Hella Kemper: Leben am Fluss (Vorschau)

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Hella Kemper

Leben am Fluss Bekenntnisse einer Elbschwimmerin Mit Fotos von Thomas Kunadt


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Urheber unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Aufl age, April 2017 Copyright © 2017 Klaas Jarchow Media Buchverlag GmbH & Co. KG Simrockstr. 9a, 22587 Hamburg www.kjm-buchverlag.de ISBN 978-3-945465-35-6 Herstellung, Satz und Gestaltung: Eberhard Delius, Berlin Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg Karte: Erfurth Kluger Infografi k, Berlin Druck & Bindung: Beltz Grafi sche Betriebe, Bad Langensalza Alle Rechte vorbehalten

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Inhalt

Teil I Schwimmen in Fl端ssen. Bekenntnisse vom Elbufer 7 Fr端hling 22 Sommer 35 Herbst 77 Winter 88 Teil II Baden in der Elbe. Was Schwimmer wissen sollten. Alles 端ber Ebbe und Flut, Reinlichkeit und Scham, Schlickpumpe und Wasserg端te 99 Badestellen an der Hamburger Elbe 116

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Für Helene


Teil I

Schwimmen in Flüssen Bekenntnisse vom Elbufer

Am schönsten ist sie nachts, im schwarzen Dunkel, wenn sie in tiefer Stille daliegt, kein Wind geht, der ihr Wasser kräuselt, kein Schiff fährt, das Wellen aufwirft. Da ist kein Mensch, der lärmt – stiller ist vielleicht nur der Schlaf.

Die Elbe verbirgt sich. Ihr Wasser lässt nicht tief blicken, es ist trüb, es gibt nichts preis: nicht den Grund, keinen Fisch, nicht den Sand oder einen Stein, nichts, das in ihr schwimmt. Die Elbe macht sich im Trüben unsichtbar, unzugänglich, nur ihre Oberfläche zeigt sie, gelegentlich Wellen, Gischt, die bei Sturm aufschäumt. Fast abweisend wirkt die Elbe an grauen, an diesigen oder nebligen Tagen. Dann werden Himmel und Fluss eins, schieben sich ineinander und verschmelzen. Die Elbe schwimmt für sich dahin. Trägt mehr pflichtbewusst-routiniert als eilfertig die Schiffe flussauf, flussab,

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ist Hafen und Mündung, Sehnsuchtsort und Containerautobahn, Handelsweg und Idyll, sie lässt das Wasser gehen und von der Nordsee wieder kommen, nimmt Schlick, Sand und Sediment auf und wechselt beständig mit Ebbe und Flut ihr Gesicht. Der Rhein ist ein Vater, die Donau eine Mama, und die Elbe?

Die Elbe ist voller Hoffnungen. Lebensmüde stand Wolfgang Borcherts kriegstraumatisierter Heimkehrer Beckmann an ihrem Ufer, und sie sprach als weise Frau zum Lebensmüden und spuckte ihn in Blankenese wieder an den Strand, als wäre er unverdaulich. Rollte ihn Welle für Welle zurück ins Leben. Zurück zu den Menschen. Auch mich hat die Elbe gerettet. Ausgespuckt, immer mal wieder. Getröstet hat sie mich, beruhigt. Erfreut und beglückt. Wie oft habe ich am Ufer der Elbe gesessen und sie angesehen, wie viele Male habe ich meine Arme gegen den leichten Widerstand des Wassers bewegt, und auf welch sonderbare Weise hat mich die Elbe immer wieder getragen, gewiegt, getrieben, die Unruhe, die Sorgen, die Ängste fortgespült. Ich kannte einen Architekten, Axel Siemonsen hieß er, der ging auch bei Minusgraden in die Elbe, tauchte in Teufelsbrück unter Wasser, schwamm, prustete und tauchte mit dampfendem Oberkörper und

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einem Leuchten in den Augen aus dem Wasser wieder auf. Axel liebte die Elbe und das Leben. Er schwamm von Insel zu Insel, nach Pagensand und Bishorster Sand, rüber in die Einsamkeit und Stille. Er kochte sich Tee mit ihrem Wasser; als sandig, holzig, fischig beschrieb er ihren flussigen Geschmack. Er liebte es, im tiefen Schlick zu laufen, durch das flache Wasser zu kriechen, den Modder unterm Bauch zu spüren, den Urgrund, sein Lebenselixier. Die Elbe war ihm Freiraum, eigener Raum, grenzenloser Raum. Selbst das Gedröhne der Schiffsschrauben mochte er, auch wenn sich die Vibrationen der Motoren durchs Wasser wühlten bis in seinen Körper hinein. Angst hatte er keine, nur wenn ihn Strömungen mitrissen, aber dann beflügelte sie ihn, dann konnte er sich spüren. »Eine Gefahr in der Elbe zu überstehen heißt, dass Gott will, dass du lebst«, hat er einmal zu mir gesagt. Axel ist tot, viel zu früh gestorben, wie auch Michel Altmann, der Schauspieler, der wie Axel mit dem Kajak auf den Fluss ging, die ihr Paddel eintauchten, durch das Wasser zogen, rechts – links – rechts – links, im Rhythmus des Herzschlags, im Rhythmus des Flusses und des Willens. Axel und Michel waren Grenzgänger, ihnen war der Fluss Fluchtort, Hort der Ruhe, Rettung vor den Menschen, die manchmal zu viel reden.

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Irgendwann habe ich es in Bielefeld nicht mehr ausgehalten, weil kein Wasser durch die Stadt fließt. Vor vielen Jahren haben die Bielefelder ihren einzigen kleinen Fluss – die Lutter – unter die Erde gebracht, verbuddelt, vergraben, Asphalt drüber, Beton drauf. Ich begab mich auf die Suche nach Wasser. Und sie endete in einem lächerlich kleinen, versteckt liegenden Baggersee, der eine halbe Autostunde entfernt nahe Detmold in Türkisgrün schillerte wie ein ewiges Südsee-Versprechen. Es war strengstens verboten, dort zu baden. Durch einen Wald schlich ich mich ans Ufer, versteckte die Kleider unter Flieder und glitt lautlos ins Wasser. In diesem Baggersee überlebte ich die trockenen Bielefelder Jahre. Eines Tages brach ich auf zu Ufern, die nicht der Bagger, sondern ein stetes Fließen geschaffen hatten. Als ich die Hamburger Elbbrücken vor fast zwei Jahrzehnten überquerte und nach Hamburg einfuhr, wusste ich, ich war angekommen. Zu Hause. Am Fluss. Dass ich einmal in der Unterelbe landen würde, hätte ich mir nicht vorstellen können. Von Ostwestfalen aus scheint das Mittelmeer naheliegender, und wem das zu weit weg ist, der steigt in den Edersee, den Diemelsee oder den Möhnesee. Nahe des Möhnesees sind meine Großeltern begraben, und meine Mutter lernte in ihm schwimmen. Vor ein paar Jahren reiste ich mit meinen Eltern und meiner Tochter an den Möhnesee, wir bestie-

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gen einen Ausflugsdampfer und fuhren eine Runde auf dem See, dessen Wasser durch eine riesige Mauer gestaut wird. Vom Dampfer aus zeigte mir meine Mutter die Wiese, die früher einmal ein Freibad gewesen war; im Strandbad Delecke hatte sie, noch bevor der Zweite Weltkrieg begann, ihre ersten Schwimmzüge gemacht, und ich stieg nun 70 Jahre später an derselben Stelle in den Stausee und schwamm wie sie, während sich über mir dicke Regenwolken ballten.

Als ich in meinen ersten Hamburg-Jahren noch in Othmarschen wohnte und die Tage in der Redaktion verbrachte, ging ich am liebsten spätabends, oft wurde es fast Mitternacht, hinab zum Fluss, an einen Weidenstrand zwischen Övelgönne und Teufelsbrück. Viele Male stieg ich bei Dunkelheit in die Elbe, auch ein paar hundert Meter weiter flussaufwärts, dort, wo der Alte Schwede liegt, ein tonnenschwerer Stein, den die Eiszeit aus Skandinavien südwärts geschoben hat. Das Schwarz der Nacht färbt auch das Wasser und lässt es in der dunklen Stille intensiv duften. Die Lichter der Schiffe schieben sich vorbei und sind schon fast nicht mehr zu sehen, wenn die Schiffswellen endlich ans Ufer rollen und mich sanft auf und abwiegen, als wollten sie mich zu Bett bringen.

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Inzwischen wohne ich direkt an der Elbe, sehe sie morgens nach dem Aufstehen, abends im Sonnenuntergang. Mehr denn je gehört sie zu meinem Leben. Überspült sie mit stürmischem Wasser den schmalen Uferweg, muss ich morgens auf dem Weg zur Arbeit ausweichen. Hat die erste Cranz-Barkasse des Tages bereits abgelegt, bin ich spät dran. Bei Ebbe zeigt der Fluss mir seinen schlickigen Grund, bei Ostwind lockt er mich mit wilden Wellen ins Wasser. Während ich in den ersten Märztagen dieses Buch beende, blicke ich vom Schreibtisch aus unverstellt wie niemals zuvor auf die Elbe. Ich erkenne am jenseitigen Ufer die Este-Mündung, am diesseitigen eine Reihe Dalben, an denen manchmal Binnenschiffe festmachen oder Schlepper auf Containerriesen warten. Die Uferweiden sind bis auf den Kopf heruntergeschnitten, auf dem Vorland steht das Wasser in großen Pfützen. Die Elbe fließt nach den ersten Frühlingsstürmen ruhig in ihrem Bett. Mein Elbblick ist so frei, weil das Haus, das bald 200 Jahre an der Elbe stand, abgerissen wird. Sein großes Dach hatte mir nur zwei kleine Sichtachsen rechts und links vom Giebel gelassen. Aber nun, für ein paar Wochen, im März 2017, sehe ich die Elbe in ihrer ganzen Breite: das Binnenschiff Kaja Josephine, das Polizeiboot 20, die Saugbagger Amazone und Kugelbake, einen Knutschmund der Aida-Flotte, unentwegte Paddler, erste Segler. Schwimmen geht niemand im März, ich auch nicht. Axel Siemonsen machte die Kälte

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nichts aus, mir dauern die Winter zu lang, und ich versuche sie mühsam mit Sauna, Hallenbad und Badewanne zu überstehen. Der Frühling lässt ewig auf sich warten, in jedem Jahr, und wiegt mich stets aufs Neue in trügerischer Hoffnung: Im Januar glaube ich noch, dass ich im April schon längst wieder im Fluss bin, aber im März weiß ich, dass es wie in fast jedem Jahr Mai werden wird, ehe ich in den Fluss steige. Und selbst die Maientage sind oftmals kühl, manchmal sehr kühl.

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Frühling Es kostet mich noch eine große Überwindung, in den Fluss zu gehen, der sich nur sehr langsam vom Winter zu lösen vermag. Wie weltvergessen liegt die Elbe in ihrem Flussbett, ihre Strände unberührt, und das Wasser im frühen Frühlingslicht, tausendfach vervielfacht, dass es ein Flimmern und Flirren ist. Die Elbe ist im April und auch im Mai noch ein Winterfluss, ein kalter, ein erschreckend kalter Fluss. Anfang Mai aber lockt mich die Elbe unwiderstehlich mit ihrem Meeresversprechen, ihrem Frühlingsduft und damit, wie sie sich schon in Hamburg auf die Nordsee vorbereitet, breit und breiter wird. Vor ein paar Jahren, als ich die ersten Male in die Elbe stieg, musste ich mich erst an sie gewöhnen. Das war ein langwieriger Prozess und ist es jedes Jahr aufs Neue. Nie bleibt das Verhältnis zu einem Fluss dasselbe. Wer jemals glaubt, er wisse nun,

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was oder gar wer die Elbe sei, der täuscht nicht nur sich, sondern auch den Fluss. Schwimmend begegne ich dem Fluss jeden Tag aufs Neue, wie einem Freund. Mal ist das Wasser warm und weich, dann streichelt der Fluss mich, aber schon am nächsten Tag, nach einem heftigen Regen, kann er mit ablehnender Kühle Muskeln und Willen lähmen, mich herausfordern. Der Rhein, den ich aus Kölner Zeiten kenne, kann wirbelig aufbrausen, strudelig tosen, die Elbe dagegen zickt an manchen Tagen widerspenstig wie eine prätentiöse Diva. Für alle Flüsse gilt: Gegen sie und gegen ihre Strömung geht gar nichts. Ich tauche kurz ein, benässe mich vorsichtig. Fast fürchte ich sie noch, die Elbe, ihre ablehnende Kühle lässt mich zurückweichen. Also tauche ich nach langem Zögern nur kurz ein und wende mich rasch wieder dem Ufer zu, das noch winterlich braun ist. Das erste richtige Bad im Jahr ist eine furchtbare Überwindung, der das pure Glück folgen kann, wenn sich die Überwindung nicht gegen einen wendet. Der Fluss ist eisig, aber zugleich die Erlösung vom Winter. Es ist, als streife das kühle Wasser die winterlichen Schuppen von der Haut, als öffne es die Poren für die Sonne, die nun kommen muss. Das Grau beginnt sich zu lösen, von der Haut und von der Seele.

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Ich habe aufgehört, davon zu erzählen. Wann immer ich erkläre, ich käme gerade aus (nicht von) der Elbe, schauen die Leute mich an, als sei ich der Meerwolf der Hamburger Elbvororte. Inzwischen unterscheide ich drei Arten von Zuhörern: die Hanseatisch-Höflichen, die VorwurfsvollNeidischen und die Ängstlich-Besorgten. Die ersten wahren die Contenance und erzählen – falls sie älteren Jahrgangs sind – von früher, als es in Hamburg noch Badeanstalten am Flussufer gab und die Städter in die Sommerfrische nach Blankenese fuhren. Die zweite Gruppe schlägt sich mit verräterischer Inbrunst auf die Seite der Gesetzestreuen: Das ist doch Hafengebiet! Das ist verboten! Wenn das jeder machen würde! Das Gros der Zuhörer gehört der dritten Gruppe an: das Reaktionsspektrum der Ängstlich-Besorgten ist berechenbar. Fast spüre ich eine zarte Enttäuschung, wenn der erwartete Reflex einmal nicht oder verzögert eintritt. Denn kaum bringen sie Elbe und Schwimmen in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang, blicken sie mir besorgt ins gebräunte Gesicht. Kein Ekzem? Kein Ausschlag? Keine Schnittwunden? Kein Durchfall? Waaas? Du schluckst manchmal sogar das Wasser? Das ist doch bestimmt gaaaanz eklig. Ist es nicht, es schmeckt nach fast nichts, es riecht auch nicht, sondern duftet ganz verschieden je nach Witterung, Tageszeit und Tide. Mal meerig

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wie die Nordsee, mal wie eine Mischung aus Schlick und Tang, ein andermal wie lang erwartete Sommerferien. Auch nach mehr als 16 Jahren, also solange ich jetzt in Hamburg lebe, treffe ich immer wieder auf Menschen, die die Elbe eigentlich nicht kennen, die sie noch nicht entdeckt haben. Die wenig oder nichts wissen über den Fluss, der vor ihrer Haustür fließt: hinauf und hinunter, so wie es Flüsse nur nahe ihrer Mündung tun. Das sind Menschen, die an die Ostsee rasen, um am Meer zu sein. Dabei ist das Meer doch so nah, auch wenn es noch etwas mehr als hundert Kilometer entfernt ist. Meine erste Elbquerung schaffte ich vor 13 Jahren auf der Höhe von Blankenese, also bei Flusskilometer 635. Michel, der Grenzgänger, begleitete und bewachte mich von seinem Paddelboot aus. Ich stand fröstelnd am Ufer. Mit Badekappe, die den Kopf warm hält, mit Flossen und Schwimmbrille. Eine lächerlich kurze Strecke lag vor mir, vor allem wenn ich sie mit den Distanzen vergleiche, die Freiwasserschwimmer in Angriff nehmen: den Ärmelkanal, den Fehmarnbelt, die Straße von Gibraltar, den Bosporus, das Kap der Guten Hoffnung, norwegische Fjorde, den Rhein von der Quelle bis zur Mündung, die Beringstraße und sogar Atlantik und Pazifik. Outdoorschwimmer sind eine spezielle Spezies: Sie leiden Qualen, stehen unglaubliche Strapazen durch, sie frieren, hungern, werden seekrank, übergeben sich, scheuern sich an den

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Bartstoppeln den Oberarm wund, sie fürchten Haie und Strömungen und steigen trotzdem immer wieder ins Wasser, kraulen Hunderte von Seemeilen, 80 000 Armzüge, um von England nach Frankreich zu kommen, um in eisigen Gewässern zu überleben. Ich bin nur ein Elbe-Weichei. Mir reicht es, die Elbe zu queren. Ich wollte die Elbquerung nicht schaffen, nicht bewältigen, nein, ich wollte nur hinüberschwimmen. Ich wollte das andere Ufer erreichen, den dort gelegenen Sandstrand, ohne mich in ein Boot zu setzen, sondern einfach indem ich dem Wasser und seiner Strömung Folge leiste. Ich wollte mich auf den Fluss einlassen, auf das strömende Wasser, das sich immer wieder neu formende Element. Ich wollte eins sein mit dem Element. Die Querung dauerte wohl 45 Minuten, sagte Michel hinterher, ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Der Wind kam ungewohnt aus Süden und bauschte kleine, harte Wellen auf, die mich beim Kraulen beinahe auf den Rücken zwangen, um Luft und nicht Wasser einzuatmen. Die weitaus größere Gefahr, als sich zu verschlucken, kommt aber von weit her. Erkennt man sie, ist es fast schon zu spät: die großen Containerschiffe. Kein Kapitän würde mich sehen, bremsen geht auch nicht, ausweichen ebenso wenig, und so nähme das Schicksal seinen fatalen, finalen Lauf. Um es kurz zu machen: Ich fand an der Seite des Faltbootes, das wie ein Wal im Wasser lag, zu meinem

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