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noch schnell #nachtzugliebe die Welt retten über echte Traumreisen

#nachtzugliebe

Im Schlaf ans Ziel deiner Träume

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Der Nachtzug feiert ein ungeahntes Comeback. Nachdem das Angebot in vielen Ländern bereits eingestellt wurde, entdecken nun immer mehr Menschen die Vorzüge des Reisens in

der Nacht. Und können einer groß artigen Zukunft des europäischen Nacht zugangebots entgegenblicken.

Markus Pichler-Scheder

© Bild: ‘CaEx’ Helmut Lotz | M. Pichler-Scheder | nightjet.com | oebb.at

Ich kann mich noch gut an meine erste Reise mit dem Nachtzug erinnern. Wir waren zwei Familien, die sich Ende der 1980er-Jahre für eine Fahrt nach Paris ein Liegewagenabteil für sechs Personen geteilt haben. Alles daran war aufregend …

Schon allein die Vorstellung, am Abend in einen Zug zu steigen, in dem man in einem Bett schlafen kann, und am nächsten Tag frühmorgens in einer fremden Stadt anzukommen, hat mich fasziniert. Dementsprechend gespannt war ich, als wir dann das Abteil als unser eigenes kleines Reich für die nächsten Stunden in Besitz nehmen konnten. Auch wenn man schon oft mit der Bahn unterwegs war, gibt es bei einer Fahrt im Liegewagen viel Neues zu entdecken: Dass man Sitzbänke im Abteil hat, die man zum Schlafen zu Betten umbauen kann. Dass das oberste Bett das beste ist (don’t @ me, meine Meinung ist eindeutig: man hat oben die größte Ablagefläche zur Verfügung, schläft am weitesten entfernt von möglicherweise stinkenden Schuhen am Boden und wird am wenigsten gestört, wenn Mitreisende in der Nacht aufs Klo müssen). Dass die Abteiltür in der Nacht gleich mit zwei Schlössern verschlossen werden sollte, damit man vor Eindringlingen sicher ist. Dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn der Zug in der Nacht manchmal länger in einem Bahnhof steht, damit man nicht schon mitten in der Nacht am Ziel ankommt. Oder dass man in der Früh vom Schaffner mit einem Frühstück geweckt wird. Schließlich wurden auch meine Erwartungen an die Ankunft nicht enttäuscht: Das Gefühl, nach einer langen Zugfahrt trotzdem ausgeschlafen mitten in der gerade erst erwachenden Stadt anzukommen, ist herrlich. Diese Reise hat jedenfalls meine #nachtzugliebe begründet, die mich mittlerweile im Schlaf an viele meiner Traumziele gebracht hat.

Pfadfinder*innen am Zug

Nicht zuletzt auch mit den Pfadfinder*innen: Der Nachtzug ist nämlich die beste Art, in ein Auslandslager zu starten. Man fährt klimaschonend, hat – anders als beim Fliegen – keine Gepäckbeschränkungen und spart sich am Ziel eine Nacht im Hostel. Wenn man noch nie mit dem Nachtzug unterwegs war, ist außerdem alles daran aufregend –siehe oben – und man hat viel Neues zu entdecken. Sogar noch mehr, wenn man als große Gruppe mit großen Rucksäcken unterwegs ist. Zu spannenden Begegnungen kann es dann bereits kommen, wenn man nicht in den richtigen Waggon eingestiegen ist und in engen Gängen erst einmal durch den halben Zug zu den reservierten Abteilen gehen muss (Tipp: immer den Wagenstandsanzeiger am Bahnsteig beachten!). Die Unterbringung von Rucksäcken mit außen angeschnallten Unterlagsmatten, Wanderschuhen und Trinkflaschen auf den knapp bemessenen Gepäckablagen, unter und zwischen den Betten kann dann die nächste Herausforderung sein. Sofern überhaupt schon klar ist, wer überhaupt in welchem Abteil und in welchem Bett schlafen wird. Auch wenn ans Schlafen zunächst einmal sowieso eher nicht zu denken ist, sollte man trotzdem berücksichtigen, dass Familien mit Kindern in Nachbarabteilen um 2 Uhr früh vermutlich nicht mehr „Country Roads“ hören wollen. Irgendwann träumen dann aber alle im sanften Schaukeln des Zuges dem kommenden Lager entgegen. Bis sie am Morgen vom Schaffner mit dem Frühstück und den verheißungsvollen Worten „In 10 Minuten kommen wir an“ sanft geweckt werden, und die Träume kurzerhand in Gedanken wie „Ich kann den heißen Tee nicht so schnell trinken,“ „Wo hab ich mein Handy hingelegt?“ „Wer hat meine Schuhe weggeräumt?“ und „Ich muss aber noch Zähne putzen ...!“ zerplatzen. Aber: Wir haben es immer noch rechtzeitig mit (fast) allen unseren Habseligkeiten auf den Bahnsteig geschafft.

Auf dem Abstellgleis?

Noch vor kurzem hat es ja gar nicht gut für die Zukunft der Nachtzüge ausgesehen. Das Geschäft sei stark defizitär, das Netz nicht gewinnbringend zu betreiben hieß es von den großen Bahnbetreibern. Die Konkurrenz durch Billigflieger, mit denen man um wenig Geld viel schneller am Ziel sei, mache einen profitablen Betrieb unmöglich. Über die Jahre wurden deshalb viele Nachtzugverbindungen eingestellt, sodass nächtliche Fernreisen mit der Bahn tatsächlich immer unattraktiver wurden. Die umsteigefreie Fahrt von Österreich nach Paris, die mich in meiner Jugend so begeistert hatte, war etwa bereits seit vielen Jahren nicht mehr möglich. 2016 hat schließlich die Deutsche Bahn ihr Nachtzugangebot wegen Unwirtschaftlichkeit zur Gänze eingestellt. Das schleichende Ende der Nachtzüge in Europa schien besiegelt …

Comeback auf Schiene

… wäre da nicht ein Bewusstseinswandel im Licht der Klimakrise eingetreten, unter dem das Reisen mit dem Nachtzug gegenüber Flugreisen für viele auf einmal wieder stark an Attraktivität zugenommen hat. Die österreichischen Bundesbahnen erkannten diesen Trend und kündigten im Gegensatz zu anderen Bahngesellschaften an, ihr Nachtzugnetz unter der Marke nightjet (www.nightjet.com) auszubauen und neue Garnituren für höheren Komfort anzuschaffen. Die ÖBB übernahmen die profitabelsten Nachtzugverbindungen von der Deutschen Bahn und erweiterten ihr Angebot um Ziele wie Brüssel, Amsterdam oder Berlin. Diese Initiative hat auch bei anderen europäischen Bahnbetreibern zu einem Umdenken geführt, die im Rahmen einer Allianz in den nächsten Jahren das Entstehen eines leistungsfähigen Nachtzugnetzes versprechen.

Die neuen Waggons der ÖBB (oben) mit wesentlich verbesserter Ausstattung werden bereits ab 2022 im Einsatz sein und dann weitere Ziele wie Barcelona oder auch wieder Paris ansteuern. Davon träume ich jetzt schon!

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