei Felshügeln, von einem tiefen, breiten Graben umschlossen. In dieser Gruppe frei aneinander gereihter Anlagen gibt es nur zwei Kirchen, die einen für Sakralbauten charakteristischen Grundriss aufweisen. Die übrigen haben vermutlich ursprünglich profanen Zwecken gedient und sind erst später zu Kirchen geweiht worden.
Bet Gabriel-Raphael Die Kirche Bet Gabriel-Raphael ist die westlichste dieser Gruppe und liegt in einer nach Süden abfallenden Felsstufe, nach Westen von einem rechtwinklig dazu ausgeschachteten Graben mit senkrechter Wand begrenzt. Zwei Wege verschaffen Zugang zu Bet Gabriel-Raphael. Der eine von Osten beginnt nahe Bethlehem, an dem schmalen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Gang, der die einzelnen Anlagen und Kirchen der ganzen Gruppe erschließt. Von dort führt ein stark ausgetretener Treppenabgang durch eine Tür mit vier Stufen dahinter in einen Tunnelgang, der am anderen Ende eine Lichtöffnung zum Hof vor der Kirche hat und von dem nach rechts, weiter abfallend, ein gekrümmter Gang abzweigt, der in die 21 m lange und 6 m breite Galerie an der Nordseite des dreieckigen Hofes vor Bet Gabriel-Raphael mündet. Ihre bergseitige Wand ist frei geformt, die gerade Südseite hat zum Hof vor der Kirche 2 bis 2,2 m breite Öffnungen zwischen den Pfeilern. Die zum Steg an den Haupteingang, über den tiefen Hof, ist hingegen breiter. Der zweite Weg führt von Westen über einen schmalen Steg in die lange Galerie. Vor der nach Nordwesten gerichteten Fassade von Bet Gabriel-Raphael liegt der dreieckige, sehr tiefe Hof mit der Galerie des Zugangs im Norden und der etwa 3 m dicken Begrenzungswand im Westen. Diese Wand steigt schräg nach Süden bis auf die Höhe des Daches der Kirche an. An ihrer Innenseite führt ein steiler Abstieg unter dem Steg zum Westeingang der Galerie hindurch auf die Sohle des 10 m tiefer liegenden Hofes, unter dem sich eine Regenwasserzisterne mit zwei Einläufen befindet (Abb. 93). Durch einen Einstieg in die Südwestecke gelangt man über einige in den Fels geschlagene Stufen in die etwa 10 m lange, 8 m breite und 4 m hohe Zisterne mit einem mächtigen Pfeiler in der Mitte. Die monumentale Hauptfassade von Bet Gabriel-Raphael ist 30 m lang, die kurze Ostfassade im rechten Winkel dazu jedoch nur knapp 6 m. Nach Westen trennt ein schmaler, 1m breiter und 6 m langer Einschnitt den Baukörper von dem dort bis zur Dachhöhe ansteigenden Fels. Das Regenwasser der flachen Dachebene leiten zwei Wasserspeier in den Hof und zur Zisterne.
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Abb. 93 Mächtige Fassade der vielleicht urspünglichen Herrscherresidenz in Lalibela, die später in eine Kirche zu Ehren der Erzengel Gabriel und Rafael umgewandelt wurde. Im Hof Zisternen.
Basis, oben mit angeformten prismatischen Konsolen. Diese unregelmäßige Pfeileranordnung zeigt sich auch an der 3,8 m hohen Decke, die von 0,5 m hohen Architraven in vier annähernd rechteckige Felder, ein trapezförmiges und ein dreieckiges, unterteilt ist. Gegenüber dem Haupteingang führt, um zwei Stufen erhöht, eine Tür in den an der Südostseite liegenden, sich in nordwestlicher Richtung erstreckenden, langen Hof. Eigenartigerweise liegt die Durchgangsrichtung nicht senkrecht zur Längsachse des Raumes, sondern um 40° aus der Geraden, gegen den Uhrzeigersinn verdreht. Der einzige Wandschmuck in Bet Gabriel sind drei lateinische Kreuze, auf einer Seite des Pfeilers links vom Eingang, unregelmäßig tief eingemeißelt, das mittlere 0,9 m groß, die beiden seitlich links und rechts daneben etwas kleiner, mit etwa 0,12 m breiten Balken. Im Boden des Raumes befinden ich sechs Gruben. Eine Tür in der Nordostwand führt in einen kleinen, um zwei Stufen tiefer liegenden rechteckigen Raum von 4 x 3 m mit ebener Decke, an der östlichen Außenecke, mit Fenstern zum Hof nach Norden und Osten. Durch einen 1,6 m breiten Durchgang mit tiefer Leibung schließt nach Süden ein 2,4 x 3,5 m großer Raum an, dessen drei Fenster in den langen Innenhof gerichtet sind. Sie haben Öffnungen in Form von zwei übereinander liegenden griechischen Kreuzen, oben mit Rundbogen und einer kleinen Spitze, so wie alle Fenster von Bet Gabriel-Raphael.
Bet Raphael
Acht breite Wandpfeiler mit vorgesetzten etwa 0,1–0,2 m vorspringenden Lisenen, die nach unten leicht breiter werden, teilen die oben von einem prismatischem Gesims abgeschlossene Fassade in sieben Felder. Die rechteckigen, tiefen Rundbogennischen dazwischen geben der Fassade ihr besonders monumentales Aussehen. Die Rundbögen, die im Scheitelpunkt eine kleine kielbogenähnliche Spitze haben, ruhen 15 m über der Hofebene auf 0,2–0,3 m vorkragenden rechteckigen Konsolen. Im dritten Feld und im fünften bis achten Feld sind vor der Fassade zwei hohe Podeste belassen, das erste, am Zugangssteg von der Galerie, mit Stufen zum Eingang von Bet Gabriel ist im Grundriss trapezoid, 6 m breit, links 3,6 m und rechts 3 m vorspringend und 10,3 m über dem Hof. Das zweite, an der Oberfläche ebenflächige Podest ist als Vorplatz vor Bet Raphael an der Vorderkante etwa 9 m lang und springt 3,6 m vor. Die Fenster wiederholen die Form der Bogennischen mit der rechteckigen Öffnung unten und dem Kielbogen auf quadratischen Konsolen darüber. Die ersten vier Fenster links und rechts des Eingangs liegen in einer Höhe, das letzte neben der Tür auf dem Podest etwas tiefer. Die Haupteingangstür zu Bet Gabriel-Raphael ist nach aksumitischer Art umrahmt, die zweite Tür, die von Bet Raphael auf das über dem Hof liegende Podest führt, ist eine Kielbogentür in der Form der Fenster und hat eine erhöhte Türschwelle, die zur Wasserableitung mit einem Einschnitt bis auf Bodenhöhe versehen ist. Die verhältnismäßig kleinen Innenräume sind ohne traditionelle Raumaufteilung und von unregelmäßigem Zuschnitt. Sie liegen in Südwest-Nordost-Richtung. Der Hauptraum von Bet Gabriel, den man als ersten betritt, hat trapezoide Form von 11,2 m Länge, bis 7,4 m Breite, mit zwei viereckigen, aber nicht rechtwinkligen Pfeilern von etwa 1 m Seitenlänge. In Längsrichtung stehen sie zusammen mit den Wandpfeilern an den Schmalseiten in einer gekrümmten Linie. Während sich der westliche Wandpfeiler in Wandmitte befindet, ist der an der nördlichen Wand um 45° verdreht und in die Südostecke verschoben. Die Wandpfeiler an der Außenwand stehen nicht auf gleicher Linie mit den Pilastern der Fassade. Sie sind alle ohne
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Abb. 94 Die einzelnen Kirchen Lalibelas sind großteils durch in den Felsen geschlagene Gänge miteinander verbunden.
Bet Raphael ist nur durch Bet Gabriel zu erreichen. Der im Grundriss unregelmäßige, schiefwinklige Raum ist an der Hauptfassade 10,8 m lang und hat eine größte Breite von 9 m. Von der Wand mit der Eingangstür verschmälert sich der Raum bis an die gekrümmte westliche Schmalseite. Durch Pfeiler ist er unregelmäßig gegliedert. Ein Pfeiler hat an zwei Seiten sitzbankartige Erhöhungen. Die beiden Fenster neben der Tür zum Podest im Hof davor haben verschiedene Brüstungshöhen. Die Kirche der Erzengel Gabriel-Raphael ist eine der ungewöhnlichsten Anlagen unter den Felskirchen Lalibelas. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Räume aufgrund ihrer unregelmäßigen Grundrissform, der fehlende Ost-West-Orientierung und der fehlenden Nebenräume und Ausschmückung ursprünglich nicht als Sakralbau geschaffen worden sind, stellt sich die Frage, welche Absicht die Erbauer dazu führte, den Zugang über einen schmalen Steg aus einigen Baumstämmen über den tiefsten Hof zu führen. Warum endet der im Süden liegende, lange Hof mit einem kleinen Raum, dessen nach Osten gerichtete Tür in der Wand zum Grabeingang bei Bethlehem 5 m über der Grabensohle liegt? Welche Gründe gab es dafür, den Hof vor der Hauptfassade 10 m tief auszuschachten und abgewinkelt um die Nordostecke zu führen und damit, ohne Zisterne, alleine schon etwa 2.200 m3 Fels zu bewegen? Warum sind hinter der monumentalen Hauptfassade mit ihren regelmäßig angeordneten Pilastern und Nischen, die kein ähnliches herkömmlich gebautes Vorbild hat, die Innenräume in so unregelmäßiger Form und mit Pfeilern ohne erkennbares System ausgeführt? Ist die fehlende Übereinstimmung von Fassade und Innenräumen durch Änderungen während der Ausführung verursacht worden? War ein Wechsel der Ausführenden der Grund dazu?
Bet Merkurios
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schräg nach vorne fällt. Zwischen mächtigen Pfeilern von 1,2 x 2 m, mit ihrer Schmalseite zur Terrasse gerichtet, haben die Arkaden zwei Öffnungen. Vor beiden Arkaden verläuft eine 0,7 m breite Stufe, und die Fläche zwischen den Pfeilern ist um eine weitere Stufe erhöht. Ein Bogenfeld der nördlichen Arkade ist noch ganz erhalten, vom zweiten sind an den Pfeilern nur noch die Bogenansätze zu sehen, während an der südlichen nur noch die Pfeilerstümpfe erkennbar sind. Entlang der westlichen Langseite des 1 m hohen Podiums sind in regelmäßigem Abstand zylindrische Löcher eingebohrt, möglicherweise für eine Balustrade oder ein Geländer. Ein weiteres Loch gibt es in der Mitte des Podiums. Die in nordöstlicher Richtung im Fels liegende Halle ist 13 m tief, 20 m breit und 5 m hoch. Drei Pfeilerreihen, die erste als äußere Begrenzung, deren Interkolumnien heute ausgemauert sind, und zwei Reihen innen gliedern den Raum in der Tiefe in drei Felder und in fünf Felder in der Breite. Die Seitenwände verlaufen in freier Form gekrümmt. Die viereckigen, nicht rechtwinkligen Pfeiler, mit Seitenlängen von 1,2 bis 2,4 m, stehen nur annähernd in einer Linie, und ihre Seiten sind nicht fluchtend ausgerichtet; ohne Basis und ohne Kapitell stoßen sie stumpf an die flache Decke. Ein Zugang führt an der Außenseite der nördlichen Arkade in das erste Feld und über vier unregelmäßige, breite, gekrümmte Stufen in die um einen Meter höher liegende Pfeilerhalle. Diesen Stufen gegenüber gibt es vor einem Wandpfeiler eine Bodenluke zu einem unterirdischen Gang, der Bet Merkurios mit Bet Emanuel in der einen und Bethlehem in der anderen Richtung verbindet. Durch Kielbogenöffnungen zugänglich, schließen nach Nordosten drei kleine, um eine Stufe erhöhte Räume in die Pfeilerhalle an. Im mittleren Raum befindet sich das Allerheiligste, das auch durch Kielbogenöffnungen mit den kleineren seitlichen Räumen verbunden ist. Eine Tür an der Nordostseite des Allerheiligsten, führt in eine Art Loggia mit Sitzstufe, die eine 3 m breite Bogenöffnung zum Hof von Bet Emanuel hat. Den Bohrungen in der Bogenleibung nach könnte dort ein Sichtgitter gewesen sein. Durch eine Bodenluke im nördlichen Nebenraum gelangt man über einen Treppengang in den Hof der Emanuelkirche gegenüber dem Südeingang. An der Nordwestseite von Bet Merkurios liegt auf dem niedrigen Niveau eine Reihe von Räumen – besser als Aushöhlungen bezeichnet – mit türgroßen Öffnungen verbunden. Im nordöstlichen gibt es ein Fenster in den Hof von Bet Emanuel und über eine Treppe auch einen Abgang in die Südwestecke des Hofes. Im Südwesten dieser peripheren Räume liegt ein Treppenaufgang auf das natürliche Felsdach.
Abba Libanos Zwar ist Bet Merkurios in einer Chronik über König Lalibela aus dem 15. Jh. als Kirche genannt und auch in der Beschreibung von F. Alvarez als Kirche aufgeführt, doch fehlen auch hier alle Merkmale einer Kirche. Ohne besondere Front und ohne Eingangsportal außen, sind die Räume nicht Ost-West-orientiert. Sie liegen innerhalb der im spitzen Winkel aufeinander zulaufenden Südwand des Hofes von Bet Emanuel und der in nordöstlicher Richtung verlaufenden Felswand zum Umfassungsgraben. Die Anlage besteht aus mehreren Räumen, die um einen offenen Hof gruppiert sind und auf zwei Ebenen um einen Meter in der Höhe versetzt liegen. Zu der in nordöstlicher Richtung ganz im Fels liegenden Raumgruppe gehört auch das mit seiner Längsseite anliegende, 10 m lange und 5,4 m breite Podium im Hof davor. Es wird an beiden Schmalseiten von Arkaden begrenzt, deren oberer Abschluss dem anstehenden Fels folgend
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Abb. 95 Madonna mit Kind und zwei Erzengel auf einer Kirchentür in Lalibela.
Abba Libanos ist am Fuß einer über 20 m hohen, nach Süden gerichteten Felsstufe aus dem Berg gemeißelt, so dass nur die Südfassade nach außen zu sehen ist, während die drei anderen den im Berg liegenden Umgang zugewandt sind. Der mit Mauern abgeschlossene Umgang ist durch Türen zugänglich. In seiner recht unregelmäßig behauenen, bergseitigen Wand befinden sich mehrere als Begräbnisstätten genutzte Aushöhlungen. Die kleine Kirche selbst hat die bescheidenen Ausmaße von 9,5 x 7 m. Ihre Südfassade ist 7,5 m hoch, die Höhe der anderen Seiten variiert, abhängig von der Höhe des Umgangs. Ein verschieden weit vorspringender, abgestufter Sockel ist nur an den drei im Berg liegenden Seiten vorhanden, fehlt aber an der Vorderseite, wo er vermutlich vorhanden war, aber durch Verwitte-
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rung zerstört worden ist. Die Fassaden werden von Pilastern ohne Basis und Kapitell gegliedert; sie sind an den Ecken breiter und umgreifen diese. Zwei über die Pilaster vortretende Gesimsbänder umlaufen den Baukörper (Abb. 96 u. 97). Die Fenster erster Ordnung auf halber Höhe der Fassade haben vorstehende rechtwinklige Umrahmungen nach aksumitischer Art und etwas zurückgesetzte Transennen mit Lichtöffnungen in Kreuzform. Die Fenster an der Nordwestecke, wo im Inneren ein massiver Block belassen worden ist, sind blind. Darüber liegen in zweiter Ordnung Kielbogenfenster ohne Transennen, drei symmetrisch in der Mitte der Längsfassaden und je eines in der Achse der West- und Ostfassade, wobei das an der Ostseite im Allerheiligsten niedriger ist und dicht über dem Fenster erster Ordnung liegt. Die quadratischen Fenster dritter Ordnung liegen unter der Attika, zwischen den Gesimsen. Sie sind blind, ausgenommen das Fenster im Allerheiligsten. Die Türen sind wie die Fenster erster Ordnung umrahmt, nur mit dem Unterschied, dass die senkrechten Türrahmen in die seitlichen Pilaster eingetieft worden sind. Die Oberkanten der Umrahmungen liegen in gleicher Höhe mit denen der Fenster. Eine vorgelegte Treppe, aus Steinquadern gemauert, führt anstelle der ursprünglich in den Fels gemeißelten Stufen an den Südeingang. Vor den beiden anderen Eingängen an der West- und Nordseite befinden sich durch Stufen erhöhte Podeste. Die dreischiffige Kirche ist fünf Felder lang. Der Grundriss ähnelt dem einer Emporenbasilika, die aber aufgrund der geringen Höhe nicht verwirklicht werden konnte. Vom Westeingang gelangt man in den sehr kleinen, nur 1,7 m breiten und 0,7 m tiefen, seitlich geschlossenen Vorraum, dessen Wände zwei Gesimsbänder zieren, eines auf Höhe der Konsolen des Bogens über dem Durchgang zum Mittelschiff, das zweite auf halber Höhe der Konsolen des Bogens über dem Durchgang, der Bogenform folgend. Der Kirchenraum ist durch zwei Pfeiler zu beiden Seiten des Mittelschiffes in drei Felder geteilt, 5,4 m breit und in der Mittelachse nicht ganz 4,5 m lang. Die Seitenschiffe sind verschieden lang, das nördliche ist drei, das südliche vier Felder lang. Architrave auf quadratischen Pfeilern, 0,5 x 0,5 m mit 4 m Höhe, teilen das erhöhte Mittelschiff von den Seitenschiffen. Die Pfeiler mit gering vortretender angeformter Basis haben abgefaste Kanten und darüber ein Würfelkapitell, das an den Ecken in geschwungen konkaver Form abgefast ist, mit Konsolen in der Längsrichtung und zu den Seitenschiffen gerichtet, darüber. Über den Architraven an den Seiten des erhöhten Mittelschiffes verläuft ein Gesims, das an den Schmalseiten über den Bögen am Eingang und den Triumphbogen geführt ist. Darüber liegen an der Nord- und Südseite ein Aksumfries und ein weiteres Gesims, in das die Konsolen der Gurtbögen eingebunden sind, die, gleich breit wie die Pfeiler, das Tonnengewölbe des 6 m hohen Mittelschiffes gliedern. Die flachen Decken der Seitenschiffe werden von Balken unterteilt. Der Boden im letzten Feld des Mittelschiffes vor dem Allerheiligsten ist um zwei Stufen erhöht, und eine Schwelle verbindet die Pfeiler an beiden Seiten. Das Allerheiligste, um eine weitere Stufe erhöht, ist 1,7 m breit, 1,5 m tief und 5,4 m hoch. Der Raum ist etwas aus der Mittelachse nach Norden verschoben, wodurch die Fenster, die außen in der Gebäudeachse liegen, innen nicht in der Wandmitte angeordnet sind. Der Triumphbogen hat eine Öffnungsbreite von 1,4 m. Darüber liegt noch ein kleines quadratisches Fenster aksumitischer Art. Die Seitenwände haben in etwa 4 m Höhe bogenförmige Öffnungen zu den angrenzenden Pastophorien. Fünf Gesimsbänder umlaufen die Wände, das untere über den Türrahmen, das zweite auf Konsolhöhe und ein weiteres parallel darüber, über dem Triumphbogen der Rundung folgend. Zwei weitere Bänder unterteilen die Fläche bis zur flachen Decke. Alle Türen und die Fenster erster Ordnung sind auch innen in aksumitischer Art ausgeführt. Durch die
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Abb. 98 Bet Emanuel imitiert sehr gut die aksumitische Bauweise.
mit der Fassade nicht deckungsgleichen, innen etwas verschobenen Wandpfeiler sind auch äußere und innere Fensterumrahmungen zueinander und einige Öffnungen schiefwinklig. Der östliche Teil der Südfassade und der Sockel haben durch Verwitterung stark gelitten. Risse im gewachsenen Fels durchziehen das Bauwerk. Ausbesserungen der Wände sind mit Quadermauerwerk ausgeführt und dann verputzt worden, was sich aber nicht als dauerhaft erwiesen hat.
Bet Emanuel
Abb. 96 und Abb. 97 (vorhergehende Seiten): Vorderseite der Kirche von Abba Libanos und Rundgang zwischen dem gewachsenen Felsen und der Kirche.
Vom westlich gelegenen Grabengang führt ein Zugang in einen Stichgraben. An dessen Ende gelangt man über Stufen durch eine Tür in einen 14 x 4 m großen, an der Ostseite durch drei Fenster erhellten Raum und wieder über Stufen und eine Tür in den Hof vor das Hauptportal der Kirche. Der genau rechteckige Hof (30 x 24 m) hat senkrechte Wände, die an der Südostecke 13,6 m und an der Nordwestecke 15,7 m hoch sind. Ein zweiter Zugang ist durch eine lange, enge Treppe aus dem höher liegenden Bet Merkurios durch eine Tür in den aus der südlichen Hofwand vorstehenden rechteckigen Block gegenüber dem Südeingang gegeben. Ein dritter
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Zugang, ebenfalls von Bet Merkurios her, führt durch eine Tür in der Südostecke des Hofes. Ein ebenso großer rechteckiger Block wie der mit Tür an der südlichen Hofwand, findet sich an der Nordseite des Hofes. Es ist unklar, wozu er dienen sollte. Der ganze Hof liegt in einem leichten Gefälle nach Südosten und wird dort durch eine Öffnung in der Ecke – heute auch als Zugang benützt – zu dem um 2 m tiefer liegenden Ringgraben entwässert. An der Nordwestecke liegt ein annähernd quadratisches Wasserbecken, etwa 2,5 x 2,5 m, mit eingesenkten, schmalen und stark abgenützten Stufen an den vier Seiten. Der Baukörper ist an der Nord- und Südseite mit fast gleich breitem, an der Westseite mit 8,5 m Abstand aus dem gewachsenen Fels gemeißelt worden. Die ostwestlich gerichtete Kirche ist 17,5 m lang, 11,6 m breit und 11 m hoch und steht erhöht auf einem mit drei Stufen abgetreppten Sockel. Vor den drei Eingängen befinden sich große Podeste. Im Wechsel vor- und zurückspringende Wandpartien, etwa um 20 cm zueinander versetzt, gliedern die Außenwände vertikal. Drei zurückgesetzte und vier vortretende Wandpartien an der West- und Ostseite zeigen die Dreischiffigkeit des Innenraums in der Längsachse, die fünf zurückgesetzten und sechs vortretenden Flächen an der Nord- und Südseite die Lage der Pfeilerreihen in der Querrichtung. Nach dem Vorbild der aksumitischen Holz-Stein-Bauweise betonen die regelmäßig wie Holzbalken angeordneten, zurückgesetzten Bänder die Horizontale. Drei Gesimse unterteilen die gesamte Höhe. Den oberen Abschluss bildet das Dachgesims, das an Ost- und Westfassade der Neigung des Satteldaches folgt. Vermutlich hat dieses Gesims eine Höhe von 60 cm gehabt und darauf eine zurückgesetzte Aufkantung, um das Regenwasser zu den Wasserspeiern zu leiten. Eine Rekonstruktion ist aufgrund der fortgeschrittenen Zerstörung durch Verwitterung nicht mehr möglich. Das Gebäude hat Fenster in drei Ordnungen, genau mittig in den zurückgesetzten Wandflächen, in Ebene der vertieften, schmalen Bänder. Die rechteckigen, hohen Fenster erster Ordnung,
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Abb. 99 Die Decke von Bet Emanuel.
Abb. 100 Inneres von Bet Emanuel.
nach aksumitischer Art, sind die genaue Wiedergabe der Holzkonstruktion bis in alle Einzelheiten, mit Transennen in Form eines Balkenkreuzes versehen. Die Fenster zweiter Ordnung sind Bogenfenster von fast quadratischer Form und einem Halbkreis über seitlich vortretenden Konsolen. Sie haben keine besonders hervorgehobene Umrahmung und keine Transennen. Die Fenster dritter Ordnung haben die gleiche Umrahmung wie die der ersten Ordnung und ebenfalls keine Transennen. Auch die rechteckigen Eingangstüren sind nach aksumitischer Art ausgeführt. Die Kirche ist eine dreischiffige Emporenbasilika. Von Westen kommt man zuerst in den fast quadratischen Vorraum mit flacher Decke, in dem an der linken Seite eine Tür, nach aksumitischer Art, in den Treppenraum mit der Treppe zum Emporengeschoss führt. Geradeaus kommt man durch den offenen, von einem Bogen auf Konsolen überwölbten Durchgang in das 2,9 m breite und drei Felder lange Mittelschiff. Die Pfeiler zu beiden Seiten des erhöhten Mittelschiffes haben 0,9 m Seitenlänge und scharfkantige Ecken. Sie haben am Ansatzpunkt der Arkadenbögen Konsolen nach allen vier Seiten und darüber, am Übergang zur Tonnenwölbung über dem Mittelschiff, eine weitere, zur Mitte gerichtete. Die Konsolen sind schmäler als die Pfeiler, aber gleich breit wie die Bögen der Arkaden, deren Bogenstirn von einem profilierten Band eingefasst ist. Über den Arkaden des Mittelschiffes verläuft ein an den Pfeilern unterbrochener Aksumfries. Darüber liegt ein diesem Fries ähnliches Band mit einem Emporenfenster in der Mitte jeden Feldes und einem Doppelfenster in Gebäudeachse an den beiden Stirnseiten, mit Blendfenstern dazwischen. Das 8,6 m hohe Mittelschiff hat eine flache segmentbogenförmige Wölbung, von zwei Gurtbögen in drei Felder geteilt. Quer über die 2,1 m breiten Seitenschiffe spannen sich Bögen zu Wandpfeilern mit Konsolen an den Außenwänden. Die Leibungen der Bögen an den Seiten des Mittelschiffes und in den Seitenschiffen sind gleich breit mit den Konsolen. Die 6 m hohen Seitenschiffe haben flache Decken. Auf den ebenen Fußböden sind die Pfeiler zu beiden Seiten des Mittelschiffes in Längsrichtung durch eine erhöhte Schwelle, nur wenig breiter als die
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Abb. 101 Die kreuzförmige St.-Georgs-Kirche (Bet Giorgis) in Lalibela.
Pfeiler, verbunden. Diese Erhöhung setzt sich im gesamten letzten Feld vor dem Triumphbogen zum Allerheiligsten fort. Im Fußboden in der Südwestecke, in dem um ein Feld längeren südlichen Seitenschiff, befindet sich eine Einstiegsöffnung mit Stufen zu einem unterirdischen Verbindungsgang zu den Kirchen Bet Merkurios und weiter zu Bethlehem. Der Durchgang zum Allerheiligsten, seitlich durch weit vortretende Pfeiler mit Konsolen versehen, ist mit einem Bogen in gleicher Höhe wie die Bögen zu den Seitenschiffen überwölbt. Der um eine weitere Stufe erhöht liegende, annähernd quadratische Raum, hat eine halbkugelförmige Kuppel mit flachem Reliefkreuz, dessen Balken zur Mitte schmaler werden. Die Türen seitlich zu den Pastophorien und von diesen zu den Kirchenschiffen haben Umrahmungen in aksumitischer Art. Alle Innenwände sind ähnlich durch horizontale Bänder gegliedert, wobei die vortretenden Bänder zwei parallele Nuten haben. Die Fenster der ersten und der zweiten Ordnung sind auch innen nach aksumitischer Art umrahmt. Das Emporengeschoss, über die Treppe neben dem Eingang
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Abb. 102 Bet Giorgis in Lalibela.
erreichbar, ist durch Wände in den Pfeilerachsen unterteilt, die türbreite, in einer Flucht liegende Öffnungen, haben. Die geringe Raumhöhe von nur ca. 1,8 m lässt vermuten, dass dem Geschoss keine große Bedeutung beigemessen wurde. Bet Giorgis Etwas abseits, im Südwesten der beiden Gruppen von Felskirchen, liegt die Kirche Bet Giorgis (Abb. 39), die auf zwei in den Felsen eingeschnittenen Wegen erreicht werden kann. Der eine führt vom Bachbett des Giorgis-Baches im Westen geradewegs auf die Kirche zu. Man tritt am Bach in einen tunnelartigen, ansteigenden Raum, an den ein 16,5 m langer, ansteigender, 8 m tief eingeschnittener, offener Graben anschließt. An seinem oberem Ende mündet rechts der andere Zugang. Geradeaus gelangt man durch einen rechteckigen, 6,0 m langen, 4,0 m breiten und 3,0 hohen Raum mit Sitzstufen an den Wänden über drei Stufen in den Hof vor der Kirche. Neben diesem Raum liegen links eine kleine Zelle und rechts ein größerer, breiter Raum mit Mittelpfeiler und einer Tür in der Ostwand in den Hof, zu dem beide Räume auch Fenster haben. Der andere Weg beginnt an der Geländeoberfläche südöstlich der Kirche und führt in einen abfallend in den Fels eingeschnittenen Graben und an seinem Ende durch einen annähernd runden Raum mit einer Sitzstufe in den quer dazu vom Bach her kommenden Gang. Der Höhenunterschied von der Tür am Bach zum Hof beträgt etwa 3 m. Das Regenwasser vom Hof wird in einer Bodenrinne zum Bach geleitet. Auch die Hoffläche ist zur Westseite stark
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Abb. 103 (oben) Die „Erbauer“ der Felskirchen von Lalibela arbeiteten sich zum Teil vom flachen Felsboden aus in die Tiefe. Abb. 104 (unten) Inneres von Bet Giorgis.
geneigt. Der Hof selbst hat eine unregelmäßig viereckige Form und ist an der Westseite 23 m und an der Ostseite 19 m breit, 23 m an der Nord- und 22 m an der Südseite. Die fast senkrechten Wände sind 12 m hoch. In der Westwand befindet sich außer den Tür- und Fensteröffnungen am Eingang noch die Öffnung einer Grabnische. Auch in den anderen drei Wänden sind Nischen eingemeißelt. Vor den Nischen in den Nordostecke liegt parallel zur Nordwand ein erhöhtes Podest, 4,5 m lang und 2,5 breit, das drei Stufen an der Schmalseite und zwei an der Längsseite hat. Ein quadratisches Wasserbecken mit etwa 2 m Seitenlänge und einer eingesenkten Stufe liegt nahe der Südwestecke. Die Kirche mit einem Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes steht erhöht auf einem hohen, breiten Podium, das oben in drei gleich breiten Stufen abgetreppt ist und vor den drei Eingängen mit verbreiterten Podesten weiter vorspringt und seine größte Höhe an der Eingangsseite im Westen erreicht. Eine breite, siebenstufige Freitreppe, deren Stufen unterschiedliche Höhe haben, endet am Haupteingang mit einem Podest, das 2,2 x 1,5 m misst. So wie das Dach der Kirche an die natürlich vorhandene Felsoberfläche angepasst und mit leichtem Gefälle nach Westen ausgeführt ist, liegt auch der Fassadenfußpunkt und somit die Oberkante des umlaufenden Sockels in leichtem Gefälle. An der Westseite liegt der Fassadenfußpunkt 2 – 2,4 m über der Hoffläche. Die zwölf Fassadenseiten des 12,3 m breiten und 11,7 m hohen Baukörpers sind annähernd gleich. Die Seiten der Kreuzarme sind 5,5 bis 5,6 m, ihre Stirnseiten zwischen 2,95 und 3,35 m lang. Die Außenwände sind glatt und durch vier umlaufende Gesimse gegliedert. Das untere verläuft flach und prismatisch über den Fenstern erster Ordnung. Das zweite ist gleich hoch, von zwei parallel laufende Nuten dreigeteilt, verläuft unter den Fenstern zweiter Ordnung. Das dritte, schmalere, mit fast quadratischem Querschnitt liegt über den Fenstern zweiter Ordnung. Die Fläche darüber bis zum Dachgesims wird vom vierten Band, das dem zweiten gleicht, aber nicht so weit vorragt, in zwei Flächen gleicher Höhe geteilt. Das rechtwinklige Dachgesims ist nur wenig höher. Die Dachfläche mit dem Kreuzeszeichen hat ein geringes Gefälle nach Westen. Das erhabene Kreuz in der Mitte ist dazu parallel von zwei erhabenen Bändern im Wechsel mit flachen, vertieften Flächen gleicher Breite eingefasst, wobei das zweite außenliegende Band gleichzeitig das Abschlussgesims der Fassade bildet. Das Regenwasser wird in den vertieften Flächen gesammelt und über mittig an den Süd-, Nord- und Westseiten liegende Wasserspeier, abgeleitet. Alle Fenster der ersten Ordnung sind Blendfenster und als Schmuckelement angebracht. Sie sind rechteckig und in aksumitischer Art umrahmt. Die Fenster zweiter Ordnung sind Kielbogenfenster mit quadratischen Öffnungen und Kielbögen auf seitlichen Konsolen, umrahmt von parallelen Bändern mit vegetabilem Dekor an den Konsolen und der Spitze, die ein Kreuz tragen. Um die plastische Wirkung der Fenster mit dem Dekor hervorzuheben, ist die umschließende, rechteckige Fläche vertieft. Wie sonst keine andere Kirche Lalibelas hat Bet Giorgis an der Westseite drei gleich große Eingangstüren, den Haupteingang an der Schmalseite und je einen Eingang an den Querarmen. Der Haupteingang wird durch eine vorspringende, massige Portalumrahmung hervorgehoben, die an der Stirnseite durch parallele Nuten in drei Bänder geteilt ist. Die Türöffnungen sind rechteckig nach aksumitischer Art umrahmt, mit einer Schwelle von zwei Stufen. Der kreuzförmige Innenraum misst 10,5 m in Nord-Süd- und 10,2 m in Ost-West-Richtung. In der Vierung vorspringende, 0,8 m breite Pfeiler in Verlängerung der Außenwände haben verschiedene Abstände zueinander, an der Eingangsseite 2,6 m, zu den Querarmen an beiden Seiten 3 m und am Triumphbogen zum Allerheiligsten 1,7 m. Mit den Konsolen sind die Pfeiler 5,6 m hoch. Die darüber gewölbten Bögen sind alle gleich breit. Ihr Durch-
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Abb. 107 (links) Blendfenster (erster Ordnung) in aksumitischer Art und echte Fenster (zweiter Ordnung) von Bet Georgis. Abb. 106 (rechts) Kielbogenfenster von Bet Giorgis, umrahmt von Parallelbändern mit vegetabilem Dekor. Abb. 105 (vorhergehende Seite) Priester vor dem Haupteingang von Bet Giorgis.
messer beträgt 3 m an der Basis, ungeachtet der Abstände zwischen den Pfeilern darunter. Die Wandflächen sind glatt und nur durch Gesimse gegliedert. Das erste ist breit und rechtwinklig, nur wenige Zentimeter vortretend und an den Pfeilern unterbrochen. Es liegt etwa auf gleicher Höhe wie das Gesims außen über den Blendfenstern. Das zweite, in gleicher Höhe mit den Konsolen und gleich hoch wie diese, besteht aus einem breiten, dreigeteilten Band. Das nächste, in geringem Abstand darüber verlaufende Band ist schmaler und zweigeteilt, nach unten abgerundet, mit einem schmaleren, prismatischen Profil oben darüber. Dieses umläuft die Wände und folgt den Bögen als Begrenzung der Bogenstirn. Ein weiteres Band in Form eines Viertelkreises zwischen prismatischen Stäben bildet den Wandabschluss am Übergang zu den Deckenflächen. Profiliert sind auch die Umrahmungen der Fenster und die Konsolen auf den Pfeilern. Die Decken über dem Eingang und den beiden Seitenarmen sind 7,8 m hoch und mit einem Kreuzrelief verziert. Die Decke in der Vierung ist leicht gewölbt, mit 8,4 m etwas höher und ohne besonderen Schmuck. Über dem Allerheiligsten erhebt sich eine Kuppel, an der Basis von einem profilierten Band eingefasst, mit dem flachen Relief eines Kreuzes, dessen Balken sich nach außen verbreitern. Der Boden der Kirche ist im Allerheiligsten um drei Stufen erhöht. Die erste
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Abb. 109 Vorderseite der Kirche Mikael Amba (auf dem Tafelberg) bei Atsbi.
Abb. 108 Die „Erbauer“ von Lalibela meißelten Gänge, Mauern, Höhlen und ganze Kirchengebäude aus dem gewachsenen Felsen.
Stufe liegt vor den Wandpfeilern des Triumphbogens, die zweite Linie mit den Pfeilervorderkanten und die dritte zwischen den Pfeilern. Der Kirchenraum ist ohne jegliche ornamentale und bildliche Ausschmückung. Felskirchen außerhalb Lalibelas Unter den Kirchen Äthiopiens nehmen die Felskirchen eine ganz besondere Stellung ein. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jh. erweckten sie das zunehmende Interesse der Forschung, die durch Veröffentlichungen auch die Außenwelt in Staunen versetzte. Ihr Verteilungsgebiet erstreckt sich von Keren in Eritrea im Norden bis Yirgalem in Sidamo im Süden Äthiopiens und vom Rand des Hochplateaus im Osten, bis in die Region von Bahar-Dar in der Provinz Godschjam im Westen. In größter Dichte liegen sie aber im Norden in der Provinz Tigre, in den Regionen von Tembien, Geralta und Haramat. Weit über hundert dieser einmaligen Kirchen sind heute bekannt. Ihre Entstehungszeit, die bisher nur annähernd geschätzt werden kann, reicht für den Großteil vom 10. bis zum 15. Jh., liegt aber für einige wenige früher, für manche auch später, bis in jüngste Zeit. Die Grundrisse der Kirchen zeigen überwiegend das Schema einer dreischiffigen Basilika, immer in Ost-West-Richtung orientiert, ganz unabhängig von der Himmelsrichtung des Zugangs, und wenn es aufgrund der Lage möglich ist, mit Fenstern nach außen. Das Mittelschiff ist manchmal gegenüber den Seitenschiffen erhöht. Die Raumtiefe beträgt meist zwei bis drei Felder, seltener vier bis fünf. Der Innenraum ist unter Anwendung der verschiedenen Bauelemente der aksumitischen Architektur nach dem Vorbild gemauerter Kirchen aus dem Fels herausgearbeitet. Reich ist die Formenvielfalt von Pfeilern, Kapitellen und Architraven oder von den Bögen darüber. Aksumfries und die verschiedensten Deckenarten, genau nach den aus Holz
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gebauten Vorbildern mit Ecküberkragung oder Kassetten, Tonnengewölbe und Kuppeln sowie Tür- und Fensterrahmungen sind in verschiedensten Formen aus dem Fels gemeißelt, ganz unabhängig von der Art des anstehenden Gesteins. Mikael Amba Die Kirche Mikael Amba liegt auf einem von Mönchen und Priestern bewohnten Tafelberg südlich von Atsbi in der Region Womberta, in 3070 m Höhe. Der Aufstieg führt über Felsbänder und zuletzt über eine hölzerne Leitertreppe (Abb. 109–111). Die nur teilweise aus dem Fels herausgearbeitete Kirche steht etwas mehr als zur Hälfte frei aus dem Fels, der dort, wo er noch einen Teil des Kirchenraumes umschließt, 19,5 m breit und 10 m tief und im schmaleren Bereich der Vorhalle mit den Nebenräumen 11,5 m breit und 5 m tief ist. So sind kurze Teile der Nord- und Südfassade und die ganze Westfassade sichtbar. Das flache Dach, von einer in jüngster Zeit aufgemauerten Attika eingefasst, liegt ungefähr in einer Ebene mit dem Plateau darüber, in das die Kirche hineingebaut ist. Die Fassadenflächen sind glatt und ohne Gesimse oder Umrahmungen an Türen und Fenstern. Einzig der etwa 3 m breite Rükksprung mit dem Haupteingang in der Mitte gliedert die Westfassade. Die Kirche hat drei Eingänge an der Westseite, den Haupteingang in der Mitte mit Vorhalle und je einen Eingang in die Seitenschiffe im Norden und Süden. Die ursprünglich in Raumbreite offene Vorhalle am Haupteingang ist durch eine Bruchsteinmauer mit einer Tür geschlossen worden. Rechteckige, schmukklose Fenster sind hoch liegend über den Türen angeordnet. Die Türen und ihre Umrahmung sind nach aksumitischer Art aus Holz in die Wandöffnungen eingesetzt. Mehrere kleine, quadratische Ausnehmungen in gleicher Höhe über den Eingängen könnten als Auflager für die Balken einer Eingangsüberdachung gedient haben. Durch den Haupteingang kommt man zuerst in eine kleine Vorhalle mit einem funktionslosen Mittelpfeiler. Die flache Decke ist mit einem Kreuzrelief
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verziert. Durch eine weitere Tür gelangt man in den etwa 17,5 m breiten und 13,5 m tiefen fünfschiffigen Kirchenraum, den zwei Pfeilerreihen in drei Felder unterteilen. Die Pfeiler des breiteren und erhöhten Mittelschiffes sind kreuzförmig und haben konsolenförmige Kapitelle, die Pfeiler der Seitenschiffe sind quadratisch mit abgefasten Kanten und haben Würfel- und Stufenkapitelle. Die Außenwände haben Wandpfeiler, von denen die zu beiden Seiten der Bogentür am Haupteingang mit 2,4 m hohen, erhabenen Kreuzen geschmückt sind. Die vier kreuzförmigen Pfeiler in der Mitte sind untereinander im Geviert mit Rundbögen verbunden. Die Decke darüber ist etwa 7,5 m hoch und hat ein großes Kreuzrelief. Gleich hohe Tonnenwölbungen schließen an die Vierung im Mittelschiff nach Norden, Westen und Süden an. Nur die Gewölbefläche des Mittelschiffes ist von einem Flechtbandornament mit Kreuzen bedeckt. Die Decke des Mittelschiffes vor dem Allerheiligsten ist flach und mit vertieft eingemeißelten griechischen Kreuzen verziert. Über den Architraven umläuft ein Aksumfries die Längs- und Stirnseiten der Gewölbe, die an den Seitenwänden an Blendbögen enden. Die Deckenfelder der Seitenschiffe zwischen den Tonnengewölben sind flach und von wuchtigen Architraven eingefasst. Hoch liegende, paarweise angeordnete Fenster über dem Eingang und in der Nord- und Südwand erhellen den Innenraum. Zwei davon sind rechteckig, die anderen haben Rundbögen mit seitlichen Konsolen. Der Triumphbogen wölbt sich über Wandpfeilern, deren Form den Pfeilern des Mittelschiffes angepasst ist. Die beiden Pastophorien haben Türen zur Apsis und den Seitenschiffen. Zwei weitere Räume befinden sich an der Ostseite, einer hinter der Apsis und einer südlich daneben in Verlängerung des Pastophoriums. Auch zu beiden Seiten der Vorhalle liegen zwei Nebenräume, die nur vom Kirchenraum aus zugänglich sind. Die Kirche besitzt eine sehr schöne geschnitzte Altarschranke.
Abb. 110 (links) Mikael Amba bei Atsbi. Abb. 111 (rechts) Detail der Kirche Mikael Barka nahe Atsbi.
Mikael Barka
Abb. 112 Neue Kirchenbauten in Degum nordwestlich von Wukro.
Die Kirche ist etwa 6 km von Atsbi entfernt in eine Felswand eines einzeln stehenden Ambas gemeißelt und von außen nur noch durch den gemauerten kleinen Anbau eines Vorraumes an der Westseite erkennbar. Zwei Türen führen in das Innere, eine in das Mittelschiff, die andere in das rechte Seitenschiff. Die nicht sehr große, ostwestlich orientierte Kirche ist dreischiffig, ohne besonders abgetrenntes Allerheiligstes und Pastophorien. Der Kirchenraum ist etwa 10,5 m breit, 9,5 m tief und 6 m hoch, von zwei Reihen mit je zwei kreuzförmigen Pfeilern an beiden Seiten des Mittelschiffes unterteilt. In Längsrichtung sind die Pfeiler durch Bögen verbunden, in Querrichtung verbindet die ersten beiden Pfeiler ein Architrav über dem Mittelschiff, und Bögen wölben sich über den Seitenschiffen zwischen den Wandpfeilern links und rechts. Bei den hinteren beiden Pfeilern ist es umgekehrt, dort spannt sich ein Bogen über das Mittelschiff und je ein Architrav zwischen den Wandpfeilern links und rechts. Die Pfeiler im Mittelschiff und die Wandpfeiler außen haben am Bogenansatz bzw. am Ansatz der Architrave angeformte Konsolen. Da die Unterkanten der Architrave in Höhe der Bogenscheitel liegen, sind auch die Konsolen an den Pfeilern sehr hoch oben. An den Nord- und Südwänden der Seitenschiffe ist ein flach gehaltener Aksumfries ohne starke Balkenköpfe eingearbeitet, an der Ostwand des Mittelschiffes zwischen den Wandpfeilern ein Blendbogen. Die Deckenflächen sind durch verschiedenartige Reliefs geschmückt. Das zweite und dritte Feld des Mittelschiffes sowie das dritte Feld des rechten Seitenschiffes haben flache Kuppeln, mit einer erhabenen Scheibe in der Mitte, und die beiden östlichen Kuppeln im dritten Feld acht strahlenförmig von der Mitte ausgehende Bänder.
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Die Frontseite des vordersten rechten Pfeilers trägt ein einfaches Relief eines Vortragekreuzes mit verkürzten Querarmen und etwas weniger erhabenen, lappenförmigen Rundungen. Verblasste Spuren von Malereien sind noch an den Wänden zu finden. Selassie/Degum Die Felskirchen im Dorf Degum, 30 km nordwestlich von Wukro, in der Ebene von Hawzien, scheinen die ältesten bisher bekannten ihrer Art zu sein. Ihre oberirdischen Bauten sind aber nicht mehr vorhanden. Allen Anzeichen nach handelt es sich bei diesen historisch und architektonisch hochinteressanten Heiligtümern um Hypogäen, deren Entstehung C. Lepage in der Zeit der Kirche von Lalibela, möglicherweise aber noch früher, vermutet. Die drei Anlagen, die es in Degum gibt, werden mit „A“, „B“ und „C“ bezeichnet und sind alle in Ost-West-Richtung orientiert. Sie werden heute nicht mehr kirchlich genutzt. Die Anlage A liegt etwas außerhalb des Dorfes in einem nur wenig ansteigenden Felsen. Der Vorplatz vor dem Eingang ist horizontal geebnet und in den Boden eingesenkt. An seiner Nordseite sind Gräber und ein Wasserbecken eingelassen. Die in den Fels eingeschnittenen Wände des anschließenden Vorraumes steigen schräg an und erreichen erst an der Ostwand volle Raumhöhe. Paarweise, senkrecht übereinander angeordnete Ankerlöcher in den Wänden und die abgetreppten Auflagerflächen darauf zeigen, dass hier die gemauerten Wände eines Bauwerkes anschlossen. Die aus dem Fels gearbeiteten Teile des Vorraumes lassen ahnen, wie der 3,7 m breite und 2,2 m tiefe Raum ausgesehen haben könnte, von dem noch die Schwelle am Eingang, die Wandpfeiler in der Mitte der Seiten und die vollständige Ostwand mit waagerecht abschließender Oberkante und der rechteckigen Tür in einem auf Türbreite zurückgesetzten Wandfeld zu sehen sind. Der ganz im Fels liegende Hauptraum der weitgehend axialsymmetrischen Anlage ist 3,1 m breit, 3,2 m lang und 3 m hoch. Zwei Wandpfeiler teilen die Seitenwände in drei Felder. Auch die Umrahmung des Triumphbogens ist von vorspringenden Wandpfeilern flankiert und der Bogen auf Stufenkapitelle aufgesetzt. In Linie mit der Umrahmung des Triumphbogens laufen zwei
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Abb. 113 Landschaft nahe Wukro.
Abb. 114 (links) Rundbogen im Inneren von Degum Selassie. Abb. 115 (rechts) Der sogenannte „Thron des Tabot“, ein Holzschrein, in dem der Tabot (heilige Tafel, die vom Bischof geweiht, eine Kirche zum heiligen Raum macht) aufbewahrt wird. Hier in der Kirche Abraha Atsbeha.
Architrave in Längsrichtung an der Decke und Querbalken zu den Wandpfeilern an den Seiten. Die kleinen quadratischen Deckenfelder dazwischen sind nach Art der Holzdecken mit Ecküberkragung ausgeführt. Der etwas tiefer als der Vorraum liegende Fußboden hat vor dem Triumphbogen Löcher, wie sie für die Anordnung von Altarschranken üblich sind. Das Allerheiligste ist fast quadratisch und hat an jeder Seite angrenzend einen Raum, dessen Türen von Blendbögen auf Viertelsäulen mit Stufenkapitellen umrahmt sind. Ein kleines Fenster in der Ostwand gibt Licht. Die Decke schmükkt ein Kreuz wie aus zwei übereinander liegenden gekreuzten Balken. Der um eine kleine Stufe erhöht liegende Fußboden hat vier Löcher vor der Ostwand, vielleicht stand dort ein Tabot. Der kleine, südlich anschließende Raum hat in der Ostwand eine Wandnische mit Bögen und eine nach Art der Ecküberkragungen profilierte Decke. Bemerkenswert ist die sorgfältige Ausführung der Steinmetzarbeiten der ganzen Anlage in ihrer Flächen- und Winkelgenauigkeit. An der Ostseite, direkt vor dem Fenster des Allerheiligsten, liegt eine jetzt nach oben verfallene quadratische Kammer, mit Eingang von Norden durch einen in den Fels eingeschnittenen Zugang. Dicht nebeneinander liegen an der Nordseite der heutigen Dorfkirche von Degum die Anlagen B und C. Die Anlage B hat sehr große Ähnlichkeit mit der oben beschriebenen Anlage A. Die Anlage C ist eine reine Grabanlage. Durch eine Tür an der Nordseite des gemeinsamen großen Vorraumes beider Anlagen betritt man den ersten der beiden hintereinander liegenden Vorräume, der fast ganz von gebauten Wänden umschlossen und überdacht und nur im Sockelbereich in den Fels eingelassen ist. Von hier folgen axialsymmetrisch die weiteren Räume der Grabanlage nach Osten. Der zweite Vorraum, halb im Fels, halb gebaut, ist 3,8 m breit und 2,4 m lang und liegt um zwei Stufen tiefer. Durch die nächste Tür gelangt man in den 2,5 m breiten und 3,4 m langen Hauptraum mit glatten Seitenwänden und einer nach Art von Ecküberkragungen geformten Decke. Die Öffnung an der Stirnseite im Osten hat einen Rundbogen mit profilierter Stirn auf Wandpfeilern mit Stufenkapitellen an beiden Seiten. Ein kleiner Raum
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Jahr seiner Herrschaft 1611/12 zur Residenz gemacht. – Dankas (Dongúez oder Gomnage), 25 km südöstlich von Gondar, wählte er dann im zwölften Jahr seiner Herrschaft (1617/18) zur nächsten Residenz. In die Zeit der Gründung dieser Residenzen fielen die Bemühungen der Jesuitenmissionare (ab 1555), die Äthiopier zum katholischen Glauben zu bekehren. Dabei war der Spanier Pero Paez besonders erfolgreich, der gute Beziehungen zu den Kaisern Za-Dengel und Susenyos pflegte und beide 1604 bzw. 1622, zum Katholizismus bekehrte. Paez war ungemein versiert, ein fähiger Diplomat, ein überzeugender Missionar und auch ein guter Architekt und Baumeister. Die Gründung der Residenzen von Ayba, Qoga und Gorgora fällt in seine Zeit. Nach seinem Tod 1622 wurde Afonso Mendes, ein Portugiese, sein Nachfolger, der mit der Entwicklung von Dankas und dem Bau der großen Kirche befasst war. Seine geringe Bereitschaft, auf äthiopische Gepflogenheiten im Glauben und Brauchtum einzugehen, führte zu Spannungen, ganz besonders mit dem orthodoxen Klerus und schließlich dazu, dass Susenyos zu Gunsten seines Sohnes Fasilidas auf den Thron verzichtete. Die über Portugiesisch Goa ins Land gekommenen Jesuiten brachten indische Diener, Handwerker und Bauleute mit ins Land, was in Anbetracht der schon lange bestehenden Beziehungen Äthiopiens zu Indien keine Besonderheit war, doch für die Entwicklung der Architektur in Äthiopien waren sie sehr wichtig. Welchen Anteil die indischen Handwerker gehabt haben, ist in der Chronik von Susenyos anerkennend verzeichnet, die Gebre Kristos als Baumeister und einen Banyan (Inder) mit dem Namen Abd al-Karim als Vorarbeiter der Steinmetze und Mörtelmischer zusammen mit dem Ägypter Sadiqa Nesrani nennt. Unterstützt wurde Gebre Kristos auch von Handwerkern aus Ägypten und „Rom“, dem äthiopischen Begriff für Ost-Rom bzw. Konstantinopel. dahinter ist 1,6 m breit und nur 1 m lang, sein Boden ist erhöht, und eine Steinplatte überdeckt einen Schacht in den Zugang zu einer Grabkammer darunter. Im Hauptraum befinden sich mittig im Boden vor der Bogenöffnung ein ebenfalls mit Steinplatten abgedeckter, schmaler Treppenabgang, der über sechs Stufen nach unten in die eigentliche Gruft führt. Die durch eine kleine Öffnung zugängliche, 1,6 m hohe etwa 2,4 m im Quadrat große Kammer hat in den Wänden an deren Süd-, Nord- und Ostseite eingearbeitete Grabnischen. Das etwa über der nördlichen Grabnische liegende runde Taufbecken mit 1 m Durchmesser und einer ins Becken führenden breiten Treppe ist im aksumitischen Bereich bisher nur aus Yeha und Matara, häufiger aber aus Nubien (z.B. aus Dongola) bekannt.
Frühe Residenzorte am Tanasee Bevor Kaiser Fasilides im 17. Jh. Gondar zu seiner Residenz machte, gab es um den Tanasee sechs kaiserliche Residenzen: – Guzera, auch als Emfraz bekannt, auf einer Anhöhe am Ostufer des Sees gelegen, wurde 1571 Residenz von Kaiser Sarsa Dengel (1553–97). – Ayba hat Kaiser Sarsa Dengel dann einige Jahre später, 1591, zu seinem Sitz und Feldlager gewählt. – Wandege, im Südwesten des Tanasees, wurde 1604 Residenz von Kaiser Za Dengel (1603/04). – Qoga, südlich von Guzera/Emfraz, ist zum Residenzort von Kaiser Yakob gewählt, danach auch von Kaiser Susenyos (1607–32) genützt worden. – Gorgora (das heutige Alt-Gorgora) am Nordufer des Sees, hat Kaiser Susenyos im sechsten
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Abb. 116 Ruinen der von Kaiser Susenyos (1607-32) errichteten Residenz in Alt-Gorgora am Nordufer des Tanasees.
Das Schloss Guzera Auf einem Hügel mit guter Sicht auf den nahen Tanasee im Westen, etwa 65 km südöstlich von Gondar entfernt, steht die Ruine des Schlosses Guzera, das für Kaiser Sarsa Dengel im Jahr 1571 erbaut worden ist. Das Schloss war von einer Mauer mit großen Toren umgeben, die – wie auch die umliegenden Nebengebäude – heute verfallen sind. Auch das den Hügel beherrschende Gebäude des beeindruckenden Schlosses ist dem gänzlichen Verfall nahe. Die Südfassade und der hohe, an dieser Seite das Gebäude einst überragende Turm liegen in Schutt, und nur noch wenige Teile der Ruine geben eine Vorstellung des einstigen Aussehens. Der rechteckige zweigeschossige Baukörper hat die Grundfläche von 18 x 12 m und an den Ecken der Nordostfassade zwei sich nach oben verjüngende Rundtürme von 4,5 m Durchmesser und 12 m Höhe mit Kuppeldächern, so wie eines am Nordturm noch erhalten ist. Der quadratische Hauptturm in der Südecke war vermutlich nicht höher als 15 m. Die Außenwände sind aus sichtbar belassenem Bruchsteinmauerwerk und in Höhe der etwa 5 m hohen Geschosse mit Gesimsen versehen. Eine mit Zinnen besetzte Brüstungsmauer umschloss die Dachterrassen des Schlosses und sicher auch die des Hauptturmes. Die Türen und Fenster haben alle Rundbögen, aus behauenen Steinen unterschiedlicher Länge und auf Kämpfersteinen mit zwei parallelen, vortretenden Profilen an Stirn- und Leibungsseite gemauert. Die Türen im Erdgeschoss führen direkt ins Freie, im Obergeschoss zeigen Balkenlöcher mit Holzresten, dass sich an allen Seiten Balkone befunden haben. Eine breite Außentreppe führt an der Nordwestseite in das Obergeschoss. Das Erdgeschoss hatte fünf Räume, davon einen etwa
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5 x 10 m großen und vier kleinere. Auch alle Innentüren waren Bogentüren und in gleicher Art wie die Außentüren mit sichtbarem Bogenmauerwerk und profilierten Kämpfersteinen gemauert. Die Innenflächen der Wände waren glatt verputzt und besaßen Wandnischen. Gorgora Das alte Gorgora mit den Ruinen des Schlosses von Kaiser Susenyos und der portugiesischen Kathedrale liegt westlich des heutigen Ortes Gorgora auf dem Rücken einer weit in den See reichenden Halbinsel. Als der Kaiser den Ort für seine erste Residenz auswählte, wurde hier, dicht an den Palast angrenzend, nach den Plänen und unter Leitung von Pero Paez von den Portugiesen eine Kathedrale gebaut. Der Palast ist stark verfallen, und nur wenige Mauerreste der Ruine, die 1996 einstürzte, lassen noch seine Größe erahnen. Eine fensterlose Wand zwischen Palast und Kirche steht noch. Sie hat innen eine Treppe für den Kaiser gehabt, wahrscheinlich als Verbindung vom Palast zur Empore der Kirche. Die Kathedrale Mariam Gemb mit langem, rechteckigen Grundriss war 22 m lang und 11 m breit. Neben dem Chor lagen eine kleine Kapelle oder Sakristei und der Kreuzgang des anschließenden Klosters mit einem quadratischen Gartenhof. Die 1621 fertig gestellte Kirche ist mit barockem Dekor ganz im Stil Portugals und Portugiesisch-Indiens gebaut. Sie hatte eine mit Säulen geschmückte Fassade und einen Glockenturm mit einer aus Indien mitgebrachten Glocke. Das Innere war reich mit Ornamenten ausgestattet. Zwischen den Pilastern an den Längswänden sind von Rosetten umrahmte Rundfenster zu sehen. Über dem darüber liegenden Fries mit vegetabilen Formen befand sich ein Tonnengewölbe mit Kassetten, von denen noch einige vorhanden sind, die das Relief eines Diagonalgitters mit einer großen Rosette in der Mitte schmückt. Auch Wandnischen mit Muscheldekor darüber sind noch zu sehen. Der Verfall und die Verwitterung des Steins haben der Ruine stark zugesetzt und drohen sie völlig zu zerstören.
Bahrey Gemb Die Ruine der Kirche Bahrey Gemb liegt südöstlich, etwa 35 km von Gondar entfernt auf einem Hügel. Die St. Michael geweihte Kirche soll nach örtlicher Überlieferung von Dedjazmatch Barié in der Zeit von Kaiser Lebna Dengel (1508–40) erbaut worden sein. Sie wäre damit einer der frühesten Zentralbauten des Landes. Ihre Zerstörung ist schon durch Mohammed Grañ 1535, möglicherweise aber auch erst 1881 beim Derwischeinfall erfolgt. Die Kirche mit quadratischem Grundriss von 14 m Seitenlänge und in strenger Symmetrie zur Ostwest-Achse gebaut, hat etwa 4,5 m hohe Außenwände und über dem quadratischen Allerheiligsten eine parabelförmig gewölbte, knapp unter 11 m hohe Dachkuppel. An wenigen Stellen der noch stehenden Außenwände ist oben ein Gesims aus Steinplatten erkennbar. Jede der vier Seiten hatte vier hohe Rundbogentüren, an Ost- und Westseite axialsymmetrisch angeordnet, an Nord- und Südseite aus der Gebäudeachse nach Westen verschoben. Sie waren alle gleich breit und die beiden in der Mitte zu einem Doppelportal mit schmalem Pfeiler dazwischen zusammengefasst. Um das zentral in der Mitte liegende Allerheiligste der räumlich nur zweitgeteilten Kirche läuft ein Umgang von 2,6 m Breite mit zwölf quadratischen Pfeilern, die das Gewölbe darüber tragen. Vier der Pfeiler stehen genau an den Ecken des Allerheiligsten, die anderen in gleichmäßigen Abständen dazwischen. Wegen der geringen Raumbreite des Umgangs stehen die Pfeiler nicht im Kreis, sondern an jeder der
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Abb. 117 Schloss von Kaiser Fasilidas (1632-67) in Gondar.
vier Seiten in der Rundung eines Bogensegments von etwa 9 m Radius. Die Mittelpunkte der vier Radien liegen somit außerhalb des Gebäudemittelpunktes. Bautechnisch gibt es keine Notwendigkeit für diese Pfeiler, denn der schmale Umgang wäre auch ohne Pfeiler mit einem Tonnengewölbe zu überwölben gewesen. Offensichtlich stehen die Pfeiler für die zwölf Apostel, wie sie auch in manchen Rundkirchen zu finden sind. Das Allerheiligste hat drei Türen, die Haupttür in der Mitte der Westseite, die beiden anderen an der Nord- und Südseite nach Westen verschoben. Ein Dreifachfenster findet sich in der Ostwand. Die Rundbogenöffnungen haben alle Stufengewände und vortretende, halbrunde profilierte Kämpfersteine. Die noch als Kirche benützte Ruine ist heute stark verfallen und bedürfte einer dringenden Restaurierung.
Dankas Die von Kaiser Susenyos gegründete Residenz Dankas liegt auf einer Erhebung, 25 km südöstlich von Gondar entfernt. Der kaiserliche Palast wurde mit Hilfe indischer Bauleute mit Steinen und Kalkmörtel errichtet. Auf Anregung des portugiesischen Jesuiten Manoel Barradas wurde auch eine mit einem Gewölbe überdeckte Zisterne gebaut, was bis dahin bei den Residenzbauten nicht üblich war. Barradas fand auch geeignete Steine, um daraus Kalk zu brennen, mit dem die Wände getüncht werden konnten. Die mit dem Palastbau einhergehende Ansiedlung des Gefolges war nach dem Bericht des Jesuiten Manuel Almeida acht- oder neunhundert Herdstellen groß. Heute stehen vom Palast nur noch einige Mauerreste. Von der großen Ansiedlung sind an der Oberfläche keine Spuren mehr zu finden. Die Kirche, deren Grundsteinlegung am Neujahrstag 1629 mit Inschriften in Amharisch und Portugiesisch erfolgte, wurde von Mendes in Form eines lateinischen Kreuzes gebaut. Wände und Deckengewölbe waren mit reichem Ornamentschmuck versehen. Kunstvoll behauene Kassetten schmückten die Decke. Obwohl die Kirche nicht mehr vollständig festig gestellt wurde,
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nahm in ihr Kaiser Susenyos im letzten Jahr seiner Regentschaft schon an Feierlichkeiten teil. Mit dem Thronverzicht von Susenyos und der folgenden Verlegung des Hofstaates durch Fasilidas nach Gondar wurde Dankas dem Verfall preisgegeben. Gondar Der Ort Gondar, von Kaiser Fasilidas im vierten Jahr seiner Herrschaft zum Regierungssitz gemacht, blieb mehr als zwei Jahrhunderte lang festes Reichszentrum. Äthiopien hatte somit seit aksumitischer Zeit erstmals wieder eine Hauptstadt. Dankas, Regierungssitz seines Vaters Susenyos und auch die davor nur für eine kurze Dauer benützten Regierungssitze in der Region am Tanasee, Gorgora, Qoga, Wandege, Ayba und Emfraz-Guzera, verloren an Bedeutung. Die günstige Lage in der fruchtbaren Umgebung, das ganzjährig milde Klima in der Höhe von 2270 m, malariafrei, mit guten Verbindungen zu den Handelswegen waren sicher ausschlaggebende Voraussetzungen für die Wahl des Ortes. Seine Gründung und seine Anfänge sind nur in spärlichen Umrissen dokumentiert. Aussagekräftige Chroniken über die Regierungszeit von Fasilidas fehlen. Legenden mit Weissagungen und übernatürlichen Ereignissen schildern ihren Hergang. Mit dem Bau seiner Residenz machte Fasilides (1632–1667) den Anfang für die blühende Entwicklung Gondars (Abb. 117). Eine rege Bautätigkeit begann, die auch unter seinen Nachfolgern Iyasu und Bakaffa anhielt. In den neuen Palastanlagen entwickelte sich ein prunkvolles höfisches Leben. Theologie, Musik und liturgischer Tanz, Baukunst – Rundkirchen setzten sich als Typus durch – Literatur, Buchmalerei und Kalligraphie erlebten unter den Gondar-Kaisern eine neue Blüte. Durch ihre zentrale Lage gewann die Stadt auch als Handelszentrum an Bedeutung. Die Zahl der Einwohner wuchs und stieg bis auf rund 80000 an. Kaiser Yohannes verfügte die Einrichtung von getrennten Wohnvierteln für Christen und Andersgläubige; so entstand das Eslam Bet genannte Viertel für die Muslime und im Westen Kayla Meda (Falasha Feld) für die Falasha. Bevor Gondar Reichszentrum wurde, hatte es bereits 16 Kirchen. In kaiserlicher Zeit sind dann von den verschiedenen Herrschern zusätzlich Kirchen gebaut worden, alleine sieben zur Zeit des Fasilides und nochmals sieben während der Zeit Tekle Haimanots II. So kam Gondar schließlich auf 44 Kirchen. Mit dem Niedergang der zentralen kaiserlichen Macht um die Mitte des 18. Jh. und dem Beginn einer neuen Unruheperiode verlor die Stadt aber ihre Bedeutung. Die königlichen Chroniken berichten von Zerstörungen und Verwüstungen. Kaiser Tewodros II. (1855–68) hob Gondar als Regierungssitz auf, Stadt und Kirchen wurden 1864 und 1866 geplündert und ihre Schätze, Kreuze, Manuskripte, selbst die Glocken der Kirche Debra Berhan wurden nach Magdala, in die Residenz König Tewodros gebracht. Welche einschneidenden Folgen die Verlegung der Residenz gehabt hat, zeigt der überaus starke Rückgang der Einwohnerzahl der Stadt, die nach G. Rohlfs 1881 nur noch 4000 Einwohner betragen hat. Um 1887/88 brandschatzten die aus dem Sudan nach Äthiopien eingefallenen Anhänger des Mahdi (Derwische) die Stadt, die schließlich 1941 im Kampf zur Befreiung von Italienern auch noch von britischen Bomben getroffen wurde.
Die Schlösser, der Gemp – Residenz der Kaiser Dem von Kaiser Fasilides erbauten Schloss auf diesem Areal (Gemp genannt) fügten nachfolgende Herrscher ein Bauwerk nach dem anderen hinzu. Kaiser Tsadik Yohannes (1667–82) errichtete die Bibliothek und die Kanzlei, Kaiser Iyasu I. (1682–1706) das nach ihm benannte Schloss, Dawit III. (1716–21) die Sängerhalle, auch Debbal Gemp genannt, Bakaffa (1721–30) die Emp-
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Abb. 118 Schlossbezirk von Gondar, Bibliothek (rechts) und Kanzlei von Kaiser Tsadik Yohannes (1667-82) – Yohannes I.
fangshalle, Iyasu II. (1730–55) ein weiteres Schloss und zuletzt die Kaiserin Metúab (1730–75) ihr Schloss mit dem türkischen Bad und dem Paradiesgarten. Auch drei Kirchen sind innerhalb des ummauerten Areals gebaut worden, Gimjabet Mariam und Ilfin Giorgis von Kaiser Fasilides und Atatame Kedus Mikael von Dawit III. Nach der Aufgabe Gondars als Residenz waren die nicht mehr genutzten Palastbauten dem Verfall preisgegeben. Umfangreiche Arbeiten zur Sicherung und Wiederherstellung, in der Zeit von 1938 bis 1942 durch die Italiener begonnen und später von der äthiopischen Regierung und einer UNESCO-Mission 1969 fortgesetzt, haben den Erhalt der noch vorhandenen Bauwerke gesichert. Im Jahr 1979 ist „Fasil Ghebbi“ in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen worden. Das etwa 7000 m2 große Areal der kaiserlichen Schlösser wird von einer 3 m hohen, zinnenbekrönten Mauer umschlossen, die am Anfang vermutlich einen viel kleineren Bereich umgeben hat und erst im Zuge der Bautätigkeit der späteren Kaiser erweitert worden ist. Die Anlage hat zwölf Tore, von denen jedes einzelne entweder Personen von bestimmtem Rang oder Angehörigen eines Berufes vorbehalten war oder auch zu besonderen Anlässen durchritten wurde. Das Haupttor, Jan Tekel Ber – das kaiserliche Tor oder auch das der großen Wache – liegt im Süden. Nach rechts folgen der Reihe nach Wonbar Ber – das Tor der Richter –, Teskar Ber – das Tor der Begräbnisse –, Azzazh Tukure Ber – das des Hofmarschalls –, Attanaguaer Ber – das Tor der Spinner oder auch geheimes Tor des Kaisers –, Kwali Ber – das Hochzeitstor, Imbilta Ber – das Tor des Adeligen –, Ergib Ber – das Tor der Tauben – und Inkoy Ber – das Tor der Prinzessin Inkoy, der Mutter Kaiserin Mentúabs und schließlich das des Schatzkanzlers durch den Kirchhof.
Das Schloss des Fasilides
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Das von Kaiser Fasilides zu Beginn seiner Regentschaft erbaute Schloss ist das stattlichste und markanteste in Gondar. Der in den Chroniken nicht erwähnte Baubeginn dürfte in den Jahren um 1640 erfolgt sein. Der zweigeschossige Bau von 22 m Länge und 19 m Breite hat an den vier Ecken runde, sich nach oben verjüngende, dreigeschossige Türme mit Kuppeldächern und einen um zwei Geschosse höheren, quadratischen Hauptturm an der Südwestecke. Hauptbau und Turm besitzen flache Dächer mit zinnenbekrönten Brüstungen. Ihre nach Südwest gerichtete Hauptfassade hat von Rundbögen umrahmte Portale mit Holzbalkonen. Die Portalumrahmung auf dem hohen Turm ist einfach gehalten. Die auf dem Hauptbau ist mit Doppelpilastern an den Mauerpfeilern an beiden Seiten und einem Türmchen über dem Bogen sowie Bekrönungen an den beiden oberen Ecken der Pfeiler besonders hervorgehoben. Symmetrisch angeordnete, verputzte und farblich betonte Viertelkreisflächen in Brüstungshöhe vervollständigen das Portal. Früher sollen an den Bögen Signal-Glocken aufgehängt gewesen sein. Gesimse in Höhe der Geschoss- und Dachdecken umlaufen das Gebäude. Vor allen Fassadentüren der Obergeschosse sind Balkone angebracht, an der Südwestseite im ersten Obergeschoss über die ganze Länge durchlaufend. Türen und Fenster haben Rundbögen mit Kämpfern aus dunkelrotem Stein, die durch ihre Farbe und Profilierung an der Bogenstirn und in der Leibung besonders hervortreten. Die im Erdgeschoss fensterlosen Ecktürme haben im ersten und zweiten Obergeschoss Bogenfenster. An der Nordwestseite führt zwischen zwei Wänden mit abgetreppten Balustraden eine breite Außentreppe durch ein Portal im unteren Drittel zum ersten Obergeschoss. Eine geradläufige Treppe führt außen vom Dach des Hauptbaus in das vierte Turmgeschoss und eine hölzerne Außentreppe weiter auf das Turmdach. Das durch zwei Querwände dreigeteilte Erdgeschoss hat vier Eingänge, zwei an der Südwestseite und je einen an der Nordwest- und Südostseite. Der in der Mitte liegende große Saal nimmt die ganze Gebäudetiefe ein, an seiner Nordseite liegen ein kleinerer Saal und ein Nebenraum, an
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Abb. 119 Schlossbezirk von Gondar, Bibliothek und Schloß von Kaiser Tsadik Yohannes.
Abb. 120 Kanzlei von Kaiser Tsadik Yohannes.
der Südseite zwei kleinere Räume und an der Westecke das Treppenhaus zum Obergeschoss. Der große Saal im Obergeschoss, der so genannte Thronsaal, und zwei kleinere Säle mit Nebenräumen in den vier Rundtürmen haben an der Nordostseite ebenerdige Ausgänge auf die erhöhte Terrasse. Die kaiserliche Kapelle lag über dem ersten Obergeschoss, nahe der Nordostecke, in dem kleinen rechteckigen Raum mit tonnenförmig über parallelen Rippen gewölbtem Dach. Die bis 1,95 m dicken Wände sind aus Bruchsteinen mit Kalkmörtel gemauert, außen als Sichtmauerwerk, innen mit einem glatten, elfenbeinfarbigen Wandputz ausgeführt. So wie die Außentüren sind auch Innentüren rundbogig aus dunkelrotem Stein auf profilierten Kämpfersteinen gemauert. In die Wände sind kleine Nischen eingelassen, zum Aufhängen größerer Gegenstände waren Tierhörner angebracht. Der an der Südseite anschließende, vermutlich früher als Kaserne dienende, über 50 m lange schmale Anbau, der bis an den runden Turm neben dem Tor der Richter reichte, ist, so wie dieser, heute nur durch einzelne Mauerreste erkennbar. Der an das Schloss anschließende Teil mit einem runden, zweigeschossigen Turm mit Kuppeldach ist aber erhalten. An der Ostseite des Schlosses liegt eine etwa 6 x 11 m große Zisterne zur Aufnahme des Regenwassers von den Dächern. Ihr Tonnengewölbe ist eingestürzt. Erzählungen, wonach sie als kaiserliches Schwimmbad oder als Fischkelter diente, erscheinen wegen des fehlenden Tageslichtes in der fensterlosen, überwölbten Zisterne sehr unwahrscheinlich.
Die Bibliothek des Yohannes In der Mitte des Palastbezirkes liegt der unter Kaiser Yohannes (I.) erbaute Bibliothekpavillon. Der würfelförmige zweigeschossige Bau ist annähernd 11 x 11 m groß. Seine nach Südwesten
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gerichtete Hauptfassade kennzeichnen zwei verschieden breite Bögen im Erdgeschoss und im Obergeschoss eine Bogentür in der Mitte, mit je zwei schmalen Bogenfenstern an beiden Seiten. Das flache Dach ist zwischen Pfeilern in nicht ganz regelmäßigen Abständen von einer Balustrade mit aufgesetzten Zinnen umschlossen. Auch dieser Bau hat Gesimse in Höhe der Geschossund Dachdecke. Die Außenwände, ausgenommen die rötlichen Steinelemente, sind mit gelblich getöntem Putz versehen, der durch Beimischung von Nug-Öl (Öl der Guizotia abyssinica) diese Färbung erhalten haben soll. An der Nordseite, fast in Flucht mit der Rückfront des Gebäudes, schließen im Nordwesten eine hohe Mauer zur Kanzlei von Kaiser Yohannes I., im Südwesten die Mauern eines langen, schmalen Gebäudes an, das bis an das Schloss Kaiser Iyasus reichte. Im Inneren hat das Erdgeschoss drei Räume, der größte davon ist in der Mitte von einem aus rotem Stein gemauerten Bogen unterteilt. Ähnlich ist auch die Raumteilung im Obergeschoss. An der Nordwestseite führt eine an der hohen Mauer anliegende Außentreppe in das erste Obergeschoss.
Die Kanzlei des Yohannes Der ebenfalls unter Kaiser Yohannes errichtete nordwestlich der Bibliothek liegende rechteckige Kanzleibau hatte ursprünglich zwei Geschosse und an seiner Nordostecke einen quadratischen Turm. Dem Gebäude fehlen heute Dach und Geschossdecke. Auf den Außenwänden sind noch die zinnenbesetzten Dachbrüstungen zu sehen. Ein verfallener runder Turm ist nur mehr an der Nordostecke an seinen Grundmauern erkennbar (Abb. 120). Die nach Süden gerichtete Hauptfront des Gebäudes hat im Erdgeschoss zwei breite Bogenöffnungen mit je einer schmalen Bogentür darüber im Obergeschoss und mit einem kleineren, schmalen Fenster dazwischen. Die Bogentüren an der Nordfassade sind ähnlich angeordnet, während die Ostseite im Erdgeschoss und im Obergeschoss nur eine Bogentür hat. Sehr wahrscheinlich waren ursprünglich Balkone vor den Bogentüren im Obergeschoss vorhanden. Geschossdecke und Dachdecke sind außen durch Gesimse betont. Die offene Halle im Erdgeschoss diente der Behandlung von Anliegen der Bevölkerung und das Obergeschoss der Aufbewahrung von Registern und Dokumenten. Eine kleine Treppe zum Obergeschoss befindet sich im hohen Turm, eine zweite, breitere Außentreppe liegt an der Nordseite.
Abb. 121 Der Bau des Bakaffa.
auf das Dach. Ein direkter Zugang zum ersten Obergeschoss war über die Außentreppe am Ostturm und den Holzbalken zwischen den Türmen an der Nordostseite gegeben. Wahrscheinlich waren auch vor den hohen Bogenöffnungen des Obergeschosses Balkone angebracht. Beide Geschosse, die in unterschiedlich große, durch eine Tür verbundene Räume unterteilt waren, hatten die gleiche Raumordnung. Durch den Haupteingang an der südwestlichen Schmalseite des Erdgeschosses gelangte man zuerst in einen größeren Raum mit zwei Bogentüren nach Nordwesten, einer größeren Tür und einem Fenster nach Südosten sowie einer kleinen Tür zum Treppenturm. Der anschließende kleinere Raum hatte Türen an allen drei Außenwänden. Das Mauerwerk besteht aus Bruchsteinen mit Kalkmörtel. Die Konstruktion der Decke über dem Obergeschoss war eine Seltenheit. In geringem Abstand nebeneinander liegende, gemauerte Bögen, tragen die flache Decke. Vor der Südseite des Schlosses stand einst ein großer runder Turm, mit etwa 10,5 m Durchmesser, von dem nur mehr die Grundmauern zeugen. Nach fast fertiger Instandsetzung und Restaurierung wurde das Schloss bei einem britischen Luftangriff schwer getroffen. Es ist heute nur noch als Ruine überkommen.
Das Schloss Iyasus des Großen Die Sängerhalle Dieses Schloss liegt nordöstlich, nahe dem Schloss des Fasilides. Beide verbindet eine Geländeerhöhung, die vermutlich als Terrasse befestigt war. Auch das Schloss Iyasus besitzt einen schmalen, rechteckigen Grundriss von etwa 7 x 19 m, zwei Geschosse und drei Türme. Der an der östlichen Seite der Südecke angesetzte quadratische Turm war der höchste. Er hatte eine Dachkuppel, so wie auch der niedrigere, runde, sich nach oben verjüngende Turm an der Ostecke. Diesem gab eine außen liegende, spiralförmige Treppe zum ersten Obergeschoss eine besondere Note. Der dritte Turm an der Nordecke ist wiederum rechteckig, mit einem an der Nordostseite angefügten halbrunden, etwas niedrigeren Turm mit Halbkuppel. Wie die anderen Bauwerke des Gemp hat auch dieses Schloss Gesimse in Höhe der Decken und eine Dachbrüstung mit Zinnen. Türen und Fenster haben Rundbögen, lediglich die schmalen, hohen Lichtschlitze der Türme sind rechteckig. Eine Treppe im Turm an der Südecke führte in das Obergeschoss und
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König Dawit ließ im nördlichen Teil des Palastbezirkes die „Debbal Gemp“ genannte Sängerhalle bauen. Hier sollen große Sängerfeste stattgefunden haben und der Kaiser selbst soll zur Harfe gegriffen haben, so wie einst der biblische David. Das zweigeschossige, rechteckige Bauwerk, von dem nur noch die Umfassungswände stehen, ist im Grundriss 30 m lang und 12,5 m breit mit Rundtürmen an der Ostseite. Der an der Südostecke angesetzte Turm ist teilweise verfallen und der an der Nordostecke nur noch an den Fundamenten erkennbar. Die spärlichen Reste eines Anbaus an der Nordwestecke lassen nicht mehr klar erkennen, ob sich dort ein rechteckiger Turm oder aber der Anfang eines gedeckten Verbindungsgangs zu einem benachbarten Gebäude befunden hat. Fünf Bogentüren an jeder der beiden Längsseiten und zwei an jeder der Schmalseiten, führen in das Gebäude. In gleicher Anzahl und in gleicher Achse mit den Türen
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liegen darüber die Fenster im Obergeschoss. Gesimse in Höhe der Decken und eine Brüstung mit Zinnen gliedern die Fassaden. Das Erdgeschoss wird durch eine Längswand nordseitig in einem einzigen schmalen, langen Raum und südseitig in zwei verschieden große Räume geteilt. Der Bau des Bakaffa Das unter Bakaffa errichtete U-förmige Gebäude hat einen Rundturm mit Dachkuppel an der Nordwestecke und bildet mit der Nordseite einen Teil der Außenmauer um den Palastbezirk. Die beiden etwa 50 m langen Flügel liegen sich an einem trapezförmigen Hof gegenüber, der nach Westen schmaler wird, wo sie ein Querbau verbindet (Abb. 121). Der Nordflügel des eingeschossigen Gebäudes ist etwa 9 m breit und etwas höher als der etwa 6,5 m breite, niedrige Südflügel. An allen Fassaden umläuft ein Gesims die Dachebene, darüber liegt eine Brüstung mit Zinnen. Die Bogentüren öffnen sich alle zum Innenhof. Der 47 m lange und 6 m breite Festsaal hat nach Norden zur Stadt hin gerichtete Fenster. An seiner Ostseite schließt ein kleiner rechteckiger Raum an, dessen Südfront etwas in den Hof vorspringt. Im Südflügel lagen in dem 34 m langen und 4 m breiten Raum Stallungen. In den kleinen, im Westen anschließenden Räumen, war die Wache untergebracht. Bemerkenswert ist die Trapezform des Hofes mit dem schräg abschließenden Querbau, wodurch seine Länge – perspektivisch verstärkt – viel größer wirkt. Zu besonders festlichen Anlässen soll der Hof auch mit einem Zeltdach überspannt worden sein.
Das Schloss der Kaiserin Mentuab Am nördlichen Rand des Palastbezirkes liegt das Schloss in einem für sich durch Mauern fast abgeschlossenen Bereich und bildet einen Teil der Umschließung des Palastbezirkes. Das L-förmige, zweigeschossige Gebäude hat einen nordsüdlich gerichteten, etwa 12 m breiten, 18 m langen Flügel, und im rechten Winkel dazu einen 10,5 m langen und 7 m breiten, nach Osten gerichteten Flügel. An der Westfassade überragt ein quadratischer Turm das Gebäude um ein Geschoss, ein niedriger quadratischer Turm mit Dachkuppel und Ziertürmchen an den Ecken steht im Winkel der beiden Gebäudeflügel. Die nach Westen, zu dem so genannten Paradiesgarten gerichtete Fassade hat drei große Rundbogentüren mit abgestuften Gewänden und profilierten Kämpfersteinen in jedem Geschoss. Im ersten Obergeschoss sind links neben den Türen Blendfenster eingelassen. Ein langer Holzbalken über die ganze Fassadenbreite verbindet alle Türen. Kurze Balkone gab es auch vor der Rundbogentür im zweiten Obergeschoss, dem Rundbogenportal auf dem Dach des Turmes und an der Ostseite. An der Südseite führten eine Brücke über eine Geländestufe zur Eingangstür im Obergeschoss und eine Steintreppe nach unten zum Erdgeschoss, dem Garten davor und dem „Türkischen Bad“. An der Schmalseite des Ostflügels führte eine Außentreppe zu dem von Blendfenstern flankierten Eingang mit Bogentür im ersten Obergeschoss. Gesimse zeigen die Lage von Geschossund Dachdecken mit ihren zinnenbesetzten Brüstungen an. Von allen Schlössern zeichnet dieses Schloss sich durch die reiche Verwendung von rotem Stein für besonders hervorzuhebende Bauund Schmuckelemente wie Gewände, Kämpfer, Bögen und Umrahmungen von Blendfenstern aus. Die Aufteilung der Innenräume im Erdgeschoss und Obergeschoss wird von den Wänden, die den Turm tragen, bestimmt. So hat das Erdgeschoss vier rechteckige Räume, die um einen
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Abb. 122 Das sogenannte „Bad des Fasilides“, eine Art Sommerschlösschen in Gondar.
quadratischen Raum liegen, über dem sich der Turm erhebt. Eine schmale Innentreppe verbindet die Geschosse. Die Innenwände sind verputzt und mit eingelassenen Nischen und Ablagen versehen. Das „Bad des Fasilides“ Nordwestlich des Zentrums von Gondar liegt in einem parkartigen Grundstück, umfriedet von einer Mauer mit sechs Rundtürmen, von denen noch vier erhalten sind, das so genannte „Bad des Fasilides“. An der Nordmauer stehen noch Reste des zweigeschossigen quadratischen Torturmes mit einem Raum für die Wache im Obergeschoss und Resten eines weiteren Gebäudes, vermutlich für die Dienerschaft. Das kleine Schlösschen steht in der nördlichen Hälfte eines Wasserbeckens, das von einer niedrigen Mauer mit zwei Eingängen an jeder Längsseite umgeben ist. An den mittleren Eingängen führen Stufen in das leicht trapezförmige, ursprünglich 60 m lange, 35 m breite und 2–2,5 m tiefe Becken, das in jüngerer Zeit einen breiten Umgang erhalten hat und dadurch verkleinert worden ist. Eine gemauerte unterirdische Wasserleitung bringt Wasser vom nahem Flüsschen Qaha an der Nordwestecke in das Becken, das an der Südostecke durch einen ebenfalls unterirdisch gebauten Kanal läuft. Der Zugang zu dem Schlösschen führt von Norden über eine gemauerte Brücke auf zwei Bögen. Vom Torturm zur Brücke sind keine Spuren mehr sichtbar. Das etwa 10 m breite und 14 m lange Gebäude auf einem im Wasser stehenden Unterbau von gemauerten Pfeilern mit Rundbogen ist nur zum Teil zweigeschossig, da das Obergeschoss nur die östliche Hälfte über dem Erdgeschoss einnimmt. Gesimse kennzeichnen die Geschoss- und Dachdecken; die Brüstungsmauer über dem Erdgeschoss hat eine glatte Krone, die über dem Obergeschoss hat aufgesetzte Zinnen. An der Westseite beider Geschosse befinden sich in der Mitte der Brüstungen bogenüberwölbte Portale mit Balkonen davor (ursprünglich ganz aus Holz, heute aus Beton-
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Abb. 124 Reste der ursprünglich recht großen Anlage von Kuskam bei Gondar.
platten). Mehrere Balkone schmücken das Gebäude, wobei der im Erdgeschoss an der Südseite fast über die gesamte Gebäudebreite reicht. Kürzer sind hingegen der Balkon im ersten Obergeschoss darüber und die Balkone an den Längsseiten. Fenster und Türen haben Rundbögen mit profilierten Kämpfern aus rotem Tuffstein. Der Unterbau im Wasserbecken und die Gewände der Fenster und Türen sind verputzt. Das in drei Räume geteilte Erdgeschoss hat gleich am Eingang einen großen, über die ganze Gebäudebreite reichenden Raum, an den nach Süden zwei gleich große Räume anschließen. Im Eingangsraum ist eine mit rotem Stein eingefasste Bogennische als Ablage in die Wand eingelassen. Eine Holztreppe führt in das Obergeschoss und von da eine weitere, außen liegende, zur Dachterrasse. Das kleine, pittoreske Schlösschen war dem gänzlichen Verfall nahe und wurde 1938 von den Italienern restauriert, wobei die Authenzität der Wiederherstellung schon damals umstritten war.
Kuskam Auf einem Hügel nordwestlich von Gondar liegt das von Kaiserin Mentuab gegründete Kloster mit der Kirche Debre Tsahai und das von ihr in Auftrag gegebene Schloss. Hier residierte die Kaiserin nach dem Tod ihres Gatten, Kaiser Bakaffa. Den Namen Kuskam gab die Kaiserin dem Kloster zur Erinnerung an jene Örtlichkeit, an der die Heilige Familie in der Region von Hermopolis in Ägypten gerastet haben soll und wo später das Kloster Deir el Moharrak errichtet wurde (Abb. 124).
Das Kloster
Abb. 123 Schloss von Kaiser Iyasu I.
Eine annähernd kreisförmig angelegte Mauer mit Türmen umgibt den Kirchhof mit der Kirche in der Mitte, von dem der Klosterbereich durch eine zweite, diagonal verlaufende Mauer abgetrennt ist. Der Zugang führt durch den zweigeschossigen, rechteckigen Torturm an der Westseite des Mauerrings, in den die fünf Rundtürme und im Osten das turmähnliche Haus des Abtes eingebunden sind. Das ebenfalls zweigeschossige Schatzhaus mit der Sakristei hat eine eigene
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Umfriedung an der Außenseite der Mauer, zum Schloss der Kaiserin hin. Ein einzelner runder Turm steht nahe der Nordostecke im Klosterbereich. Diese Gebäude haben alle Kuppeldächer. Die ursprüngliche, von den Derwischen zerstörte Rundkirche, hatte ein Podium mit umlaufenden Stufen. Von den Arkaden an der Außenseite der Kirche waren nur einige mit Rundbögen auf quadratischen Pfeilern erhalten. Aus den Ruinen der Wände des äußeren Wandelganges (Qene Malet) und um das Allerheiligste (Makdas) war noch der Grundriss der Kirche zu erkennen. Vor wenigen Jahren ist an der Stelle eine neue Kirche errichtet worden.
Das Schloss Umgeben von einer Mauer mit dem Eingangstor im Norden und zwei Rundtürmen mit Kuppeldächern schließt sich die Schlossanlage der Kaiserin Mantuab östlich an das Kloster an. Die ganze Schlossanlage ist heute nur noch Ruine. G. Rohlfs, der Äthiopien im Winter 1880/81 besucht hat, fand die Anlage schon im Verfall. Der große, nahe dem Eingangstor liegende rechteckige Hauptbau für die Empfänge der Kaiserin misst etwa 26 m in der Länge und 7 m in der Breite. Er war zweigeschossig und hatte zwei Türme an der Ostseite; der dreigeschossige Rundturm mit Dachkuppel steht noch. Der zweite, quadratische Turm stand an der Südseite der Südostecke. Von dem sicher beeindruckenden Gebäude sind nur noch die Außenwände an der Nord-, West- und zum Teil an der Südseite zu sehen. Das Erdgeschoss stand als ein einziger großer Saal, vermutlich war auch das Obergeschoss nur als ein großer Raum genutzt. An der Südfassade sind die großen Rundbogentüren mit dreifach abgestuften Gewänden und profilierten Kämpfersteinen und die dazwischen liegenden kleinen Rundbogenfenster mit Dreiecksgiebeln darüber noch erhalten. Bogenmauerwerk, Kämpfersteine und einzelne Gewände sind aus rotem Stein, der auch für einzelne in die Wand eingesetzte flache Reliefs verwendet wurde: so z.B. für die koptischen Kreuze über Türen und Fenster und andere vereinzelte Schmuckelemente, wie den Löwen, den Elefanten, das bärtige männliche Gesicht mit Kopfbedeckung (möglicherweise ein Bischof) und den auf einem Löwen reitenden Heiligen. Das Wohnschloss der Kaiserin und ihre Kapelle sowie alle anderen Gebäude sind völlig verfallen und nur noch an einzelnen Mauerresten erkennbar.
Die Kirchen Gondars Im Anhang zu seiner Beschreibung der Schlösser Gondars aus dem Jahr 1938 führt A.A. Monti della Corte insgesammt 44 Kirchen in und um Gondar auf. Davon stammen 16 aus der Zeit, bevor Kaiser Fasilides Gondar zur Residenz machte.
Abb. 125 Debre Berhan Selassie in Gondar. Wegen ihrer reichen Ausschmückung eine der bekanntesten Kirchen Äthiopiens.
gewölbtes Dach hat. Lange Zeit war man der Meinung, die unter Kaiser Iyasu I. gebaute und 1694 geweihte Kirche habe schon immer Rechteckform gehabt und sei seit alters her unverändert und von allen Wirren der Zeit verschont geblieben. Nähere Untersuchungen der reichen Bildausschmückung und alter Chroniken haben jedoch erwiesen, dass die Malereien jünger und in die Zeit zwischen 1815 und 1825 zu datieren sind. An der Nord- und Südseite der Kirche sind dagegen Fundamentreste einer früher dort vorhandenen Rundkirche mit etwa 30 m Durchmesser gefunden worden, die, wie die Chroniken berichten, durch Blitzschlag zerstört worden ist. Die nach dem Brand gebaute, schlicht wirkende rechteckige Kirche steht erhöht auf einem breiten Podium, mit einer breiten Treppe an der Westseite und zwei Aufgängen an den Längsseiten mit vorgelegten Stufen. Die 7,4 m breite und 27 m lange Kirche hat ein Satteldach und einen umlaufenden 2,3 m breiten, überdachten Umgang auf quadratischen Mauerpfeilern, dessen Schrägdach etwas abgesetzt unter der Traufe des Satteldaches an die Kirche stößt. Von Westen her führt ein Doppelportal mit Rundbogentüren in den 10,3 m langen Vorraum, der auch von Norden und Süden betreten werden kann. Dieser Raum mit Fenstern an den beiden Längsseiten ist der einzige der Kirche, der Fenster hat. Die wunderbaren Malereien an seinen Wänden und die mit geflügelten Engelsköpfen bemalte Balkendecke zählen zu den schönsten in Äthiopien. Ein um zwei Stufen erhöhtes rundbogiges Doppelportal in der Ostwand führt in den nächsten, dahinter liegenden Raum mit Türen von Norden und Süden, über dem sich, von außen über eine Leitertreppe zugänglich, ein Aufbewahrungsraum für kirchliche Gegenstände befindet. Der östlichste Raum mit dem Allerheiligsten hat neben dem Eingang von Westen auch Türen von Norden und Süden.
Debre Berhan Selassie Atatame Kidus Mikael Kloster und Kirche Debre Berhan Selassie (= Berg des Lichtes der Dreifaligkeit) liegen auf einem Hügel am Ortsrand in nordöstlicher Richtung. Die Kirche ist durch die reiche Ausschmückung mit Malereien berühmt. Sie liegt in der Mitte des Klosterbezirks, den eine hohe Mauer mit mehreren Türmen umgibt. Den Zugang bildet ein großes Torhaus mit zwei Rundbogentoren und einem Turm über dem rechten Tor, das Fenster in den zwei Geschossen darüber und ein tonnen-
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Die im Nordosten des Palastbezirkes gelegene, von Kaiser Dawit III. (1716–21) erbaute Kirche ist in späterer Zeit zerstört worden. Die heutige Kirche ist kleiner und wurde unter Einbeziehung von Teilen der Ruine an der gleichen Stelle errichtet. Der ursprüngliche Bau, der Ähnlichkeiten zur Kirche von Bahrey Gemb aufweist, war ein Zentralbau mit quadratischem Grundriss,
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mit Rundtürmen an den vier Ecken. Von diesen sich nach oben verjüngenden Türmen mit Dachkuppel ist nur der Nordwestturm erhalten und der Südwestturm noch durch die Fundamente erkennbar. Ein alter Wandteil mit vier Rundbogenportalen, zwei davon als Doppelportal in der Mitte, bildet die Südfassade der heutigen Kirche. Kidus Yohannes Im Qaha-Tal, im westlichen Randbereich der Stadt, liegt die malerische Ruine der zur Zeit von Kaiser Yasu II. (1730–55) erbauten Kirche Kidus Yohannes. Von der runden Kirche sind nur noch überwucherte Mauerreste vorhanden. Gottesdienste werden heute in der alten Sakristei abgehalten. Sie ist ein imposantes, rechteckiges Gebäude im Gondar-Stil an der Kirchhofmauer, das an alle vier Ecken Rundtürme mit Kuppeldächern hat.
Die Kirchen am Tanasee Auf seinen Inseln entstanden schon in frühester Zeit eine Reihe von Einsiedeleien und Klöstern. Auf seinen Missionsreisen durch das Land, soll auch Frumentius, der erste Bischof Äthiopiens, im 4. Jh. auf die Insel Tana Cherkos gekommen und später dort auch begraben worden sein. Die aksumitischen Könige Abraha und Atzbeha errichteten hier im 4. Jh. eine Kirche. Aus so früher christlicher Zeit sind aber keine Bauten erhalten. Die Rechteckkirchen von Tana Cherkos und von Daga Istefanos lassen aufgrund ihrer Bauform immerhin auf eine recht frühe Entstehung schließen. Doch beide sind in neuerer Zeit restauriert worden, so Tana Cherkos unter Kaiser Menelik und Daga Istefanos zur Zeit von Kaiser Yohannes (1872–89). Die meisten Inselklöster sind im 14. Jh. während der Regierungszeit von Amda Seyon (Zion) I. (1314–44) und seines Nachfolgers Newaja Kristos (1344–72) gegründet worden. Aber auch aus dieser Zeit sind nur wenige Baudenkmäler erhalten. Die durch ihre Lage geschützten Inselklöster waren in unruhigen Zeiten Zufluchtsstätten und Aufbewahrungsort wertvoller Kirchenschätze aus der Umgebung, besonders in der Zeit der muslimischen Invasion unter Ahmed Grañ. Als sich Kaiser Minas (1559–63) nach dem Tod von Kaiser Galawdewos entschloss, den Regierungssitz von Schoa nach Norden, in die Region des Tanasees, zu verlegen, erlebten die Klöster eine neue Blüte. Die heutigen Kirchen der Inselklöster sind mit Ausnahme der beiden Rechteckkirchen Daga Istefanos und Tana Cherkos alle Rundkirchen, in denen die Außenwände des Allerheiligsten und des Tambours in der Regel mit reichen Malereien bedeckt sind, seltener auch die Wände des Umganges.
Kebran Gabriel Die dem Erzengel Gabriel geweihte Kirche auf der Insel Kebran am Südende des Tanasees, nahe Bahar-Dar, zählt zu den ältesten Kirchen am See und ist in der Zeit von Kaiser Amda Seyon erbaut worden, als sich der aus Schoa kommende Abba Za-Yohannes hier niederließ, um in dieser Gegend das Evangelium zu verbreiten. Eine Steinplatte mit einem Kreuzrelief weist in der Kirche auf sein Grab hin, was in Äthiopien von außergewöhnlicher Seltenheit ist. Die im frühen Gondar-Stil erbaute Kirche zählt zu den schönsten Rundkirchen. Sie misst 26,5 m im Durchmesser und hat ein strohgedecktes Kegeldach. 28 quadratische Pfeiler im Abstand von 2,4 m mit Rundbögen
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Abb. 127 (links) und Abb. 128 (rechts) Die dem Erzengel Gabriel geweihte Kirche auf der Tanasee-Insel Kebran. Abb. 126 Die dem Erzengel Gabriel geweihte Kirche auf der Tanasee-Insel Kebran.
Abb. 129 (nachfolgende Seite oben) Die Kirche Ura Kidane Mehret auf der Halbinsel Zeghie am Tanasee. Abb. 130 (nachfolgende Seite unten) Die dem Erzengel Gabriel geweihte Kirche auf der Tanasee-Insel Kebran.
auf allseitig vorkragenden, flachen Kämpfersteinen tragen die offene Arkade des äußeren Rundgangs (Qene Malet). Der zweite Mauerring in 3 m Abstand ist bis unter das sorgfältig geflochtene Kegeldach mit Wandputz geglättet. Vier große rechteckige Doppelportale mit Mittelpfosten führen in den um eine Stufe erhöhten inneren Raum (bzw. Rundgang Qeddest) der achssymmetrischen, ost-westlich orientierten Kirche. Dem Hauptportal an der Westseite genau gegenüber liegt ein zweites Portal. Die beiden Portale an der Nord und Südseite sind etwas nach Westen verschoben und führen auf die ebenfalls nach Westen verschobenen Türen des Allerheiligsten zu. Vier weitere rechteckige Portale, die schmaler und zweiflügelig sind, liegen dazwischen, genau nach Nordost, Südost, Nordwest und Südwest ausgerichtet. Die Fenster sind rechteckig, das links des Westportals hat einen in der Wand nischenartig zurückgesetzten Dreiecksgiebel mit einem Kreuzrelief und eine mit eng aneinander liegenden Rillen profilierte seitliche Einfassung. Das rechts ist ähnlich, hat aber in der Wand darüber einen zurückgesetzten Rundbogen. Tür- und Fensterumrahmungen sind aus Holzbalken gefügt, die dekorativ geformten Fensteröffnungen aus massiven Bohlen geschnitten. Schöne Metallgitter mit Kreuzen zwischen den rechtwinklig angeordneten Stäben schmücken die Fenster am Haupteingang. Eine zweite Arkade von zwölf schlanken Pfeilern mit Rundbögen auf doppelten, profilierten Kämpfersteinen, bis zum Dach 8 m hoch, bildet einen zweiten Kreis um das Allerheiligste. Die Pfeiler sind im Grundriss so angeordnet, dass der jeweils dritte genau an einer Ecke des quadratischen Allerheiligsten steht. Sie symbolisieren die zwölf Apostel, und einige davon sind auch mit Aposteldarstellungen geschmückt. Die Außenwände des Allerheiligsten haben einen 1,2 m hohen und 0,25 vortretenden Wandsockel mit einer niedrigen Stufe davor. Der Zylinder des Tambours beginnt in etwa 6 m Höhe, auf gleicher Höhe mit dem Bogenansatz über den Pfeilern. Drei Türen führen in das um drei Stufen erhöhte Allerheiligste: die Haupttür in der Mitte
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der Westseite, die beiden anderen in der westlichen Wandhälfte der Nord- und Südseite. Drei Fenster an jeder Seite sind ebenfalls symmetrisch angeordnet. Die Umrahmungen der Türen und Fenster sind reicher profiliert als die in der Außenwand. Die Wände des Allerheiligsten, des Tambours und die Türen und Fenster sind mit Malereien geschmückt, die Westseite dabei am reichsten. Reste von Malereien auf Leinengewebe aus der durch Blitzschlag zerstörten Kirche des Nonnenklosters der Insel Entons im frühen Gondar-Stil aus der Zeit von Kaiser Iyasu I. sind das wertvollste Kunstgut der Kirche. Sie sind aber leider nachlässig in einer dunklen Ecke gelagert.
Zur Zeit von Kaiser Yohannes IV. (1872–89) schlug der König von Schoa, der spätere Kaiser Menelik II., im Jahr 1881 sein Feldlager auf dem Mt. Entoto auf, auf dessen nach Süden abfallenden Ausläufern die heutige Hauptstadt Äthiopiens liegt. Neben einigen festen palastartigen Gebäuden wurden dort auch zwei Kirchen – nach dem Schema der Rundkirchen – gebaut: die 1884 geweihte Kirche Entoto Raguel und die Kirche Entoto Mariam, die nach drei Jahren Bauzeit 1885 fertig gestellt wurde. Der achteckige Bau von Entoto Raguel ist einmalig – er ist zweigeschossig mit dem Kirchenraum im Obergeschoss und mit umlaufendem Balkon, der über eine außen liegende zweiläufige Treppe zugänglich ist. Hohe Rundbogentüren und -fenster gliedern die Fassade. Die beiden ringförmig um das Allerheiligste liegenden Räume (Rundgänge) des Qene Mahlet und des Qeddest haben unterschiedliche Höhen. Die Dachfläche über dem Qene Mahlet stößt an die mit rechteckigen Oberlichtfenstern versehene höhere Wand des Qeddest, die Dachfläche über dem Qene Mahlet stößt an die mit rechteckigen Oberlichtfenstern versehene höhere Wand des Qeddest, die Dachfläche über dem Qeddest wiederum gegen die achteckige Außenwand des darüber aufragenden Allerheiligsten mit Rundbogenfenstern und einem Kuppeldach. Wandmalereien schmücken die Wände des Allerheiligsten. Das niedrige Erdgeschoss, zur Aufbewahrung liturgischen Geräts genutzt, hat ebenfalls Rundbogenfenster und einen vier Stufen erhöhten äußeren Umgang, gleich breit mit dem Balkon darüber. In ihrer Glanzzeit war die Kirche ein Zentrum der Pflege religiöser Texte, Dichtung und Sprache sowie des liturgischen Gesangs. Die Kirche Entoto Mariam ist durch Wandmalereien der zwei bedeutendsten äthiopischen Maler Aleqa Heruy und Emealelaf ausgeschmückt. Vom Entoto-Berg aus besuchte der Hof häufiger die tiefer liegenden Thermalquellen in Filwoha, in der Oromo-Sprache Finfine genannt. Angetan von dem milden Klima des Ortes, bat die Kaiserin Taitu ihren Gemahl Menelik bei einem dieser Besuche im Jahr 1886, ihr dort Land zu geben, um ein Haus bauen zu können. Sie hat sich 1887 dort eingerichtet und nannte den Ort Addis Abeba, „neue Blume“. Nach verschiedenen Quellen gilt 1891 als Gründungsjahr von Addis Abeba, in dem Menelik die ersten Steinhäuser baute, und im April des Jahres die Arbeiten zum Bau der Selassie-Kirche in der Nähe des Palastes begannen. In diese Zeit fällt auch die Übertragung von Grundbesitz an Fürsten und Würdenträger sowie an verschiedene Personengruppen des Gefolges.
Ura Kidane Mehret Die Kirche liegt auf der weit in den Tanasee reichenden Halbinsel Zeghie, nahe dem Südende am Westufer des Sees (Abb. 129 u. 131). Zwei Mauerringe umschließen festungsartig die Anfang des 17. Jh. erbaute Kirche, der äußere recht unregelmäßig angelegt, da er nach Osten ausgeweitet noch kleinere Nebengebäude umschließt, und der annähernd kreisförmige innere Mauerring mit der Kirche im Mittelpunkt. Die Anlage hat Tore im Westen und Südwesten und eine kleine Pforte im Osten. Die Kirche, deren Durchmesser 21 m misst, steht auf einem Podium, das dem Gefälle des Geländes folgend zwischen vier bis acht Stufen hoch ist. Die äußere, nur annähernd kreisrunde Arkade, bestehend aus im Abstand von etwa 1,5 m eng stehenden, 4 m hohen Holzsäulen, die in 3,2 m Höhe durch horizontale Balken verbunden sind, trägt die Fußpfette am Rand des strohgedeckten Kegeldaches. Ein etwas mehr als mannshoher Wandschirm aus Bambusstäben umschließt den äußeren Wandelgang (Sängerraum, Qene Mahlet) außen, der vier Eingänge, je einen im Nordosten, Südosten und diagonal gegenüber im Nordwesten und Südwesten hat. Querwände mit Türen unterteilen den Umgang rechts des Nordportals und in gleicher Linie diagonal gegenüber sowie im rechten Winkel zu diesen in südwestlicher Richtung. Vier Doppelportale mit Mittelpfosten führen zum inneren Wandelgang (Qeddest), wobei das Westportal breiter als die drei anderen an der Nord-, Ost- und Südseite ist. Zwischen diesen liegen vier weitere Portale; sie sind schmaler und zweiflügelig. Die Fenster haben gepaarte Öffnungen. Das Dach über dem inneren Wandelgang wird von einem ringförmigen Tragwerk gestützt, das auf zwölf radial liegenden Balken aufgeständert ist, die von den Wänden des Allerheiligsten zu dem äußeren Wandring des Ganges gespannt sind. Ein 1,2 m hoher und 0,15 m vorspringender Sockel umläuft die Außenseite des quadratischen Allerheiligsten von 7,4 m Seitenlänge. Der zylindrische Tambour setzt in 6 m Höhe auf. Das um drei Stufen erhöhte Allerheiligste besitzt drei Türen, die Haupttür im Westen, die anderen beiden in den westlichen Wandhälften der Nordund Südseite sowie ein Dreifachfenster in der Ostwand. Türen und Fenster sind in aksumitischer Art ausgeführt. Reiche Wandmalereien aus dem 18. und 19. Jh. schmücken alle Wandflächen sowie die Türen und Fenster des Allerheiligsten. Die Kirche besitzt eine beachtliche Sammlung von Kronen, Kreuzen und Manuskripten.
Addis Abeba Die ersten Jahre bis 1935
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Der Palast – Ghibbi
Abb. 131 (vorhergehende Seite oben) Dachkonstruktion von Ura Kidane Mehret. Abb. 132 (vorhergehende Seite unten) Rundgang von Ura Kidane Mehret.
Menelik wählte die Anhöhe nördlich der Thermalquellen von Filwoha für den Bau seines ausgedehnten Palastes, der den Kern der ersten Ansiedlung bildet. Mit den Bauarbeiten wurde einige Monate vor seiner Krönung zum Kaiser im Jahr 1889 begonnen. Als 1892 viele der ersten Bauten einem verheerenden Brand zum Opfer fielen – nur einige wenige der von Menelik selbst genutzten Bauten blieben wie durch ein Wunder unversehrt –, entschied sich Menelik zu einem noch großartigeren Wiederaufbau. So wurde mit der Wiederherstellung der abgebrannten Bauten zugleich auch mit der Errichtung neuer begonnen. Innerhalb kürzester Zeit standen nicht weniger als 50 neue Gebäude. Eine Wasserleitung, die der Schweizer Ingenieur Alfred Ilg geplant und realisiert hat, brachte nun auch Wasser vom nahen Entoto. Im Zuge dieser Bautätigkeit wurden im Jahr 1897 die kleine Rundkirche Elfen Gabriel und nach Plänen von Ilg und Chefneux ein noch großer Bankettsaal begonnen. Dieser etwa 60 x 30 m große Saal – Adarash genannt – erhielt ein von 34 Pfeilern getragenes Dach mit drei Giebeln und elektrischer Beleuchtung. Der
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rund 2000 m lange und 1500 m breite Palastbezirk mit mehr als 50 Gebäuden war ein beeindruckender Komplex, der in verschiedene Bereiche, wie sonst für Feldlager üblich, geordnet wurde. Um den Bankettsaal, die Empfangs- und Arbeitsräume und die kaiserlichen Privatgemächer (der erste Bau mit Ziegeln, die 1889 aus Italien importiert worden sind) lagen im zentralen Bereich Gerichtsgebäude, Post- und Telegrafenzentrale, Kirchen, Werkstätten, die Münze, weitere Wohngebäude, Lager und Stallungen. Der Palast beherbergte zwischen 6000 und 8000 Bewohner, 2000 davon als Dienerschaft des Kaisers. Zu den Verbesserungen und Errungenschaften, die Menelik anstrebte, gehörte auch, dass er ausländische Fachleute und Handwerker ins Land holte und weite Betätigungsfelder für sie schuf. Dabei spielte der Schweizer Alfred Ilg eine besonders wichtige Rolle, und auch der „Große Bau- und Zimmermeister des Hofes“, der Inder Haji Khawas war mit seinen Handwerkern hoch geschätzt. Später, vom Jahr 1905 an, hat sich der aus Eritrea kommende Italiener Luigi Capucci mit seinen italienischen Bauarbeitern in Addis Abeba verdient gemacht.
Die Entwicklung der Stadt In den ersten Jahren war es allein der kaiserliche Palast, der Addis Abeba das Prädikat der Hauptstadt gab. Die ihn umgebenen dörflichen Häusergruppen bildeten eine Ansiedlung, der noch alles fehlte, was eine Stadt ausmacht. Im Umkreis um den Palast bauten allerdings auch Fürsten und Würdenträger des Reiches ihre Residenzen – Sefer – genannt, auf dem ihnen vom Kaiser übereigneten Land. So gab es zum Beispiel Godscham Sefer, Gondar Sefer, Dorze Sefer und noch einige mehr. Da es für die äthiopischen Muslime weder Moschee noch Friedhof gab, autorisierte Menelik 1893, auf Anraten von Ilg und Betreiben eines Vertreters Ägyptens, den Bau der AlNur-Moschee und die Einrichtung eines Friedhofs im westlichen Stadtteil Gulale. Auf einer Anhöhe mit altem Baumbestand und einer alten Kirchenruine ließ Menelik nach der siegreichen Schlacht von Adua 1896 eine dem hl. Georg geweihte Rundkirche bauen, an deren Stelle 1906 nach den Plänen des griechischen Architekten Orphanides die große achteckige Georgskirche errichtet wurde. Mit dem südlich davon gelegenen Markt – er bestand schon vor Meneliks Zeit – und dem Zollamt entstand damit ein zweites Zentrum, in dessen Nähe sich hauptsächlich Geschäftsleute, Europäer, Armenier und Inder niederließen. Die europäischen Mächte – Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland und Deutschland – bekamen Land am östlichen Rand des Stadtgebietes zugewiesen, um dort ihre diplomatischen Vertretungen einzurichten. Der Bau von befestigten Straßen, zuerst unter Einsatz italienischer Kriegsgefangener betrieben, machte in den ersten Jahren des letzten Jahrhunderts Fortschritte, insbesondere nachdem der Armenier Sarkis Terzian 1904 die erste Straßenwalze in die Stadt gebracht hatte. Anderen Quellen zufolge war die erste Straßenwalze aber ein Geschenk Österreich-Ungarns anlässlich der Aufnahme von Handelsbeziehungen 1905. Fünf Ausfallstraßen, auch Tore genannt, wurden angelegt, über den Entoto-Berg nach Godscham, in Richtung Addis Alem nach Wollega, nach Dschimma (Jimma), nach Harar und in Richtung Dessie. Für die Stadtentwicklung hinderlich erwiesen sich die im Stadtgebiet liegenden eingeschnittenen Wasserläufe von Kabana, Ketchene (früher auch Genfille), Kurtume und Akasi, vor allem wenn sie in der Regenzeit viel Wasser führten. Die östlich der Kabana gelegenen Gesandtschaften waren dann von der Stadt regelrecht abgeschnitten. So erbauten russische Ingenieure die erste Steinbrücke über die Kabana, nachdem einer ihrer Mitbürger bei der Durchquerung des Flusses ertrunken war. Ras Makonnen hat dann
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1908 eine zweite Steinbrücke gebaut. Die stetig wachsende Einwohnerzahl und die zunehmende Ausdehnung der Stadt führten bald zu Engpässen in der Versorgung mit Bau- und Brennholz. Die Befürchtung, Addis Abeba wegen des enormen Holzbedarfs bald wieder aufgeben zu müssen, veranlasste Menelik zur Gründung des 40 km entfernt liegenden Addis Alem. Von dort aus war die Hauptstadt mit Holz zu versorgen. Auf Geheiß des Kaisers wurden rasch wachsende Bäume angepflanzt. Erste Versuche mit australischen Eukalyptusbäumen wurden schon 1884 von Mondon-Vidaihet, 1899 von Ilg und später von Chefneux angestellt. Im Jahr 1904 befahl der Kaiser die Anpflanzung von Bäumen und ließ schnellwüchsige Koniferen einführen. Vier oder fünf Eukalyptusarten führten zum Erfolg und verbreiteten sich rasch. Addis Abeba wurde zur Stadt des Eukalyptusbaumes. Ein anderes Baumaterial, das sich in kürzester Zeit neben dem traditionell verbreiteten Stroh für Dachdeckungen durchzusetzen begann, war das Welldach. Schon mit Beginn des Bahnverkehrs von Dschibuti bis Dire Dawa um 1905/6 wurden 50 000 Tafeln Wellblech ins Land gebracht. Nach Fertigstellung der Bahnlinie bis Addis Abeba waren es schon 555 Tonnen Wellblech, das wie der Eukalyptusbaum zunehmend das Stadtbild prägte. Bei der herkömmlichen Bauweise von Wänden handelt es sich um ein Holzskelett, das mit einem Geflecht aus ganzen oder gespalteten Stäben ausgefacht und mit einem Erd-HäckselGemisch beworfen ist. Oft haben diese Wände kein Fundament und dadurch auch keine hohe Bestanddauer, da sie bald den Termiten zum Opfer fallen. Bei etwas festerer Bauweise werden die Wände auf einem Fundamentsockel, üblicherweise aus Basalt-Bruchsteinen, errichtet. Bei Gebäuden für gehobenere Ansprüche wird Quadermauerwerk oder Mauerwerk aus Bruchsteinen in Verbindung mit Quadermauerwerk verwendet. Mit steigendem Bedarf an gutem Baumaterial wurde Anfang des 20. Jh. die Produktion von Tonziegeln aufgenommen. Im Jahr 1907 wird von vier Ziegeleien berichtet, eine davon wurde von dem Italiener Castagno, die anderen von Griechen betrieben. Die Produktion beschränkte sich auf die Herstellung von Mauerziegeln, da sich der gefundene Ton für die Herstellung von Dachziegeln als ungeeignet erwies. In den ersten Jahren der schnell wachsenden Stadt wurden Wohnbauten in großer Vielfalt und unterschiedlicher Bauweise errichtet. Wohngebäude gehobener Art waren meist zweigeschossig mit offenen und auch ganz oder teilweise mit Glas geschlossenen Veranden auf schlanken Holzsäulen. Die Brüstungsgeländer hatten kunstvoll profilierte, gedrechselte Stäbe, waren offen oder innenseitig mit Bretterfüllungen geschlossen. Auch auf das filigrane Dekor der Traufbretter wurde besonderer Wert gelegt. Dächer wurden in den verschiedensten Formen gebaut, mit Ziergiebeln und kleinen Pyramidendächern oder Kuppeln, an der Spitze mit kunstvollen Dachaufsätzen. Die große Residenzen der Fürsten und Würdenträger waren besonders prunkvoll gestaltet. Die Residenz von Ras Birru – heute Stadtmuseum – ist ein besonders gutes, noch erhaltenes Beispiel für ein Gebäude dieser Art. Auch die Alte Munizipalität entspricht diesem Bautypus. Viele andere sind bedauerlicherweise verlassen worden und nach und nach verfallen. Ähnlich, aber weniger aufwendig waren auch die frühen Bauten der Handels- und Gewerbebetreibenden errichtet. Von diesen Häusern sind noch einige im Viertel südlich der St. Georgskathedrale im Stadtteil Arada zu finden. Zu den Baudenkmälern aus den ersten Jahren des 20. Jh. zählen außerdem die 1905 eröffnete Bank von Abessinien, das 1907 fertig gestellte Etege-Menen-Hotel, das Menelik-II.-Krankenhaus von 1910 und die Staatsdruckerei von 1911. Der deutsche Architekt R. Haertel – von 1906–40 in Äthiopien – baute 1907 die Menelik-II.-Schule und 1910 das Menelik-Mausoleum. Von 1911/12 an hat außerhalb von Addis Abeba das Wasserwerk Akaki die Versorgung der Stadt
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Sinn und Bedeutung der religiösen Architektur Äthiopiens Renata Salvarani Lobt ihn mit dem Schall der Hörner, lobt ihn mit Harfe und Zither! Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel! Alles, was atmet, lobe den Herrn! (Ps 150; vgl. 1 Chr 15, 28)
Abb. 133 „Thron des Tabot“ in der Kirche Degum Selassie.
Die Einzigartigkeit der orthodoxen Kirche Äthiopiens – sowohl im Vergleich zur westlichen wie östlichen christlichen Koiné als auch im Bezug zu den anderen monotheistischen Religionen – besteht in ihrer unbedingten Treue zu ihren Ursprüngen, in einer allgemeinen Beständigkeit der theologischen Struktur und in einem Jahrhunderte alten Widerstand gegen jede Art von Umformung, sei es von außen oder auf Grund innerer politischer Veränderungen. Die Christianisierung des Hochlandes während des Reichs von Aksum, zunächst durch die Predigttätigkeit von Ädesius und Frumentius im 4. Jh., sodann durch das Wirken der „Neun Heiligen“ aus Syrien und dem Mittleren Osten im 5./6. Jh., erfolgte in einem kulturellen Kontext, in dem schon überwiegend das mosaische Gesetz befolgt wurde. Es ging hier also nicht um die Bekehrung eines Heidenvolkes, da das religiöse und kulturelle Gefüge schon zum großen Teil jüdisch oder zumindest judaisiert war. Die Einwohner der zentralen und zentral-nördlichen Regionen des Landes bekannten einen Glauben, der auf der schriftlich niedergelegten Tora (den ersten fünf Büchern der Bibel) gründete. Er war jedoch das Ergebnis einer Überlieferung, die in manchen Aspekten von der mediterranen und nahöstlichen Ausarbeitung des Talmud abwich und sich davon unabhängig zeigte. Sogar die aksumitische Herrscherdynastie berief sich auf eine davidische Abstammung und führte ihren Ursprung auf Menelik, den Sohn Salomos und der Königin von Saba zurück. Sie begründete daher die sakrale Legitimierung ihrer Macht auch auf die Salbung, die Menelik von seinem Vater in Jerusalem erhalten haben soll. Das Christentum, so wie es sich im Hochland von Nordost-Afrika entwickelte, war demzufolge von Anfang an von einer weitreichenden Kontinuität zwischen Altem und Neuen Testament gekennzeichnet, die sich sowohl auf theologischer und lehramtlicher Ebene als auch im Bereich der Liturgie und Volksfrömmigkeit festigen und erhalten konnte. Grundlage ist der Glaube an einen einzigen Gott in drei Personen, entsprechend dem nizänokonstantinopolitischen Glaubensbekenntnis: Gott ist ewig Vater, Sohn und Heiliger Geist und ewig einer. In der gemeinsamen Ewigkeit und in der vollkommenen Gleichwertigkeit der drei Personen ist der Vater die ewige Quelle des Sohnes und des Geistes. Der letztere geht aus dem Vater hervor, während der Sohn vom Vater gezeugt ist. Infolge ihrer christologischen Auffassung, die sich im Laufe der Jahrhunderte durch z.T. heftige Auseinandersetzungen und Diskussionen entwickelte, gesellte sich die äthiopische Kirche zur orientalisch-orthodoxen „Familie“, die sich bekanntlich gegen die durch Irrtum entstandenen (siehe Kirchschläger und Stirnimann 1992) Beschlüsse des Konzils von Chalkedon (451) wehrte und speziell die Lehrformel von Christus in zwei Naturen – der göttlichen und der menschlichen – rundweg ablehnte. Sie definiert sich als Tewhado (Einheit, Vereinigung), denn sie verkündet, dass Christus nicht zwei Naturen besitzt, sondern nur die eine als Sohn Gottes, der Mensch geworden ist. Dennoch ist sie nicht monophysitisch im engeren Sinn, denn sie postuliert zwar die eine Natur Jesu, betont jedoch auch, dass es sich dabei „um eine numerische und keine spezifische Einheit“ handelt. Durch die Menschwerdung ist der Sohn in die Welt gekommen und in das Reich der Geschichte eingetreten, um den Menschen zu retten, „bekleidet mit dem Kör-
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per, den er sich zu eigen gemacht hatte, indem er ihn von der Menschheit annahm“. Infolgedessen treten in der koptisch-orthodoxen Denkwelt die vorwiegend menschlichen Züge Jesu (die Dimension der Nähe, seine Teilnahme an den irdisch-menschlichen Erfahrungen) hinter der Betonung seiner Göttlichkeit, seiner Größe, seines tiefen Geheimnisses und unüberbrückbaren Unterschieds zu den Gläubigen zurück. Die Körperlichkeit des Messias wird als eine Art Schrein aufgefasst, der den Logos umschloss und ihm seinen Eintritt in die Geschichte ermöglichte.
Liturgie und architektonischer Raum Als lebendige Wirklichkeit wurde und wird der Glaube erhalten durch die Liturgie, den Dienst am Gottesvolk, das gemeinschaftliche Gebet und die Manifestierung Gottes vor den Menschen. Dieses Gedankengut hat sich mit der Zeit herausgebildet als Ergebnis der Aufnahme und Eingliederung von theologischen und lehramtlichen Meinungen, lokalen Traditionen, vorchristlichen Frömmigkeitsformen und Riten. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Bedarf an religiöser Architektur, also an Räumen für die Begegnung zwischen dem Göttlichen und den Gläubigen. Wenn die Essenz des Göttlichen das Geheimnis ist, gleichsam die durch die Menschwerdung in der Materie verborgene Transzendenz, dann stellen die Festtage im Verlauf des Kirchenjahres sich als eine Sukzession von „Epiphanien” dar. Sie erinnern an die Offenbarung, die sowohl durch die Übergabe der Gesetze an Moses und die Israeliten, als auch in der Person Christi erfolgte. Das heiligste Element in jeder Kirche, von dem das Gebäude als Kirche abhängt und ohne das kein Gottesdienst gefeiert werden kann, ist der Tabot, eine Nachbildung der Bundeslade, von der die Überlieferung erzählt, sie werde auch heute noch in Aksum aufbewahrt und verehrt: Menelik I. soll sie dorthin gebracht haben, und er bekam sie seinerseits von Salomo, als er sich nach Jerusalem begab, um dort von seinem Vater die dynastische Salbung zu empfangen. Im innersten Teil jedes Gotteshauses befindet sich wenigstens ein Simulacrum der in der Bibel beschriebenen Lade (vgl. Ex 25,10–18; 40,1–8), das eigens dafür hergestellt wurde. Es besteht aus zwei rechteckigen Stein- oder Holztäfelchen (ca. 20 x 15 cm), die mit Bordüren und kleinen Metallverzierungen verschönt sind. In kostbare Stoffe eingewickelt, werden sie in einem Satta aufbewahrt, einem zweitürigen Schrank (oder Truhe) aus Holz, seltener aus Stein. Er ist reich bemalt oder mit Schnitzereien verziert und ruht auf einem steinernen Sockel (menbir), der manchmal nur aus wenigen behauenen Blöcken besteht. Dieser steht in der Mitte des Heiligtums (Maqdas), das nur den Priestern zugänglich ist. Den Gläubigen ist durch eine Reihe von Vorhängen, die an den Vorhang im Tempel von Jerusalem erinnern sollen (vgl. Ex 26,33), nicht nur der Zugang, sondern sogar der Blick hinein verwehrt. Die Tabots, je einer oder drei in jeder Kirche, nehmen zuweilen ganz unterschiedliche Bedeutungen an, denn sie können entweder der Jungfrau Maria, den Erzengeln oder den Heiligen geweiht sein, je nach der Titulierung des Gebäudes und des darin praktizierten Kultes. In der äthiopischen Ritenstruktur sind sie das Symbol der Gegenwart Gottes unter den Menschen. Von den Mauern oder den Felsen des Tempels umschlossen, bleiben sie vorwiegend verborgen und gelangen nur zu wenigen, außerordentlichen Anlässen und nach einem präzisen Zeremoniell an die Öffentichkeit. Die spektakulärste dieser Gelegenheiten, an der sich auch die meisten Menschen beteiligen, ist das dreitägige Timkat-Fest – 19. Januar nach unserem Kalen-
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der –, in dessen Verlauf gleichzeitig der Übergabe der Gesetzestafeln an Moses, der Erscheinung des Herrn und der Taufe Jesu im Jordan gedacht wird. Außerhalb der Kirche, am Dorf- oder Stadtrand, wird ein großes Zelt als zeitweilige Wohnung Gottes unter den Menschen aufgebaut. Gegen Mittag des ersten Tages kündigt der wiederholte Klang der Gantas, lange Hörner des Wasserbüffels oder der Nyala (einer in den BeleBergen typischen Antilopenart), die in vielem dem Shofar der jüdisch-biblischen Liturgie entsprechen, die Vorbereitungen für die Prozession an. Der in farbige Brokate eingeschlagene Tabot wird von den ältesten Priestern aus dem Satta genommen und zum Klang von Trommeln und Zimbeln zum Zelt getragen. Der Zug wird begleitet von Jugendlichen, Kindern, Sängern und Tänzern. Der Tabot wird dann im Innern des Zeltes niedergelegt, wo die Menschen unter ständigem Singen und Beten verweilen. Den Höhepunkt bildet eine nächtliche Eucharistiefeier. Am nächsten Tag versammelt man sich zum Gedenken an die wunderbare Brotvermehrung zur Messe und zu einer langen Reihe von Tänzen und von Musik begleiteten Hymnen. Die Gebetsstimmung intensiviert sich am späten Vormittag des dritten Tages, wenn Priester und Diakone das Abbild der Bundeslade ins Freie tragen und sich im Halbkreis aufstellen (neben einer Wasserstelle, einem Fluss oder einem Becken voll Wasser, auf das Lichter oder kleine Kerzen gesetzt werden), um gemeinsam ihre psalmodierenden Gebete anzustimmen. Um die Mittagsstunde hebt und senkt der Priester, der die Feier leitet, mehrere Male das Vortragskreuz zum Segen, um es dann ins Wasser zu tauchen und mit dem Wasser die dicht gedrängt stehenden Gläubigen zu besprengen. Daraufhin bespritzen sich voll Freude alle Anwesenden gegenseitig unter lautem Jubel; sie springen ins Wasser oder tauchen darin unter und heben die Neugeborenen in die Höhe. Nach diesem Ritus kehren die Priester in das Zelt zurück, wo sie miteinander das eucharistische, in großen Laiben gebackene Brot essen, während die Gläubigen vor dem Zelt Mahl halten. Dann bildet sich erneut der Prozessionszug, der mit weiteren Gesängen und musikalischen Einlagen den Tabot wieder zur Kirche zurück und bis vor den heiligsten Bereich begleitet. Auch die anderen acht Hauptfeste des Kirchenjahres, an denen Stationen aus der Heilsgeschichte gefeiert werden, stellen sich als progressive Offenbarungen dar: Menschwerdung, Geburt Jesu, Palmsonntag, Kreuzigung, Ostern, Verklärung, Himmelfahrt und Pfingsten. Darüber hinaus gibt es neun weitere Festzeiten: drei Adventsonntage, die Weihnachtszeit, die Beschneidung Jesu, die Geburt Symeons, das Ölbergfest, das Wunder der Hochzeit zu Kana und die Auffindung des Hl. Kreuzes.
Feststehende symbolische Elemente Der Mensch verleiht dem Gebet körperlich Ausdruck, entsprechend dem Rahmen, in dem es stattfindet. Zu den öffentlich-gemeinschaftlichen Feierlichkeiten gehören als unverzichtbare Zeichen der Frömmigkeit: Tanz, Prozessionsliturgien und die wiederholte Proskynesis (Niederwerfung), wobei das Gesicht die Erde berühren soll (in Erinnerung an die Angst Jesu in Gethsemane). Während des persönlichen Gebets sollen die Gläubigen sich bemühen, aufrecht zu stehen (manchmal auf einem Bein als Form der Selbstkasteiung), sich nach Osten zu wenden, wo Christus Mensch wurde und von wo er am Ende der Zeiten wiederkehren wird, während des Psalmengebets den Oberkörper rhythmisch nach vorn zu beugen und immer wieder das Kreuzzeichen (mit zwei Fingern) zu machen.
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Manche Riten sind als Stationen gestaltet und folgen der Bedeutung der einzelnen Elemente des Gebäudes. Unter diesen ist speziell das Bittgebet Mehelal zu nennen. Man betet es an zehn Tagen im Jahr, um die Gnade Gottes, Regen für die Ernte, Schutz vor Überschwemmungen und das Ende von Hungersnot und Epidemien zu erflehen. Ohne Gesang oder musikalische Begleitung – als Zeichen der Buße – wird der Tabot in einer Prozession durch die Kirche und um sie herum getragen. Dabei werden an bestimmten Punkten des Weges mit besonderer Symbolkraft (vor dem Altarraum, am Eingang der Kirche, in der Nähe der Gräber und vor entsprechenden bildlichen Darstellungen) Gebetsstationen eingelegt. Der Kirchenraum ist im Hinblick auf die Offenbarung des Göttlichen konzipiert, die sich nach der herrschenden rituellen Symbologie alternierend zwischen innen und außen vollzieht. Auch die Messe wird täglich auf zwei Arten und zu verschiedenen Uhrzeiten zelebriert: im abgeschlossenen Altarraum, wobei nur die Priester und Diakone (mindestens fünf oder sieben, je nach den Gepflogenheiten der Kirche oder des Klosters) teilnehmen, und für die Allgemeinheit; dabei wird der eucharistische Ritus von Sängern (Debteras) begleitet. Den Gläubigen ist die Sicht auf die Wandlung versperrt, denn dieser Teil der Messe vollzieht sich hinter der Pergula, während die restliche Liturgie vor die Gläubigen „getragen“ wird. Die Gliederung der Räumlichkeiten und Architekturelemente ist abhängig von vorgegebenen Anforderungen zur Darstellung von Glaubensinhalten: Zum Maqdas, der an das Allerheiligste im Jerusalemer Tempel erinnert, und zum Keddusa keddusan (vgl. 1 Kön 6,19–22; 2 Chr 3,8), kommen weitere Zonen hinzu: ein Bereich für die Zelebranten, der durch eine hölzerne Wand abgegrenzt ist (ähnlich der Ikonostase in den anderen orthodoxen Kirchen), einer für die Kommunionausteilung (Keddist), einer für die Sänger und schließlich das Areal für die Gläubigen, nach Männern und Frauen getrennt. Jeder Bereich ist in seinem Aufbau und seiner Ausstattung klar erkenntlich, nicht zuletzt um die fortschreitende hierarchische Würde in der Annäherung zum Heiligtum zu verdeutlichen. Diese grundsätzliche Festlegung, die ja Hand in Hand geht mit den theologischen, christologischen und liturgischen Eigenheiten der orthodoxen Kirche Äthiopiens, hat sich durch die Jahrhunderte fast unverändert erhalten. An diesem Kreuzungspunkt der Handelswege Afrikas, wo Juden, Ägypter, Südaraber, Nabatäer und Nubier zusammenkamen und wo sogar manche Stämme Zentralafrikas ihre Spuren hinterließen, kam es zur Verschmelzung unterschiedlicher architektonischer und kultureller Einflüsse, die zu einer vielfältigen, aber im Grunde einheitlichen Tradition typologischer Schemata führte. Auch die Christianisierung des Hochlands erfolgte in einem dynamischen, vielschichtigen kulturellen Kontext: Zur koptisch-ägyptischen religiösen Grundlage gesellten sich die Überlieferungen der syrischen Kirchen, die anachoretischen und monastischen Erfahrungen des Orients, eine enge, wechselseitige Verbindung zu Jerusalem, Hauptwallfahrtsziel und Heimat einer aktiven äthiopischen Gemeinschaft sowohl im Komplex der Grabeskirche als auch in Bethlehem, und das eher unstabile und heikle, aber auch oft anregende Verhältnis zu Rom und zur lateinischen Welt. Wie im Einzugsgebiet eines großen Flusses jeder Nebenfluss seinen Anteil einbringt, so hat hier in Architektur und Kunst jede Gruppierung ihren spezifischen Beitrag geleistet – allerdings unter Berücksichtigung der feststehenden Strukturen und der Zweckbestimmung aller liturgischen Räumlichkeiten.
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Saalkirchen und Basiliken Im 4. Jh., das heißt während der Erstevangelisierung durch Frumentius und Ädesius, wurden die christlichen Kulthandlungen zunächst wohl in neu geweihten heidnischen Tempeln abgehalten. Der architektonischen Anlage dieser Bauwerke – mit rechteckigem Grundriss und Altarraum an der dem Eingang gegenüber liegenden Schmalseite, der überdies vom Bereich für die Gemeinde abgetrennt war – folgte man auch für den Bau neuer Kirchen. Seit dem 5. Jh. kamen Bauwerke im Basilika-Stil hinzu, der sich schon in Syrien, im Nahen Osten und Nordafrika eingebürgert hatte. Die Anlage mit drei Apsiden und dem vom Gemeindeareal abgegrenzten Altarbereich sowie die Dreiteilung des Langhauses, wie sie schon von den orientalischen Gemeinschaften übernommen worden waren, passten gut zu den liturgischen Bedürfnissen der äthiopischen Kirche. Diese Übereinstimmung zwischen funktionellen Anforderungen und Aufteilung der strukturellen Elemente erklärt den Erfolg dieses Modells. Die letzte Phase der aksumitischen Ära (5.–9. Jh.) war von einem Nebeneinander unterschiedlicher Typen mit verschiedenartigen Bautechniken geprägt: Steinblöcke und -quadern, Mauerwerk mit einem Wechsel von Werksteinen, Gebälk und Holzteilen (z.B. die Große Kirche von Debre Damo, Imrahane Kristos, der älteste Teil des Mikael Debre Selam bei Atsbi), Höhlenkirchen, monolithische und unterirdische Kirchen (z.B. kleine Kirche von Degum Selassiè am Fuß des Debre Mahar bei Atsbi). Als die Zagwe-Dynastie im 10. Jh. den äthiopischen Thron in Besitz nahm und damit dem aksumitischen Zeitalter ein Ende setzte, wurde die Hauptstadt nach Roha-Lalibela verlegt, und es begann eine rege Bautätigkeit. Sie förderte u.a. die Evangelisierung der Bergregionen und unterstützte dem Herrscherhaus nahestehende kirchliche Einrichtungen. In der äthiopischen Literatur und hagiografischen Überlieferung wurde der Missionar Tekle Haimanot zum Emblem dieser Unternehmungen. Gegen Ende des 12. Jh. geboren, widmete er sein langes Leben ganz der Predigttätigkeit, der Bekehrung der Heiden, der Gründung neuer Gemeinden und dem Bau von Kirchen. Er pilgerte mehrmals nach Jerusalem und sammelte Erfahrungen mit dem orientalischen anachoretischen Mönchtum in der ägyptischen Wüste bei Sketis. Nach Äthiopien zurückgekehrt, gründete er das Kloster Debre Libanos in Asbo. Um sich der Verehrung als Heiliger zu entziehen, trat er in die Klostergemeinschaft von Debre Damo ein, die der Monarchie politisch verbunden war. Er brachte seiner Heimat nicht nur den Einfluss nahöstlicher und ägyptischer religiöser und baulicher Erfahrungen, sondern auch eine umfassende Bereitschaft zur Durchsetzung des Christentums, gepaart mit einer Stärkung der Identität von Reich und Dynastie, die während der Herrschaftszeit Saladins und durch die islamische Expansion im Mittelmeerraum, in Jerusalem, zum Indischen Ozean und sogar zum Horn von Afrika unter immer stärkeren Druck geriet. Bauwerke, Kirchen und Klöster waren Teile einer groß angelegten Strategie zur Vermittlung der Macht, die auch in Kunst und Architektur zur Schau gestellt wurde. Vor allem in den Gegenden von Tigre und Lasta entstanden neue Gotteshäuser. In ihrer Anlage folgten sie einer Fortentwicklung der früheren Basilika, wobei Seitenräume, Vestibüle, Umgänge und Außenhöfe angefügt wurden, um den Bedürfnissen der äthiopischen Liturgie besser entsprechen zu können, insbesondere in Bezug auf den Wechsel zwischen Gesängen und liturgischen Handlungen in verschiedenen Teilen der Kirche (z.B. Kamkanit Mikael bei Lalibela, Inda Mariam Wukro beim Dorf Nebelet in Zentral-Tigre, Abraha Atsbeha bei Wukro, Mariam Korkor in Geralta, Medane Alem Adi Kesho bei Inda Teka Tesfay zwischen Makale und Adigrat). Oft wurden dazu ältere
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Bauwerke wiederverwendet, erweitert, umgestaltet oder einfach mit reichhaltigen Malzyklen ausgestattet. Man ging sogar so weit, frühere Kirchen so wie sie waren, den neuen, größeren Strukturen einzuverleiben, was natürlich eine Vervielfachung der visuellen Hindernisse mit sich brachte und die Trennung zwischen dem Allerheiligsten und dem Bereich für die Gemeinde akzentuierte (Mikael Debre Selam bei Atsbi; Yohannes Maequddi in Geralta). In dieser Zeit bleiben die Gliederung der Räume, ihre liturgische Bestimmung und ihr jeweiliger Rang im Vergleich zu früheren Jahrhunderten noch unverändert. Das Bauschema einer langgezogenen, dreischiffigen Kirche mit halbrunder Apsis konnte sich zwar durchsetzen, aber in Planung und Praxis waren durchaus unterschiedliche Ausführungen zu erkennen: Dem Mittelteil der Kirche, der den Gläubigen vorbehalten war, gingen ein Endonarthex oder eine dreigeteilte Vorhalle voraus, manchmal sogar eine ganze Reihe von Höfen. In anderen Fällen wurden längs der Seitenschiffe nicht-liturgische Diensträume oder Durchgänge angebaut. Insgesamt wurden die Kirchengrundrisse vielfältiger, um den anspruchsvollen liturgischen Bedürfnissen gerecht zu werden. Beibehalten wurde jedoch die Grundstruktur, die in ihrer typologischen Schemata weiter fixiert wurde.
Eine Stadt, viele Heiligtümer: Lalibela Als Krönung der „mittelalterlichen“ religiösen Architektur Äthiopiens gilt die Stadt Lalibela, die im 12. und 13. Jh., unter der Zagwe-Herrschaft, vollständig in die Lasta-Berge gehauen wurde und sich als einzigartige Imitatio der ipsissima loca des Heiligen Landes darstellt. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich ein symbolträchtiges System von Räumen, Orten und rituellen Bewegungen, das vollständig auf die Manifestierung der heiligen Geheimnisse hinorientiert war. Architekturelemente, Verzierungen, Fenster, liturgisches Gerät schaffen ein ununterbrochenes Spiel von Licht und Schatten, von Übergängen nach innen und außen, von Enthüllungen und Verschleierungen, die allesamt auf einem einheitlichen theologischen Ansatz beruhen. Der ganze Felsenkomplex ist von einem mit dem Jordan identifizierten Fluss durchzogen und in drei Hauptzonen gegliedert: die isoliert stehende monolithische Kirche Bet Giorgis aus jüngerer Zeit; die Bauwerke der östlichen Gruppe, die ursprünglich Festung und Königspalast waren und erst im Nachhinein ihren liturgischen Funktionen angepasst wurden; und schließlich die Kirchen des nördlichen Bezirks. Nur dieser Bezirk wurde in seiner Gesamtheit ausschließlich für Gottesdienste und Feiern geplant und in den Stein gehauen. Unmittelbar und direkt vertritt er die für die äthiopische Spiritualität typische Auffassung des „Heiligtums“, während die Kirchen der anderen beiden Bereiche eine spätere und weniger konsequente Erweiterung davon darstellen. Im Innern eines Grabens mit wechselnder Breite und ca. 11 m Tiefe, der das Areal der Heiligtümer umgibt, sind die Kulträume nach unterschiedlichem Konstruktionsschemata und diversifizierten Grabungstechniken herausgearbeitet – in einem Kaleidoskop architektonischer Formen, die in ihrem Nebeneinander durch die Kontinuität in der liturgischen Verwendung schließlich vereinheitlicht werden. Bet Medhane Alem, die Erlöserkirche, mit rechteckigem Grundriss und zweiseitig abfallender Decke ist vollkommen monolithisch, das heißt sie entstand im Innern eines einzigen, vom umliegenden Berg getrennten Felsen, der wie eine Skulptur ausgehöhlt wurde. In ihrer monumentalen Anlage erinnert sie an die Tempel von Aksum. Das Innere ist unterteilt in einen großen, rechteckigen Maqdas mit zwei symmetrisch angelegten, seitlichen Zellen, einen fast qua-
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Abb. 134 In Lalibela wurden – heute in verwirrender Art empfunden – Gänge, Mauern, Tore, Kammern, Loggien – ganze Kirchen aus dem Felsen geschlagen.
dratischen Saal, dessen fünf Schiffe durch vier Reihen mit je vier Pfeilern voneinander getrennt sind. Dazu kommt ein kurzer, dreigeteilter Endonarthex. Die Außenwände sind von einem engen Portikus umgeben, der von Säulen mit rechteckigem Sockel getragen wird. Auch Bet Mariam ist vollkommen monolithisch. Der langgezogene Grundriss der Kirche stellt eine Wiederauflage des Basilikenschemas dar. Dem mittleren Eingang und den zwei Seiteneingängen ist jeweils ein Säulenportal vorgelagert. In dem Felsblock, der in seinem Innern – auf unterschiedlichen Ebenen – den „Golgota“, die Dreifaltigkeitskapelle (Selassiè) und Bet Mikael umschließt, zeigt nur diese letzte Kirchenanlage eine geometrisch definierte Gestaltung. Die anderen Andachtsräume entstehen durch verschiedenartige Gänge, Korridore, offene Höfe, kleine Loggien und Stollen, was die räumliche Wahrnehmung letztendlich verwirrren und fragmentieren muss. Die dem hl. Kreuz geweihte Kirche Bet Maskal und Bet Denagel (Kirche der Jungfrauen), sind teils in den Felsen und teils nach außen gebaut. Die erste besitzt einen länglichen Grundriss, die andere ist ein Zentralbau, in dem die Kuppel von innen herausgearbeitet wurde. Einige der Nebenkirchen (Petros Paulos) sind einfache Grotten, mit rudimentären dekorativen Reliefs verziert. Trotz ihrer vielfältigen strukturellen Anordnung werden die einzelnen Gebäudeteile und Räumlichkeiten noch heute als Elemente einer kultischen Einheit betrachtet. Der liturgische Weg zieht sich von West nach Ost – vom Schatten des Sonnenuntergangs und der Sünde bis zum
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Licht des Erlösers. Der Weg beginnt beim Grab Adams, des ersten Menschen und ersten Sünders: ein hohler, quaderförmiger Monolith am Westeingang des Außengrabens. Wie im Bereich der Grabeskirche ist der Kenotaph ideell und räumlich mit dem Kalvarienberg verbunden, der in Lalibela längs des Itinerarium dargestellt ist. Dieser Gnadenweg führt vorbei an verschiedenen Gelassen und Gebetsräumen und stellt die Symetrieachse der Gesamtanlage dar. Wenige Meter weiter findet sich eine Abbildung des Ortes, an dem Christus den Tod überwunden hat: ein offenes Grab unter einem Torbogen, der als Ersatz für das Jerusalemer Original verehrt wird. In der Nähe sind drei Steinaltäre aufgerichtet, die der Dreifaltigkeit geweiht sind, während sich im Fußboden angeblich das Grab des um 1207 gestorbenen Königs Lalibela befindet, auf den laut Überlieferung die Idee zum Bau der heiligen Stadt zurückgeht. Im gleichen Raum ist ein Altar dem Berg Sinai (Debre Sina) geweiht zum Gedächtnis an die Übergabe des Dekalogs an Moses, als Veranschaulichung der begrifflichen und theologischen Überlagerung vom Gesetz des Alten Testaments und der Botschaft des Evangeliums. Die Sequenz der christlichen Mysterien und der Stationsweg führen weiter zur Kreuzkirche: Sie ist wenig größer als ein Zimmer, das durch ein Gefüge von Grotten und Einlassungen mit Gräbern erweitert wird. Von hier starten die Prozessionen, bei denen große Metallkreuze als Heilsembleme zu den Gläubigen ins Freie getragen werden. Auf dem Itinerarium gelangt man schließlich zu Bet Mariam und Bet Medhane Alem. Ihre Längsachsen entsprechen der Grundachse im Bezirk der „ersten Gruppe“. Die zweite Kirche beschließt den Stationsweg mit einer Art Apotheose vor dem mittleren Tabot. An seinem Fuß, zur linken Seite, stehen drei leere Gräber, die – entsprechend der Tradition in Hebron – als Kenotaphien der Patriarchen verehrt werden. Jedes architektonische Element der Gesamtanlage hat eine eigene, zugleich symbolische und kultische Funktion. Der Außengraben isoliert die Gebetsstadt vom Rest der Welt und schafft eine
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Abb. 135 Das aus dem Felsen herausgeschlagene sog. „Grab des Adam“ in Lalibela.
Abb. 136 Aus dem Felsen geschlagener Verbindungsgang in Lalibela.
Trennung zum Alltagsleben. Treppen, Stufen und unterschiedliche Ebenen, Vestibüle, Portici und Säulen unterstreichen – zusammen mit den differenzierten Bodenbelägen und den Matten und Teppichen – die schrittweise Annäherung an die heiligen Räume. Außerhalb der Kirchen findet sich ein System mit verschiedenen Becken für rituelle Bäder, das mit Regenwasser gespeist und durch Ablaufkanäle reguliert wird. Die Kanäle münden in den Jordan. Die ganze Anlage dient den Taufund Läuterungszeremonien und folgt einem Zusammenspiel von Wasserzufuhr und Gefälle, wie es für die auf den Ambas gebauten tigrinischen Kirchen typisch sind (Mikael Amba bei Atsbi, Degum Selassiè in der gleichen Gegend, Petros Paulos beim Dorf Inda Teka Tesfay nördlich von Negash). Die Gräber, die in die Wände des Außengrabens, der Kirchen, Gänge und Verbindungsstollen eingelassen sind, schaffen eine spürbare geistige und materielle Nähe zwischen Lebenden und Toten. An die Häuser des Brotes („Beth-Lehem“), die zur Vorbereitung des eucharistischen Opfers neben den Kirchen in den Fels gegraben wurden, sind kleinere Lagerräume und Depots für liturgische Geräte angebaut. Bei den Höfen um die monolithischen Bauwerke handelt es sich nicht einfach um Örtlichkeiten, die große Menschenmengen nach Ende der Gottesdienste aufnehmen können, denn auch sie dienen gleichsam als „Freilichttheater“ für die liturgischen Epiphanien. An den Außenwänden am oberen Teil des Felsblocks, in den Bet Mikael gehauen wurde, sieht man Reihen kleiner Öffnungen zum Fixieren von Holzstangen als Stützen für abnehmbare Überdachungen. Mit einem ähnlichen Mechanismus wird in den Tagen nach Weihnachten ein großes Zeltdach über den Hof zwischen Bet Mariam und Bet Mikael montiert, der während des dreitägigen TimkatFests den Tabot aufnehmen soll. Damit schafft man eine variable Erweiterung der kompakten Kirchenbauten, die jedoch nach strengen Regeln und entsprechend der Gottesdienstordnung im Verlauf des Kirchenjahrs gehandhabt wird. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die ursprüngliche Struktur der heiligen Stätten aufgesprengt und die Anzahl der Räumlichkeiten vervielfacht. Weiterhin unterliegen jedoch die ein-
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zelnen Elemente in ihrer Bedeutung und Funktion einer nachvollziehbaren Hierarchie, denn sie entsprechen den Bedürfnissen einer immer komplizierteren Ritualität, die eine visuelle und emotionale Beeindruckung großer Menschenmengen bezweckte. Dieser allgemeinen Intention, die in der Liturgie ab dem 15. Jh. in den meisten Teilen Äthiopiens kodifiziert wurde, entsprach außerdem die Einführung neuer architektonischer Muster: Zentral- und Rundbauten sowie achteckige Grundrisse.
Zentralbauten Während der Herrschaft von Fasilides (1632–1668), der die Hauptstadt nach Gondar verlegte und als Zeichen und Beweis einer geistigen und politischen Renaissance die Kirche Mariam Zion in Axum wieder aufbauen ließ, begann eine neue, diffuse Bautätigkeit. Es wurden verschiedene Gebäude ersetzt oder restauriert, die während der Kriege von Ahmed Grañ der Zerstörung anheim gefallen waren, und es entstanden neue Bauwerke, oft aus Holz oder aus Holz und Stein. Sie sollten den Erfordernissen eines neuen missionarischen Vorstoßes entsprechen, der vor allem in die südlichen und westlichen Regionen des Landes gerichtet war. Der Drang zur Durchsetzung der Botschaft des Evangeliums, nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit den Moslems, äußerte sich auch in den vielen ausdrucksstarken Malzyklen, die an den freien Wänden der quadratischen oder runden Zentralbauten angebracht wurden, in denen – im Vergleich zu früheren Kirchenbauten – größere bemalbare Flächen zur Verfügung standen. Dennoch haben weder die Übernahme innovativer architektonischer Modelle, noch die verstärkte Bedeutung der Prozessionen oder der Bau von externen Wandelgängen um die Gotteshäuser (Kebran Gabriel, Debre Sina, Kota Mariam, Ura Kidane Mehret, Narga Sellassie, allesamt auf den Inseln und an den Ufern des Tanasees) die grundsätzliche Raumaufteilung der Kultstätten wesentlich umgestaltet. Die tradierten Elemente des architektonischen Schemas für Kirchen nahmen zwar neue Formen an, aber sowohl ihre Zweckbestimmung als auch ihr symbolischer Wert und ihre Rangordnung blieben unverändert. Man hielt an einem einzigen, von zwei symmetrischen Seitenöffnungen flankierten Haupteingang fest, und der Tabot blieb der visuelle, unverrückbare und liturgische Mittelpunkt, ja seine Rolle wurde im Laufe der Zeit sogar noch unterstrichen durch Darstellungen von Cherubim, die – nach einer sich durchsetzenden ikonografischen Vorlage – am Eingang des Maqdas gemalt wurden. Dieser Mittelteil des Innenraums war den Feierlichkeiten vorbehalten und in drei konzentrischen Kreisen gestaltet. Um den heiligsten Bezirk lag der Bereich für Gläubige im Zustand besonderer Reinheit, die am Kultritus teilnehmen können. Noch weiter außen befand sich ein großer, ringförmiger Umgang für die Sänger, Qene mahlet genannt, der durch bewegliche Wände oder einfache Tücher noch einmal in drei Bereiche unterteilt wurde: im Westen für die Musiker mit ihren Trommeln, Sistren, Zimbeln und Pauken; im Süden für die Frauen und im Norden für die Männer. In der symbolischen Wahrnehmung der Räume betonte diese Aufteilung die Idee eines „heiligen Bezirks“, gepaart mit einer Gradatio spiritueller Würde, die eine geringere oder größere Annäherung zum Ort der Offenbarung des Göttlichen erlaubt (vgl. Ex 19, 12–13; 27, 9–19). So fanden die Grundelemente des theologischen und liturgischen Gedankenguts, das für die orthodoxe Spiritualität in Äthiopien typisch ist, erneut ihre Bestätigung – wenn auch in anderen Formen und Situationen.
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Abb. 137 Eingang zu Medhane Alem Kesho.
Wandmalereien, Ikonen, Manuskripte, Kreuze und anderes liturgisches Gerät Stanislaw Chojnacki
Abb. 138 Fresken in Debre Selam Atsbi.
Die Ankunft des Christentums in Äthiopien im 4. Jh. kennzeichnet den Anfang einer Tradition sakraler Malerei, die bis heute währt. Bis vor kurzem war die christliche äthiopische Kunst außerhalb der Landesgrenzen relativ unbekannt. Dies lag auch an der Entlegenheit des Landes und seiner Bewohner, die über Jahrhunderte auf ihrem ostafrikanischen Plateau geographisch abgesondert vom Lauf der Weltgeschichte lebten. Im Verlaufe der letzten zehn Jahrhunderte haben die äthiopischen Künstler einen erstaunlichen Corpus von Buchminiaturen, kirchlichen Wandgemälden und Ikonen hervorgebracht. Diese Arbeiten nehmen in der Kunstgeschichte einen einzigartigen Platz ein. Drei Grundelemente bestimmen diesen außergewöhnlichen künstlerischen Ausdruck: zum ersten die Einführung des Christentums, dann dessen Verbindung mit der fortwährenden Hochblüte und dem unbezähmbaren Geist des äthiopischen Volkes und schließlich – als drittes Element – das Substrat Afrika, aus dem diese Kultur erwachsen ist und das sie zum Blühen brachte. Die Christianisierung Äthiopiens spielte ohne jeden Zweifel eine entscheidende Rolle in Bezug auf das dauerhafte Überleben seiner künstlerischen Überlieferungen. Von Anfang an war die Äthiopische Orthodoxe Kirche, die zum östlichen Zweig der Christenheit zählt, der Ursprung der traditionellen Kunst Äthiopiens. Der Geist äthiopischer Malerei entstammt großenteils der Kunstauffassung der byzantinischen Welt. Er legt in äthiopischem Kontext ein glühendes Bekenntnis zum christlichen Glauben ab. Malerei als Ausdruck von Frömmigkeit spiegelt eine weitere Welt wieder, fungiert als Bindeglied zwischen dem Reich des Spirituellen und dem des Irdischen, um das Unausdrückbare in sichtbarer Gestalt zum Ausdruck zu bringen. Im Gegensatz zur byzantinischen Welt haben die Äthiopier keine subtilen Theorien über heilige Bilder oder Ikonen entwickelt. Stattdessen zogen sie es vor, niederzuschreiben, auf welche Weise Heilige eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt haben. Deren bildliche Darstellung wurde zur Manifestation ihrer tatsächlichen Gegenwärtigkeit. Dadurch, so glaubte man, konnten sie handeln und vor allem sprechen. Gemäß ihrem „Buch der Wunder“ kam die Jungfrau Maria in vielen Fällen aus ihrem Bilde heraus, um aktiv in das Leben der Menschen einzugreifen. Stilwechsel im Bereich der äthiopischen Kunst sind nicht zu vergleichen mit stilistischen Umbrüchen in der westlichen Kunst. Die der traditionellen äthiopischen Kunst zugrunde liegenden Prinzipien blieben wegen ihres didaktischen Charakters unverändert. Zweck ist es, die Evangeliengeschichten in Farbe zu beschreiben und Heilige so abzubilden, dass sie für die Gläubigen erkennbar sind. Anfänglich existierten zwei afrikanische Zentren christlicher Kunst in enger Nachbarschaft zu Äthiopien. Infolge der Eroberung Ägyptens durch die Araber im Jahre 641 erlebte die koptische Kunst in den nachfolgenden Jahrhunderten einen Niedergang. Auf die gleiche Weise verschwand die christliche Kunst Nubiens großteils im 14. Jh. nach der arabischen Eroberung des Sudan. Während die künstlerischen Traditionen dieser Nachbarländer den Umschwüngen der Eroberung nicht standhalten konnten, überdauerte die christliche Tradition Äthiopiens alle Streitigkeiten. Annähernd zwei Jahrtausende lang hielten die Menschen Äthiopiens ihre Unabhängigkeit aufrecht, trotz aller Versuche fremder Mächte, das Land zu kolonisieren oder dauerhaft zu erobern. Die Einwirkung des dritten Elementes auf das dauerhafte Überleben der künstlerischen Traditionen Äthiopiens – das Substrat Afrika, aus dem die äthiopische Kunst erwuchs und in dem
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sie verwurzelt ist – ist weniger leicht zu definieren. Von Anfang an reagierte die äthiopische Malerei auf eine Vielzahl äußerer Einflüsse, blieb aber im wesentlichen gestützt auf die unterbewusste und zeitlose Reflexion angestammter afrikanischer Formen. Die nachdrückliche Betonung von Gesichtern und Augen, die frontale Darstellungsweise und die Fülle geometrischer Motive, begleitet von einem spontanen Rhythmus in der Strichführung – all dies sind spezifisch afrikanische Formen künstlerischen Ausdrucks. Andererseits wurde die Tradition der Bildhauerei, die im übrigen Afrika als schöpferische Ausdrucksform gilt, niemals integraler Bestandteil des künstlerischen Erbes Äthiopiens. Möglicherweise sind religiöse Vorstellungen dafür mitverantwortlich. Die äthiopischen Christen entschlossen sich vielleicht dazu, dem alttestamentarischen Verbot, „geschnitzte Bilder“ anzufertigen, strikt zu entsprechen und den Grundsätzen des Senodos, eines Kirchengesetzbuches, zu folgen. Zudem bewahrten die koptischen Christen Ägyptens die Jahrhunderte alte Tradition der Wandmalerei, so dass auch deren Einfluss zum Fehlen von Skulpturen in der künstlerischen Tradition Äthiopiens beigetragen haben könnte. Ein besonders auffälliger Aspekt gemalter äthiopischer Porträts ist der Umstand, dass Ähnlichkeit mit den Porträtierten den äthiopischen Künstlern anscheinend wenig wichtig war. Stark hervorgehoben und in der Regel überproportional groß dargestellt wird der Kopf einer Figur. Obwohl die Figur gewöhnlich benannt und gelegentlich durch die Hinzufügung spezifischer Details wie Kronen oder Turbane personalisiert ist, fehlen den äthiopischen Porträts bemerkenswerter Weise individuelle Gesichtszüge und die Charakterisierung des Alters, des Gemütszustandes und der Persönlichkeit. So ist es letztlich der dem Gemälde beigefügte Name, der es zum Porträt macht. Dies ist auch für die afrikanische Kunst im Allgemeinen charakteristisch (Chojnacki 1999: 644–46). Aufgrund ihrer geographischen Lage gehört die äthiopische Kunst zu Afrika; dessen ungeachtet ist ihre Entwicklung während sechzehn Jahrhunderten mit dem christlichen Glauben verwoben, der bis heute das Leben und die Kultur des äthiopischen Volkes durchdringt. Durch die Jahrhunderte hat der Kontakt mit Ost- und Westeuropa tiefe Spuren hinterlassen – trotzdem blieb die äthiopische Kunst eigenständig. Ein faszinierender Aspekt der äthiopischen Malerei ist ihr Festhalten an einer objektiven Wahrheit unabhängig von Zeit und Raum. Personen und Gegenstände werden so abgebildet, wie man sich ihre wahre und unveränderliche Gestalt vorstellt. Auf dem Höhepunkt ihrer stilistischen Vollendung verzichtet die äthiopische Kunst auf Volumen, Tiefe und Perspektive. Die Malereien sind somit der sogenannten „vorstelligen Kunst“ zuzuordnen. Sie sind „konzeptuell” und aus einer Reihe von zeichenhaften Bildern (Piktogrammen) entsprechend spirituellen Erwägungen zusammengesetzt. Diese Piktogramme sind auf einer ebenen Fläche arrangiert und sollen eine Vorstellung oder eine Erzählung vergegenwärtigen. Menschliche Figuren, der Hauptgegenstand der äthiopischen Kunst, sind durch nicht-naturalistische Proportionen von Kopf und Körper charakterisiert. Innerhalb des weiten Feldes der östlichen Christenheit bildet Äthiopien die südliche Einflussgrenze und seine Kunst umfasst Elemente aus der altchristlichen, byzantinisch-griechischen, koptischen, nubischen und armenischen Kunst. Obwohl im Kern christlich, nimmt die äthiopische Malerei auch Spuren aus der islamischen Kultur und künstlerische Traditionen Indiens in sich auf. Späte Arbeiten seit dem 15. Jh. zeigen deutlich westeuropäische Einflüsse. Diese äußeren Einflüsse traten wechselweise und gelegentlich auch gleichzeitig auf. Die Kraft der äthiopischen Hinzufügungen zu den ikonographischen Traditionen der östlichen und west-
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lichen christlichen Kunst wird durch ihre andauernde Existenz in Äthiopien offenbar. Äthiopische Malerei – selbst relativ moderne – widerspiegelt häufig mit schlichter Genauigkeit archaische Kunstformen, die in den Kulturen ihres Ursprungs schon lange verloren gegangen sind. Diese Genauigkeit hielt die äthiopischen Maler nicht davon ab, Formen im Laufe der Jahrhunderte stilistisch zu verändern. Die Themen und Formen der Malerei wurden von einer Generation monastischer und klerikaler Maler zur nächsten durch individuelle Meister weitergereicht, die jüngere begabte Männer ausbildeten, die auch zu ihren Assistenten bei der Ausführung größerer Aufträge wurden. Diese gaben dann ihr erworbenes Wissen an nachfolgende Generationen weiter. Dies ist der Grund für die bemerkenswerte Kontinuität, an der man Jahrhunderte festhielt – praktisch unzugänglich für Veränderungen, soweit es die symbolischen Bedeutungen betrifft, aber nicht ohne ein Element von Flexibilität. Der Prozess andauernder Wiederholung hat Raum gelassen für individuelle stilistische Ausprägungen. Diese zeitlose Praxis des Kopierens, kombiniert mit dem gleichzeitigen Prozess von Anverwandlung und Veränderung ist gleichwohl für alle künstlerischen Anstrengungen in Äthiopien wesentlich. Im ganzen gesehen waren die Künstler empfänglich für ausländische Vorbilder, die in das äthiopische Hochland vordrangen, unterwarfen sie aber strengen stilistischen Anpassungen. Dies ergab die kraftvolle „Äthiopisierung“, welche die kreativen Möglichkeiten der Künstler Äthiopiens durch dessen lange Geschichte charakterisiert.
Die Verehrung heiliger Bilder Durch die Jahrhunderte haben die Äthiopier daran festgehalten, heilige Bilder zu verehren, allerdings ist ihre Form der Verehrung bis zu einem gewissen Grad verschieden von der, die von den Kopten in Ägypten praktiziert wird. Es gibt auch keine Anzeichen von Ikonostasen in äthiopischen Kirchen, die denen in russisch- oder griechisch-orthodoxen Kirchen vergleichbar wären. Anstelle von Ikonen werden in der Liturgie hauptsächlich Kreuze verwendet. Weil die äthiopischen Kirchen reich mit Wandmalereien geschmückt waren, war die Praxis, Ikonen auszustellen, ungebräuchlich, obwohl eine solche Begebenheit in der Lebensbeschreibung des äthiopischen Heiligen Marha Kristos aus dem 15. Jh. überliefert ist (Kur 1972: 34). Weder wurden vor den Ikonen Lampen entzündet noch irgendwelches Räucherwerk verbrannt. Stattdessen war die Niederwerfung ein häufiges Ausdrucksmittel der Verehrung. Maria wurde als Mutter Gottes in Lehre und Liturgie der äthiopischen Kirche ein höchst privilegierter Platz eingeräumt. Ihre Darstellung mit dem göttlichen Kind – auch heute noch ein Hauptthema äthiopischer Malerei – war bereits im 14. Jh. gut etabliert. Ein Bild der thronenden Jungfrau ist auf der ihr gewidmeten Felsenkirche aus dem 14. Jh. auf dem Berge Qorqor dargestellt. Während der Regierungszeit von Dawit I. (1379/80–1413) entstanden, zeigen die Miniaturen auf der Vorderseite Maria unter den ausgespannten Flügeln der Erzengel Michael und Gabriel, die beide Kreuze tragen. Die Mariologie des Königs Zara Jakob (Heldman 1984; Getatchew 1992: 97–107) fand ihren Ausdruck sowohl in dem obligatorischen Ritual der Verehrung der Ikone Mariens als auch in der Einführung des Lesens aus dem „Buch der Wunder Mariens“ in der Liturgie. Beides gab in den 1440er Jahren der Verbreitung von Marienikonen und -bildern auf kirchlichen Wandmalereien und der Entwicklung ihres ikonographischen Kontextes einen Impuls.
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In den frühesten Aufzeichnungen zur Regelung verschiedener religiöser Praktiken ordnet König Zara Jakob (1434–68) die Versammlung der Gläubigen in der Kirche zur Mittagszeit an, um ein Bildnis der Jungfrau Maria auf einen hohen Platz zu stellen, mit einem Baldachin darüber und einem Kreuz auf der rechten Seite des Bildnisses. Danach sollten die Gläubigen Psalmen und Hallelujas singen (Conti Rossini 1965: 2). Gemäß einer aus den 1620er Jahren stammenden Beschreibung der Zeremonie zur Verehrung heiliger Bilder an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen, fand während der Messe eine Prozession statt. Der amtierende Priester stand außerhalb der Kirche, sein Gesicht in Richtung des Haupteingangs der Kirche gewandt, und hielt ein Bildnis der Jungfrau vor seiner Brust. Die ihn Flankierenden trugen brennende Kerzen, und alle Begleitpriester sangen, während sie das Bild umschritten. Sie läuteten auch kleine Glöckchen und ließen die Tamburine erklingen, als sie leidenschaftlich ihre Devotion ausdrückten (Alvares 1961: 77–79). In einem anderen Fall, aufgezeichnet im letzten Jahrzehnt des 15. Jh., warfen sich die Mönche vor einem „Bild der Jungfrau und des Kindes, gemalt mit der goldenen Tinte“ (möglicherweise eine griechische Ikone), zu Boden und küssten die Ikone (Caquot 1961: 105). Niederwerfungen waren offenkundig Teil des üblichen Rituals der Verehrung heiliger Bilder in Äthiopien, wie sie auch eine wichtige Rolle in der Verehrung heiliger Bilder in der koptischen Kirche spielten (Chaillot 1990: 81–87). Obwohl einige dieser Praktiken schließlich außer Gebrauch kamen, bildete die besondere Verehrung, die man den Ikonen entgegenbrachte, die der heilige Lukas gemalt haben soll, eine Ausnahme. Alle erwiesen sich als griechischen Ursprungs. Im 18. Jh. waren fünf derartige Ikonen aufgelistet als Teil des Kirchenschatzes verschiedener äthiopischer Kirchen (Guidi 1912: 106). Heutzutage behaupten zwei weitere Kirchen, eine vom heiligen Lukas gemalte Ikone zu besitzen. Diese Ikonen werden normalerweise im Allerheiligsten aufbewahrt und zur öffentlichen Verehrung während der jährlichen Festzeiten bestimmter Kirchen oder zu besonderen Gelegenheiten – wie bei drohendem Krieg oder Trockenheit – herausgebracht. Solch beeindruckende Prozessionen und Niederwerfungs-Zeremonien wurden bis zum frühen 20. Jh. vollzogen (Spencer 1972: 82). Die Vorstellung, dass Figuren, die auf religiösen Malereien, besonders auf heiligen Ikonen, dargestellt sind, die Fähigkeit zu reden und zu handeln besitzen, ist lebendig. Heiligenlegenden und Erzählungen liefern viele Beispiele von Heiligen – und von der Jungfrau Maria insbesondere –, wie sie Könige, heilige Männer und gläubige Anhänger, die zu ihnen beteten, ansprachen. Tatsächlich behaupten heilige Männer gelegentlich, sie hätten längere Zwiegespräche mit den Dargestellten, und es sind viele Fälle aufgezeichnet, in denen die Jungfrau Maria tatsächlich Wunder wirkt. Die Erzählungen der Hagiographen über Bilder, die zu Menschen sprechen und ihr Leben beeinflussen, sind in ihrer Direktheit und ortsbezogenen Farbigkeit beeindruckend. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Probleme im Leben der Gläubigen waren, welche die Bilder auf die eine oder andere Weise zu lösen schienen und gelegentlich die harten Strafen, die verhängt wurden. Die heilerischen Fähigkeiten der Jungfrau fanden häufig in verschiedenen Schriften Erwähnung. Das „Buch der Wunder Mariens“ wurde zum ersten Male um 1400 aus dem Arabischen übersetzt, während die frühesten Miniaturen der Wunder in den Anfang des 16. Jh. datieren. Erst im 17. Jh. erschienen verschwenderisch illustrierte Kopien der „Wunder“, die bis in die erste Hälfte des 18. Jh. hergestellt wurden. Der Ursprung der Geschichten ist auswärtig, aber die Bilder sind in einen einheimischen Kontext gestellt. Obwohl stereotypisiert, illustrieren sie gut die Körperhaltung, welche die Gläubigen im Gebet einnahmen. Unter den dreiunddreißig Wundern, die anfänglich illustriert wurden, beziehen sich sechs auf wundersame Bilder der
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Jungfrau. Die Miniaturen zeigen zudem, wie sich die verehrte heilige Person in der Vorstellung der Künstler „aus dem Bilde begibt“ – ein Vorfall, der oft Gegenstand von Heiligenerzählungen ist. Offensichtlich differenzierten die Künstler zwischen Szenen, in denen die Ikone selbst dargestellt ist und solchen, in denen die Jungfrau sich als Person zu erkennen gibt und ein Wunder wirkt. Im ersten Fall sitzt sie und trägt das Kind, das manchmal eine Erdkugel hält, im zweiten Fall erscheint sie alleine, ohne das Kind, und ist gewöhnlich stehend abgebildet. Seit dem Beginn der Tafelmalerei in Äthiopien wird das Bild des heiligen Georg dem Bild von Maria mit dem Kinde gegenübergestellt. Dies ist eng verbunden mit dem Volksglauben, dass „die, die wissen, wie man sie liebt [d.h. diejenigen, die zu Maria beten], sein Bild zusammen mit ihrem malen, so dass es zum Teil der Erlösung werden kann für die, die in seinem Namen beten“ (Budge 1928: 1224). Der hl. Georg wird üblicherweise auf der linken Tafel abgebildet, auf einem weißen Pferd reitend und den Drachen aufspießend, der eine Wohnstatt des Teufels ist. Es gibt noch einen anderen Grund für den großen Zuwachs an Darstellungen kriegerischer Heiliger im späten 16. und den folgenden Jahrhunderten. Einige bieten eine rein politische Interpretation für die Darstellung des hl. Georg an, indem sie vorschlagen, sie sei ein Vehikel, den Menschen „Hoffnung auf Triumph über die Bedrohung durch den Islam oder andere Gegner“ (Heldman 1994: 183) einzuflößen. Das Vermögen der Jungfrau Maria zur Fürsprache wird auch einigen einheimischen Heiligen zugeschrieben und stellt eine naheliegende Erklärung für ihre große Beliebtheit dar. Sie wurden über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder abgebildet. Eines der bemerkenswertesten Beispiele ist das des Heiligen Gebre Manfas Kedus (Qeddus, Honorius). Die üblichste Form der Verehrung von Bildern in der äthiopischen Kirche besteht darin, sie dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen. Den Wandgemälden kommt daher nicht die gleiche hohe Verehrung zu wie dem Tabot, einer Tafel, welche die Bundeslade symbolisiert und in den heiligen Bezirken der äthiopischen Kirchen ständig verborgen bleibt. Zwar werden die Malereien an den Wänden des heiligen Bezirks der Kirche, in denen religiöse Darstellungen gelegentlich mit rein säkularen vermischt sind, als Zeichen des Respekts ebenfalls mit Vorhängen verhüllt, doch können sie auf Anfrage besichtigt werden. Das gleiche gilt für die Miniaturen in den Handschriften. Diejenigen, die besonders Verehrungswürdiges wie die Heilige Dreifaltigkeit, die Jungfrau Maria mit dem Kind, die Erzengel oder die Kreuzigung zeigen, haben ein angenähtes Stück Stoff oben an der Seite, so dass das Bildnis vor Blicken verhüllt werden kann. Da es nie Sitte war, Ikonen in Kirchen auf Dauer auszustellen, entzündeten die Äthiopier keine Öllampen oder Kerzen vor ihnen. Eine Ausnahme ist in der Königlichen Chronik vermerkt. Als Kaiserin Mentuab in den 1740er Jahren befahl, bei Kusquam eine Kirche zu errichten, ordnete sie an, ein besonders schönes und verziertes Bildnis der Mutter Gottes auf die Wand malen zu lassen. Sie ließ eine Öllampe herstellen, die bei Tag und Nacht vor diesem Bild brennen sollte (Guidi 1912: 105–06). Auch wird Weihrauch vor wundersamen Ikonen verbrannt, wenn sie bei festlichen Prozessionen getragen werden.
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Wandmalereien Die frühesten Malereien (11.–16. Jh.) Wandmalereien sind wahrscheinlich die reichste und am wenigsten erforschte Gattung der äthiopischen Kunst. Sie illustrieren auf beeindruckende Weise die künstlerische Entwicklung während der letzten acht Jahrhunderte. Unsere Kenntnis der Kirchenmalerei vor dem 16. Jh. beschränkt sich auf Malereien in Felsenkirchen, die entweder ganz aus dem Felsen gehauen worden sind oder die auf natürlichen Höhlen basieren. Während der letzten vierzig Jahre wurde ungefähr ein Dutzend derartiger Malereien gefunden, und jede von ihnen gab einen bemerkenswert eigenständigen Charakter zu erkennen. Bislang sind nur einige wenige in Veröffentlichungen vollständig beschrieben worden. Der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt dieser Malereien besteht darin, dass offenbar keinerlei feststehende Regel für das Arrangement von Bildinhalten auf Kirchenwänden bestand. Sogar in den Kirchen von Geralta in Tigre, die nahe beieinander liegen, sind die einzelnen Bildthemen verschieden angeordnet, auch gibt es keine sichtbaren Einflüsse stilistischer Art. Abgesehen von einigen Ausnahmen, fehlen genaue Datierungen. Die Chronologie der Malereien basiert hauptsächlich auf verschiedenen stilistischen und kontextbezogenen Überlegungen. Die Wandmalereien in der Kirche Debre Selam Mikael in der Atsbi-Region südöstlich von Tigre sind von besonderem Interesse, weil sie sehr frühe christliche Ikonographie mit starkem islamischen Einfluss verbinden (Abb. 138). Viele sind datiert in die Zeit vom 11. bis zum 13. Jh. (Lepage 1998: 761; Mercier 2001: 47). Das Hauptmotiv der Darstellungen bildet der Einzug
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Abb. 139 Fresken in Debre Selam Atsbi.
Abb. 140 Fresken in Debre Selam Atsbi.
Christi in Jerusalem. Die Apostel und andere Figuren stellen die jubelnde Menge dar. Die Christusdarstellung und die des rasch vorwärtsdrängenden Esels wie auch die Abbildung eines Mannes, der dem Tier energisch Stoff vor die Beine legt, stehen in auffälligem Kontrast zu den statischen Figuren der Apostel, von denen einige mit erhobenen Armen gezeigt werden. An der Nordmauer befindet sich ein Bild Christi, der nach Art eines orientalischen Herrschers mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen sitzt, umgeben von den Köpfen der Vier Lebenden Wesen mit langen geschwungenen Flügeln. Ein ähnliches Bild – jetzt offenbar zerstört – war in der Apsis abgebildet. Es handelt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um eine Darstellung von Christus in Glorie mit den Vier Lebenden Wesen, begleitet von den Zwölf Aposteln, die auf dem Boden der Apsis noch sichtbar sind. Alle Gesichter sind frontal dargestellt und tragen nach unten gebogene mongolische Bärte. Ihre gebogenen Augenbrauen sind zusammengewachsen. Für die Abbildung eines galoppierenden Elefanten mit zwei Reitern gibt es keine offensichtliche Erklärung.
Die Lasta Gruppe von Kirchen, 12. und 13. Jahrhundert Die besterhaltenen Malereien der Lasta Gruppe finden sich in der Imrahane Kristos Höhlenkirche, geschützt von einem riesigen Felsenvorsprung. Gemäß der lokalen Überlieferung wurde die dem Erlöser gewidmete Kirche auf Befehl von Imrahane Kristos, dem dritten König der ZagweDynastie, während des späten 12. Jh. erbaut. Über der Mauerfläche im rechten Seitenschiff ist die flache hölzerne Decke mit Einlegearbeiten in Form eines Doppelkreuzes verziert. Diese in der islamischen Kunst geläufige Technik ist der künstlerischen Tradition Äthiopiens fremd. Das
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Motiv findet sich kombiniert mit einem Wildenten- oder Ankerkreuz und Rosettenmustern (Abb. 141). Fremden Einfluss verraten auch die gemalten Medaillons an der flachen Decke über der ersten Mauerfläche des Kirchenschiffs, deren Umrahmung eindeutig der islamischen Kunst entliehen ist. Andererseits ist die Darstellung von Elefantenreitern offenbar indischen Ursprungs. Die unlängst entdeckten figurativen Szenen sollen in die Zeit des Kirchenbaus datieren und die ältesten bekannten neutestamentlichen Darstellungen der äthiopischen Kunst sein. Ihr Stil verweist auf die Malereien in Beta Mariam in Lalibela, die ebenfalls von spätkoptischer Kunst beeinflusst, aber von anderen Künstlern ausgeführt wurden. Eine vorläufige Beschreibung dieser Wandmalereien ist bereits publiziert (Balicka Witakowska 2001: 10–47). Die „Flucht nach Ägypten“ zeigt Maria im Damensattel auf einem Esel reitend, dessen Kopf und Augen in typisch koptischer Weise frontal dargestellt sind. Ein über dem Esel dargestellter Engel wendet sein Gesicht Maria zu. Hinter dem Tier befindet sich der heilige Josef, Jesus auf seinen Schultern tragend. Die „Taufe Christi“ ist nach postikonoklastisch-byzantinischem Vorbild dargestellt: in einem Fluss stehend, das jugendliche Gesicht von einem gewaltigen kreuzförmigen Nimbus umgeben. Eine Taube, das Symbol des Heiligen Geistes, gleitet herab. Rechts von Christus hält der hl. Johannes segnend seine rechte Hand über den Kopf des Täuflings. Zwei Engel zur Linken Christi halten dessen Kleider bereit. Diese Darstellung der Taufe hat weder in den frühen Evangelien-Miniaturen noch in den Wandmalereien eine Parallele. Christus und Johannes werden bis zur Brust im Jordan stehend gezeigt. Der Fluss ist zu einem Wasserbecken stilisiert. Der heilige Johannes ist links vom Erlöser wiedergegeben (Chojnacki 1976: 105–15, Taf.: I–IV). In der Szene der Fußwaschung der Jünger sitzt Christus in zeremonieller Haltung, ein Handtuch in beiden Händen, mit der Rechten den Kopf des Petrus berührend. Die Apostel im Hintergrund sind in zwei Reihen angeordnet. Die größte figurative Malerei befindet sich an
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Abb. 141 Bogenausschmückung in der Imrahane Kristos Kirche in Lasta, spätes 12. Jh.
Abb. 142 Fresko in der Imrahane Kristos Kirche.
der Ostmauer (Abb. 142). Sie besteht aus drei Motiven im oberen Register: dem Einzug Christi in Jerusalem, Christi Himmelfahrt und der Herabkunft des Heiligen Geistes. Im unteren Register sind vier heilige Krieger dargestellt. Beim Einzug in Jerusalem sind Kopf und Oberkörper Christi dem Betrachter zugewandt, ein Detail, das den Malereien in Qorqor Mariam ähnelt. Christus sitzt rittlings auf einem naturalistisch gemalten Esel, der in schnellem Schritt vorwärts eilt. Die Apostel bilden die Nachhut, während vor der Stadt Jerusalem einige Personen die Ankömmlinge willkommen heißen. Die Wiedergabe der heiligen Stadt scheint eine idealisierte Reminiszenz an das Heilige Grab zu sein. Bei der Auferstehungsszene sitzt Christus, von einer Mandorla umgeben, auf den Vier Lebenden Wesen, seine Rechte zum Segnen erhoben, in der Linken ein Buch haltend. Darunter befindet sich die Jungfrau Maria, flankiert von gestikulierenden Aposteln, die in zwei Gruppen zu sechs Personen aufgeteilt sind. Die nächste Szene zeigt die in der äthiopischen Malerei selten thematisierte Herabkunft des Heiligen Geistes. Die Apostel sind im coenaculum, dem Speisezimmer, stehend und in offensichtlicher Verzückung wiedergegeben. Merkwürdigerweise fehlt die Darstellung der heiligen Maria. Oben auf dem Bild sieht man eine große Taube vom Himmel herabschweben, die durch eine große anthropomorphe Sonne symbolisiert wird, wie sie für Gennete Mariam und Mekine Medhane Alem charakteristisch ist. Die Abbildung von vier heiligen Kriegern ähnelt erstaunlich der des hl. Claudius in Deir al-Chohada in der ägyptischen Esna Wüste (Leroy 1975: 58–59 Taf. 40 bis 43) und stellt damit die figurativen Malereien von Imrahane Kristos nicht nur in den Umkreis der von der spätkoptischen Kunst beeinflussten Malereien, sondern bezeugt darüber hinaus deren Datierung in das 12. Jh. Die Medhane Alem Kirche, die Erlöserkirche, gehört wie die Imrahane Kristos Kirche zum Typus der aufgebauten Höhlenkirchen, scheint aber in das späte 13. oder frühe 14. Jh. zu datieren. Zwar ist die Ikonographie ihrer Malereien von der nahe gelegenen Gennete Mariam Kirche
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beeinflusst (so die anthropomorphe Sonnen- und Monddarstellung), doch zeigen die Menschendarstellungen stilistisch eine deutliche Abweichung von den runden Gesichtern in Gennete Mariam und besitzen mehr Lebendigkeit in ihrem Ausdruck. In den monolithischen Kirchen in Lalibela fehlt die Ausschmückung durch Wandbilder völlig, wohingegen in der Beta Mariam Kirche ein Reichtum an Wandmalereien zu finden ist, von denen einige leider schwere Beschädigungen aufweisen. Die zumeist dem Neuen Testament entstammenden figurativen Szenen sind im spätkoptischen Stil gemalt (du Bourguet 1967: 191; Lepage 1977: 334; Leroy 1975: 32–33; Lepage 1999) und mit Tiermotiven (kämpfende Zebu Bullen; wilde Hahnenkämpfe) kombiniert. Typisch koptischen Einfluss zeigt die Darstellung der Ankunft der Heiligen Familie in der Stadt Sotin oder Sotina während ihrer Flucht nach Ägypten. Maria ist auf einem Esel reitend dargestellt. Diese Art der Fortbewegung ist bei äthiopischen Frauen nicht gebräuchlich, wurde aber im Vorderen Orient und in Ägypten praktiziert. Sie hat einen Mantel über Rücken und Schultern gelegt, in dem sie nach Art der Äthiopierinnen das kleine Christuskind trägt. Hinter ihnen geht der heilige Josef, vorneweg der Erzengel Gabriel, den Esel am Zügel führend. Die dargestellte Stadt ist eine exakte Abbildung des Refugiums eines typischen Klosters, wie es in der ägyptischen Wüste zu finden ist (Walters 1974: 91). Das Wunder der Palme, die ihre Wedel senkte, um Maria und Josef ihre Früchte darzubieten, wird durch die naturgetreue Darstellung der in Ägypten heimischen Dattelpalme symbolisiert. Es ist offenbar, dass die Darstellung von verschiedenen äußeren Vorbildern beeinflusst wurde, obwohl die Malerei von einheimischem Geist und Lebensgefühl durchdrungen ist. Die Theophanie (Sichtbarwerdung Gottes) auf dem Berg Tabor ist sehr bedeutend, und die Einzelheiten wurden von Lepage ausführlich beschrieben (1999: 908–30). Im Hauptschiff sind oberhalb des Frieses die meisten Malereien verschwunden; lediglich ein Teil der Verkündigungsszene blieb erhalten. Maria ist gerade vom Brunnen in ihr Haus zurükkgekehrt und hat sich gesetzt, um mit dem Spinnen zu beginnen. Der Engel betritt das Haus und nähert sich ihr von hinten. Maria, über die vom Engel überbrachte Nachricht erstaunt, zieht den karmesinroten Faden aufwärts, als habe sie noch nicht mit dem Spinnen aufgehört. Der Engel berührt kaum den Boden mit den Zehenspitzen, als sein Flug zu Ende geht. Offensichtlich überbringt er die Nachricht, da er die rechte Hand erhoben hält und mit dem Finger auf sie zeigt. Diese Version der Verkündigung ist vom Proto-Evangelium des Jakobus inspiriert und war anscheinend bei den äthiopischen Künstlern beliebt, die sie in den folgenden Jahrhunderten fortwährend verwendeten (Chojnacki 1983: 282–83). Die Darstellung des Besuches der Maria bei Elisabeth ist eine der ersten dieser Art in der äthiopischen Kunst und erinnert an die Szene in koptisch-arabischen Evangelien im Institute Catholique, Paris (Leroy 1974: Taf.: 86). Maria und Elisabeth sind in freundschaftlicher Umarmung gezeigt. Die anderen Bildthemen sind spezifisch äthiopisch. Eines zeigt Christus beim Segnen von Brot und Fisch (Mt 14, 17–21 und Lk 7, 36–50). Die Gegenwart von „Maria der Sünderin“, welche die frühchristliche Tradition als Maria Magdalena identifiziert, erweitert die Thematik des Gemäldes. Ein weiteres Bildthema ist das des von Christus geheilten Lahmen (Mt 9, 1–8). Die Christusfigur ist zerstört, die Darstellung des Geheilten jedoch vollständig erhalten. Das dritte Motiv bildet die Wasser aus Jakobs Brunnen schöpfende Samariterin, der sich Christus offenbart und die seinen Segen erhält (Joh 4, 1–26). Die drei oberen Szenen illustrieren wirkungsvoll König Lalibelas eindringliche Bitten um die Gnade Christi, wie sie auf den in den Lalibela-Kirchen noch erhaltenen Tafeln niedergeschrieben sind (Gigar Tesfaye 1984: 117–18).
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Abb. 143 Fresko in der Gennete Mariam Kirche in Lalibela.
Die Kirche von Gennete Mariam (Garten Mariens) datiert in die Regierungszeit des Yekuno Amlak (1270–85), dem Wiederbegründer der sogenannten Dynastie der Salomoniden. Wie eine beigefügte Inschrift erläutert, ist der König mit zwei Angehörigen des Klerus dargestellt. Einer von ihnen ist als Erbauer der Kirche gekennzeichnet (Heldman 1987: 3–4). Der König sitzt auf orientalische Art mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Thron. Er trägt eine Krone, deren Komposition durch islamische oder armenische Vermittlung aus der iranischen Kunst entliehen zu sein scheint. Die Vielzahl und Einzigartigkeit der die Wände, Pfeiler und Decken der Gennete Mariam schmückenden Malereien sowie zahlreiche Inschriften machen die Besonderheit dieser Kirche aus. Bis in die 1970er Jahre waren die Malereien ziemlich gut erhalten. Seither hat ihr Zustand aufgrund von Vernachlässigung sehr stark gelitten. Bei einigen Figuren sind nur noch die schwarzen Umrisslinien zu erkennen. Die ursprünglichen Farben sind nach und nach verblasst und es blieben nur ein bläuliches Grün und verschiedene Braunschattierungen sichtbar. Nahezu alle Figuren tragen Heiligenscheine, auch Julian Apostata – eine Darstellungsweise, die auch für die nubische Kunst kennzeichnend ist. Wie in Lalibela zeigen die Malereien Anklänge an koptische und islamische Kunst, umgeprägt durch christianisierte Künstler gemäß deren lokalen ästhetischen Empfindungen. Die Formen sind stark typisiert: alle Figuren von Kopf bis Fuß, die Hände vor der Brust, mit einheitlich stilisierten Gewändern dargestellt. Einige Details (z.B. Kreuze) sind dem persönlichen Erfahrungsbereich des Künstlers entlehnt. Obwohl Imrahane Kristos und die Lalibela-Kirchen nahe bei der Gennete-Mariam-Kirche liegen, und auch der zeitliche Abstand zwischen den Malereien weniger als ein Jahrhundert beträgt, unterscheidet sich die Ikonographie einzelner Bildgegenstände beträchtlich, was darauf hinweist, dass die Künstler von Gennete Mariam andere Vorbilder benutzt haben. Andererseits zeigen die unlängst in der Wasoa (Wescha) Mikael Kirche
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in Angot entdeckten Wandmalereien große stilistische Nähe zu den Malereien von Gennete Mariam; es werden auch die selben Personen porträtiert (Mercier 2002: 143–47). Die Malereien von Gennete Mariam wurden von Lepage (1975: 59–84) und Balicka-Witakowska (1998-99: 193–209) vorläufig beschrieben. Die Bildthemen gliedern sich in sechs Hauptgruppen: Historisches, Altes und Neues Testament, Hagiographisches, Engel und Tiere. Nur einige wenige Themen gestatten einen Einblick in die Verhältnisse der Zeit. Auf einer Malerei, die die Geschichte des heiligen Mamas illustriert, sind zwei königliche Boten dargestellt, kenntlich an ihren besonderen Gürteln. Die Art und Weise der Botschaftsübermittlung spiegelt die Bräuche der Zeit (Abb. 145) wieder. Die Darstellung des heiligen Georg gründet in der damaligen politischen Situation Äthiopiens als christliche Insel in einer muslimischen Welt. Der Künstler stellt das Wunder dar, wie es in der bekannten Legende über den hl. Georg, der den Diakon Georg aus sarazenischer Gefangenschaft errettet, überliefert ist. Dieser war bei einem Angriff auf das Dorf, in dem er lebte, in Gefangenschaft geraten. Der Führer der Sarazenen machte ihn zu seinem Verwalter. Der junge Georg betete zum hl. Georg, er möge ihn aus der Gefangenschaft befreien. Gleichzeitig flehten seine im Dorf zurückgebliebenen Eltern den Heiligen um die sichere Rückkehr ihres Sohnes an. Und tatsächlich erschien der hl. Georg eines Tages inmitten eines großen Festes und nahm ihn vor den Augen aller Zecher mit sich fort (Budge 1930). Die Abbildung in Gennete Mariam illustriert genau diesen Moment der wundersamen Befreiung, während die anschließende Malerei die Mutter des Diakons zeigt, wie sie ihres Sohnes wegen zu dem Heiligen betet. Dies ist die früheste bekannte Darstellung dieses Wunders (Chojnacki 1975: 42), das später in den Malereien des 18. Jh. auftauchte, als die Furcht vor islamischen Einfällen im politischen Denken der Äthiopier fest verankert war. Darüberhinaus ist die
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Abb. 144 Wandfresko in Gennete Mariam.
Abb. 145 Zwei königliche Boten, Wandgemälde des späten 13. Jh. in Gennete Mariam.
Beliebtheit dieses obigen Textes auch durch zwei andere Wunder bezeugt, die in der Wasoa Mikael Kirche dargestellt sind (Mercier 2002: 146).
Die Geralte Gruppe und die Zeit vom 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert Im Gegensatz zu den Kirchen der Lasta Gruppe, die innerhalb eines Jahrhunderts geschaffen und mit Malereien ausgestattet wurden, scheint die Errichtung der Kirchen in den Felsen von Geralte sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt zu haben. Ihr Bilderschmuck weist eine verblüffende stilistische und ikonographische Vielfalt auf. Die der hl. Maria geweihte Kirche an der nördlichen Front des Qorqor Berges soll von Abba Danel (Daniel) von Geralte gegründet worden sein. Dieser war ein geistiger Vater von Abuna Ewostatewos, was das 13. Jh. als Datierung für die Errichtung der Kirche nahe legt (Tribe 1997: 36, Lepage 1998: 759). Die Ikonographie der Malereien ist deutlich archaisch. Eine der an der Südmauer angebrachten Malereien stellt die thronende Theotokos (= Gottesgebärerin) dar. Sie hält Christus Emmanuel, der in einem Medaillon steht. Diese Abbildung ist in der äthiopischen Malerei einzigartig (Chojnacki 1983: 174–79; Lepage 1998: 761). Die Hauptfiguren werden von zwei Erzengeln flankiert, die jeweils eine sakramentale Patene halten. Die üppige Ausgestaltung mit Vögeln rings um die Hauptfiguren widerspiegelt die koptische Vorliebe, den leeren Raum mit Tierfiguren, die nicht mit dem Hauptthema verknüpft sind, zu füllen. Nach einer neueren Theorie sind diese Tiere – einige von ihnen ziemlich monströs – Symbole des Paradieses und haben bestimmte Bedeutung (Tribe 1997: 42).
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Die Darstellung auf der Nordmauer ist ebenfalls einzigartig. Es ist Christi Einzug in Jerusalem, der in drei Sektoren gezeigt wird. Auf dem obersten sieht man Christi Himmelfahrt in Glorie umgeben von den Vier Lebenden Wesen. Gemäß den äthiopischen Glaubensvorstellungen kommt ihnen ebenso große Verehrung zu wie menschlichen Heiligen. Aufgrund ihrer Nähe zu Gottes Thron vermögen sie für die Menschen Fürbitten vorzubringen. Christus wird als bartloser junger Mann gezeigt, ähnlich dem Christusbild als fleischgewordener Gott im unteren Register, wo er auf einem Esel mit Quersattel reitend dargestellt ist. Beide Darstellungsweisen sind der frühesten christlichen Ikonographie entlehnt. Des weiteren ist ein großer Fisch im untersten Register das einzige verbliebene erkennbare Detail der verlorenen Darstellung des Wassers des Lebens, die Jerusalem symbolisiert gemäß Hesekiel 47,1 (Lepage 1998: 761). Dies scheint die tief empfundenen echten Gefühle der Äthiopier dieser Zeit zu reflektieren. An der selben Mauer finden sich überraschende Darstellungen von Abba Antonos von der Wüste und einem Würdenträger, der ein Behältnis für Reliquien und eine mit zwei Hörnern geschmückte Krone trägt, was ihm das Aussehen eines nubischen Eparchen oder Provinz-Beamten verleiht. Beide Figuren sind im polychromen nubischen Stil des 10.–12. Jh. (Martens-Czarnecka 1982: 50–51, 88) gemalt, vielleicht von verschiedenen Künstlern und möglicherweise zu verschiedenen Zeiten. Unter anderen bedeutenden Malereien findet sich auf einer Säule eine Porträtzeichnung des hl. Onophrios (Abb. 146), den die Kopten besonders verehrten (Chauleur 1954: 1–15). In der Nähe liegen zwei mittelgroße miteinander verbundene quadratische Kammern. Sie sind seit alters her nach Abba Danel benannt und man glaubt es sei seine private Einsiedelei gewesen (Kinfe-Rigb Zelleke 1975: 68 F). Dies würde ihre Entstehungszeit in das späte 13. Jh. datieren. Aber die Malereien, die die größere Kammer schmücken, sind offensichtlich in sehr viel späterer Zeit ausgeführt worden, ihre Ikonographie und ihr Stil weisen auf signifikante Änderungen an der Wende des 15. Jh. hin. Die Kirche Zion Mariam aus dem frühen 15. Jh. liegt genau unter dem Gipfel des QorqorBerges in Geralte. Die Kirche wurde von Abuna Abraham während der letzten Jahre der Regierungszeit des Königs Newaja Mariam (1370–1379/80) gegründet (Schneider 1983: 107–08). Die Schmuckmalereien wurden in den frühen Regierungsjahren seines Bruders Dawit I. (1379/80–1412/13) vollendet. Die Gewölbe, Scheinbogen und drei Kuppeln der Kirche sind weiß gestrichen und mit verschiedenen Kreuz-Mustern in hellem Blau-Grün verziert. An der Ostmauer findet sich ein ikonenartiges Bild der Theotokos mit zwei Erzengeln, die hinter ihr einen Vorhang halten. Es handelt sich hierbei um das älteste bekannte Beispiel für ein derartiges Bildnis in der äthiopischen Malerei. An allen Wänden finden sich Reihen von Heiligen, von denen jeder in einem Scheinbogen dargestellt ist. Die Mehrzahl von ihnen hält ein Evangelienbuch in der rechten Hand und deutet mit dem Zeigefinger der linken Hand darauf, ein Gestus, der an die Miniaturen in den ältesten Evangelienbüchern erinnert. Einige Figuren halten eine Rolle oder ein Kreuz oder einen Stab, während eine einen Kelch trägt. Ähnlich eindrucksvoll sind die Porträts der heiligen Krieger, die Zeugnis von ihrer wachsenden Beliebtheit bei den Gläubigen dieser Zeit ablegen. Der hl. Claudius reitet ein weißes Pferd und hält einen Speer schräg nach oben. Der hl. Georg reitet ein geschecktes Pferd und trifft den Kopf der Schlange, während ein Engel hinter ihm fliegt und den Speer lenkt (Chojnacki 1973: 53). Der hl. Merkurius ist auf einem weißen Pferd dargestellt, wie er Julian Apostata tötet. Die Figuren sind säuberlich gezeichnet und in bläulich-grünem Ton ausgemalt. Die meisten Gesichter sind in Dreiviertel-Ansicht wiedergegeben, ihre Augen wirken besonders lebhaft. Stilistisch sind sie verwandt mit den innovativen Strömungen, die unter König Dawit’s Verwaltung entstanden,
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Abb. 146 Der besonders in der koptischen Kirche verehrte hl. Onophrios, Wandgemälde aus dem 13. Jh. in der Qorqor Mariam Kirche.
Abb. 148 Kirchenschüler, Wandgemälde des späten 15. Jh. von Enda Abuna Jemata.
und zeigen den Bruch mit der traditionellen Darstellungsweise in Frontalansicht, wie sie bis in das späte 14. Jh. hinein gebräuchlich war. Das Gewand des Heiligen hingegen ist ganz nach den Traditionen der Vergangenheit schematisiert gezeichnet. Der gleiche innovative Geist durchströmt die Figuren der heiligen Männer in Äthiopien – die mit Sicherheit von einem anderen Künstler gezeichnet wurden – auf den Säulenschäften und der Hinterwand. Sie sind in Ocker- und Brauntönen gehalten. Obwohl in der Ausführung weniger vollkommen, drücken sie die Vertrautheit des Künstlers mit dem monastischen Leben dennoch höchst wirkungsvoll aus. Da der Künstler sich nicht strikt den Beschränkungen stilistischer Konventionen unterwarf, bildete er die Mönche paarweise, teils im freundlichen Zwiegespräch, teils sich gegenseitig freundlich grüßend, ab (Abb. 147). Einige Mönche halten ein Buch mit den Psalmen Davids. Auf einer anderen Malerei, die monastisches Leben illustriert, wird ein Mönch gezeigt, der aus einem Buch liest, während er sich auf einem typischen eisernen Lesepult ausruht. Alle monastischen Figuren sind in zeitgenössischem Habit gekleidet dargestellt. Einige tragen Umhänge, die von verzierten Spangen zusammengehalten werden, und ihre Kapuzen sind mit einer Schnur um den Kopf befestigt, so dass sie wie orientalische Kopftücher wirken. Alle sind ohne Nimbus dargestellt. Die ausgesprochen differenziert ausgeführten Malereien in einer Kirche, die einem der Neun Heiligen namens Abuna Jemata, der auch Meta (Sergew 1972: 115–18) genannt wird, gewidmet ist, erstanden aus den Entwicklungen des 15. Jh. Sie brachten eine reichere Ikonographie und ein angewachsenes künstlerisches Interesse an der Beifügung von Details, die mit den lokalen Gegebenheiten zusammenhängen. Die kleine Kirche liegt im Herzen von Geralte auf der Spitze des Berges Guh und weist zwei Kuppeln auf. Auf einer sind acht Apostel abgebildet und auf der zweiten sind acht der Neun Heiligen vertreten, während der neunte, der heilige Jemata, alleine
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Abb. 147 Zwei sich begrüßende Mönche, Wandgemälde des späten 14. Jh. in der Zion Mariam Kirche in Geralte.
nachfolgende Seiten: Abb. 149 In der südlichen Kirchenkuppel von Enda Abuna Jemata sind Apostel auffallend mit Turbanen abgebildet. Abb. 150 Moses mit Turban über dem Eingang von Enda Abuna Jemata.
auf der Mauer unterhalb der Kuppel dargestellt ist. Der Heilige reitet auf einem Pferd und hält ein Kreuz in seiner rechten Hand. Der verlängerte Arm des Kreuzes ermöglicht es dem Träger, es den Gläubigen zum frommen Kuss anzubieten. Die Kapuze des Heiligen ist von etwas umgeben, das wie eine große turbanartige Kopfbedeckung aussieht. Dadurch entsteht eine gewisse Unsicherheit darüber, ob hier ein ornamentaler Nimbus wie in der islamischen Kunst dargestellt werden soll und der generell in den Guh-Malereien erscheint. Zwei weitere Reiter sind abgebildet, einer davon als Kreuz haltender Mönch. Eine Kapuze bedeckt seinen Kopf, aber weder ein zusätzlicher Turban noch Nimbus treten in Erscheinung. Der dritte Reiter ist ein Laie und wird mit einem großen Stab in der Hand dargestellt. Bis zu einem gewissen Grade sind diese drei Porträts personalisiert wiedergegeben. Die Gesichter von Jemata und dem Mönch zeigen Dreiviertelansicht. Abuna Jemata hatte das Privileg, einen Hengst zu reiten, während anscheinend der Mönch und der Laie auf Stuten angewiesen waren. Eine weitere Besonderheit des äthiopischen Lebens findet man auf der Darstellung eines jungen Mannes mit aufgelöstem Haar, die Brust nach Sitte unbekleidet und einzig mit einer Halskette geschmückt. Sein knielanger gestreifter Rock wird von einem verzierten Gürtel zusammengehalten, und er trägt ein Buch in einer Lederhülle an einem langen Lederriemen. Dies weist ihn als einen „Lehrling“ der Kirche aus. In der linken Hand hält er einen Speer, in der rechten ein Ohrstäbchen (Abb. 148). Weder der junge Mann noch der Laie zu Pferde besitzen einen Nimbus. Beide sind im Profil wiedergegeben. Dies bedeutet keineswegs, dass in ihrem Falle der Maler von der „Regel in Bezug auf den bösen Blick“ Gebrauch gemacht hat, aber es erscheint wahrscheinlich, dass er sie von all den Heiligen und heiligen Männern seines Gemäldes unterscheidbar machen wollte. Obwohl die Malereien im Ganzen den stilistischen Konventionen ihrer Zeit entsprechen, besteht ihr besonderes Merkmal in den verzierten Räumen zwischen den Figuren, was sehr an orientalische Teppiche erinnert. In der Tat sind die verschlungenen Rosetten ein starker Hinweis auf den signifikanten Einfluss islamischer Kunst (Gerster 1970: 135). Die Höhlenkirche Yedibbe Mariam im nördlichen Wollo wird der zweiten Hälfte des 15. Jh. oder den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jh. zugeschrieben. Sie besitzt gut erhaltene Wandmalereien aus dieser Periode, die denen von Guh (Buxton 1970: 47–48 Abb. 84–85) vergleichbar sind. Die Kirche wurde vermutlich von einem gewissen Abuna Moses gegründet, der nach einheimischer Überlieferung im 4. Jh. nach Äthiopien gekommen ist und hier viele Kirchen errichtet haben soll. Möglicherweise lebte er im Garsam-Distrikt, wo es eine Höhle gab, die von einem Bären bewohnt war. Es gibt die Geschichte, nach der er das Tier überredete, die Höhle aufzugeben, dort dann selbst einzog und eigenhändig die Kirche aus dem Felsen schlug, weshalb sie den Namen Yedibbe Mariam (Maria vom Bär) erhielt. Das einzige plausible Element dieser Erzählung scheint darin zu bestehen, dass es einmal eine Höhle gegeben haben muss, die schließlich zu einer komplexen Höhlenkirche ausgebaut wurde. In der Tat gibt es dort zwei Felsenkirchen, die der hl. Maria und die des hl. Georg, die durch einen Tunnel miteinander verbunden sind. Die Kirche der hl. Maria besteht aus einem großen Raum mit zwei gewölbten Öffnungen, die zu einem Korridor mit Eingängen zu drei Kapellen führen. Sie sind Abuna Moses, dem Erzengel Gabriel und Abuna Tekle Haimanot geweiht. Auf der linken Seite des großen Raumes liegen ein viereckiger Pfeiler und dahinter eine Kammer, die dem hl. Michael geweiht ist. Rechts vom Hauptraum führt eine große Öffnung zu dem Tunnel, der eine leichte Biegung macht, dann zum Ambulatorium der Kirche des hl. Georg wird und eine ihm geweihte Kapelle aufweist. In diesen zwei großen Kammern und den vier Kapellen, von denen zwei als Heiligtümer dienen, gibt
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es einen Reichtum an Figuren und Ornamenten, alle im Stil des 15. Jh., wobei die Malereien von verschiedenen Künstlern ausgeführt worden sind. Diese stilistische Uniformität wird dadurch gesteigert, dass ähnliche Farbtöne in allen Gemälden verwendet worden sind, besonders ein auffälliges grünliches Blau, verschiedene Schattierungen von Braun-Rot wie auch Ocker und Schwarz. Die meisten Figuren werden durch Beischriften gekennzeichnet. Die Mehrheit der Nimbi ist denen auf den Guh-Malereien ähnlich in der Ausführung, sie sind aber schematisierter und sehen weniger Turbanen ähnlich. Marias gekrönte Gestalt beherrscht das Bild auf der Ostwand der ersten Kirche. Sie ist thronend dargestellt, wird von zwei Erzengeln flankiert und von den zwölf Aposteln begleitet. Darunter schreiten der hl. Georg von rechts und der hl. Theodor von links aufeinander zu. Auf einem viereckigen Pfeiler ist Gottvater mit den vier Symbolen der Evangelisten dargestellt. Die vierundzwanzig Priester des Himmels tragen jeder ein Weihrauchgefäß und ein Kreuz (Abb. 151). Auf der rechten Mauer sind zwei äthiopische Heilige, Abba Gebre Manfas Kedus und Abba Samuel wiedergegeben. Rechts von den Heiligen drückte der Künstler den Volksglauben an Bestrafung für begangene Sünden lebhaft aus und stellte grauenerregende dämonische Kreaturen dar. In drei Kapellen zieren konzentrisch gemalte Figuren – Erzengel oder Cherubim – die gewölbten Decken. An den Wänden sind bartlose und bärtige Heilige in drei Reihen dargestellt. Einige halten Kreuze, während andere auf Gebetsstöcke gestützt stehen. Im Allerheiligsten findet sich eine Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit, dies ist eine einzigartige Erscheinung innerhalb der frühen Wandmalerei. Rechts davon ist die Figur der betenden Jungfrau Maria in Begleitung der Erzengel zu sehen. Es handelt sich hierbei um eine extrem seltene Darstellungsweise in der äthiopischen Malerei (Chojnacki 2002: 46–50). In der Kapelle des Gabriel schließt
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Abb. 151 Priester des Himmels mit Handkreuzen und Weihrauchgefäßen, Wandmalerei des späten 15. Jh. in der Kirche Yedibbe Mariam im nördlichen Wollo.
Abb. 152 Die biblischen Könige David mit Harfe und Salomon mit dem Schwert der Gerechtigkeit, Wandgemälde des späten 15. Jh. in der Yedibbe Mariam Kirche.
die ungewöhnliche Auswahl der Figuren eine Darstellung des Märtyrers Mamas mit ein, der auf einem Löwen reitet und von verschiedenen weiblichen Heiligen sowie auch von Adam und Noah begleitet wird. Die Wandmalereien in der Kirche des heiligen Georg legen für die Fortführung der ZagweTradition Zeugnis ab. König Lalibela wird zu Pferde einen Speer haltend dargestellt. Er trägt das Kopfband eines siegreichen Kriegers, und sein Ohrläppchen ist mit einem kleinen Holzstück durchbohrt, ein Zeichen königlichen Ranges. Zu seinem Gefolge gehört ein Diener, der einen Sonnenschirm hält, ein zweiter bläst die Trompete und ein dritter die Pfeife. Die halbbekleidete Wache trägt Schild und Speer in der einen und ein Stück Holz in der anderen Hand, mit dem sie sich am Kopf kratzt. Auf einem ungewöhnlichen Porträt des Königs Imrahane Kristos ist dieser zu Pferde reitend dargestellt. Über ihm ist ein Sonnenschirm aufgespannt, und ein bewaffneter Diener bewacht ihn. Die Tradition alttestamentarischer Themen ist vertreten durch ein Doppelporträt vom harfenspielenden König David und von König Salomo mit seinem Schwert der Gerechtigkeit (Abb. 152), während die Darstellung von Abuna Tekle Haimanot die Allgegenwart der monastischen Tradition dokumentiert. Das Heiligtum am Eingang wird von zwei Erzengeln mit Breitschwertern bewacht. An der Kuppel sind fünf Figuren von Erzengeln konzentrisch abgebildet und darunter in zwei Registern die Schar der Heiligen. Abuna Likanos wird in Begleitung von Abuna Moses gezeigt, der vielleicht der Gründer dieser Kirche war. Zu dieser ideenreichen Auswahl von Heiligen passt deren Vielfalt der Formen und der hohe Grad von Ausdruckskraft. Die frontal Dargestellten scheinen den Betrachter direkt anzusehen, während andere, in Dreiviertelansicht paarweise dargestellt, einander sanft anzublicken scheinen. Obwohl ihre Handhaltung schematisiert ist, gibt es eine endlose Vielfalt von Kreuzen.
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Spätes 16. bis 20. Jahrhundert Die muslimische Afar Invasion während des dritten und vierten Jahrzehntes des 16. Jh. und die nachfolgende Invasion durch das Hirtenvolk der Oromo und deren andauernde Besetzung des südlichen Teiles des Landes führten zur Zerstörung einer unbekannten Anzahl von Kirchen und somit der in ihnen befindlichen wertvollen Kunstwerke. Das Reich schrumpfte auf die Hälfte seiner alten Größe, und sein Zentrum verlagerte sich an den Norden des Tanasees. Während des späten 16. und frühen 17. Jh. versuchten die Kaiser feste Residenzen zu etablieren, indem sie Paläste aus Stein erbauten, aber erst Kaiser Fasilides (1632–67) gründete in den späten 1630er Jahren die Hauptstadt Gondar, die für beinahe zwei Jahrhunderte zum Mittelpunkt der Regierung und der kulturellen Bestrebungen wurde. Diese ausgedehnte Periode politischer Stabilität und relativen ökonomischen Gedeihens führte zu einer strahlenden Ära des Palast- und Kirchenbaues sowie zu intensiver künstlerischer Kreativität. Sie wurde bekannt als „Gondar“ oder „Gondarische Periode“. Während dieser Periode traten zwei grundlegende Änderungen im Gegensatz zu den Errungenschaften während der vorangegangenen Jahrhunderte auf. Die eine bezog sich auf die Malerei und die andere auf die Kirchenarchitektur. Die erste Veränderung bestand in der Schaffung eines einheitlichen Stils. Dies geschah als eine besondere Art zu malen, die in den Werkstätten von Gondar entwickelt worden war und von den Künstlern des ganzen Landes übernommen wurde. Es wurde für junge Künstler aus den Provinzen üblich, nach Gondar zu reisen, um sich weiter ausbilden zu lassen. Nach ihrer Rückkehr in die Provinzen arbeiteten sie natürlich in dem
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Abb. 153 17. Jh. – Wandmalerei von den 22 Märtyrern, die im Tanasee ertränkt werden sollten, in der Kirche Debre Sina Mariam in Gorgora am Tanasee.
Abb. 155 Die Opferung Isaaks, Wandmalerei aus dem 17. Jh. in Debre Sina Mariam in Gorgora.
Abb. 154 Rettung der drei Jünglinge durch den Erzengel Gabriel aus dem Feuerofen in Babylon, Wandmalerei des 17. Jh. in Debre Sina Mariam in Gorgora.
dort erworbenen Stil weiter und wurden selbst zu Lehrmeistern, die die Verbreitung des Malstils von Gondar fortführten. Dies entwickelte sich zu zwei besonderen Ausdrucksformen, dem ersten Gondar-Stil im 17. Jh. und dem zweiten im 18. Jh. und darüber hinaus. Der zweite Wechsel betraf die Architektur und trat während des 16. Jh. auf, als ein neuer Typ runder konzentrischer Kirchen allgemein üblich wurde und sich bis zum heutigen Tage erhalten hat. Die neue Bauform der Kirchen hatte eine zweifache Auswirkung auf die Wandmalereien. Was die Technik betrifft, so sind die Malereien auf eine gemauerte Wand aufgetragen, während bei den Felsenkirchen der Fels lediglich geglättet und nur in einigen Fällen gekalkt werden musste. Bei freistehenden Kirchen wurde auf die geglättete Wandfläche ein Baumwoll-Tuch geklebt, mittels eines Leimes, der aus gekochtem Getreidemehl bereitet wurde. Dann wurde die Baumwolle mit in einer Mischung aus in Leim und Wasser aufgelöstem weißen Kalk grundiert und darauf dann die Farbe aufgebracht. Diese Methode machte die Malereien brüchig und anfällig für Feuerschäden. Dieser Nachteil, gepaart mit der langgepflegten Praxis des Neudekorierens von Kirchen, wirkte sich besonders schädlich aus in Bezug auf die Erhaltung alter Wandmalereien. Zum Zwecke der Neudekorierung wurden die Tücher einfach abgezogen, neue Tücher aufgebracht und diese mit neuen Malereien versehen. Es ist Tatsache, dass nur sehr wenige Wandmalereien aus dem 17. und 18. Jh. überlebt haben, wohingegen die heute noch existierenden meist in das späte 19. und 20. Jh. datieren. Im Gegensatz zu den Felsenkirchen, bei denen alle Innenwände mit Malereien ausgeschmückt sind, war dies bei den Rundkirchen hauptsächlich an den Außenwänden des Heiligtums und der Trommel darüber der Fall. Das bedingte wiederum das Problem der Gleichförmigkeit in der
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Anordnung der Bildthemen auf den Wänden, und daher wurden die diesbezüglich geltenden Regeln entsprechend angewandt. Diese Änderungen entwickelten sich schrittweise durch Imitation und wurden mündlich weitervermittelt. Sie wurden nicht in die geschriebenen Regeln der äthiopischen Kirche aufgenommen. Erst 1932 bat der französische Gelehrte Marcel Griaule den in Gondar lebenden Priester und Maler Abba Kasa die Regeln aufzuschreiben, wie er sie praktizierte, und durch Musterbuch-Zeichnungen zu illustrieren (Staude 1958: 253–308). Dieses sehr nützliche Dokument spiegelt den Kenntnisstand des 20. Jh. bezüglich dieser ungeschriebenen Regeln, unterliegt aber natürlich den üblichen Beschränkungen derartiger Dokumente. Seither wurden vier detaillierte Beschreibungen von Wandmalereien in ausgewählten Gondar-Kirchen des 17. und 18. Jh. veröffentlicht. Sie bieten eine präzisere Vorstellung der damaligen Verbreitung von Bildthemen. Der Beginn dieses Entwicklungsprozesses und die Hauptelemente des ersten Stils von Gondar enthüllen sich in Debre Sina, einer Kirche am Tanasee. Eine Wandmalerei stellt die Märtyrer dar, die im Tanasee ertränkt werden sollten, wie sie zum Wasser gebracht wurden und dort beteten (Abb. 153), die zweite zeigt die drei hebräischen Jünglinge in Babylon, die der Erzengel Gabriel vom Tode in einem Feuerofen gerettet hat (Abb. 154). Auf der dritten Wandmalerei ist Isaaks Opferung dargestellt (Abb. 155). Diese Wandmalereien wurden wahrscheinlich im dritten Jahrzehnt des 17. Jh. von der Prinzessin Melekotawit, der Schwester des Kaisers Fasilides, in Auftrag gegeben und im Laufe der folgenden Jahrzehnte vollendet (Staude 1959: 213–24; Jäger 1974: 63–65; Wion 2001: 280–81). Die Malereien in Abba Antonios bei Gondar sind unsicher zu datieren, aber im Stil sehr ähnlich gemalt wie die in Debre Sina und waren wahrscheinlich ähnlich arrangiert (Staude 1959: 188–213). Die Malereien in Qoma Fasilides, Begemder, datiert man in die frühen Regierungsjahre des Kaisers Fasilides. Obwohl
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Abb. 156 (links) Der hl. Georg rettet den Diakon Georg aus der Gefangenschaft der Sarazenen, Wandgemälde des 18. Jh. in der Miriam Papaseyti Kirche. Abb. 157 (rechts) Geflügelte Engelsköpfe in der Motta Giorgis Kirche in Godscham.
Abb. 158 Wiederkunft Christi, Wandmalerei des 19. Jh. in der Bizena-GiorgisKirche in Ost-Godscham.
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einige Bildthemen den Arrangements in den beiden vorgenannten Kirchen folgen, macht der Reichtum an völlig neuen Bildthemen die Bildgestaltung hier zu etwas außergewöhnlichem (Wion 2001: 377–306). Die Malereien der Motta Giorgis Kirche, die während der Mitte des 18. Jh. im zweiten Stil von Gondar ausgeführt wurden, sind für einen grundlegenden Stil-, Themen- und Arrangementwechsel bezeichnend. Dies betrifft die geflügelten Köpfe der Engel auf den Türgewänden (Abb. 157) und die ausgedehnte Verwendung von Themen aus der Negere Mariam, einer apokryphen Geschichte aus dem Leben Mariens wie auch aus dem Buch ihrer Wunder mit einer Vielzahl diesbezüglich verwandter Abbildungen. Auch das Martyrium des hl. Georg und seine Wunder (Abb. 156) wurden zu bevorzugten Darstellungsobjekten. Das Arrangement der Bildthemen tendiert im Großen und Ganzen mit den Regeln von Abba Kasa überein zu stimmen. In der Mehrzahl der Kirchen aus dem 19. und 20. Jh. werden die Heilige Dreifaltigkeit auf der Westseite der Trommel und die heiligen Krieger stets auf der Nordseite der Mauer dargestellt. Die Wiedergabe der Jungfrau Maria rechts von der Tür in der Westmauer und die des hl. Georg links von dieser Tür bleiben unverändert. Eine weitere Entwicklung besteht in der Einbeziehung von Porträts der Kirchenstifter. Im späten 18. Jh. und während des 19. Jh. traten neue Bildinhalte auf. Dazu gehört die zweite Ankunft Christi (Abb. 158). Ebenso wurde es gebräuchlich, Kaiser und Provinz-Regenten als Anführer von Kirchenumzügen, bei ihren Jagdgesellschaften und sogar auf Kriegszügen darzustellen. Im 20. Jh. führte man die Ausschmückung von Kirchen durch Wandmalereien weiter. Man bezog neue attraktive Gestaltungselemente ein, die durch Äthiopiens starken Trend zur Modernisierung beeinflusst wurden (Abb. 159).
Miniaturmalerei Früheste illuminierte Manuskripte
Abb. 159 Muttergottes mit Kind und Stifterporträts, Wandgemälde von 1980/81 in Debre Gennat Ruba Wayni in Temben.
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Die Schaffung illuminierter Manuskripte und die zeitaufwändige Anfertigung von Pergamenten stellen eine weitere bezeichnende Komponente des kulturellen und künstlerischen Erbes Äthiopiens dar. Im Lichte des Alters ihrer Entstehung gesehen sind sie von besonderem Interesse in Bezug auf die christliche Ikonographie. Die Einführung des Christentums im 4. Jh. führte zu Übersetzungen nahöstlicher, christlicher, liturgischer und dogmatischer Texte, monastischer Regeln und apokrypher Literatur in die äthiopische Sprache. Man hat zuerst die Heilige Schrift aus dem Griechischen übersetzt. Die Übersetzung wurde aber durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder erneuert oder verbessert. Es sieht so aus, als habe man lediglich neutestamentliche Manuskripte mit Miniaturen illuminiert. Die Lokalisierung der frühesten illuminierten Evangelien ist ziemlich gesichert, was ermöglicht, die Merkmale der frühesten Methoden der Miniaturmalerei zu definieren. Man datiert zwei illuminierte Manuskripte der vier Evangelien, Eigentum des Abba Gerima Klosters bei Adua in Tigre, als die ältesten in Äthiopien entdeckten. Bedauerlicherweise befinden sie sich in schlechtem Zustand. Einige Folios sind falsch zusammengenäht, um zwei Kodizes zu bilden. Sie sind in Holzdeckel gebunden, auf denen silberne Bleche festgemacht sind. Eines ist dünn vergoldet und beide sind mit reliefierten ornamentalen Mustern gestaltet. Keines von beiden scheint an Ort und Stelle hergestellt worden zu sein. Beide Manuskripte liefern deutliche Informationen über das Fortdauern der kulturellen Beziehungen Äthiopiens mit Vordera-
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sien und dem koptischen Ägypten. In den 1950er Jahren untersuchte der französische Gelehrte Jules Leroy eines der Manuskripte, das später „Garima 1“ genannt wurde. Er versuchte, es in das 10. oder 11. Jh. zu datieren. Er bemerkte eine auffällige Ähnlichkeit der Giebel-Rahmen der Kanones des Eusebius mit armenischer Evangelien-Verzierung. Er nahm wohl an, dass die Folios mit ornamentalen Rahmen ausländischen Ursprungs sein dürften (Leroy 1962: 131–43). B. Jacques Mercier, ebenfalls französischer Gelehrter, scheint gleichermaßen von Leroys Hypothese überzeugt zu sein (Mercier 2000: 45). Seit der Publikation von Leroys Fund haben auch andere Fachleute die Kodizes untersucht und sie unterschiedlichen Zeiten, zwischen dem 8. und 11. Jh., zugeschrieben. C-14 gestützte Untersuchungen lassen als Altersbestimmung einiger Kodizes auch das 6. und 7. Jh. für möglich erscheinen. Allerdings stellen alle bisherigen Meinungsäußerungen zur Datierung und zu anderen Aspekten dieser wichtigen Manuskripte nur Versuche dar. Der Kodex „Garima 2“ scheint eine Sammlung von Folios verschiedener Herkunft, die man zusammengebunden hat, zu sein. Die Folios der Konkordanzen bestehen in der Tat aus Folios verschiedener Qualitätsstufen. Einige der Folios sind mit außerordentlich kunstvollen Ornamenten, die mit der syrischen und armenischen Kunst verwandt sind, geschmückt. Im Gegensatz hierzu ist die Ornamentierung anderer Folios sicher von einheimischer Hand ausgeführt. Die architektonischen Formen verloren viel von ihrer strukturellen Bedeutung, da der Künstler es vorzog, ihre Ornamentik zu betonen und der offensichtlichen Tendenz der Vereinfachung ihrer Formen unterlag. Ein Folio mit der Darstellung des Lebens-Brunnens wurde offenbar nicht lange zuvor in den Kodex eingenäht. Es ist vom Typ, der sowohl auf die Rabbula weist als auch auf die Edschmiadzin Evangelien (Armenien). Die Form besteht aus charakteristischen Schlüsselelementen der letzteren, einschließlich der auf das gebogene Dach gezeichneten Blätter, einem Muschelmuster in dem vom Dach geformten Dreieck und dem gebogenen Architrav. Die Miniaturen sollten einer Periode vor dem 14. Jh. zugewiesen werden. In beiden Kodizes finden sich eine sitzende mit vier stehenden Figuren. Man darf sicher annehmen, dass in „Garima 2“ vier Figuren (drei stehende und eine sitzende) die Evangelisten darstellen, obwohl sie nicht notwendigerweise dem selben Evangelien-Manuskript entstammen. Stilistisch jedenfalls sehen sie sich definitiv ähnlich. Ihre linken Hände, in denen sie das Buch halten, sind in Kleidungsstoff gewickelt, in Übereinstimmung mit dem traditionellen Respekt, der heiligen Gegenständen entgegengebracht wird, während die Evangelisten in äthiopischen Evangelien hauptsächlich mit dem Buch in der bloßen Hand dargestellt werden. In „Garima 2“ zeigen drei Evangelisten mit zwei Fingern ihrer rechten Hand auf das Buch, ein Gestus, der auch in der koptischen Kunst zu finden ist. Der Einband des Buches widerspiegelt in zwei Fällen tatsächlich das reliefierte Ornament der Garima Kodizes. Ein Evangelist, vielleicht der Evangelist Johannes, trägt koptische liturgische Kleidungsstücke. Die einzige stehende Figur in „Garima 1“ ist in allen Teilen identisch mit zwei Figuren in „Garima 2“ und stellt sicher einen Evangelisten dar. Der Hintergrund von Miniaturen ist einfarbig gehalten, mit Ausnahme des perspektivisch wiedergegebenen Podiums, auf dem die Evangelisten stehen. Ihre Gebärden und ihre kurzen, gedrungenen Gestalten mit großen Köpfen sind klar den Wandmalereien des 7. und 8. Jh. in Bawit und Sakkara (Ägypten) (Walters, 1974: 326) sowie verschiedenen koptischen Manuskripten des 8. bis 11. Jh. entlehnt (Leroy 1974: 26, 27, 28, 32). Das Podium findet man bereits auf syrischen Abbildungen alttestamentarischer Figuren (Friend 1927: 129–30 Abb.46, 56). Drei
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Abb. 160 Der Evangelist Markus, Buchmalerei vor dem 11. Jh. aus dem Kloster Abba Garima in Tigre.
verschiedene Typen von Ornament-Mustern werden zur Umrahmung verwendet, aber die Quadrate an den Ecken werden immer mit den selben Ornamenten gefüllt. Dies kennzeichnet deutlich eine stilistische Einheit, die den Miniaturen allen gemeinsam ist. Obwohl die Miniaturen vom Stil her der christlichen syrischen Kunst entstammen, sind sie auch armenischen Kunstformen verwandt. Sie wurden von gut ausgebildeten Kunsthandwerkern hergestellt und dürften älter sein als die Kodizes, in die sie eingesetzt wurden. In Bezug auf Datierung stellen sie die ältesten der bisher in Äthiopien gefundenen Figuren stehender Evangelisten dar und dienten unzweifelhaft Generationen äthiopischer Künstler als Vorlagen. Die sitzende Figur des Evangelisten Markus (Abb. 160) soll eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Figur des Apostels auf dem Mosaik des Grabmales der Galla Placidia in Ravenna aus dem 5. Jh. haben (Lepage 1977: 332). Eine mögliche Verbindung zur armenischen Kunst wurde vorgeschlagen wegen des Fußes des Schreibtisches des Evangelisten, der als Fisch oder Delphin ausgestaltet wurde (Der Nersessian 1973: 6, Abb. 42). Also ist die Miniatur das Endresultat aufeinanderfolgender Umwandlungen beginnend mit hellenistischen Kunstformen. Das gleiche trifft auf eine weitere Miniatur in „Garima 2“ zu. Sie stellt den Tholos (Rundbau) als voll entwickelte Architekturform vor, die eine symbolische Wiedergabe des Heiligen Grabes sein könnte. Auf alle Fälle ist die Wiedergabe des Tempels verschieden von allen anderen Interpretationen, die man sonst aus dem Bereich der äthiopischen Kunst kennt. Beide Miniaturen werden dem 11. und 12. Jh. zugeschrieben (Lepage 1977: 333). Eine besondere Gruppe von einem Dutzend Manuskripten aus dem 14. Jh. spiegelt Entwikklungen während der frühesten Periode der Kunst der Evangelien-Illumination wieder. Sie illustriert auf dramatische Weise die Fähigkeit der äthiopischen Kultur, jede importierte Kunstform zu assimilieren und sie über sehr lange Perioden hinweg beizubehalten. Die fraglichen Miniaturen helfen, eine wichtige Facette aksumitischen künstlerischen Erbes zu rekonstruieren, während sie auch die frühchristlichen Prototypen sehr genau wiederspiegeln. (Lepage 1987: 159–96). Die oben besprochenen Manuskripte enthalten nur drei Vorsatzblatt-Miniaturen, von denen eine die Kreuzigung ohne die Christusfigur darstellt, die zweite zwei Marienfiguren – eine Maria, Mutter Jesu am Grab – und die dritte die Himmelfahrt zeigt, zusammen mit der betenden Jungfrau, flankiert von zwei Engeln. Die Miniaturen in den Jesus Moa und Kristos Tasfamne Evangelien enthüllen das Entwikklungsschema. Die Darstellungen des Lebensbrunnens auf den Debre Mariam und IES (Institute for Ethiopian Studies) n.2475a Miniaturen korrespondieren miteinander, einschließlich der Inschrift, die aber auf der Jesus Moa Miniatur fehlt. Dies lässt vermuten, dass sie alle von der gemeinsamen Vorlage abgeleitet wurden.
Frühe Skriptorien und ihre Malschulen Es gibt keine illuminierten Manuskripte, die man spezifisch der Periode der Zagwe Könige zuschreiben könnte – ein Umstand, für den Gelehrte verschiedenste Erklärungen liefern, auch die Möglichkeit vorsätzlicher Zerstörung (Getatchew 1985: 41). Weiteren Aufschluss gaben Manuskripte aus dem 13. und 14. Jh., während die ersten gut erhaltenen illuminierten Evangelien mit dem Wiederbeginn der salomonischen Dynastie zusammenfallen. Das erste wichtige Skriptorium in Zentral-Äthiopien soll in der zweiten Hälfte des 13. Jh. von Jesus Moa (Abb. 161) eingerichtet worden sein, der auch das St. Stephan Kloster auf einer
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kleinen Insel im Haik See, im Hochland von Wollo gelegen, gründete. Er erwarb sich den Respekt von Yekuno Amlak, dem Neubegründer der salomonischen Dynastie im Jahre 1368 od.70, der ihm und seinen Nachfolgern das ruhmreiche Amt eines „Bekenners des Königs“ übertrug (Tadesse Tamrat 1972: 158–60). Ein paar Jahre, bevor Jesus Moa im Jahre 1292 starb, schenkte er dem Kloster ein Manuskript der Evangelien, das in den Jahren 1280/81 in seinem Skriptorium kopiert und illuminiert worden war. Dort wird der Kodex noch heute hochgeschätzt (Tadesse Tamrat 1970: 88–91). Sein Nachfolger, Za-Iyasu, schenkte dem Kloster das Evangelienbuch, das König Yagbea-Seyon (1285–94) „mit Gold und Silber schmückte“. Es handelte sich vermutlich um einen reliefierten Metallumschlag aus vergoldetem Silber, der ähnlich den beiden Abba Garima Kodizes gestaltet war. Der nachfolgende Abt, Kristos Tesfane (ca. 1316/17– ?), gab eine Kopie illuminierter Evangelien in Auftrag, die ebenfalls im Skriptorium angefertigt wurde. Nach seinem Tode wurde das Buch in den Bestand der Klosterbibliothek übernommen und dort über Jahrhunderte aufbewahrt, bis es in den 1940er Jahren in die Nationalbibliothek in Addis Abeba überführt wurde. Das Skriptorium war im 15. Jh. noch sehr produktiv, aber die Arbeit kam während der Adal-Invasion im 16. Jh. zum Erliegen. Der Adal-Führer Ahmad Grañ hatte das Kloster erobert und verlangte alle Schätze und Manuskripte als Lösegeld, damit er nicht die Kirche zerstöre und die Mönche töte. Es scheinen allerdings nicht alle Manuskripte und Sakralgegenstände an den Eroberer ausgeliefert worden zu sein. Die geretteten illuminierten Manuskripte bezeugen den hohen künstlerischen Standard der Buchmalerei in Haik. Diese Manuskripte sind in einem besonderen Stil gemalt, der als Haik- Schule bekannt wurde. Von den drei erhaltenen Manuskripten sind zwei
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Abb. 161 Abuna Jesus Moa, Buchmalerei von 1280/81 aus dem Kloster Istefanos am Haik-See in Wollo.
Abb. 162 Kanontafeln und Lebensbrunnen, Buchmalerei von 1280/81 aus dem Kloster Istefanos am Haik-See.
bereits bekannte Evangelien. Eines wurde von Jesus Moa (Getatchew Haile 1982: 301) in Auftrag gegeben, das andere von Kristos Tesfane (Paulos Sadwa 1958: 9–28). Das dritte Manuskript behandelt den Kampf der Apostel und wird in die Jahre 1292–97 datiert (Getatchew Haile 1982: 237–39). Leroy kam zu dem Schluss, nicht syrische, sondern armenische Vorbilder inspirierten die Verzierungen der Kanones des Eusebius, die man in der großen Gruppe von Evangelien-Manuskripten aus dem 14. und 15. Jh. fand (Leroy 1962: 202–03). Dazu gehören die Jesus Moa und Kristos Tesfane Evangelien. Sie enthalten den Brief des Eusebius an Cyprianus, sieben Kanones und den Lebensbrunnen (Abb. 162). Im Anschluss daran finden sich mehrere Frontispize – Miniaturen mit Darstellungen von Begebenheiten aus dem Leben Christi. Am Beginn ihrer jeweiligen Evangelien sind die Evangelisten dargestellt. Analog dazu besteht der Schmuck jedes Kanon aus dem auf zwei Säulen ruhenden gegiebelten Bogen, wobei der Raum zwischen Architrav und Bogen wie auch die Bogenfelder üppig mit den verschiedensten Schmuckornamenten sowie verschiedenartigen Vögeln und pflanzlichen Motiven ausgefüllt sind. An der Innen- oder Außenseite der Säulen abgebildete Vorhänge, ein Detail, das in armenischen Manuskripten stets fehlt, kennzeichnen die Besonderheit der äthiopischen Kanon-Verzierung. Selten fehlen sie ganz. Doch nicht nur armenischer Einfluss kennzeichnet diese Gruppe von Manuskripten. Die Darstellung der Kreuzigung ohne die Figur des Gekreuzigten ist das früheste Beispiel für eine lange Reihe von Darstellungen, die man in illuminierten Evangelien des 13. und 15. Jh. findet. Diese besondere Darstellungsweise entwickelte sich wahrscheinlich aus der so genannten AmpulaKunst Palästinas (Balicka-Witakowska 1997: 111–17). Die Darstellung des Kopfes des hl. Mar-
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kus auf dem folgenden Folio könnte durch die Wertschätzung der Kopten der Reliquie des Hauptes dieses Heiligen gegenüber erklärt werden, das der Überlieferung zufolge auf wunderbare Weise in Alexandria erhalten geblieben sein soll (Heldmann 1983: 554–68). Die zu ihren Lebzeiten gemalten Darstellungen von Jesus Moa und Kristos Tesfane in ihren jeweiligen Evangelien sind die frühesten Porträts von Auftraggebern von Manuskripten. Der Künstler der Miniaturen in den Kristos Tesfane Evangelien war offensichtlich von den Darstellungen in den Jesus Moa Evangelien beeinflusst, folgte ihnen aber nicht sklavisch. Er malte ausschließlich Szenen aus dem Neuen Testament und apokryphen Schriften zum Leben Marias. Die Evangelisten-Figuren sind zum Teil stehend, zum Teil sitzend und schreibend dargestellt. Die Art der Gesichtsdarstellung ist ein kennzeichnendes Merkmal der Haik Schule. Abgesehen von wenigen Ausnahmen verbergen bei den Mönchen lange Bärte die länglichen, eingesunkenen Wangen. Frauengesichter sind quadratisch und breit wiedergegeben. Sie sind frontal dargestellt und ihre großen, stechenden Augen sind mit starken schwarzen Strichen gezeichnet. In den Jesus Moa Evangelien sind die Gesichter der Soldaten beim Verhör Christi in Dreiviertelansicht und Turbane tragend dargestellt, was an ein importiertes Vorbild denken lässt. Das Manuskript der Gadla Hawaryat (spätes 14. Jh.) oder „Apostelgeschichte“ ist mit einer Reihe von Darstellungen der Aposteln am Anfang ihrer jeweiligen Lebensgeschichte ausgeschmückt. Die Figuren ähneln in der Art der Wiedergabe den stehenden Evangelisten in den Kristos Tesfane Evangelien. Ein Muster aus Palmwedeln, wie es den Bogen in der Miniatur des Evangelisten Johannes schmückt, findet sich häufig bei den Aposteldarstellungen auf Miniaturen. Alle Apostel werden mit einem Buch in ihrer linken Hand dargestellt. Folio 2v zeigt die symbolischen Darstellungen von Abraham, Isaak und Jakob, den Stammvätern aus dem Alten Testament. Sie sind die ältesten ihrer Art; aus der Kunst des 15. Jh. kennt man mehrere derartige Darstellungen.
Die Entwicklung des geometrischen Stils Im 13., 14. und größtenteils auch noch im 15. Jh. war es bei den Künstlern vorherrschende Tendenz, menschliche Figuren als geometrische Formen abzubilden. Das charakteristische Kennzeichen dieses Stils ist das mangelnde künstlerische Einfühlungsvermögen in die physische Wirklichkeit der menschlichen Figur und deren Darstellung auf Malereien. Sie sind mit ornamentalen Mustern gefüllt und bestehen aus parallelen und sich schneidenden Linien, an die Köpfe, Hände und Beine angesetzt wurden. Es ist klar, dass der Ausdruck „geometrischer Stil“ nur sehr generalisierend verwendet werden kann. Diese Stilrichtung war mit abnehmender Tendenz bis in das späte 17. Jh. hinein vorherrschend. Innerhalb der allgemeinen Kunstrichtung existierten besondere, sehr unterschiedliche Ausdrucksformen. Möglicherweise begann sich der geometrische Stil während des 14. Jh. in Skriptorien Nordäthiopiens herauszubilden. Ein Beispiel seiner frühesten Ausdrucksform ist das Evangelienmanuskript des Debre Seyon Klosters in Geralta. Ähnliche Evangelienmanuskripte sind in Akale Guzai in Tigre und in Debre Ahia Fedsch Kuskam in Wollo erhalten. Dieser Gruppe von Manuskripten gehören auch der Brief des Eusebius und acht Tafeln der Kanones an. Sie sind umgeben von einem ehemals klassischen Rahmenmuster, das nun auf eine Reihe einfacher schwarzer und roter konzentrischer Halbkreise, Säulen und Bogenfelder reduziert ist. Die Kapitelle und Basen der Säulen sind umgestaltet in kleine Kreuze mit roter Spitze, was den nachlassenden Einfluss des Prototyps anzeigt. Alles wurde von kundiger Hand unter Benutzung von Zirkel und Lineal
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Abb. 163 Der Evangelist Johannes, Buchmalerei, 14. – 15. Jh., aus dem Kloster Ahia Fedsch Kuskam in Wollo.
ausgeführt. Alle Evangelisten sind stehend abgebildet und entsprechen dem Abba Gerima Typus. Sie sind – von einer gelben Leiste umrahmt – in indigoblaue Rechtecke, Kreuze oder Dreiblatt-Formen hineingestellt. Die charakteristischen Merkmale der Figuren zeigen ihre perfekt runden Köpfe, die ebenfalls mit dem Zirkel gezeichnet sind, und ihre leuchtend zinnoberroten Gesichter. Sie sind frontal dargestellt und halten in der linken Hand ein Quadrat, welches das Buch der Evan-
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Obwohl die Gewanddarstellungen sich wiederholende strenge geometrische Muster aufweisen, lassen sich doch verschiedene Stoffarten und teppichähnliche Muster unterscheiden, was ein Charakteristikum dieses Stils darstellt. Diese bemerkenswerte stilistische Entwicklung begegnet uns ähnlich bei dem traditionellen Spiralmuster und zeigt damit eine Verbindung zwischen der sakralen äthiopischen Kunst und der afrikanischen Volkskunst auf. Im späten 14. Jh. und an der Wende zum 15. Jh. entwickelte sich im nördlichen Hochland Äthiopiens eine weitere stilistische Variante des geometrischen Stils. Ein Beispiel hierfür sind Miniaturen in einem Manuskript des 14. Jh., das für das Stundenbuch des Abba Samuel von Waldebba, des Gründers des nach ihm benannten Klosters, gehalten wird. Diese Variante bezeichnete man als den „samuelitischen Stil“. Ein Manuskript des späten 14. Jh. mit Heiligen- und Märtyrergeschichten, das derzeit in Debre Seyon Mariam bei Tulu Gudo am Zwai-See aufbewahrt wird, enthält Miniaturen, die denen im Abba Samuel Manuskript ähneln und sicherlich den Skriptorien Nord-Äthiopiens entstammen. Diese Miniaturen sind ein herausragendes Beispiel für die Variationen des geometrischen Stils. Es scheint daher sinnvoll, die Bezeichnung „samuelitisch“ durch eine Benennung zu ersetzen, die die Zuordnung der Manuskripte zu den einzelnen Skriptorien erkennen lässt. Die Besonderheit des Manuskripts vom Zwai-See liegt in mehreren Miniaturen mit den Darstellungen von Heiligen, die in der koptischen Kirche verehrt werden. Die kunstvolle Ausgestaltung oben auf jedem Incipit-(Einleitungsformel-)Folio der Lebensgeschichte eines Heiligen wurde zu einem charakteristischen Merkmal früher äthiopischer Manuskripte. Die Köpfe der Heiligen sind in Form eines länglichen Dreiecks gestaltet. Sie tragen spitz zulaufende Bärte. Die hohlwangigen Gesichter sind hauptsächlich frontal dargestellt. Abba Pantaleon (Abb. 164) ist in Dreiviertelansicht und mit abgerundetem Bart abgebildet. Das schwarze Haar der Figuren ist durch kurze weiße Linien gekennzeichnet. Die langen, schmalen Nasen und oberen Augenlider sind durch eine Linie angegeben und die schwarzen Pupillen an die oberen Augenlider angefügt. Ihre hohen, gebogenen Augenbrauen sind dicht, aber kurz. Der Mund ist mit zwei kurzen dünnen Strichen gezeichnet. Gebogene Schnurrbärte ziehen sich von den Bärten über die Wangen, formen ein fast rundes Kinn, sind aber unter der Nase nicht zusammengewachsen. Die für diesen Stil signifikanten Hände haben lange gebogene Daumen; die Füße sind verhältnismäßig klein. Die Figuren sind als längliche Rechtecke angegeben. Oben deutet ein Bogen die Schultern an. In den Rechtecken sind die Stoffe der langen Gewänder und Mäntel durch zahlreiche vertikal oder diagonal laufende parallele Linien angedeutet. Punkte werden gelegentlich zu Reihen geordnet und bilden ein kariertes Muster. Diese einfache, aber sehr wirkungsvolle Gestaltung vermittelt durch Wiederholung den Eindruck von Schwung und innerem Rhythmus. Außer den im Gebet dargestellten Heiligen halten alle Figuren lange Stäbe mit verschiedenartigen Kreuzen an den Spitzen.
Das Goldene Zeitalter der Manuskriptillumination – spätes 14. bis 16. Jahrhundert gelien symbolisiert. Die meisten deuten auf dieses Buch mit ihrer rechten Hand. Dünne Augenbrauen und eine schmale Nase bestehen aus einer durchgehenden Linie, die Nasenspitze berührt zwei kurze Linien, die den Mund bilden. In den Ahia Fedsch Evangelien sind alle Gesichter bartlos – ein entfernter Anklang an ihren hellenistischen Ursprung (Abb. 163). Dagegen wurden in den Debre Seyon Evangelien den ursprünglich bartlosen Kinnpartien längliche Bärte angefügt. Es erfordert große Kunstfertigkeit, Körperformen auf geometrische Formen zu reduzieren.
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Abb. 164 Abba Pantaleon, Buchmalerei des späten 14. Jh. in Zion Mariam, Tulu Gudo, Zwai-See.
Im späten 14. Jh. wurde eine große Anzahl arabischer Manuskripte verschiedenen religiösen Inhalts in das Äthiopische übersetzt. Einige der aus dem koptischen Ägypten stammenden Manuskripte dürften mit Miniaturen illuminiert gewesen sein. Die zahlreichen nordäthiopischen Manuskripte über das Leben von Heiligen und Märtyrern aus der vorderasiatischen Hagiographie enthalten Abbildungen der Heiligen im geometrischen Stil. Der Beginn einer jeden Erzählung ist durch Harag Ornamentierung (stilisierte Ranke einer Kletterpflanze) markiert (Zanotti-Eman 1993: 63).
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Zu dieser Zeit stellten die Künstler die Jungfrau Maria als Betende dar – vielleicht nach koptischem Vorbild. Ähnlich entstand der Hodegetria Typus der sitzenden Jungfrau mit dem Christuskind, flankiert von den Erzengeln Michael und Gabriel. Sie strecken ihre Hände nach Mutter und Kind aus oder halten Kreuze. Ihre inneren Flügel laufen anmutig nach oben hin spitz zu. Das in dieser Zeit sich entwickelnde Bild der thronenden Jungfrau mit ihrem Kind im Schoß ist stets kombiniert mit den Erzengeln, die sie mit ihren Flügeln schützen (Chojnacki 2002: 52–66). Die Regierungszeit König Dawits I. (1379/80–1413) war der Beginn anderthalb Jahrhunderte dauernder ausgedehnter künstlerischer Aktivitäten mit lebhaften Kontakten nach Vorderasien, Europa und Indien. In dem an seinem Hofe eingerichteten Skriptorium erlebten die Herstellung von Handschriften und die Miniaturenmalerei eine Blütezeit. Drei der im Skriptorium entstandenen Manuskripte sind erhalten. Eine der Handschriften beschreibt die Wunder Mariens. Dawit veranlasste die Übersetzung dieses in Europa und Vorderasien verbreiteten Textes aus dem Arabischen in das Äthiopische. Das Manuskript wurde für ihn kopiert und mit neun Miniaturen ausgeschmückt, die ihn zur heiligen Mutter betend zeigen (Abb. 165). Gold wurde vor allem zur Darstellung der Figur Mariens verwendet. Das zweite Manuskript – Oktateuch und die vier Evangelien – enthält eine Reihe von Miniaturen mit Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament. Das dritte Manuskript besteht aus verschiedenen Texten, von denen einer, die Klage Mariens, mit Miniaturen im gleichen Stil, verziert ist. Die Besonderheit dieser Miniaturen sind die Gesichter in Dreiviertelansicht. Diese Art der Darstellung wurde im Laufe der folgenden Jahrhunderte häufig gewählt. Das schwarze Haar der männlichen Figuren ist oben auf dem Kopf charakteristisch flach, auf einer Seite winkelig und auf der anderen Seite in den Nak-
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Abb. 165 (links) Maria mit dem Kinde und König Dawid I (in Gebetshaltung), Buchmalerei von1379/80– 1413, Wunder Mariens von Gishen Mariam in Wollo. Abb. 166 (rechts) Flucht der hl. Familie nach Ägypten und Taufe Christi, Buchmalerei des 15. Jh. aus dem Kloster Tansaye in Tembien.
Abb. 167 Christi Himmelfahrt, Buchmalerei des 15. Jh. von Boru Selassie in Wollo.
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ken fallend dargestellt. Typisch für die Künstler des königlichen Skriptoriums ist die eigentümliche Art der Fußdarstellung, bei der die große Zehe entweder fehlt oder nach unten zeigt und manchmal von der zweiten Zehe überkreuzt wird. Im 14., 15. und frühen 16. Jh. wurde die Produktion illuminierter Evangelien unvermindert fortgesetzt. Ikonographie und Stil der erzählenden Szenen lassen vorwiegend byzantinische Vorbilder der post-ikonoklastischen Tradition (nach dem Bildersturm) erkennen, seltener solche der ostchristlichen archaischen Tradition. Einflüsse scheinen auch aus der Kunst der benachbarten islamischen Länder zu stammen. Da die Künstler und Schreiber hauptsächlich Mönche waren, enthalten die Miniaturen Details aus dem liturgischen und religiösen Leben. Die Darstellungen von Begebenheiten aus dem Leben Christi und seiner Passion entstammen großteils der paläologischen Kunst des 14. Jh. Dies ist besonders evident auf dem schönen, in die Regierungszeit König Dawits datierten Evangelienmanuskript im Kloster des hl. Gabriel auf der Insel Kebran im Tanasee. Dieser Kodex ist Teil einer Gruppe von Manuskripten, auf deren Miniaturen erzählende Szenen und Evangelistenfiguren in einen Dreiblatt-Bogen gesetzt sind. Der Platz zwischen Bogen und Architrav ist mit ornamentalem Gittermuster gefüllt, dessen Vorbilder auf den arabischen Raum verweisen. Die an einem Bogen angebrachte Lampe ist eindeutig vorderasiatischen Ursprungs. Die vielfältigen Szenen aus dem Leben Christi auf den Frontispizen sind eng verbunden mit den „zwölf großen Festen“ byzantinischer Monumentalmalerei, während das „Massaker der Unschuldigen“ einem Vorbild folgt, das arabische Stilelemente enthält (Heldman 1979: 359–72). Eine eigene Kategorie bilden Manuskripte mit Frontispiz-Miniaturen, die einen fortschreitenden Akkulturationsprozess erkennen lassen. Die für die Lebensbedingungen, Sitten und Gebräuche ihrer Umwelt sensiblen Künstler berücksichtigten diese lokalen Besonderheiten bei der Ausgestaltung ihrer Malereien. Eine in das 15. Jh. datierende Darstellung der „Flucht nach Ägypten“ zeigt die typische äthiopische Familie auf dem Weg zum Wochenmarkt (Abb. 166), während bei der „Taufe Christi“ die äthiopischen Festbräuche in die Bildgestaltung ebenso Einlass finden wie auch die altchristlichen und frühbyzantinischen Vorbilder weiterhin erkennbar bleiben. (Chojnacki 1976: 107–15). Auf dem Bild der „Geburt Christi“ sieht man die Schäfer beim Spielen einer als Genna bekannten äthiopischen Variante des Feldhockey, während bei der „Hochzeit zu Kana“ Trinkszenen arabischer Manuskripte dieser Zeit Pate standen. In seltenen Fällen führte die Akkulturation zu komplettem Rückgriff auf Frontalität, vertikale Symmetrie und verstärkte Anwendung geometrischer Formen. Vier Evangelien des 15. Jh., die sich in der Kirche von Boru Selassie Tehulledere in Wollo befinden, sind ein ausgezeichnetes Beispiel dafür (Abb. 167). Während des 15. und frühen 16. Jh. gab es in Tigre zwei Malschulen, die bestimmten religiösen Orden oder „Häusern“ innerhalb der äthiopischen Kirche zugeschrieben werden können. Sie sind nach den Namen ihrer Leiter benannt: der eine, Ewostatewos, starb 1352, der zweite, Istefanos, starb in den 1450er Jahren (Getatchew 1983: 93–119). Der in den Skriptorien der „Häuser“ von Ewostatewos entstandene Stil wird „ewostatisch“ oder gelegentlich auch „ewostatewisch“ genannt. Das Haupt-Skriptorium in Debre Mariam von Kohain, das Hauptkloster des „Hauses“ in Tserawé, war seit der Gründung des Ordens in der Mitte des 14. Jh. in Betrieb (Lusini 1993: 69), jedoch datieren die illuminierten Handschriften in das späte 15. Jh. Ein typisches Beispiel für diesen Stil ist das reich verzierte Psalmen- und Gebetbuch „Abbadie 105“ in der Bibliothèque Nationale in Paris (Balicka-Witakowska 1983: 1–48; Heldman 1989: 5–6). Es enthält neben anderen Miniaturen ein Reiterbildnis des Belin Saggad (Gouverneur von Tserawé in den Jahren 1476–77) sowie ein Porträt von König Salomo
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Abb. 168 (links) König Salomo, Buchmalerei von 1476/77, Psalter Abb. 105. Bibliothèque Nationale, Paris Abb. 169 (rechts) Maria mit Kind, Buchmalerei des späten 15. oder frühen 16. Jh. aus dem Kloster Gunda-Gunde in Agame.
(Abb. 168). Eine ähnlich kunstvoll ausgearbeitete Handschrift beinhaltet die „Apostelgeschichte“ und die „Geschichte der Märtyrer“. Sie wird auf 1451–52 datiert und befindet sich im Kloster Debre Mariam Kohain. Das Manuskript wurde von Prinz Imrahane Igzi in Auftrag gegeben, dessen Porträt und das seiner Frau Amata Le’ul in den Miniaturen enthalten sind. Ein weiteres Beispiel diesen Stils ist das Gebre Himamat oder „Ritual der Passionswoche“. Es datiert in die zweite Hälfte des 15. Jh. und wird im Debre oder Kloster von Abuna Maramwi Kristos aufbewahrt. Verschiedene Miniaturen in dieser Handschrift markieren die Einführung der in europäischer ikonographischer Tradition stehenden Passionsszenen, die aus der westlichen Kunst stammen. Die adeligen Förderer dieser reich ausgestatteten Handschriften geben Zeugnis von der bedeutenden Entwicklung dieser Kunstgattung im historischen Tigre. Typisch für den ewostatischen Stil ist die kunstvolle Ausschmückung der Gewänder mit Mustern aus Punkten, Teilkreisen, Zickzacklinien und Streifen. Der Gewandfaltenwurf wird durch intensive Verwendung paralleler Linien angegeben. Das „Markenzeichen“ der Schule sind die Hocker in Form ornamentaler Quadrate, auf denen die verschiedenen Figuren sitzen (Heldman 1989: 6). Die Ausstattung reitender Heiliger gibt detailliert Auskunft über Kleidung, Schmuck und Bewaffnung äthiopischer Adeliger, und die israelitischen Könige David und Salomo sind in äthiopischen Königsroben dargestellt, begleitet von einem Diener mit ZeremonialSonnenschirm (Chojnacki 1983: 521–553). Ein im späten 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jh. hauptsächlich im Skriptorium des „stefanitischen Hauses“ in Debre Garzen in der Ortschaft Gunda-Gunde in Agame gepflegter Stil erscheint als üppige Erweiterung des ewostatischen Stils. Formen (z. B. der Faltenwurf der Gewänder und auch die Figuren selbst) unterlagen Veränderungen, die als „geometrischer Manierismus“ bezeichnet wurden (Mercier 2001: 56). Die Umrahmungen der Kanones entwickelten
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Abb. 171 Christus in der Wüste und das Wunder zu Kana, Buchmalerei von Brancaleon um 1508-20. Wafa Ijesus in Godscham.
Abb. 170 Der Evangelist Markus, Buchmalerei des späten 15. oder frühen 16. Jh. aus dem Kloster Gunda-Gunde in Agame.
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sich zu großen Halbkreisen, die mit verschlungenen Mustern ausgefüllt sind. Die Anzahl der schlanken Säulen wuchs auf vier an. Auf den Frontispiz-Miniaturen finden sich auch ungewöhnliche Darstellungen der Jungfrau (Abb. 169) und eine lebendige mehrfache figürliche Darstellung der Kreuzigung, Darstellungsweisen, die von westlichen europäischen Vorbildern beeinflusst sein dürften. Es folgen Miniaturen der vier Apostel und Miniaturen, auf denen die alttestamentlichen Propheten jeweils in zwei Reihen angeordnet sind. Die Apostel sind schreibend, auf den ornamentalen Quadraten sitzend, abgebildet. Tintenfässer, zusätzliche Styloi, Messer und Wassergefäße sind entsprechend dem Vorbild der Evangelienilluminationen des 15. Jh. frei auf der Fläche (Abb. 170) verteilt. Eine besondere regionale künstlerische Ausdrucksform entstand auch im Skriptorium des von Abba Filipos 1373/74 gegründeten Klosters von Bizen (Lusini 1992: 100). Das Kloster liegt in Hamasien, in der Nähe des Roten Meeres und des Hafens von Massaua, und diente als Drehscheibe, über die ausländische Einflüsse ins Landesinnere gelangten. Es ist bekannt für seine reich ausgestattete Bibliothek (Lusini 1994: 355–56). Eine relativ kleine Zahl reich verzierter Handschriften aus Zentraläthiopien überlebte den Adal-Krieg und die Oromo-Einfälle während des 16. Jh. Zwei Manuskripte sind in der Wafa Jesus Kirche im Gwotcha Tal, östliches Godscham, erhalten geblieben. Eines ist eine Kopie der Arganona Mariam oder „Harfe Mariens“. Die zehn Incipit-(Einleitungs-)Folios sind reich mit verschlungenen Mustern illustriert, die stilistisch etwas von denen der im Norden gefundenen Handschriften abweichen. Das zweite Manuskript entstand unter deutlich europäischem Einfluss. Das Büchlein enthält mehrere Devotionalbilder des Nicolo Brancaleon, eines von 1480 bis in die 1520er Jahre am königlichen Hofe auch als Ikonen- und Kirchenmaler tätigen expatriierten italienischen Künstlers (Abb. 171). Brancaleon war ein vorzüglicher Meister des internationalen gotischen Stils und beeinflusste die äthiopische Kunst in starkem Maße (Chojnacki 2000B:
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15–42). Gemeinsam mit Gregorio Bicini, einem expatriierten Venezianer, schuf er die als „italienstämmig“ bezeichnete Malschule. Er bereicherte die äthiopische Ikonographie um das Bildmotiv des hl. Georg als Drachentöter und initiierte die Illustration des „Buches der Wunder Mariens“. Eine Kopie seiner Zeichnungen in roter Tinte ist erhalten und diente äthiopischen Künstlern als Muster für unzählige Illustrationen. Im 16. und frühen 17. Jh. wurden vergleichsweise wenige illuminierte Handschriften hergestellt. Während dieser Zeit fand weiterhin eine Vermischung von geometrischem Stil mit verschiedenen westeuropäischen Einflüssen statt, was eine allmähliche Verschmelzung der Stile zur Folge hatte. Der stärkste Einfluss auf die Entwicklung der äthiopischen Malerei durch die Jesuitenmissionare ist in der zweiten Dekade des 17. Jh. zu verzeichnen.
Der erste und der zweite Stil von Gondar Die Gründung der Hauptstadt Gondar als dauerhaftes Zentrum kaiserlicher Macht in den späten 1630er Jahren, in einer Periode des Friedens und des relativen Wohlstands, schuf ein ideales Klima für künstlerische Unternehmungen. Die um den kaiserlichen Hof zentrierten Skriptorien erzeugten viele und auch viele außergewöhnliche Manuskripte. Es entwickelte sich allmählich ein Stil, der später als „erster Stil von Gondar“ bezeichnet wurde. Technisch betrachtet ist der „erste Stil von Gondar“ nur eine Fortführung früherer Darstellungsweisen. Die Figuren sind mit dunklen Linien umrandet und mit matten Farben in Gelb, Grün, Rot und klarem Blau ausgemalt. Der Hintergrund ist in charakteristischer Weise matt
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Abb. 172 Flucht nach Ägypten, Buchmalerei aus der Mitte des 17. Jh. von Martula Mariam in Godscham.
Abb. 173 (links) Bund der Gnade, Buchmalerei von der Mitte des 17. Jh. aus der Kirche Seyon Mariam (Maria von Zion) in Aksum. Abb. 174 (rechts) Wunder der zwei Schreibenden (Schriftgelehrten?), Buchmalerei des frühen 18. Jh. von Seyon Mariam in Aksum.
weiß gehalten. Die Köpfe der Figuren sind gewöhnlich von einer schwarzen Haarkrone umgeben, gelegentlich mit um die Konturen herum angedeuteten Locken. Die stilprägenden Gesichtsformen sind länglich, die großen mandelförmigen Augen mit schweren Augenlidern bestehen aus zwei Linien. Die Nasen sind lang, fein gezeichnet, aber markant. Der sinnliche Mund ist durch zwei Ober- und Unterlippe akzentuierende Linien angedeutet. Die Gesichter wurden stellenweise rot ausgemalt, besonders um die Rundungen der Wangen zu betonen. Ein weiteres Charakteristikum des Stils von Gondar sind die mit kurzen roten Strichen und Punkten zwischen parallelen Linien verzierten Gewänder (Abb. 173). Die Jungfrau Maria wird stets mit einem großen blauen Mantel um Kopf und Körper dargestellt, dessen zahlreiche gebogene Falten an Vogelfedern erinnern (Chojnacki 1973: 56–58). Als Förderer dieser Entwicklungen ist vor allem Kaisers Fasilides zu nennen, dessen Regierungszeit vom Wiederaufleben verschiedener Kunstformen gekennzeichnet war. Intensiv und systematisch kopierte man Handschriften und Ikonen aus allen Landesteilen. Einige dieser Vorlagen waren schon Jahrhunderte alt. Die Ikonographie wurde beibehalten, der Stil änderte sich. Für die Illustrierung der „Wunder Mariens“ ließen sich die Künstler von den Tintenzeichnungen des Brancaleon inspirieren, für ein Evangelienbuch des Kaisers kopierten sie Stiche aus den arabischsprachigen, 1690 in Rom gedruckten „Vier Evangelien“ (Abb. 172). Die Anzahl der Miniaturen in einem einzigen Buch stieg in dieser Zeit auf bisher nicht da gewesene Weise an. Im Laufe der folgenden einhundert Jahre bildete sich der sog. „zweite Stil von Gondar“ heraus. Während die Künstler des „ersten Stils von Gondar“ weiter nach den Prinzipien der geometrischen Kunst malten, übernahmen die Künstler des zweiten Stils von Gondar zunehmend Elemente der westlichen europäischen naturalistischen Malerei des Barock. Dies betrifft vor allem
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die Versuche, Licht und Schatten einzuführen sowie abgestufte Farbtöne zu verwenden. Die rundlichen, rosigen Gesichter sind durch vorsichtige Verteilung brauner Farbe schattiert und von fein gezeichneten Haarschöpfen umrandet. Bei der Gestaltung des Hintergrunds wurde leuchtendes Gelb in starken Kontrast zu dunklem Grün oder Rot gesetzt, was den Eindruck von Weichheit und Helligkeit erzeugt. Die Gewänder, mitunter vielfarbig, mit kleinen, komplizierten floralen Mustern, fallen in sorgfältig geordnete Falten, die die darunter liegenden Körperglieder andeuten (Abb. 174). Bei der Darstellung einer Ansammlung von Menschen wird Tiefenillusion erzeugt, indem die Personen der ersten Reihe von Kopf bis Fuß, die der folgenden Reihen nur durch die Abbildung der oberen Kopfpartien dargestellt sind. Dieser Kunstgriff wurde erstmalig während der zweiten Ära von Gondar angewendet und ist vermutlich ausländischen Ursprungs (Abb.175). Die Figuren scheinen sich zu bewegen. Eine weitere Besonderheit der „zweiten Malschule von Gondar“ sind die zu dieser Zeit entstandenen Bilder verschiedener bedeutender Personen. Wie zuvor machten die Künstler aber keinerlei irgendwie geartete Versuche, eine Ähnlichkeit zwischen den Darzustellenden und den Dargestellten zu erreichen (Chojnacki1999: 621–47). In zunehmendem Maße zeigen die Illustrationen nunmehr auch profane Aspekte äthiopischen Lebens wie Schlachten, Trinkgelage oder Szenen aus dem Landleben. Aus dem Westen gelangten immer mehr künstlerische Vorbilder ins Land, die zu Veränderungen in Ikonographie und Stil beitrugen. Das vielleicht bedeutendste Vorbild war ein Buch über das Leben Christi und seine Passion mit Gravuren aus Frankreich. Der fromme Text des jesuitischen Schreibers Jeronimo Nadal war ursprünglich 1594 in Antwerpen veröffentlicht und seitdem häufig an verschiedenen Orten nachgedruckt worden. Eine Ausgabe in französischer Sprache aus dem späten 17. Jh. gelangte vermutlich 1699 nach Äthiopien. Die darin enthaltenen Gravuren beeinflussten die äthiopische Malerei des 18. Jh. entscheidend (Mercier 1999: 375–94). Außerdem fanden zahlreiche weitere Bildtafeln oder Drucke aus anderen Werken ihren Weg in das äthiopische Hochland. Auch lebten im Äthiopien des frühen 18. Jh. zahlreiche expatriierte Künstler, die das Schaffen der einheimischen Maler gravierend prägten. So entstanden Kunstwerke, die sich durch eine Vielfalt an stilistischen und ikonographischen Formen auszeichnen. Die stilistische und ikonographische Entwicklung des „zweiten Stils von Gondar“ erreichte ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte des 18. Jh. Sie lässt sich in zwei Phasen untergliedern, die jeweils einem königlichen Patronat zugeordnet werden. Die erste Phase korrespondiert mit der Regierung des Kaisers Bakaffa (1721–1730), der eine Vorliebe für reich illustrierte Bücher gehabt zu haben scheint. Eine Vielzahl an Illustrationen, darunter auch einige Bildnisse des Kaisers, sind typisch für die Manuskripte dieser Periode. Bakaffa gab unter anderem eine Abschrift der Offenbarung des Johannes in Auftrag, die 126 Miniaturen enthält und ein Meisterwerk visionärer Kunst darstellt. Zwei große Sammlungen von „Wundertaten“ aus dem Alten und dem Neuen Testament (Brit.Lib.Or.790 und Or.791) enthalten biblische Geschichten in Versform; jedes Folio besteht aus vier bis acht Zeilen sowie einer Illustration. Jedes dieser Alben enthält über 350 Miniaturen. Auftraggeber dieses gewaltigen Werkes ist ein gewisser Walda Giorgis, was zeigt, wie dem königlichen Beispiel vom Adel nachgeeifert wurde. Alle oben erwähnten Manuskripte liegen heute in der British Library in London. Die zweite Phase der Entwicklung des „zweiten Stils von Gondar“ ist mit dem Patronat von Kaiser Iyasu II (1730–55) und seiner Mutter Königin Mentuab (1706–72) verbunden. Iyasu besaß ein feines Gespür für Kunst und soll besonders Manuskripte und Ikonen geliebt haben. Er ist der Auftraggeber des Manuskripts von Negere Mariam, das sich heute ebenfalls in der British Library befindet. Die Handschrift ist mit fast 90 Miniaturen illustriert, darunter ein Porträt des
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Abb. 175 König Baeda Mariam und Königin Eleni bei einer kirchlichen Zeremonie, Buchmalerei des frühen 18. Jh. aus Martula Mariam in Godscham. Abb. 176 König Sale Selassie von Schoa gibt ein Bankett, Buchmalerei von 1813–47, Tekle Haimanot in Schoa.
Kaisers als jungem Mann. Eine weitere Handschrift aus seinem Besitz ist ein Gebetbuch, das auch einige der Wunder Mariens enthält. Es befindet sich in der Bibliothek des Institute of Ethiopian Studies, Addis Ababa (Inv. Nr. 315). Von besonderer Bedeutung sind drei Miniaturen mit Ereignissen aus dem Leben seines Großvaters Iyasu I. Eine Miniatur zeigt ihn in den Krieg ziehend, die zweite, wie er zum Mönch wurde, die dritte zeigt seinen tragischen Tod. Diese Darstellungen sind die ersten ihrer Art. Eine weitere Besonderheit der zweiten Periode von Gondar sind Handschriften, die sich mit dem Leben einheimischer Heiliger befassen. Erstmalig wurden vielfältige Szenen aus ihrem Leben und von ihren Wundertaten ins Bild gesetzt. Beispiele hierfür sind zahlreiche Manuskripte, die dem verehrten einheimischen Heiligen Tekle Haimanot gelten, aber auch Geschichten und Wunder anderer einheimischer Heiliger. Als Iyasu 1755 starb, endete auch die glorreiche Zeit der Dynastie von Gondar und ihre Schirmherrschaft über die Künste. Nach und nach verloren die Kaiser ihre Macht an die Provinzherrscher von Tigre und Oromo, während Godscham, das Gebiet um den Tanasee und die östliche Schoa Region unter der Kontrolle von Amhara-Herrschern blieben. Damit brachen auch schwierige Zeiten für Gondar an, das verschiedene Male geplündert wurde. Bei einer dieser Plünderungen wurde die königliche Bibliothek niedergebrannt und ein Großteil ihres Bestandes zerstört. Die Provinzherrscher scheinen eher an der Errichtung von Kirchen und deren Ausschmückung interessiert gewesen zu sein und weniger illustrierte Bücher in Auftrag gegeben zu haben. Allerdings stellten sie ihren Kirchen Abschriften der Evangelien zur Verfügung. Diese Evangeliare waren mit einigen wenigen Frontispiz-Miniaturen und Abbildungen der Evangelisten geschmückt. Sie waren alle in einer im Niedergang begriffenen Form des „zweiten Stils von Gondar“ gemalt. Eine Neuerung bestand in der Abbildung der „Lebenden Wesen“, die den Evangelisten beistehen und in ihren Händen, Tatzen oder Klauen ein mit Tinte gefülltes Horn tragen. In Schoa ließ König Sale Selassie sein Psalter mit Szenen aus seinem Leben illustrieren. Er ist
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betend dargestellt, aber auch jagend, in der Ratsversammlung mit seinen Adligen und sogar als Anführer von Beutezügen gegen benachbarte Gebiete. Eine Miniatur zeigt ihn als Gastgeber eines üppigen Festgelages (Abb. 176).
Ikonen Eine vergleichsweise neue Entdeckung stellen die zahlreichen Malereien auf Holz dar. Nach und nach kamen die in den äthiopischen Kirchen und Klöstern über viele Jahrhunderte gehüteten Ikonen ans Licht, erweiterten wesentlich unsere Kenntnis der äthiopischen Kunst und enthüllten eine neue Dimension christlicher Kunst in Afrika (Chojnacki 2000A: 19–48). Das Fehlen von Malereien auf Holz vor dem 15. Jh. stützt die Ansicht, dass diese Kunstform erst zu dieser Zeit nach Äthiopien gelangte, wahrscheinlich aufgrund von Kontakten mit Westeuropa und zufällig in Äthiopien anwesenden europäischen, meist italienischen, Künstlern. Bereits 1402 wurde in venezianischen Dokumenten ein Maler als Mitglied einer Gruppe von Künstlern erwähnt, die von den venezianischen Behörden zur Reise nach Äthiopien ausgewählt worden waren (Conti Rossini 1927: 86–88). Stattgefundene Reisen sind nicht dokumentiert, sieht man von einem unlängst entdeckten Text ab, der von der Ankunft venezianischen Kirchenschmuckes und eines Stückes vom Kreuz Christi in Äthiopien berichtet (Rainieri 1999: 370–71). Das bedeutetet aber nicht, dass die Äthiopier von der Existenz von Ikonen überhaupt nichts gewusst hätten. Schriftliche Berichte deuten nämlich darauf hin, dass griechisch-byzantinische Ikonen bereits vorher ihren Weg nach Äthiopien gefunden hatten (Bausi 1994: 36). Der plötzliche Anstieg der Produktion von Ikonen im 15. Jh. hängt mit König Zara Jakob (1434– 68) und seiner Förderung der Marienverehrung zusammen (Getatchew Haile 1992: 1–2). Andererseits war vermutlich, was die Entwicklung der Technik der Tafelmalerei angeht, die Anwesenheit ausländischer Kunsthandwerker in Äthiopien der entscheidende Faktor. Die Kunst der frühen Ikonenmalerei ist vollendet und erstaunlich mannigfaltig, was den kreativen Anstrengungen verschiedener Künstlerpersönlichkeiten zu verdanken sein dürfte. Die Künstler waren in der Ikonenmalerei offenbar bewandert, zeigten aber auch Begabung für Neuerungen und deren Adaption. Die von ihnen erfundenen Techniken wurden von Generationen äthiopischer Maler bis ins 20. Jh. verwendet. Die Tafeln sind säuberlich aus einem einzigen Holzstück herausgeschnitten. Auf einer Seite jeder Tafel wird mittig eine vertiefte Fläche herausgemeißelt. Vier schmale Ränder werden stehen gelassen, die als Rahmen dienen und die bemalten Oberflächen vor Beschädigungen durch Aneinanderreiben schützen. Die Tafeln sind mit Schnüren verbunden, die durch eine Reihe von zwei oder drei Löchern an ihren inneren Ecken gefädelt sind. Schließlich wird Grundierung aufgebracht und reichlich Tempera verwendet. Sicherlich wurden ursprünglich bestimmte Pigmente wie Indigoblau und Krapprot importiert. Zwar gab es im Lande einige für die Herstellung von Pigmenten nötige Grundstoffe, doch ist nicht geklärt, ob und in welchem Maße sie genutzt wurden. Die frühesten Aufzeichnungen über Pigmente datieren in den Beginn des 19. Jh. Aus ihnen geht eindeutig hervor, dass die Hofmaler des Provinzherrschers von Tigre aus Kairo importierte Pigmente verwendeten (Salt 1814: 395), andere in dieser Provinz tätige Maler aber Pigmente aus arabischen Ländern benutzten (Pearce 1831: 244–45). Noch in der Mitte des 19. Jh. ist das Bestreben der äthiopischen Maler, importierte Pigmente wie synthetisches ultramarines Waschblau zu verwenden, evident. Dieses fand damals seinen Weg in die äthiopische Malerei (Marx 2001: 158–68). Obwohl die Herstellungstechnik der Ikonen sich nicht wesentlich änderte, ging man im 17. Jh. dazu über, Baumwolle auf die Zentraltafel und oft auch auf die Seitentafeln zu leimen.
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Abb. 177 Maria das Kind stillend, Diptychon aus dem 15. Jh., Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3986.
Die Malflächen wurden tiefer angelegt, die Rahmen etwas vergrößert. Schließlich begannen im späten 19. Jh. und in der ersten Hälfte des 20. Jh. Künstler in Wag und Lasta, Ikonen und Rahmen nach europäischen Vorbildern zu bauen. Was die kunsthandwerkliche Seite und vor allem die verwendeten Materialien angeht, verschlechterte sich die Qualität der Ikonen jedoch dramatisch. Im 15. Jh. traten mit dem Beginn der Tafelmalerei und ihrer raschen Verbreitung eine neue Ikonographie und ein neuer Stil auf. Die frühen Ikonen zeigen wenige Merkmale der ikonographischen Traditionen des 13. und 14. Jh. Im 15. Jh. entwickelten sich beide Traditionslinien
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voneinander getrennt. Ihre Integration begann erst im folgenden Jahrhundert. Etwa um die Mitte des 15. Jh. entstanden am königlichen Hof und in den großen Klosterwerkstätten neue Formen künstlerischen Ausdrucks. Eine solche durch königliches Patronat geförderte Werkstatt scheint sich um das Gebiet des Tanasees etabliert zu haben. Es entstanden große bemalte Tafeln, Diptychen und Triptychen, deren Künstler eine besondere Ausdrucksweise, die man den „Mondartige Gesichter Stil“ nennt, pflegten. Claude Lepage hielt diesen Stil für eine Reflektion des Schönheitsideals der islamisch-christlichen Kunst des 13. bis 15. Jh. (1977: 365–66). Die Gesichter der Figuren sind charakteristisch (Abb. 177). Sie sind rundlich, haben aber ein schmales Kinn, einen kleinen Mund und längliche Augen, deren äußere Winkel schmal zulaufen und in ausgezogenen Linien von unterschiedlicher Länge enden. Manchmal bestehen die Augenwinkel aus zwei parallelen Linien und die Augenbrauen sind deutlich gebogen. Auch die Künstler von Tigre schufen im „Mondartige Gesichter Stil“ eine Serie ungewöhnlich großer Triptychen, auf denen die Heilige Dreifaltigkeit dargestellt ist. In Stil und Ikonographie kombinieren die äthiopischen Tafelmalereien byzantinische, islamische und europäische Vorlagen, auch Holzschnitte, die vermutlich eine wichtige Inspirationsquelle bildeten. Die Darstellung Mariens mit ihrem geliebten Sohn dominiert die großen Kompositionen mit ihrer komplexen Ikonographie und wiederspiegelt die aufkommende marianische Theologie. Die Jungfrau wird mit Gottvater, den Propheten des Alten Testamentes, den zwölf Aposteln und dem hl. Paulus sowie den Krieger-Heiligen und den Erzengeln dargestellt, um
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Abb. 178 Muttergottes mit Kind und hl. Georg, Diptychon aus dem 15. oder frühen 16. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 4465.
Abb. 179 Hl. Petrus und hl. Paulus, linke Tafel (oben) eines Triptychons aus dem 15. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3450.
Mariens Platz im Erlösungsgeschehen zu betonen (Getatchew Haile 1992). Ein anderes charakteristisches Thema dieser Epoche ist das „Familienbild“ von Abraham, Isaak und Jakob, das die starke Bindung zwischen äthiopischem Christentum und dem Alten Testament betont und auf den Ursprung der äthiopischen Dynastie verweist (Chojnacki 1983: 414–15). Die Hl. Dreifaltigkeit wird durch drei identische weißhaarige Personen symbolisiert, jede mit einem Buch in der Linken, die Rechte zum Segensgestus erhoben. Sie sind von den „Vier Lebenden Wesen“ umgeben und begleitet von den vierundzwanzig Ältesten der Offenbarung des Johannes. Dieser in der äthiopischen Kunst völlig neue Darstellungsgegenstand soll zuerst in den Skriptorien von Tigre gemalt worden sein (Chojnacki 1983: 101–70). In den frühen Phasen wurde die Kreuzigung selten abgebildet, außer als eines unter mehreren Bildthemen auf den Triptychen der Hl. Dreieinigkeit. Ein über Jahrhunderte besonders beliebter Bildgegenstand waren die Heiligen Tekle Haimanot, Ewostatewos und Samuel. Die bereits in der Kunst des 12. Jh. bekannten Reiterheiligen wurden im 15. Jh. zu wichtigen Bildthemen. Und blieben es auch in den nachfolgenden Jahrhunderten. Der hl. Georg wurde besonders gerne dargestellt. Sein Bildnis steht auf Diptychen dem der Jungfrau mit dem Kinde gegenüber (Abb. 178), da man ihn als Vermittler für besonders geeignet hielt. Er erscheint in verschiedenen Formen: als siegreicher Ritter mit erhobener Lanze, im Kampfe mit dem Drachen, als Retter der jungen Birutawit und schließlich als Märtyrer. Es scheint, dass Brancaleon die Figuren des Drachen und der Birutawit in den ikonographischen Kanon eingeführt hat (Choj-
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nacki 1973B: I, 57–73: II, 51–92), ebenso die ersten acht Folterszenen. Im Verlauf der Jahrhunderte fügten die äthiopischen Künstler weitere Folterdarstellungen hinzu und führten verschiedene Darstellungsformen des Drachens und der Birutawit ein (Chojnacki 1974: 71–132). Die zwölf Apostel unterscheiden sich auf den Bildern durch ihre Haarfarben. Ihre Namen finden sich auf den Nimbi oder den Büchern, die sie tragen. Wie in der christlichen Kunst üblich, ist der hl. Petrus mit grauem Haar, rundem Bart und manchmal mit Schlüssel dargestellt, der hl. Paulus ist durch schwarzes Haar und Schwalbenschwanz-Bart sowie hohe Stirnglatze gekennzeichnet. Meist hält er ein Buch, seltener ein Schwert (Abb. 179). Der hl. Johannes erscheint bartlos und jugendlich, eine Änderung gegenüber den Evangeliaren des 13. und 14. Jh., die ihn als alten Mann darstellen. Am Ende des 15. Jh. wurde der „italienisierte Stil“ eingeführt und mit ihm eine neue Ikonographie der Maria, die nun in verschiedener Weise dargestellt ist: stehend oder sitzend, häufig mit unbedecktem Kopf, ihr Haar nach der Mode von Renaissance-Damen gestaltet (Chojnacki 2000A: Abb. 170, 176, 259, 251). Der Einfluss Brancaleons auf die äthiopische Tafelmalerei ist dokumentiert durch den Fund einer großen Tafelmalerei des Künstlers Afnin, einer seiner begabten Schüler (Chojnacki 2000A: 25–42). Anders als in anderen Zentren der östlichen Christenheit war es in Äthiopien nicht üblich und wurde sogar missbilligt, Ikonen zuhause aufzubewahren (Schneider 1972: 42–43). Äthiopische Christen trugen jedoch kleine bemalte Täfelchen als Amulette. Die noch existierenden kleinen Diptychen aus dem 15. Jh. weisen allerdings keine perforierten Zylinder am Oberrand auf und wurden wahrscheinlich in ledernen Behältern oder Baumwolltaschen getragen. Zeitgenössische Quellen zeigen, dass bemalte Tafeln getragen wurden, so auch von König Zara Jakob, der ein Bildnis der Jungfrau Maria bei sich führte (Taddesse 1974: 561, 523). Der Brauch wurde vom Volk übernommen, und im Laufe der Jahrhunderte wurde an die Tafeln oben ein geschnitzter und durchbohrter Zylinder appliziert, durch den eine Schnur gefädelt werden konnte. Eine große Zahl doppelseitiger Diptychen des 17. Jh. weisen Außenseiten mit sehr feinen ornamentalen Schnitzverzierungen auf. Die in das 18. Jh. datierten Diptychen sind an den äußeren Flächen mit phantasievollen Mustern bemalt. In jüngerer Zeit wurden viele dieser Tafeln in Kirchen entdekkt: Jahrhunderte alte Weihegaben in einem hervorragenden Erhaltungszustand. Viele Ikonen aus dem 16. Jh. stellen ein Bindeglied zwischen der Kunst des 15. und des 17. Jh. dar. Bei einigen dieser Malereien zeigt sich deutlich ihre Verwurzelung in der Kunst des 15. Jh., bei anderen kündigt sich in einigen Details bereits die Kunst des 17. Jh. an. Sie unterscheiden sich von den späteren aber im Großen und Ganzen beträchtlich. Deshalb wurde für die Klassifizierung aller Malereien des 16. Jh. der Terminus „Übergangsstil“ kreiert. Die Bilder zeigen eine allmähliche Vermischung des geometrischen Stils mit verschiedenen Einflüssen der westlichen Kunst. Die gelegentliche Rückkehr zu geometrischen Traditionen ließen eine besondere Ausdrucksform entstehen, den „Parallel Linien Stil“. Im 16. Jh. war auch die Anordnung der Themen auf den Diptychen endgültig festgelegt, an die sich in den folgenden Jahrhunderten Generationen von Künstlern hielten (Abb. 180). Ähnlich den Bildern des 15. Jh. erscheinen die Jungfrau Maria und das Kind auf der Mitteltafel. Die „Auferstehung“ zeigt oben auf der linken Tafel Christi Abstieg in die Unterwelt, wo er Adam und Eva erlöst. Man sieht die Stammeltern, nackt, wie sie vom Erlöser aus fassartigen Gräbern herausgezogen werden. Die „Kreuzigung“ ist oben auf der rechten Tafel dargestellt. Die Aneinanderreihung der Bilder von Inkarnation, Leidensgeschichte, Tod und Auferstehung illustriert kraftvoll die wichtigsten Lehren des christlichen Glaubens. Unten auf der linken Tafel wird der
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Abb. 180 Muttergottes mit Kind, Auferstehung, Kreuzigung, hl. Georg und hl. Claudius Triptychon aus der Mitte des 16. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3972.
Abb. 181 Kreuzigung, hl. Petrus und hl. Paulus, Abba Kiros und Abuna Gebre Manfas Kedus, rechte Tafel eines Diptychons aus der Mitte oder des späteren 16. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 4190.
hl. Georg im Kampf mit dem Drachen gezeigt und unten auf der rechten Tafel ein weiterer Kriegerheiliger. Im Mittelteil der Seitentafeln sind in der Regel die drei beliebten Heiligen, Tekle Haimanot, Ewostatewos und Kiros dargestellt, weitere Themen variieren. Auch Abuna Gebre Manfas Kedus findet sich nun abgebildet, anfangs als Mönch (Abb. 182). Mit steigender Verehrung dieses Heiligen nahm die einst realistische Darstellung zunehmend symbolischen Charakter an. Ikonen aus dem 16. Jh. sind reich an Themen, die uns in ihrer Komplexität ins Staunen versetzen. Sie können dennoch verschiedenen Schulen zugeordnet werden. Zu den wichtigsten gehören die „Meister des roten Maphorion“. Die Künstler dieser Schule malen das Maphorion oder velum, das Mariens Kopf bedeckt, in Rot anstelle des traditionellen Blau. Die „Meister der Kreuzigung“ sind benannt nach ihrem hauptsächlichen Bildthema, das auf einer der zwei Tafeln eines Dyptichons dargestellt ist (Abb. 181). Andere Ikonenmalereien zeichnen sich aus durch bestimmte stilistische Charakteristika wie besonders dunkle Augenlider oder ein besonderes Detail des Gewandes einer Person. Die Schule „Christus nähert sich rechts bei der Auferstehung“ findet man nur auf kleinen, doppelseitigen Diptychen. Das Typische dieser Schule ist die charakteristische Haltung Christi, die an die byzantinische Art der Anastasis-(Auferstehungs-)Darstellungen erinnert. Die Tafelmalerei des 17. Jh. spiegelt zwei signifikante Entwicklungen in der Kunstgeschichte Äthiopiens wieder. Die erste Entwicklung wurde in Gang gesetzt von den in den 1550er Jahren in Äthiopien eingetroffenen Jesuiten-Missionaren. Ihr Einfluss auf die Entwicklung der Malerei wird im zweiten Jahrzehnt des darauffolgenden Jahrhunderts deutlich, als die „Jungfrau von S. Maria Maggiore“ alle anderen Arten der Mariendarstellung an Beliebtheit zu übertreffen
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begann. (Monneret de Villard 1947: 9–90; Chojnacki 1983: 217–89; Mercier 2001: Abb. 21). Jahrhunderte lang haben äthiopische Künstler getreulich den Prototyp reproduziert: Maria, in einen blauen Mantel gehüllt, das Christuskind auf dem linken Arm haltend. Ihre Hände sind überkreuzt, die rechte Hand überlappt die Linke. Zwei Finger der rechten Hand sind verlängert, ihr Tüchlein, die mappula, ist um ihren Daumen gewunden (Abb. 183). Diesen Bildtyp erweiterten die äthiopischen Maler durch Darstellungen der Erzengel Michael und Gabriel, die zu bei-
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Abb. 182 Abuna Gebre Manfas Kedus, linke Tafel eines Driptychons (Detail) aus der Mitte des 16. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3992.
Abb. 183 Muttergottes mit Kind, rechte Tafel eines Diptychons (Detail) aus der Mitte oder dem späten 17. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 4187.
den Seiten der Jungfrau stehen. Im Laufe des Jahrhunderts variieren die Künstler die Darstellungsweise, indem sie Maria auf einem äthiopischen Bett sitzend, stehend oder sogar mit Krone wiedergeben. Sie könnte auch mit einer gefältelten Haube unter ihrem Mantel dargestellt sein. Zur selben Zeit führten die Jesuiten auch das Bildthema des die Apostel belehrenden Christus ein, das zu einem typischen Merkmal für die Malereien des 17. und 18. Jh. wurde. Im Laufe des 17. Jh. entstanden Schulen des „ersten Stils von Gondar“, die sich durch besonde-
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Abb. 185 Abuna Tekle Haimanot (unten), Abuna Ewostatewos und Abuna Gebre Manfas Kedus, Tafelmalerei aus der Mitte oder dem späten 17. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3680/81.
re Merkmale voneinander unterschieden. Ein Beispiel ist die „Schule der als vier Borsten gezeichneten Schnurrbärte“ – zwei Borsten zeigen aufwärts und zwei abwärts. Eine weitere Schule ist erkenntlich an den Hängebacken, mit denen sie ihre Figuren ausstattet. Eine dritte Schule charakterisiert ihre Menschendarstellungen durch kleine gerundete Kinne, große, sinnliche oval geformte Lippen und elliptisch gestaltete Augen. Der Ausdruck der Gesichter ist sehr gewinnend. Königliches Patronat förderte die Entstehung neuer Bildthemen, wie auch das Kurate ri’isu oder „Schlagen (Seines) Kopfes“-Thema zeigt (Abb. 184). Es entstammt einer Ecce Homo Ikone, die Anfang des 15. Jh. nach Äthiopien gelangte und am Kaiserhof aufbewahrt wurde. Kurz nach ihrer Ankunft wurde die oben genannte Inschrift der Darstellung beigefügt. Um die Mitte des 17. Jh. schufen Künstler des ersten Gondar Stils, inspiriert durch diese Ikone und deren Inschrift, eine besondere Form des Christus mit der Dornenkrone. Sie stellten ihm zwei Folterknechte zur Seite, die ihm Nägel in den Kopf treiben. Manchmal wurde die kaiserliche Ikone ohne Beifügungen kopiert, in seltenen Fällen fügten die Maler die Wunden an Christi Händen hinzu, womit sie sich unbewusst von der originalen Ecce Homo Darstellung zum europäischen Andachtsbild des leidenden Christus hin bewegten. Welche Form auch immer das Kurate ri’isu Bild annahm, zahllose Kopien wurden eifrig bis ins 19. Jh. hinein hergestellt (Chojnacki 1985). Ein zweite thematische Neuerung ist der „Bund der Gnade“. Das Bild bringt den Glauben
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Abb. 184 „Schlagen (Seines) Kopfes“, rechtes Täfelchen eines Anhängediptychons (Detail) aus der Mitte oder dem späten 17. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3941.
in die Kräfte der Jungfrau Maria als Fürbitterin zum Ausdruck und zeigt den Moment, als Christus seiner Mutter den Bündnisvertrag übergibt. Auch die „Pietà“ wurde im 17. Jh. dem Bilderkanon hinzugefügt. Sie geht möglicherweise auf eine Malerei luso-flämischen Ursprungs zurück, die Maria bei der Klage über den Verlust ihres Sohnes zeigt. Das Bild tauchte zu Beginn des 16. Jh. im Lande auf. Ein Jahrhundert später fertigte ein äthiopischer Maler für ein Diptychon eine Kopie an und stellte der Pietà das Bild der Kreuzigung zur Seite. Auch im 18. Jh. bildeten Künstler die Pietà ab, allerdings nach einem anderen Vorbild (Chojnacki 1988: 51–73). Ein viertes Thema, „die Erscheinung in Mittmak“, ist eine symbolische Interpretation der wunderbaren Erscheinung der Jungfrau in einem ägyptischen Kloster. Bis zur Zerstörung des Klosters durch den mamelukischen Sultan im 15. Jh. soll sie dort alljährlich erschienen sein. Im 17. Jh. gedachten die äthiopischen Maler dieses wundersamen Ereignisses und fügten es dem Bilderkanon bei. Es ist bis heute ein Thema in der äthiopischen Kirchenwandmalerei geblieben (Chojnacki 1983: 345–73). Während des 17. Jh. entwickelten sich ältere tradierte Themen zu besonderen Formen weiter. So nahmen die Gondar-Künstler die Darstellungsform der Verkündigungsszene aus dem 12. Jh. wieder auf, in der sich die spinnende Maria vom Erscheinen des Erzengel Gabriel überrascht zeigt, der die Gestalt eines alten Mannes angenommen hat. Nichtsdestoweniger bleibt die direkte Vorlage, auf der die Darstellung aus dem 17. Jh. basiert, ungewiss (Chojnacki 1987: 284–86; 306–14). Bei der „Flucht nach Ägypten“ ist Maria auf einem Esel reitend und ihr Kind nährend dargestellt. In der Kreuzigungsszene wird Christus in der Regel an einem schwarzen Kreuz hängend gezeigt, das in ein gelbes V-förmiges Gebilde mit gerundeten Ecken gesetzt ist. Das Motiv der das heilige Blut auffangenden Engel taucht seit dem 16. Jh. in den Kreuzigungsszenen gelegentlich auf, meist sind aber neben dem Kreuz lediglich Maria und Johannes wiedergegeben. Beim „Abstieg Christi in das Reich des Todes“ bevorzugten die Maler des ersten Stils von Gondar zwei Darstellungsformen: im ersten Fall hält Christus die Arme von Adam und Eva, im zweiten segnet er mit der rechten Hand und hält eine Fahne in der linken. In beiden Fällen werden Adam und Eva nackt, ihre Genitalien bedeckend, gezeigt (Chojnacki 2003). Im 17. Jh. wandeln sich gegenüber dem 15. und 16. Jh. auch die Heiligendarstellungen. Die Figur des Gebre Manfas Kedus erscheint in neuer Form, die der sagenhaften Geschichte seines Lebens und seiner Wundertaten entlehnt ist, der zufolge ihm auf wundersame Weise Körperbehaarung wuchs und seine Nacktheit verhüllte. Wegen seiner Liebe zu Tieren wird er in Begleitung von Löwen und Hyänen gezeigt (Abb. 185). Die beiden Heiligen Tekle Haimanot und Ewostatewos werden weiterhin gemeinsam dargestellt. Beide tragen lange Umhänge und große Turbane sowie kleine Kreuze. Sie sind, um das Material Eisen anzudeuten, meist mit schwarzer Farbe gemalt. Das Bild des hl. Georg erfuhr damals eine gewisse Kanonisierung, die ikonographische Umgestaltung der Schlange zum Drachen wurde endgültig. Der Heilige wird weiterhin als Retter des Mädchens Birutawit gezeigt, das vor dem Pferd des Heiligen steht und eine um den Hals des Drachen geknotete Leine hält. Auch der treue Diener des Heiligen findet sich nun auf den Darstellungen. Ein anderer bei den Gondar-Künstlern beliebter Kriegerheiliger ist der hl. Claudius. Er wird gezeigt, wie er ein zentaurartiges Ungeheuer tötet. Darstellungen von Kriegerheiligen nehmen deutlich zu. Jeder wird im symbolischen Kampfe mit einer besonderen Verkörperung der Feinde des äthiopischen Volkes gezeigt. Das 18. Jh. bildet den Höhepunkt in der Tafelmalerei und die Blütezeit des zweiten Stils von
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Gondar. Während des vierten und fünften Jahrzehntes dieses Jahrhunderts entfernten sich in den von Kaiser Iyasu II. (1730–55) und seiner Mutter Mentuab geförderten Werkstätten die Künstler und Kunsthandwerker von der traditionellen Rahmungsmethode von Ikonen und wandten sich europäischen und vorderasiatischen Methoden zu, unter anderem auch Dekorationstechniken wie Ajour – und Einlegearbeiten. Außerdem entstanden in diesen Werkstätten eine Reihe ungewöhnlich großer Triptychen mit Szenen aus dem Leben und der Passion Christi, die mit Legendenmotiven aus dem Negere Mariam oder dem Martyrium des hl. Georg kombiniert wurden. Auf einer einzigen, besonders großen Ikone gelang es den Künstlern dreiundzwanzig Szenen der Folterungen dieses Heiligen zu vereinigen. Seit Beginn der Tafelmalerei ließen die Gläubigen Ikonen malen, die sie den Kirchen stifteten, um die Erlösung ihrer Seelen sicherzustellen. Die Wirkung dieser Votivgaben wurde zusätzlich mit schriftlichen feierlichen Formeln verstärkt. Bis zum 18. Jh. wurden die Stifter selbst eher selten dargestellt. Aber im Verlauf dieses Jahrhunderts entstand bei den äthiopischen Herrschern der Wunsch, zusammen mit der Jungfrau oder Christus oder einem Lieblingsheiligen auf einem heiligen Bild abgebildet zu sein. Diese Neuerung griffen Adel und Klerus gerne auf, und so wurden im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte Darstellungen von Stiftern ein beständiges Motiv äthiopischer Ikonen. Wesentliche Attribute der Stifter und ihre Wichtigkeit sind symbolisch angegeben durch Größe, Positionierung und Haltung, die Status und Rang bestimmen. Meist sind die Stifter im unteren Teil des Bildes an der Seite stehend oder sich niederwerfend dargestellt. Die Künstler verwandten große Sorgfalt darauf, Kleidung, Schmuck, Waffen und andere Accessoires abzubilden. Diese Details spiegeln in vereinfachter Form historische Gegebenheiten wieder und sind signifikante Indikatoren für den sozialen Status und die Bedeutung der ins Bild gesetzten Personen. Darunter finden sich viele Porträts des jungen Iyasu selbst (Abb. 180). Die Abbildung von Tüchlein (mappulae) ist ebenfalls ein Merkmal des zweiten Stils von Gondar. Sie erscheinen in den Händen der verschiedensten Figuren: so bei der Dreifaltigkeit, bei Christus, der Jungfrau Maria, den Erzengeln, lokalen Heiligen, aber auch bei Pilatus, bei König Dudianos, in der Folterung des hl. Georg und bei König Herodes, der den Kindermord befahl. Der zweite Stil von Gondar brachte auch Veränderungen innerhalb einzelner Szenen. Auf der Marienikone ist die Jungfrau Maria auf einem verzierten Stuhl mit runder Rückenlehne und skulpierten Armlehnen sitzend abgebildet. Die Erzengel halten hinter ihr und dem Kind einen Vorhang. Auf anderen Darstellungen – deutlich von westeuropäischer Kunst inspiriert – hält Maria ihren nackten Sohn auf dem Schoß, während die jugendliche unbekleidete Gestalt des hl. Johannes an ihrer Seite kniet. In dieser Zeit wurde auch das Bildnis der Dreieinigkeit in seiner aus dem 16. Jh. stammenden Form, bestehend aus drei alten Männern, wieder aufgenommen, nachdem es mehr als ein Jahrhundert lang in Vergessenheit geraten war. In den Malereien des 18. Jh. sind, in Abhängigkeit vom Barock, Bücher durch Kugeln und die gelben Nimbi durch Lichtstrahlen ersetzt. Die Stoffe sind mit einem dekorativen Rosenmuster geschmückt (Abb. 187). Auch Darstellungen der „Verkündigung“ erinnern an Barockmalerei. Links kniet die Jungfrau auf dem Kissen eines geschmückten Betstuhles, die Hand auf die Brust gelegt. Sie beugt ihr Haupt über ein auf dem Betstuhl aufgeschlagenes Buch. Von rechts nähert sich der jugendliche hl. Gabriel, die Spitzen seiner Sandalen berühren die darunter liegenden Wolken. Seine rechte Hand ist zu einem Gestus erhoben, in der linken trägt er einen blühenden Zweig. Als Vorbild dieser Darstellung diente ein französisches illustriertes Gebetbuch, das kurz zuvor nach Äthiopien gelangt war (Mercier 2000A: Abb. 10, 11 und 13). Andere Szenen aus dem Leben Christi
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Abb. 186 Kaiser Ijasu II (ca. 1740–55), Detail aus der Zentraltafel eines Triptychons. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3574.
Abb. 187 Die Heilige Dreifaltigkeit und „Priester des Himmels“, Tafelmalerei des 18. Jh., Herkunft unbekannt.
und Mariens zeigen gleichfalls barocke Einflüsse. Bei der Kreuzigung ist der Hintergrund mit Sternschnuppen gefüllt, das Kreuz ist im Boden verankert (Abb. 188). Bei der Auferstehung sind Adam und Eva nun stets bekleidet und nur von der Gürtellinie aufwärts dargestellt. Auf beiden Seiten des Erlösers und unter seinen Füßen erscheinen Wolken. Der Bildaufbau ist danach ausgerichtet, eine Aufwärtsbewegung in Richtung Paradies zu suggerieren. Bei den Heiligendarstellungen hat eine dramatische Veränderung in der Wiedergabe des Tekle Haimanot stattgefunden. Er wird nun auf einem Bein stehend dargestellt, sein zweiter Fuß ist, der Beschreibung seiner Kasteiung entsprechend, abgetrennt. Gelegentlich wird Tekle Haimanot auch mit sechs Flügeln abgebildet. Das Bild des hl. Georg entspricht in seinem Aufbau weiterhin dem des ersten Stils von Gondar, doch wird nun viel Wert auf die Ausschmückung gelegt. Auch das Pferd des Heiligen ist im Galopp gezeigt und bringt damit Bewegung in die Darstellung, was mit dem Geist des zweiten Stils von Gondar in Einklang steht. Das Mädchen Birutawit wird jetzt auf einem Baum sitzend abgebildet, eine Änderung, die durch eine Geschichte aus dem Volksgut Tigres inspiriert ist (Abb. 189). Die Wiederkunft Christi wurde zu einem wichtigen Thema der Künstler des zweiten Stils von Gondar. Die Darstellung Christi als Richter tauchte zuerst in der byzantinischen Kunst auf und wurde dann in der Folge von westeuropäischen Künstlern übernommen, die dieses Thema in ver-
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Abb. 188 Kreuzigung, linke Tafel eines Triptychons aus der Zeit zwischen 1740 und 1755. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 3524. Abb. 189 Der hl. Georg tötet den Drachen, rechts oben im Bild das gerettete Mädchen Birutawit, linke Tafel eines Triptychons aus dem späten 18. oder frühen 19. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 9610.
Abb. 190 Wiederkunft Christi, Triptychon aus dem frühen oder mittleren 20. Jh. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 9590.
schiedenen Versionen weiterentwickelten. Vermutlich verdankt die äthiopische Bildvorstellung von der Wiederkunft ihren Ursprung beiden oben genannten Quellen, wobei die endgültige Fassung lokale Prägung erfuhr. Obwohl die Kunst des 17. und 18. Jh. sich durch große Kreativität in der Bildkomposition auszeichnet, neue ikonographische Impulse aufnimmt und phantasievoll adaptiert, führte die Verschlechterung der politischen und sozialen Bedingungen während der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jh. zu einem rapiden Niedergang der Tafelmalerei. Einige wenige Ikonen wurden im Königreich Schoa in einem eigenen regionalen Stil gefertigt. Beispiele für diese geringe, aber kontinuierliche Produktion in den nördlichen Landesteilen sind die von Kaiser Yohannes IV. (1872–89) gestifteten und in den Kirchen von Tigre verwahrten Tafelbilder. Einige am Ende des 19. Jh. in der Provinz Godscham gefertigte Ikonen künden von zunehmendem europäischem Einfluss und der Schaffenskraft einer kleinen Zahl begabter Künstler. In zwei Provinzen, Lasta und Wag, die lange Zeit in kultureller Isolation verblieben, stellten Künstler bis ins 20. Jh. hinein Ikonen her. Grundlegende Änderungen erfuhr jedoch dabei das Bild der Jungfrau von S. Maria Maggiore. Der obere Teil ihres reich verzierten Umhangs ist in der Regel dunkelblau, die unteren Partien sind stets grün gemalt. Die Säume sind mit goldenen und silbernen Schnüren besetzt. Der Besatz zwischen oberer und unterer Gewandpartie zeigt ein
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fein ausgearbeitetes Filigran. Marias Tüchlein ist den äthiopischen Nationalfarben entsprechend gelb, grün und rot gehalten. Maria ist nun auch von einer größeren Zahl Erzengel begleitet, die anstelle von Schwertern nun meist Blütenzweige in Händen halten. Im Laufe des 20. Jh. werden in das Bildthema der Wiederkunft Christi Elemente aus der Leidensgeschichte integriert. Unter der Christusfigur sind nun ein Kreuz sowie alle Werkzeuge seines Leidens abgebildet (Abb. 190). Die Maler in Wag und Lasta fügten bei der Darstellung der Kreuzigung einen zusätzlichen Nagel hinzu, der entweder die Brust oder die Stirn Christi durchbohrte. Eine andere phantasievolle Darstellung zeigt Abuna Gebre Manfas Kedus in Begleitung eines großen Raben, der sich seinem Auge nähert. Entsprechend einer Version seiner Heiligengeschichte handelt es sich bei dem Raben um einen Teufel, der ihm das Auge herausziehen will, während nach einer anderen Fassung der Rabe den Durst des Heiligen lindern will. Mit diesem letzten Aufschwung künstlerischer Vorstellungskraft ging nach einer Periode fünfhundertjähriger Entwicklung die Kunst der religiösen Tafelmalerei ihrem Ende zu.
Abb. 191 Bemalter Hautstreifen aus dem späten 18. oder frühen 19. Jh.
Streifenbilder Das Tragen zusammengenähter, in Leporelloart gefalteter Lederstreifen war eine typisch äthiopische religiöse Praxis. Die auf diese Weise entstandenen Reihen rechteckiger Felder wurden mit frommen Bildern bemalt. Auch schnitzte man kleine hölzerne Täfelchen, bemalte sie mit religiösen Motiven und verband sie mit Schnüren zu einer Bilderreihe (Chojnacki 2000A: 309. Abb. 2). Die Bilder sind verkleinerte Reproduktionen von Darstellungen, wie man sie auf Handschriftenminiaturen und Ikonen findet. Solche Faltstreifen wurden schon seit Jahrhunderten hergestellt. Die ältesten erhaltenen Beispiele stammen aus dem 15. Jh. Ein Streifen (Abb. 48) zeigt die Apostel zusammen mit Abuna Ewostatewos und Abuna Tewodros sowie die Jungfrau Maria mit dem Kinde und zwei Erzengeln. Michael ist mit dem Schwert, Gabriel mit einer Axt abgebildet (Getatchew 1992: 115). Ein Faltstreifen, bemalt in jenem Stil, der sich in Schoa während des 18. Jh. herausbildete, zeigt zahlreiche Themen, die „Ecksteine“ der Christenheit von Schoa
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Abb. 192 Ausschnitte aus einer Gebets- bzw. Zauberrolle, 19. Jh., Gesicht von acht Augen umgeben und Erzengel. Gall. Sam Fogg, London
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darstellen: Bilder vom hl. Georg, der Jungfrau und dem Kind, der Kreuzigung, vom Tod Mariens, von Abuna Gebre Manfas Kedus und Abuna Tekle Haimanot, von der Auferstehung, vom Gnadenbund und der Himmelfahrt Christi (Abb. 191).
Kreuze In seinen Kreuzen kommt die künstlerische Kreativität des christlichen Äthiopien vielleicht am stärksten zum Ausdruck. Seit Einführung des Christentums im 4. Jh. und über alle Wechselfälle seiner turbulenten Geschichte hinweg ließ man in Äthiopien nie davon ab, Kreuze herzustellen. Unvorstellbare Mengen an Kreuzen und die Praxis, dieselben Typen über lange Zeiträume hinweg herzustellen, gestalten ihre Datierung schwierig. Die nachfolgende Zusammenfassung ihrer Entwicklung vom Beginn ihrer Herstellung bis zum 20. Jh. basiert auf dem Studium erhaltener Kreuze und der Analyse von Kreuzdarstellungen. Von den frühesten bekannten Kreuzen sind nur einige wenige versuchsweise der Zeit vor dem 12. Jh. zugeordnet worden, die Mehrzahl wird in das 13. bis frühe 16. Jh. datiert. Eine kleine Anzahl dieser Kreuze ist mit dem Namen des Votivgebers und der Kirche, die sie erhielt, beschriftet. Im Laufe der Zeit veränderten sich Kreuzformen, Herstellungstechnik, verwendetes Material und Details der Verzierung deutlich, was uns erlaubt, den Versuch einer Chronologie zu wagen. Bis zur Mitte des 15. Jh. wurden Kreuze aus Eisen, Bronze und reinem Kupfer hergestellt. In der Folgezeit verdrängte jedoch Messing die Bronze und bis zu einem gewissen Grad auch das Kupfer. Immer waren außerdem auch Holzkreuze in Gebrauch. Sie bereiten aber aufgrund der Vergänglichkeit des Materials Datierungsschwierigkeiten. Die frühesten erhaltenen Holzkreuze hat man dem 15. Jh. zugeschrieben. Bei einigen seltenen Kreuzen des 12. bis 14. Jh. wurde Messing (?) oder Kupfer für Inkrustationen verwendet. Die ältesten erhaltenen goldplatierten Kreuze stammen aus dem 15. Jh. Die in den königlichen Chroniken erstmals im 17. Jh. erwähnten goldenen Kreuze waren ausnahmslos dünn vergoldet oder goldplatiert. Nach Eröffnung des Suez-Kanals im Jahre 1869 beeinflusste der massive Import von MariaTheresia-Talern in das Gebiet um das Rote Meer auch die Herstellung von Kreuzen. Die Briten hatten große Mengen dieser Taler während der Abessinien-Expedition 1867/68 ins Land gebracht, außerdem erhielt Kaiser Menilek II. (1889–1913) eine ebenso große Anzahl Taler von den Italienern. Große Mengen dieser Silbermünzen gelangten bis ins 20. Jh. nach Äthiopien. Eine beträchtliche Anzahl dieser Münzen ging in die Produktion von Prozessionskreuzen, Handkreuzen und vor allem Halskreuzen. Die äthiopische Christenheit teilt mit den Kopten in Ägypten und dem christlichen Nubien einen starken und tief verwurzelten Glauben in die Schutz- und Heilkraft des Kreuzes. Viele Beispiele für Wunderheilungen werden in den Lebensgeschichten äthiopischer Heiliger zitiert (Kur 1972: 68; Raineri 1990: 223–37). Der Anblick des Kreuzes vertrieb Dämonen und Heuschrecken (Alvares 1961: 133). Das Kreuz fand und findet im Jahreslauf bei verschiedenen festlichen Gelegenheiten Verwendung. Am eindrücklichsten wird dies jeden September, am Ende der Regenzeit, beim Maskalfest (Fest der Kreuzerhöhung). Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieses Fest im Volk zum stärksten Ausdruck christlichen Glaubens. Das Kreuz spielt auch in besonderen Gebeten und Litaneien eine wichtige Rolle. Könige und Adlige stifteten häufig gravierte Prozessionskreuze als Votivgaben an bestimmte Kirchen, Priester schenkten oft große Benediktionskreuze als Votivgaben. Von den Miniaturen in Handschriften erfahren wir, dass das Verhüllen von Kreuzen eine lange Tradition hat. Handkreuze sind mit einem Ring oder kleinen Loch versehen, durch das Stoff gefä-
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delt wird. Wenn sie nicht in Gebrauch sind, werden die Kreuze in den Stoff eingewickelt. Die rote und weiße Farbe, die man zur Darstellung dieses Stoffes in einem Psalter des 14. Jh. verwendete (Getatchew 1982: 126), scheint das Opfer Christi darzustellen: Rot für das bei der Kreuzigung aus seinem Körper fließende Blut, Weiß für das Grabtuch, in das sein Körper nach dem Tod gehüllt wurde. Es war auch üblich, Stoffe verschiedener Länge in die unteren Arme des Prozessionskreuzes einzuhängen. In neuerer Zeit verwendet man dazu farbenfrohe Stoffe.
Kreuze der aksumitischen Periode Erstaunlich wenige Kreuze wurden bei den Ausgrabungen in Aksum und den nördlichen Regionen Äthiopiens gefunden. Es handelt sich dabei ausschließlich um Handkreuze, obwohl einige der in Kirchen und Klöstern aufbewahrten Prozessionskreuze ebenfalls in der aksumitischen Periode entstanden sein dürften. Priester und Mönche weit abgelegener Kirchen behaupten dies häufig von den sich in ihrer Obhut befindenden Kreuzen, aber bislang wurden keine wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt, um diese Datierungen mit einiger Sicherheit zu bestätigen. Münzen und Keramikmuster der aksumitischen Periode zeigen Grundformen von damals in der christlichen Welt bekannten Kreuzen. Auch Holzschnitzereien in Kirchen enthüllen die hauptsächlichen Kreuzformen dieser Zeit. Auf alle aksumitischen Münzen der christlichen Ära ist das Zeichen des Kreuzes geprägt. Das früheste Kreuzzeichen findet sich auf Goldmünzen der Regierungszeit Ezanas (330–65) (Munro-Hay 1995:41, 44–47, Abb. 47–49; Hahn 1999: 42 bis 48). Es handelt sich um ein griechisches Kreuz mit geflammten Enden – eine Art Tatzenkreuz. In den folgenden vier Jahrhunderten ist das Kreuz entweder auf dem Avers oder dem Revers der Münzen abgebildet. Anzani stellte eine Liste mit sechzehn Variationen dieser Kreuze zusammen (1928: 23). Sie entwickelten sich aus drei Grundtypen. Der erste Typ ist das Tatzenkreuz, das sehr häufig auftritt und syro-palästinischen Ursprungs sein soll (Buxton 1972: 164–66). Der zweite Typ ist ein (griechisches) Kreuz mit gleichlangen Balken, und der dritte Typ ist das lateinische Kreuz. Es gibt auch verschiedene Mischformen entsprechend der allgemeingültigen Klassifikation von Kreuzen. In der Gegenwart wird bei der Herstellung von Halskreuzen der erste und dritte Formtyp bevorzugt (Juel-Jensen 1990: 1–13). Auf Münzen kommen zwei verschiedene Kreuztypen vor. Bei dem einen Typ handelt es sich um ein kleines Handkreuz oder ein Kreuz mit verlängertem Längsbalken. Beim zweiten Typ ist der Längsbalken derart lang, dass dieses Kreuz wie ein Stab mit einem Kreuz an der Spitze aussieht. Hataza und Gersem, zwei Könige aus dem späten 6. oder frühen 7. Jh., (Munro-Hay 1995: Typ 137, 141, 147, 148; Juel-Jensen: 53, 54, 55), sind mit kleinen Handkreuzen dargestellt, die manchmal statt des üblichen quader- oder würfelförmigen Abschlusses ein kleines Kreuz am unteren Ende aufweisen. Eine von König Armah (Armeha) herausgegebene Prägung zeigt den thronenden Herrscher, der entweder ein Kreuz mit verlängertem Längsbalken oder einen langen Stab hält, der von einem gleicharmigen Kreuz mit geflammten Enden bekrönt wird (Munro-Hay 1999: Typ 153). Münzen des Königs Hataza zeigen den Herrscher frontal, mit einer Krone, die an beiden Seiten kleine Kreuze aufweist (Munro-Hay 1995: Typ 140). Die Krone König Joels trägt ein Kreuz auf der Spitze (Munro-Hay 1995: Typ 134). Beide Darstellungen zeigen vermutlich die für die aksumitischen Könige dieser Zeit typischen Regalia. Einigen Münzen aus der Regierungszeit des Armah zeigen drei Kreuze, ein großes und zwei kleinere. Unter ihnen befindet sich ein Bogen und in ihm ein (manchmal vergoldetes) Gebilde,
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das an ein umgedrehtes Schlüsselloch erinnert (Munro-Hay 1995: 151). Heute wird angenommen, dass auf den Münzen die drei Kreuze der Kreuzigungsszene und darunter das Grab Christi wiedergegeben sind (Juel-Jensen 1990: 11). Als Kaiser Heraklius das heilige Kreuz wiedergewonnen und am 21. März 630 nach Jerusalem gebracht hatte, verbreitete sich die Nachricht von dieser Sensation in der christlichen Welt und fand ihren Niederschlag in äthiopischen Münzprägungen. Vermutlich wählte Armah Silber für die Prägung seiner Münzen, um einen deutlichen Bezug zu Jerusalem herzustellen. Die dargestellte Architektur in Form eines Bogens sollte die Grabeskirche symbolisieren (Hahn 1999: 451). Im Laufe der Entwicklung aksumitischer Münzbilder wurde das Kreuz zu einem zentralen Symbol des christlichen Glaubens. Auf der Vorderseite der Münze ist das Herrscherporträt, auf der Rückseite ein Kreuz abgebildet, das von einem religiösen Text begleitet wird (Hahn 1999: 448). Auf den meisten vorchristlichen aksumitischen Münzen des 3. bis frühen 4. Jh. (Munro-Hay 1995: Typen 5, 15, 21–23, 36–37) sind die Könige mit einem langen Stab dargestellt, der vermutlich ein Szepter meint. Szepter waren auch am Hof der nubischen Könige in Gebrauch (Vantini 1970: 42–43). Auf späteren Münzen wurden diese Stäbe „christianisiert“, indem sie Kreuze an der Spitze erhielten und somit zusätzliche spirituelle Bedeutung gewannen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden solche Stäbe von religiösen Menschen getragen. Auf den Schnitzereien des 12. und 13. Jh. in der Golgotha-Kirche in Lalibela sind die Heiligen mit solchen von einem Kreuz bekrönten Stäben dargestellt (Gerster 1970: Taf. 79–80).
Frühe Kreuzverzierungen Eine wichtige Quelle für die Erforschung früher Kreuze sind gemalte oder geschnitzte Verzierungen in äthiopischen Kirchen. Verschiedene Formen von Kreuzen wurden auf den Überresten der Kirche Maria von Zion in Aksum gefunden. Charakteristisch sind das Schleifenkreuz und das Tatzenkreuz in einem Kreis (Littmann 1913II; 65) oder das Kreuz mit niedrigem Stamm als Palmette ausgebildet (Littmann 1913III; 106). Diese Formen finden sich immer wieder auf den Wänden der Felsenkirchen von Lalibela. In der Zerema Giorgis Kirche in Atsbi wurden Wildenten-Kreuze (sarcellée crosses), auf Holztafeln geschnitzt, gefunden (Lepage 1973: 436). Es muss sich dabei um eine populäre Form gehandelt haben, denn sie wurde exklusiv für den Kuppelschmuck über dem Allerheiligsten in der Imrahane Kristos Kirche verwendet (Bidder 1958: Abb. 57; Gerster 1970:119, 121). In dieser Kirche finden sich zahlreiche blumenverzierte Tatzenkreuze auf den Gewölbeflächen, Bögen und Arkaden. In Debre Damo ist ein Tatzenkreuz, das in Palmetten endet, in die KassettenDecke geschnitzt (Gerster 1970: Taf. 25). Beachtliches kunsthandwerkliches Können zeigt die Reliefschnitzerei eines ungewöhnlich großen Blumenkreuzes in der Wukro Meskele Kristos Felsenkirche, in der Nähe von Sagota in Wag (Gervers 2002: 107, Abb. 10). Auf den Bögen der Marienkirche zu Lalibela gibt es einen Reichtum an reliefierten und bemalten Kreuzformen. Am häufigsten ist ein Blumenkreuz, das in Quadrate oder Davidsterne eingesetzt ist (Gerster 1970: Taf. 67). Die eingeschnittenen Tatzenkreuze, welche die Pfeiler schmücken, haben kurze Seitenarme, wobei die oberen, besonders aber die unteren Arme verlängert sind. Sie tragen an ihren Enden Palmetten. Die Enden bestimmter Kreuze sind abgestuft und ähneln Kreuzen in koptischen Manuskripten (Leroy 1974: Taf. 4 und 5). Diese Kreuze weisen also auffällige Ähnlichkeiten mit koptischen Kreuzen auf (Les Cahiers Coptes 1953: 344).
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Abb. 193 (links) Prozessionskreuz aus der Golgotha-Kirche in Lalibela, 12. Jh. Abb. 194 (rechts) Prozessionskreuz aus Bronze, 14. Jh. von Bilbila Cherkos in Lasta.
Die in den Felsenkirchen in Abraha Atsbeha, Geralta und in Wukro Cherkos in Tigre auf Pfeilern in Stuck gearbeiteten weißen Kreuze sind nicht genau zu datieren. Anfänglich wurden sie dem 11./12. Jh. zugeschrieben (Lepage 1997: 211), später setzte man sie ins 13. oder gar 14. Jh. (Gerster 1970: 134). Ein Kreuztypus in Form eines an die Spitze eines langen Stabes gesetzten Kreises (Buxton 1970: 160) scheint eine Kopie früher äthiopischer Prozessionskreuze zu sein, die ihrerseits vom koptischen flabellum (Fächer, Fliegenwedel) beeinflusst sind (Bourguet 1964: 121). Das Kreuz entstand möglicherweise zur selben Zeit wie die Kirche und war als Erinnerungsdenkmal der Konsekrationszeremonie der Kirche gemeint – eine Praxis, die für koptische Klöster gut belegt ist (Cramer 1959: 42, Abb. 52; Lepage 1975B: 46). Ein weiteres reliefiertes Kreuz gehört zum Typ des geformten Tatzenkreuzes. Das Kreuz und der Pfeiler zusammen betrachtet repräsentierten möglicherweise einen zweiten Typ der damals gebräuchlichen Prozessionskreuze. Ein einzigartiges Kennzeichen des Kreuzes sind zwei Formen, die Delfine darzustellen scheinen (Gerster 1970: 134, Taf. 184). Diese Identifikation wird durch Funde stilisierter Delfine unterstützt, die Bestandteil der so genannten Lalibela Kreuz-Ornamentierung sind.
Prozessionskreuze Das Prozessionskreuz entwickelte sich gleichzeitig mit den Handkreuzen und den Benediktions-
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kreuzen und wurde essentieller Bestandteil der kirchlichen Liturgie und des Kirchenrituals und für die Menschen ein beliebtes Symbol des christlichen Glaubens. Die Grundform der frühesten Prozessionskreuze bildete der Typus des Tatzenkreuzes, entweder mit gleichlangen Balken oder mit verkürztem Querbalken. Kreative Formen und Gestaltungsmuster hielten sich über die Jahrhunderte, obwohl gelegentlich die eigentliche Kreuzform in der überreichen Ausgestaltung beinahe unterging. Das Hauptcharakteristikum aller dieser Kreuze besteht darin, dass das Design viele phantasievoll kompilierte Teile beinhaltet. Die Wirkung entsteht durch den Kontrast zwischen dem verwendeten Material und dem leeren Raum, der den Hintergrund bildet (Moore 1971: 13). Viele Jahrhunderte lang wurden Kreuze hauptsächlich im Wachsausschmelzverfahren gegossen, eiserne Kreuze aber wurden geschmiedet. Man kann die frühesten Prozessionskreuze in zwei Haupttypen einteilen. Die Kreuze der ersten Kategorie waren entweder schlichte Tatzenkreuze mit verkürzten Querbalken oder Wildentenkreuze mit deutlich zopfartig gedrehten Balken. Die schlichten Tatzenkreuze waren für gewöhnlich aus Eisen hergestellt, die Wildentenkreuze wurden in einem Stück aus Bronze oder Kupfer gegossen (Moore 1971: 12–15, Abb.3–5). Von diesen zwei Grundtypen existieren verschiedene Variationen. Eine Gruppe des zweiten Kreuztyps wird traditionell mit der Zagwe Dynastie verbunden und scheint eine Kreation der Silberschmiede von Lasta zu sein. Keines dieser Kreuze ist datiert. Sie sind gemeinhin bekannt als Lalibela-Kreuze, weil sie ursprünglich dort in den Felsenkirchen gefunden worden sind. Ihre Form ist mit der anderer nicht zu vergleichen, da hier ein Tatzenkreuz mit langem Schaft in den Umriss einer umgedrehten Birne gesetzt ist oder in zwei Ovale:
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Abb. 195 (links) Prozessionskreuz aus dem 14. oder frühen 15. Jh.
Abb. 196 (rechts) Offenes GondarProzessionskreuz aus Silber von 1667–82. Museum des Institute of Ethiopian Studies, 4466.
Abb. 197 (links) Prozessionskreuz aus Silber, Gondar 17. Jh., Museum des Institute of Ethiopian Studies, 4483. Abb. 198 (rechts) Prozessionskreuz aus Silber, griechischer Typ, 19. Jh., von Sekota Medhane Alem.
in ein größeres und ein kleineres. Ein kleines Tatzenkreuz ist auf der gebogenen Oberseite des Rahmens angebracht, von dem beidseitig ein Band von sechs Schleifen herabläuft. Die Schleifen werden lokal interpretiert als Symbol für die zwölf Apostel. Unterhalb sind bis zu drei geschwungene, sich verjüngende Formen an den Rahmen angebracht, die immer ein kleines Loch am Ende zeigen (Abb. 194). Für die tiefere Bedeutung dieser einzigartigen Formen wurden zahlreiche und unterschiedliche Erklärungsversuche unternommen. Es scheint, dass die Schöpfer der verschiedenen Formen der Lalibela-Kreuze etwas anderes im Sinne hatten, als im 20. Jh. interpretiert worden ist. Sie sahen in den gekurvten Umrissen keine Vögel, sondern andere Lebewesen. Jean Doresse zeigte überzeugend, dass es sich in der Tat um hochgradig stilisierte Delfine handelt, die von in der koptischen Kunst geläufigen Delfindarstellungen abgeleitet sind (Doresse 1971: 557–66 und Tafeln). Für die frühen Christen symbolisierte der Delfin nicht nur ihren Glauben, sondern Christus selbst. Obwohl der Delfin in der christlichen Kunst bis zu einem gewissen Grad von der generalisierten Darstellung eines Fisches in den Schatten gestellt wurde, behielt er in der koptischen Kunst seine alte Bedeutung, und war auf Lampen, Kultgegenständen und Grabdenkmälern zu sehen (Leclercq 1920: 218–95). Der obere Teil des Lalibela-Kreuzes hat sich deutlich aus der Rundung des Bogens auf koptischen Grabmonumenten entwickelt (Doresse 1971: 562–63). Lepage und Mercier sehen darin „antike Triumphbögen“ (Lepage 1975: 77; Mercier 2001: 48). Die beiden getrennten Schmuckelemente Grabbogen und Delphin wurden bei den LalibelaKreuzen kreativ zu einer fließenden Form verbunden. Wer aber dies erreicht hat, und wie es zustande kam, werden vermutlich für immer offene Fragen bleiben. Möglicherweise ist im 13. Jh., gewiss aber im 14. und frühen 15. Jh., der gebogene Rahmen
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von Kreuzen wie bei denen von Lalibela durch Vierblatt-Rahmen ersetzt worden, die es bereits in der Ornamentik von tragbaren Altären gab (Gerster 1970: Taf. 210). Es bestehen Ähnlichkeiten mit dem Kleeblatt-Ornament der Kanones des Eusebius und figurativen Miniaturen auf den Evangelien dieser Zeit (Moore 1971: Abb. 12–14; Mann 2001: 83). Der Raum im Rahmen ist mit einer fließenden Kombination verschiedener verschlungener Bänder und Kreuze gefüllt. Die Enden bestehen immer aus einem großen Tatzenkreuz, das an einem geschwungenen Band befestigt ist (Abb. 193). Das Kreuz mit kurzen Balken ist im Mittelteil gelegentlich durch figurative Gravuren geschmückt (Moore 1971: Abb. 10–11). Rautenförmig umrahmte Kreuze treten gleichzeitig mit Vierblatt-Rahmen-Kreuzen auf. Innerhalb des Rahmens ist das Design immer geometrisch und besteht aus einer Kombination von Quadrat und Kreuz-Mustern (Moore 1971: Abb. 18) oder lediglich aus einem Muster kleiner Kreuze (Abb. 195). Im 14. Jh. tauchte die älteste Form des Kreis-Kreuzes wieder auf, bei dem sich die Innenmusterung aber vollständig verändert hat. In der Mitte ist ein kleines Tatzenkreuz von verschiedenen konzentrischen Bändern umgeben, die durch viele kleine Kreuze oder andere Formen miteinander verbunden sind (Moore 1971: 15–17: Mann 2001: Abb. 81). Die neu gestalteten Kreis-Kreuze sind aus Bronze oder Kupfer und im Gegensatz zur Vierblatt-Variante in leichterer Art gefertigt. Im 15. Jh. wurden große Mengen von Rundkreuzen hergestellt. Man findet sie in vielen Kirchen von Lasta und auch von Tigre, was darauf hindeutet, dass es mehr als ein Produktionszentrum gegeben haben muss. Ein tiefgreifender Wandel trat durch die Einführung von Messing als Grundwerkstoff zur Herstellung von Kreuzen auf. Dies war wahrscheinlich in der Mitte des 15. Jh. der Fall, obwohl Bronze- und Kupferkreuze weiterhin produziert wurden. Die neuen Kreuztypen, die sich nunmehr entwickelten, wurden in Bronze, Kupfer oder Messing gegossen. Im Ganzen gesehen zeigen die Messingkreuze eine weniger gute kunsthandwerkliche Ausarbeitung als diejenigen aus Bronze oder Kupfer. Eine neue Form stellt das griechische Kreuz dar, mit kurzen, leicht geschweiften Enden, und innen mit Bändern gefüllt, die ein Muster aus Quadraten und Kreuzen bilden. Die Enden bestehen aus vier Bandschleifen, überragt von einem großen Tatzenkreuz. Im Zentrum findet sich ein kleines Tatzenkreuz. Die Kreuze sind für gewöhnlich in einem Stück gegossen und haben nur am Schaft Platz für die Gravur von Inschriften (Moore 1971: Abb. 20–21). Ein zweiter Typ ist charakteristisch für die Kreuze des 15. Jh. und basiert auf einem neuen Konzept, das Raum für die Einarbeitung gravierter Figuren auf beiden Seiten des Kreuzes mit einbezieht. In gewisser Weise erfüllen diese bildlich gravierten Kreuze einen doppelten Zweck, indem sie als Ikonen und Kreuze zugleich dienen. Die Rautenform des Kreuzes wird durch verschlungene Bänder gebildet, kombiniert mit Kreuzen als Enden. Obwohl es sich in der Regel um Prozessionskreuze handelt, sind diese Kreuze klein und dünn. Sie sind selten aus Bronze (Mann 2001: 85) und hauptsächlich aus Messing gearbeitet (Moore 1971: 24–30; Girma 2002: 103). Allem Anschein nach gab es früher eine große Produktion an Edelmetallkreuzen, aber man findet nur noch wenige in Kirchen und Klöstern. Allerdings sind sie in öffentlichen und privaten Sammlungen in Äthiopien und im Ausland gut vertreten. Diese Kreuze sind wegen ihrer Gravierungen sehr attraktiv. Als Hauptmotiv bilden sie die heilige Maria mit dem Kind und die Erzengel Michael und Gabriel ab. Häufig werden auch Gottvater, die zwölf Apostel, Petrus und Paulus, die Patriarchen des Alten Testaments, Abraham, Isaak und Jakob sowie der hl. Georg dargestellt. Die für den Königshof angefertigten Kreuze, als Geschenke für verschiedene Kirchen bestimmt, bilden eine Klasse für sich. Es sind für gewöhnlich Tatzenkreuze mit großen, sanft
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geneigten Balken und kreuzförmigen Enden mit flacher Oberfläche für Gravuren. König Zara Jakob hat vielleicht ein solches Kreuz dem Tamina-Kloster in Tamben geschenkt (Chojnacki 1983: 194–95, Abb. 80 a/b). Sein Sohn König Beda Mariam (1468–78) gab ein ähnliches Kreuz, das von einem besonders begabten Künstler mit Gravuren geschmückt worden war, in Auftrag (Tedeschi 1991: 170, 174–75). Ein weiteres großartiges Kreuz dieser Art, auch aus Messing gefertigt, ist nun Teil der Sammlung äthiopischer Kreuze des Staatlichen Museums für Völkerkunde in München (Girma Fisseha 2002: 105). Konzept und Form dieser Kreuze, einschließlich der auf einer Seite eingravierten Darstellung der Kreuzigungsszene, wurden möglicherweise von italienischen gemalten Kreuzen, so genannten orcroci dipti, inspiriert. Dieser Eindruck wird durch ein hölzernes Kreuz aus dem 15. Jh. verstärkt. Auf ihm ist die Figur des gekreuzigten Christus und der beiden Räuber in Relief dargestellt. Die Figuren von Maria und Johannes erscheinen an der linken bzw. rechten flügelartigen Balkenseite des Kreuzes. Es sind keine Enden angebracht (Hecht 1990: 29–30). Die Herkunft zweier Kreuze auf dem skulpierten Kopf eines langhörnigen Widders, qarna beg oder „Horn des Widders“ genannt, verbleibt ein Rätsel. Eines ist im Besitz des Klosters Tedbabe Mariam in Saynt und soll das Kreuz sein, mit dem der hl. Johannes Jesus Christus getauft hat. Ein Teil des Kreuzes besteht nur aus Bronze, der Großteil ist jedoch mit Silber überzogen (Spencer 1972: 7203). Das zweite Kreuz dieser Art findet sich im Kloster Abrentant in Waldebba und wurde in einem Stück aus Bronze gegossen (Girma Elias 1977: 123). Die bisher gemachten Beschreibungen decken nur einen Teil der extrem vielfältigen Produktion von Prozessionskreuzen der Periode vor dem frühen 16. Jh. ab. Es scheint aber, dass die Produktion kontinuierlich abnahm und nur während der Herrschaft der Monarchen von Gondar im 17. und 18. Jh. wiederbelebt wurde. Die Prozessionskreuze von Gondar entwickelten sich aus Tatzenkreuzen mit gleich langen Balken. Davon gibt es eine geschlossenarmige und eine häufiger auftretende offenarmige Variante. Das Kreuz besteht aus strahlenden Balken mit sich verjüngenden, stark gebogenen Spitzen. Ein ähnliches Kreuz wurde von Kaiser Yohannes I. (1667–81) und seiner Königin Seble Wengil als Geschenk für eine Kirche in Auftrag gegeben (Abb. 196). Es ist ein seltenes Objekt, da es ganz aus Silber gefertigt wurde (Moore 1971: 49–50, Abb. 35). Im späten 17. und frühen 18. Jh. begann man Kreuze zu produzieren mit Profilen, die eine Kombination aus Kreuzchen-Mustern darstellten, wobei sie leichter wurden und ein Gefühl zarter Schönheit vermittelten. Sie werden als „verschlungen-profilierte Kreuze von Gondar“ bezeichnet. Ein dritter Typ ist durch einen streng rautenförmigen Umriss charakterisiert. Die Kreuze selbst sind in einen Schaft eingesetzt, der gewöhnlich mit bis zu drei großen Verzierungen dekoriert ist. Die flachen, unteren Arme sind immer breit und ragen hervor. Die großen und schweren Kreuze wurden stets in vier Teilen gegossen, wobei das Kreuz, der Schaft und die beiden unteren Arme miteinander verlötet wurden. Messing – gelegentlich vergoldet – war das Material der Wahl (Abb. 197). Auch die großen, hölzernen Gondar-Kreuze sind typisch geschmückt mit drei grob geschnittenen, runden Glasstücken. Im Ganzen sehen die Kreuze beeindruckend aus, aber ihre handwerkliche Ausführung ist von geringerer Qualität als die so mancher früherer Kreuze (Moore 1971: 48–49). Die besondere Anziehungskraft der Gondar-Kreuze besteht in ihren reichlich eingeritzten Darstellungen von Figuren und Szenen, die auf beiden Seiten angebracht sind, wobei verschiedene Szenen auf einem Kreuz erscheinen. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen den Bildinhalten, die auf den Kreuzen eingeritzt sind, und denen, die in Manuskripte oder auf Holzta-
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feln gemalt sind. Der Brauch, Stifterfiguren abzubilden, ist auch in anderen Kunstformen bekannt. Die Inschriften identifizieren die Objekte und die Stifter. Im frühen 18. Jh. und besonders ab 1730 kamen die großen Rauten-Kreuze in königliche Gunst. Sie boten die Möglichkeit, eine zunehmende Anzahl von Szenen wiederzugeben. In der Folge scheint eine gewisse Ordnung in die Darstellung eingeführt worden zu sein, wobei die Stifterfiguren regelmäßig erschienen. Kaiser Iyasu II. und seine Mutter, Kaiserin Mentuab sind auf solchen dünn vergoldeten Messingkreuzen abgebildet. Die Jahre des späten 18. und das 19. Jh. markieren das Ende der Kreativität in Bezug auf die Produktion äthiopischer Prozessionskreuze. Es gab nun keine Neuerungen mehr, und die Künstler reproduzierten die früheren Kreuzformen, ohne jedoch ein vergleichbares Niveau der Perfektion zu erreichen. Im späten 19. und im 20. Jh. war die bevorzugte Form eine enge Imitation von Schlaufen-Kreuzen aus dem 15. Jh. Die Balken des griechischen Kreuzes in der Mitte sind streng gerade, während die Enden sich zu komplizierten Mustern entwickelt haben. Gelegentlich wurden sie aus Silber gefertigt, aber viel häufiger aus Messing mit dünnem Silberüberzug (Abb. 198).
Handkreuze Francisco Alvares bemerkt in seinem unschätzbaren Bericht über die Jahre, die er im frühen 16. Jh. in Äthiopien verbrachte, dass alle Priester, Mönche und Personen von hohem Adel Kreuze trugen, ob sie zu Fuße oder zu Pferde waren, und dass die Kreuze der Mönche von ihnen selbst ange-
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Abb. 199 (links) Handkreuz aus Silber mit Vergoldung aus der Mitte des 15. Jh. vom Abiye Egzi Kloster, Tamben.
Abb. 201 (links) Benediktionskreuz aus Messing mit Eisengriff, 15. Jh., vom Abiye Egzi Kloster, Tamben.
Abb. 200 (rechts) Benediktionskreuz aus Holz, 17. Jh., Cherkos Agobo.
Abb. 202 (rechts) Drei Hand- und zwei Benediktionskreuze aus Silberlegierung, spätes 19. Jh., vom Abiye Egzi Kloster, Tamben.
fertigt wurden (Alvares 1961: 170, 516). Solche Kreuze waren vermutlich aus Holz gearbeitet. Die Handkreuze dienten verschiedenen Zwecken. Sogar noch heute trägt jeder Priester ein kleines Handkreuz, das er, wenn immer notwendig, hervorholt. Passanten verehren das Kreuz zuerst durch Berühren mit der Stirn und küssen es dann. Handkreuze verwendete man für die tägliche Liturgie in den Kirchen, Prozessionskreuze an Samstagen, Sonn- und Feiertagen (Alvares 1961: 71). König Zara Jakob wies die Leute an, sich am Abend zu versammeln, die Marienikone an erhöhter Stelle aufzustellen und Halleluja zu singen. War keine Ikone vorhanden, verwendete man ein Handkreuz, entweder aus Eisen, Holz oder sogar aus Gras gefertigt (Conti Rossini 1965: 2). Wie die aksumitischen Könige trugen auch die Herrscher der salomonischen Dynastie Kreuze. König Jeschak I. (1413–28) soll einem arabischen Chronisten zufolge ein mit Rubinen verziertes Kreuz getragen haben (Wiet 1938: 126). Während einer Audienz, die König Lebna Dengel (1508–40) dem portugiesischen Gesandten gab, hielt er ein Silberkreuz in Händen (Alvares 1961: 303), und auch auf Reisen trug er ein Handkreuz (Alvares 1961: 338). In Äthiopien, schreibt David Buxton, „nahmen die Handkreuze eine Form an wie sie in der übrigen christlichen Welt ziemlich unbekannt war. Am unteren Ende des Stieles (an dem das Kreuz gehalten wird) befindet sich eine rechteckige Basis, die den Tabot (die Bundeslade) der Kirchen darstellen soll“ (Buxton 1970: 169). Eine weitere, eher volkstümliche Interpretation setzt die rechteckige Basis mit dem Grab Adams gleich. Visueller Ausdruck dieser Tradition ist ein kubisch geformter Felsen bei Lalibela, der den Namen „Grab des Adam“ trägt, ebenso wie der Schädel Adams, der auf praktisch allen äthiopischen Malereien bei Kreuzigungsszenen am Fuße des Kreuzes abgebildet wird. Jedenfalls wurde die rechteckige Basis zu einem dauerhaften Bestandteil des
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äthiopischen Handkreuzes. Mit Blick auf die Grundform ähneln sich die kleineren Handkreuze und die größeren Prozessionskreuze deutlich. Meistens sind Handkreuze in Form und Schmuck weniger ausgearbeitet, und der schmale verlängerte Längsbalken dient als Griff mit einem Würfel an seinem unteren Ende. Die meisten Metallkreuze wurden im Wachsausschmelzverfahren gegossen, und zwar jedes Teil für sich. Diese Teile wurden dann zusammengeschweißt (Moore 1973: 77–78). Eiserne Handkreuze wurden geschmiedet. Die frühesten Darstellungen von Handkreuzen sind auf Wandmalereien von Gennete Mariam in Lasta zu sehen, die in die Jahre 1270–85 datiert werden, und in der Wescha Mikael Kirche in Angot aus der selben Periode (Mercier 2002: 144). Die abgebildeten Figuren tragen Tatzenkreuze mit verlängertem Längsbalken in Händen. Die Kreuze sind schwarz gemalt, möglicherweise um das Material Eisen darzustellen. Auf allen abgebildeten Kreuzen fehlen die Quader an der Basis. Der denkbare Schluss, die Kreuze dieser Zeit hätten keine vergrößerte Basis gehabt, wird durch ein erhaltenes eisernes Handkreuz, das dem 12./13. Jh. zugeschrieben wird, jedoch nicht bestätigt. Es ist den beschriebenen Kreuzen ähnlich, sein Griff endet aber deutlich in einem Knauf (Moore 1973: 49; Lepage 1975: 74). Die Metall-Handkreuze des 13. und 14. Jh. gehören zum Typ der Tatzenkreuze und sind zumeist aus Eisen gefertigt, manche möglicherweise aus Bronze gegossen. Die vielen heute noch erhaltenen Kreuze aus dem 14. und 15. Jh. verweisen auf eine zahlreiche Produktion in dieser Zeit. Einheimisches Eisen gab es genug, und einheimische Schmiede waren in der Lage, Kreuze aus Eisen herzustellen. Das geht aus Aufzeichnungen jener Zeit hervor (Kur 1972: 10). Diese geschmiedeten Kreuze waren relativ dünn, während die gegossenen schwerer waren. Auf den besonders feinen und präzisen Malereien des 17. Jh. in der Abba Yohannes Felsenkirche in Tamben tragen alle Figuren Eisenkreuze mit rechteckiger Basis am unteren Ende in Händen. Die äthiopischen Klöster besitzen immer noch einige wertvolle Handkreuze von besonderer Bedeutung und Qualität. Eines von ihnen ist Eigentum des Abiye Egzi Klosters in Tamben. Das mit Silber und Gold überzogene Handkreuz trägt auf beiden Seiten eingravierte Bilder. Auf einer Seite sieht man die nährende Jungfrau (Abb. 57) und auf der anderen Seite Gottvater. Das Kreuz zeigt deutlich die stilistischen Neuerungen in der äthiopischen Kunst der Mitte des 15. Jh., die weithin durch Beziehungen mit Westeuropa geprägt wurden. Holzkreuze scheinen sich anders entwickelt zu haben. Im bereits erwähnten Psalter des 14. Jh. (Getatchew Haile 2982: 126–129) werden Handkreuze sehr präzise dargestellt, und es ist evident, dass es sich bei ihnen allen um Holzkreuze vom Typ der Tatzenkreuze handelt. Einige Kreuze sind mit eingeschnitzten Kreuzmustern verziert, andere sind unverziert. Alle haben eine vierkantige Basis, an der ein Stoff festgemacht wird. Auf anderen Manuskripten, die dem späten 14. und frühen 15. Jh. zugeschrieben werden, sieht man die Erzengel Michael und Gabriel mit lateinischen Holzkreuzen mit rechteckiger Basis. Stoffe fehlen hier allerdings (Chojnacki 1983: 180–81). Die möglicherweise ältesten erhaltenen Holzkreuze datieren in die Mitte des 15. Jh. und erinnern an kurzbalkige Tatzenkreuze aus Metall mit kleinen spitzen Stacheln in den Zwickeln. Sie sind alle von ausgezeichneten Kunsthandwerkern aus schwerem dunklen Holz gemacht, das Ebenholz imitieren soll. Zwei solcher Kreuze gehören dem Institute of Ethiopian StudiesMuseum in Addis Abeba. Ein fein geschnitztes Stück zeigt Spuren von Silber-Einlagen und ist mit winzigen Goldnägeln geschmückt (Hecht 1990: 82). Die ebenen Oberflächen eines weiteren
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Abb. 203 Ohrputzer aus Silber, 19. Jh., Privatsammlung.
Abb. 204 Hängekreuz (enkolpion) aus Messing, Mitte des 15. Jh., vom Wuken-GabrielKloster, Tamben.
Abb. 205 Halskreuz aus Kupfer, 14./15. Jh., Museum des Institute of Ethiopian Studies, 6722.
Kreuzes sind mit sehr feinen Gravuren figurativer Darstellungen gefüllt (Heldman 1993: 184). Mit dem Aufstieg der Dynastie von Gondar weitete sich die Produktion von Handkreuzen enorm aus. Im ganzen gesehen korrespondieren sie in Bezug auf ihren Stilwandel mit den Prozessionskreuzen (Moore 1973: 220–21, Abb. 57). Die Bezeichnung „Hörner des Lammes Gottes“ wurde besonders den Handkreuzen mit gedrehten Enden gegeben (Abb. 200). Im ersten und zweiten Stil von Gondar wurden die Kreuze meist schwarz gemalt, um das Material Eisen anzudeuten, aus dem sie gefertigt waren. Sie erscheinen in den Händen der Heiligen. Messing, das ebenfalls viel Verwendung fand, wurde malerisch mit der Farbe Gelb angezeigt. Neben der Grundform der Kreuze von Gondar fertigte man auch noch Kreuze nach älteren Mustern an, aber kreativ abgewandelt und ausgestaltet. So wurde der Griff verbreitert und mit verschiedenen Schmuckmustern gefüllt sowie die vierkantige Basis erheblich vergrößert, was das einfache Tatzenkreuz im Vergleich mit seinen Komponenten klein erscheinen ließ und die gewöhnlich perfekte Ausgewogenheit des äthiopischen Kreuzes unvorteilhaft veränderte. Phantasievolle Variationen traten an der vierkantigen Basis auf. Bei einigen Kreuzen wurde sie durch ein großes Kreuz unten ersetzt. Der Stolz Gondars bestand in seinen hölzernen Kreuzen. Die Schwierigkeit der Umsetzung der Formen der Metallkreuze in das Material Holz wurden meisterhaft gelöst, wobei die Verwendung biegsamer Hölzer die Schaffung erstaunlich schöner Kunstwerke ermöglichte. Ein charakteristisches Beispiel bildet ein Kreuz, das in einem Stück die Vorstellung vom Lebensbaum, die durch ein zweigartig verflochtenes Muster in einem rautenförmigen Kreuz ausgedrückt wird, mit der Rolle Adams verbindet. Diese wird durch den Griff in Form eines Mannes, der beide Hände erhoben hält, symbolisiert. Die auf der großen, rechteckigen Basis eingravierte Kreuzverzierung stellt das Grab Adams dar (Moore 1973: 22; Mann 2002: 90–91; Girma Fisseha 2002: 110). Bestimmte Variationen kombinieren das Thema der Kreuzigung mit der Grablegung durch den in ein Leichentuch gehüllten Leib Christi in Reliefdarstellung (Hecht 1990: 143) – ein Konzept, das bereits auf Kreuzen des 16. Jh. abgebildet wurde (Hecht 1990: 31). Eine andere phantasie-
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volle Schöpfung ist die Kombination des runden Kreuzes, das durch verschiedene Kreise und Zick-Zack-Muster gebildet wird, mit dem griechischen Kreuz. Vollendet wird diese Schöpfung durch eine ausgewogene quadratische Basis (Hecht 1990: 119; Mann 2002: 91). Die Flachreliefmethode wurde gelegentlich farbig ausgeführt, was die Gondar-Kreuze besonders anziehend macht (Girma Fisseha 2002: 111). Außerdem erlaubt Holz als Fertigungsmaterial einen freien Fluss von Kreativität und spiritueller Leidenschaft, was in Formen resultierte, die vage an das Kreuz der Kreuzigung erinnern (Hecht 1990: 38,46,57,72,122,147). Die Produktion hölzerner Handkreuze wie auch vieler aus Messing oder Silber wurde während der folgenden Jahrhunderte ohne besondere Formänderungen fortgeführt.
Benediktionskreuze Benediktionskreuze sind generell den Handkreuzen sehr ähnlich, abgesehen von ihrem größeren Format und dem verlängerten Griff (Abb. 201). Daher ist die Unterscheidung beider in verschiedenen Fällen fraglich (Abb. 202). Nur der Gebrauch entscheidet, in welche Kategorie das einzelne Stück einzuordnen ist. Wie ihre Bezeichnung anzeigt, werden Benediktionskreuze in der Liturgie verwendet. In der Vergangenheit wurden sie von religiösen Führern als Handkreuze getragen. Der Beweis dafür findet sich auf einem Diptychon des 15. Jh., auf dem der hl. Anorewos der Ältere, ein Schüler des hl. Tekle Haimanot (14. Jh.), mit einem großen Benediktionskreuz dargestellt ist. Der Umstand, dass es einen Ring am unteren Ende hatte, durch das ein Stoff gezogen war, zeigt an, dass er es wohl als sein persönliches Handkreuz gebraucht hat (Juel-Jensen 1992: 361). Benediktionskreuze, die in Kirchen verwendet wurden, waren gelegentlich aus Holz gemacht. Die meisten werden nicht später als ins 17. oder 18. Jh. datiert, obwohl manche, die aus heimischem, dem Ebenholz ähnlichem Hartholz gefertigt waren, bis ins 15. oder 16. Jh. zurückgehen sollen (Mercier 2001B: 77). Benediktionskreuze aus Eisen und Messing sind uns erhalten und dürften so alt sein wie die ebenholzähnlichen Kreuze. Die Benediktionskreuze des 19. und 20. Jh. entwickelten sich aus Kreuzen des Gondar-Typs und anderen älteren Formen. Der Griff wurde aber schlanker und ein kleines Kreuz gewöhnlich an die Grundplatte angefügt (Moore 1973: 211). Das normale Kreuz besteht aus Rautenformen, die konzentrisch im Umfang abnehmen. Der Raum zwischen ihnen ist mit verschlungenen oder Zick-Zack-Mustern gefüllt. Die Herstellung von Benediktionskreuzen wurde von der Einführung der Maria-Theresia-Taler beeinflusst. Daher sind viele dieser Kreuze des späten 19. und frühen 20. Jh. aus Silberlegierungen hergestellt.
Hängekreuze Auf den teilweise feinen und präzisen Wandmalereien der Felsenkirche Abba Yohannes in Tamben aus dem 17. Jh. sieht man einen Heiligen, der auf seiner Brust ein großes Tatzenkreuz trägt. Hängekreuze wie dieses bestätigen den Gebrauch kurzbalkiger Kreuze, die in der Form der byzantinischen encomplia (religiöse Zeichen umgehängt) ähneln, und zeigen, dass heilige Darstellungen auch in Äthiopien auf der Brust getragen worden sind. Zwei Hängekreuze aus dem 15. Jh. finden sich im Wuken-Kloster in Tamben. Eines besteht aus Silber mit Goldapplikationen (Heldman 1993: 91, cat 1), das andere aus Messing (Abb. 204). Beide sind mit wunder-
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Abb. 207 (links) Lesepult aus Holz, 17. Jh., Johannes Kama, Endenta, Tigre. Abb. 206 Kelch aus Bronze vor 1500, Ta’amina Mariam, Addis Abeba.
Abb. 208 (rechts) Weihrauchfässer in Debra Damo.
schönen eingravierten Figuren geschmückt. Oben besitzen sie einen zickzackförmigen Zylinder, um eine Kordel oder Schnur aufzunehmen. Ein ähnliches Kreuz aus Holz, wahrscheinlich ins 15. Jh. zu datieren, zeigt feine Schnitzverzierungen (Mercier 2000B: 63) und scheint die Hänge-Diptychen des 17. Jh. vorwegzunehmen. Halskreuze Pater Francisco Alvares berichtet, dass einfache Laien gewöhnlich kleine Kreuze um den Hals trugen, während Priesterschaft und Adel diesen Brauch nicht teilten (Alvares 1961: 170, 516). Aus dem 17. Jh. und danach gibt es anscheinend keine Erwähnung von Halskreuzen in den schriftlichen Quellen, und sie erscheinen auch nicht in der Malerei. Von den frühen erhaltenen Halskreuzen aus Bronze und Kupfer sind annähernd ein Dutzend wohl Verkleinerungen von Prozessionskreuzen (Abb. 205). Bei jedem von ihnen ist am Boden des Schaftes, der in diesem Falle oben am Kreuz festgemacht ist, ein Ring angebracht, durch den eine Kordel gezogen werden konnte, um das Kreuz um den Hals zu tragen. Obwohl die Datierung derartiger Kreuze problematisch ist, darf man annehmen, dass sie sicherlich vor dem 16. Jh. aufgetaucht sind und dass die ältesten sogar bis ins 14. Jh. zurückgehen dürften, da ihre Formen mit den Haupttypen anderer Kreuze dieser Periode korrespondieren (Mercier 2000B: 78). Obwohl hölzerne Halskreuze vom Volk getragen wurden, sind derartige Kreuze nicht erhalten, da sie den Verstorbenen mit ins Grab gegeben wurden. Durch den mächtigen Zustrom von Maria-Theresia-Talern im späten 19. Jh. stieg die Her-
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Abb. 209 Bei religiösen Zeremonien werden große Trommeln geschlagen, hier im November 1993 in Sekota Medhane Alem.
stellung von silbernen Halskreuzen sprunghaft an. Aber auch Kupfer und Messing wurden bis zu einem gewissen Grade noch verwendet. Viele Kreuze sind aus reinem Silber angefertigt, aber meist verwendete man Legierungen oder tauchte Messingkreuze in flüssiges Silber. Die Silberschmiede mussten nun Kreuze in großen Mengen herstellen und machten daher Fortschritte im Wachsausschmelzverfahren, und es gelang ihnen auch, viele Kreuze mittels einer Lehmform zu gießen (Moore 1973: 82–84). Im Verlaufe des 20. Jh. kam es schließlich zu einer Blüte in der Herstellung von Silberkreuzen. Gelegentlich wurde auch Gold verwendet. Einige neue Formen wurden geschaffen, jedoch führte die phantasievolle Verwendung der alten Formen mit sehr filigranen Ornamenten zu einer Vielzahl attraktiver Stücke (Petridis 1969: 76; Moore 1973: 82–87, 230–49; Mercier 2001: 190; Mann 2001: 92–93; Girma 2002: 112). Ein besonders faszinierendes Beispiel der Kombination von religiösem und profanem Gebrauch bilden Halskreuze, die so geformt wurden, dass man sie auch zum Reinigen der Ohren benutzen konnte (Pankhurst 1979) (Abb. 203).
Liturgische und andere Gegenstände des kirchlichen Gebrauches
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Abb. 210 Drei Kronen aus dem kirchlichen Schatzhaus in Aksum: v.I.n.r. Kronen eines Gouverneurs von Aksum und von Ras Mikael Sehul (18. Jh.) sowie von Johannes I., dem Sohn Fasilides’.
Abb. 211 Glocken unter dem Dach der Rundkirche von Ura Kidane Mariam.
Verschiedene Gegenstände wurden zur Verwendung in der Liturgie und für andere religiöse Zwecke hergestellt. Einige von ihnen sind auf die äthiopische Christenheit beschränkt und stark von alttestamentlich jüdischen Bräuchen beeinflusst. Während der Messe wird das eucharistische Brot auf der Altarplatte (sellat) gebrochen. Die Platte und die Truhe, in der es aufbewahrt wird, werden als Äquivalent zur Bundeslade angesehen und beide als Tabot bezeichnet (Getatchew Haile 2001: 38). Im gewöhnlichen Sprachgebrauch bezeichnet das Wort Tabot die geweihte Altarplatte einer Kirche, das Wort bezeichnet aber auch die „Lade“ oder den hölzernen Kasten („Thron“), in dem die Platte oder Tafel aufbewahrt wird (Beckingham 1961: 543). Die Tafel ist geweiht, und die Liturgie kann nur vollzogen werden, wenn sie in einer Kirche verwahrt ist (Heyer 1971: 39–47). Dauerhaft im Heiligtum aufbewahrt, wird die sorgfältig eingewickelte Tafel nur an speziellen Festtagen und zu religiösen Anlässen herausgenommen. Obwohl es noch einige Tafeln aus Alabaster gibt, bestehen die meisten Tafeln aus Holz. Normalerweise tragen sie Inschriften, die den Heiligen nennen, dem sie geweiht sind, den Namen der Kirche und gelegentlich den Stifternamen. Das geschnitzte Schmuckmuster (Buxton 1970: Abb. 100 und 101) ist genau auf den äußeren Oberflächen der Hänge-Diptychen des 17. Jh. wiedergegeben (Chojnacki 2000A: 289 bis 92). Die tischartigen Behälter zur Aufnahme der Tafeln sind in ländlich gelegenen Kirchen normalerweise roh gezimmerte, einfache Holzgebilde, die gelegentlich mit Malereien verziert
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sind. In Städten und reicheren Kirchen können sie sehr groß und mit Malereien in leuchtenden Farben verziert oder in farbenprächtige Textilien gewickelt und von einer Hülle geschützt sein. Die Evangelien und andere in der Liturgie verwendete Bücher werden während der Lesung von Diakonen geöffnet gehalten oder auf Leseständer gestellt. Einige Leseständer sind aus schlanken Baumstämmen mit drei Ästen gefertigt. Umgedreht bilden die Äste die Füße des Leseständers und oben wird ein Brett befestigt. Andere Leseständer können zusammengefaltet werden und sind aus einem Stück Holz gearbeitet, ähnlich denen im Nahen Osten, und mit FlachreliefSchnitzereien verziert (Abb. 207). Größere faltbare Lesepulte sind sehr schön aus Eisen geschmiedet. Am obersten Teil der Arme ist ein breites Stück Leder angebracht, auf welches das Buch gelegt werden kann. Das wichtigste Objekt im Gottesdienst ist der Kelch. Die ältesten Kelche sind aus Bronze und Kupfer gefertigt und haben gewöhnlich einen kurzen Stiel, eine breite Schale und eine glatte Oberfläche (Abb. 206). Die Kelche werden in zwei Teilen gegossen, die zusammengeschweißt sind. Aus dem 15. Jh. ist ein Kelch erhalten, der aus verschiedenen gegossenen Teilen besteht, die fein zusammengefügt sind. Die Kelche der späteren Jahrhunderte wurden aus Messing gefertigt, und ihre Stiele waren generell länger. Die äußere Oberfläche ist glatt, gelegentlich ist der Rand betont. Eucharistie-Löffel sind entweder aus Silber, Kupfer oder Bronze gearbeitet. Einige Stücke des 15. Jh. und ältere haben verschiedene ziselierte Muster und Figuren (Mercier 2000B: 61). In heutigen äthiopischen Gottesdiensten wird das Wasser, mit dem sich der Priester vor der Gemeinde die Hände wäscht, in einfachen irdenen Behältern aufbewahrt. Aber früher wurden zu diesem Zwecke elegant geformte Wasserkrüge, gestaltet nach ägyptischem und vorderasiatischem Vorbild, verwendet. Einige sind noch erhalten in Aufbewahrungsräumen von Kirchen, aber die meisten gelangten in private und öffentliche Sammlungen Äthiopiens und des Auslandes (Raunig 1973: 270–73). Das gleiche trifft auf schöne Messinglampen des 17. und 18. Jh. zu, die nach dem Vorbild von Bauwerken des ersten Stils von Gondar gearbeitet wurden und zuweilen gute Kunsthandwerksarbeit zeigen (Raunig 1972: 264–65; Girma Fissena 2002: 118). Weihrauchfässer findet man überall und in allen orthodoxen Kirchen Äthiopiens. Sie bestehen aus Bronze (Abb. 208) oder Messing und in ärmeren Gemeinden aus Eisen. Der althergebrachte Typus besteht aus einem Behälter für Holzkohle und Weihrauch, einem Deckel, der an der Spitze ein Kreuz trägt, und aus vier oder fünf Ketten, an die kleine runde Glöckchen angebracht sind. Wenn das Weihrauchgefäß bewegt wird, bringen die Glöckchen einen angenehmen Klang hervor. Weihrauchgefäße tragen somit zu den Toneffekten bei, begleitet von Gesang und Rezitation, was die mystische Stimmung während der Liturgie verstärkt. Trommeln sind Besonderheiten der äthiopischen Liturgie und kraftvoller Ausdruck äthiopischen afrikanischen Erbes. Die Trommelschläge geben den Rhythmus für verschiedene liturgische Tänze vor (Abb. 209). Die Trommeln werden gewöhnlich aus den ausgehöhlten Stämmen von Bäumen gefertigt und mit Stoffen umhüllt. Die Membranen werden aus Tierhäuten hergestellt. In früheren Zeiten haben Herrscher und hochgestellte Feudalherren gerne ihren bevorzugten Kirchen Trommeln aus Silber oder dick vergoldetem Messing zum Geschenk gemacht. Das auffälligste Instrument während des Gottesdienstes ist das Sistrum (Abb. 212). Diese Rassel stammt aus altägyptischer Zeit und wurde später von den Kopten benutzt. Die christlichen Äthiopier haben das Sistrum übernommen und entwickelten es zu einer eigenen Form weiter (Buxton 1970: 156–57). Es besteht aus U-förmigen Armen und dünnen Drähten mit kleinen, beweglich angebrachten runden Scheibchen und einem kurzen Griff. Die Instrumente beste-
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Abb. 212 Das Klanginstrument Sistrum wird bei religiösen Zeremonien geschlagen.
hen gewöhnlich aus Messing, gelegentlich auch aus reinem Gold oder dick vergoldetem Silber. Der Griff besteht aus Holz, manchmal auch aus Horn oder Elfenbein. Ein anderes Relikt ägyptischer Tradition sind die liturgischen Tänze. Mit afrikanischem Erbe kombiniert, bilden sie einen wichtigen Teil kirchlicher Rituale und festlicher religiöser Zeremonien. Trommeln und Sistren werden gemeinsam mit Gebets-Stäben oder meqwami-ya zum Schlagen des Rhythmus verwendet. Das Oberteil des Gebets-Stabes ist ähnlich einem Tatzenkreuz geformt, auf das der Gläubige während langer Gottesdienste sein Kinn lehnen kann. Die Gebets-Stäbe bestehen normalerweise aus Holz, ihre Oberteile sind aber gelegentlich aus Metall gearbeitet. Glocken sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Liturgie und religiöser Zeremonien. Sie werden dazu benutzt, um die Gläubigen zusammenzurufen oder sie an die Ereignisse der Passion Christi zu erinnern. Die einfachste Art von Glocken besteht aus einem oder mehreren Stücken an die Äste eines Baumes gehängter Silikatsteine. Sie tönen, wenn sie mit einem Stein oder einem hölzernen Stock geschlagen werden. Häufiger sind aber Metallglocken. Die ältesten bestehen aus Bronze, jene aus Messing stammen aus jüngerer Zeit. Die ältere Glockenform ist steil konisch und klein, während die des 17. Jh. gerundet und mit schmalen runden Zierleisten und Kreuzverzierungen gegossen ist (Abb. 211). Bei manchen kirchlichen Zeremonien finden Kronen Verwendung. Ähnlich griechischem Brauchtum trägt das Brautpaar während der Trauung Kronen, allerdings dürfte diese Praxis erst ziemlich spät eingeführt worden sein. Andererseits scheint es eine alte Tradition des Tragens von Kronen durch Priester und Diakone während großer Feste im liturgischen Jahreslauf und bei besonderen Gelegenheiten gegeben zu haben, was durch die Objekte selbst bezeugt wird, die immer noch in den Schatzhäusern der Kirchen aufbewahrt werden. Sie sind nicht mehr in Gebrauch und befinden sich für gewöhnlich in einem schlechten Erhaltungszustand. Diese Kronen sind ziemlich roh aus Messing gearbeitet. Von einigen meint man, sie seien während der glorreichen Tage der zweiten Periode von Gondar im frühen 18. Jh. entstanden. Sie sind dünn vergoldet, mit Glasstücken, die Edelsteine vortäuschen sollen, und mit kleinen Medaillons, die mit gemalten Engelsfiguren verziert sind, geschmückt (Brus 1975: 9) (Abb. 210). Abschließend sei die zeitlose Tradition erwähnt, der zufolge über Könige Zeremonial-Sonnenschirme als Würdezeichen gehalten wurden. Die frühesten Abbildungen datieren ins 15. Jh. Heutzutage werden hochdekorative Sonnenschirme während wichtiger Zeremonien über den heiligen Tafeln oder über Evangelienbüchern und Ikonen, wenn sie ins Freie außerhalb des Kirchengeländes gebracht werden, gehalten. In einigen alten Kirchen sind wunderschöne alte Sonnenschirme immer noch vorhanden. Sie bestehen aus Holzteilen, gespaltenen Bambusrohren und einem robusten Stab. Zur Bespannung wurden und werden Samt und andere wertvolle Textilien wie Brokat benutzt, die reich mit Silber- oder Goldflitter besetzt sind.
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Geschichte der äthiopischen Kirche Zewde Gabre–Sellassie
Die äthiopisch-orthodoxe Tewahdo Kirche (= Einheit, „eins gemacht“) hat sich für den Historiker als wahre Fundgrube erwiesen. Sie muss betrachtet werden als Mittelpunkt der Christenheit am Horn von Afrika. Die Kirche und ihre Einrichtungen standen im Zentrum von Angriffen und Zerstörung durch Feinde Äthiopiens, die zu verschiedenen Zeiten kamen. Durch die Opfer, die sie brachte, war sie in der Lage, ihr eigenes christliches Erbe zu bewahren, das sie zum Symbol für Einheit, Unabhängigkeit und sozialen Fortschritt machte.
Gründung Vor dem Christentum herrschten in Äthiopien traditionelle Glaubensvorstellungen vor, daneben die Verehrung südarabischer und griechischer Gottheiten sowie eine eigene Form von Judentum. Einige Äthiopier verehrten verschiedene Götter: die Sonne, den Mond, die Erde, das Meer u.a. Andere verehrten Bäume, Flüsse, Berge, Steine, Tiere, Vögel u.ä. (Budge 1928 I: 144 f.) Im Glauben und Ritus der Tewahdo Kirche stellt der jüdische Einfluss bzw. die Gegenwart des Judentums den vorherrschendsten und dauerhaftesten Faktor dar. Jüdischer Einfluss ist tief verwurzelt in der Kultur Äthiopiens. Das Kebre Negest, die Jahrhunderte alte äthiopische Nationalsage, erzählt die Geschichte des Besuches der Königin von Saba oder Makeda bei Salomo, der zu der Geburt von Menelik I., dem Gründer der äthiopischen salomonischen Dynastie geführt hat, und zur Einführung der Religion des Alten Testaments. Es wird auch berichtet, dass die Leviten, die Menelik auf seiner Rückkehr nach Äthiopien begleiteten, das Original der Bundeslade mit sich brachten, das Moses von Gott gegeben worden war (Budge 1922: 42). Dieser Bericht überschritt in Äthiopien die Grenze vom Historischen zum Glauben. Die äthiopische Tradition behauptet, dass die Könige, die Menelik folgten, in seine Fußstapfen traten. (Budge 1928 I: 146) Die archäologischen und epigraphischen Funde andererseits enthüllen, dass die aksumitischen Herrscher bis zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. südarabische und griechische Götter verehrten.1 Sir William Budge schreibt: „Aksum wurde eine Stadt gemischter Kulte, hebräischer, ägyptischer und griechischer ... das größte Handelszentrum in Afrika im 1. Jh. n. Chr., seine Herrscher und Könige waren Heiden und sie verehrten die Sonne und den Mond wie ihre jemenitischen Vorfahren. Die von Maqeda (Makeda Königin von Saba) und ihrem Sohn (Menelik) eingeführte hebräische Religion wurde überlagert.“ (1928 I: 147) Doch zweifellos wurde gleichzeitig auch eine bestimmte Ausprägung des Judentums von einem Teil der Bevölkerung praktiziert.
Die Einführung des Christentums
Abb. 213 Priester mit Prozessionskreuz aus Bet Denagel (Kirche der Jungfrauen) in Lalibela.
Gemäß der Überlieferung wurde das Christentum in Äthiopien vom „Eunuchen der Königin Candace“ – letzteres eine Königinbezeichnung in Meroe – eingeführt, der von Philip getauft worden war, wie es in Apostelgeschichte 8:26–40 geschrieben steht. Der Eunuch, der aus dem Buch Jesaia des Alten Testaments vorlas, als Philip ihn traf, war bereits zum jüdischen Glauben übergetreten. Obwohl die griechischen Autoren ein ausgedehntes Gebiet zwischen Nubien und Indien als Äthiopien bezeichneten, war das aksumitische Reich das Territorium, in dem Judentum und Heidentum der offiziellen Einführung des Christentums vorangingen. Sergew Hable Sellassie legt dar, dass Johannes von Ephesus, der einen bedeutenden Teil seiner Kirchengeschichte der
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Einführung des Christentums in Nubien widmete, nicht sagt, das Judentum sei in Meroe angenommen gewesen, wo Königin Candace regierte (1972: 97). Es besteht wenig Zweifel, dass das Christentum seinen Weg in das aksumitische Reich vor dem 4. Jh. nur in sehr begrenztem Maße fand. Die Errichtung eines Bistums und die Spendung aller Sakramente erfolgten um die Mitte des 4. Jh. Frumentius, ein Syrer, der in Äthiopien gelebt, sich mit der Tradition des Landes vertraut gemacht hatte und die Sprache fließend sprach, verweilte auf seinem Rückweg nach Tyrus in Alexandria, um dort den Patriarchen zu bitten, einen Bischof nach Äthiopien zu entsenden. Patriarch Athanasius überzeugte Frumentius, nach Äthiopien zurückzukehren und das Evangelium zu verbreiten, indem er ihn zum Metropoliten von Aksum weihte. Frumentius wurde bekannt als Abba Salama Käsate Barhan (Vater des Friedens und Erleuchter): Der Herrscher und ein Teil seines Hofes waren die ersten, die bekehrt wurden. Die Annahme des Christentums durch den Herrscher kann aus der Münzprägung und Inschriften König Ezanas erschlossen werden, in denen heidnische Symbole und Phrasen durch christliche Merkmale ersetzt worden waren – so das Symbol der Mondsichel auf Münzen durch ein Kreuz. Statt sich in seinen Inschriften als Sohn des Mahrem (südarabischer Kriegsgott) zu bezeichnen, begann er mit der Formel: „Im Glauben an Gott und die Macht des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, die mein Königreich gerettet haben, glaube ich an deinen Sohn Jesus Christus, der mir geholfen hat ...“2 Die Verbreitung des Christentums vollzog sich eher langsam in einem Land, das von Menschen bewohnt war, von denen einige einer bestimmten Form des Judentums und die übrigen dem Heidentum anhingen. Während der Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten, besonders nach der Thronbesteigung Ptolemäus II. im Jahre 282 v. Chr., blühte der Handel zwischen dem Gebiet des späteren Reiches von Aksum und Ägypten. Griechische Kaufleute kamen und siedelten in großer Zahl in Adulis und Aksum. Hellenistischer Einfluss wurde stark, wie die Verwendung griechischer Buchstaben auf aksumitischen Münzen und Gedenkinschriften bezeugt. In ihnen werden griechische Götter wie Zeus, Ares und Poseidon als Schützer der Könige und des Reiches erwähnt. Mitte des 4. Jh. stellte Ezanas Bekehrung zum Christentum einen Höhepunkt dieses kulturellen Einflusses dar. Diese Bekehrung war zum Teil auch Resultat einer Allianz mit dem neuen römischen Reich unter Konstantin dem Großen (Kammerer 1926: 99–106). Sowohl Byzanz als auch das aksumitische Äthiopien fühlten die heraufziehende Gefahr, ihre Vorherrschaft über den Handel im Roten Meer an die Perser zu verlieren.
Dogma Die äthiopisch orthodoxe Tewahdo Kirche akzeptiert und befolgt streng: die Lehren Jesu Christi und seiner Apostel; die Entscheidung, getroffen von 318 Kirchenvätern im Konzil von Nicäa im Jahre 325; die Beschlüsse von 151 Kirchenvätern im Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 und den Beschluss und die Lehren der 200 Kirchenväter des Konzils von Ephesus im Jahre 431. Sie verwirft aber die Entscheidung des Konzils von Chalzedon im Jahre 451. Die äthiopische Kirche gehört zu der Gruppe der östlichen orthodoxen Kirchen, die fälschlich „Monophysitisch“ oder „Eutychianisch“ genannt werden. Das korrekte Epitet ist „NichtChalcedonisch“. Die anderen Mitglieder dieser Familie sind die koptische, armenische, syrische und südindische Kirche. Die nicht-chalzedonischen Kirchen verwerfen die monophysitische
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Lehre, die Eutyches verbreitet haben soll, dass in Christus die menschliche Natur von der göttlichen absorbiert worden sei. Analog dazu wurden auch die Lehren des Nestorius verworfen. Die Lehre der äthiopischen Kirche besteht in dem Glauben, wie er von den großen Theologen der alexandrinischen Schule dargelegt worden ist, besonders vom hl. Athanasius und vom hl. Cyril. Dem gemäß hält die äthiopische Kirche daran fest, dass Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Das wurde von Cyril klar verkündet, der auf dem Konzil von Ephesus den Vorsitz hatte, und das wurde unwidersprochen akzeptiert. „Ohne ihn von seiner Gottesnatur abzutrennen, wurde Er zu einer Person, einer Natur ohne Wandel, ohne Vermischung, ohne Teilung und Trennung. Er ist Sohn und Christus vor und nach seiner Inkarnation.“3 Das ist die Vereinigung der Naturen in der Inkarnation. Gemäß der Lehre der Nicht-Chalzedonier besteht Christus nach der Vereinigung nicht aus zwei Personen oder zwei Naturen sondern aus einer Person; er ist fleischgewordene Natur von Gott, dem Sohn, mit einem ungeteilten Willen, aber gleichzeitig von göttlicher und menschlicher Natur. Wenn man die Naturen nach der Vereinigung trennt und sagt, dass Christus zwei Naturen besäße, wie die Chalzedonier es tun, so argumentieren die Nicht-Chalzedonier, dass, wenn Christus lediglich als Mensch gekreuzigt worden wäre, er nicht die Welt erlöst haben könnte, denn Gott allein sei in der Lage, die Erlösung der Welt zu bewerkstelligen. Der von den Nicht-Chalzedoniern gewählte Ausdruck war immer miaphysis, und niemals monophysis (mia steht für eine zusammengesetzte Einheit, anders als mone, das für eine elementare Einheit steht.) Das ist die korrekte Position, seither ist „Miaphysis“ in der Orthodoxie als zentraler Terminus üblich. „Tewahdo“ (= eins gemacht) ist der beste Ausdruck, um den Glauben der Kirche auszudrücken, da er die unteilbare Einheit der Göttlichkeit und Menschlichkeit, vereint in der Person Christi, betont. Die offizielle Bezeichnung der Kirche lautet: „Ye Ityopya Ortodox Täwahdo Bet ä Krestyan“ (Die Äthiopisch Orthodoxe Täwahdo Kirche). Zum Gegensatz zwischen Chalzedoniern und Nicht-Chalzedoniern in Fragen der Christologie bemerkt E. L. Butcher nach sorgfältiger Untersuchung und Reflexion der Materie folgendes: „Der beste Kommentar hinsichtlich der Lehre, die als Vorwand für so viel politischen Streit und politische Eifersucht diente, stammt von Evagrius, einem orthodoxen Mitglied der byzantinischen Kirche, der die Kontroverse als einen Versuch des Teufels betrachtet, Zwietracht in der christlichen Kirche zu säen, und zum Unterschied zwischen en und ek (in oder aus zwei Naturen) bemerkt: – während in Wirklichkeit der eine Ausdruck vollständig von der Idee des anderen abgeleitet war ... wurde die Diskrepanz zwischen ihnen für beträchtlich gehalten, und die Ideen, die durch sie transportiert wurden, als einander deutlich diametral entgegengesetzt und eine die andere ausschließend.“ (1897 I: 312 f.) Darum scheint der Unterschied aus semantischen Zänkereien zu bestehen, die auf beiden Seiten über jedes vernünftige Maß hinaus übertrieben wurden. Die Chalzedonier bezeichnen die Nicht-Chalzedonier als Monophysiten oder Eutychianer; und die Nicht-Chalzedonier bezeichnen die Chalzedonier als Arianer. Und dennoch haben beide unisono sowohl die Lehre des Arius als auch die des Eutyches verworfen und mit dem Bann belegt. Euthyches wurde auf dem Konzil von Ephesus im Jahre 449 wiedereingesetzt, nachdem er der Lehre, der zufolge die göttliche Natur die menschliche Natur Christi absorbiert habe, entsagt hatte.
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Ein genauerer Blick auf die Geschichte dieser Periode legt nahe, dass die ambitionierten Bestrebungen und die Rivalitäten zwischen Papst Leo I. und Dioscorus, dem Patriarchen von Alexandria, ihre Wirkung hatten. Jeder der um die höchste Position Wetteifernden muss beträchtlich zur Teilung der christlichen Kirche im 4. Jh. beigetragen haben, wenn dieses Wetteifern nicht sogar der Hauptgrund dafür war. In Bezug auf die Entscheidung unterschiedlicher Lehrauffassungen war in byzantinischer Zeit der Herrscher maßgeblich. Pulcheria, welche die Nachfolge ihres Bruders Theodosius antrat, und ihr Gemahl Marcianus betrachteten die steigende Macht des alexandrinischen Patriarchen als eine Bedrohung für das Ostreich, das in Gefahr war, seine fruchtbarste Provinz zu verlieren. Eine Anklage wegen Häresie war ihre sicherste Waffe gegen den Aufstieg des Dioscorus. Auf dem Konzil von Chalzedon im Jahre 451 wurde Dioscorus deshalb abgesetzt und verbannt – hauptsächlich wegen seiner heftigen Angriffe gegen Flavian auf dem Konzil von Ephesus 449. Es wäre auch ein Irrtum, von der äthiopischen Kirche als koptischer Kirche zu sprechen. Obgleich die grundsätzliche Lehre dieser Kirchen identisch ist, gibt es einige Unterschiede zwischen den beiden. Die Liturgie der äthiopischen Kirche kennt vierzehn Anaphoras (Kanones), die koptische Kirche hat nur drei. Die koptische Kirche benutzt einen Kalender, der auf den Martyrien der diocletianischen Zeit basiert, während die äthiopische Kirche Anno Domini (sieben/acht Jahre hinter dem gregorianischen Kalender) benutzt. Ullendorff weist deutlich darauf hin, dass von allen christlichen Kirchen die äthiopisch orthodoxe Kirche die meisten jüdischen Elemente beibehalten hat wie den Tabot (die Gesetzestafeln oder den Bund), die Beschneidung der Knaben acht Tage nach der Geburt, Speisevorschriften gemäß den Lehren des Alten Testaments, die Einhaltung des Sabbats, von Trommeln begleitete Tänze der Priester einschließlich eines vorherrschenden Einflusses auf die Kirchenarchitektur, Liturgie sowie hebräische und aramäische Lehnwörter in Geez (1968: 82 f.). Rubenson fasst die Ähnlichkeiten und Unterschiede der äthiopischen und der koptischen Kirche wie folgt zusammen: „Das äthiopische Christentum ist einerseits sehr verbunden mit der christlich arabischen Tradition des mittleren Ostens (Kopten und Syrer), andererseits stark davon unterschieden. Trotz der Tatsache, dass durch die Jahrhunderte die Bischöfe der äthiopischen Kirche in Ägypten geweihte koptische Mönche waren und die äthiopische christliche Literatur stark abhängt von Übersetzungen aus christlich arabischen Quellen, besitzt das äthiopische Christentum eine bedeutende eigene alte liturgische, spirituelle und theologische Tradition. Sie hat gemeinsame Wurzeln mit der christlich arabischen Tradition, ist jedoch weniger beeinflusst vom Aufstieg der byzantinischen Tradition im 4. und 5. Jh., und auch weniger beeinflusst von der Islamisierung des Mittleren Ostens. Sie hat somit viele frühe aramäische und jüdische Spuren der ersten christlichen Jahrhunderte bewahrt.“ (2000: 115)
Das Zeitalter der Klostergründungen in Äthiopien Nach einer dunklen Periode von anderthalb Jahrhunderten, die auf König Ezana folgte, kam es zu einem Wiederaufleben von Macht und Reichtum Aksums unter Tazena (486 – 493). Durch die Ankunft der „Neun Heiligen“ und gefolgt von den Tsadkans (andere Heilige), die aus verschiedenen Gegenden des byzantinischen Reiches kamen, etablierte sich das Klosterwesen in Äthiopien. Die ersten Klostergründungen fanden in den nördlichen Provinzen in Tigre und Shimäzana (heute Eritrea) statt und setzten sich in der Folgezeit südwärts tief bis ins Landesinnere fort. Die Bedeutung dieser Klostergemeinschaften lag in ihrer Funktion als dauerhafte Zentren christlicher Lehre.
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Nach den hagiographischen Informationen erstreckten sich die Aktivitäten der Neun Heiligen über einen Zeitraum von fünfzig Jahren. Ihr Beitrag war nicht auf die Ausbreitung des Christentums begrenzt; er umfasste auch Literatur und kirchliches Leben überhaupt. Obwohl die äthiopische Kirche rechtlich vom bischöflichen Stuhl von Alexandria abhing, weist ihre Liturgie viel mehr Ähnlichkeit mit dem syrischen Ritus auf. Analog soll die Architektur alter Kirchen von jüdischem und syrischem Stil beeinflusst sein. Im 6. Jh. führte Jared die Kirchenmusik ein. Sie wurde im 17. Jh. durch Beifügung von Musiknoten weiter ausgearbeitet.
Die Ausbreitung des Christentums Die aksumitische Periode Tazenas Sohn Kaleb konsolidierte Äthiopiens Herrschaft über Südarabien. Er wurde weltweit berühmt durch seine Expedition gegen den südarabischen Herrscher Dhu Nuwas und dessen Verfolgung und Massakrierung von Christen in Arabien von 523 bis 525. Kaleb baute Kirchen in Arabien und ließ seinen General Abraha zurück, das Land zu verwalten. Nach seiner Rückkehr nach Aksum empfing er Botschafter Kaiser Justinians, mit dem er eine Allianz gegen die persische Bedrohung schmiedete. Im ersten Viertel des 6. Jh. (501–525) waren in Äthiopien das christliche Königreich und die christliche Kirche fest etabliert in dem von Agau bevölkerten Gebiet, in Wag und Lasta. Kirchen wurden errichtet in Siedlungen entlang der Karawanenstraßen zu den Goldminen, die in der Region von Fazogli gegenüber der heutigen Grenze zum Sudan gelegen waren. Dagna Gan (825–845), einer der letzten Herrscher von Aksum, rückte weiter nach Süden in die amharischen Gebiete vor und nahm 150 Priester aus Aksum ... er machte Woina Dega zu seiner Hauptstadt. Dort gab es 60 Tabots (Tabernakel), die ihn auf das Schlachtfeld begleiteten.4 Infolge des Aufstiegs der persischen Macht, gefolgt vom Islam, verlor Aksum seine Seemacht, was seinen Abstieg einleitete. Im 10. Jh. besiegte Judith mit Unterstützung der Falasha die aksumitische Armee. Sie soll vierzig Jahre geherrscht haben. Sie brannte die Kathedrale von Aksum nieder und zerstörte die meisten Schriften und Reliquien, die den Glanz der aksumitischen Kultur ausgemacht hatten. Dem folgte der Aufstieg der Dynastie der Zagwe, die über drei Jahrhunderte an der Macht war.
Die Zagwe Periode Die Dynastie der Zagwe, die auf die aksumitische folgte, wurde vom Prinzen von Bugna in Lasta gegründet. Obwohl die Bewohner Lastas Christen waren und in der Tradition der Kultur von Aksum standen, wurden, wie Taddesse Tamrat berichtet, die Zagwe-Könige „als eine ausländische unfromme Gruppe von Abenteurern“ betrachtet. Deshalb blieb die vielleicht reichste und künstlerisch hochstehende Periode der äthiopischen Geschichte seit der Bekehrung des Ezana über lange Zeit im Dunkeln. Die Dynastie der Zagwe gab dem Wiederaufleben des christlichen Königtums neue Anstöße. (1972: 56 f.) Die Felsenkirchen von Lalibela, Imrahane Kristos und Ne’kuto Le’Ab sind ihre monumentalen Vermächtnisse. Damals wurde das Christentum bis Godscham und Begemder gebracht. Harbe, einer der Zagwe-Könige, war der erste, der versuchte, zwölf Bischöfe für sein großes Reich zu erhalten.
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Schülern war der Schoa-Apostel St. Tekle Haimanot, der Debre Asbo gründete, das später als Debre Libanos bekannt wurde. Im Norden entwickelte Abba Daniel von Debre Mariam in Geralta (Tigre) auf ähnliche Weise seine eigene Gemeinde. Von seinen Schülern zog Ewostatewos nach Seraye (Eritrea) und errichtete seine eigene Gemeinde. Die Häuser von Tekle Haimanot und Ewostatewos wurden die zwei religiösen Organisationen, die militant das Christentum in den peripheren Gebieten des Reiches, die vorwiegend von Heiden bewohnt waren, propagierten. Sie bemühten sich auch darum, Proselyten zu machen unter den Muslimen und den in Agau ansässigen Anhängern des vortalmudischen Judentums, die gemeinhin als Falasha bekannt sind, aber lieber „Beta Israel“ genannt werden wollen.
Die Beziehungen von Kirche und Staat
Die Entwicklung im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert Die Ausdehnung des Reiches im 13. Jh. erhöhte die Zahl der einheimischen äthiopischen Wanderprediger, die ihre Ausbildung in den alten etablierten Klöstern wie Debre Damo in Tigre und Debre Libanos in Simezana erhielten und Geschmack am Klosterleben fanden. Sie errichteten Klöster in strategisch wichtigen Gebieten an der Peripherie zur Verkündigung des christlichen Glaubens, wo sie auch jüngere Schüler ausbildeten. Pionier der Evangelisation der Amhara- und Schoa-Gebiete im Süden war Jesus Moa (gest. 1292) von dem Inselkloster Debre Haik, der seine Laufbahn um 1248 begann. Unter seinen
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Abb. 214 Der Klosterberg von Debre Damo kann nur über eine Felswand mittels Seil und nur von Männern bestiegen werden. Die Mönche ziehen den Besucher zur Eingangspforte hinauf.
Abb. 215 (nachfolgende Doppelseite): Das Heilsgeschehen wurde und wird noch in Äthiopien – so wie einst in Europa – dem des Lesens unkundigen Gläubigen in Art einer biblia pauperum an den Kirchenwänden erklärt. Hier Ausschnitte aus dem Leben Mariens in der Kirche Abraha Atsbeha nördlich von Makale. Es handelt sich um eine der bekanntesten Felsenkirchen der Region. Die Malereien an den Wänden stammen aus dem Jahr 1880 und wurden von dem lokalen Künstler Wozerit Genuber auf Stoffen gemalt.
Als das Christentum in Äthiopien offiziell von Abba Salama eingeführt wurde, waren der Herrscher und Mitglieder seines Hofes die ersten Konvertiten, anders als in Europa, wo die obere Gesellschaftsklasse als letzte zum Christentum übertrat. Die vorchristliche Tradition der priesterlichen Funktion des Herrschers wurde nach der Annahme des Christentums mit einiger Modifikation beibehalten. Von Anfang an waren die äthiopischen Herrscher eng verbunden mit der Leitung der religiösen Aktivitäten. Sie schickten Emissäre nach Ägypten, um einen Metropoliten zu erhalten. Sie setzten den Ecege ein, der die Verantwortung für die gesamte Verwaltung der Kirche des ganzen Reiches übernahm. Sie statteten Kirchen und Klöster großzügig mit Landbesitz aus und gründeten Stiftungen.5 Sie saßen oft religiösen Konzilen vor, um Lehrstreitigkeiten zu schlichten. König Harbe war sogar selbst ein geweihter Priester. Er wurde von der äthiopischen Kirche heilig gesprochen und ist als Keddus (Heiliger) Harbe bekannt. Die äthiopische Kirche war die „etablierte“ Kirche, die besondere Privilegien erhielt. Es bestand keine absolute Trennung zwischen Kirche und Staat; die Kirche griff, wenn auch in einigen wenigen Angelegenheiten, in das politische Leben des Staates ein, und der Staat intervenierte in die inneren Kirchenangelegenheiten. Die Kirche bildete von den ersten Tagen an einen wirksamen Faktor des Zusammenhalts. Sie war besonders wirksam, wenn es galt, öffentliche Unterstützung für Herrscher zu erreichen, vor allem in Kriegszeiten. Erzbischof David Mathew erklärt: „Die Beziehungen zwischen Altar und Thron in Äthiopien waren unentwirrbar, intim und schwierig zu definieren. Die Klöster lagen gruppiert um den Herrscher, die Priester und Mönche nahmen starken Einfluss auf ihn. In einer verwickelten Beziehung wurde das Leben des Herrschers beizeiten unzertrennbar von dem des Mönchsordens, auf dem der Thron ruhte.“ (1947: 22 f., 49) Die Beziehung zwischen den Herrschern und den Mönchsgemeinschaften war aber nicht immer herzlich. Einzelne Mönche wurden ausgepeitscht und verloren ihr Leben, weil sie Herrscher ermahnt und exkommuniziert hatten. Die militanten Führer der neuen Klosterbewegungen gerieten in offenen Konflikt mit Kaiser Amda Seyon (Zion) und seinem Sohn und Nachfolger Newaja Kristos. Beselote Mikael aus dem Hause Tekle Haimanot klagte Amda Seyon wegen seiner unchristlichen Heiratsgepflogenheiten an, da er mehr als eine Ehefrau und eine Reihe von Konkubinen besaß. Beselote Mikael wurde geschlagen und ins Exil nach Tigre geschickt, wo er für den Rest seines Lebens blieb. Ecege (Haupt der äthiopischen geistlichen) Filippos und Abba
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Das Schisma aufgrund der Herausforderung des Hauses von Ewostatewos
Anorewos exkommunizierten auf ähnliche Weise Amda Seyon, da er die Frau seines Vaters geheiratet hatte. Anorewos wurde in Debre Berhan zu Tode gepeitscht, während Filippos und die anderen Mönche ins Exil nach Tigre geschickt wurden. Nach dem Tod von Amda Seyon gelang es dem Metropoliten Jakob, vom neuen Kaiser Newaja Kristos ein feierliches Versprechen zu erhalten, sich mit nur einer Frau zu begnügen und den von seinem Vater exilierten Mönchen die Rückkehr zu gestatten. Der Kaiser brach jedoch sein Versprechen und heiratete drei Frauen. Der ägyptische Metropolit Jakob und einige Mönche exkommunizierten ihn. Newaja Kristos rächte sich, indem er Jakob nach Ägypten verbannte und die Mönche, die ihn exkommuniziert hatten, ins Exil schickte. Zur gleichen Zeit, so wird berichtet, soll im Norden Abba Ewostatewos, der Gründer des „Hauses“ Ewostatewos in Seraye (Eritrea) von den Lokalfürsten ähnliche sittliche Reformen verlangt haben.6 Während und nach dem 13. Jh. traten einige einheimische äthiopische Heilige auf, die berühmte Klöster in verschiedenen Landesteilen Äthiopiens gründeten.
Zara Jakob bemühte sich auch, einen kirchlichen Streit zu schlichten. In der äthiopischen Kirche kam es nämlich zu einer Kontroverse über die Einhaltung des Sabbats zwischen dem „Haus“ von Tekle Haimanot, das durch mehrere aufeinanderfolgende ägyptische Metropoliten unterstützt wurde, und dem „Haus“ von Ewostatewos. Das „Haus“ Ewostatewos betrachtete die Begehung des Sabbats als ein zentrales Dogma in Übereinstimmung mit den Zehn Geboten und den apostolischen Grundsätzen7. Aufgrund der aufbrechenden Meinungsunterschiede kam es zu einem Schisma. Mitgliedern des „Hauses“ von Ewostatewos wurde die Priesterweihe verweigert. Der Gründer ging um 1337 mit einigen seiner Anhänger ins Exil. Dabei durchquerte er Ägypten, das Heilige Land, Zypern und erreichte Armenien, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1352 lebte. Seine Anhänger kehrten nach dem Tod Ewostatewos’ zurück, um sich denen anzuschließen, die unter der Führung von Absadi, dem Gründer von Debre Mariam in Seraye, in Äthiopien geblieben waren.
Das Konzil von Debre Metmaq
Religiöse Politik und Entwicklungen während der Herrschaft des Kaisers Zara Jakob (1434–1468)
Zara Jakob, zweifellos der profundeste Theologe unter den äthiopischen Regenten, was seine Schriften Meshafa Milad (Buch der Geburt), Meshafa Berhan (Buch des Lichts) und andere zeigen, war entschlossen, das Schisma zu beenden. Beim Konzil von Debre Metmaq im Jahre 1450 führte er den Vorsitz. Dort überzeugte er mit einem gewissen Grad von Druck die widerspenstigen Bischöfe und Kleriker, sich mit Mitgliedern des Hauses von Ewostatewos wiederzuvereinen. Er erließ ein Dekret, daß sowohl Sabbat als auch Sonntag von der äthiopischen Kirche als Ruhetage zu respektieren seien.8 So wurde das Schisma beendet, der Graben überbrückt und das Haus von Ewostatewos mit der Hauptrichtung der äthiopischen Kirche wiedervereint.
Die dem Kaiser von Äthiopien tributpflichtigen muslimischen Sultanate stellten für Zara Jakob seit seiner Thronbesteigung und während seiner 34 Jahre währenden Herrschaft eine ernste Herausforderung dar. Die Sultanate waren durch eine Serie von Siegen, die seine Vorgänger Amda Seyon I. (1314–1344), Newaja Kristos (1344–1372), Dawit I. (1380–1412) und Yeshaq (Isaak) (1414–1429) erfochten, unterworfen worden. (Trimingham 1952: 66 ff.) In der Zeit nach dem Tod von Yeshaq und bis zur Thronbesteigung von Zara Jakob war das Reich durch die Unfähigkeit seiner Regenten in Turbulenzen geraten. Diese Schwächeperiode erlaubte es den muslimischen Sultanaten unter der Führung von Ahmad Badlay (ab 1432), Sohn und Nachfolger von Sa’ad ad–Din, den günstigen Moment zu ergreifen, die Grundfesten des christlichen äthiopischen Reiches zu erschüttern. Zara Jakob nahm die Herausforderung tapfer an, besiegte und tötete Badlay im Jahre 1445. (Perruchon 1893: 88)
Die Stefanitenbewegung 1428–1508
Ausmerzung des Heidentums Da der Kaiser die Gefahr, die für sein Reich von Angriffen aus Adal mit seinen Verbindungen zur islamischen Welt ausging, erkannte, konzentrierte er sich darauf, die äthiopische Kirche auf Kosten des Heidentums auszudehnen. Zu diesem Zwecke griff er zu drastischen Maßnahmen gegen heidnische Rituale und Praktiken, die darin resultierten, dass eine große Zahl seiner Untertanen ausgerottet wurden, auch Mitglieder seiner eigenen Familie. Um die Kirche zu stärken, war es nötig, die Unterbrechung der Priesterweihen, die durch häufige Abwesenheit von Bischöfen begründet war, zu vermeiden. Zara Jakob forderte so wie im 11. Jh. sein Vorgänger aus der Zagwe Periode Harbe, dass mehr als ein Bischof aus Ägypten geschickt werden sollte. Während Harbe erfolglos blieb, gelang es aber Zara Jakob, zwei Bischöfe zu bekommen. Es waren dies Anba Mikha’il (Mikael) und Anba Qubrayal (Gabriel), die im Jahre 1438 nach Äthiopien kamen.
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Nachfolgende Seiten: Abb. 216 Eingangstür zum Makdas mit zwei Erzengeln in Debre Tsahai Kuskam. Abb. 217 Fresken in Debre Tsahai Kuskam.
Istifanos, der Gründer dieser Bewegung, kam von seinem Geburtsort in Agame zum Kloster von Abba Samuel von Qoyesa in Sire, wo er ordiniert und zum Mönch ausgebildet wurde. Während seines zwölfjährigen Klosteraufenthalts zeigte er eine besondere Vorliebe für das Eremitenleben. Von den damals stattfindenden Veränderungen klösterlichen Lebens zeigte er sich enttäuscht. Vehement missbilligte er die Verstrickungen in weltliche Angelegenheiten und die Anhäufung von Reichtümern. Seiner Meinung nach verstieß dies gegen das Ordensgelübde und stand den Lehren der Gründermönche entgegen.9 Als seine Vorstellungen bekannt wurden, isolierte man ihn und drohte damit, ihn aus dem Kloster auszuschließen, da er sich weigerte, seinen Ideen abzuschwören. Von seinen Feinden wurde Istifanos der Häresie beschuldigt. Er soll böses Gedankengut unter seinen Schülern gesät haben, indem er behauptete, die übermäßige Verehrung der Jungfrau Maria und die Fürbitte von Engeln und Heiligen stünden dem wahren Geist christlicher Lehre entgegen. Er wurde auf Anordnung des Provinzfürsten in Sire im Gefängnis festgehalten und später vor den kaiserlichen Gerichtshof gestellt. Er verteidigte sich selbst und wurde rehabili-
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tiert. Nach sieben Monaten gelang es ihm, mit einem kaiserlichen Dekret nach Sire zurückzukehren: wer immer seinen Lehren folgen wolle, sollte nun frei sein, es zu tun. Nach der Thronbesteigung von Zara Jakob brachte sich Istifanos wieder in ernste Schwierigkeiten, als er zum zweiten Male vor den kaiserlichen Gerichtshof gerufen wurde. Bei seinem ersten Zusammentreffen mit Zara Jakob zog er sich das Missfallen des Kaisers zu, indem er seine Ansichten über die Trennung von Kirche und Staat darlegte, die der Sichtweise des Kaisers diametral zuwiderliefen. Er wurde ausgepeitscht, durfte aber nach Sire zurückkehren. In der Folgezeit erhielt Istifanos den Befehl, einem Konzil in Aksum beizuwohnen, was er ablehnte. Schließlich wurde ein Befehl erlassen, ihn gewaltsam zum drittenmal vor den kaiserlichen Gerichtshof zu stellen. Als er vor Zara Jakob erschien, verweigerte er den Gestus der Unterwerfung mit der Begründung, daß er sich nur vor Gott niederwerfe. Sein unmissverständlicher Standpunkt verschlimmerte den Zorn des Kaisers. Seine Haltung dem gesalbten Herrscher gegenüber wurde als unehrerbietig erachtet, was ein Kapitalverbrechen darstellte. Istifanos wurde geschlagen, man hackte ihm die Hände ab und warf ihn in ein Verließ für den Rest seines Lebens, das nur noch sieben Monate währte10. Sein Leidensweg machte ihn zum Märtyrer in den Augen seiner Anhänger, die sein Werk fortsetzten. Sie verlegten den Hauptsitz ihrer Aktivitäten von Sire nach seiner Heimat in Agame, wie es dem letzten Willen ihres Gründers entsprach. Yeshaq, einer der bekanntesten Schüler des Istifanos, gründete das berühmte Kloster Gunda Gundi. Es liegt am Rande des Abhangs, der Agame und das Afar Gebiet begrenzt, das an das Rote Meer anschließt. Dieses Gebiet ist fast ausschließlich von Muslimen bewohnt. Im Jahr 1454 erließ Zara Jakob eine Verfügung zur Auslöschung der Anhänger der Stefanitenbewegung. In der Folge kam es zu einer Massenverfolgung, in der schätzungsweise mindestens 30000 Menschen umkamen11. Einigen Überlebenden gelang es, in verschiedene Länder ins Exil zu fliehen. Die Bewegung war damit aber noch lange nicht beendet: sie wurde von Rükkkehrern wiederbelebt. Gebre Jesus, einer der Rückkehrer, zog nach Begemder und gründete das Kloster von Debre San in Emfraz. Dort begann er seine Werk. Es gelang ihm, unter den Falasha eine große Zahl von Anhängern zu gewinnen. Ezra, ein anderer Rückkehrer, brachte aus seinem ägyptischen Exil technisches Wissen zum Bau von Wassermühlen mit. Außerdem war er vom syrischen Patriarchen in Jerusalem zum Priester geweiht worden. Er wurde mit einigen seiner Kollegen nach Ägypten gesandt, um den Priestermangel in der Bewegung zu beheben, nachdem die meisten von ihnen in der Massenverfolgung umgekommen waren. Es bestand ein grundlegender Auffassungsunterschied zwischen den Prä-Debre Metmaq Anhängern des „Hauses“ Ewostatewos und denen des Istifanos. Jene hatten sich geweigert, sich vom koptischen Metropoliten weihen zu lassen, selbst nachdem Kaiser Dawit ihnen vollständige Freiheit für ihre Bewegung garantiert hatte. Ungeachtet des ihnen auferlegten Kirchenbanns, erlaubte man ihnen aber den Sabbat zu feiern. Die Stefaniten hingegen wichen nicht vom Hauptstrom der äthiopischen Kirche ab. Selbst nachdem der Kirchenbann gegen sie ausgesprochen worden war, ließen sie sich heimlich von den koptischen Metropoliten weihen. Damit war es für die Stefaniten einfacher, vom Hauptstrom der äthiopischen Kirche aufgesogen zu werden. Dies bestätigt Taddesse Tamrat, der Ezra zitiert: „Kaisers Naod (1494–1508) berief Ezra seiner technischen Kenntnisse wegen an den Hof, wo er von 1499 bis 1508 blieb. In dieser Zeit erklärte er öffentlich: weder Istifanos noch seine Anhänger hätten jemals die Verehrung der hl. Maria oder des Kreuzes verweigert ... Er forderte die Aufhebung des Kirchenbanns gegen Istifanos und seine Anhänger“. (1966: 15)
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Abb. 218 Fresken am Makdas der Kirche Ura Kidane Mehret (Mariam) am Tanasee.
Diesem Gesuch wurde stattgegeben. Damit waren die Stefaniten mit der Hauptrichtung der äthiopisch-orthodoxen Kirche wiedervereint. Nach dem Tode Naods lebte die Stefanitenverfolgung jedoch wieder auf und endete nicht, bis ein gemeinsamer Schock die Differenzen unter den Christen begrub: In den Jahren 1527 bis 1542 überzogen muslimische Heere unter Führung von Imam Ahmed Ibn Ibrahim al Gazi Äthiopien mit Krieg12.
Internationale christliche Solidarität und Reaktion auf das Bekenntnis zur römischen Kirche Solidarität Johann II., König von Portugal, wollte mit dem sagenhaften Herrscher „Priester Johannes“ in Kontakt kommen und schickte 1487 Pero de Covilhã auf eine diplomatische Mission nach Osten. Dieser erreichte 1494 den Hof des Kaisers Eskender. Er hatte viele Jahre in Äthiopien zu bleiben. Diese Beziehung zwischen Äthiopien und Portugal verursachte den Muslimen einige Sorge. Die äthiopische Kaiserinwitwe Elleni, die bereits im Lande unter vier Regierungen geherrscht hatte, sorgte sich ebenfalls, allerdings wegen des islamischen Vordringens nach Äthiopien. Sie war entschlossen, den König von Portugal zu Hilfe zu rufen, der zu dieser Zeit einen starken christlichen Machtfaktor im indischen Ozean darstellte. König Emanuel sandte als Antwort auf ihr Gesuch eine Mission unter Führung des Rodrigo de Lima, die 1520 Äthiopien erreichte. Doch der junge Kaiser Lebna Dengel, übermütig wegen seiner Siege über die muslimischen Adals, schenkte dieser Initiative keine Aufmerksamkeit, bis es zu spät war. De Lima wurde bis 1526 im Land festgehalten, bevor er mit dem Äthiopier Segga Ze-Ab nach Lissabon zurückkehren durfte. Inzwischen, 1517, besetzten die Türken unter Selim I. (1512–20) nacheinander Ägypten, Arabien, Zeila, Suakin, die ganze afrikanische Küste des Roten Meeres. Imam Ahmed Ibn Ibrahim al Gazi, versorgt mit Feuerwaffen vom türkischen Pascha von Zebid (Jemen), überrannte Äthiopien von 1529 bis 1543. Die äthiopische Armee mit ihren Schwertern, Säbeln und Speeren konnte einer Armee mit Artillerie und Feuerwaffen nicht standhalten. Die Armee des Imam hatte es vor allem auf die Kirchen abgesehen. Sie brannte die Kirchen von Debre Libanos, Mekane Sellassie, Atranosa Mariam, Aksum Zion nieder, plünderte alle Schätze und zerstörte den Rest. Die Muslime bewogen eine große Anzahl Christen bis hinauf nach Tigre, zum Islam überzutreten. Lebna Dengel starb auf der Flucht, bevor die von ihm angeforderte Hilfe aus Portugal eintraf. Durch die Ankunft des portugiesischen Kontingents unter dem Kommando von Cristavão da Gama wurde der islamische Vormarsch zum Stillstand gebracht. Imam Ahmed wurde am 21. Februar 1543 besiegt und getötet.
Abb. 219 Malerei in der Kirche Ura Khidane Mehret (Mariam), eine der berühmstesten Kirchen der Halbinsel Zeghié am Tanasee.
Bekenntnis zur römischen Kirche Wie wir aus jesuitischen Quellen wissen, stand Lebna Dengel dem katholischen Glauben und dem Primat des Papstes positiv gegenüber. Sein Sohn Galawdewos weigerte sich aber, den althergebrachten Glauben zu verlassen und veröffentlichte „Das Bekenntnis des Claudius“ (Galaw-
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dewos), wie es genannt wurde. Sein Nachfolger Minas war gegen Glaubenswechsel und befahl dem Patriarchen Oviedo das Land zu verlassen, weshalb er mit Bann belegt wurde. Oviedo weigerte sich. Der spanische Prälat Pater Paez war ein Jesuit, der durch sein bescheidenes und taktvolles Auftreten in Äthiopien Erfolge verbuchen konnte. Im Jahre 1604 bekehrte er Kaiser Za Dengel, 1622 Kaiser Susenyos und weitere einflussreiche Männer zum katholischen Glauben. Der koptische Metropolit Anba Butros (Petros), exkommunizierte Za Dengel (1604), weil er seine Religion verraten hatte. Anba Butros starb auf dem Schlachtfeld, als er den entthronten Kaiser Jakob gegen Za Dengel unterstützt hatte. Susenyos war zunächst mehr interessiert an den materiellen Verbesserungen, die die Jesuiten mit sich brachten. Die treibende Kraft hinter dem Glaubenswechsel war Ras Seele Kristos, der Bruder des Kaisers. Der Glaubenswechsel wurde durch kaiserliches Edikt und, als dieses keine Wirkung zeigte, durch Verfolgung durchgesetzt. Der katholische Erzbischof David Mathew führt dazu aus: „Sicherlich wurde während der Regierungszeit des Susenyos der Glaubenswechsel durch die Macht des Königs bewirkt. Die angewandte Methode beruhte weniger auf Bekehrung als auf Unterdrückung ... Papst Urban VIII. wurde ersucht, einen Patriarchen zu bestimmen, der mit all der Macht des Abuna (des traditionellen koptischen Metropoliten) ausgestattet sein sollte. Der Kaiser sollte sich bei Ankunft dieses Prälaten, dem die gesamte geistliche Führung in Äthiopien anvertraut war, formal dem Heiligen Stuhl (des Petrus) unterwerfen.“ (1947: 49) Die erwartete Deklaration des Susenyos lautet wie folgt: „Wir erkennen die römische Kirche als Mutter und Herrin aller Kirchen an und mit ihr verurteilen und belegen wir mit dem Bann all die häretischen Lehren, die sie verurteilt und mit dem Bann belegt hat, namentlich die des Dioscurus und Eutyches, wie sie hier besonders eingeschlossen sind, und versprachen den Gehorsam gegenüber der römischen Kirche in der Person des Heiligen Vaters Papst Urban VIII. als gegenwärtigem Regenten.“ (Mathew 1947: 52) Infolge dessen sollten die Gläubigen die Gebete der Katholiken übernehmen, die sie aber in Geez statt in Latein sprechen durften. Die Beschneidung wurde abgeschafft. Die erneute Taufe der Christen, die Neuordination von Priestern, die Umweihung von Kirchen, der Wechsel zum Gregorianischen Kalender und die Abschaffung der Sabbatfeier wurden erzwungen (Gorgoryos 1982: 58).
Reaktion Als Folge dieser Maßnahmen loderten überall im Reich Rebellionen auf. Treibende Kraft war der Metropolit Semon mit der Geistlichkeit. Angeführt wurden diese Revolten von Provinzfürsten, darunter einige Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie Yolyos, der Schwiegersohn des Kaisers, der mit Gelilawit verheiratet und Gouverneur von Tigre war. In dem Bruderkrieg verloren Tausende ihr Leben, auch der Metropolit und Yolyos. Afe Kristos, dem ältesten Bruder des Susenyos, schnitt man die Zunge heraus, weil er sich weigerte, die katholische Religion anzunehmen. Yemane Kristos, ein anderer Bruder, revoltierte und starb im Gefängnis. Malkea Kristos, ein dritter Bruder, revoltierte in Lasta, doch gelang ihm nach seiner Niederlage die Flucht, doch 8000 seiner Soldaten verloren ihr Leben. Tekle Giorgis, ein weiterer Schwiegersohn, der mit Susenyos Tochter Melekotawit verheiratet war, wurde zusammen mit seiner Schwester Adero gehängt.
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Abb. 220 Priester und Debteras beim Timkatfest in Lalibela.
Im Jahr 1632 erkannte Susenyos sein fehlerhaftes Vorgehen. Er entschied sich, seine jüngsten Verordnungen zu widerrufen und dankte zugunsten seines Sohnes Fasilides ab. Der neue Kaiser erließ bald eine Proklamation zugunsten des orthodoxen Glaubens und befahl den europäischen Missionaren, das Land zu verlassen. Der Frieden im Lande wurde wiederhergestellt, doch religiöse Kontroversen dauerten noch mehr als zwei Jahrhunderte an.
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Meinungsverschiedenheiten innerhalb der orthodoxen Kirche Wie Erzbischof Gorgoryos, einer der führenden Theologen der äthiopischen Kirche, berichtet, legte der vertriebene katholische Patriarch Afonso Mendez auf seinem Weg zur Küste bei Fremona in Hamasen einen Zwischenaufenthalt ein. In dieser Zeit unterrichtete er heimlich zwei seiner Anhänger. Der eine war Ewastatewos von Senkewa Giorgis in Godscham, der die „Qibet“ (Salbung) Sekte gründete. Der andere war Qurenc Tekle Haimanot von Schoa, der die „Segga“ (Gnade) oder „Annahme“ Sekte gründete. Die Folge waren Zwistigkeiten. (Bruce 1813 II: 586) Seit dem Auftreten der Jesuiten im 16. und 17. Jh. begannen sich verschiedene Interpretationen in Bezug auf die Natur Christi zu entwickeln. Es gab drei Hauptrichtungen, die jeweils unterteilt waren: Die Tewahdo forderte, der alexandrinischen Lehre vom Heiligen Stuhl des hl. Markus treu zu bleiben. Dies ist bezeugt durch einen Brief des Patriarchen von Alexandria aus dem Jahre 1808, in dem er die Lehre der Kirche erläuterte. Diese schreibt Christus nur zwei Abstammungen zu, nämlich vom Vater und von der Jungfrau Maria. Infolgedessen verwarf der Patriarch die Sichtweisen der beiden anderen Sekten. Die Anhänger der „Qibet“ (Salbung) Sekte, die hauptsächlich in Godscham und einigen wenigen Plätzen in Tigre lebten, entwickelten etwa drei verschiedene Interpretationen, aber alle stimmen darin überein, dass durch Salbung und Vereinigung im Schoß der Jungfrau, das Fleisch göttlich wurde. Die „Segga“ (Gnade) oder „Sost Ledet“ (drei Abstammungen) Sekte schrieb Jesus die Salbung nur zur Zeit der Taufe zu, als gemäß ihrer Lehre Christus eine dritte Abstammung durch die Annahme erlangte. Die Segga Sekte blühte in Schoa und bis zu einem gewissen Grad in Gondar. Die auf Fasilides (1632–68) folgenden Kaiser und Regionalfürsten fuhren fort, die eine oder andere Seite zu unterstützen. Der Lehrstreit über die Christologie dauerte so lange an, bis mit der Thronbesteigung des Tewodros eine starke monarchische Institution wiederauflebte. Tewodros (1855–68) und auch Tekle Giorgis III. (1868–72) versuchten, die drei christlichen Richtungen zu einen, indem sie im Lande verkündeten, dass sich alle der Lehre des heiligen Stuhles des hl. Markus anschließen sollten.
Einigung der Lehren und Wiedererstehung des Christentums während der Regierung Yohannes IV. (1872–89) Während der Regierungszeit Yohannes IV. wurden ernsthafte Anstrengungen unternommen, die Kirche als eine verbindende Kraft zu einen und zu stärken, da es keine säkulare Ideologie gab, die diese Aufgabe hätte übernehmen können. Das Land war im Innern durch Lehrstreitigkeiten zerrissen und von außen in seiner Existenz bedroht.
Das Konzil von Boru Meda und Debre Tabor Im Mai 1878 fand unter dem Vorsitz von Kaiser Yohannes das Konzil in Boru Meda statt. Dort wurde der Lehrstreit zwischen der Segga Sekte und der Tewahdo zugunsten der letzteren entschieden. Man bestimmte auch, dass der in den Gebetbüchern mancher Kirchen gebräuchliche Passus „Wir beten den Sohn zusammen mit seiner Mutter an“, in Bezug auf die Jungfrau Maria abzuändern sei in „Wir beten ihren Sohn an und verehren seine Mutter“.
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Abb. 221 Wasserweihe beim Timkatfest
Im Zuge der Lehrvereinheitlichungen wurden auch die Führer der strategisch verletzbaren Wollo-Provinz und schließlich große Teile der Bevölkerung zum Christentum bekehrt. Im Jahre 1881 fand ein weiteres Konzil in Debre Tabor statt. Es entschied den Streit zwischen der Qibet-Sekte und den Tewahdo-Orthodoxen, die von der alexandrinischen Kirche unterstützt wurden. Wieder wurde zugunsten der Tewahdo oder Zwei-Abstammungen-Lehre entschieden.
Yohannes baute in Jerusalem auch die als Debre Genet (der Berg des Paradieses) bekannte prächtige Kirche. Sie ist der hl. Maria gewidmet, die als Kidane Mehret (Bund der Gnade), bezeichnet wird und grenzt an die heutige „äthiopische Straße“. „Der umfriedete Bezirk von Debre Genet“, sagt Jean-Baptist Coulbeaux, „ wird König Yohannes unsterblicher machen als seine Paläste bei Makale und alle anderen Gebäude, die er in Äthiopien gebaut hat.“ (1929 II: 479) Als Yohannes im März 1889 in der Schlacht von Metemma fiel, war die Kirche bis auf die Kuppel fertiggestellt. Für den Abt wurde an anderer Stelle eine Residenz mit Kapelle und großem umfriedeten Gelände erbaut, derzeit der offizielle Sitz des Erzbistums.
Das Wiedererstehen der Kirche und die Berufung von vier Bischöfen Yohannes war nicht nur daran interessiert, die Einheit der Kirche zu erhalten, er war auch bestrebt, das sittliche Niveau des Klerus anzuheben. In einem Brief an Nebured Iyasu (kirchlicher und weltlicher Würdenträger) vom 7. Tiqimt 1872 (17. Oktober 1879), erklärte er, dass es den Debteras (Kantoren) nicht gestattet sei, in der Kirche Dienst zu verrichten, wenn sie nicht den von der Kirche vorgeschriebenen sittlichen Geboten folgten. (Gorgoryos 1982: 62 f.) Nach den äthiopisch-ägyptischen Kriegen kam es, da ein Bischof fehlte, zu einem Rückschlag im religiösen Leben. Am 28. Juni 1876 starb der Metropolit Atnatewos, und Äthiopien blieb bis 1881 ohne Bischof. Yohannes gelang es schließlich, einen Metropoliten und drei Bischöfe aus Ägypten zu erhalten. Einer der vier Bischöfe, Anba Murqus (Markos), der für Gondar vorgesehen war, starb unmittelbar nach seiner Ankunft in Samera nahe Debre Tabor in Begemder und wurde bei Ileruy Giorgis beerdigt. Anba Butrus (Petrus) blieb als Metropolit mit dem Kaiser in Tigre; Menelik erhielt Anba Matewos für Schoa und die von ihm beherrschten Gebiete. Tekle Haimanot erhielt Anba Luqas für Godscham und die anderen Gebiete unter seinem Kommando. Die Anwesenheit dreier Bischöfe statt eines, wie es fast stets seit dem 4. Jh. der Fall gewesen war, stellte eine Neuerung dar, die das kirchliche Leben überall im Reich erheblich förderte.
Haupthindernisse der Kirchenentwicklung und Vereinbarungen mit dem heiligen Stuhl des St. Markus (der koptischen Kirche) während der Regierung des Kaisers Haile Sellassie I. (1930–74)
Konsolidierung äthiopischer Präsenz im Heiligen Land Wie die frühen Kaiser Kaleb, Lalibela, Zara Jakob und andere, so zeigte auch Yohannes eifriges Interesse an der äthiopischen Gemeinde im Heiligen Land. Schon seit frühchristlichen Zeiten pilgerten äthiopische Mönche, Priester und Laien durch die Wüsten des Sudan, von Nubien und Ägypten nach Jerusalem. Einige Mönche hatten sich dort niedergelassen und heilige Stätten erworben. Während des 16. Jh., als Äthiopien durch das Vorrücken der Truppen des Ahmed Grañ zerstört worden war, und später im 18. und frühen 19. Jh., der „Ära der Richter“, sank die Zahl der Pilger stetig. Wegen mangelnder Versorgung wurden die Mönche in Jerusalem notleidend. Zu dieser Zeit nahmen ihnen Armenier und Kopten viele ihrer Besitzungen ab, nachdem sie sie vorher in bescheidenem Umfang unterstützt hatten. Yohannes hielt aber die Anwesenheit der äthiopischen Gemeinde im Heiligen Land und ihr Wohlergehen aus historischen wie aus spirituellen Gründen für überaus wichtig. Er bat den griechischen König Georg I.13 und den türkischen Sultan Abdul Hamid um Unterstützung beim Schutz der äthiopischen Gemeinde, wie er in seinem Brief an Abt und Mitglieder des äthiopischen Klosters in Jerusalem mitteilte14. Die Rechte der äthiopischen Kirche auf ihre Besitztümer im Heiligen Land sind jedoch bis heute nicht zufriedenstellend geklärt. Der Streit mit den Kopten dauert noch an.
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Abb. 222 (nachfolgende Doppelseite) Bei kirchlichen Festen trägt die Geistlichkeit prunkvolle liturgische Gewänder, Kronen, Tücher und Schirme.
Jahrhunderte lang weigerte sich die koptische Kirche, mehr als einen Bischof für die äthiopische Diözese zu weihen, und sie verfügte, daß kein Äthiopier zum Bischof geweiht werden könnte, wobei sie sich auf den 36. Kanon des Pseudo-Kanon von Nicea berief (Geddes 1696: 20). Die arabische Version des Pseudo-Kanon von Nicea wurde ins Geez übersetzt, in den Synodos eingegliedert und eingefügt in das Fetha Negest (das Gesetz der Könige), den kirchlichen und zivilen Kodex von Äthiopien, der ohne wesentliche Änderungen bis in moderne Zeiten Gültigkeit hatte. Das Fetha Negest lautet im kirchlichen Teil Artikel 4 Abschnitt 42: „Was die Äthiopier betrifft, so darf ein Patriarch weder aus ihrer Gelehrtenschaft ernannt werden, noch dürfen sie einen eigenmächtig ernennen. Ihr Metropolit ist ein Untertan des heiligen Stuhls von Alexandria, der berechtigt ist, über sie zu bestimmen ... von seiner Region aus und unterliegt seiner Rechtsprechung. Und wenn der besagte Metropolit ernannt ist ... ist es ihm nicht gestattet, andere Metropoliten zu weihen, wie die anderen Patriarchen es tun. Und ... im Falle, ihm wäre irgendwann die Macht gegeben, Erzbischöfe in seiner Provinz zu ordinieren, soll es ihm von Gesetzes wegen nicht gestattet sein, einem der Einheimischen diese Würden zu verleihen.“15 Damit die Kirche erfolgreich arbeitete, war die Anwesenheit von Bischöfen, die Priester und Diakone weihen und Tabots (Altar oder Allerheiligstes in jeder Kirche) segnen konnten, von vitaler Bedeutung. Außerdem salbte der koptische Metropolit den Kaiser bei der Krönungszeremonie und hatte die Macht der Exkommunikation. Obwohl manchmal missbraucht, diente sie oft der Disziplinierung aufsässiger Provinzfürsten, rebellischer Gruppen und Häretiker. Seit Salama, der erste Metropolit, im 4. Jh. das Land betrat, bis zu Kyrillos, dem letzten ägyptischen Metropoliten (gestorben im Oktober 1950), kamen nacheinander 109 ägyptische Metropoliten und vier Assistenzbischöfe nach Äthiopien16. In dieser mehr als sechzehn Jahrhunderte währenden Periode traten oftmals Vakanzen auf, die sich über längere Zeiträume erstreckten. Zwischen 921 und 979 weigerten sich fünf alexandrinische Patriarchen in Folge, einen Metropoliten für Äthiopien zu weihen. Der Grund dafür waren die Leiden und die Ausweisung des Metropoliten Butrus (Petros) (Sergew Hable Sellassie 1972: 223). Weigerungen wiederholten sich auch in späteren Zeiten immer wieder. Manchmal intervenierten die ägyptischen Herrscher, oder aber die koptische Kirche war nicht gewillt sofortigen Ersatz zu schicken. Selbst wenn es einen Bischof im Land gab, so war es ausgesprochen mühsam für diejenigen, die sich ordinieren oder einen Tabot segnen lassen wollten, die ungeheueren Distanzen zu ihm zu überbrücken.
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Wahr ist, dass einige wenige nach Äthiopien geschickte koptische Metropoliten in Religionskriegen ihr Leben verloren und einige andere misshandelt, verbannt oder gefangengenommen wurden, weil sie den orthodoxen Glauben des heiligen Stuhls von St. Markus hochhielten; oder weil sie unflexibel auf die Wünsche der Herrscher reagierten. Tatsache war auch, dass mit Ausnahme einiger weniger Metropoliten den meisten die Sprache ebenso fremd war wie Sitten, Traditionen und Liturgie des Landes, in das sie geschickt wurden. So beschränkten sie sich darauf, zu ordinieren und die Tabots zu segnen: die gesamte Verwaltung und die Missionierungsaufgaben legten sie in die Hände des Ecege und der Mönchsorden. Es war deshalb als Fortschritt zu betrachten, dass es Zara Jakob gelang, zwei (Yohannes sogar vier) gleichzeitig tätige Bischöfe für das Land zu bekommen, in beiden Fällen leider nicht für lange Zeit. Die beiden Bischöfe starben nämlich während der Regierungszeit des Zara Jakob und es gab keine Nachfolger, so dass während der letzten zehn Jahre seiner Regentschaft und in den folgenden dreizehn Jahren nach seinem Tod Äthiopien ohne Bischöfe war. Von den vier Bischöfen, die während der Regentschaft des Yohannes nach Äthiopien kamen, starb einer sofort bei sei-
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Abb. 223 Frauen drängen sich durch einen Kircheingang in Lalibela.
ner Ankunft, später zwei weitere Bischöfe. Für sie wurde von den nachfolgenden Regenten aber kein Ersatz angefordert. Nach dem Tod von Anba Luqas, Bischof von Godscham, wurde während der Regierung Meneliks ein Nachfolger gesandt, den man aber unverzüglich heimschickte. Übrig blieb nur Anba Matewos, der im Dezember 1926 starb. Er wurde durch Kyrillos ersetzt, dem letzten koptischen Metropoliten Äthiopiens. Bis auf wenige Ausnahmen scheint es den äthiopischen Herrschern widerstrebt zu haben, mehr als einen Bischof im Lande zu haben. Dahinter verbarg sich die Angst, ein Bischof könne in die Hände eines Rivalen fallen, da Anwärter auf den Kaiserthron in einer Krönungszeremonie durch Bischöfe gesalbt werden müssen, um legitime Herrscher sein zu können. Erst während der Herrschaft von Kaiserin Zauditu (1916–30) und der Regierung von Ras Tafari gelang es durch geduldiges Verhandeln und subtile Diplomatie, dass 1929 vier äthiopische Prälaten in Ägypten zu Bischöfen geweiht wurden und 1930 ein fünfter in Addis Abeba während des Besuches des koptischen Patriarchen in Äthiopien. Alle unterstanden dem Metropoliten von Ägypten. Nach der Befreiung Äthiopiens während des Zweiten Weltkrieges fanden erneute Verhandlungen mit der koptischen Kirche statt. In der Folge erlangte die äthiopische Kirche schrittweise ihre Unabhängigkeit (Erlich 2000: 23–46). Am 25. Juli 1948 wurden fünf äthiopische Prälaten vom koptischen Patriarchen zu Erzbischöfen geweiht. Es wurde vereinbart, Anba Kyrillos solle nach seinem Tode durch einen äthiopischen Metropoliten ersetzt werden. Auf der Basis dieser Übereinkunft weihte nach dem Tod von Anba Kyrillos (Oktober 1950) der Patriarch Yusab II. am 14. Juli 1951 den Abuna Baselyos, der das Amt eines Ecege innehatte, in Kairo zum ersten äthiopischen Metropoliten. Die koptische Synode kam 1958 überein, Äthiopien einen eigenen Patriarchen zuzugestehen; doch eine Verbindung mit der koptischen Kirche sollte aufrechterhalten werden. Im Juni 1959 wurde anlässlich des Staatsbesuches von Kaiser Haile Sellassie in Ägypten die Weihung von Abuna Baselyos als Oberhaupt einer selbständigen Kirche durchgeführt. Nach dem Tod von Abuna Baselyos (im Jahre 1970) nabelte sich die äthiopische Kirche vollständig von der koptischen Kirche ab: im Jahre 1971 wurde die Thronbesteigung des zweiten äthiopischen Patriarchen Abuna Tewoflos in Äthiopien ohne Segen des heiligen Stuhls des St. Markus gefeiert. Ein Hindernis bei der Entwicklung der äthiopischen Kirche war, dass Gebetbücher und Ausgaben des Neuen Testaments in den Kirchen des Landes nicht in ausreichender Menge zur Verfügung standen. Als im 20. Jh. Druckereien ihre Arbeit aufnahmen, verringerte sich dieses Problem, wenn es auch bis heute nicht ganz gelöst ist.
Die Stellung der Kirche nach dem Fall der Monarchie im Jahre 1974 Marxistische Prinzipien bezüglich religiöser Angelegenheiten wurden von der Militärdiktatur nur halbherzig umgesetzt. Es gab die Kirche betreffende konstitutionelle und institutionelle Veränderungen. Die Trennung von Kirche und Staat bedeutete sicherlich einen radikalen Bruch in der äthiopischen Tradition und Geschichte17. Die Machthaber enteigneten die Kirche und machten sie von der Regierung finanziell abhängig. Sie verstärkten ihre Kontrolle über die Kirche durch die Berufung von Generalsekretären (oder Generaladministratoren), die für alle die Kirche betreffenden Angelegenheiten verantwortlich waren und in sie eingreifen durften. Die Generalsekretäre wurden vom Staat nach umfassender Untersuchung ihres „Hintergrundes“ sorgfältig
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ausgewählt, um sicher zu gehen, dass sie optimal mit der Ideologie der Regierung übereinstimmten. Der Patriarch Abuna Tewoflos wurde am 18. Februar 1976 abgesetzt und in Haft genommen, einige Zeit sogar in Einzelhaft. Ohne ein gebührendes Gerichtsverfahren blieb er dort fast dreieinhalb Jahre, bis zum 14. Juli 1979. Schließlich wurde er in höchst beschämender Weise durch Strangulation ermordet, zusammen mit anderen berühmten Mitgliedern der früheren Regierung und Pastor Gudina, dem Leiter der Mekane Yesus Kirche (evangelisch-lutherische Kirche). Fünf weitere Erzbischöfe, darunter auch Abuna Paulos, der heutige Patriarch, wurden bis zu sieben Jahre ohne regulären Prozess im Gefängnis festgehalten. Ein im Widerspruch zum kanonischen Recht von der Regierung aufgestellter Patriarch wurde am 18. Juli 1976 inthronisiert, während der frühere Patriarch noch am Leben war. Nach dem Untergang der von der Militärdiktatur geführten „demokratischen Volksrepublik“ im Mai 1991 übernahm die nachfolgende provisorische Regierung der Demokratischen Bundesrepublik unter Führung der „Revolutionären Demokratischen Front des Äthiopischen Volkes“ (EPRDF) die Geschicke des Landes. Heute ist nichts mehr von den Untaten gegen und den strengen Kontrollen der Regierung über die Kirche spürbar. Die Kirche ist immer noch von staatlicher Unterstützung abhängig. Sie hat nicht alle ihre früheren Besitztümer zurückerhalten, obwohl die Demokratische Bundesrepublik Äthiopien das theologische Kolleg und auch einige der enteigneten Gebäude wieder zurückgegeben hat. Der vierte Patriarch Äthiopiens, Abuna Merqorewos, (der zweite während der vorherigen Regierung gewählte), legte sein Amt unter Druck nieder, floh ohne Umstände nach Kenia und von dort weiter in die USA. Mehr als ein halbes Dutzend Erzbischöfe haben sich ihm angeschlossen und erklärt, dass sie eine eigene Synode außerhalb Äthiopiens errichtet haben. Nachdem Eritrea seine Unabhängigkeit erlangt hatte, trennte es sich von der äthiopisch orthodoxen Tewahdo-Kirche. Es erhob den Erzbischof, der vormals von der äthiopischen Kirche für die eritreische Diözese geweiht worden war, in den Rang eines Patriarchen. Außerdem wurden sechs zusätzliche Bischöfe vom koptischen Patriarchen des heiligen Stuhls von St. Markus für Eritrea geweiht, damit sie ihre eigene Synode bilden konnten. Diese Abtrennungen der letzten Jahre bedeuteten große Rückschläge für die Kirche in Äthiopien.
Ergebnis Positiv gesehen haben das Volk im Allgemeinen und die Jugend im Besonderen die Kirche als ihren einzigen Trost betrachtet. Seit den dunkelsten Stunden der Derg-Regierung, als die „Roten“ und „Weißen“ Terrorkommandos in den Jahren 1976–77 auf ihrem Höhepunkt waren, bot die Kirche Schutz. Der Kirchenbesuch stieg dramatisch an. Viele Kirchen wurden und werden noch gebaut aus öffentlichen Mitteln. Einige der in der Hauptstadt erbauten Kirchen sind von beeindruckender Größe. Die Kirche arbeitete am Ausbau ihrer gesellschaftlichen Präsenz. Sie engagiert sich besonders auf der Ebene der Ratsversammlungen der Woreda (Distrikte) und Qebele (Unterdistrikte) ebenso wie auf dem Gebiet der Entwicklung der Gemeinden sowie zunehmend auf sozialen Gebieten: sie unterstützt die Kampagne zur Vorbeugung und gegen die Ausbreitung von HIV AIDS, leistet ihren organisatorischen und finanziellen Beitrag zur Linderung der Hungersnot, kümmert sich um die Wiederansiedlung vertriebener Menschen und unterstützt Waisen. Die Einrichtung
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Abb. 224 Als Persönlichkeit von Rang und Krieger, traditionell gekleideter Reiter beim Maskal-Fest in Addis Abeba 1970.
religiöser Ausbildungszentren auf allen Ebenen und die Ausbreitung der Sonntagschulen haben nach und nach das Bildungsniveau angehoben und das spirituelle Engagement gefördert. Kirchen werden errichtet und die Zahl der Gottesdienste in der Diaspora nehmen zu, so auch im karibischen Raum. Die Beziehungen zu anderen Kirchen gestalten sich zunehmend enger, und von Anfang an war und ist die äthiopisch orthodoxe Tewahdo-Kirche ein aktiver Teilnehmer an ökumenischen Treffen und Gründungsmitglied des International Council of Churches. Heute wird die äthiopische Kirche von dem Patriarchen Paulos geleitet. Ihm unterstehen mehr als 40 Erzbischöfe und 364 769 Geistliche (Priester, Diakone und Debteras). Es gibt an die 17000 Kirchen und 1056 Klöster in Äthiopien. Außerhalb Äthiopiens gibt es ein Kloster in Jerusalem mit 6 Kirchen in Israel, dazu kommen neu errichteten Kirchen in verschiedenen Weltteilen. Die Gesamtzahl der Mitglieder der Kirche von Äthiopien wurde vor neun Jahren auf etwa 27 Millionen geschätzt, gemäß den letzten verfügbaren Zahlen, die für 1994 vom staatlichen Zentralstatistikamt herausgegeben wurden. Die Kirche schätzt für 2000 bis 2001 ihre Mitglieder auf 33,5 Millionen.18 Die Verteilung von Kirchen, Klöstern und Klerikern – Priestern, Diakonen, Lehrern, Predigern und Debteras (Kantoren und Choristen) – ist ziemlich unsymmetrisch. Siebzig Prozent der Kirchen und Klöster sowie zweiundachtzig Prozent der Geistlichen sind in den nördlichen Provinzen Tigre, Gondar, Godscham, Wollo und Nordschoa tätig, wo die Mehrheit der Bevölkerung traditionell christlich ist; nur 30 Prozent der Kirchen und Klöster und 12 Prozent der Geistlichen wirken im Rest des Landes. Die nördlichen Provinzen, einschließlich Addis Ababa, stellen nur 36 Prozent der Gesamtbevölkerung Äthiopiens. Die orthodoxe Tewahdo-Kirche kann 64 Prozent der Bevölkerung nicht in ausreichendem Maße versorgen. Die Tatsache, dass es nicht weniger als 80 einheimische Sprachen gibt, hat die Entwicklung der Kirche ungünstig beeinflusst. Diese Herausforderung muss die Kirche bewältigen, wenn sie vor allem auch die Menschen in den peripheren Gebieten Äthiopiens erreichen will. Kürzlich wurden Angehörige der Oromo und Gurage zu Erzbischöfen geweiht, Ämter, die traditionell von Prälaten aus Amhara, Eritrea und Tigre besetzt wurden. Dies wirft einen Hoffnungsstrahl auf die
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Abb. 226 Gottesdienst des Patriarchen in St. Georg nahe Adua.
Zukunft. Dieser Weg muß fortgesetzt werden, indem man verstärkt junge Kandidaten aus der Peripherie in theologische Seminare, Kollege und Ausbildungszentren bringt, wo sie sich angemessen qualifizieren können, um den Menschen den christlichen Glauben in ihren jeweiligen Muttersprachen nahe zubringen. Dies stellt die größte Herausforderung für die äthiopische Kirche dar – jetzt und in Zukunft.
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Abb. 225 Paulos, Patriarch der äthiopisch-orthodoxen Kirche.
Anmerkungen 1 Siehe dazu: Littmann, Deutsche Aksum Expedition (D.A.E.) I–IV, 1913. – Bel. IV, Enno Littmann: Ezane’s Inscription No. 10. In: Budge 1928 I: 247–249; Winstedt 1909: 72 f. und Budge 1928 I: 238 f. 2 Die 1969 entdeckte griechische Inschrift, ins Franz. übers. von F. Anfray, A. Caquot und P. Nautin, „Une Nouvelle inscription Grecque d’Ezana, roi d’Axoum“. In: Journal des Savants (1970), 260–279. Eine ähnliche Inschrift, die auf den Herrn des Himmels verweist, wurde früher entdeckt: Littmann, E.: 1913 Ezane’s Inscription, No.11 Text und Übersetzung in Budge 1928 I: 252–258 3 Cyril, Faith of the Fathers, ch. 78 Part 48, verse 9–18 4 Siehe Sergew Hable Sellassie 1972: 203 f. 115 citing MS Arch. 15, in the National Library, Addis Abeba, Taddesse Tamrat, Church and State in Ethiopia 1270–1527, 1972: 35–37, zitiert Life of Takla Haymanot ed. Budge 1906: 3–5 5 Huntingford 1965, Crummey 2000 und Conti Rossini 1909 6 Taddesse Tamrat 1972: 116 f., zitiert Gadla Ewostatewos 7 Taddesse Tamrat 1972: 207, zitiert Gadla Ewostatewos, 90 f. 8 Taddesse Tamrat 1972: 230 9 Interview mit Margeta Girmay Elias, eine Autorität auf dem Gebiet der Klostergeschichte des äthiopisch orthodoxen Patriarchats in Addis Abeba. 10 Interview mit Margeta Girmay Elias 11 Interview mit Margeta Girmay Elias
12 Interview mit Girmay Elias und Taddesse Tamrat in: Rassegna di Studi Etiopici XXII 1966: 115 13 Zewde Gabre Sellassie, Yohannes IV, Political Biography, OUP 1975: 108 f. 14 Archive of the Ethiopian Monastery in Jerusalem (AEMJ). Hinweis in einem Brief des Yohannes an die äthiopische Klostergemeinde in Jerusalem, datiert 1 Pagume 1873 (September 1880) und 27 Tiqimt 1877 (5. November 1884). – AEMJ: Hinweis in einem Brief des Yohannes an Abba Walda Sama’et und Mitglieder des äthiopischen Klosters in Jerusalem, datiert Adwa, Yekatit 14, 1874 (21. Februar 1882) und 19 Tahsas 1879 (27. Dezember 1886) 15 Guidi, I., „The Fetha Nagast“ o „Legislazione dei re“, Neapel 1936: 23 f. Cardinal Paulos Tzadua, „The Fetha Nägäst“, „The Law of Kings“, ed. Peter L. Strauss, Addis Abeba 1968: 18 16 Hiruy Wälde Sellassie, Wazema, Addis Abeba 1928/29: 69–73 17 Constitution of the People’s Democratic republic of Ethiopia, Proclamation No 1 of 1987, Addis Abeba, 1987. Article 46: 3 Constitution of the Federal Democratic Republic of Ethiopia, Proclamation No. 1., of 1995: Article 11 18 Die Zahlen basieren auf Information der Patriarchatsadministration, bereitgestellt von den Pfarrgemeinden; und dem Statistischen Bericht vol I: The 1994 population and Housing Census of Ethiopia, herausgegeben vom Statistikamt. Addis Abeba Juni 1998, S. 129–134.
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Christlicher Alltag auf dem Hochland Girma Fisseha
Das Leben der Bewohner des Hochlandes gestaltet sich individuell verschieden, wird jedoch von bestimmten Traditionen geprägt, die allgemein gültig sind. Jeder durchläuft bestimmte Altersstufen mit entsprechenden Rechten, jeder muss aber auch Pflichten erfüllen. Die Kleinkind- und Kinderzeit verläuft für beide Geschlechter sorglos. Mädchen und Jungen, welche die Stufe der Jugendlichen erreicht haben, lernen den Gehorsam gegenüber Älteren kennen, ihre persönliche Freiheit wird auf ein Minimum beschränkt. Es ist die Zeit, in der Eltern die Heirat der jungen Menschen arrangieren. Die Zustimmung der Betroffenen muss nicht vorliegen, was oft zu unglücklichen und mit Scheidung endenden Ehen führt. Erst im Erwachsenenalter erhält der Einzelne wieder Freiheit der Wahl, die er während seiner Kindheit nicht hatte. Ein Erwachsener in mittleren Jahren wird als ein Älterer respektiert und trifft seine Entscheidungen in völliger Unabhängigkeit. Die jüngeren Altersstufen sind ihm gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Dies kann er zu seinen Gunsten nutzen. In der äthiopischen Gesellschaft nimmt der Wunsch nach Kindern einen wichtigen Platz ein. Kinderlosigkeit gilt als ein Fluch. Schließlich sind es die eigenen Nachfahren, welche die Verantwortung und die Versorgung der Großfamilie übernehmen. Kinder gelten als Quelle des Reichtums, als Stütze und Sicherheit im Alter, als Verteidiger in Streit und Krieg. So lässt es sich auch erklären, dass eine unfruchtbare Frau von ihrem Ehemann nicht wie seine Ehefrau behandelt wird, sondern vielmehr als eine garad, eine Dienstmagd. Es ist ihr allerdings möglich, ein Kind zu adoptieren. Dabei handelt es sich meist um eine Waise aus der Verwandtschaft oder einer nahestehenden Familie. Die Adoption findet in einer Kirche in Anwesenheit eines Priesters statt. Die Frau muss einen Eid schwören und das Kind als yadan kidan ley (Vertragskind) anerkennen. Auch die Annahme von Pflegekindern ist in der äthiopischen Familie möglich.
Geburt
Abb. 227 In einem Cafe in Adi Abun nahe Adua bei der traditionellen Zubereitung des Kaffees, wobei zugleich Weihrauch verbrannt wird. Äthiopien ist die Heimat des Kaffees. Von hier aus gelangte er nach Südarabien und von dort (Hafenstadt Mocha am Roten Meer) aus trat er ab dem 16. Jh., von den Türken verbreitet, seinen Siegeszug durch die Welt an.
Bei der Geburt eines Kindes sind bestimmte Rituale einzuhalten. Liegt eine christliche Äthiopierin in den Wehen, so besuchen sie ihre Nachbarinnen, weiblichen Verwandten und Freundinnen, die nach ihrem Befinden fragen und den Beistand der heiligen Maria wünschen. Zwei bis drei Frauen bleiben während der Geburt anwesend und stützen die Gebärende. Jungfrauen und unfruchtbare Frauen werden fortgeschickt. Da sie noch kein Kind geboren haben, fürchtet man, dass sie durch die Wehen erschreckt werden könnten. Wenn das Kind schließlich geboren ist und zum ersten Mal schreit, äußert die Frau ihre Freude mit einem lauten Ausruf. Man sagt, Babys schreien nach der Geburt, weil ein Engel sie mit dem irdischen Leben bekannt mache und ihnen zeige, dass sie eines Tages sterben müssten. Die anwesenden Frauen baden den Säugling gleich nach der Geburt in kaltem Wasser und parfümieren ihn anschließend. Eine erfahrene Frau formt den Schädel durch Druck mit ihren Händen und reicht den Säugling, falls es ein Junge ist, durch ein Fenster einem männlichen Verwandten. Dieser steckt ihm eine Lanze in den Mund, damit der Junge mutig werde. Einige der Frauen bleiben bei der werdenden Mutter, denn keine Frau sollte bei der Geburt allein sein. Mutter und Kind könnten in ihrer wehrlosen Situation sonst allzu leicht von Dämonen und Teufeln überrascht und bedroht werden. Darum soll auch ein Kind, bis es getauft ist, weder wach noch schlafend jemals allein gelassen werden. Immer soll das Neugeborene von Gegenständen aus Eisen und Stahl umgeben sein, denen man eine abschreckende Wirkung auf böse Geister und Dämonen nachsagt.
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Das Neugeborene wird in den ersten drei Tagen nur mit frischer Butter gefüttert, erst dann darf es die Mutter zusätzlich an die Brust nehmen. Für gewöhnlich wird das Kind so lange gestillt, bis die Mutter sich erneut im zweiten oder dritten Schwangerschaftsmonat befindet. Dies kann nach einem, zwei oder drei Jahren der Fall sein. Eltern geben dem Neugeborenen in der Regel vor dem sechsten Monat aus Furcht vor seinem Tod keinen richtigen Namen. Ein Junge wird mamma und ein Mädchen mamite genannt, was Kosenamen sind. Bis zum Alter von einem Jahr werden Kinder nicht weiß angezogen – auch dies geschieht aus Furcht vor einem verfrühten Tod des Kindes. Männer werden bei der Geburt als unpassend empfunden, sind nicht erwünscht und von den Ritualen ausgeschlossen. Das hat aber auch mit der Vorstellung zu tun, dass es sich bei einer Geburt um einen unreinen Vorgang handelt. Betritt ein Mann das Haus einer Gebärenden, so ist ihm für vierzig Tage der Eintritt in die Kirche verwehrt. Dasselbe gilt für eine junge Mutter sowie alle Geburtshelfer, die erst vierzig Tage nach der Geburt wieder eine Kirche betreten dürfen.
Beschneidung Es ist in Äthiopien allgemein üblich, Kinder – auch Mädchen – zu beschneiden; doch gibt es zur Zeit Bemühungen, die Beschneidung der Mädchen am siebten Tag nach der Geburt zurückzudrängen. Ein Junge wird am achten Tag nach der Geburt von einem erfahrenen Nachbarn in Anwesenheit von Augenzeugen beschnitten. Nach der Beschneidung dürfen Personen, die in den vorhergehenden 24 Stunden Geschlechtsverkehr hatten, das Haus, in dem das Neugeborene liegt, nicht betreten, bis die Wunde der Beschneidung verheilt ist. Man fürchtet, die Gegenwart dieser Personen könnte die Heilung der Wunden verzögern. Nach der Zeremonie feiert die Familie des Kindes zusammen mit Verwandten, Nachbarn und engen Freunden das Ereignis.
Taufe Gleich nach der Geburt berechnet der Familienpriester den rechten Zeitpunkt für die Taufe und teilt ihn dem Vater mit. Bei einem Jungen sind das in der Regel vierzig, bei einem Mädchen achtzig Tage nach der Geburt. Die Eltern müssen sich streng an das Taufdatum halten. Wird die Taufe nicht an diesem Tage abgehalten, so wird den Eltern eine Strafe auferlegt. Nur bei Todesgefahr, kann ein Kind auch schon früher die Taufe erhalten. Am zehnten Tag nach der Geburt eines Jungen oder am zwanzigsten Tag nach der Geburt eines Mädchens besuchen Priester mit Weihrauch und Kreuzen das Haus der Eltern und reinigen es mit Weihwasser von der Unreinheit des Geburtsvorganges. Die kirchliche Taufzeremonie selbst ist sehr lang. Der Priester weiht zunächst das Salböl und salbt dann das Kind insgesamt dreißig Mal an verschiedenen Körperstellen. Um den Heiligen Geist zu empfangen, bläst der Priester dem Täufling ins Gesicht. Danach wird die eigentliche Taufe mit Wasser vollzogen, wobei das Kind mit den Worten „Ich taufe Dich .. im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ dreimal ins Wasser getaucht wird. Kranke Kinder werden nicht untergetaucht, sondern nur dreimal mit Wasser benetzt. Unmittelbar auf die Taufe folgt die so genannte Konfirmation. Mit dieser Zeremonie bekräftigt die äthiopische Kirche die Hilfe des Heiligen Geistes, da nur dieser einen
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Gläubigen in seinem in der Taufe neu geschenkten Leben stärken kann. Taufe und Konfirmation sind nach dem Verständnis der äthiopischen Kirche einmalig und nicht wiederholbar. Am Ende eines Taufgottesdienstes legt der Priester dem Kind eine blaue Seidenschnur, die Mateb, als heiliges Zeichen um den Hals. Später wird das Kind als Zeichen seiner Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft ein kleines Halskreuz aus Silber oder anderem Material an der Mateb tragen. Nach der kirchlichen Zeremonie veranstalten die Eltern des Täuflings zur Feier des Tages ein großes Fest in ihrem Haus.
Die Zeit als Kind In den Jahren nach der Entwöhnung bis zum siebten Lebensjahr erfährt ein Kind nur wenig autoritäre Strenge seiner Eltern. Die Kinder wachsen mit wenig Aufsicht auf, bis sie alt genug sind, kleinere Aufgaben und Pflichten zu übernehmen. Von da an werden sie autoritär erzogen, um schnell zu Erwachsenen heranzureifen. Oft kümmern sich ältere Schwestern um die Kleinkinder. Die Kleinen werden von den Mädchen herumgetragen, gefüttert und zum Spielen animiert. Kleinkinder dürfen sich schmutzig machen und unbekleidet herumlaufen. Sie können auch nicht bestraft werden. Die Sozialisierung und Heranführung an die kulturellen Normen geschieht in der Gruppe der Spielkameraden, mit der die Kleinkinder den häufigsten und intensivsten Kontakt haben. Sie necken, beschimpfen sich und imitieren die Erwachsenen. Sie dürfen mit ausgedientem Werkzeug und ähnlichen Gerätschaften spielen und sich auf diese Weise auf die späteren Aufgaben vorbereiten. Im bäuerlichen Alltag wird vieles in gemeinsamer Arbeit erledigt. Die Kinder lernen durch Nachahmen und Mithelfen. Größere Kinder sind für jüngere Geschwister verantwortlich. Auf längeren Wegen, zum Beispiel wenn die Familie den Markt besucht, werden die Kleinen in Ledertragsäcken auf dem Rücken der Mütter und älteren Geschwister mitgenommen. Kinderreichtum sichert nicht nur den Fortbestand der Familie – hohe Kindersterblichkeit –, sondern auch Arbeitskräfte. Dadurch wird die schwere Arbeit der Bauern erleichtert und die Versorgung der Eltern im Alter besser abgesichert. Zudem ist es immer von Vorteil, wenn in einsamen Gegenden weit außerhalb des nächsten Dorfes die Familie größer und dadurch auch stärker ist. Sie kann sich so besser wehren.
Ausbildung der Mädchen und Jungen Simon David Messing betont, dass es beim Eintritt der Kinder in die nächste Lebensstufe – bei Mädchen mit fünf, bei Jungen mit ungefähr sieben Jahren – keine besonderen Rituale gibt. Die Mädchen entwickeln sich schneller als die Jungen und werden daher schon früher für wirtschaftlich wichtige Aufgaben eingesetzt. Ist diese nächste Altersstufe erreicht, spielen die Mädchen nur noch mit Mädchen, folgen in ihren Aufgaben den Müttern und tragen Vollkleidung. Sie werden nun als lay-garad, als kleine Dienerin bezeichnet und angesprochen. Die Jungen spielen ebenfalls mit ihresgleichen und lernen von den Vätern, Vieh auf die Weiden zu treiben und die Ernte vor Affen und Vögeln zu schützen. Kinder beiderlei Geschlechts können von nun an vor Gericht erscheinen und sich bei Scheidung der Eltern und der daraus entstehenden Sorgerechtsfrage einen Elternteil aussuchen. Da sie
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nun das „Alter der Vernunft“ erreicht haben, wird jede Vernachlässigung der Pflichten bestraft und die freie Zeit für Spiel ist auf bestimmte Tageszeiten beschränkt. Jungen zwischen sieben und elf Jahren und Mädchen zwischen fünf und vierzehn Jahren nehmen schließlich an allen Arbeiten teil, die jahreszeitlich bedingt anfallen. Die Erziehung durch die Eltern ist in diesen Altersstufen ganz auf die Arbeit ausgerichtet. Die Mädchen lernen kochen, wo das Wasser geholt wird und Getreide mahlen, Spinnen und Bastelarbeiten. Auch die Rezepte für äthiopisches Bier und andere alkoholische Getränke lernen sie kennen. Der größte Teil der im Haus anfallenden Arbeiten liegt im Aufgabenbereich der Frauen. Dazu zählen auch Stallarbeiten wie Melken oder alle Gartenarbeiten, das Ein- und Verkaufen auf dem Markt. Die jungen Mädchen ziehen an Neujahr mit einem Blumenstrauß singend von Haus zu Haus und wünschen ein gutes neues Jahr. Jungen sind anfangs Hütejungen für das Vieh (Ziegen, Schafe, Kühe) und helfen den Vätern auf dem Feld. Zu ihren Aufgaben gehört es, das frisch eingesäte Feld vor Vogelfraß zu schützen und dann bei der Ernte des Getreides mit Sicheln mitzuarbeiten. Auch gewisse Fertigkeiten für die Jagd werden vom Vater auf den Sohn weitervererbt. Um sich in seiner Umwelt behaupten zu können, sollte jeder Junge gut reiten und schwimmen lernen. Zu Neujahr ziehen die Jungen mit Fackeln gemeinsam von Haus zu Haus, singen und bitten um Geld.
Schulausbildung Schon frühzeitig – mit der Ausbreitung des Christentums – entstanden in Äthiopien kirchliche Schulen, die das Wissen um kirchliche Texte und religiöse Literatur in der Kirchensprache Geez weitergaben. Heute existieren in Äthiopien verschiedene staatliche Schulen. Die drei Stufen der Kirchenschulen – die Grundstufe nebab bet (Lesenlernen von Texten in Geez), die zweite Stufe qidasse bet (Ausbildung zum Altarpriester) und die Vertiefung der Ausbildung in zena bet (Kirchenmusik), qene bet (religiöse Poetik) und metshaf bet (heilige Schriften und Kommentare) – spielen aber noch immer eine wichtige Rolle. Da die Kinder vor allem bäuerlicher Familien Aufgaben rund um Haus und Feld zu erledigen haben, werden sie oft erst im Alter von elf Jahren in eine Schule geschickt. Die schulische Grundausbildung findet in einem Zeitraum von drei Jahren in der Kirchenschule des Dorfes statt, wo die Kinder vom Dorfpriester unterrichtet werden. Die Lehrmethoden bestehen im Wesentlichen aus der Wiederholung von Lektionen und dem Singen auswendig gelernter Texte. Theoretisch dürfen sowohl Jungen als auch Mädchen zur Schule gehen, doch wird vor allem im ländlichen Bereich die schulische Ausbildung der Mädchen vernachlässigt. Jungen haben die Wahl zwischen dem Erlernen des bäuerlichen Berufes in der Familie und dem Besuch der Grundschule sowie weiterführender Schulen, um Priester, Mönch, Maler, zu werden. Wenn Dorfkinder ihre Schulausbildung weiterführen wollen, so müssen sie meist ihren Wohnort verlassen und eine andere Region oder Provinz aufsuchen, um dort in eine Klosterschule zu gehen. Gerade Bauernfamilien können sich das aber finanziell nicht leisten, und so werden die Jungen zu „wandernden Studenten“, die sich ihr Studium von zena bet (Kirchenmusik) sowie dem Vortrag von qene bet (religiöse Poetik) und metshaf bet (heilige Schriften und Kommentare) erbetteln, bis sie ihren Abschluss als dabtara, als Schriftkundige, machen. Sie können dann selbst an einer Kirchenschule unterrichten oder sich eine Aufgabe in der Kirchenverwal-
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tung suchen. Für die Ausbildung zum Chorsänger, einfachen Gemeindepriester oder niederen Beamten genügt aber die Grundschulausbildung. Die meisten Grundschüler in der Stadt gehen nach ihrem Schulabschluss auf keine weiterführende Schule und beginnen eine Arbeit als Tagelöhner oder Arbeiter.
Beziehungen, Verlobung, Heirat und Reputation: naggar abbat Bei den Ehe-Verhandlungen entscheidet sich entweder ein junger Mann von sich aus für ein Mädchen und bittet seinen Vater, die Verhandlungen zu beginnen, oder die Eltern sind der Meinung, ihr Sohn sei nun im richtigen Alter für eine Heirat. Jedenfalls nimmt der Vater des jungen Mannes formell die Verhandlungen mit dem Vater oder der Sippe des Mädchens auf. Bevor es zu ernsthaften Gesprächen kommt, müssen drei Faktoren eingehend geprüft und zu beiderseitiger Zufriedenheit geklärt werden: die Gesundheit der Familien (gibt es beispielsweise Leprakranke in der Verwandtschaft?) die Größe des jeweiligen Landbesitzes rest sowie die Größe der Viehherden – und die Beziehungen und der Ruf der Sippe. Erst dann gehen die Verlobungs-Verhandlungen (naggar abbat) mit einer Reihe von Besuchen der Verwandtschaft des jungen Mannes im Haus der zukünftigen Braut weiter. Der Vater des Mädchens empfängt die Gäste mit ausgesprochen höflichen Reden. Schließlich ergreifen die Verwandten des jungen Mannes das Wort: „Wir kommen in einer ernsten Angelegenheit. Wenn Du erlaubst, werden wir darüber sprechen.“ Wird die Erlaubnis vom Gastgeber erteilt, geht der naggar abbat weiter: „Wir kommen, um Deine Verwandtschaft zu ersuchen, Deine Tochter mit unserem Sohn (Name) zu verheiraten.“ Da es unhöflich ist, eine solche Bitte direkt abzulehnen, wird der Gastgeber darum bitten, sich mit seinen Verwandten beraten zu dürfen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann er dann die Bitte ablehnen oder sie mit den Worten „sie ist noch zu jung“, oder „jemand ist Euch zuvorgekommen“ zurückweisen. Nur wenn die Verwandten beider Seiten mit der Verbindung einverstanden sind, bereiten die Familien die Hochzeit vor. Am Hochzeitstag selbst zieht der Bräutigam seine beste Kleidung an. Auf einem Pferd oder Muli reitet er in Begleitung von fünfzehn bis dreißig Männern zum Haus seiner Braut. Bevor er das Elternhaus der Braut betritt, muss er vor mindestens fünf alten Männern sein Heiratsversprechen ablegen. Dann erst darf er das Haus betreten. Dort gibt es jede Menge talla (Bier), tedj (Tedsch, Honigwein), wot (Sauce oder Stew) und injera (Indschera, Fladenbrot). Nach dem Essen nimmt der Bräutigam seine Braut mit sich fort. Während der ersten beiden Ehejahre lebt das Paar bei der Familie. Danach erhält es von den Eltern seinen Erbteil und lebt fortan in den eigenen vier Wänden.
Die Ehe Es gibt bei den orthodoxen Christen Äthiopiens drei verschiedene Arten der Ehe: Die von der Verwandtschaft ausgehandelte zivile Ehe, die Ehe auf Zeit und die kirchliche Heirat für ältere Adelige und Priester. Die zivile Ehe (qal kidan; serat, samanya) zweier junger Menschen wird von den Vätern oder der Verwandtschaft des Brautpaares ausgehandelt. Wichtig war dabei vor allem die Regelung der
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materiellen Verhältnisse, besonders bei den sogenannten Kinder-Ehen, bei denen der Mann 14 und die Frau 13 Jahre zählt. Beide Seiten müssen zufrieden gestellt werden, wobei die individuellen Wünsche der Ehepartner weniger berücksichtigt werden. Jeder dieser jungen Partner hat später das Recht, von sich aus die Ehe zu lösen. Bei einer Scheidung gibt es wieder Verhandlungen zwischen den Verwandten. Sie teilen die Güter, aber auch die Kinder auf. Bei einer Auflösung der Verbindung erhält die Ehefrau pro Ehejahr einen bestimmten Betrag ausgezahlt und hat im allgemeinen ein Anrecht auf die Hälfte des Eigentums ihres Mannes. Diese gebräuchlichste Form der Ehe ist säkular und wird nicht in der Kirche geschlossen. Die Kirche ist an dieser Ehe nur über einen Priester beteiligt, der die Verbindung segnet. Ehen von Blutsverwandten bis zum siebten Grad gelten als Blutschande und sind nicht erlaubt. Auch Eheschließungen mit der Taufpatin oder dem Taufpaten sind verboten. Falls sich ein Paar trennen will, muss zuvor mindestens ein Vermittlungsversuch durch den Familienpriester oder einen engen Bekannten des Paares erfolgen. Heute können sich die jungen Leute zumindest in der Stadt ihren eigenen Partner auswählen und sich auf dem Standesamt nach westlichem Vorbild trauen lassen. Daneben gibt es noch das so genannte damoz (damoz bedeutet soviel wie „Lohn“), eine Art „wilde Ehe“, bei der Mann und Frau auf eine bestimmte Zeit zusammenleben und die Frau am Ende dieses Zeitpunktes einen vorher ausgemachten Geldbetrag erhält. Diese Verbindung wird für gewöhnlich einen Monat eingegangen, aber auch kürzere oder längere Perioden sind möglich. Die Vereinbarung zu einer solchen Ehe wird mündlich und vor Zeugen abgegeben, so dass die Frau ihre Ansprüche vor Gericht geltend machen kann, wenn der Mann nicht bezahlt. Frauen, die eine damoz-Ehe eingehen, stammen für gewöhnlich aus einer sozial niedrigeren Schicht als der Mann. Oft handelt es sich um Frauen, deren Familie keinen Landbesitz hat, Frauen, die geschieden sind oder alleine leben. In äthiopischen Familien ist eine Scheidung nichts Ungewöhnliches. Vernachlässigt ein Ehemann seine Frau, so kann diese die Scheidung in die Wege leiten. Nimmt er sich zusätzlich zu seiner semanya-Frau eine damoz-Frau, so kann seine Ehefrau ihn verhaften lassen. Ist die Ehefrau hingegen „ungehorsam“, so steht es auch dem Mann frei, sich von ihr zu trennen. Auch auf Grund von Unfruchtbarkeit kann eine semanya-Frau vom Mann geschieden werden. Dies geschieht jedoch ohne Verlust der Ehre, und die Frau erhält die Hälfte des gemeinsamen Besitzes. Wenn ein Ehepartner die Scheidung will, wendet er sich an die manfesa a gubal, die Seelsorger und Priester der Familie. Wenn die Scheidung gewährt wird, muss jeder der beiden Partner eine Buße bezahlen, denn formell gesehen haben sie ihr Eheversprechen gebrochen. Die kirchliche, von einem Priester geschlossene Ehe (qirbam oder qal kidan ba-qwerban) gilt in Äthiopien als unauflösbar und wird daher nur selten eingegangen, meist von Paaren, die schon lange Zeit zusammenleben. Vor den Ältesten der Gemeinde (semagellé) schwört das Paar, gemeinsam ein religiöses Leben zu führen und sich treu zu bleiben. Die Besitztümer beider werden zusammengelegt und fortan geteilt. Diese Hochzeit ist stets mit einer Eucharistiefeier verbunden, und ab nun dürfen die beiden an allen Festtagen die akil-Krone tragen. Die modernen Gesetze haben bisher wenige Versuche unternommen, traditionelle Formen der Ehe zu ändern, abgesehen von einer offiziellen Anerkennung sowie einer Normierung der Ehen. Das neue Mindestalter für eine Heirat liegt für Mädchen bei 15 Jahren und für Jungen bei 18 Jahren. In den bäuerlichen Regionen Äthiopiens wird dieses Gesetz aber größtenteils ignoriert und umgangen. Hier heiraten die meisten Mädchen in einem Alter von 13 oder 14 Jahren.
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Das Leben in der Gemeinschaft Dem Leben in der Gemeinschaft wird ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Frauen und Männer haben innerhalb der Gesellschaft jeweils verschiedene Aufgabengebiete und Pflichten.
Aufgaben der Frauen Zu den Aufgaben der Frauen gehören neben der Vor- und Zubereitung der Nahrung sowie Auftragen des Essens auch die Erziehung der Kinder, Arbeiten im Stall, die Haushaltsführung und Tätigkeiten, die im Normalfall als niedrig angesehen werden. Einige äthiopische Gerichte und Getränke sind Bestandteil sowohl der täglichen Nahrung als auch der festlichen Bankette: injera (Fladenbrot), talla (Bier), tedj (Honigwein), bunna (Kaffee) und verschiedene wots (scharfe Saucen). An Gelagen oder Gastmahlen darf die Frau höchstens als Vorkosterin teilnehmen. Bei der Feldarbeit haben die Frauen das Unkraut zu jäten und beim Transport von Getreide mitzuhelfen. Ihnen obliegt auch der Verkauf von ländlichen Produkten auf dem Markt sowie das Einkaufen. Für den Familienhaushalt werden von Frauen auch Gebrauchsgegenstände wie Körbe und Keramikgefäße gefertigt. Das Töpfern wird dabei als niedrige Arbeit angesehen.
Aufgabengebiete der Männer Die Pflichten der Männer innerhalb der christlichen äthiopischen Gemeinschaft unterscheiden sich wesentlich von denen der Frauen. Im allgemeinen kümmern sich die Männer um die Feldarbeit: Aussaat, Pflügen, Ernte und ein großer Teil des Getreidetransports fallen in ihren Bereich. Auch verschiedene künstlerische Tätigkeiten werden ausschließlich von Männern ausgeübt. Hierzu gehören die Malerei, die Musik oder das Anfertigen von Skulpturen. In den Aufgabenbereich des Mannes gehören auch der Hausbau, Holz-, Leder- und Schmiedearbeiten, die Weberei (der Weber hat einen niedrigen sozialen Status) sowie die Jagd und das Kriegshandwerk. Im religiösen Bereich fällt die Dominanz der Männer auf: Nur Männer dürfen das Priesteramt ausüben oder innerhalb der Kirche – z.B. als Mitglied des Kirchenchors – beschäftigt sein. Bevor ein Mann im traditionellen Äthiopien heiraten durfte, musste er zum Beweis seines Mutes eine Jagdtrophäe nach Hause bringen. Früher konnte dies ein besonders gefährliches oder großes Tier sein, ein Löwe, Elefant, Krokodil, Büffel oder Nashorn. Zum Beweis der erlegten Beute wurde manchmal nur der abgetrennte Schwanz mitgebracht. Als Auszeichnung und Anerkennung seiner Fähigkeiten durfte er fortan einen Ohrring tragen.
Die Jagd Sie spielte in Äthiopien lange Zeit eine sehr wichtige Rolle. Jäger genießen aber immer noch eine besondere Achtung, besonderen Respekt. Man erwartet von Jägern, dass sie so lange bei der Jagd bleiben, bis sie erfolgreich sind. Dies kann mitunter dazu führen, dass junge Männer länger als
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erwartet in Jagdgebieten verweilen, dort krank werden oder gar sterben. Denn für einen Jäger ist es besser, bei dieser Unternehmung zu sterben als erfolglos nach Hause zurückzukehren. Die Elefantenjagd nahm einst für das Prestige eines Jägers einen besonders hohen Stellenwert ein. Das Ansehen, das der Jäger bei der Erlegung eines Elefanten erwarb, entsprach dem eines Kriegers, der zehn Feinde tötete. Als ganz außergewöhnlich galt es, wenn ein Mann sechs Elefanten erlegte, da dies einem Sieg über vierzig Kriegsfeinde gleichgesetzt wurde. Als Auszeichnung erhielt der Jäger goldene Ohrringe oder Armreifen, einer Heirat stand nichts mehr im Wege. Auch Ketten aus Elfenbein sowie eine spezielle Haartracht konnten einen erfolgreichen Elefantenjäger auszeichnen. Ähnliches galt für das Erlegen von Nashörnern, Löwen, Panthern und Büffeln, aber auch von Giraffen.
Mhaber (Schutzengelgemeinschaft) Das Leben in der Gemeinschaft spielt für christliche Äthiopier eine wesentliche Rolle. Feste werden gemeinsam begangen, Hilfe und Unterstützung gewährt man sich gegenseitig. Wichtige Angelegenheiten werden im größeren Kreis bei einer Tasse Kaffee beraten. Die Frauen bereiten die Kaffeebohnen vor, indem sie sie einmal rösten. Der gemahlene Kaffee wird dreimal ausgekocht und mit Salz und Butter getrunken. Man kommt hierfür in nachbarschaftlicher Runde zusammen und trinkt den Kaffee während der Unterhaltung. Eine Besonderheit bei den Äthiopiern ist die mhaber-Gesellschaft, die mit der großen Bedeutung, die Schutzengel genießen, zusammenhängt. Jeder Tag steht unter dem Zeichen eines Schutzengels und auch verschiedene Monate. Bei der mhaber-Gesellschaft handelt es sich um eine Art Laienkommunität, die im religiösen Leben eine wichtige Rolle spielt. Im Mittelpunkt des Zusammentreffens dieser Kommunität stehen das gemeinsame Mahl und Gebet. Eine mhaberGemeinschaft setzt sich in der Regel aus zwölf Personen, Männern und Frauen, zusammen. Die Anzahl weist auf die zwölf Apostel hin und das gemeinsame Essen auf das Letzte Abendmahl. Die Mitglieder wählen gemeinsam einen Schutzengel aus, unter dessen Schirmherrschaft die Verbindung stehen soll und an dessen Gedenktag das Treffen stattfindet. Der Reihe nach gibt jedes Mitglied bei sich ein Fest, zu dem die übrigen Mitglieder eingeladen werden. Bei jedem Treffen muss auch ein Priester anwesend sein, der die Speisen segnet und Gebete spricht. Über Generationen hinweg findet jeden Monat ein solches Fest bei einem anderen Mitglied statt und festigt die Verbindung im Namen des Schutzengels.
Krankheit und Tod Für die Behandlung der verschiedenen Krankheiten können christliche Äthiopier die Schriftgelehrten, dabtara, oder aber spezielle Medizinmänner, zar, aufsuchen. Die Medizinmänner sind dabei vor allem Ratgeber bei Besessenheit und können in die Zukunft blicken. Ihre seherischen Fähigkeiten helfen, die Ursache einer Krankheit ausfindig zu machen. Die Schriftgelehrten stellen Amulette her, die physische Schmerzen wie Kopfschmerzen, Koliken und Hexenschuss bekämpfen oder den Träger vor Unglück, also vor Armut, dem bösen Blick oder vor einer Frühgeburt bewahren, wie auch bei Ortswechsel schützen sollen. Die Amulette werden gegen Bezahlung angefertigt. Sie bestehen aus Ziegenhaut und können 50 cm lang und bis zu 30 cm breit
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sein. Neben dem Namen des Trägers sind z.B. der heilige Michael, der auch als Teufelsvertreiber bekannt ist, oder König Salomon auf dem Amulett dargestellt. Oft hält König Salomon ein Siegel mit einer Zauberformel in der Hand, das dem Träger Schutz in allen vier Himmelsrichtungen gewährt. Aber auch ein Labyrinth, in dem sich der Teufel symbolisch verirren soll, kann auf seinem Siegel abgebildet sein. Solche Amulette können nach dem Tode einer Person an andere Familienmitglieder weitervererbt werden. Ist jemand sehr schwer krank, so erhält er die heilige Kommunion. Sein Testament verfasst er mit Hilfe einer Vertrauensperson schriftlich oder tut es mündlich kund. Dieses Testament wird drei Tage nach dem Tod des Verfassers in Anwesenheit der Familienangehörigen eröffnet. Spürt ein älterer Mensch, dass sein Tod nahe ist, so kann er ein Totenfest oder einen Totentag zu Lebzeiten begehen. Hierfür werden Nachbarn, Freunde und Verwandte geladen, es gibt ein großes Festmahl ähnlich wie später bei der Beerdigung. Auch die Begräbnisstätte auf dem Friedhof wird dann zu Lebzeiten für das Totenfest vorbereitet. Traditionell ist das Begräbnis in der äthiopischen Gesellschaft von großer Bedeutung. Die Teilnahme an einer Bestattung ist Pflicht, da jeder, der nicht erscheint, nicht mehr als Freund der Familie des Verstorbenen betrachtet wird. Es folgt eine dreitägige Zeit der Trauer, die die Angehörigen des Verstorbenen mit lautem Klagen bekannt geben. Frauen und Männer aus der Nachbarschaft kommen in das Trauerhaus und verstärken das laute Wehklagen, das die ganze Nacht vor dem Begräbnis zu hören ist. Dieses Zeremoniell, das laute Klagen und Weinen, hilft den Verwandten, ihre Trauer zu verarbeiten und über den Verlust hinwegzukommen. Vor der Bestattung wird der Tote gewaschen und alle Körperöffnungen werden mit Leinenlappen verschlossen. Dann wird der Leichnam fest in Tücher eingewickelt (ähnlich einer Mumie), in die weiße Shamma (das lange äthiopische Umschlagtuch) gehüllt und mit einer farbigen Decke zugedeckt. Das Begräbnis findet rasch, in der Regel bereits einen Tag nach dem Tod statt. Außer der Verwandtschaft nehmen zumindest die nächsten Nachbarn, oft aber auch alle Gemeindemitglieder teil. Zum Zeichen der Trauer trägt z.B. die Frau des Verstorbenen eine Hose des Toten um den Hals geschlungen. Pferde, die im Trauerzug mitgeführt werden – sofern der Verstorbene welche besaß – werden in lange Decken gehüllt. Auch die Waffen des Verstorbenen werden verhüllt im Begräbniszug mitgeführt. Die Verwandten des Verstorbenen stimmen die Totenklage an, und der Trauerzug zieht, angeführt von einem Priester, zur Kirche und zum Friedhof, wo der Tote ins Grab gelegt wird. Der Weg vom Haus des Verstorbenen bis zum Friedhof ist in sieben Abschnitte unterteilt. Bei Erreichen eines jeden Abschnitts wird der Leichnam niedergelegt und die Priester stimmen ein Gebet zur Vergebung der Sünden des Verstorbenen an. Auf dem Friedhof wird über das noch offene Grab das farbige Tuch, das über den Toten gebreitet war, gehalten und in Schwingungen versetzt. Diese Bewegung soll das Aufsteigen der Seele des Verstorbenen in den Himmel symbolisieren. Nach der Rückkehr vom Friedhof waschen sich die Trauernden die Hände und erinnern mit dieser Zeremonie an die Handwaschung des Pilatus beim Tode Jesu. Am dritten Tag nach dem Begräbnis findet das Totenmahl (Tezkar) statt, zu dem alle Trauergäste eingeladen sind. Falls es sich die Familie leisten kann, wird das Totenmahl am 7., 12., 40. und 80. Tag nach dem Begräbnis wiederholt, und auch ein halbes Jahr, ein Jahr und sieben Jahre danach wird ein Totenmahl abgehalten. Ein Totenmahl ist mit großen Ausgaben für die betroffene Familie verbunden. Da diese Familie aber im Anschluss an die Feier von den Gästen Geschenke erhält, werden die Lasten doch
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spürbar verteilt. So kann der Aufwand leichter verschmerzt werden. Pearce beschreibt, wie die Gäste eines Totenmahls „zwanzig bis dreißig Laibe Brot, einige Töpfe mit Mais (mes), gekochte Speisen, Geflügel und Gebäck, manche ein Schaf, etc.“ mitbringen. Die Gäste unterhalten die Familie des Verstorbenen und erzählen Geschichten, um die Hinterbliebenen etwas von ihrer Trauer abzulenken. Wird die Runde jedoch allzu fröhlich, so mahnt meistens eine alte Frau die Gäste mit der Frage, ob der Verstorbene denn schon vergessen sei. Daraufhin beginnt das Wehklagen mit neuer Intensität. Früher war es für die Hinterbliebenen Sitte, als Zeichen der Trauer ihre Köpfe zu rasieren und sich so stark die Stirn und die Schläfen zu reiben, dass die Haut dabei verletzt wurde und Narben zurückblieben, die lange Zeit, sogar bis ans Lebensende sichtbar waren. Auch heute noch tragen Trauernde mindestens ein Jahr lang schwarze Kleidung. Die Kosten für eine Bestattung sind allgemein sehr hoch. Der wirtschaftlichen Lage der Familie des Verstorbenen entsprechend muss der Preis dafür mit den Geistlichen ausgehandelt werden. Die Priester erhalten dabei Essen und Getränke, bei reichen Familien wird auch eine beträchtliche Summe, manchmal auch Vieh, für die abgehaltenen Messen gegeben. Die Klagefrauen erwarten für ihren Gesang über den Verstorbenen auch ein kleines Entgelt. Es müssen also ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Wie bereits erwähnt, findet die Bestattung sehr schnell nach dem Tode einer Person statt, man hat also keine Zeit mehr, erst noch das benötigte Geld zu beschaffen. Daher gibt es das sogenannte ider, das heißt, dass sich die Nachbarn oder auch eine Dorfgemeinschaft versammeln, um für Bestattungen Geld zu sammeln.
Schmuck, Handwerk, Musikinstrumente An Hand des Schmuckes können die Völker Äthiopiens weitgehend unterschieden werden. Besonders beliebt sind: Halsketten, Ringe, Fußkettchen und Armreife, doch auch Körperbemalungen und Tätowierungen (in Nordäthiopien besonders an Hals und Stirn) kommen vor. Zu Schmuck verarbeitet wurden und werden Gold, Silber, Kupfer, aber auch Silber- und Messinglegierungen, Eisen, Elfenbein, Federn, Krallen und Tierhaare, Bernstein, Holz, Leder, Samenkapseln, Gras, Straußeneier, Schalen, Kaurischnecken, Speckstein und Glasperlen. Der Schmuck verrät zudem – besonders bei Frauen – die soziale Stellung des Trägers in der Gesellschaft: Je kostbarer und aufwendiger die Schmuckstücke sind, desto höher ist die soziale Stellung. Dies gilt besonders für die Frauen von Jägern, deren Elfenbeinringe einen deutlichen Hinweis auf den Jagderfolg der Männer geben und damit auf deren Fähigkeit, Frau und Familie zu unterhalten. Ketten mit großen aus Silberblech getriebenen Kugeln oder geometrisch geformten Anhängern werden von Frauen im Osten des Landes (Harar) getragen – nicht zuletzt, um so auf ihre reichen Männer hinzuweisen. Einige Völker im Süden des Landes – z.B. die Karo, die sich die Haare rot färben – verzieren sich neben vielen bunten Perlenketten auch noch durch HautSchmucknarben. Die Frauen der Gambela tragen als Gesichtsschmuck einen kleinen Perlenstrang, einen Nagel oder eine Nadel in der durchstochenen Unterlippe. Zumindest in den überwiegend von Christen bewohnten Teilen des Landes – im zentralen Hochland und im Norden – gehören kleine Hals- oder Anhängerkreuze, meist aus Silber oder silberfarbenen Metall-Legierungen, zu den häufigsten Schmuckstücken. Zusammen mit dem Halskreuz wird oft noch ein kleiner Ohrlöffel getragen, der teils aus rituellen, teils aus hygienischen Gründen zur Reinigung des Gehörgangs dient. Kleinen Kindern wird zusätzlich eine
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Kette aus blauen Glasperlen umgehängt, oft noch versehen mit einem kleinen Amulettbehälter aus Leder oder Stoff zur Abwehr des bösen Blicks und von Dämonen. Der Farbe Blau wird in Äthiopien besondere Abwehrkraft gegen das Böse zugeschrieben.
Holzschnitzereien Holz ist der Rohstoff für Werkzeuge und Geräte aller Art im Haushalt: für Gefäße, Mörser, Stößel, Fleischbretter, Gefäßhalterungen, Schalen, Löffel, Kämme und in der Landwirtschaft für den einscharigen Pflug, für Gabeln, Stöcke u.a. Auch Möbel werden aus Holz geschnitzt oder geschreinert. Die Werkzeuge, die bei der Anfertigung von Geräten und Möbeln Verwendung finden sind: Beile, Meißel, Messer, Sägen und Drillbohrer.
Lederbearbeitung Die Gewinnung und Verarbeitung von Leder (Männerarbeit) hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert: Frische Häute werden sorgfältig abgeschabt, gegerbt, weichgeklopft und anschließend weiter verarbeitet. Dabei bevorzugt man Schaber aus Stein, da solche aus Eisen im Vergleich zu scharfen Obsidianklingen keine Verbesserung darstellen. Auf Grund des großen Viehbestandes war die günstige und lang haltbare Bekleidung aus Leder früher sehr weit verbreitet. Heute wird Leder in der Bekleidung immer mehr von Baumwollstoffen abgelöst. Es ist aber für viele andere Zwecke nach wie vor unentbehrlich, so etwa für Schuhe, Eimer, Wasserflaschen, Babytragen und Körbe, die sowohl Wasser als auch trockene Gegenstände aufnehmen können. Ganze Rinderhäute dienen als Bettdecken; Lederstreifen werden für das Verschnüren von Bündeln benötigt und bei geflochtenen Körben zur Verstärkung mit eingearbeitet. Behälter aus Stroh, Ton oder Holz, die mit Leder überzogen sind, bieten den darin gehaltenen Waren zusätzlichen Schutz.
Körbe Korbflechten gilt als Frauenarbeit, jedes junge Mädchen lernt dieses Handwerk. Die verheiratete Frau versorgt den Haushalt (meist nicht zum Verkauf) mit Körben aus Fasern wilder Gräser. Die vielfach bunten Körbe werden in den verschiedensten Größen als Deckel, Vorrats- und Transportbehälter für Baumwolle, Fleisch, Getreide und zerbrechliche Gegenstände oder als Brotkörbe verwendet. Die Brotkörbe werden gerne sorgfältig mit Mustern verziert. Sie bestehen aus einem runden Fuß, der sich nach oben verjüngt und einer darauf liegenden flachen Schale mit oder ohne Deckel. Die größeren Brotkörbe, in denen die Indschera-Fladen (äthiopisch Brot) gelagert werden, dienen auch als Esstische und sind Mittelpunkt jeder Mahlzeit.
Keramik Bei den Amhara und anderen Völkern des Nordwestens stellen die Frauen zwar ihre eigenen luftgetrockneten Behälter aus Lehm und Dung her, aber haltbare gebrannte Tongefäße formen sie
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nicht selbst. Töpferarbeit hat einen sozial sehr niedrigen Status und wird als unwürdig angesehen. Diese Aufgabe übernehmen die Frauen der Falascha. Allerdings leben heute nur mehr äußerst wenige Falascha in Äthiopien. Töpfer gibt es auch noch bei den Gurage und den Wollo. Die Töpfe werden in Aufbaukeramik hergestellt, das heißt, ein Tonwulst wird sorgfältig auf den anderen gesetzt, in Form gedrückt, flach gepresst und mit dem anderen verstrichen. Das fertige Gefäß wird mit etwas Wasser außen und innen vollends geglättet, meist mit eingekratzten Mustern verziert und schließlich in Feuergruben außerhalb des Hauses gebrannt. Manchmal werden die rot gebrannten Töpfe noch über einem Stroh- und Dungfeuer schwarz gefärbt. So bleibt die Tonware porös und wasserdurchlässig. Behälter für Flüssigkeiten müssen noch von der Käuferin des Topfes wasserundurchlässig gemacht werden. Dazu schüttet man in den erhitzten Topf ölige Substanzen wie Buttermilch oder Baumwollsamen. Eine andere Methode besteht darin, die Wände mit einem Harz zu beschichten. Töpferscheibe und Brennofen konnten sich in Äthiopien nicht durchsetzen, und dies gilt auch für Engobe (dünnen Keramiküberguss). Bei den Falascha existiert die merkwürdige Tradition, kleine kuriose Tonfigürchen – Tiere oder Menschen – herzustellen. Leider weiß man weder, wie alt diese Tradition ist, noch, aus welchen Gründen sie entstand. Die Nachfrage nach diesen Tonfigürchen ist groß.
Musikinstrumente Typisch äthiopische Musikinstrumente wie Begena (Harfe), Krar (Lyra) und Mosenqo (Geige) werden in der Kirchenmusik und der Volksmusik gespielt. Das Sistrum (Tsingtseil) und eine große Trommel finden nur in der Liturgie Verwendung. Bei zeremoniellen Anlässen werden außerdem die Maeeket, eine lange Trompete und die Embilta, eine einfache Eintonflöte, eingesetzt. Die Kesselpauke Negarit und die kleine Atamo Trommel wie auch die Washint, eine einfache Flöte, verwendet man im profanen Bereich. Die zehnsaitige äthiopische Harfe Begena besteht aus einem quadratischen Schallkörper, auf den die Saiten gespannt sind. Beim Spielen wird die Harfe auf den Boden gestellt. Sie ist auf eine Fünftonreihe im Bass gestimmt und klingt angenehm summend. Hohen Würdenträgern ist das Spielen von Musikinstrumenten verboten, da aber die Begena traditionell mit der Harfe König Davids in Verbindung gebracht wird, gilt hier eine Ausnahme. Bei der ebenfalls pentatonisch gestimmten Krar handelt es sich um eine sechssaitige Lyra, deren dreieckiger Rahmen mit einem runden Schallkörper sehr an die alten griechischen oder ägyptischen Lyren erinnert. Ihre Saiten werden gezupft oder mit einem kleinen Holzstück gespielt. Eines der beliebtesten Musikinstrumente Äthiopiens ist die Mosenqo, die Geige. Ihr Schallkörper ist ein mit Tierhaut überzogener quadratischer oder rautenförmiger Rahmen. Die einzige Saite aus Rosshaar schwingt zwischen dem Stimmknebel am Hals der Geigen und einer auf dem Schallkörper gefestigten Brücke. Gespielt wird die Mosenqo mit einem Rosshaarbogen, die Tonlage kann durch Fingerdruck auf die Saite variiert werden. Die Mosenqo ist das beliebteste Instrument der wandernden Sänger Äthiopiens, die bei keinem Fest fehlen.
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ANHANG
Zeittafel Fettgedruckte Daten betreffen direkt Äthiopien und Eritrea vor 150 000 Jahren Älteste Funde des Homo Sapiens im Awash-Tal 5000 v. Chr. Jungsteinzeit im Raume Aksums 4. Jt. v. Chr. Megalithsetzungen in der Tihama (Küstenstreifen in Südarabien) 2800–2000 Bronzezeitkultur im jemenitischen Hochland 2650–2150 Altes Reich in Ägypten (3.- 6. Dynastie) 3. Jt. v. Chr. Bewässerungs- und Terrassenbodenbau im Jemen 2470 Sahure von Ägypten sendet Expedition zum Südland (= Punt) und an die Rotmeerküste 3.–2. Jt. v. Chr. Kameldomestizierung in Südarabien. Kamelknochenfunde vom pers.-arab. Golf aus dem 4. Jt. sagen nichts darüber aus, ob es sich um wilde oder domestizierte Kamele handelt. 2150–2000 Erste Zwischenzeit in Ägypten und Beginn der Kerma-Kultur zwischen dem 3. und 4. Nilkatarakt in Obernubien 2000–1750 (2040–1650) Mittleres Reich in Ägypten (11.–13. Dynastie) und mittlere Kerma-Kultur in Obernubien ab 2. Jt. v. Chr. Bronzezeitkultur von Sabir an den Küsten Südarabiens. Sabir (nördl. von Aden) produziert viel Keramik, die Parallelen zur Keramik auf afrikanischem Boden (Kerma und Kassala) zeigt. 1750–1530 Zweite Zwischenzeit in Ägypten mit Hyksoseinfall. Klassische Kermakultur in Obernubien. 1530–1075 Neues Reich in Ägypten (18.–20. Dynastie) 1504–1494 Thutmosis I. in Ägypten ca. 1500 Einwanderung semitisch sprechender Bevölkerung aus Nordarabien im südarabischen Raum und Beginn der typisch südarabischen Kultur. Zerstörung von Kerma in Nubien. 1493–1490 (1482–1479) Thutmosis II. in Ägypten 1490–1468 (1479–1457) Königin Hatschepsut führt Ägypten zuerst als Regentin, später als „Pharao“. Expedition der Ägypter zum Land Punt (Nordostafrika). 1490–1436 (1479–1425) Thutmosis III. – seit 1468 übt er die Herrschaft aus. Gründung von Napata am Dschebel Barkal in Obernubien. ca.1200 Beginn der Schrift in Südarabien
1104–1075 (1099–1070) Ramses III. in Ägypten, Verlust Nubiens. Ende des Neuen Reiches. 1075–720 Dritte Zwischenzeit in Ägypten (21.–24. Dynastie). Reich von Napata dehnt sich nach Norden aus. ab 1000 Südarabische Siedler in Nordostafrika, Beginn der sabäischen Herrschaft auf afrikanischem Boden ca. 960–925 König Salomo in Jerusalem ca. 900 Reich von Napata gewinnt an Macht 720–656 Kuschiten (Nubier) herrschen in Ägypten und Nubien als 25. Dynastie 672–332 Spätzeit Ägyptens (26.–31. Dynastie) 671– 663 Assyrer / assyrischer Einfluss in Ägypten ca. 615 Bau des Tempels in Yeha, der dem südarabischen Mondgott Almaqah geweiht wurde 596–594 Umsegelung Afrikas durch die Phöniker von Ost nach West 593–568 König Aspelta verlegt die Hauptstadt von Napata nach Meroë (nördl. von Khartum) Mitte 6. Jh. Der Norden des heutigen Äthiopien und weite Teile Eritreas stehen noch unter sabäischer Herrschaft – Sumuhu’ali, „Mukkarib (relig. Herrscher) von Saba“ 529–522 Kambyses König von Persien 525/24 Kambyses besetzt Ägypten ca. 515 Die sabäischen Besitzungen auf afrikanischem Boden geraten unter einheimische Herrschaft – „Mukkaribe von D’MT und Saba“ 336–323 Alexander der Große im Orient 323–30 Ptolemäerherrschaft in Ägypten ca. 300 Meroë wird Residenzstadt Adulis (45 km südlich des modernen Massaua gelegen) wird wichtiger Hafen in Nordostafrika 247–221 Ptolemäus Euergetes errichtet Steinmonument in Adulis 30 Ägypten wird römische Provinz 25/24 Aelius Gallus, römischer Statthalter in Ägypten, unternimmt erfolglos Feldzug gegen Südarabien 23 Caius Petronius zerstört Napata 20 v. Chr. Indische Gesandtschaft bei Kaiser Augustus auf Samos
Christi Geburt 10 n. Chr. Nabatäerreich mit seiner Handelsmetropole Petra wird römische Provinz. Indische Gesandtschaft bei Kaiser Traian (nicht restlos gesichert). ca. 35–40 n. Chr. Apostel Thomas geht nach Indien (ThomasChristen) ca. 80 n. Chr. Abfassung des „Periplus’ des Erythräischen Meeres“ (Segelhandbuch für das Rote Meer und den Indischen Ozean) König Zoskales von Aksum 2. Jh. Aksum wird bedeutendes Reichszentrum 246–266 Teqerideamani ist letzter Herrscher von Meroë. Druck der Noba aus Kordofan auf das meroitische Reich. Meroë besteht als städtisches Zentrum unter den Noba aus Kordofan bis 350 weiter. ca. 290 König Endubis von Aksum. Beginn der aksumitischen Münzprägung (bis 650). ca. 300–320 König Aphilas von Aksum 301 Armenien wird offiziell erstes christliches Staatswesen 312 Kaiser Konstantin I. (der Große) siegt über Maxentius im Zeichen des Kreuzes; freie Entfaltung des Christentums im römischen Reich Anfang 4. Jh. Aksumiten besetzen Küstengebiete in Südarabien ca. 320–ca. 330 König Wazebas I. von Aksum ?–ca. 330 König Ausanas I. von Aksum 330 Konstantin I. verlegt die Hauptstadt des Römischen Reiches nach Konstantinopel ca. 330–365 König Ezana von Aksum 1. Feldzug Ezanas’ gegen Meroë, in dem die Noba herrschten, und dessen Eroberung, Ende Meroës ca. 340 Constantius II. (seit 337 Herrscher der oströmischen Provinzen) entsendet eine Delegation nach Zafar, der Hauptstadt des himjaritischen Reiches in Südarabien. Sie baut dort eine Kirche. Der himjaritische König wird Christ. ca. 350 Zweiter Feldzug Ezanas’ nach Meroë ab ca. 350 Christliche Münzprägung in Aksum. Christliche Missionierung des Hofes von Aksum durch Frumentius und Ädesius. Frumentius wird zum Bischof geweiht. ca. 368–380 König Ausanas II. von Aksum
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ab ca. 370 Unbekannter Herrscher Aksums letztes Viertel 4. Jh. Wazebas II. von Aksum ca. 400 Äthiopische (aksumitische) Pilger in Jerusalem ca. 410 Abikarib Asad wird König im himjaritischsabäischen Reich Südarabiens. Unbekannter Herrscher Aksums nach 420 König Mhdys von Aksum ca. 440–450 Das himjaritisch-sabäische Reich hat seine größte Ausdehnung unter Abikarib Asad bis nach Zentralarabien. Jüdischer Einfluss wird in Südarabien stark Mitte 5. Jh. Ebana Herrscher Aksums Mitte 5. Jh. bis 1. Viertel 6. Jh. Unbekannter Herrscher Aksums ca. 450 Vielleicht eine erste Kirche in Faras, Nubien 451 Konzil von Chalcedon verurteilt die monophysitische Lehre infolge sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten spätes 5. Jh. König Nezana od. Nezool in Aksum Anfang 6. Jh. König Ausanas III. von Aksum ca. 510–ca. 540 König Kaleb Ella Eshbeha von Aksum 522 Der sich zum Judentum bekennende Yusuf Asar Yathar (Yusuf Dhu Nuwâs) ergreift in Südarabien die Macht durch Staatsstreich. Er zerstört die Kathedrale von Zafar, erobert 523 Najran und ermordet dortige Christen (Christenverfolgung). Der ägyptische Kaufmann und spätere Mönch Kosmas Indikopleustes in Adulis 524–651 Sassaniden-Dynastie in Persien 525 König Kaleb von Aksum greift mit Unterstützung von Kaiser Justinian I. von Byzanz in Südarabien ein und kommt den unterdrückten Christen zu Hilfe. Beginn der zweiten Besetzung Südarabiens durch die Äthiopier. Die Kathedrale von Zafar wird wiedererrichtet. Sumyafa wird äthiopischer Statthalter in Südarabien. 535–565 Abraha wird äthiopischer Statthalter in Südarabien, später macht er sich von Aksum unabhängig ca. 540 König Alla Amida(s) von Aksum 543 Ankunft von Julianus in Nubien – dauerhafte monophysitisch-christliche Mission im Reich Nobatia (zwischen dem 1. und 3. NilKatarakt) ca. 550 Bau der Kathedrale von Sana und anderer Kirchen in Südarabien 6. Jh. König Gebre Maskal von Aksum. Beginn der äthiopischen Kirchenmusik
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durch den Mönch (und späteren Heiligen) Yared. 559 (od. 580) Monophysitisch-christliche Mission (erneut) in Nubien durch Longinus im nördlich gelegenen Nobatia (Hauptstadt zuerst Ballana, später Panchoras = Bucharas = Faras) und im südlichen Reich Alodia (Hauptstadt Soba südl. von Khartum) ca. 560 Erfolgloser Feldzug des sich vom Mutterland Äthiopien unabhängig gemachten Herrschers Abraha gegen Mekka mit Elefanten 569 Entstehung des christlich orthodoxen Reiches von Makuria in Nubien (zwischen dem 3. und 6. Nil-Katarakt) 3. Viertel 6. Jh. König Israel in Aksum 4. Viertel 6. Jh. König Gersen in Aksum 570/1 Die Sassaniden Persiens erobern auf Drängen einheimischer Fürsten Südarabien. Ende der „äthiopischen Zeit“ Südarabiens. Ende 6. Jh. König Hataza in Aksum Anfang 7. Jh. König Joel in Aksum ca. 615–630 König Ella Gabaz in Aksum ca. 615 Ein unbekannter Herrscher und König Wazan Ausanas IV. in Aksum 615–628 Äthiopiens freundliche Beziehungen zu den Anhängern Mohammeds 619 Sassaniden fallen in Ägypten ein 622 Beginn der islamischen Zeitrechnung 630–632 Südarabien wird islamisch. Errichtung der großen Moschee von Sana. 630–650 König Armeha von Aksum 637 Jerusalem von muslimischen Arabern besetzt 640 Muslimische Araber erobern Ägypten 641 Muslimische Araber versuchen nach Nubien vorzudringen. Beginn der islamischen Eroberungen in Nordafrika. 642 Erstmals Spannungen zwischen den bereits islamischen Gebieten am Roten Meer und Äthiopien um 745 Erfolgreicher Vorstoß christlicher Nubier nach Ägypten ca. 820–830 Bedscha-Einfälle in Äthiopien um 900 Kloster Debre Damo in Äthiopien errichtet Mitte 10. Jh. Revolte in Aksum; Zerstörung Aksums – wohl durch eine Königin namens Judith 2. Hälfte des 10. Jh. Zwischen dem 1. und 2. Nil-Katarakt siedeln ägyptische und nubische Muslime
1030–1270 (od. 1037 od. 1050) Zagwe-Dynastie in Äthiopien (Zentrum des Landes ist das Bergland von Lasta) 1172 Äthiopische Gesandtschaft bei Sultan Saladin in Kairo 1172/73 Saladin zerstört das Reich Nobatia, Islam breitet sich so in Nubien weiter aus ca. 1185–1225 König Lalibela von Äthiopien nach 1200 Scheich Abadir gründet Harar 1248 Gründung des Klosters am Haik-See ab 1250 Zerfall des christlichen Reiches von Makuria (bis ca. 1340) 1268/70–1283/85 Yekuno Amlak übernimmt die Herrschaft, mit ihm Wiedereinführung der salomonischen Dynastie 13. Jh. Der heilige Tekle Haimanot gründet das Kloster Debre Libanos. 1314–1344 Amda Seyon Kaiser von Äthiopien ca. 1325 Abfassung des „Kebra Nagast“ 14. und 15. Jh. Ausdehnung Äthiopiens nach Süden. Keine feste Residenz 1350 Erster islamischer Herrscher – für kurze Zeit – im Nubischen Reich von Makuria. Anschließend nochmals kurz ein christlicher Herrscher, dann übernehmen Nomaden die Gewalt, das Gebiet wird islamisiert. 1379/80–1412/13 Kaiser Dawit I. von Äthiopien 1390/91 Kloster Bizen wird gegründet 1402 Äthiopische Gesandtschaft in Venedig 1427 Äthiopische Gesandtschaft in Valencia bei Alfons V. von Aragon 1434–1468/69 Kaiser Zara Jakob von Äthiopien bemüht sich um Kontakte zum Westen 1439 Konzil von Florenz. Äthiopier nehmen teil 1448 Äthiopische Gesandtschaft in Italien 1453 Äthiopische Gesandtschaft in Portugal 1468–1478 Kaiser Beda Mariam von Äthiopien 1478–1494 Kaiser Eskender, Regentin ist Kaiserin Elleni 1482 Papst Sixtus IV. sendet Giovanni Battista nach Äthiopien 1487 Pero da Covilha und Affonso de Paiva reisen nach Äthiopien 1488 Lukas Markos als äthiopischer Gesandter in Portugal
1494 Pero da Covilha bei Kaiser Eskender 1494–1508 Naod, Kaiser von Äthiopien Beginn des 16. Jh. Alodia, das letzte christliche Reich Nubiens, geht unter 1507 Joao Gomez und Joao Sanches landen in Äthiopien 1508–1540 Kaiser Lebna Dengel (Dawit II.) von Äthiopien 1509 Der äthiopische Gesandte Mathäus geht nach Portugal 1514 Duarte Galvao und Francisco Alvarez gehen nach Äthiopien 1517 Die Osmanen machen unter Sultan Selim I. Ägypten zur türkischen Provinz. Türken landen in Massaua. 1520 Francisco Alvarez und Rodriguez de Lima in Äthiopien 1520–1529 Sultan Abu Bakr ibn Muhammad ibn Azhar al-Dir Herrscher von Harar 1529 Imam Ahmad ibn Ibrahim (Grañ genannt) ergreift die Macht in Harar und fällt in Äthiopien ein. 1531 Grañ beginnt seinen Eroberungsfeldzug gegen Äthiopien 1533 Zerstörung Aksums 1535 Kaiser Lebna Dengel kämpft verzweifelt gegen Grañ und schickt Joao Bermuda zu König Johann III. nach Portugal 1538 Die Türken im Jemen ca. 1540–1550 Aufbruch der Oromo in das nördlich von ihnen gelegene Äthiopien 1540–1559 Kaiser Galawdewos setzt den Kampf gegen Grañ fort 1541 Christophero da Gama landet in Massaua 1542 Christophero da Gama wird von Grañ geschlagen und getötet 1543 Grañ wird mit portugiesischer Hilfe von Galawdewos besiegt und fällt 1555 Jesuiten kommen nach Äthiopien 1557–1866 Türken in Massaua 1569–1571 Türken versuchen, sich im Jemen endgültig festzusetzen 1607–1632 Kaiser Susenyos von Äthiopien 1626 Äthiopien wird offiziell katholisch 1626–1632 Widerstand der äthiopischen Kirche und
weiter Kreise des Adels und der Bevölkerung gegen den Kaiser und die neue Konfession 1632 Susenyos muss abdanken 1632–1667 Kaiser Fasilides von Äthiopien 1636 Gondar wird neue Hauptstadt Äthiopiens (bis 1855) 1647 Neue Dynastie in Harar durch Ali ibn Dawud begründet (bis 1662) 1655 Wiederaufbau der Kathedrale von Aksum beendet 1667–1681 Kaiser Yohannes I. von Äthiopien 1682–1706 Kaiser Jyasu I. von Äthiopien 1702 Geheime Verhandlung des Kaisers mit den Franziskanern wegen eines Unionsvertrages mit der katholischen Kirche 1711–1716 Kaiser Yostos (Justus) von Äthiopien 1713 Der Kaiser wird katholisch und abgesetzt 1769–1855 Ära der Fürsten, insgesamt 19 Herrscher, die zum Teil abgesetzt und wieder eingesetzt werden, Zerfall kaiserlicher Zentralgewalt 1812–1847 Sahle Selassie – König von Schoa 1820/23 Der Khedive Mohammed Ali von Ägypten besetzt den Sudan 1832–1855 Sahle Dengel insgesamt 5mal als Herrscher in Gondar ein- und abgesetzt! 1836/38 und 1846 Ägyptische Angriffe auf Äthiopien erfolglos verlaufen 1839–1860 Katholische Mission unter dem Lazaristen Justinus de Jacobis in Nordäthiopien 1846–1880 Katholische Mission unter Giulielmo Massaia in Südwest-Äthiopien 1849 Eröffnung eines britischen Konsulats in Massaua 1855–1868 Tewodros II. Er setzt den letzten Kaiser ab, zerstört Gondar und macht sich selbst zum äthiopischen Herrscher. Er residiert auf der Festung Magdala. 1862 Frankreich setzt sich in Obock im Golf von Tadjoura fest 1865–1889 Menelik als König von Schoa 1867 Ras Kassa (ab 1872 Kaiser Yohannes IV.) vereinigt Tigre 1868 Britische Militärexpedition unter Sir Robert Napier gegen Kaiser Tewodros, der Selbstmord begeht. Die von ihm festgehaltenen Europäer werden befreit.
1868–1871 Unklare Herrschaftsverhältnisse, bis sich Ras Kassa aus Tigre durchsetzt 1869 Eröffnung des Suezkanals Der Sultan von Assab verkauft seine Stadt an die italienische Schifffahrtsgesellschaft Rubattino um 1800 Pfund 1872–1889 Kaiser Yohannes IV. von Äthiopien (Ras Kassa von Tigre) 1875–1886 Ägypter besetzen Harar 1879 Der italienische Staat übernimmt Assab 1881 Menelik, Herrscher von Schoa, schlägt sein Lager am Entoto-Berg auf und baut 1887 dort eine Kirche. Kaiser Yohannes IV. kämpft gegen die eindringenden Mahdikrieger. 1882 Menelik dehnt seinen Einfluss nach Süden und Westen aus. Assab wird offiziell ital. Kolonie. 1883 Briten setzen sich in Zeila (Somaliland) fest 1885 Italiener besetzen Massaua und Beilul (an der Rotmeer-Küste nordwestlich von Assab). Mahdisten erobern Khartum und töten Gordon Pascha. 1886 Gründung von Addis Abeba und Arsi Oromo in der Schlacht von Azule besiegt 1886/87 Abdullahi ibn Muhammad ist letzter Emir von Harar 1887 Menelik nimmt Harar in Besitz 1888 Beginn des italienischen Eisenbahnbaus in Eritrea von Massaua aus 1888–1892 Große Hungerperiode in Äthiopien 1889 Kaiser Yohannes IV. fällt in der Schlacht von Metemma gegen die Mahdisten. Eritrea wird italienische Kolonie (bis 1941). Menelik schließt mit Italien den Vertrag von Wecale (Uccialli). 1889 Kaiser Menelik II.; Kaiserin Taitu Betul (ca. 1850–1918) 1892 Addis Abeba wird offiziell Hauptstadt 1893 Unterschiedliche Auslegungen des Vertrages von Wecale. Menelik kündigt den Vertrag. 1894 Nationales Münzsystem (der „MariaTheresia-Taler“) und Postdienst in Äthiopien „unter“ Alfred Ilg eingeführt 1896 Italienische Truppen rücken von Eritrea her in Äthiopien ein. Sieg Kaiser Meneliks über das italienische Invasionsheer in der Schlacht von Adua. ab 1896/97 Ausdehnung Äthiopiens nach Süden und Westen
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1897 Eroberung des Reiches von Kaffa Beginn des Baus der äthiopischen Eisenbahn von Djibouti aus (1917 fertig gestellt) 1898 Beginn der telegraphischen Verbindung Äthiopiens mit der Welt 1902 Ras Makonnen nimmt an der Krönung König Edwards VII. in London teil 1905 Einführung des Bankenwesens 1906 Eisenbahnstrecke von Djibouti nach Dire Dawa. 1907 Menelik bestellt das erste RegierungsKabinett 1908 Gründung der ersten modernen Schule in Addis Abeba 1909 Menelik ernennt seinen Enkel Lidsch Jyasu zu seinem Nachfolger 1913 Tod Kaiser Meneliks II. (Umstände nicht restlos geklärt) 1913–16 Kaiser Jyasu V. 1916 Wegen seiner islam- und türkenfreundlichen Einstellung abgesetzt und ab 1921 in Gefangenschaft, 1935 ermordet (?). Abuna Matteos ernennt die Tochter Meneliks, Zauditu, zur Kaiserin. Negus Mikael von Wollo, Vater Jyasu V., in der Schlacht von Segalle von Ras Tafari geschlagen und gefangengenommen, Jyasu entkommt. 1916–30 Kaiserin Zauditu (Judith) Tochter Meneliks, Ras Tafari als Regent 1917 Eisenbahnbau bis Addis Abeba fertig gestellt 1923 Äthiopiens Aufnahme in den Völkerbund, Verbot der Sklaverei 1924 Ras Tafari besucht Europa (Rom, Paris und London) 1928 Ras Tafari lässt sich zum Negus (König) krönen 1930 Ras Gugsa, (Provinzgouverneur und früherer Gatte von Zauditu) wird in der Schlacht von Anchim besiegt und fällt. Kaiserin Zauditu stirbt. Negus Tafari tritt die Nachfolge an als Haile Selassie I. (= Macht der Dreieinigkeit). Krönung von Kaiser Haile Selassie und Kaiserin Menen in der St.-GeorgsKathedrale in Addis Abeba (2. Nov.) 1931 Proklamation einer Verfassung und Schaffung eines Parlaments, Gründung der Bank von Äthiopien 1933 Das Sultanat von Dschimma kommt unter die Zentralverwaltung
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1934 Italienisch-äthiopischer Zusammenstoß im Ogaden 1935 Italien fällt in Äthiopien ein 1936 Der Kaiser geht nach England ins Exil und organisiert den Widerstand. Die Italiener marschieren in Addis Abeba ein. Erlass der Magna Charta für ItalienischOstafrika (Eritrea, Äthiopien und Somaliland). Als 1. Vizekönig ist Marschall Badoglio vorgesehen, der in Addis Abeba residiert. 1937 Abuna Petros wird von den Italienern erschossen. Loslösung der äthiopischen Kirche vom Patriarchat in Alexandrien festgelegt. Am 19. Februar schlägt Attentat auf den italienischen Vizekönig Graziani fehl. Massaker in- und außerhalb von Addis Abeba als Strafe. 1940 Italien erklärt Großbritannien den Krieg 1941 Italien verliert seine nordostafrikanischen Besitzungen. Ende des italienischen Reiches von Ostafrika. In Eritrea übernimmt Großbritannien die Verwaltung (bis 1952). Der Kaiser kehrt nach Äthiopien zurück. 1949 Währungsreform, Abschaffung des MariaTheresia-Talers als offizielle Währung Äthiopiens 1951 Baselyos (= Basileios) wird als erster Äthiopier Abuna, Oberhaupt, der äthiopischen Kirche. Bisher waren dies nur vom koptischen Patriarchen in Alexandrien geweihte Ägypter. 1952 Eritrea wird auf UNO-Beschluss als autonomes Gebiet unter die Verwaltung Äthiopiens gestellt 1955 Neue und erweiterte äthiopische Verfassung 1959 Zuständigkeit des Patriarchen von Alexandrien für die äthiopische Kirche nur mehr nominell. Die äthiopische Kirche wird unter einem eigenen Patriarchen praktisch unabhängig. 1960 Erster erfolgloser Putsch – durch die kaiserliche Leibgarde und Studenten – gegen den Kaiser 1961 Beginn von Unabhängigkeitsbestrebungen in Eritrea (bis 1991) 1962 Äthiopien gliedert Eritrea als 14. Provinz seinem Reichsgebiet an. Der eritreische Widerstand formiert sich. 1963 Gründung der O.A.U. und erste Konferenz der afrikanischen Länder in Addis Abeba 1972/73 Drei eritreische Widerstandsgruppen vereinigen sich 1973 Hunger in Wollo und Tigre. Die OromoBefreiungsfront formiert sich.
1974 Militärrevolte in Negelli und Borana. Absetzung von Kaiser Haile Selassie (Ende der Monarchie) durch das Militär am 12. September. Kommunistische Kräfte bekommen infolge massiver Unterstützung durch die Sowjetunion und andere Ostblockstaaten die Oberhand. Im November werden der erste Vorsitzende des provisorischen Militärverwaltungsrates und auch 59 Repräsentanten des kaiserlichen Regimes ermordet. 1975 Gründung der TPLF – Tigrai Peoples Liberation Front. Beginn der Verstaatlichungen und anderer sozialistischer Reformen. Ermordung von Kaiser Haile Selassie im August. 1976 Verhaftung von Patriarch Theophilos und Ernennung eines schlichten Mönchs, Tekle Haimanot, zum neuen Patriarchen 1977 General Teferi Banti, zweiter starker Mann im Staate, und andere führende Derg-Mitglieder (provisorischer MilitärVerwaltungsrat) auf Anweisung Mengistu Haile Mariams ermordet. Mengistu wird Alleinherrscher. 1977/78 Krieg gegen Somalia – Ogadenkrieg 1979 Ermordung von Patriarch Theophilos ab 1983 Trockenheit und Hunger in Teilen des Landes. Zwangsumsiedlungen großer Bevölkerungsteile. 1984 Schaffung einer „Arbeiterpartei“ 1985 und 1991 Aussiedlung nahezu aller Falasha nach Israel – „Operation Moses und Salomo“ 1987 Neue Verfassung der kommunistischen „Volksrepublik Äthiopien“ 1988 TPLF und EPLF (Eritrean Peoples Liberation Front) erringen spektakuläre Siege gegen die Zentralregierung 1991 Niederlagen des äthiopischen Heeres. Provisorische Regierung in Eritrea. 1991 Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft. Rund 1 Million Menschen im Bürgerkrieg und durch Hinrichtungen umgekommen. Einführung der parlamentarischen Demokratie. Mengistu flieht nach Zimbabwe. 1993 Eritrea erreicht Unabhängigkeit von Äthiopien, Issayas Afewerki wird Präsident Eritreas 1995 Neue Verfassung, Mehrparteienwahl, Proklamation der „Demokratischen Bundesrepublik von Äthiopien“. Meles Zenawi wird Premierminister. 1998/2000 Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea
Typologie äthiopischer Kirchen Mit dem 1913 veröffentlichten umfassenden und heute noch aktuellen Bericht der Deutschen Aksum Expedition von 1906 über die antiken Monumente, die traditionelle Architektur und Bauweise in Nordäthiopien wurde ein Grundstein für die Erforschung des äthiopischen Bauwesens gelegt, das aber erst seit Mitte des 20. Jh. zunehmendes Interesse weckte. Im Jahre 1978 würdigte die UNESCO die einzigartigen Felsenkirchen Lalibelas mit der Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes, in die 1979 der Palast von König Fasilides und die Schlösser von Gondar, 1980 auch Aksum und die wegen ihrer anthropologischen Bedeutung berühmten Regionen des unteren Awash- und des unteren Omo-Tales, sowie die Stelen von Tiya folgten. Die Verwaltung der Regionen Tigre und Amhara hat 1997 das unter der Schirmherrschaft von Abuna Paulos, Patriarch der äthiopisch-orthodoxen Kirche stehende, von der Europäischen Kommission finanzierte Projekt der Inventarisierung der Kirchen und Kunstschätze begonnen. Die kirchlichen Kunstgegenstände und Manuskripte sollen in einer illustrierten Datenbank katalogisiert und in Englisch, Französisch und in äthiopischen Sprachen veröffentlicht werden. Es ist zu hoffen, dass dieses Projekt in weiterer Folge zu einer genaueren Datierung der Kirchen führt, da bis heute Entstehungsdaten der alten Kirchen, auf deren Grundlage eine systematische Übersicht der zeitlichen und regionalen Entwicklung erarbeitet werden könnte, nur vereinzelt bekannt sind. Die Basilika Aus der frühesten christlichen Ära Äthiopiens, aus aksumitischer Zeit, sind keine Kirchen erhalten. Fundamentmauern von wenigen frühen Kirchen, wie z. B. in Adulis, Matara und Melazo und später gebauten Kirchen wie z. B. Debra Damo, weisen auf syrische und ägyptische Einflüsse hin, die die starken Beziehungen Aksums zur mediterranen Welt, dabei ganz besonders zu Byzanz, zeigen. Die nach Osten gerichteten Kirchen sind in ihrer Außenform rechteckig und meist dreischiffig, seltener auch fünfschiffig und vorwiegend querschifflos. Die Apsis, zu beiden Seiten von Pastophorien flankiert, ist nach innen eingezogen. Der Haupteingang an der Westseite führt durch einen narthex-ähnlichen Vorraum in das Mittelschiff. Nebeneingänge führen von Norden und Süden in die Seitenschiffe. In Längsachse teilen Pfeiler den Innenraum in regelmäßige Felder. Das Mittelschiff, das in voller Breite in die Apsis übergeht, ist nur wenig breiter als die Seitenschiffe, was wahrscheinlich durch die nur kurze Spannweite der verfügbaren Balken für das Flachdach bedingt ist. Bis in das Mittelalter sind die Bauten in der tradierten, für Aksum charakteristischen Bauweise errichtet. Sie ist in Stein gemeißelt an den Stockwerksstelen und in Debra Damo gebaut, noch zu sehen. In der Grundform ist das Mittelschiff der Kirchen durch ein über den Architraven oder Rundbogen angeordnetes Aksumfries und durch Wände mit Fenstern erhöht, die über das Dach der Seitenschiffe ragen. In manchen Kirchen sind die Fenster in das Fries integriert. Die Dachkonstruktion ist offen, mit sichtbaren Dachbindern in Trapezform, mit kassettenartig ausgebildeter Decke. Die Apsis wird von einer Kuppel aus Holz überwölbt. Beide Formen ragen über das Flachdach und sind wie dieses mit einem Erddach gedeckt. In Emporenbasiliken, mit dem Treppenhaus an der Nordseite, vom Vorraum an der Westseite, liegen die Emporenfenster in den erhöhten Mittelschiffwänden. Generell lassen sich die Grundrisse nach vier Raumanordnungen ordnen: I. II.
Kirchenraum ohne Vorraum und ohne Umschließung der Apsis und Pastophorien. Kirchenraum ohne Vorraum, mit räumlich abgetrennter Apsis und Pastophorien.
III. IV.
Kirchenraum mit Vorraum, ev. daneben Treppenhaus zur Empore, mit räumlich abgetrennter Apsis und Pastophorien. Kirchenraum mit erhöhtem Mittelschiff und kreuzförmig dazu betonter Decke über dem mittleren Feld der Seitenschiffe, mit Vorraum und räumlich abgetrennter Apsis und Pastophorien.
Dreigeteilte Rechteckkirchen Dabei unterscheiden sich im wesentlichen zwei in West-Ost-Richtung orientierte Grundrissformen: 1. Rechteckkirchen mit drei hintereinander liegenden Räumen in hierarchischer Ordnung, in Vorder- oder Sängerraum (Qene Malet), Heiliges (Queddest) und Allerheiligstes (Makdas) unterteilt, mit Eingängen an den Längsseiten im Norden und Süden, manchmal auch im Westen, wobei alle Räume gleich hoch sind und das Gebäude mit Flachdach oder Satteldach überdeckt ist. 2. Kirchen mit dem Sängerraum im Westen und dem Makdas als Raum im Raum in das Qeddest gebaut, das dadurch ein Ambulatorium bildet. Diese Grundrissform, die ab dem 9. Jh. in Ost-Rom für Kirchenbauten angewandt wurde, und die Parallelen zum quadratischen Tempelbau hat, ist nicht sehr verbreitet. Bei gebauten Kirchen ragt das erhöhte Makdas über das Flachdach des niedrigeren Gebäudeteiles mit Qene Malet und Qeddest. Zentralbauten Das älteste und hervorragendste Beispiel dieser Art, in Form eines griechischen Kreuzes, ist die Monolithkirche Bet Giorgis in Lalibela, wobei die Apsis, um drei Stufen erhöht und von einer Kuppel überwölbt, in dem nach Osten gerichteten Arm des Kreuzes liegt. Der Kirchenraum hat eine flache Decke, in der Vierung durch Bogen zu den Seitenarmen unterteilt. Zentralbauten mit quadratischem Grundriss gibt es nur wenige, wie z. B. die Kirchen Kedus Mikael in Bari-Gemb und Kedus Mikael in Gondar, in konzentrischer Raumanordnung, mit dem quadratischen Allerheiligsten im Zentrum, im Schnittpunkt der Gebäudeachsen liegend. Sie zeigen die für die späteren Rund- und Polygonalkirchen typischen Merkmale. Auch diese Kirchen sind ost-west-orientiert. Die in der Hauptachse im Westen liegende Öffnung der Vorhalle ist besonders ausgebildet, dient aber nicht als Zugang. Die Vorhalle (Qene Malet) wird durch vier diagonal angelegte Türen betreten. Der ringförmige Raum ist oft nach außen offen und nur durch eine Reihe von Stützen, manchmal auch durch eine Wand begrenzt. Acht Türen führen in den zweiten, inneren Raum Qeddest, der zwischen den Türen auch Fenster besitzt. Der innerste Raum, das Heiligste – Makdas -, dessen Fußboden meist drei Stufen höher liegt, ist stets quadratisch und hat außen einen umlaufenden, 10 – 20 cm vorspringenden und 1,0 bis 1,5 m hohen Sockel. Auf die im Grundriss quadratischen Wände des Qeddest ist der zylindrische, an das Dach stoßende Tambour aufgesetzt. Konstruktiv wird der Übergang vom quadratischen zum kreisförmigen Raum aus übereck gelegten Balken gebildet, auf denen die Wand des Tambour steht. In der Regel haben die Kirchen ein kegelförmiges Dach, das bei einigen von den Wänden des Allerheiligsten so durchstoßen wird, dass sich eine weitere Dachfläche ergibt. Drei Türen führen in das Allerheiligste, die in der Hauptachse meist zweiflügelig sind. Die beiden in der Nord- und Südwand sind dagegen aus der Wandmitte etwas nach Westen verschoben. Als einzige Lichtöffnung ist in der Mitte der Ostwand oft ein zwei- bis dreiflügeliges Fenster angeordnet. Lothar Pascher
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Architektur – Glossar Abgefaste Kanten Abfasen: Abschrägen oder Abkanten von Bauteilen, wobei eine abgeschrägte Kante, die Fase oder Schmiege, entsteht Affenköpfe aus dem Bauwerk hervorstehende, abgerundete Balkenenden Aksumfries Verzierungsband an Innenwänden Apsis halbrunde Altarnische (Chorhaupt) der christl. Kirche; ursprüngl. Raum für die Sitze der Geistlichen, dann Teilraum des Chors, seit Mitte des 12. Jh. auch polygonale Apsiden Architrav der den Oberbau tragende Hauptbalken, meist auf Säulen oder Pfeilern ruhend Aufgeständert Ständer: ein senkrecht stehendes Holzteil, das die darüber liegenden Bauteile trägt Attika geschlossener Mauerstreifen um ein Flachdach Ausgefacht Ausfüllen der Gefache des Holzfachwerks durch BruchsteinMauerwerk Blendbogen Blendarkade: eine Arkade, die einer geschlossenen Wand als Gliederung aufgelegt ist. Das Einzeljoch der Blendarkade ist auch als Blendbogen zu bezeichnen Contra Apsis Apsis entgegengesetzt der Altarnische. Kirchen mit 2 Apsiden sind nur in Nordafrika bekannt Dachbinder Dachkonstruktion – Traggerüst des Dachstuhls, vorwiegend aus Holz Empore Galerie- oder tribünenartiger Einbau in den Innenraum, in den er sich auch öffnet Fenster 1., 2., 3. Ordnung Erster Ordnung sind die größeren Fenster in der unteren Reihe, zweiter und dritter Ordnung sind die darüber liegenden Fenster in der 2. und 3. Reihe Fluchtend in einer Reihe angeordnete Bauelemente Fries schmaler, schmückender Wandstreifen Gehrung Eckverbindung von zwei Bauteilen, wobei jedes Stück in gleichem Winkel (45°) angeschnitten wird Gewände das … Die schräg geführten Einschnittflächen in einer Mauer bei Fenster und Portalen Gurtbogen Verstärkungsbogen, der zugleich die Gliederung eines Gewölbes in Joche betont Hypokaustenheizung Heizung in römischen Villen durch sich unter dem Fußboden oder in Wänden befindende Kanäle oder Hohlräume mit Warmluft Hypogäen unterirdische Grabanlagen Hypostylon (Hypostylos) gr. gedeckter Säulengang; Säulenhalle; Tempel mit Säulengang
Ausdehnung des alten und „mittelalterlichen“ Äthiopiens
Interkolumnien Abstand zwischen den Säulen Kämpfersteine Steinanlage, auf der ein Bogen oder Gewölbe ansetzt Kapitell Kopfstück einer Säule oder eines Pfeilers mit dekorativer Ausformung Kielbogen (auch Eselsrücken) Bogen aus vier Kreisbogenstücken zusammengesetzt Konsole ein vorkragender Tragstein in Steinbau oder auch aus Holz geformt Konsolkapitell Kopfstücke eines Pfeilers, das einer Konsole ähnlich ist Leibung innere Mauerfläche bei Wandöffnungen; bei Wölbungen die innere Wölbfläche Lisene ein nur wenig aus der Mauerfläche vorstehender, senkrechter Wandstreifen, ohne Basis und Kapitell Narthex der vom Langhaus durch Säulen, Gitter oder eine Wand abgetrennte Vorraum Paneel brusthohe hölzerne Wandbekleidung aus einzelnen Feldern Pastophorien Oberbegriff für die beiden Räume am Ostabschluss der Seitenschiffe Polygonal vieleckig Pfette parallel zum Dachfirst verlaufender Balken Pilaster flache Wandvorlage, Wand- oder Halbpfeiler – Gliederungselement für große Wandflächen Portikus Säulenhalle als Vorbau an der Haupteingangsseite eines Tempels oder einer Kirche Risalit vorspringender Gebäudeteil zur Gliederung und Stabilisierung von Fassaden und großen Wandflächen Sprengwerk Holzkonstruktion für das Dach, die große Lasten aufnehmen kann Stufengewände Leibung bei Fenstern und Portalen, die sich stufenförmig zur Tür bzw. zum Fenster hin verengen Tambour runder oder polygonaler Unterbau einer Kuppel Transennen (lat. Gitterfenster) Schranke oder Gitter aus Holz oder Stein in Fenstern Triumphbogen Übergang zwischen Mittelgang der Kirche und dem Altarraum Vierung quadratischer Raum, in den sich Längs- und Querschiff durchdringen
Lothar Pascher
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Felsenkirchen in Äthiopien
Grund- und Aufrisse YEHA
Rekonstruktion des Tempels von Yeha, E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition, Bd. II, 1913, Abb. 165
Lageplan Stele mit Altarplatte und Opferschale, E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition, Bd. II, 1913, Abb. 2
Sog. „Identitätsmarken“
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Schachtgrab im Gräberfeld DaroMikael, Grab Nr. 5 im Sektor I, isometrische Darstellung
Schachtgrab wie vor, jedoch Darstellung in Grundriss und Schnitt
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AKSUM
Ta’aka Mariam Palast in einer Rekonstruktion, E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition, Bd. II, 1913, Abb. 251 Rekonstruktion eines Königsthrones, E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition, Bd. II, 1913, Abb. 86 Stelen 1–7 im Vergleich Rekonstruktionsversuch zum Palast Enda Mikael, E. Littmann, Deutsche Aksum Expedition, Bd. II, 1913, Abb. 56
DEBRA DAMO Erdgeschoss
Emporengeschoss
Ta’ka Mariam Palast und Dongur-Residenz, Vergleich der Grundrisse mit den Zugängen
Klosterkirche Enda Abuna Aragawi, Grundriss
BETHLEHEM / GAYT.
Zentralgebäude aksumitischer Paläste im Vergleich
Grab mit der Scheintür, Schrägansicht und Schnitt
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Stele 1 und Mausoleum, Rekonstruktion
Gebaute Kirchen, freistehend, 10.–15. Jahrhundert, Schnitt und Innenansicht
Frühe Kirchen, freistehend, Grundriss
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GIYORGIS/ZAREMA
CHERKOS AGOBO
Gebaute Kirchen freistehend, Grundriss
Gebaute Kirchen freistehend, Grundriss und Schnitt
LALIBELA
Lageplan
IMRAHANE KRISTOS
Gebaute Kirchen in Grotten, Schnitt
MIKAEL DEBRA
Grottenkirchen gebaut aus Fels, Schnitt
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MIKAEL AMBA
Fassadendetails an der SĂźdost-Ecke, Bet Emanuel
Felsenkirchen allgemein, Grundriss
SELASSIE, DEGUM
BAHREY GEMB
Monument A, isometrische Darstellung, Schnitt und Grundriss
Kirche Bahrey Gemb, isometrische Darstellung, Schnitt und Grundriss
GONDAR
KEBRAN GABRIEL
Debra Berhan Selassie. Grundriss
Kirchen am Tanasee, Isometrische Darstellung, Schnitt und Grundriss
Gebaute Kirchen in Grotten, Grundriss
SELAM
Grottenkirchen gebaut aus Fels, Grundriss
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