Manuela & Marcus Tanzen
HAMBURG DEINE FREAKHEADS
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Manuela & Marcus Tanzen
HAMBURG DEINE FREAKHEADS Mit Herrn Schulz und Jason, Hildegard und Rigobert in Hamburg unterwegs Fotografien von Christoph Hilker und Manuela & Marcus Tanzen
Die Reihe
wird herausgegeben von Klaas Jarchow
Fotonachweis Christoph Hilker | www.mocean-pictures.de: Seiten 1, 8/9, 10, 11, 12, 26, 29, 39, 41, 42/43, 44, 48/49, 56, 60/61, 62 (oben), 64, 65, 68, 69, 70/71, 72, 73 (unten), 77, 80, 81, 90, 91, 92/93, 102 (oben), 104, 105, 106 Alle anderen Fotos: Manuela & Marcus Tanzen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Urheber unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage, September 2015 Copyright © 2015 by Klaas Jarchow Media Buchverlag GmbH & Co. KG Simrockstr. 9a, 22587 Hamburg www.kjm-buchverlag.de ISBN 978-3-945465-10-3 Lektorat: Kay Dohnke Herstellung und Gestaltung: Eberhard Delius Bildbearbeitung: Reihs Satzstudio Druck und Bindung: CPI, Ulm Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten
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Inhalt
Mit den Freakheads in Hamburg unterwegs 6 Herr Schulz 12 Uwe Jensen aus Barmbek 13 Hinrich D. 18 Kiez-Kollege 24 Pauli-Fans 24 Gernot 24 Luis, der Rapper 24 Pauli-Fan Ralf 25 Hildegard und Rigobert 31 Paul Bokelmann 34 Ole Holthusen aus Rhauderfehn 35 Der Fischverk채ufer 35 Donata 40 Turbojugend 40 Joachim Frankenthaler 40 Oofs (Out of space) 40 Moritz 46 Ferdinand von Notz und Sohn Alexander 50 F*INK 55 Alina 55 Rudi, der Mod 59 Jason aus Woodville, Texas (USA) 63 Autonomer 84 Polizist 84 Die Locations 116 Wer oder was sind denn Freakheads und wer macht die eigentlich? 124
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M I T
D E N
F R E A K H E A D S
Das, was die Atmosphäre einer jeden Stadt insbesondere prägt, sind ihre Menschen, deren Befindlichkeiten, Eigenheiten, Antriebsfedern und Humor. Auch wenn es abgedroschen klingt, es liegt nun mal im Auge des Betrachters, wie man eine Stadt und ihre Menschen wahrnimmt. Ausschlaggebend sind die jeweiligen Umstände. Ziehe ich zum Studieren hin, zum Arbeiten? Komme ich zum Feiern oder als Tourist? Wohne ich schon immer hier oder droht die Abschiebung? Hamburg hat Schwein gehabt, als Hafenstadt einen stetigen Durchsatz an Einflüssen von außen, anderen Menschen und Kulturen zu haben. Das hat die Stadt davor bewahrt, im eigenen Saft zu schmoren. DAS Hamburg bzw. DEN Hamburger gibt es nicht. Einzelfälle ausgenommen; es gibt natürlich auch diejenigen, die nach besten Kräften, wenn auch vermutlich nicht bewusst, das ihnen angedichtete Klischee fast schon übererfüllen: die Blazer blauer als blau, die SUVs breiter als die Fahrspur, die Slimjeans dünner als ein kleiner Finger, die Koberer deftig wie nichts Gutes. Diese Liste könnte man noch weiterspinnen, und dabei merkt man, dass schon die Klischees eine erstaunliche Bandbreite aufweisen. Denn, allein schon wenn in jedem der 104 Stadtteile
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IN HAMBURG UNTERWEGS
nur der Typ Mensch rumlaufen würde, der dem diesem Stadtteil angedichteten Bild entspräche, wären das ja bereits über 100 unterschiedliche Typen. Was muss es darüber hinaus erst an normaler menschlicher Vielfalt geben? Und die gibt es, zum Glück. Freie und Hansestadt Hamburg – da kommt das Freie gleich an erster Stelle (hier bitte ein Like vergeben), und das kommt uns sehr entgegen. Gibt diese Stadt doch auch Leuten wie uns, mit so exzentrischen Hobbys, die Möglichkeit, diese auszuleben, ohne dafür übermäßig schräg angeschaut zu werden. Die kulturellen Möglichkeiten sind vielfältig, sowohl öffentlich gefördert als auch subkulturell, Architektur und Landschaft sind extrem abwechslungsreich, und einen kleinen Urlaub gibt’s am Elbstrand noch obendrauf. Bei aller Liebe: Dieses Buch ist kein Stadtführer. Hier werden nicht die 222 tollsten Dinge aufgezählt, die man in Hamburg gesehen, gegessen oder gemacht haben sollte. Es ist kein Beitrag zur Gentrifizierungsdiskussion und schon gar nicht objektiv. Und auch nicht mit richtigen Menschen. Doch bevölkert mit echten Typen, allesamt Hamburger, auf ihre eigene Art. Freakheads eben.
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Neugotische Backsteinarchitektur und keiner auf der StraĂ&#x;e. Keiner, der sinnfrei in sein
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Smartphone labert oder mich anderweitig beim Nachdenken bel채stigt. Ein seltener Moment.
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Schon cool hier oben auf dem Stintfang. Noch besser, dass sich die Jugendherberge halten konnte, obwohl die Schwachmaten mehrfach versucht haben, hier ein Luxushotel hinzupflocken. Da hat sich der Widerstand von Paula Karpinski voll gelohnt. Die Frau wäre mal ein Vorbild, wenn ich denn eins bräuchte.
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Kaffeeverkostung – das habe ich wohl falsch verstanden, man sollte vielleicht doch nicht immer alles austrinken … Wo sind denn die 111 öffentlichen Toiletten, die es hier in Hamburg geben soll, wenn man eine davon braucht?
Wieder ein Wochenende mit den guten alten Kaikränen. Die Jungs haben Fußball und die Chefin ist bei den Schwiegereltern, da kann ich hier in Ruhe werkeln. Glück gehabt.
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Herr Schulz Dass er mit Vornamen Günter heißt, weiß so gut wie niemand. Selbst im Büro, wo sich eigentlich alle duzen, ist er Herr Schulz. Bis vor 2 Jahren hat der 60-Jährige bei seiner Mutter gewohnt, jetzt besucht er sie dreimal in der Woche im Altersheim, Montag- und Mittwochabend und am Samstagnachmittag. Günni war schon immer Muttis Kleiner, ein Einzelkind, das von seiner früh verwitweten Mutter verwöhnt und konsequent zur Unselbständigkeit erzogen wurde. Die Wohnung sieht eigentlich noch genauso aus wie zu Muttis Zeiten, nur dass Herr Schulz jetzt ins größere Schlafzimmer gezogen ist. Die Einrichtung stammt aus den frühen 1970ern, komplett mit dunkelbrauner Riesenschrankwand, Eckbank in der Küche und Pril-Blumen auf den Fliesen. Eine Spülmaschine gibt es nicht, und die Waschmaschine hat auch schon Jahrzehnte auf
Ich lass den Schulz mal schön vorgehen, bloß kein Gespräch anfangen … Hoffentlich ist mein Ausweis nicht noch in der anderen Arbeitshose – das gäbe sonst wieder Mecker von dem Kollegen.
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dem Buckel. Nachbarn mokieren sich heimlich über den Alte-Leute-Geruch, der manchmal aus der Schulz-Wohnung dringt. Er selber ist olfaktorisch auch ein wenig speziell, eine Mischung aus Mottenkugeln und Lavendelkissen. Herr Schulz arbeitet seit zig Jahren bei der HPA, in der Bauprüfabteilung Hafen, hat hier auch schon seine Ausbildung gemacht. Es sind nur noch wenige Jahre bis zur Rente, das blendet Herr Schulz aber aus, er kann sich gar nicht vorstellen, wie das dann sein wird. Ob Herr Schulz jemals eine Freundin hatte, ist nicht bekannt, Mutti wäre vermutlich entsetzt gewesen. Wenn es früher schon Parship gegeben hätte, wäre vielleicht alles anders gelaufen. In seinem Hobby geht Herr Schulz auf, Modelleisenbahnen sind wunderbar kontrollierbar, und alles ist so schön im Maßstab umgerechnet. Das lässt er sich auch richtig was kosten, manche Modelle hat er sogar doppelt, eins originalverpackt im speziellen Schrank, das zweite ausgepackt zum Spielen. Doppelte Zughaltung nennt er das. Im Club ist er natürlich der Kassenwart, die wöchentlichen Clubtreffen sind der Höhepunkt in Herrn Schulz’ Sozialleben.
Uwe Jensen aus Barmbek Als ausgebildeter Fahrbahnmechaniker arbeitet Uwe Jensen, 45, seit 15 Jahren bei der Hamburg Port Authority als Techniker im Gleisbau (Schwerpunkt Oberbau). Als er angefangen hat, hieß der Laden noch Amt für Strom- und Hafenbau, mittlerweile hat er sich aber an den neuen Namen gewöhnt. Da er sich über die Jahre spezielle Kenntnisse der historischen Krananlagen im Hafengebiet raufgeschafft hat, wird er gerne mal für solche Sonderaufträge eingesetzt. Das macht Uwe ganz stolz. Die Rufbereitschaft und den Wochenend- und Feiertagsdienst muss er aber trotzdem ableisten, was bei seiner Frau und den vier Kindern nicht immer gut ankommt. Gut, dass sie einen Schrebergarten haben, wo sie ihre Freizeit gemeinsam verbringen können. Da ist dann auch Uwes Fußball-affiner Schwager plus Familie mit von der Partie. Fußball ist sowieso eins von Uwes Lieblingsthemen, er ist großer HSV-Fan, wie auch schon seine Eltern.
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Das muss man uns Hamburgern hoch anrechnen: Egal, wie kalt das ist, kaum sieht man mal einen Sonnenstrahl, ist die Außengastro gut gefüllt. Schönwetter-Draußensitzer gibt es südlich der Mittelgebirgsschwelle schon genügend.
Wo ist denn hier der nächste Starbucks? Ich brauch mal dringend WLAN … Und Pipi muss ich auch.
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Mom hat mir die Deichtorhallen mit auf die Liste geschrieben, und ich will ja auch gerne rein, aber bei dem Wetter ‌? Schwierige Entscheidung! Ich mache das so: Wenn der Mann mit der Aktentasche reingeht, gehe ich auch; wenn nicht, dann gibt es ein Eis auf die Hand, und ich komme ein anderes Mal wieder.
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Siehst du, Rigobert, immer schön weiterdenken, das steht hier sogar groß. Die werden das schon wissen. Lebenslanges Lernen ist das Motto, lieber Rigobert, aber du weigerst dich sogar, mal ins VHS-Programm zu schauen. Muss ja nicht gleich mein Italienisch-Kurs sein, aber da wird sich doch auch für dich was finden lassen. Rigobert, hörst du mir überhaupt zu?
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Kiez-Kollege Original Kiez-Gewächs, hat noch nie woanders gewohnt, wird er auch nie. Alter laut Perso: 38. Das Leben hat seiner Optik ein paar Jahre dazugeschummelt. Haare sind weg, Frau auch. Plauze nicht. Der Kiez-Kollege trinkt ausschließlich Astra, raucht seit jeher Ernte 23, den Marken bleibt er treu, da kennt er nix. Pauli-Fans Innerhalb der Fangemeinschaft des FC St. Pauli ist die Bandbreite groß, bunt und politisch korrekt, in schönster Eintracht wird in den Stehblöcken »You’ll never walk alone« geschmettert.
Gernot Gernot zu Solms ist 34 und Senior Art Director in einer führenden Hamburger Werbeagentur. Er segelt hart am Zeitgeist, was technische Ausstattung, Klamotten, Sneakers und Bart betrifft. Und wohnt natürlich in einer Altbauwohnung in Ottensen.
Luis, der Rapper Luis ist 23, arbeitet in einem Sneaker-Store und hält ansonsten die Fahne der HipHop-Kultur hoch, mit allem, was dazugehört.
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Knorrige Bäume, ohne Blätter, mit Wind von vorne, Nieselregen und grauem Himmel. Genau so fühlste dich nach dem verlorenen Pauli-Spiel …
Pauli-Fan Ralf Ralf ist Anfang 40 und arbeitet in einem Schallplattenladen, wo es noch echtes Vinyl zu kaufen gibt. Menschenansammlungen sind Ralf eigentlich zuwider, nur beim Stadionbesuch macht er als altgedienter Pauli-Fan eine Ausnahme.
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Rigobert, Rigobert! Das mit dem Schloss war ja wirklich romantisch von dir. Alte Liebe rostet nicht, heißt es doch so schön. Aber wenn die dich erwischt hätten, Rigobert?!
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Hildegard und Rigobert Hildegard, 68, hat bis zu ihrer Rente 35 Jahre lang als Chefsekretärin bei einem KaffeeImporteur gearbeitet. Aufgewachsen ist sie als Älteste von vier Schwestern in einer alteingesessenen Othmarschener Kaufmannsfamilie, in der immer viel Wert auf die musische und literarische Ausbildung der Kinder gelegt wurde. Aus dieser Zeit hat sie sich die Liebe zur Musik ebenso erhalten wie ihre Vorliebe für Jane Austen und die Brontë-Schwestern. Rigobert, 70, ist damals zum Studieren nach Hamburg gekommen, er stammt ursprünglich aus Münster. Als Zugezogener und eher stiller Mensch hat er lange gebraucht, um mit den Hamburgern zurechtzukommen, noch länger, um von Hildegards Familie akzeptiert zu werden. Als Rigobert vor 5 Jahren sein geliebtes Referat für Inventarisation im Hamburger Denkmalschutzamt verlassen musste, machte er sich Sorgen, war er doch der Meinung, kein anderer könne das von ihm in langen Jahren sorgfältig aufgebaute und gepflegte Inventarisationssystem mit der gleichen Hingabe weiterführen. Seine ersten beiden Pensionärsjahre, als Hildegard noch gearbeitet hat, ist Rigobert ganz gut zurechtgekommen, zumindest bis 16.30 Uhr. Die ersten Stunden des Tages gehörten dann ganz ihm, der Frankfurter Allgemeinen, seiner Sammlung historischer Wertpapiere und dem täglichen Spaziergang. Mit Hildegards Rückkehr von der Arbeit erhöhte sich der Takt, dann wurden Aufgaben verteilt. Seit drei Jahren sind sie beide im Ruhestand. Hildegard hatte sich früher immer vorgestellt, dass sie dann gemeinsam wunder was unternehmen würden, Kulturreisen, Museums- und Konzertbesuche, interessante Gespräche. Anfangs hat sie es noch so leidlich geschafft, Rigobert zu solchen Unternehmungen zu animieren, das wurde aber schleichend weniger. Ihre Ausflüge beschränken sich nun häufig auf unaufgeregtes, konversationsarmes Beisammensitzen auf der einen oder anderen Parkbank. Wenn man sich schon so lange kennt wie die beiden, sind nicht mehr viele Worte nötig.
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Ach je, Hildegard, das ist jetzt das vierte Schiff in Folge, das mit der Nationalhymne von Äquatorial-Guinea begrüßt wird. Beim nächsten gehen wir! Wusstest du eigentlich, dass Ausflaggen eine lange Tradition hat? Älteste Belege des Ausflaggungsprinzips lassen sich schon für
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die Zeit des Römischen Reiches und das Mittelalter finden. Ein weiteres historisches Beispiel für diese Praxis findet sich aus der Zeit des spanischen Monopolhandels in der Karibik, der von britischen Händlern durch Nutzung der spanischen Flagge umgangen wurde. Brauchst nur zu sagen, wenn ich in die Einzelheiten gehen soll …
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Belegte Br旦tchen f端r 1 Euro und Fr端hst端ck ab Mitternacht, manchmal genau das Richtige. Und von der Seite angequatscht wird man auch nicht.
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Rudi, der Mod Rudi ist Mitte 30, ein klassischer Akademiker, hat Germanistik studiert, im Nebenfach Soziologie und Philosophie. Die Kommilitonen, die sich als Schwätzer und Blender durchs Studium gelabert haben, verachtet er zutiefst. Seine Literaturkenntnisse sind umfangreich, auf weniger belesene Leute blickt Rudi herab. Noch schlimmer findet er aber diejenigen, die glauben, mitreden zu können, bloß weil sie in der Schulzeit auf Zwang ein paar Klassiker beackert haben. Rudi fällt es schwer, mit Leuten in Kontakt zu kommen, noch schwerer, mit ihnen warm zu werden. Er hat es nicht leicht, ist ein Melancholiker vor dem Herrn. Rudis Eltern sind Alt-68er und haben dies noch weitergelebt, als die anderen schon längst Minister oder Anwälte waren. Und nun erklärt sich auch der Vorname, unter dem Rudi noch immer schwer leidet. Die ewigen K-Gruppen-Diskussionen, die seine Eltern und deren Freunde über seinen Kopf hinweg geführt haben, haben ihn vorsichtig werden lassen, was Qualität versus Quantität des gesprochenen Worts angeht. Aus Gründen der Abgrenzung hat Rudi als Teenager angefangen, sich der Mod-Szene anzuschließen. Das Tragen von Anzügen, polierten Schuhen und gepflegten Haaren war für ihn eine Befreiung, das Entsetzen seiner Eltern ein angenehmer Nebeneffekt. Anzüge trägt er nur noch selten, und auch nur in seiner Freizeit – die Kollegen im Kulturressort der Online-Redaktion halten ihn auch so schon für einen Sonderling, mit dem schlecht gelaunten Gesichtsausdruck, den er fast so dauerhaft trägt wie seinen ewigen Parka. Rudi wohnt im Schanzenviertel in einer Zweier-WG. Sein Zimmer ist sein Refugium, es wird dominiert von Büchern und der Musik-Sammlung, selbstverständlich nur Vinyl. Küche und Bad teilt er sich gezwungenermaßen mit seinem Mitbewohner, eine Quelle ewigen Leids.
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Das ist also das Chilehaus? Mom hat vorhin schon ganz aufgeregt getwittert, dass das jetzt auch noch von der UNESCO ausgezeichnet wurde. Calm down, Mom, ich bin ja schon da!
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Da kriege ich Zahnschmerzen, wenn ich das sehe – kennt noch jemand Nappo? Die habe ich früher massenhaft gegessen, holländischer Nougat mit Schokoladenüberzug. Ich vermute mal, dass die Dinger seit den 1920ern ganze Generationen von Zahnärzten über den Winter gebracht haben. Und heute gibt es Architekturpreise dafür.
Lühe-Schulau-Fähre? Kann ich gar nicht aussprechen. Hoffentlich ziehe ich am Automaten das richtige Ticket.
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Mit den Freakheads in Hamburg unterwegs: Die Locations
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Speicherstadt: Die auf Eichenpfählen gegründete Speicherstadt ist der größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt. Sie wurde ab 1883 als Teilstück des Hamburger Freihafens erbaut, und hier sind so schöne Begriffe wie Griepen, Zuckerklatschen und Quartiersleute zuhause. 8, 10, 103 Landungsbrücken: Wenn man hier Schiffe, Buden und Touristen guckt, merkt man manchmal am leichten Schwanken, dass die Landungsbrücken nicht fest im Grund gebaut, sondern eine schwimmende Anlagestelle sind, früher für Dampfschiffe, jetzt manchmal für Luxuskreuzer. Von der aus neun Brücken bestehenden, 688 Meter langen Pontonanlage starten Hafenrundfahrten und Hafenfähren. 10 Hafenmuseum / Schuppen 50A: Das Hafenmuseum zeigt eine Sammlung zu Geschichte und Entwicklung des Hamburger Hafens, zu Güterumschlag, Schifffahrt, Schiffbau und Meerestechnik. Auf der Pontonanlage im Hansahafen sind die schwimmenden Objekte des Museums zugänglich, auf dem Freigelände stehen Portalkräne und historische Hafenbahnfahrzeuge. 11, 64 Container Terminal Tollerort: Der HHLA Container Terminal Tollerort ist mit einer Freilagerfläche von 600.000 m2 der flächenmäßig kleinste in Hamburg, nutzt diese aber sehr effizient und baut seine Kapazitäten sukzessive aus. 12, 29 Alsterarkaden: Der Hamburger Architekt und Stadtplaner Alexis de Chateauneuf legte nach dem Großen Brand 1842 Pläne zur Neugestaltung des künftigen Rathausmarktes vor, nach denen die Alsterarkaden gebaut wurden. Sie sind heute Teil des Alsterwanderwegs. 14 Schanze: Der Name Sternschanze stammt von einer 1682 erbauten Verteidigungsanlage. Hier entstand im 19. Jahrhundert ein neues Viertel mit Wohnhäusern, Fabriken und dem Zentralschlachthof. In den 1980er-Jahren noch eher schmuddelig und multikulti, hat sich die Schanze zum Szeneviertel und Agentur-Mekka gemausert, Stichwort: Galão-Strich. 15, 66 Deichtorhallen: Zu Europas größten Ausstellungshäusern für zeitgenössische Kunst zählen die Deichtorhallen. Die von 1911 bis 1913 in offener Stahl-Glas-Architektur gebauten historischen Hallen bieten Raum für Großprojekte und beherbergen das Haus der Fotografie. 16 Kunsthalle: Die Kunsthalle zeigt sieben Jahrhunderte Kunstgeschichte, vom Mittelalter bis heute, in drei miteinander verbundenen Gebäuden; zusätzlich zur ständigen Schausammlung gibt es regelmäßige Sonderausstellungen. 17 Oberhafen: Das Oberhafenquartier wird zurzeit vor allem als Güterbahnhof und für Logistikzwecke genutzt. Die Stadt hat für das 6,7-Hektar-Areal große Pläne, es soll das zukünftige Kreativzentrum der HafenCity werden. 19, 86, 88, 96 Spielbudenplatz: Straßenzug in St. Pauli mit eigener Website und langer Geschichte. Hier haben schon vor über 200 Jahren Künstler und Gaukler hölzerne Spielbuden errichtet – daher der Name. Und das ist im Großen und Ganzen so geblieben, über die Zeit entstanden hier verschiedene Theater und andere Unterhaltungsstätten. 20
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Karolinenviertel: Die Marktstraße wurde vor ihrer Sanierung als Stinkbüdelgang bezeichnet, soll vor dem 1. Weltkrieg mit 5.000 Einwohnern Hamburgs bevölkerungsreichste Straße gewesen sein. Heute gilt sie als international beachtete Einkaufsstraße mit kleinen, inhabergeführten Designerläden – auch hier lässt die Gentrifizierung grüßen. 21, 23, 52 Hamburger Berg: Früher war es mal die Heinestraße, nach dem Bankier Salomon Heine, Gründer des Israelitischen Krankenhauses. 1938 wollten die Nationalsozialisten durch die Umbenennung dieser Straße in Hamburger Berg die Erinnerung an den jüdischen Wohltäter tilgen. 22 Elbstrand Wittenbergen: Hier kommt im Sommer Urlaubs-Feeling auf, wenn sich Sonnenanbeter auf dem Naturstrand aalen. Aber Obacht: nicht zu nah ans Wasser legen! Denn bei Flut steigt das Elbwasser schnell an, und große Pötte machen ganz schön kräftige Wellen. 25, 30, 111 Rathaus: Der Vorgänger des heutigen Rathauses wurde Opfer des Großen Brandes von 1842. Es ist aber nicht mit abgebrannt, sondern wurde gezielt gesprengt – man hoffte, das Feuer auf diese Weise aufhalten zu können. Danach tagten Bürgerschaft und Senat provisorisch in anderen Gebäuden, schlappe 55 Jahre lang, bis 1897 das jetzige Rathaus eingeweiht wurde. 26 St. Annenplatz / Neuerwegsbrücke: Laut Stadtmarketing bildet der St. Annenplatz den Eingang zum neuen Überseequartier, angeblich können die Lampen auf diesem Platz von den Passanten selber ein- und ausgeschaltet werden, man spricht von Wohnzimmercharakter. So viele Nieten wie bei der Neuerwegsbrücke über den St. Annenfleet sieht man sonst nur bei den Rockern auf St. Pauli. 27 Neumühlen: Am Schiffsanleger Neumühlen hat der Museumshafen Oevelgönne e.V. seinen Sitz, der auf ehrenamtlicher Basis ehemalige Berufsfahrtschiffe aus der Zeit zwischen 1880 und 1930 restauriert und in Fahrt hält. 28, 92 Dock 10: Seit 1877 konstruiert, baut und repariert Blohm+Voss hier Schiffe. Die Werft mit ihren Docks, Produktionsanlagen, Entwicklungs- und Konstruktionszentren erstreckt sich über eine Fläche von 421.300 m2. 29 Treppenviertel: Gut 5.000 Stufen machen das Blankeneser Treppenviertel zu einem der treppenreichsten Viertel der Welt. Der kleine Bus, der hier verkehrt, heißt sinnigerweise Bergziege. Bis zu 17 Prozent Steigung sind zu bewältigen, denn auf der Strecke liegt auch der vom internationalen Radrennen bekannte 87 m hohe Waseberg. 32, 33 Segelclub: Als einer der ältesten deutschen Segelclubs wurde der Blankeneser Segel-Club 1898 gegründet und war der erste Segelclub mit direktem Sitz an der Elbe. 34 Willkomm-Höft: Wedel liegt zwar streng genommen nicht mehr in Hamburg, trotzdem wird am Willkomm-Höft seit 1952 jedes den Hafen ansteuernde Schiff begrüßt oder verabschiedet: kleinere Schiffe mit Dippen der Hamburg-Flagge, große Schiffe mit ihrer jeweiligen Nationalhymne und Landesflagge. 36, 107 Ericusspitze: Die Ericusspitze am Ende des Brooktorkais ist an drei Seiten von Wasser umgeben, hier treffen östliche HafenCity und Innenstadt aufeinander. In dem 50.000 m2-Bürogebäude hat die SPIEGEL-Gruppe ihren Sitz. 38
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Neue Elbbrücke: Zwischen 1884 und 1887 entstand mit der Neuen Norderelbbrücke die erste Straßenbrücke über die Norderelbe. Diversen Umbauten sind einige der charakteristischen Fischbauchträger und die neugotischen Sandsteinportale zum Opfer gefallen, auf zwei hinzugefügten Deckbrücken rollt heute der Verkehr, das dazwischenliegende Brückenbauwerk von 1929 ist für Busse reserviert. 39 Elbphilharmonie: Bei der Elbphilharmonie tobt sich die Presse aus, »Pannenprojekt«, »Millionengrab« und »die Chaostruppe vom Hafenrand« sind nur einige Beispiele aus der Berichterstattung. Tatsächlich sind die Baukosten für das 110 m hohe Gebäude von ursprünglich veranschlagten 77 Mio. auf mittlerweile 789 Mio. Euro gestiegen. Das ist gut das Zehnfache. Passend dazu wurde die Eröffnung um zehn Jahre von 2007 auf 2017 verschoben. 39 Alter Elbtunnel: Der Alte Elbtunnel, der St. Pauli mit Steinwerder verbindet, war der erste große Unterwassertunnel auf dem europäischen Festland (Bau: 1907–1911). Heute lässt sich’s hier aber immer noch ganz gut (an-)graben. 41 Große Freiheit: Der Schauplatz unzähliger Junggesellenabschiede ist nachts nicht zu verfehlen, dafür sorgen schon die riesigen, straßenüberspannenden Leuchtbanner der Clubs und Bars. Der Name basiert auf dem hier im 17. Jahrhundert eingerichteten Bezirk mit Gewerbe- und Religionsfreiheit. 1, 42, 44 Hafengeburtstag: Jedes Jahr feiert Hamburg nahe am 7. Mai den Hafengeburtstag, er gilt als größtes Hafenfest der Welt. Warum dann? Weil Kaiser Friedrich Barbarossa am 7. Mai 1189 den Hamburgern mit einem Freibrief Zollfreiheit für ihre Schiffe auf der Elbe von der Stadt bis an die Nordsee gewährte. 2, 45, 74, 75, 101 CSD: Mit einer bunten Parade wird jährlich am Christopher Street Day für die Rechte und gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern demonstriert. 47 Teufelsbrück: Täglich den Weg zur Arbeit mit dem Schiff zurücklegen, wer kann das schon? Viele, viele Airbus-Mitarbeiter, die vom Anleger Teufelsbrück aus die Fähre zum Werksgelände in Finkenwerder nehmen. Auch die Elblotsen besteigen oder verlassen hier ihre Zubringerschiffe. 48, 112 Fleetschlösschen: Das Fleetschlösschen am St. Annenplatz hatte schon viele Funktionen; als zweites im Speicherstadtkomplex überhaupt errichtetes Gebäude beherbergte es den Zoll, dann die Feuerwehr, war Toilettenhäuschen und ist jetzt ein Café. 51 Zentralbibliothek: Eine halbe Million Medien im Bestand, eine ganze Million Besucher pro Jahr und eine wohlklingende Adresse: Seit 2014 sitzt die Zentralbibliothek am Hühnerposten. Vor dem Haupteingang stehen die beiden fünf Meter hohen Bronzeskulpturen Mann und Frau des Bildhauers Stephan Balkenhol. 53 Große Bergstraße: Die Große Bergstraße gibt es seit 1655, sie hieß damals nur Bergstraße und war gar keine, sondern nur ein Landweg. Im Laufe der Zeit hat sich das Quartier Altona-Altstadt häufig stark gewandelt, auch jetzt wieder, da IKEA hier seine erste Innenstadt-Filiale eröffnet hat. Die Große Bergstraße ist seit 2010 Schauplatz des STAMP Festivals. 54 Holländischer Brook: Der Holländische Brook ist typisch für die Speicherstadt mit den roten Backsteingebäuden entlang der Fleete. Die Straße ist benannt nach niederländischen Siedlern, die sich hier einst angesiedelt hatten. Ein Brook bezeichnet eine feuchte Niederung. 56
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Magdeburger Brücke: Die Magdeburger Brücke heißt seit Juni 2015 gar nicht mehr so, sie wurde als Teil eines neuen Platzkonzepts für den Magdeburger Hafen umbenannt in Busanbrücke (nach der zweitgrößten Stadt Nordkoreas). 57 Erika’s Eck: Traditionsreiche schlichte Gaststätte mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten, um den Arbeitern auf dem benachbarten Schlachthof jederzeit Frühstück oder warme Küche bieten zu können – eine Institution. 58 Bedürfnisanstalt: Das kleine Backsteingebäude an der Kreuzung Bleickenallee/Hohenzollernring, 1928 von Gustav Oelsner entworfen, war lange Zeit unterirdisches WC mit oberirdischer Wartehalle. Wenn man nett fragt, darf man hier zwar immer noch auf Toilette gehen, mittlerweile ist die Bedürfnisanstalt aber ein unkommerzieller Kulturraum mit wechselnden Ausstellungen. 60 Energiebunker: Die bis zu drei Meter dicken Mauern des Wilhelmsburger Bunkers machten einen Abriss schlichtweg zu teuer. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA wurde stattdessen ein anderes Konzept realisiert: Mit einer Verknüpfung der Energieerzeugung aus Solarenergie, Biogas, Holzhackschnitzeln und Abwärme soll der Energiebunker ein Stadtgebiet von 120 ha mit Wärme versorgen und erneuerbaren Strom ins Stromnetz einspeisen. 62 Jungfernstieg: Früher promenierten hier am Wochenende die wohlhabenden Familien mit ihren unverheirateten Töchtern, so kam der Jungfernstieg zu seinem Namen. Ebenfalls wichtig zu wissen: Der Jungfernstieg wurde 1838 als erste Straße Deutschlands asphaltiert. 62 U-Bahnstation HafenCity Universität: Eine Lightshow, umsonst und drinnen, wird den Fahrgästen an dieser U-Bahnstation geboten. Zwölf je 6 t schwere milchglasverkleidete Leuchtcontainer hängen von der Decke, jeder so groß wie ein 20Fuß-Container. Die verschiedenen Farben sorgen für unterschiedliche Lichtstim65 mungen, angepasst an Wetter, Tages- oder Jahreszeit. Michel: Die Hauptkirche St. Michaelis, der Michel, wird jährlich von mehr als 1 Million Menschen besucht. Die Turmuhr ist die größte in Deutschland, hat 8 m Durchmesser und einen 5 m langen großen Zeiger. Seit 300 Jahren besteht die Tradition des Turmblasens, der Türmer bläst täglich einen Choral in alle Himmelsrichtungen. Und, apropos laut, direkt vorm Michel wird jedes Jahr Europas größter Motorradgottesdienst mit rund 30.000 Teilnehmern abgehalten. 68, 69 Hafen: Der Hamburger Hafen ist der größte deutsche Hafen, steht als Containerhafen in Europa auf Platz 2 und nimmt gut ein Zehntel der Stadtfläche Hamburgs ein. Für ihn verschwand ein ganzes Dorf, als in den 1970ern für die Hafenerweiterung alle Bewohner Altenwerder verlassen mussten und sämtliche Gebäude bis auf eine Kirche zerstört wurden. 70, 72, 73, 101 Fischgeschäft Blankenese: Die Elbe ist einer der fischartenreichsten Flüsse Europas, hier fängt man vieles von Aal über Brasse bis Zander. Ersterer ist in der typischen Hamburger Aalsuppe übrigens gar nicht enthalten, denn Aal steht hier für alles. 73 HPA: Die Hamburg Port Authority verwaltet den Hafen und ist im Namen der Stadt gleichzeitig Eigentümerin des überwiegenden Teils der Hafengrundstücke. Früher hieß sie auf gut Deutsch Amt für Strom- und Hafenbau. 76 Alte Harburger Elbbrücke: Die filigrane Eisenfachwerkkonstruktion, die erste durchgehende Straßenverbindung von Harburg über die Süderelbe nach Hamburg,
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wurde 1899 von Kaiser Wilhelm II eröffnet, sie ist die letzte Portalbrücke ihrer Art in Hamburg. 77 Sülldorf/Feldmark: Nomen est omen – in Sülldorf gibt es tatsächlich noch Landwirtschaft, wenn auch viele Bauern sich ein anderes Betätigungsfeld gesucht haben, einen Reiterhof, Laden oder gar eine Hundepension betreiben. 78, 95 Hirschpark: Neben einer prachtvollen Lindenallee und zum Teil jahrhundertealten Bäumen kann dieser Park mit einem Hirschgehege aufwarten, außerdem gibt es einen Blick von oben auf das Mühlenberger Loch nebst Airbus-Gelände und eine steile Treppe runter an die Elbe. 79 Jenischpark: 43 ha englischer Garten mit endlosen Wiesen, alten Bäumen, einem Bach, dazu das klassizistische Jenisch-Haus, das Ernst-Barlach-Museum, die ehemaligen Tagelöhnerhäuser. Beeindruckend: der Blick in Richtung Elbe, wenn es so aussieht, als führen die riesigen Containerschiffe durch die Wiese. 80, 81, 114, 115 Jungfernbrücke: Hat sich was mit Venedig! Hamburg hat 2.500 Brücken, mehr als Venedig, Amsterdam und London zusammen. Das erzählen die allerdings so oft im Radio, dass man’s kaum noch hören mag. Die Jungfernbrücke verbindet die Speicherstadt mit dem Katharinenviertel. 82 Rote Flora: 1888 entstand am Schulterblatt das spätere Concerthaus Flora, für Konzerte, Varieté und Operetten, mit einer Stahl-Glas-Bühnenhalle von Gustave Eiffel. Auch Boxkämpfe wurden hier ausgetragen, u.a. von Austin, dem boxenden Riesenkänguru. 1988 wurde ein großer Teil abgerissen, hier sollte ein Musical-Theater entstehen. Der Neubau scheiterte aber am Widerstand der autonomen Szene und der Besetzung der Ruine 1989. 85 Fischauktionshalle: 1894 am Anlandungsplatz der Elbfischer gebaut, war die Fischauktionshalle eine Kampfansage des damals preußischen Altona an die angrenzende Stadt Hamburg und deren Zollanschluss ans Deutsche Reich, sie sollte den Fischhandel in Altona halten. Heute ist die Halle Veranstaltungsort. 86 Schwimmkran: Der Schwimmkran HHLA I, heute KARL FRIEDRICH STEEN , war 1928 eine technische Innovation, wegen seiner Fähigkeit, Lasten bis 30 t heben und schwenken zu können. Er liegt seit 1986 im Museumshafen, noch immer voll funktionsfähig. 87 Oberhafenkantine: Eine der letzten Kaffeeklappen, die in Hamburg zur Versorgung der Hafenarbeiter gebaut wurden. Sturmfluten brachten das Ziegelsteingebäude in eine Schräglage, sodass es 1997 wegen Einsturzgefahr geschlossen wurde. Statt Abriss kam es unter Denkmalschutz und wurde saniert. 89 Fischmarkt: Seit 1703 findet er sonntags statt, schon früh, damit der mit den Fangbooten angelandete Fisch bereits morgens vor dem Kirchgang verkauft werden konnte. Mittlerweile kommen im Sommer jeden Sonntag ca. 70.000 Besucher auf den Fischmarkt, 300 Händler bieten Fisch, Obst, Gemüse und Kleinkram auf einer Fläche von 20.000 m2 an. Bisher fiel der Fischmarkt nur ein einziges Mal aus, an einem Sonntag im Januar 2015, als Sturmtief Felix für eine Überflutung sorgte. 90 Wochenmarkt: Mehr als 1 Mio. Menschen sind wöchentlich auf den Hamburger Märkten unterwegs. Gut, dass die sich verteilen können: Mit gut 100 ist Hamburg europaweit die Stadt mit den meisten Wochenmärkten. 91 Osterfeuer: Die Osterfeuer locken jedes Jahr tausende Besucher an den Elbstrand. Schon tagelang vorher werden Paletten und Tannenbäume gestapelt, was
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das Zeug hält. Aber auch vom Wasser aus lässt sich das Spektakel gut beobachten, es werden spezielle Schiffsfahrten angeboten. 94 OZM-Galerie: Die OZM Art Space Gallery zeigt auf 400 m² Urban Art, mit dem Schwerpunkt Graffiti und Street Art. 96, 97 Davidwache: Die kleinste und zugleich berühmteste deutsche Polizeiwache, Baujahr 1840, ist wohl auch die einzige mit einer Fanseite im Web, bei der man sogar Davidwachen-Shirts und -Becher bestellen kann. 98, 99 Leuchtfeuer Blankenese: Der Leuchtturm Unterfeuer Blankenese ist über ein 30 Meter langes Stack erreichbar, sein 700 t schweres Betonfundament wurde mit dem Senkkastenprinzip errichtet. Der Leuchtturm wird von der Nautischen Zentrale ferngesteuert. 100 Maritimes Museum: Im Internationalen Maritimen Museum werden auf zehn Etagen Exponate rund um 3.000 Jahre Seefahrts- und Marinegeschichte gezeigt, die größte private maritime Sammlung weltweit. 102 Sprinkenhof: Ein Kontor oder Contor, vom französischen comptoir (Zahltisch), ist eine veraltete Bezeichnung für Büro sowie für die Zweigstellen von Banken. Die Fassade des neunstöckigen Sprinkenhofs ist von einem rautenförmigen Klinkermuster überzogen – ein schöner Hintergrund, wenn man im Sommer im Hof sitzt und einen Kaffee trinkt. 104 Gruner + Jahr: Die Gruner + Jahr GmbH & Co. KG ist Europas zweitgrößtes Druckund Verlagshaus. Der Unternehmenssitz ist am Baumwall in Hamburg – gedruckt werden Stern, Brigitte, Geo etc. hier aber nicht. 105 Chilehaus: Das zehnstöckige Chilehaus wurde aus 4,8 Mio. Klinkern im Stil des Backsteinexpressionismus der 1920er-Jahre erbaut und war eines der ersten Hochhäuser Hamburgs. Seine an einen Schiffsbug erinnernde Spitze nach Osten ist Europas spitzester Fassadenwinkel. 106 Dockland: Das siebengeschossige Bürohaus Dockland entstand auf 3.000 m² frisch aufgeschüttetem Neuland in der Elbe, es erinnert in der Form an einen Schiffsbug. Über Freitreppen kommt man auf die Aussichtsplattform. 107, 110 Hafenbahnhof: Der Hafenbahnhof liegt versteckt unterhalb der steilen Straßenböschung der Kaistraße zur Großen Elbstraße. Bis in die 1970er-Jahre diente das etwa 100 Jahre alte Häuschen als Bürogebäude für die Altonaer Hafenbahn, dann als Übungsraum für Bands, kurzzeitig als Kiosk, jetzt ist er Café, Bar und Liveclub. Hinter dem Haus liegt noch das alte Gleisbett, das zum Schellfischtunnel führt, der unterirdisch am Bahnhof Altona endet. 108 Kiesgrube: Offiziell Rissener Kuhle, genannt Kiesgrube, weil hier früher Kies abgebaut wurde. Der riesige Spielplatz ist bei jungen Eltern und Grill-Enthusiasten schon lange bekannt, jetzt können aber auch Jugendliche erhobenen Hauptes hingehen, es gibt seit ein paar Jahren einen Skatepark. 109 Kirschblütenfest: Neben Honolulu und Washington ist Hamburg eine von nur drei Städten weltweit, die das von der Japan Cherry Blossom Association verliehene Recht besitzen, eine Kirschblütenprinzessin zu wählen. 113 Planetarium: Eines der dienstältesten Sternentheater der Welt steht im Hamburger Stadtpark, der ehemalige Wasserturm ist das mit Abstand erfolgreichste Planetarium im deutschsprachigen Raum. 122
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Bzzzzz Planetarium? Krrrrr.
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Wer oder was sind denn Freakheads und wer macht die eigentlich?
Die ersten Freakheads-Entwürfe entstanden 2010 während eines Dänemark-Urlaubs. Die dort erdachten Kreaturen dann zu erschaffen, erwies sich als nicht ganz einfach. Was entstand, war unerwartet, aber viel lustiger. Eine Art Evolutionsgeschichte: Am Anfang war der Kopf, und der dann nicht wie geplant exakt rund und ebenmäßig, sondern charaktervoll, wie wir im Nachgang liebevoll sagen möchten. Blick und Mimik oszillierten zwischen stumpf und freundlich, dabei aber immer ungewöhnlich. Freakheads eben. Das war der Urknall für einen neuen kleinen Kosmos. Zu den Knilchen, auf Treibholz montierte, amphibienähnliche Köpfe aus Stoff oder Leder, gesellten sich nach und nach Blumenmädchen, kleine Superhelden, außerirdische Wesen namens Oofs (= Out of Space), Matrosen auf der Stange und schließlich immer menschenähnlichere Freakheads, erst ohne, später auch mal mit Armen und/oder Beinen. Köpfe, Hände und Schuhe werden von Marcus in liebevoller Detailarbeit aus Fimo modelliert und kommen sonntags nach den Frühstücksbrötchen zum Aushärten in den Backofen, werden dann in vielen Arbeitsgängen verfeinert, erhalten Haare, Gesichtsfarben, bemalte Fingernägel. Wenn das Grundgerüst, bestehend aus Kopf, Körper und Händen/Füßen, steht, übernimmt Manuela. Entsprechend dem vorher gemeinsam festgelegten Stil schneidert sie den Figuren deren Klamotten auf den
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kleinen Leib. So kann man ausrangierte Kleidung auch schön verwerten. Dann übernimmt Marcus wieder, es geht ans Fertigen und Bemalen der kleinen Werkzeugkästen, Fanbuttons, Ghetto-Blaster und Pommestütchen. Aus immer mehr Ideen wurden immer mehr Figuren, und diese beanspruchten ihren Platz in unserer Wohnung. Gleichzeitig wuchs der Fundus an Materialien: Treibholz, Stoff- und Lederreste, rostige Kleinteile, Stangen und Drähte – allesamt Fundstücke des Alltags. Spaziergänge und Strandurlaube nahmen den Charakter von Beutezügen an. Ab und zu kamen sogar Freunde unseres Sohnes mit ausgedienten Fußbällen, abgefallenen Fahrradständern und Ähnlichem an. Irgendwann war es dann soweit, dass die Freakheads sich aus dem Atelier heraus und in die Welt wagten, für eine knapp 20 cm große Figur eine ganz schöne Herausforderung. Gut, dass wir dabei waren und diese Ausflüge in Bildern festgehalten haben. Einer der ersten Freakheads mit menschlichen Zügen und Beinen war Malte van Houten, der diese Bilder sowie die Geschichten dazu für seinen eigenen FacebookAccount und in seinem Blog verwendet, dort von sich und seiner Welt berichtet. Malte, Werbetexter und freischaffender Autoren-Aspirant, leidet schon ein wenig unter seinem Überbiss, den breiten Hüften und Riesenpranken. Zwar können sich nachfolgende Figuren über eine ebenmäßigere Physiognomie und besser sitzende Kleidung freuen, aber jeder Freakhead hat nach wie vor seinen eigenen Charakter. Und seine Schwächen. So ist Herr Schulz mit einem Entenhintern geschlagen und
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Paul hat dicke Klüsen. Aber gerade das macht für uns den Reiz an der Sache aus: Wir haben große Freude daran, Charaktere zu entwickeln (wer ist das, wie heißt der, was macht der so, was hat er an), ihnen ein Leben zu verpassen. Manchmal führen sie aber auch ein Eigenleben und entwickeln sich anders, als wir ursprünglich dachten. Bei den Ausstellungen ist es immer ein großer Spaß, die Besucher zu beobachten: Spontanes Lächeln ist häufig, ebenso Begeisterung, manchmal aber auch komplettes Unverständnis. Damit können die Freakheads leben.