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COVER VON RALF NIETMANN / ILLUSTRATION
Liebe Leserin, lieber Leser, hast du früher auch von einem Leben in einer Weltstadt geträumt, von einem unfassbar erfüllten Alltag, von einem aufregenden Job und einem noch viel aufregenderen Liebesleben? Und – ist es so geworden? Wenn die Zukunft zur Gegenwart wird, merken wir, dass es mit den Plänen nicht so einfach ist. Wir stellen fest, dass unser Leben in großen Teilen wenig mit Planung zu tun hat, dass es von Zufällen und Notwendigkeiten geprägt wird. Manchmal sind da familiäre Verpflichtungen, die uns an einen Ort binden und verhindern, dass wir Erfahrungen im Ausland sammeln können. Manchmal spüren wir einfach, dass wir viel weniger flexibel sind, als wir es gern wären, und dass wir uns da am wohlsten fühlen, wo wir seit unserer Kindheit leben. Und manchmal führt uns der Job an Orte, von deren Existenz wir nichts wissen wollten. Doch auch wenn viele äußere Faktoren unser Leben beeinflussen – es bedeutet nicht, dass wir nicht auch in gesteckten Grenzen glücklich werden könnten. Im Gegenteil. Wäre es wirklich gut, wenn wir allein für unser Glück verantwortlich wären? Wenn wir alles, wirklich alles tun könnten, was uns vorschwebt? Die meisten von uns würde das vermutlich überfordern. In diesem Heft schreiben wir über Träume und Kompromisse im Arbeitsleben und im Leben ganz allgemein. Vielleicht findest du dich an der einen oder anderen Stelle wieder. Viel Spaß beim Lesen wünscht dir deine Redaktion! I N H ALT 4 Zustand Saskia erzählt, was sie im Moment mag und liest. 6 Draußen Wie es ist, für die Arbeit aufs Land zu ziehen. 14 Wissen Die interessantesten Unternehmen produzieren an entlegenen Orten. 16 Ratgeber Besser essen entlang der Autobahn. 18 Dienstreise Ein Selbstversuch im Pendeln. 22 Isolation Über das einsame Leben im Homeoffice. 26 Idyllisch Nicht vergessen: Landleben verpflichtet! 28 Wohnungsanzeige Wer wohnt hier wie? 30 Kolumne Das Prinzip Ankommen. * WAS HABEN SCHMACKHAFTE PILZE UND WELTMARKTFÜHRER GEMEINSAM? SIE SIND MANCHMAL NICHT SO LEICHT ZU FINDEN. ODER WUSSTEST DU, DASS AUS ORTSCHAFTEN WIE WEISENBACH UND LEIPHEIM DIE WELT MIT BIERDECKELN UND EINKAUFSWAGEN VERSORGT WIRD? MEHR DAZU AUF SEITE 14.
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W E R
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G E R A D E ?
Unser Geschmack wandelt sich im Lauf des Lebens. Doch zu jeder Zeit sagt das, was wir gerade m旦gen, ein bisschen was 端ber uns selbst. Saskia, M端nchen WAS SASKIA MAG, HABEN WIR HIER GEFUNDEN: FACEBOOK.COM/JULIUS.KERSCHER.PAINTINGS, DTV.DE, CIRCLEMENSWEAR.COM, ZDF.DE, YOUTU.BE, NICK.COM
1. Welche Kunst findest du gerade gut? 2. Welches Buch hast du zuletzt gern gelesen? 3. Welche Kleidung hast du k端rzlich gekauft und gemocht? 4. Welches Magazin / welchen Beitrag magst du im Moment? 5. Wo war es zuletzt im Urlaub super? 6. Welches Video hast du gerade geliket oder empfohlen? 7. Welche Fernsehsendung / -serie findest du gerade gut?
VON TIM BRUENING / FOTOS
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JULIUS KERSCHER
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6 YOUTU.BE/DP15ZLYRA3C 4 jetzt L EB E N & JOB N o 03 /1 3
REN & STIMPY
La deutsche Vita.
Mamma mia! Werden Sie auch sauer, wenn Sie merken,
Und auch nicht auf all die schönen Dinge, die das Leben
dass vor lauter Arbeit das süße Leben viel zu kurz kommt? Das
versüßen: gutes Essen und Sonne satt, viel Wasser, aber auch viel
kann in Deutschland schnell passieren. Halt, nicht überall in
Wein, große Kunst und beeindruckende Kulturlandschaften . . .
Deutschland! Im Südwesten der Republik gibt es ein Land, in dem
Immer noch nicht dolce genug? Dann machen wir Sie Stück für
es sich gut arbeiten und gut leben lässt. In Baden-Württemberg
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müssen Sie auf nichts verzichten! Nicht auf interessante
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Unterm Kirchturm Dass es auch in eher abgelegenen Regionen Deutschlands gute Arbeitgeber gibt, ist bekannt. Aber will man da wirklich hin? F체nf Angestellte erz채hlen. VON CHRISTINA WAECHTER, KATHRIN HOLLMER / PROTOKOLLE & RALF NIETMANN / ILLUSTRATIONEN
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Sibel Philipp, 35, arbeitet als Assistentin des Technikvorstands beim Messgerätehersteller Testo in Titisee-Neustadt (etwa 12 000 Einwohner).
Bevor ich hier angefangen habe, bin ich auf dem Weg in meine Heimat Freiburg häufiger an dem Neubau von Testo in Titisee vorbeigefahren. Je größer das Gebäude wurde, desto größer wurde mein Interesse. Irgendwann habe ich dann beschlossen, im Internet endlich nachzuschauen, was Testo macht. In der Rubrik Recruiting stand: „Vorstandsassistenz gesucht“. Ich wusste sofort, dass ich mich da bewerben muss, weil die Jobbeschreibung und das Unternehmen gut klangen. Der ganze Rest erschien mir unwichtig. Nach der Zusage bin ich für den Übergang nach Freiburg gezogen und nach drei Monaten in eine Wohnung nach Kirchzarten, eine sehr süße Gemeinde. Klar ist das kleiner als Stuttgart. Aber wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme und die Tür hinter mir zumache und auf den Balkon rausgehe, dann höre ich allerhöchstens mal die Kirchturmglocken. Wenn ich Action haben möchte, steige ich ins Auto und bin in fünfzehn Minuten in Freiburg. Früher, in Stuttgart, bin ich morgens um sieben Uhr aus dem Haus und in die S-Bahn gestiegen — und war eine Dreiviertelstunde später ziemlich entnervt bei meinem damaligen Arbeitgeber. Ich habe im Vergleich vor allem an Lebensqualität dazugewonnen. Wir haben hier eine wunderschöne Umgebung, die sich auch auf den Geist auswirkt. Ich finde es schön, mich morgens ins Auto zu setzen und zwanzig Minuten durch den Schwarzwald zu fahren, wo andere Leute Urlaub machen. Deshalb brauche ich auch keine Ausgleichsangebote meines Unternehmens. Aber natürlich gibt es Angebote von Testo für die Mitarbeiter. Wir haben zum Beispiel drei Fitnesstrainer, es gibt eine Masseurin. Mich nervt am Landleben gar nichts, wahrscheinlich, weil ich das Beste aus beiden Welten habe. Und ich würde auch sagen, dass ich hier definitiv angekommen bin und eine langfristige Perspektive für mich sehe.
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Andreas Kaplan, 26, ist Restaurantfachmann im Drei-Sterne-Restaurant Bareiss in Baiersbronn (etwa 15 000 Einwohner).
Ich stamme aus Windhoek, der Hauptstadt von Namibia. Es war schon immer mein Traum, in die Gastronomie zu gehen. Die Lehre hätte ich sehr gern auch in Südafrika gemacht, weil das nur einen Katzensprung von Namibia entfernt ist. Aber die europäische Gastronomie ist nun mal immer noch unerreicht. Deshalb bin ich im April 2009 für meine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Hotel Bareiss in den Schwarzwald gegangen. Baiersbronn ist eine sehr ländliche, idyllische Kleinstadt, die aber gut angebunden
ist. Man ist nicht total ab vom Schuss hier. Für uns junge Leute ist es allerdings schon ein bisschen schwierig. Stuttgart ist die nächste Möglichkeit und liegt mit dem Auto gut eine Stunde entfernt. Wobei die Arbeitszeiten in der Gastronomie ohnehin so sind, dass man die Angebote, wenn sie denn da wären, wahrscheinlich gar nicht richtig wahrnehmen könnte. An meinen fünf Arbeitstagen konzentriere ich mich darauf, bestmögliche Leistung zu bringen und fit zu sein. Für viel mehr ist kein Platz, weil der Job sehr anspruchsvoll ist. An den freien Tagen fahre ich dann auch mal aus dem Schwarzwald raus, zum Beispiel nach Frankfurt.
Wenn ich dableibe, habe ich die Möglichkeit, im Hotel Bareiss die Sportangebote kostenlos zu nutzen. Vor drei Jahren wurde in Baiersbronn mit großer Unterstützung des Hotels ein Freizeitbad eröffnet, zu dem wir Mitarbeiter freien Eintritt haben. Insgesamt kann ich das Arbeiten in der Provinz nur empfehlen. Ich denke, dass man in einer Großstadt sehr viel abgelenkter von der Arbeit ist, wenn man nicht absolut diszipliniert ist. Bei mir war es auf jeden Fall so, dass ich mich automatisch mehr auf meine Lehre konzentriert habe – weil ich ein bisschen ab vom Schuss war.
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Stefan Grimm, 32, ist Marketingmanager bei Phoenix Contact (Automatisierungstechnik) in Blomberg (etwa 16 000 Einwohner).
Als ich das erste Mal nach Blomberg zum Vorstellungsgespräch gefahren bin, schickte mich das Navi von der Autobahn runter und mehr als eine halbe Stunde durch den Wald. Ich kannte das gar nicht — dass die Autobahn so weit weg ist und so viel Wald um einen herum. Ich komme aus Stuttgart, wo ich eine Ausbildung als Industrieelektroniker bei Bosch gemacht habe. Danach habe ich in Karlsruhe Technische Redaktion Richtung Marketing und PR studiert, ein Semester war ich in New York City. Blomberg ist das komplette Gegenteil. Ein kleiner Ort, einge-
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kreist von der Weser und dem Teutoburger Wald, mit alten, gepflegten Fachwerkhäusern. Eine Kneipe mehr, ein Kino oder ein Club, das wäre natürlich schön, das gibt es erst im nächsten Ort, in Detmold, ungefähr zwanzig Kilometer entfernt, wo ich inzwischen auch wohne. In Detmold gibt es auch eine Hochschule, und das Nachtleben ist besser. Dafür habe ich in Blomberg nach Jahren wieder mit dem Bogenschießen begonnen, im Verein, um Kontakt zu den Einwohnern zu knüpfen. Im Sommer haben wir zusammen gegrillt, wir laden uns zu den Geburtstagsfeiern ein, und als ich nach Detmold gezogen bin, haben mir sofort mehrere geholfen und ihre Anhänger und Transporter mitgebracht.
Das wäre in der Stadt nicht passiert. Ich habe wieder mit dem Fotografieren angefangen, und es gibt ein firmeneigenes Fitnessstudio; manchmal verabrede ich mich mit Kollegen für eine Fahrradtour. Ich habe es bisher keinen Moment bereut, dass ich für den Job nach Blomberg gekommen bin. Wenn man aber gar nichts mit der Natur anfangen kann oder keinen Sport mag, passt man nicht hierher. Früher bin ich häufiger nach Hause gefahren, jetzt nur noch alle zwei bis drei Monate, weil ich hier auch viele Freunde gefunden habe. An eines habe ich mich auf dem Land aber noch nicht gewöhnt: In den ersten zwei Monaten bin ich gleich dreimal geblitzt worden.
Vivien Vogt, 32, arbeitet im Vertrieb des Müsliproduzenten mymuesli in Passau (etwa 50 000 Einwohner).
Mein erster Eindruck von Passau war miserabel: Nieselregen, keine Sicht, wohin man auch blickte. Über der ganzen Stadt hing eine deprimierende Stimmung. Erst eine Dreiflüsserundfahrt bei Sonnenschein während meines zweiten Besuchs und ein gutes Angebot von mymuesli gaben den Ausschlag. Kein halbes Jahr später packte ich meine Umzugskartons für die Provinz. Die richtige Entscheidung, wie sich schnell zeigte. Ich verliebte mich in die historische Stadt mit ihren verwinkelten Gassen, mit den drei Flüssen Donau, Inn und Ilz. Und dann gibt es natürlich noch die genialen Ausflugsmöglichkeiten ins Umland. Für mich als Naturmenschen und leidenschaftliche Jägerin ein Eldorado. Wenn ich am Wochenende nicht im Wald unterwegs bin, versuche ich mit Freunden der schlechten Clublandschaft etwas abzugewinnen. Obwohl Passau eine Studentenstadt ist, fehlen eine vernünftige Weggehkultur und eine differenzierte und kreative Musikszene. Dafür muss ich schon nach München fahren. Aber trotz dieser Nachteile bereue ich meinen Entschluss keinen Tag — was nicht zuletzt an meinem Job liegt, an der guten Arbeitskultur und an dem motivierten jungen Team. Wenn ich doch mal ins Grübeln gerate, besucht mich meist schon wieder einer meiner Freunde von früher und beneidet mich um meine neue Heimat.
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Dr. Nikica Starcevic, 34, ist Entwicklungsleiter bei Huber SE (Umwelttechnik) in Berching (etwa 8500 Einwohner).
Schon die Fahrt zu meinem ersten Vorstellungsgespräch – von München aus durchs Altmühltal, an Beilngries vorbei nach Berching – war wie eine Fahrt in den Urlaub. Danach habe ich meine Frau angerufen und ihr von der Landschaft vorgeschwärmt. Zum zweiten Vorstellungsgespräch kam sie mit nach Berching. Nach meinem Ingenieurstudium an der Universität Stuttgart habe ich promoviert und war noch einige Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. Dreieinhalb Jahre habe ich bei einer Firma für Umwelttechnik in München gearbeitet, bis mich ein guter Bekannter auf die Stelle bei Huber SE in Berching hinwies. Wir wollten nie aufs Land, aber als meine Frau und ich in Berching im Café saßen, beschlossen wir beide, dass wir bleiben wollen. Auch meine Frau hat schnell eine passende Stelle gefunden. Es ist eine ländliche Region, trotzdem hat man alles, was man braucht. Cafés, Restaurants, ein kleines Kino, viele Radwege, man kann Kanu fahren oder klettern gehen, die Firma beteiligt sich an Lauftreffs. Inzwischen haben wir auch einen jungen Dalmatiner, mit dem ich viel draußen bin. In vierzig Minuten ist man in Ingolstadt oder in Nürnberg, nach München braucht man knapp anderthalb Stunden. Trotzdem bleibe ich zum Einkaufen meistens hier. Früher, wenn ich in Stuttgart oder München samstags in der Innenstadt Schuhe kaufen war, kam ich gestresst nach Hause. In Berching finde ich in dem einen Schuhladen den gleichen Schuh, aber dreimal schneller. An eines müssen wir uns allerdings noch gewöhnen: In München und Stuttgart läuft man normalerweise lange durch die Stadt, ohne Bekannte zu treffen. In Berching geht das nicht. Hier kennt jeder jeden, die Nachbarn wollen mit einem ins Gespräch kommen – und manchmal mehr wissen, als man preisgeben will. Trotzdem war es die richtige Entscheidung.
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DAS UNTERNEHMEN THE KATZ GROUP WELTMARKTFÜHRER IN DER PRODUKTION VON BIERDECKELN
1716 errichtete Johann Georg Katz ein Sägewerk, 1903 begann man, die Holzabfälle zu recyceln. Aus der Verwertung wurde ein Geschäft: Katz liefert seine Bierdeckel in 45 Länder auf fünf Kontinenten.
MITARBEITER
157 in Weisenbach, 255 weltweit
KLARER EINER DER DREI GRÖSSTEN WASSERRUTSCHENHERSTELLER EUROPAS
Klarer entwickelt und testet Rutschen. Die Ergebnisse sieht man in der Therme Erding oder in der Acquaworld in Concorezzo bei Mailand. Als 2007 die erste Looping-Rutsche getestet wurde, kam das ganze Dorf vorbei. „Das war ein Happening“, erinnert sich Firmenmitarbeiter Sven Rügge.
Saisonabhängig zwischen 15 und 35
GERRIETS WELTWEIT EINZIGER HERSTELLER FÜR BÜHNENTEXTILIEN
D E R S TA N D OR T Weisenbach, Baden-Württemberg
EINWOHNER
2500
Hallau, Kanton Schaffhausen, Schweiz
D I E M I T TA G S PA U S E VERBRINGT MAN … … in der betriebseigenen Kantine oder mit einer Brotzeit vom Rheinau Bäck.
… beim Bäcker Häfeli.
2071
Umkirch, Baden-Württemberg
5200
6800
... in der Teeküche beim Kochen, im Gasthof „Heuboden“ oder bei der Metzgerei Kramer.
Die Bühnenvorhänge aus dem Breisgau hängen unter anderem in der New Yorker Metropolitan Opera, im Royal Opera House London und in der Mailänder Scala.
120 in Umkirch, weltweit 220
WANZL WELTMARKTFÜHRER IN DER PRODUKTION VON EINKAUFSWAGEN
1800 in Leipheim, deutschlandweit 2400, weltweit mehr als 4000
Leipheim, Bayern
RENZ EUROPAWEIT FÜHREND IN DER PRODUKTION VON BRIEFKASTENANLAGEN
315 in Kirchberg, insgesamt 440
Kirchberg an der Murr, Baden-Württemberg
3700
... in der Kantine. Viele Mitarbeiter fahren zum Essen aber auch nach Hause.
Mulfingen, Baden-Württemberg.
3770
„In der Kantine wird ganz gut gekocht. Bis zum nächsten Restaurant, Bäcker oder Supermarkt ist es recht weit“, sagt die Pressereferentin.
Bodenmais, Bayern
3314
... im Restaurant im „Joska-Glasparadies“, mit einem Schnitzel von der Metzgerei Einsle oder von „Franzls Grillstube“.
80
Siebeldingen, Rheinland-Pfalz
1079
… im Betrieb oder beim Griechen „Minoas“ in Birkweiler. „Außerdem wird in der Mittagspause im Testraum ausgespielt, wer den Kaffee bezahlt“, sagt Geschäftsführer Michael Bachtler.
250
Rasdorf, Hessen
30
Jagsthausen, Baden-Württemberg
In Europa hält das Unternehmen einen Marktanteil von etwa 70 Prozent. Pro Jahr werden mehr als 2,8 Millionen Einkaufswagen hergestellt.
1925 gründet Erwin Renz eine Bauflaschnerei. Ab 1933 stellt er die ersten Briefkästen her.
EBM-PAPST WELTMARKTFÜHRER IN DER PRODUKTION VON VENTILATOREN
Die Produkte finden sich unter anderem in Computern und Kühlschränken, aber auch in der Dresdner Semperoper. JOSKA WELTMARKTFÜHRER IN DER PROUKTION VON KRISTALLPOKALEN
Das Unternehmen war in den Siebzigern der erste Hersteller von Pokalen aus Glas. Heute fertigt Joska jährlich 100 000 Pokale – unter anderem für die Wintersport-Weltcups in Ski alpin, Langlauf, Skispringen und Biathlon. JOOLA EINER DER WELTWEIT FÜHRENDEN HERSTELLER VON TISCHTENNISPLATTEN
2800 in Mulfingen, weltweit rund 11 000 80 in Bodenmais, insgesamt 200
Joola exportiert unter anderem nach China, Japan, Korea und in die USA. Der Name entstand in den Fünfzigern, als in der Sportabteilung des Kaufhauses Jooss in Landau erste Tischtennistische produziert wurden. Jooss plus Landau ergab, kurz, Joola. WIEGAND WELTMARKTFÜHRER IN DER PRODUKTION VON SOMMERRODELBAHNEN
Josef Wiegand eröffnete vor fünfzig Jahren auf der Wasserkuppe, Hessens höchstem Berg, den ersten Skilift. Später baute das Unternehmen auch Sommerrodelbahnen – mittlerweile sind es 400 auf der ganzen Welt. HEIMOTION EINER DER FÜHRENDEN HERSTELLER VON FIGUREN UND FAHRGESCHÄFTEN FÜR FREIZEITPARKS
Das Unternehmen entwickelt und produziert bewegliche Figuren und Fahrgeschäfte für Freizeitparks, Einkaufszentren, Museen und Schaustellerbetriebe. Die Geisterbahnen werden unter anderem nach Kanada und Georgien geliefert.
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... im Brauereigasthof „Hirsch“, wo die Mitarbeiter ihre von der Firma subventionierten Essensmarken einlösen.
Ach 1765
„… regelmäßig gemeinsam im Gasthof ,Stark‛ bei einem Schweinenackensteak oder einem Schnitzel“, so Susanne Möller, Assistentin der Geschäftsleitung.
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… bei einer Brotzeit aus dem „Dorfladen“.
WA S D I E E I N W O H N E R AM WOCHENENDE MACHEN
DAS BERÜHMTESTE KIND DER GEMEINDE
Die katholische Pfarrkirche St. Wendelin, die Wendelinus-Kapelle, die historische Zehntscheune und die Heuhüttentäler im Murgtal
„Wandern und biken. Außerdem haben wir viele Vereine, in denen sich ein Großteil der Bürger engagiert. Wer es etwas eleganter mag, fährt in die Nachbarstadt Baden-Baden“, sagt Bürgermeister Toni Walter Huber.
Johann Belzer, ein Baumeister des 19. Jahrhunderts
Die Bergkirche St. Moritz, Hallau, und das Schaffhauser Weinbaumuseum
„Wandern und Rad fahren. Wenn Saison ist, arbeiten viele in den Reben“, sagt Gemeindeschreiber Hansueli Auer.
Der Tennisspieler Stanislas Wawrinka ist nach Roger Federer die Nummer zwei in der Schweiz. Seine Mutter ist Hallauerin. „Somit ist Herr Wawrinka ein Hallauer Bürger. Er war aber meines Wissens in seinem Heimatort noch nie zu Besuch“, sagt Hansueli Auer.
Viele Schlösser. Im ehemaligen Schloss Büningen ist heute das Rathaus untergebracht.
Viele fahren nach Freiburg, ins nahe gelegene Elsass oder in die Schweiz.
Der ehemalige Autorennfahrer Leopold Prinz von Bayern
Das Kulturzentrum Zehntstadel, das Heimat- und Bauernkriegsmuseum „Blaue Ente“ und das Donaumoos
„Wer Kinder hat, fährt ins zehn Kilometer entfernte Legoland. Viele fahren nach Günzburg oder Ulm“, sagt Rathaus-Mitarbeiterin Tina-Maria Dorow.
Der Maler Paul Kauzmann. „Außerdem fand hier der Erstflug des ersten serienmäßig hergestellten Strahlflugzeugs statt“, so Tina-Maria Dorow.
Das alte Pfarrhaus und die sanierten Fachwerkhäuser in der Ortsmitte
„Kirchberg hat ein reges Vereinsleben. Das versorgt uns mit vielen Veranstaltungen am Wochenende“, sagt Christel Back, Ordnungs- und Hauptamtsleiterin.
„Die berühmteste Familie des Ortes ist die Familie Staudenmayer, die in der Hungersnot im 18. Jahrhundert Darlehen an die Gemeinde gegeben hat“, so Christel Back.
Die St.-Anna-Kapelle ist ein bekannter Wallfahrtsort. Die Dorflinde im Gemeindeteil Hollenbach wird auf mindestens 700 Jahre geschätzt.
„Wandern oder Kanu fahren im Jagsttal. Im Sommer fährt man an die Badeseen“, sagt Bürgermeister Robert Böhnel.
„Eindeutig Gerhard Sturm, der 1963 die Firma ebm-papst gegründet hat“, so Robert Böhnel.
Der Silberberg mit Bergwerk und einem kleinen Museum
Im Winter: Ski fahren am Großen Arber; im Sommer: Boot fahren auf dem Großen und Kleinen Arbersee
„Der Kammersänger Prof. Dr. Bernd Weikl wuchs in Bodenmais auf und lebte viele Jahre hier. Er hat heute noch ein Haus in Bodenmais“, sagt Andreas Lambeck, Geschäftsführer von Bodenmais-Tourismus.
„Der Friedhof mit seinen uralten Baumbeständen und die vielen Weingüter in der Gegend“, so Bürgermeister Peter Klein.
„Wandern und in den vielen Hütten einkehren“, sagt Bürgermeister Peter Klein.
Der Pädagoge Michael Brater
Die gotische Stiftskirche von 1274, die Teile einer romanischen Vorgängerkirche birgt
„Sie radeln und wandern und engagieren sich in unseren zahlreichen Vereinen, die uns regelmäßig Feste bescheren“, sagt Marie-Luise van Thiel, Schriftführerin der Gemeinde Rasdorf.
Der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Josef Budenz klärte die Herkunft der finnisch-ugrischen Sprachfamilie.
Die Götzenburg, Geburtsort des Ritters Götz von Berlichingen
„Wandern, Rad fahren und vor allem Kanu fahren“, sagt Bürgermeister Roland Halter.
Götz von Berlichingen, der Ritter „mit der eisernen Hand“
Die richtig großen Räder werden auf dem Land gedreht. Eine überraschende Übersicht VON KATHRIN HOLLMER / RECHERCHE
SEHENSWÜRDIGKEITEN
h was was!
E R S T P O
VON TERESA FRIES / RECHERCHE & KATHARINA BITZL / ILLUSTRATION
1. DIE KÖNIGS-ALM IN NIESTE (AUSFAHRT KASSEL-NORD) SPEZIALITÄT Statt Hauptgericht einfach die „Große Terrine hausgemachter Eintopf‟ für 6,80 Euro. Zum Nachtisch gibt es Waffeln wie zu Omas Zeiten mit Puderzucker für 3,10 Euro. BESONDERHEIT Es handelt sich um eine richtige Bergalm, schöner Ausblick inklusive. GÄSTE Alpensehnsüchtige // 2. DAS KURHESSEN-LÄDCHEN IN MELSUNGEN SPEZIALITÄT Ahle Wurscht (ganze Wurst ab 7,50 Euro) mit einem Stück Steinofenbrot von der Backerei Stübing nebenan. Für Vegetarier: regionale Käsespezialitäten BESONDERHEIT Die bezaubernde Frau Nancy, die einen alles probieren lässt GÄSTE Ganz Melsungen und patriotische Feinschmecker // 3. DAS AUSBILDUNGSRESTAURANT „UNTERHAUS“ IN HOMBERG (AUSFAHRT MALSFELD) SPEZIALITÄT Wechselnde Wochenkarte, immer zwei Menüs, eins davon vegetarisch, immer mit Tagessuppe und Dessert, nie teurer als 9 Euro BESONDERHEIT Projekt unterstützen, Menü bekommen – inklusive Gemüse vom eigenen Schulbauernhof GÄSTE Einmal querbeet // 4. BRODWOSCHD – FRÄNKISCHE BRATWURSTKÜCHE IN ROTHENBURG OB DER TAUBER SPEZIALITÄT „Drei im Weckla“ (ab 2,50 Euro) BESONDERHEIT Fränkische Spezialitäten werden mit Charme verkauft — entweder in der Gastwirtschaft oder direkt auf die Hand. GÄSTE Echte Frrranken // 5. HIEBL’S NUDELEI IN VÖHRINGEN SPEZIALITÄT Lauchrahmschupfnudeln (5,30 Euro), Käsespätzle mit Salat (6,40 Euro), große Portionen BESONDERHEIT Die „Nudelei“ ist quasi ein Werksverkauf, denn alle Nudeln werden vor Ort frisch produziert und auch verpackt und verkauft GÄSTE Nudelfreunde // 6. SCHUHBAUERS OBERWIRT IN KIRCHDORF (AUSFAHRT ALLERSHAUSEN) SPEZIALITÄT Schweinebraten (8,90 Euro) und Schuhbauers Wrap mit hausgemachten Kartoffelchips (11,50 Euro) BESONDERHEIT Großartiges Essen, bayerisches Ambiente, schöner Biergarten und das alles noch bezahlbar GÄSTE Junge Münchner und alte Stammtischler // 7. METZGEREI GÜNTHER IN SCHAUENSTEIN (AUSFAHRT HOF-WEST) SPEZIALITÄT Schnitzelbrötchen (2,20 Euro), Leberkäsbrötchen (1 Euro) BESONDERHEIT Traditionsmetzgerei mit großer Heißtheke, Käsetheke und Obststand GÄSTE Hier findet jeder etwas // 8. RASTSTÄTTE RODABORN BEI TRIPTIS SPEZIALITÄT Thüringer Bratwürste BESONDERHEIT Die älteste Autobahnraststätte Deutschlands. Verlor allerdings nach dem Ausbau der A9 die Konzession, aus der Raststätte wurde ein Parkplatz. Die Wirte reichen ihre Speisen nun einfach über den Zaun. GÄSTE Neugierige Reisende und solidarische Stammgäste // 9. DIE BITTERFELDER SEEPROMENADE (AUSFAHRT BITTERFELD-WOLFEN) SPEZIALITÄT Der eigene Lieblingsproviant BESONDERHEIT Gefluteter Kohletagebau, bester Ort für das mitgebrachte Käsebrot und eine kurze Badepause GÄSTE Familien, Fahrradfahrer
Die A7 und die A9 gelten nicht gerade als Schlemmerrouten. Du kannst sie aber dazu machen, mit unseren Tipps für einen Imbiss abseits der Raststätten.
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Ein ewiges Hin und reH Morgens zwei Stunden Fahrt zur Arbeit, abends zwei Stunden zurück: Wie sich die Sicht auf das eigene Leben ändert, wenn man plötzlich zum Pendler wird. VON JAN STREMMEL / TEXT & TANJA KERNWEISS / FOTOS
Die Lektion mit den Warteschlangen lerne ich schnell und schmerzhaft. In der Vorhalle des Regensburger Hauptbahnhofs teilen sich die Pendler frühmorgens für ihre letzten Besorgungen in vier Schlangen. Es gibt die Kaffeeschlange vor dem Imbiss, die Zeitungsschlange vor dem Kiosk, die Ticketschlange vor dem Automaten und die Brezenschlange vor dem Bäcker. Was ich am ersten Morgen noch nicht weiß: Die Brezenschlange ist verführerisch kurz, bewegt sich aber so gut wie gar nicht, weil die Bäckersfrau jedem Kunden ausgiebig einen guten Morgen wünscht. Hier stehen nur die Pendler, die zusätzlich zu ihrem Rollkoffer ein gemütliches Zeitpolster in den Bahnhof mitgebracht haben. Kann ich als abgehetzter Neuling natürlich nicht ahnen. Ich will von der Bäckerin nur schnell einen Kaffee, weil in vier Minuten mein Zug fährt. Mit einem Sprint erwische ich ihn noch. Die heiße Brühe schwappt mir in den Jackenärmel. Um Punkt 7.03 Uhr schiebt sich die Regionalbahn aus der Stadt, die nun eine Woche lang mein Wohnort sein wird. Regensburg ist ausnehmend hübsch, schade eigentlich, dass ich nur frühmorgens und spätabends hier sein werde. Aber das war ja die Idee: jeden Morgen und jeden Abend zwei Stunden von Haustür zu Bürotür pendeln. Morgens mit der Bahn nach München und abends zurück. Eine Woche lang um sechs Uhr aufstehen und um 21 Uhr zurückkommen. So wie es in Deutschland viele Menschen täglich tun. Die Idee war, probeweise zwischen Freizeit und Arbeitszeit je eine dicke Scheibe von neunzig Minuten Zugfahrt zu schieben. Mal sehen, was das mit einem macht. Noch bevor ich mich an diesem Morgen in die falsche Schlange stelle, macht mich auf dem Weg zum Bahnhof ein Gedanke nachdenklich: Wann habe ich eigentlich das letzte Mal Morgentau gesehen? Normalerweise verlasse ich das Haus kurz nach neun. Da haben manche Menschen schon Arzttermine hinter sich, die ersten Handwerker machen Brotzeit, die Welt hat ihre Reiseflughöhe erreicht. Aber jetzt, an einem Montag um 6.31 Uhr? Höre ich nur meine eigenen Schritte, die Sonne blinzelt kühl und blass irgendwo hinter der Regensburger Altstadt hervor. Ein schönes Gefühl: Die Sonne und ich haben uns schon lang nicht mehr so früh gesehen. Im Zug bin ich zwar neu, aber nicht komplett unvorbereitet. Ich stelle eine Tupperbox mit Brötchen und den Kaffeebecher auf den kleinen Tisch vor mir im Großraumabteil. Hier in Regensburg ist der zweistöckige Zug noch fast leer, ich habe eine Vierersitzgruppe für mich. Der
kleine Tisch wird ab sofort mein mobiler Frühstückstisch sein. Anderthalb Stunden Kaffee, Brötchen, Zeitung und sonst nix — den Luxus gönne ich mir sonst nur am Wochenende. Wenn ich es so mit meinem neugierigen Pendlerblick betrachte, ist es hier sogar fast wie in meiner Küche; nur dass die Sitze besser gepolstert sind, die Fenster größer und die Aussicht wunderschön. Kurz nach acht nähern wir uns München, das erkenne ich schon lange vor der Durchsage an den Brückenpfeilern: Die Graffitis werden besser. Nach anderthalb Stunden Fahrt habe ich auch die zweite Lektion gelernt. Nur ein Anfänger oder eine Koffein-Mimose bestellt für neunzig Minuten Zugfahrt einen kleinen Kaffee. Schon kurz vor Freising hat er seine Wirkung verloren, und ich verdöse das letzte Drittel der Fahrt. Außerdem dauert die Zugfahrt länger, als mir eine Zeitung reicht. Ich habe schon die hinteren Seiten des Wirtschaftsteils gelesen. Merken: Früher am Bahnhof sein, deutlich mehr Kaffee, zwei Zeitungen oder ein Buch mitnehmen. Der Zug ist jetzt nicht nur morgens mein Frühstückstisch, er ist abends auch mein Wohnzimmer. Und das nervt gewaltig. Denn ich merke: Frisch aus dem Büro, vom Arbeitstag ausgewrungen, fällt es mir deutlich schwerer, fremde Menschen um mich zu haben. Während ich mich sonst nach Feierabend zuerst in mein Sofa fallen lasse, muss ich mich jetzt auf den letzten freien Fenstersitz quetschen. Mir gegenüber sitzt eine Asiatin im Businesskostüm, die von ihrer Aktenmappe aufblickt und skeptisch die fettige Papiertüte in meiner Hand mustert. Ich war noch bei Burger King am Münchner Hauptbahnhof und bereue, nicht noch eine zweite Tupperbox mit Broten dabeizuhaben. Es ist mir peinlich, dass ich das Großraumabteil mit meinem Frittengeruch flute. Andererseits: Was hätte ich tun sollen? Es ist 19 Uhr. Wenn ich in Regensburg ankomme, haben alle Supermärkte geschlossen. Das führt mich zu der Frage, wie man es als Pendler überhaupt schafft, seine Einkäufe zu erledigen. Geht man direkt vom Büro zum Supermarkt und schleppt dann Tüten durch den Zug? Kauft man am Wochenende alles für die ganze Woche? Ich vermute, man braucht vor allem einen toleranten Partner, der einem den Haushalt schmeißt. Als Alleinstehender kann man vier Stunden Bruttopendelzeit am Tag kaum organisieren. Oder etwa doch? Brauche ich einfach etwas Übung, um meine ausgefranste Lebensführung so hinzukämmen, dass sie sich problemlos um
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meinen neuen, streng getakteten Pendleralltag schmiegt? Was ist schließlich mit all den Menschen, die ihr Privatleben über Jahre hinweg rund um stundenlange Zug- und Autofahrten stricken? Teilen die ein Geheimnis, das ich noch nicht kenne — wie bei den Warteschlangen in der Bahnhofshalle? Tag zwei: Ein paar Leute erkenne ich vom Vortag, zum Beispiel den grauhaarigen Polizisten mit der Sporttasche. Er, ich und sieben andere Pendler stehen auf dem Bahnsteig, unsere müden Blicke gehen über die Gleise ins Unendliche, ohne sich zu kreuzen. Schade. Ich hatte gehofft, durch dieses Experiment eine neue Art der Alltagsfreundschaft zu entdecken, eine Schicksalsverbrüderung unter Pendlern, so wie ich zu meiner Nachbarin eine Freundschaft pflege, die nur darauf gründet, dass wir seit Jahren zur selben Tageszeit den Briefkasten leeren. Aber: Sie passiert leider nicht, die Verbrüderung. Auch in den nächsten Tagen nicht. Eine Woche ist einfach verdammt kurz, um Freunde zu machen. Und 7.03 Uhr verdammt früh, um überhaupt zu sprechen. Am zweiten Abend hasse ich mein Leben. Ich bin spät aus dem Büro gekommen, zum Bahnhof gehetzt und springe gerade noch in den Zug nach Regensburg. Es ist 21 Uhr, die Waggons sind fast leer. Eigentlich wäre das angenehm, aber die Heizung ist defekt, im Abteil hat es dreißig Grad, und ich habe nichts zu trinken. Nicht mal für den Schnelleinkauf bei Burger King hat die Zeit gereicht. Noch schlimmer als eine Zugfahrt mit Hunger bei dreißig Grad: eine Zugfahrt mit Hunger bei dreißig Grad ohne Ablenkung. Ich habe mein Buch vergessen, und der Akku meines iPads ist leer. Ich kaufe ein eingeschweißtes Sandwich mit Pute und Ei, das halb so viel kostet wie mein Ticket, und döse schwitzend bis zur Ankunft in Regensburg. Der Gedanke, in derselben Stadt zu wohnen, in der ich arbeite, kommt mir zum ersten Mal so verlockend vor wie die Vorstellung, in einem Bungalow am Strand zu leben. Ich habe genug vom Hetzen und Warten, von den vielen notdürftig gefüllten, aber letztlich toten Stunden im Transit; von der fremden Taktung meines Lebens durch den Fahrplan der Bahn. Es reicht. Und dann wird es Freitag, und etwas ist anders. Ich nehme morgens an meinem mobilen Frühstückstisch in der leeren Vierersitzgruppe Platz. Wie jeden Tag heißt ein Schaffner mich und die anderen Fahrgäste über Lautsprecher willkommen an Bord des Regionalexpress 4253 — und es passiert etwas Merkwürdiges: Anstatt wegzuhören, freue ich mich über diese hundertmal gehörte Floskel. Der Zug fühlt sich inzwischen tatsächlich an wie etwas Gemütliches, Heimeliges.
Draußen regnet es, die Wiesen und Bauernhöfe stehen in braun glänzendem Matsch. Ich sitze wie immer im oberen Stockwerk des Zugs, und bei dem Regenwetter fühle ich mich unter der niedrigen Decke ein bisschen wie in einer Höhle mit Panoramafenstern. Anstatt mich wie bisher mechanisch durch zwei Zeitungen zu fressen, nehme ich ein Brötchen, lege den Kopf ans Fenster und genieße die Fahrt. Ich kenne die Strecke jetzt fast auswendig und nehme den Weg zur Arbeit nicht mehr in quälend langen Minuten wahr, ich erlebe ihn in größeren Sinnabschnitten. In Ergoldsbach blicke ich wie jeden Morgen auf die Dachziegelfabrik, die da liegt wie auf einem Kupferstich. Pünktlich nachdem ich mein erstes Brötchen gegessen habe, schiebt sich Eggmühl in mein Sichtfeld. Kurz darauf steigen die Landshuter Berufsschüler zu, und ich weiß: Jetzt wird es eine Viertelstunde lang lauter. Ich höre so lange über Kopfhörer Musik und stelle mir vor, die vorbeifliegende Landschaft sei das Video dazu. Schwer zu sagen, was genau sich getan hat. Bin ich jetzt eingependelt? In München bin ich auf dem Weg zur Arbeit immer leicht gestresst, selbst wenn ich pünktlich bin. Ich nehme, je nach Uhrzeit und Wetter, mal die S-Bahn, mal die U-Bahn, mal das Fahrrad. Ständig muss ich auf kleine Änderungen und Verspätungen reagieren, wegen einer Baustelle einen anderen Radweg nehmen oder spontan in den Bus umsteigen. Je länger und gleichförmiger aber der Weg zur Arbeit ist, desto entspannter bin ich. Ich kann vom Zug aus zehn Kilometer weit über die Hügel blicken. In der S-Bahn gucke ich eigentlich nur aus dem Fenster, um Mitreisende auf dem Sitz gegenüber nicht anstarren zu müssen. Hier sehe ich Bauernhöfe, vor denen sich Brennholz stapelt. Einen verlassenen Bagger auf einer Wiese. Einen Maibaum neben einem Sportplatz. Ich fühle mich wie ein Dichter der Romantik, ergriffen von der Natur und angenehm klein. Der Weg zur Arbeit ist wie ein Spaziergang im Sitzen. Kurz vor dem Münchner Hauptbahnhof packe ich zum letzten Mal meine Tupperbox in den Rucksack, der Schaffner wünscht mir und den anderen Fahrgästen übers Mikrofon „weiterhin einen angenehmen Tagesverlauf“. Ich atme ein und fühle mich gut durchlüftet, bereit für den Tag und kribbelnd vor Tatendrang. Vielleicht bin ich jetzt angekommen im Rhythmus der Pendler, so wie man beim Wandern immer erst in den Tritt kommen muss. Möglicherweise hat meine gute Laune aber auch mit dem wunderbaren Gedanken zu tun, der mich schon durch den ganzen Morgen trägt: Das mit dem Pendeln ist ab heute erst mal wieder vorbei.
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Und ich bin wieder allein, daheim Jeder sagt unserer Autorin, wie gut sie es hat in ihrem Homeoffice. Sie kann das nicht mehr hรถren. VON KATHRIN HOLLMER / TEXT
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Ich habe meine Wohnung seit drei Tagen nicht verlassen. Jeden Morgen bin ich aufgestanden, ins Bad gegangen, habe mich für den Tag fertig gemacht und saß kurze Zeit später am Schreibtisch. Ein paar Tage in der Woche arbeite ich im „Homeoffice“. Viele Menschen sagen mir, dass sie das auch gern machen würden. Mein Freund zum Beispiel. „Dir sagt den ganzen Tag niemand, was du tun sollst, keiner stört dich“, sagt er, während er morgens um halb acht seine Jacke anzieht, um dann zur Arbeit zu verschwinden. Jede Woche erscheint eine neue Homeoffice-Studie. Darin steht dann, dass Heimarbeiter zufriedener und seltener krank sind. Heimarbeiter machen weniger Pausen, und sie sind bis zu 22 Prozent produktiver als Büromenschen, weil man doch im Büro im Schnitt alle elf Minuten unterbrochen wird und ein Drittel der Zeit sowieso mit sinnlosen Telefonaten und Besprechungen verbringt. Ich kann das nicht mehr hören. Weil es das Internet gibt, kann ich von überall arbeiten. Ich dachte früher oft darüber nach, wie viel mehr ich schaffen würde, wenn nicht zehnmal in der Stunde eines der zehn Telefone im Großraumbüro klingeln würde, wenn nicht ständig jemand zur Tür reinkommen würde. Ich dachte daran, wie schön es wäre, wenn ich mir nicht immer ein Ohr zuhalten müsste, um meinen Gesprächspartner am Telefon zu verstehen. Nun habe ich meinen Frieden. Ich kann mich besser konzentrieren, ich schaffe mehr – und doch halte ich es kaum noch aus an meinem Schreibtisch in der Wohnung. Meine To-do-Liste wird ständig mit neuen Punkten gefüttert, ich bin gut beschäftigt. Trotzdem fühlt es sich nicht nach Arbeit an. Es fühlt sich eher nach Kranksein an. Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde ständig mit einer leichten Erkältung zu Hause sitzen. Wahrscheinlich ist es eine Typfrage, ob einem das Homeoffice liegt. Christine Merkle zum Beispiel kommt gut damit klar. Die 27-jährige Sachbearbeiterin bei Daimler in Stuttgart arbeitet seit Januar bis zu drei Tage in der Woche von zu Hause, damit sie auch tagsüber für ihr Pferd da sein kann. Zum Arbeiten hat sie ein kleines Bürozimmer in ihrer Wohnung. „Da habe ich auch schon für das nebenberufliche Studium gelernt. Das ist ein Ort, an dem ich in Arbeitsstimmung bin“, sagt sie. Nun: Ich habe auch ein Arbeitszimmer. Und einen großen Schreibtisch, einen ordentlichen Schreibtischstuhl, viel Licht und alles, was man in den vielen Homeoffice-Ratgebern sonst noch liest. „Ich stehe genauso früh auf, wie wenn ich ins Büro fahre, fange aber früher an, weil der Weg wegfällt“, erzählt Christine weiter. „Und ich nehme mir auch zu Hause vor, wann ich ‚raus‘ aus dem Büro will“, sagt sie. Ich selbst sitze oft bis spätnachts am Schreibtisch. Manchmal stehe ich fast den ganzen Tag lang nicht auf — sobald ich etwas anderes mache, plagt mich das schlechte Gewissen. Und trotzdem bin ich nicht zufriedener, wenn ich nach Mitternacht mein Laptop zuklappe. Außerdem verschanze ich mich mittlerweile zu Hause wie in den Wochen vor der Diplomarbeitsabgabe. Ich fühle mich einsam dabei, obwohl ich sonst gern allein bin. Vor allem abends, wenn mein Freund unterwegs ist und ich die Wohnung für mich habe. Das ist aber etwas anderes, als den ganzen Tag allein zu Hause zu sein. Da fehlt es mir, dass keiner zur Tür hereinkommt und zum Mittagessen oder Kaffeetrinken trommelt. Mari Lo Grasso, 34, aus Düsseldorf kennt dieses Gefühl.
Seit Februar arbeitet die Personalberaterin bei Vodafone Deutschland zwei Tage in der Woche zu Hause, unter anderem wegen ihrer beiden Kinder. „Ich lerne gerade, Grenzen zu ziehen und abends zu sagen: So, ich habe heute viel geschafft, jetzt mache ich Feierabend“, erzählt sie. Morgens schreibt sie sich eine To-do-Liste für den Tag, bevor sie sich mit dem Laptop an ihren Küchentisch setzt. „Wenn die realistisch war und ich damit gut durchgekommen bin, sage ich mir das und stelle mir vor, wie ich im Kopf ‚ausstemple‘.“ Das mit dem Ausstempeln geht einfacher, wenn zwischen Arbeitsplatz und Bett mehr als zwei Meter Abstand sind. Aber wie stemple ich aus, wenn ich nicht das Gefühl habe, eingestempelt zu haben? Ich bin eigentlich kein Fan von Anwesenheitspflichten. Aber nach einem Tag im heimischen Arbeitszimmer kann man leicht das Gefühl bekommen, nirgendwo dazuzugehören. Davon schrieb auch YahooChefin Marissa Mayer, als sie vor Kurzem alle Mitarbeiter aus ihren heimischen Arbeitszimmern zurück ins Unternehmen beorderte. Es ging ihr um „eine Zusammenarbeit, die nur in unseren Büros möglich ist“. Mayers Ansage hat viele Menschen verwirrt, weil sie einem Trend widersprach. Laut Studien arbeitet in Deutschland jeder Dritte ganz oder teilweise im Homeoffice. Und es werden mehr. Auch David Vornholt, 34, hat sich für den Schreibtisch zu Hause entschieden. Seit fünf Jahren arbeitet er von Hannover aus als Senior Consultant bei der IndiTango AG in Hamburg. Meist ist er drei bis fünf Tage in der Woche zu Hause. So kann er seine Tochter vom Kindergarten holen oder zum Arzt bringen, während seine Frau arbeitet. Vornholt glaubt, dass es wichtig ist, den Anschluss an die Firma nicht zu verlieren. Telefonisch und über Videokonferenzen ist er mit Kollegen verbunden. „Vom Homeoffice aus muss man Feedback aktiv einfordern und den Chef oder die Kunden direkt fragen, ob alles gepasst hat“, sagt er. Mir fehlt nicht nur das Feedback. Die Stille, die ich mir im Büro immer wünsche, halte ich zu Hause nicht aus. Hier gibt es keinen, der stört, wenn ich es nicht will. Aber eben auch nicht, wenn ich es will. Deshalb lasse ich zurzeit im Hintergrund irgendeine Fernsehserie laufen, damit es nicht ganz so ruhig ist. Forscher von der University of Chicago haben neulich herausgefunden, dass das keine dumme Strategie ist. Ein gleichmäßiger Geräuschpegel im Hintergrund lässt uns kreativer arbeiten. Vielleicht sind es die kleinen Tricks, die die Heimarbeit so angenehm machen, wie es sich manche vorstellen. Ich muss mir, wie Mari, erreichbare Tagesziele setzen, die ich abhaken kann. Ich muss bewusst einstempeln und nicht einfach ohne Zwischenschritt vom Bett an den Schreibtisch wechseln. Ich muss selbst den Kontakt zur Redaktion suchen, mich verabreden, rausgehen. Es ist schon verrückt: Zu Hause kann ich arbeiten, wie ich will. Aber wie man das macht, muss ich auch erst mal lernen.
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Eine Frage der Integration Kleiner Hinweis für all die Romantiker in ihren Stadtwohnungen: Wer aufs Dorf zieht, hat es groß und grün und ruhig, begibt sich dafür aber in ein ziemlich enges Geflecht aus Verpflichtungen. VON FABIAN FUCHS / TEXT & UWE JENS BERMEITINGER / FOTO
So vielleicht nach zehn Jahren mit U-Bahn-Monatskarte kommt das urbane Leben in eine Häutungsphase. Das ist ganz normal. Man lebt dann zwar noch in der Stadt, aber wenn man Altersgenossen trifft, redet man irgendwann übers Land. Das hängt mit einem tief verankerten Wahn zusammen, wonach ein eventuell demnächst zu zeugendes Kind lieber im Grünen aufwachsen soll oder das eventuell demnächst zu erwerbende Eigentum mehr Spaß macht, wenn man für sein Geld ein ganzes Gehöft bekommt und nicht nur eineinhalb Zimmer Souterrainwohnung. Billiger, ökologischer, schöner – das Leben weit jenseits der Stadtgrenzen sieht in dieser etwas labilen Häutungsphase des Städters schnell aus wie ein Arkadien mit Gummistiefeln. Wie mit den meisten Sehnsüchten ist es, wenn man mal wirklich dort angelangt ist, aber doch ganz anders. Viele, die in der Feierabend-UBahn davon schwärmen, werden das niemals erfahren, weil auf die Häutungsphase – wenn überhaupt – nur ein Kompromiss mit S-BahnAnschluss folgt. Und wo die S-Bahn noch hinfährt, ist nicht das richtige Land. Das kann ich sagen, denn ich bin zwar einst in den dritten Stock einer städtischen Mietwohnung hineingeboren worden, verbringe mittlerweile aber ein paar Monate des Jahres in einem Dorf, in dem die Telefonnummern dreistellig sind. Hat sich zufällig so ergeben. Es ist richtiges Land, ohne Bahnhof, ohne schnelles Netz, aber mit durchaus interessanter Infrastruktur. Zumindest wenn man sich für konventionelle Landwirtschaft interessiert. Schön ist es da, es gibt das ganze Zeug, von dem man so liest, ja auch wirklich: Morgennebel
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zwischen Apfelbäumen, Tautropfen an Spinnennetzen, die gute Luft und Böllerschützen. Aber das alles gibt es nur scheinbar for free. Das Dorf will auch was dafür. Das Dorf will Deine Geheimnisse . Ein großer Vorteil der Stadt ist ihr Schluckreflex. Sie verschluckt ihre Bewohner, die Namen, die Gesichter. Der Grundzustand dort ist: Es kann jeder machen, was er will, morgen kommt die Straßenreinigung und kehrt alles unter den Asphalt. Diese Anonymität der Großstädter wird gern beklagt, aber das Gegenteil ist mindestens genauso beklagenswert: die Öffentlichkeit der Dorfbewohner. Alles, was du tust, wird bemerkt. Auch das, was du nicht tust. Wenn du einen schlechten Tag hast und an dem nicht vor die Tür gehst, fällt das auf. Wenn Freunde anderen Geschlechts über Nacht bleiben, wird gefragt. Ob das Gras zu lang, die Hose zu kurz, die leeren Weinflaschen zu viele – alles wird bemerkt, alles muss erklärt werden. Das ist gar nicht böse gemeint, man ist nur eben auf einmal Teil einer Gemeinschaft, in der sich die meisten schon das ganze Leben lang kennen, und bekommt bald die gleiche Aufmerksamkeit. Meistens sogar noch mehr, weil man neu ist. Und vergessen wird nichts, zumindest die ersten vierzig Jahre lang. Was dazu führt, dass sich durch das ganze Dorf unsichtbare Fehden ziehen, in die man sich prima verwickeln kann. Das Dorf will keinen input. Sicher, du kannst mit deinen Hunter-Gummistiefeln, dem französischen Kastanienzaun, dem hölzernen Badezuber und dem Biogarten
ankommen. Das Dorf wird dich diese Landrequisiten für Städter ausbreiten lassen und so nett sein, dich nicht direkt dafür auszulachen. Sie werden es einfach nicht erkennen. Die Anbiederung via Manufactum-Katalog geht ins Leere, das ist für sie genau das Spielzeug, das es ist. Das gab es hier noch nie, genau wie Romantik oder Großmutters geheimes Marmeladenrezept. Das Schlimmste wäre: gleich Lokalrunden schmeißen oder anregen, einen Dorfladen zu eröffnen. Das klappt erst nach ein paar Jahren und wenn noch mindestens dreißig Prozent mehr Zugezogene im Dorf leben, die dann im Dorfladen einkaufen. Den Hauruck-Pitch-Enthusiasmus aus den Konferenzen und Partizipationsgremien der Stadt kann man hier nicht abrufen. Gut so. Wenn du wirklich Eindruck schinden wirst, bleib bei deinen Stadtgewohnheiten, trag Pappbecher voll Kaffee über den Friedhof, und geh mit Kopfhörern joggen. Das ist für alle leichter zu verkraften. Das Dorf verlangt entscheiDung . Da sollte man sich nichts vormachen: Für Unentschlossene und Ausprobierer ist die Stadt der richtige Spielplatz, wo es alles jederzeit gibt und jede Fehlentscheidung oder Orientierungslosigkeit unbemerkt bleibt. Wer auf das richtig weite Land zieht, braucht eine solide Lebensführung und vor allem die Überzeugung, mit dem eingeschlagenen Weg glücklich zu werden. Wechselwähler, Langschläfer, Schnupperkurse, kostenlose Testversionen – das wurde alles nicht für die Provinz erfunden. Wenn der nächste Supermarkt fünfzehn Kilometer Landstraße entfernt ist, sollte man eine gewisse Haushaltsplanung
hinkriegen. Unsicherheit im Angesicht von Tieren und rangierenden Landmaschinen ist genauso hinderlich wie eine nicht abgeschlossene Partnersuche. Man kann davon ausgehen, dass alle, die noch im Dorf leben, in ihrer eigenen kleinen Trutzburg aufgehen. Bist du gläubig? Willst du dich wirklich in der kommunalpolitischen Minderheit aufreiben? Gibst du den Heiligen Drei Königen Geld oder Süßigkeiten, wenn sie an die Tür klopfen? Auf diese Fragen sollte man Antworten haben, bevor man das süße Ungefähre der Metropole verlässt. Das Dorf will Dich. Es gibt Vereine. Es gibt die Kirche. Es gibt den Stammtisch. Das sind die Gelegenheiten, bei denen man hier zusammenkommt, das ganze Leben lang, und am Schluss stehen alle deine Vereine um dein Grab und sorgen dafür, dass du eine schöne Leich wirst. Das wird dir in der Stadt nie passieren. Es sind also ziemlich wichtige Institutionen gegen die Einsamkeit. Wer dabei ist, wird überhaupt erst wahrgenommen. Wer mithilft, den Maibaum aufzustellen, und seinen Osterkorb weihen lässt, ist beinahe drin, im Dorf. Jegliche Dünkelhaftigkeit gegen Vereine – von wegen Brutstätte des Dumpfsinns oder so – ist also sofort mit dem Umzug aufs Land abzulegen. Die Vereine sind da, und wenn du auch da sein willst, solltest du zumindest einmal irgendwo beitreten. Ist gar nicht so übel.
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Ehe ich fast den ganzen Tag sitze, stehe ich am Morgen im Aufzug. Er fährt mich zwanzig Stockwerke weit nach oben. Hinein in ein Büro, in dem ich einen eigenen Tisch habe, auf dem meine Dinge liegen und in dessen Schubladen Tee, meine Halstabletten gegen die letzte Erkältung, mein Ersatzladegerät fürs Handy und diverse andere Sachen lagern. Dieser Tisch mit den vollen Schubladen in dem Büro im zwanzigsten Stock ist wie ein zweites Zuhause. Dort verbringe ich seit mehr als eineinhalb Jahren (fast) täglich beinahe genauso viel Zeit wie in meinem richtigen Zuhause. Manchmal sogar mehr. Eigentlich wollte ich nie einen Bürojob haben. Ich habe mir immer vorgestellt, ich würde niemals so arbeiten wie meine Elterngeneration, sondern jeden Tag woanders und dauernd auf den Beinen sein. Doch dann kam dieses Jobangebot, und seitdem arbeite ich die meiste Zeit in einem Großraumbüro mit acht anderen Menschen. In einem sehr modernen Hochhaus, in dem jeder seinen Arbeitsplatz mit rückenschonendem Stuhl hat, in dem es dauernd nah am Vertrocknen dahinvegetierende Büropflanzen und Küchendienste gibt, in dem Teambuilding-Maßnahmen, Fortbildungen und Betriebsversammlungen durchgeführt werden. Ich fühle mich in diesem riesigen Haus manchmal sehr klein. Ich weiß meistens nicht, was in den anderen Stockwerken und Büros geredet und gearbeitet wird. Nur manchmal bekomme ich etwas davon mit, weil eine andere Büropartei meine Büropartei oder sogar mich selbst kontaktiert oder ich jemanden kontaktiere, weil ich Hilfe oder Infos aus einem anderen Arbeitsbereich als meinem eigenen brauche. Das ist dann, als würden die Nachbarn bei meiner WG klingeln und fragen, ob wir mal zusammen kochen wollen, oder als würde ich nebenan fragen, ob ich mal den Hammer ausleihen darf. Dann bekommt man einen Einblick in das Zuhause der anderen in diesem viel zu groß geratenen Mehrfamilienhaus am Rande der Stadt, dem Zweitwohnsitz all derer, die jeden Tag hierherkommen und viele Stunden auf ihren rückenschonenden Stühlen sitzen, an Tischen, die im Prinzip alle gleich aussehen, von ihnen aber durch allerhand Kram individualisiert werden. Abseits dieser sporadischen Kontakte bleiben die anderen Parteien vage. Natürlich wabern Gerüchte und Ahnungen durch die Aufzüge und Flure, das Treppenhaus und die Kantine. Irgendjemand weiß nämlich immer Bescheid. So wie die alte Dame, die jeden Tag am Fenster steht und im Blick hat, wer
kommt, wer geht, wer beim Friseur war, wer schwanger ist, wer sich getrennt und wer geheiratet hat. Manchmal lauscht man diesen Ahnungen gern, manchmal verkriecht man sich aber auch lieber in seiner eigenen WG und in seinem Zimmer und setzt sich im Büro an den Schreibtisch, mitten hinein in die wohlbekannte Kollegengemeinschaft, duckt sich hinter den Bildschirm, setzt die Kopfhörer auf und hofft, dass der Blick der alten Dame einen nicht gestreift hat und man nicht als Teil einer Ahnung durch das Treppenhaus wabert. Das Bürozuhause gibt mir, mehr als jeder Klassenraum in der Schule und jeder Vorlesungssaal in der Uni, das Gefühl, angekommen zu sein. Früher hat man dauernd den Platz gewechselt, nirgends eine Spur hinterlassen, ständig ging man woandershin, und jemand anders saß dort, wo man kurz zuvor selbst noch gesessen hatte. Man war ein Platznomade und besiedelte neue Tische wie Wohnungen zur Zwischenmiete. Jetzt habe ich einen festen Wohnsitz und habe mich dort häuslich eingerichtet. Aber das Gefühl, angekommen zu sein, birgt auch die Angst, aus Trägheit nie wieder wegzugehen. Irgendwann festzustellen, dass man sich mit dem bequemen Stuhl und der trockenen Pflanze so sehr arrangiert hat, dass man übersieht, wenn ein Umzug angebracht wäre. Das wäre Cocooning am Arbeitsplatz. Und davor habe ich, trotz aller Wohnlichkeit, ein bisschen Angst.
IMPRESSUM jetzt LEBEN&JOB Eine Verlagsbeilage der Süddeutschen Zeitung im Juni 2013 Verlag Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München, Tel. 0 89 / 21 83 - 0 Chefredakteur Kurt Kister Verantwortlich im Sinne des Presserechts Dirk von Gehlen Redaktion Peter Wagner Art Director Joanna Swistowski Schlussredaktion Isolde Durchholz Anzeigen (verantwortlich) Jürgen Maukner Kontakt Tel. 0 89 / 21 83 - 82 73, stellen-anzeigen@sueddeutsche.de Anzeigenpreise unter http://sz-media.sueddeutsche.de Repro Compumedia GmbH, Elsenheimerstraße 59, 80687 München Druck Firmengruppe APPL, PRINT.Forum Druck GmbH, Neulandstraße 40, 74889 Sinsheim Der Verlag übernimmt für unverlangt eingesandte Unterlagen keine Haftung. Das Papier des Magazins jetzt LEBEN&JOB wird aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestellt. Bei Nichterscheinen durch höhere Gewalt oder Streik kein Entschädigungsanspruch. Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Zeitschrift und aller in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt. Insbesondere ist eine Einspeicherung oder Verarbeitung der auch in elektronischer Form vertriebenen Zeitschrift in Datensystemen ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Veröffentlichung gemäß Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Pressegesetz Alleinige Gesellschafterin der Süddeutsche Zeitung GmbH ist die Süddeutscher Verlag GmbH, München. An dieser sind beteiligt: Südwestdeutsche Medien Holding GmbH, Stuttgart: 81,25 %; SV Friedmann Holding GmbH, Grünwald: 18,75 %.
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