BLVD.

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BLVD Stars & Sternchen .Freaks & Flittchen.

blvd-magazine.com | No. 03 | Juli 2009

CHESTER BENNINGTON. Urbane Shirt-Designs im Linkin Park.

THERESA FLYNT. Being Porn - die Tochter des Großen Alten.

THE BOSS HOSS. Reiten wieder. Showdown bei Tagesanbruch.

JEWELS GOOD. Suck my Seeräuberdegen. Berlins aufregendste Artistin.

GOSSIP.

Karl Lagerfelds Runway-Rebellen über Musik für Männer.


Editorial. | Wenige Worte

WE ARE BOULEVARD.

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ugegeben. Wir sagten es bereits so oder so ähnlich. Vielleicht aber auch ganz genau so. Irgendwo. Muss also irgendwie stimmen. Denn: Am Ende war das Wort. Und am Anfang BLVD.

In aller Kürze.

NICHTS FÜR WEICHEIER!

SIE SIND DIE GÖTTER DES METAL, UND DU NUR EIN MENSCH... VIEL GLÜCK DAMIT!

BLVD. ist der Balanceakt auf dem Stacheldrahtseil. Sex. Drama. Und Action auf 36 Seiten, die die Welt bedeuten. The Stars, the Sternchen. Und auch die Freaks und die Flittchen. Twilight Zone in Text und Bild. Musik, Fashion, Film und alles andere, was wild und gefährlich ist. Entertainment zwischen Glam und Gosse; zwischen ganz oben und ganz unten. Your ultimate Blitzlichtgewitter in trüben Zeiten. Zeiten für die großen Worte. Welcome home und gute Unterhaltung mit BLVD,

Alexander van Hessen (Herausgeber)

Metallica und 21 Gast Bands - Ab jetzt erhältlich für Guitar Hero! Metallica.guitarhero.com

Thomas Clausen (Chefredakteur)

BLVD 3 Guitar Hero Metallica © 2009 Activision Publishing, Inc. Guitar Hero, Activision and RedOctane are registered trademarks of Activision Publishing, Inc. Metallica is a registered trademark of Metallica. Wii and the Wii logo are trademarks of Nintendo. © 2006 Nintendo. Microsoft, Xbox, Xbox 360, Xbox LIVE, and the Xbox logos are trademarks of the Microsoft group of companies and are used under license from Microsoft. ”PlayStation”, ”PLAYSTATION”, and ”2” Family logo are registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. The ratings icon is a registered trademark of the Entertainment Software Association. All other trademarks and trade names are the properties of their respective owners. All rights reserved.


Inhalt.

BLVD. #3 DA GEHT´S LANG. .03 Editorial .06 News

.08 Der Auswanderer

.09 Theresa Flynt

.12 Models Are Rockstars

.10 The BossHoss

.19 Messer Chups

.20 Kat von D

.13 Ve`cel

.14 Gossip

.22 Classicdepot

.26 New York Dolls .27 Guido Dossche

.28 Jewels Good

In HALT. Feature Kolumne Fashion Interview Fragebogen Redaktionelles BLVD 4

.34 Preview

.30 Reviews

.33 Fragen an.

D A S

N E U E

M A G N U M

TEMPTATION F

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I

.32 .31 Tommy Lee

Impressum

M y Magnum.de

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News.

„I`M MARRIED. WE JUST WATCH PORN. IT`S LIKE HAVING AN ORGY WITHOUT HAVING AN ORGY.“ Die Welt liebt schöne Zitate. Wie das hier von Papa Roach-Frontmann JACOBY SHADDIX auf die Frage nach seiner Lieblingssexmusike. Bekenntnis des Monats.

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essage in a bottle: Zwar ist die in Fachkreisen als spektakulär bejubelte Zusammenarbeit zwischen Haute Couture-Ex-Wunderkind JEAN PAUL GAULTIER und Evian Mineralwasser eine halbe Saison her, die zeitlose Entbehrlichkeit des kristallenen Luxusleerguts nichts desto trotz fünf Zeilen wert. Wir warten lieber Karl Lagerfelds semi-philosophische TwitterLebenszeichen ab. Und trinken Tee.

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enn tolle Schauspielerinnen an RockAlben arbeiten. Dann? Sollte man unbedingt die News im Privatfernsehen verfolgen. SCARLETT JOHANSSON hatte seinerzeit schon in „Lost In Translation“ ihre geheimen Shoegazer-Talente ausgepackt. Nach ihrer unwirklichen Liveperformance mit den großen Jesus And Mary Chain veröffentlicht das inoffizielle Cocteau Twins-Fan Girl nun mit „Break Up“ den Nachfolger ihres letztjährigen „Anywhere I Lay My Head“-Longplayers: Eine Kooperation mit Mr. Pete Yorn, die hauptsächlich von Schlafstörungen und Serge Gainsbourg inspiriert wurde. Klingt vertraut.

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uch wenn der Name drei Sekunden lang an den Prototypen des ersten vollautomatischen Wäschetrockners aus den 60er Jahren erinnert - mehr Sex geht nicht. Nicht beim besten Willen. SPINNERETTE ist die neue Band von Rock-Skandalnudel BRODY DALLE. International bekannt aus Ausnüchterungszellen und von freizügigen Aufnahmen an den Posterwänden männlicher Heranwachsender. Nach der Scheidung von Punkrocker Tim Armstrong und der Auflösung der Distillers versucht sich das australische Schneewittchen auf dem selbst betitelten Debütalbum als geläuterte Familienmutter mit Faible für elektronische Einflüsse. Ohne verschmiertes Make-Up, but sexy as usual. Demnächst live: 31.08. München (59 To 1), 01.09. Berlin (Columbia Club), 02.09. Hamburg (Knust), 03.09. Köln (Luxor). Werdet verliebt. BLVD 6

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anz, ganz eigentlich finden wir MARILYN MANSON halbwegs okay. Wegen Shock Rock und so. Was Brian Warner last recently dem Daily Mirror verriet, macht uns ein wenig verlegen. Bittere Tränen seien geflossen, so die britische Tageszeitung. Weil: Sein Tourmanager den Drogennachschub verweigerte. So was. Erwähnenswert wäre noch MMs „Soloauftritt“ bei den Anonymen Alkoholikern, bei dem er von einem seiner Zechgenossen um ein Autogramm gebeten wurde. Zitat Daily Mirror: „I got pissed off, I think you should be able to go in there wearing a mask and say, ‚I‘m an alcoholic, I‘m anonymous.“ Auf Fotos verzichten wir an dieser Stelle. Nichts zu danken.

nd auch Borderline-Syndrom-Patient JARED LETO („Requiem For A Dream“) macht mit seinen 30 Seconds To Mars im Herbst mobil. Das ideologische Retrofutureneopostrock-Albumkonzept müssen wir uns beizeiten wieder en Detail von rotwangigen Schulschwänzerinnen nach den Shows erklären lassen.

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as haben Antwerpen und Los Angeles gemeinsam? Wahrscheinlich nicht allzu viel, sieht man von visionären Köpfen wie FashionDekonstruktivist MARTIN MARGIELA ab. Neues Zeug zum Schocken und Geschocktwerden gibt’s ab sofort im gut sortierten Fachhandel oder bei den freundlichen Kollegen von www.oki-ni. com.

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ornodarstellerin und Feministin - gleichzeitig? Kein Problem. Und wer seine Fickfilme nicht stolz im Wohnzimmerregal zur Schau stellt, gilt als Langweiler. Grund genug für den deutschen Dokumentarfilmer Jens Hoffmann, sich für die Pussy-Doku „9 TO 5 - DAYS IN PORN“ ins Tal der gespreizten Schenkel, San Fernando Valley, zu begeben. Tiefe Gespräche mit Stars und Sternchen wie Belladonna, Bobbi Starr oder Sasha Grey über Leben und Erfahrungen in der Branche. Im Gegensatz zum reißerischen, aber dummen „Inside Deep Throat“ sehr spannend und auch ein bisschen aufschlussreich. Wird mit Wahrscheinlichkeit eher eine schnelle Nummer im Programmkino werden statt des verdienten Multiplex-Gangbangs. Außerdem können wir uns nicht verkneifen, auf Uli Schüppels neue Dokumentation über das Schaffen der Einstürzenden Neubauten hinzuweisen: „ELEKTROKOHLE (VON WEGEN)“. Gerade noch im Kino, morgen schon für Zuhause.

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utos, Frauen und Pomade-Junkies auf 240 Seiten. Zum Lesen, Anschauen. Besserverstehen für die kleine Minderheit, die bisher noch nicht dem Hot Rod-Fieber und seinen drastischen Folgen erlegen ist. In „HOPPED-UP“ demonstriert der Berliner Fotograf David Biene bildgewaltig die Auswirkungen einer kollektiven Leidenschaft und zeigt auf, wo die goldenen 40ies und 50ies noch lange nicht vorbei sind. Some call it Eskapismus, some call it Nostalgie.

halb, weil nicht weniger als 104 Kreditkarten auf den Namen Courney Love an Betrüger ausgestellt wurden. Sagen ihre Rechtsberater. Oh my fuckin God.

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Fakt ist: Petticoat´s not dead yet. Im Buchhandel. Musik included.

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em die jüngsten Nachrichten über Cobain-Witwe/ Hole-Frontfrau COURTNEY LOVE noch nicht runtergekommen genug waren, der darf sich über spektakuläre News über die Grande Dame der Rock-Gosse freuen. Zusammen mit Smashing Pumkins-Mastermind Billy Corgan arbeitet Frau Love momentan nicht nur an ihrem kommenden, für Ende des Jahres geplanten Album „Nobody`s Daughter“ zusätzlich ist eine eigene Clothing Line für das stilvolle Heroin Chick von Welt in Mache. Fast lächerlich erscheint dagegen die Klage, den Loves Anwälten kürzlich von den Kollegen von American Express in die Promi-Kanzlei flatterte. Auf gute 352.059 US-Dollar und ganze 67 Cents würden sich ihre unbezahlten Rechnungen mittlerweile belaufen. Nicht zuletzt des-

erade wurde seine preisgekrönte Dokumentation „Naked Ambition“ veröffentlicht; mit seiner Fotostrecke für das kommende Buch von US-Stand UpComedian/ Late Night-Talkerin Chelsea Handler „Little Nuggets Of Wisdom“ sorgt Celebrity-Foto Artist MICHAEL GRECCO für Furore Galore. Dabei finden wir seine Aufnahmen von HandlerSidekick Chuy fast noch ein kleines bisschen sexier.

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as gilt es sonst noch herauszuschreien? Die Kollegen von RAMMSTEIN gehen im Winter auf Tour. Der hoch geschätzte GERT „The Man“ HOF sorgt höchstwahrscheinlich wieder für das richtige Licht, Luft und Liebe. Wir freuen uns auf kuschelige Konzerthallen und überfüllte Herrentoiletten. Ernst jetzt. We mean it!

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Der Auswanderer. | Eine Kolumne von big boy

Theresa Flynt . | Text. Thomas Clausen | Foto. Gili Shani

L.A. ist die beste Stadt der Welt.

ZU GEIL.

Deutschland über alles. D

as ist meine zehnte Woche in Los Angeles und ich liebe diese Stadt mehr als jede andere. Ich wohne im berüchtigten Cecil Hotel; in den 80er Jahren die erste Adresse für Drogen und das größte Whorehouse in Downtown. Heute gibt es hier hauptsächlich Verrückte, weil man nicht weiß, wohin mit ihnen. Und Prescription Drugs. Die verkauft Obama. Obama steht auf seiner Mütze; seinen richtigen Namen verrät er nicht, weil er ein verurteilter Kinderschänder ist und somit im Internet Register für jeden samt Adresse zu finden. Dann gibt es hier noch Bobby, den Aidskranken mit dem feinen Humor, der am Mittwoch auf meiner Party den Vodka leer getrunken hat und dann auf der Strasse zusammengebrochen ist. Außerdem spielen in meinem täglichen Leben BLVD 8

eine Rolle: Meine Freundin Dienstag, ein echtes Playboy-Model (was hier so ein „big deal“ ist, dass ich es gar nicht begreife), eine Domina, ein Psychiater, eine Ganzkörpertätowierte, eine unglücklich in mich verliebte Hotelmanagerin, die mit dem Anstreicher Romeo vögelt und ihm die Geschichte glaubt, er sei ein reicher Guatemaler, der den Job nur macht, um die große Liebe in Amerika zu finden. Zu Hause hat er sogar seinen eigenen Butler. Seinen persönlichen. Neben den anderen Butlern der Familie. Außerdem ein finnischer Fotograf, die süße Schwarze von der Rezeption und ungefähr fünfhunderttausend Mexikaner. Über allem wacht das LAPD, die wahrscheinlich gefährlichsten Verrückten. Ach, behütetes Deutschland. Vielleicht ist Los Angeles aber auch einfach nur die menschlichste Stadt der Welt. Im Sinne von

Darwin. Niemand hält dich auf. Nicht auf dem Weg nach oben, und nicht auf dem Weg nach unten. Der Staat greift nur ein, wenn du das Gesetz brichst. Dafür umso härter. Ein Prozent der Bevölkerung sitzt im Knast. Es ist nicht wahr, dass jeder es hier irgendwie schaffen will. Nicht in Downtown, wo sich die Wahnsinnigen selbst medikamentieren und von wo man sie jetzt vertreiben will. Denn Downtown, das seine Blütezeit in den Zwanziger, Dreißiger und Vierziger Jahren hatte, soll wieder Uptown werden. Und so reiht sich nackte und schmutzige Armut an die schicken neuen Lieblingsplätze der Hipster. Auch Inglewood, wohin die Schöne von der Rezeption mich manchmal mitnimmt, kann kaum jemand entkommen, aber man kann dort wunderbar mit jeder erdenklichen Waffe schießen. Nur nicht öfter als ein Schuss pro Sekunde, denn das wäre gegen das Gesetz in Kalifornien. Das gilt auch im Ghetto. Und dann gibt es natürlich noch Hollywood. Den Ort der großen Träume. Und wenn sie platzen, kannst du trotzdem bleiben. Du brauchst nur einen Schuldigen oder besser noch, eine Gruppe von Schuldigen. Die Schwarzen, die Weißen, die Scientologen, die Juden, die Freimaurer. Oder die Schwulen, die Velvet Mafia. Bob ist, wie gesagt, zusammengebrochen und die Hotelmanagerin hatte endlich ein wenig Macht über mich und schrie mich an, ich müsse verrückt sein, den Residents Alkohol zu geben. Aber Bob sah für meine Begriffe recht glücklich aus und in ein paar Wochen wird er tot sein. Also, wer ist hier verrückt?

Eine ganze Zeit lang gehörte ihr Vater zu den meistgehassten Männern des gutbürgerlichen Amerika. So leidenschaftlich gehasst, dass man ihn Ende der 70er nach einem seiner zahlreichen Gerichtstermine aus dem Hinterhalt in den Rollstuhl schoss. Doch weder Kugeln noch Knast konnten den weltweiten Aufstieg von Erotik-Verleger Larry Flynt und seinem HUSTLER-Imperium aufhalten. Tochter THERESA FLYNT ist sich der übermenschlich großen Fußstapfen nur allzu bewusst, in die sie ab demnächst treten soll.

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asinos, ganze Sexshops voll mit selbst produzierten Magazinen und Filmen mit Titeln wie „Desperate Housewhores“ oder „Anally Yours, Hillary Scott“, eine eigene Modelinie und seit kurzem eine kleine Schmuckkollektion angenehm unzuhälterhafter Klunker - wo Hustler drauf steht, steckt auch immer der amerikanische Traum drin. Auf die eine oder andere Weise. Vor nicht allzu langer Zeit wurde Theresa Flynt zu einer der „top influential people under the age of 40“ gewählt - was auch immer das heißen mag. Fakt ist: Frau Flynt bekleidet das ehrwürdige Amt der Vizepräsidentin Of Operations, so ihre Visitenkarte. Zielstrebige Geschäftsfrau, solo mit Hunden, von eher biederem Sexappeal und fast zum Knuddeln süß, wenn sie bewundernd von dem Mann spricht, der die käufliche Liebe im großen Stil salonfähig gemacht hat. „I still call him Dad today“, sagt sie und ist sichtlich stolz auf das, was man bisher geleistet hat für Land und Libido. „Wir haben mit diesem SCHMUDDELIMAGE aufgeräumt; gerade die Sexshops in Amerika sind wirklich furchtbare Löcher gewesen: Dunkel, schmierig, einfach unangenehm. Durch unsere Liebesboutiquen ist Sex zu einer schönen und sauberen Angelegenheit geworden!“ Eine, die die Ex-Burger King-Tresenkraft und studierte Betriebswirtin mit Papas Segen demnächst auch hierzulande propagieren und Beate Uhse und Co. den missionarischen Stellungskrieg erklären will. Hustler über alles. Für die gute Sache und das alte Leid. „Europäer gehen viel offener mit ihrer Körperlichkeit um, als wir verklemmte Amerikaner. Ich habe ein paar Messen besucht und kaum meinen Augen getraut: I walked around and you can see boobs, you can see everything! I SAW SOME

GIRLS PULLED A CHORD OUT OF HER PUSSY! Als Vergleich: Wenn ein Mädchen in Vegas auch nur ihre Titten zeigt, würde sie sofort rausgeworfen werden!“ Doch auch in derartigen Angelegenheiten ist die krisenerprobte DesensibilisierungsSonderdivision der Larry Flynt Publishing Group nach eigenen Aussagen bereits am Ball; durchschlagende Erfolgsmeldungen lediglich eine Frage der Zeit. Zeit, von der dem Großen Alten Mann des Porn-Biz und schärfsten Konkurrenten von Playboy-Macher Hugh Hefner möglicherweise nicht mehr viel bleibt. Times they are a-changin`. Being Theresa - ein harter Job. „In erster Linie ist und bleibt er mein Dad, den ich mein ganzes Leben kenne und liebe. I look at him as my father, i feel blessed and lucky to share the time i get because he`s so brillant. Ich weiß, dass es sehr abgegriffen klingt, aber mein Vater ist für mich definitiv ein HELD. In unserer Familie gibt es keine Geheimnisse; jeder spricht ehrlich aus, was ihm durch den Kopf geht. You know what you get. Mein Dad ist das beste Beispiel dafür, die Leute zu ermutigen, offen zu sein und sich zu trauen, für ihre persönliche Meinung einzustehen. Für sein Recht zu KÄMPFEN. Da-

bei sieht sich mein Vater primär als Geschäftsmann. Er ist der Boss, ein Workaholic. Selbst im Urlaub und an Wochenenden reden wir automatisch über die Arbeit - eine Tatsache, die manchmal extrem belastend sein kann. Schon als ich klein war, hat er immer und ständig gearbeitet. Er war zwar da, doch genau betrachtet haben meine Eltern immer mehr Zeit für ihren Job geopfert, als für die Familie. Also habe ich gezwungenermaßen viel Zeit mit unserem Dienstpersonal verbracht...“ Mit dem Koch als bestem Freund und Prinzessin Diana als großem Teenie-Idol. Die tragische Seite der demnächst saubersten Sache der Welt.

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The BossHoss | Text. Georg Howahl | Foto. Erik Weiss

LEB SCHNELL. STIRB JUNG.

Wer als Cowboy überleben will, muss lernen, Staub zu fressen. Das darf man im Falle von THE BOSSHOSS durchaus wörtlich nehmen. Für die Single „Last Day“ wurden die sieben Jungs in die Wüste geschickt. „Let’s get this bitch!“ raunt der BOSS seinem Kollegen HOSS zu, bevor die beiden die pferdestarken Motorbikes unter ihren Hintern durch den Sand pflügen lassen, um einen schwarzen Ford Mustang zur Strecke zu bringen. Ein Schuss aus dem Peacemaker könnte die BLVD 10

Botschaft nicht deutlicher rüberbringen: The BossHoss sind zurück und – oh, shit – sie haben mehr eigene Songs in den Satteltaschen als je zuvor.

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orbei die Tage, in denen kein noch so abwegiger Popsong davor sicher war, von den Berliner Rock’n’Roll-Sheriffs in die Zange genommen zu werden. Auf ihrem Album „Do Or Die“ sind nämlich fast nur eigene Stücke. „Un-

seren Fans geht es längst nicht mehr darum, was für eine Coverversion wir machen“, sagt „Boss Burns“ Alec. „Wir haben ja längst einen eigenen Sound. Am Ende ist wichtig, dass die Songs gut sind. ScheiSSegal, ob der Song eine Coverversion ist oder nicht. Er klingt immer noch nach BossHoss.“ Was man deutlich auf der Single „Last Day“ zu spüren kriegt, einem klassischen Rock’n’RollSong, der gar nicht mehr so viel Country-Einschlag hat. „Wir haben ja nun schon unser viertes Album vorliegen. Und auch vier, fünf Jahre

Entwicklung hinter uns. Wir haben immer mehr eigene Sachen geschrieben, um uns nicht zu wiederholen. Wenn man auf der Stelle tritt, und das dritte, vierte Album Country-Cover macht, dann ist irgendwann der Drops gelutscht.“ Gerade deswegen bot sich „Last Day“ mit seinem klassischen, selbstmörderischen „Live fast, die young“-Motto ideal als Single an. Und als Motiv für eine Verfolgungsjagd unter der Sonne Kaliforniens. „Oh, das war so super. In Kalifornien zu drehen statt in Brandenburg, das ist schon mal ein anderer Schnack. Zu verdanken

haben wir das unserem Regisseur Marc Wilkins. Er hat gesagt: Jungs, jetzt ist mal Zeit für so ein Cowboy-Movie. Ihr seid zwar GroßstadtCowboys, aber ihr reitet nicht auf Pferden, eure Pferdestärken sind in den Motorrädern. Und ihr jagt einen Mustang, weil der gut euch passt.“ Und so waren The BossHoss in den USA und preschten gemeinsam auf Harleys, Triumphs und Hondas durch die Wüste – alles zum ersten Mal. Zum ersten Mal? Immerhin klingen die Jungs so, als wären sie ständig dort unterwegs, wenn sie sich in bestem Kaugummi-Amerikanisch ihre Ansagen zuraunen. „Nee“, sagt Alec, „als Band waren wir vorher noch nie in den Staaten. Jeder einzelne alleine schon. Wir haben bisher kein Konzert dort gespielt. In Kanada schon, das war für uns ein Testballon. Außerdem haben die dort mehr Cowboys als in den ganzen USA. Aber in den Staaten ein Konzert spielen? Das muss irgendwann mal kommen.“ An der Sprache kann’s schließlich nicht liegen. Wenn The BossHoss in England spielen, sind schließlich auch immer ein paar hundert Fans dabei. Das ist zwar nichts im Vergleich zu den Massen, die sich hierzulande von Westernhut und Doppelripp anziehen lassen, aber schon ganz schön. Und der Charme der Jungs wird sie bis zum Ende des Jahres auf Tour halten. Ist es eigentlich schwierig, immer in die richtige Partylaune zu kommen? „Sagen wir mal so: Rein-

kommen ist immer etwas schwierig. Wenn man erst mal drin ist, geht‘s“, sagt Alec und grinst. „Natürlich ist das manchmal schon ein bisschen tricky.“ Aber es war eh den meisten klar, dass The BossHoss nicht einfach eine Dose Bohnen knacken und eine Flasche Bier köpfen müssen, um super drauf zu sein. „Das Feiern liegt zwar in unserer Natur. Obwohl: Wenn man auf Tour ist und es geht ein paar Wochen lang, dann ist man abends schon mal durch. Dann kann es vorkommen, dass man schon mal backstage sitzt und nicht unbedingt denkt: Mann, habe ich jetzt einen Bock zu spielen!“ Das Partyleben lässt sich nicht unbegrenzt fortsetzen, auch wenn man eigentlich dafür geschaffen zu sein scheint. „Ich habe ja nicht nur Rock‘n‘Roll“, sagt Alec. „Ich hab auch noch Familie und Kind. Da muss man auch mal früher aufstehen. Im Großen und Ganzen führe ich eigentlich ein normales Leben.“ Zumindest off Tour. Auf „Do Or Die“ geben The BossHoss jedenfalls Vollgas, mehr als auf allen anderen Alben zuvor. Und wer dennoch Bock auf bekannte Coverversionen hat, der sollte zur Deluxe-Version greifen, denn die enthält eine DVD, auf der unter anderem „Anarchy In The UK“ von den Sex Pistols und „Ca Plane Pour Moi“ von Plastic Bertrand zu finden sind. Damit ziehen The BossHoss zurzeit auf dem Büffel-Trek durch die Republik. Aber wem das Ganze zu viel ist, der kann auch noch auf eine etwas ruhigere Gangart hoffen. Die haben The BossHoss schon im vergangenen Jahr bei ihrem „Low Voltage“-Konzert im Berliner Admiralspalast an den Tag gelegt, wo sie quasi unplugged mit Orchester schmissige Songs wie „Gay Bar“ uminterpretierten. „Ich fand das Ambiente schnieke, das hat etwas nicht zu Feines. Und clever, wie wir sind, haben wir das aufgezeichnet. Vielleicht bringen wir das irgendwann einmal auf DVD raus. Im nächsten Frühjahr, so März oder April, machen wir aus der Unplugged-Nummer eine richtige Tour.“ Doch erstmal heißt es für Alec und für die sechs anderen Jungs: „Do Or Die“. Und das bedeutet, dass sie abends am Lagerfeuer vielleicht doch die ein oder andere Dose Bohnen oder Bier knacken müssen. Und dann ist eines gewiss: Alle geben alle Vollgas.

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Models Are Rockstars. | Text. Anke Kischel

Ve`cel . | Text. Julia Eckebrecht | Foto. Gili Shani

DU NICHT.

Fashionism.

Shopping-Nightmare

: Du hast in einer Boutique ein geiles T-Shirt gefunden. Es ruft deinen Namen. An der Kasse setzt der Verkäufer die Türsteher-Visage auf und verweigert dir die Klamotte. Darf der das? Muss Mode demokratisch sein? Das Label MODELS ARE ROCKSTARS sagt nein. Und stellt Bedingungen an seine handverlesenen Kunden.

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ie Shirts von Models Are Rockstars sind Einzelanfertigungen. Von Hand per Airbrush besprüht. Kein Print, sondern Kunst. Jedes einzelne Exemplar geht durch die Hände des renommierten Graffitikünstlers DEKO156. Dass dieser 1987 an der Berliner Mauer erste Versuche mit der Sprühdose unternahm, ist heute fast schon nicht mehr wahr. Inzwischen ist der Berliner Künstler in die Top 5 der deutschen Graffiti Artists aufgestiegen, hat unzählige LivePerformances und Shows absolviert, für MTV gearbeitet, saß in der Jury des internationalen BLVD 12

Graffitiwettbewerbs „Write4Gold“, malte das Bühnenbild der Hiphop-Weltmeisterschaft und hat die Werkstattwände der Car-Veredler von West Coast Customs gestaltet. Ein Pionier der Berliner SZENE, der sich den Respekt der New Yorker Kollegen erarbeitet hat und seither mit den Besten der Welt performt. Vor gut drei Jahren begann der inzwischen 36-Jährige mit Airbrush zu arbeiten. Keine große Umstellung, kann der „Rockstar der Kunst“ doch leicht von der Dose auf andere Medien umsteigen. Er vergleicht sich dabei mit klassischen Malern:

„Die haben den FEINSCHLIFF, wir das Auge“. Stilistisch und technisch ist er anspruchsvoll bis perfektionistisch, schließlich ist das was, der Hiphop-Airbrusher fabriziert „erwachsenes Graffiti“. Sein funkig-rougher Stil findet sich nun bei Models Are Rockstars wieder. In bis zu vierstündiger Arbeit entstehen Motive zwischen Glamour und Rock ‚n‘ Roll. Eine blutverschmierte Krawatte, umgekippte Whiskeyflaschen, Lippenstifte, ein verführerischer Mund mit verwegenem Piercing. Urban, naturalistisch. Der schöne Schein trifft auf das HARTE LEBEN. Wir sind nicht so, wie wir auf den ersten Blick scheinen. Zwischen 160 und 190 Euro kosten die tragbaren Kunstwerke, die gewaschen aber nicht misshandelt werden dürfen. Die ersten Kollektionsteile werden beim diesjährigen Underground Catwalk am 2.7.2009 stilecht in der Berliner U-Bahn zu bestaunen sein. Danach kann man den Rockstar-Lifestyle exklusiv auf der Webseite models-are-rockstars.com erwerben. Doch wer darf sich denn nun zum elitären Käuferkreis zählen? Für den Kauf muss man sich bewerben. Und zwei BEDINGUNGEN erfüllen: Erstens muss man als Model arbeiten. Egal, ob beruflich oder als Hobby; die Präsenz vor der Kamera ist wichtig. Genauso wie der zweite Punkt: Ohne eine gewisse Rockstar-Attitüde geht gar nichts. Ein stimmiges, optisches Gesamtpackage ist elementar und entscheidender als Size Zero oder andere Model-Qualitäten. Kurz gesagt: Agyness Deyn ja, Heidi Klum nein. Andere akzeptierte Kunden, die sich bereits vor Beginn des offiziellen Verkaufs ihre Shirts gesichert haben: die Topmodels Gina-Lisa und Sarah Knappik sowie Rockmusiker Evil Jared Hasselhoff (The Bloodhound Gang) und Rob Holliday (Ex-Marilyn Manson, The Prodigy). Diese provokante Verkaufsstrategie hat das Label gewählt, weil ihre Produkte, die alle den Claim „Models Are Rockstars“ tragen, eben auch nur an Menschen zu sehen sein sollen, die tatsächlich genau das verkörpern. Kein trauriger AUSVERKAUF wie bei Ed Hardy, dessen Mode anfangs noch untrennbar mit dem Lifestyle der High Society verbunden war, spätestens aber in dem Augenblick untragbar wurde, als moppeliger Neuköllner Ghettonachwuchs und die Muttis vom Ballermann darin aufliefen. Models Are Rockstars sind das erste Label, welches sich seine Kundschaft selbst aussucht. Hat keiner gesagt, dass man es allen recht machen muss.

Rockstar macht in Mode. This is dead boring! Möchte man meinen, doch was Linkin Park-Shouter CHESTER BENNINGTON da mit seiner Clothing-Line VE`CEL auf die Runways bringt, schmeckt mal wirklich sexy! Question: Wie kommt ein beschäftigter Musiker mit Dauer-Abo für internationale Top Tens zu einem angesagten Fashionlabel? Answer: „Ich bin da irgendwie total reingestolpert!“ Versteht sich.

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hester Bennington. Millionär, dreifacher Vater und Ehemann eines Playmates, schafft seit gut zweieinhalb Jahren mit Hilfe eines talentierten Teams in Irvine/ Kalifornien eine feine Kollektion nach der anderen. Shirts, Hoodies und Pullis in angerockten Designs und intensiven Waschungen. „Ich war zum Gründungszeitpunkt von Ve`cel eher GELANGWEILT von dem, was es auf dem Markt zu sehen gab. Als das mit meiner ersten Kollektion unter dem Namen Replicant nicht weiter funktionierte, hatten wir bereits eine eigene Basiclinie mit Shirts im Club Tattoo am Start, mit deren Design wir grafisch herum spielten, bis wir daraus eine Premiumlinie gemacht haben – und somit war Ve´cel geboren“. Club Tattoo, Hotspot für die spektakulärsten Körperbemalungen in den gesamten Staaten und weltweit berüchtigt für unvorstellbar unanständige Piercings, wurde Mitte der langweiligen 90er Jahre zusammen mit Freund und Kollege Sean Dowdell im heißen Arizona gegründet. Gemeinsam kümmert man sich seit 2007 um sein Baby Ve´cel. Bennington selbst designt nicht, bezeichnet er sich doch als eher untalentiert: „Ehrlich! Ich bin nur ein, naja, mittelmäßiger Designer. Ich bin überrascht darüber, wie schnell die Marke sich entwickelt und wir groß es bereits jetzt geworden ist. Es ist toll zu sehen, dass die Leute mögen, was du machst. Auch außerhalb der Musik“, sagt Bennington. Ein erzieherisches Statement moralischer Natur sucht man hinter der Marke vergeblich: „Das Statement hinter Ve´cel ist, dass es keines gibt! Zieh es an, hab Spaß daran. Es soll einfach nur gut aussehen. Wir sind nicht dazu da, die Welt zu verändern oder sie gar besser zu machen. Wir haben keinen politischen Anspruch oder ähnliches. Die Ve´cel Prints beschäftigen sich mit allen Dingen, die das Leben aufregend machen. SEX, GEWALT, HASS; jedoch ohne politische, große

Aussage dahinter. Es geht dabei mehr um den Spaß!“ Chester Bennington, das Fashion Victim. Opfer und Täter gleichermaßen. „Absolut! Zumindest in den Augen meiner Freunde und Bekannten scheine ich ein echtes Modeopfer zu sein. Ich liebe nun mal Fashion. Mode ist für mich einfach Kunst und ich liebe Kunst.“ Was noch so? Musik statt Klamotten – in Form

von Benningtons für Frühherbst angekündigtem Soloalbum unter dem Titel DEATH BY SUNRISE. Ab demnächst.

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Gossip. | Text. Dagmar Leischow | Fotos. Lee Broomfield

Standing in the way of control.

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„Ich hasse dieses Geräusch!“ Tadelnd schaut BETH DITTO ihren Gitarristen Brace Paine an, der Wasser in ein Glas gießt: „Das Geplätscher macht mich wirklich wahnsinnig.“ Dabei ist die GOSSIP-Sängerin eigentlich eine, die so schnell nichts aus der Fassung bringt. Nicht mal der Hype um ihre Person.

as britische Musikmagazin NME kürte sie schon 2006 zur coolsten Frau auf diesem Planeten, jüngst posierte sie nackt auf dem Cover der Zeitschrift Love. Und bei der Pariser Fashion Week saß sie im Frühjahr bei den Schauen stets in der ersten Reihe. Ein Küsschen von KARL LAGERFELD, ein Plausch mit Stella McCartney, durchtanzte Nächte mit Kate Moss – in der Modeszene schmückt sich derzeit jeder gern mit Beth Ditto, 1,55 Meter groß und 95 Kilo schwer. Die 28-Jährige gilt als Stilikone. Statt ihre Rundungen zu verstecken, zwängt sie sich in enge Stretchkleider, die sie sich bei ihren Konzerten gern vom Leib reißt. Dann steht sie in ihren Dessous da, mit unrasierten Achseln, ein Ankertattoo auf ihrem Arm. Sie schwitzt, ihr Make-up verwischt, sie brüllt FEMINISTISCHE PAROLEN ins Publikum. Doch die bekennende Lesbe kann auch anders. Beim Interview in einem Münchener Hotel sitzt sie ganz sittsam auf dem Sofa. In ihrem schwarzweiß gestreiften Kleid kultiviert sie eine lässige Eleganz, ihr schwarzes Haar ist asymmetrisch geschnitten, der Lidstrich perfekt gezogen. Ihr sanfter Händedruck überrascht ein wenig, dafür lacht sie laut und oft: „Meistens bin ich ziemlich fröhlich. Allerdings BLVD 15


Gossip.

gibt es auch Momente, in denen mir meine Depressionen arg zu schaffen machen.“ Dagegen hilft nur eins: Songs schreiben: „Die besten Ideen habe ich, wenn ich wütend oder traurig bin.“ Folgerichtig macht es ihr nichts aus, sich mit dem prämenstruellen Syndrom herumzuschlagen – im Gegenteil: „In dieser Phase bin ich immer ganz besonders kreativ.“ Das Ergebnis: zornige Rocknummern wie „Standing In The Way Of Control“. Mit diesem Lied protestierte sie gegen das Verbot der Homo-Ehe in den USA, es machte sie zur Heldin der Underground-Szene. Heute begeistert ihre vorlaute Art nicht nur ihre Fans. Längst kennen sie auch diejenigen, die mit dem POST PUNK ihrer Band Gossip eigentlich nichts am Hut haben. Sie gilt als Celebrity, die Boulevardpresse reißt sich um sie, Paparazzi lauern ihr auf: „Zuweilen nervt das schon. Gott sei Dank verfolgen mich diese Kerle daheim in Amerika nicht so penetrant mit ihren Kameras wie in London.“ In der englischen Hauptstadt wird sie stets fotografiert. Vor allem, wenn sie mit ihrer Freundin KATE MOSS unterwegs ist: „Sie ist unglaublich witzig. Ich liebe sie wie eine große Schwester.“ Auch das Topmodel scheint Beth Ditto sehr zu

mögen. Jedenfalls hat sie sich dafür eingesetzt, dass die Sängerin für die Modekette Evans eine eigene Kollektion entwerfen durfte. Für Frauen jenseits Größe 40, versteht sich: „Damit wurde für mich ein Traum wahr. Ich habe alle Teile selber gezeichnet, die knallbunten Farben suchte ich ebenfalls aus.“ Mehr will sie nicht verraten, nur eins noch: Eine zweite Modelinie sei bereits geplant, die solle dann ein bisschen flippiger werden. Schließlich steht nirgendwo geschrieben, dass nur die ganz Dünnen ein Recht auf coole Klamotten haben: „Wer Übergrößen trägt, muss sich nicht verstecken, finde ich.“ Beth Ditto geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ich möchte auf keinen Fall mit der spindeldürren Victoria Beckham in einem Satz genannt werden. Warum auch? Ich liebe meinen üppigen Körper.“ Solche Sätze sagt sie ohne jede Spur von Überheblichkeit. Deswegen gilt sie seit geraumer Zeit als Vorbild für mollige Frauen: „Bloß weil man dick ist, muss man ja nicht mit gesenktem Kopf durch die Welt gehen.“ So selbstbewusst war sie indes nicht immer. Ihre Kindheit in Searcy, einer Kleinstadt in Ar-

Mich interessiert nicht, in welcher Szene sich jemand bewegt.

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kansas, zeichnete sich durch Tristesse aus. Sie wohnte mit ihren sechs Geschwistern und ihren Eltern in einem WOHNWAGENPARK. Ihre Mutter versuchte, die Familie zu ernähren, Geld war eigentlich nie da. Kein leichtes Leben, bis heute hat Beth Ditto nicht vergessen, was es heißt, in Armut aufzuwachsen. Davon zeugt auch „Dimestore Diamond“, einer der Songs, den sie für das neue Gossip-Album „Music For Men“ schrieb: „Als Mädchen beklagte ich mich bei meiner Mum darüber, dass wir nur White Trash seien. Sie konterte: ‚Wenn du dich so fühlst – bitte. Ich bin aber definitiv kein Stück Dreck.‘“ Diese Antwort hat sich förmlich in Beth Dittos Bewusstsein gemeißelt: „Letztlich entscheiden wir doch alle selbst, wer oder was wir sein wollen.“ Es hätte eine gepeinigte junge Frau aus ihr werden können, die nie darüber hinweg kommt, dass ihre Mitschüler sie einst wegen ihres Übergewichts gehänselt haben. Aber sie hielt als Teenager den verbalen Prügeleien stand, verbündete sich mit anderen Außenseitern, stand zu ihrer Homosexualität, war stets zu jedem nett – der beste Schutz gegen mögliche Angreifer: „Irgendwie spürte ich: Das war noch nicht alles, die Zukunft hält Besseres für mich bereit.“ Trost fand sie in der Musik, sie entdeckte Punk, Riot Grrrls und Feminismus für sich: „Je mehr ich mich in den 90ern mit diesen Bewegungen auseinander setze, desto klarer wurde mir: HÄSS-


Gossip.

Messer Chups . | Text. Thomas Pilgrim

DIE MONSTER AG. LICH ist eigentlich schön.“ Folgerichtig wagte sie eine Neuerfindung als Künstlerin: Mit 18 zog sie nach Olympia in Washington, ins Mekka der Riot-Grrrl-Bands. Bikini Kill waren dort daheim, Sleater Kinney ebenfalls. Eben jene Musikerinnen trieben Beth Ditto an, 1999 mit Nathan Howdeshell alias Brace Paine und Kathy Mendoca The Gossip zu gründen. 2001 erschien das Debütalbum „That‘s Not What I Heard“ bei einem Indielabel. Das Trio war die Sensation der Underground-Szene. Es zog mit Gitarre und Schlagzeug Soundwände hoch, um schließlich eingängig zu rocken. Die Musik ließ allein deshalb aufhorchen, weil Beth Ditto eine markante Stimme hat. In ihren Songs ging es von Anfang an um Politik, gesellschaftliche Missstände und ihre eigene Gedankenwelt – daran hat sich bis heute nichts geändert. Ein paar Wandlungen gab es im Laufe der Jahre aber schon. 2003 ersetzte Hannah Billie Drummerin Kathy Mendoca. Und mit ihrer vierten CD „Music For Men“ sind Gossip nun bei einem Majorlabel angekommen. Als Produzent wurde RICK RUBIN gewonnen, der Mann, der schon den Red Hot Chili Peppers oder Shakira den Weg zum Weltruhm ebnete. Dieses Gipfeltreffen mag manchen Indiefan zunächst verschrecken. Doch die Gitarrenarrangements von „8th Wonder“ oder „Spare Me From The Mold“ sind gewohnt kraftvoll. In weiten Teil ist Beth Dittos Gesang formgebend. Bei „Love Long Distance“ wird er von Synthie-Beats unterstützt, bei „Pop Goes The World“ verfeinert ihn Elektrofunk. Eine Melange mit kritischen, bisweilen auch ironischen Worten. Allein der Albumtitel „Music For Men“ verblüfft zunächst. Beth Ditto lacht: „Wir haben halt mit unserem Image gespielt. Weil wir als extrem feministisch gelten, wollten wir uns einfach mal für Männer stark machen.“ Da darf man sich schon auf den Titelsong freuen, der schwule Paare konsequent unterstützt: „Leider gibt es sogar im 21. Jahrhundert Menschen, die Homosexualität verteufeln. Dabei ist es doch schön, wenn sich Männer ineinander VERLIEBEN.“ Sicher, die Musikerin hat ihre Prinzipien. Intoleranz mag sie nicht, für Diätprodukte würde sie nicht werben. Niemals. Aber wie lange kann sie

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noch ihrer Underground-Attitüde treu bleiben? Ist nicht jemand, der mit Stars Debbie Harry, Noel Gallagher oder Mark Ronson abhängt, längst auf dem Weg zum Mainstream? Falsche Frage, findet Beth Ditto: „Mich interessiert nicht, in welcher Szene sich jemand bewegt. Innere Werte sind mir viel wichtiger als solche Äußerlichkeiten.“ Offenheit erwarte sie von ihren Freunden, Höflichkeit und Sinn für Humor: „Kate Moss zum Beispiel hat all diese Tugenden. Sie ist in jeder Situation zu allen nett.“ Ganz anders als diejenigen, die sich für etwas Besseres halten, bloß weil sie Punkklamotten tragen: „Viele denken derart elitär, dass sie im Grunde ebenso engstirnig sind wie die SPIESSER, von denen sie sich eigentlich abgrenzen wollen.“

Dass Wodka in der Titty Twister Bar fester Bestandteil der Getränkekarte ist, versteht sich von selbst. Nun könnte es nach hochprozentigem Genuss auch Ouzo werden, die Gläser hinter sich zu werfen – zumindest wenn MESSER CHUPS aus St. Petersburg dort auftreten.

H

ineinpassen würden Gitarrist Oleg Gitarkin und Bassistin Zombierella in das zwielichtige Etablissement auf jeden Fall, auch wenn sie eigenen Angaben zufolge lieber Whisky trinken. Mit mexikanischem TRASH liegt man bei dem Duo allerdings vollkommen richtig – seit nunmehr zehn Jahren und acht Alben veranstalten Messer Chups nun schon eine derbe Party für alle Liebhaber von Rockabilly, Surf und Horrorpunk. Wem übrigens das Küchenutensil im Namen zusammen mit der russischen Heimat der Band irgendwie bekannt vorkommt, hat vollkommen Recht: Bevor Oleg Gitarkin seine Zombie-affine Gespielin rekrutierte, betrieb er die immer noch existente Band Messer Für Frau Müller, die auch hierzulande mit Alben wie „Senorsi Crakovajk“ oder „Allô Superman!“ für Aufsehen sorgte. Genauso wie Messer Chups vor kurzer Zeit, als eine Tour sie durch ganz Europa führte und mal wieder ihre enorme Fanbase verdeutlichte. Und

nix da EXOTENBONUS ob der Herkunft der Band – so etwas haben die beiden lange nicht mehr nötig. „Wir haben inzwischen überall auf der Welt eine Menge Fans“, freut sich Zombierella. „Und die kommen wegen unserer Musik und nicht, um mal ein paar Russen live zu sehen, die auf der Bühne merkwürdige Dinge machen. Wir sind sogar schon in ziemlich obskuren Käffern in Italien und Portugal aufgetreten, und auch dort gibt es viele Leute, die uns mögen.“ Als düstere Sleaze-Geschichte sieht sie Messer Chups jedoch nicht. „DÜSTER? Nein, so würde ich uns nicht bezeichnen. Im Gegenteil, wir haben immer großen Spaß, wenn wir zusammen Musik machen. Allerhöchstens könnte man vielleicht sagen, dass die Monster in unseren Songs von der lustigen Seite der HÖLLE kommen. Und dreckig und sleazy muss Rock’n’Roll nun einmal sein, damit er etwas taugt.“ Was bei der Popularität von Messer Chups definitiv der Fall ist. Nur folgerichtig, dass das Duo die Keimzelle Messer Für Frau Müller zwar nicht in Rente, aber schon einmal in den Vorruhestand geschickt hat. „Frau Müller ist eine alte Lady, die zu Hause in ihrem knarzenden Schaukelstuhl sitzt und keine Lust mehr hat, auf Tour zu gehen. Aber immerhin steht sie ab und zu auf und macht eine neue Platte. Doch es stimmt: Mit Messer Chups sind wir momentan sehr viel mehr beschäftigt als mit ihr.“ Zumal das neue Album „Heretic Channel“ gerade frisch erschienen ist – allerdings noch nicht offiziell in Deutschland. Wie schaffen es Messer Chups angesichts der schwierigen Vertriebswege ihrer Platten von Russland aus überhaupt, in ganz Europa so populär zu sein? Hexerei? Zombierella: „Viel besser. SCHWARZE MAGIE! Satan managt uns nämlich höchstpersönlich.“ Als hätten wir’s geahnt. BLVD 19


Kat von D. | Text. Myk Jung

THE LADY IS A TATTOO ARTIST. Sex-Symbol, Medienstar, Tattoo-Weltmeisterin. Wer mag dies sein? Einen solchen Ruhm ergattert man in diesen Tagen lediglich, indem man KAT VON D übertrifft und durch einen 24-Stunden-Marathon, während dessen man mehr als vierhundert Tätowierungen an den Mann und an die Frau bringt, die gefragte Allround-Diva von ihrem glitzernden Championsthron stößt. Dies als gut gemeinter Tipp für Ambitionierte.

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at von D weist haargenau jene Brüche auf, nach denen sich die Glam-Welt sehnt. Sie ist eine POP IKONE, die sowohl Klassik als auch Rock’n’Roll liebt, was bedeutet: sie steht auf Beethoven – und ist nichtsdestoweniger mit dem berüchtigten Mötley Crüe-Haudegen Nikki Sixx liiert. Sie räkelte sich bei Fotosessions gern mit Raubkatzenblick auf Leopardenfellen und hat mittlerweile sämtliche Berühmtheiten aus Hollywood und Umgebung von Jenna Jameson bis zu Denise Richard, von den Eagles bis Green Day mit ihren Tattoo-Kunstwerken beglückt. Eigentlich heißt sie Katherine von Drachenberg; ihre Großmutter väterlicherseits ist Deutsche – das Kürzel indes passt besser zu ihr: Ein schnelllebiger Wirbelwind in der schnelllebigen Welt der Reichen, Schönen und Tätowierten. Im Alter von 14 Jahren stach sie sich eigenhändig ihr erstes Tattoo auf den Knöchel, und wenig überraschenderweise erschafft sie heute nicht nur auf den Körpern Anderer gestochen scharfe Herrlichkeiten – sie selbst stellt genauso ein kunterbuntes Tattoo-Wunderwerk under construction dar: Das Konterfei des alten LUDWIG VAN ist ebenso zu bewundern wie Portraits ihrer Familienmitglieder. Die Gegensätzlichkeiten in ihrem Wesen trägt sie fast zu offenherzig vor sich her. „Mit 12 hing ich oft mit pubertären Punks herum; zu dieser Zeit entdeckte ich meine ersten eigenen musikalischen Vorlieben im Punk Rock, die zunächst der Klassik wie auch der KIRCHENMUSIK, wie meine Eltern sie mir nahe gebracht hatten, entgegen standen. Später war es überhaupt kein Problem mehr, beide Neigungen miteinander zu verbinden. Eine sehr wilde Zeit, damals!“ Freimütig im übrigen geht die nunmehr 27-jährige Celebrity mit einem aus der Wildheit dieser frühen Tage erstandenen Alkoholproblem um, auch und gerade in der Interviewsituation. Die

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Phasen indes, in denen sie sich eine ganze Flasche Tequila pro Tag gönnte, gehören der Vergangenheit an. Vor einigen Jahren gründete Kat ihr erstes Tattoo-Studio; inzwischen ist sie mit ihrer eigenen TV-Show „LA INK“ dem ganz großen Publikum bekannt. Hat sie mit ihrem Ruhm die Schattenseiten des Lebens hinter sich gelassen – oder birgt das Stardasein, der Erfolg, womöglich weitere Schatten in sich selbst? Das ist die Frage. „In der Tat gibt es immer wieder absurd-bedrückende Szenarien, die aus all dem resultieren: Es ist erstaunlich, wie sehr das mediale Rampenlicht die Menschen manipuliert. Plötzlich glauben alle möglichen Leute, mich zu kennen, obgleich sie gar nichts über mich wissen. STALKER kreuzen plötzlich deinen Weg – zweimal fühlte ich mich gezwungen, die Cops zu rufen. Wenn Menschen die Grenzen des Privatlebens überschreiten, wird es meistens sehr nervenzehrend und irgendwann schließlich furchteinflößend!“

Heutzutage sieht sich Frau von D oftmals mit eher bizarren Vergleichen konfrontiert: manche ihrer Fans sehen in ihr das Bildnis einer modernen Wonder Woman. Verklären sie zu einer lebendigen Prinzessin zum Anfassen. Verrückt. „Solche Vergleiche entstehen wahrscheinlich aufgrund der Photos, auf denen ich ein Stirnband trage. Volles dunkelbraunes Haar und Stirnband – da liegt’s doch auf der Hand, entweder mit Cher oder mit WONDER WOMAN verglichen zu werden! Im Ernst: Ich nehme solche Aussagen gern als Kompliment, da ich in ihnen eine etwas anders gewichtete Wertschätzung sehe: Es wird mir zugute gehalten, weiblich zu sein – und doch stark, unabhängig, energetisch! Solche Vorbilder kann die moderne Welt doch immer gut gebrauchen. Oder etwa nicht?“ Tipps und Anregungen made in California. Ab demnächst wieder im Fernsehen.

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HANNAH BLILIE Schlagzeug

BETH DIT TO Gesang

BLVD 21 BRACE PAINE Gitarre


Classic Depot. | Text. Thomas Clausen | Foto. Gili Shani

Himmel über Berlin Direkt darunter: Oldtimer. Jede Menge. Ältere, alte und ganz alte Modelle wie der Bentley MK VI, das Goggomobil Coupe oder der Rolls Royce SS1. Schöne Dinge mit bewegter Vergangenheit, die das CLASSICDEPOT seit exakt zehn Jahren an all diejenigen vermietet, die für eine Stunde, einen Tag oder für eine Woche fühlen wollen, wie es damals war. Damals. FLAKE LORENZ und DIRK SALOMON über das Geschäft mit ihren rollenden Träumen auf Zeit.

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opfsteinpflaster, Backsteinmauern, Maschendrahtzaun. Spröder Hinterhofcharme knapp an der Grenze zur echten Schrauberwerkstattatmosphäre. Stilbruch in dem Augenblick, in dem sich das grüne Rolltor zum Geschäftsraum des Classicdepots öffnet: Statt herumliegendem Werkzeug findet sich eine lederne Sitzecke inklusive Kickertisch und moderner Kunst an den unverputzten Wänden. Über einem penibel sortierten Schreibtisch hängt in fast drapiert wirkender Schräglage die Goldene Schallplatte für das „Sehnsucht“-Album. Das Zweiergespann Lorenz/ Salomon ist ein seltsames Paar. Eines, das sich sehr wohl seiner dezent kauzigen Ausstrahlung auf Außenstehende bewusst ist: Der eine ein von jeher verehrtes Ost-Punk-Urgestein und exzentrischer Keyboarder der Pyro-Metaller von RAMMSTEIN, der andere ein eher bodenständiger, studierter BWL`er und Ex-Werbefachmann. Zwei ungleiche Typen und ihre Sucht nach dem NOSTALGIE-KICK. „Moderne Autos geben mir nichts“, erzählt Mitinhaber Dirk Salomon. „Mir sind Geschichten wichtig. Moderne Autos erzählen keine Geschichten, man kann sie nicht einmal richtig spüren. Sie sind eigentlich tot, riechen nach Plastik oder bestenfalls nach künstlich aufgesprühtem Lederduft. Ich gebe zu, dass ich es auch von Zeit zu Zeit genieße, mit einem modernen Wagen in den Urlaub zu fahren - ich möchte nicht unbedingt in einem Käfer nach Italien kutschieren. Doch im Sommer fahre ich ausnahmslos alte Autos.“ Geschichten schlummern in der Oldtimer-Flotte des Classicdepots mehr als genug. Von wilden Nächten und glamourösen Vorbesitzern ebenso wie von tragischen Verwicklungen und blutigen Zwischenfällen. Manche Modelle scheinen ihre Auto-Biographie nur ganz zart und leise preisgeben zu wollen; so wie der braune Jaguar XJ 6, der einst Filmdiva BRIGITTE BARDOT gehörte und unter dessen Rückbank Salomon zufällig ein Jahrzehnte altes Streichholzbriefchen BLVD 23


Classic Depot.

einer Genfer Bar mit einer handschriftlich notierten Telefonnummer fand. Andere Vehikel schreien ihre wechselvolle Vita nur so hinaus, wie der Kübelwagen, mit dem SED-Funktionär Willi Stoph zu betongrauen DDR-Zeiten auf die Jagd chauffiert wurde oder das Fortbewegungsmittel eines gewissen Sir K. G. Aston, dem damaligen Präsidenten des britischen Fußballverbandes. Seines Zeichens Erfinder der Roten und Gelben Karte. Vergangenheit samt aller Papiere. Sogar den erbosten Beschwerdebriefen an den Hersteller. Und wer unbedingt will, kann auch den berüchtigten weißen Bentley von Playboy Rolf Eden mieten. Den Weg zurück zum Ku`damm findet das obskure Gefährt mit großer Wahrscheinlichkeit von alleine. Flake Lorenz und Dirk Salomon sind moderne faith healer und dream dealer; professionelle WÜNSCHEERFÜLLER für fast alles, was über vier Räder und einen Motor verfügt. „Ich finde, es ist eine schöne Idee, alte Autos zu besitzen und sie auch anderen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Flake. „Es ist wie mit einem Ge-

mälde von Rembrandt - es wäre doch schade, wenn man sich ein schönes Bild ins Wohnzimmer hängt, das niemand anders anschauen darf! Für mich ist dies eine Art von MISSBRAUCH! Genauso verhält es sich auch mit Oldtimern. Und da das bloße Anschauen bei Oldtimern nicht ausreicht, sollte sie auch jeder fahren dürfen! Schöne Dinge färben auf den ab, der sie benutzt und sich mit ihnen umgibt. Ob es der Opa ist, der von seinem Enkel zum Geburtstag eine Fahrt im Messerschmitt Kabinenroller geschenkt bekommt oder das Hochzeitspaar, das in einem Oldtimer zur Kirche fährt. Es gibt nichts Schöneres als alte Autos, auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, dass sie manchmal nach Öl riechen oder während der Fahrt vielleicht stehen bleiben.“

So wie seinerzeit auch das erste eigene Auto des vielbeschäftigten Tausendsassas. Kaum mehr als eine schmierige Wochenendliaison. Ohne echtes Happy End. „Ein alter Saparosch, mit dem ich es genau einmal geschafft habe, zum Hühnerimbiss in der Prenzlauer Allee zu fahren. Auf der Rückfahrt lief schon ein armdicker Strahl Öl aus dem Auspuff. Wir haben ihn an der FRIEDHOFSMAUER notdürftig repariert. Kurz danach hat ihn mir jemand aus meiner Straße für 200 Mark abgekauft.“ Was aus dem real existierenden Einheitsprodukt aus der Ukraine geworden ist, kann Flake Lorenz heute nicht mit Sicherheit sagen. Haben sich seine letzten Ölspuren doch schon vor Ewigkeiten unter dem Himmel über Berlin verloren. Vielleicht besser so. Ausnahmsweise.

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Guido Dossche. | Text. Thomas Clausen | Foto. Manfred Esser

David Johansen. | Text. Thomas Clausen

Rock Trash.

IST ES EIGENTLICH NORMAL, WENN MAN MIT SEINEM HUND SCHLÄFT?

oder Aerosmith ansehen konnte. Maximal hundert Leute am Abend, die alle mehr oder weniger intellektuell waren oder zumindest so taten. Im Laufe der Zeit verwandelte es sich in einen SCHEISSLADEN voll mit dummen Menschen, die sich schlechte Bands ansahen und gegenseitig mit Bier voll spritzten. Es gibt diesen Spruch: Oh no, nobody goes there anymore. It´s too crowded.“

In den 70ies haben sie den Glamrock erfunden und während tagelanger Exzesse zwischen Uppern und Downern auch noch den Punkrock verändert. Irgendwie. Was die NEW YORK DOLLS seinerzeit mit nur zwei Alben erreicht haben, das bedeutet für andere Künstler eine Lebensaufgabe: Zur Legende zu werden. Frontmann DAVID JOHANSEN ist eines von nur zwei überlebenden Urmitgliedern. Und seine Stimme klingt nach tausend Zigaretten und vierzig Litern Whiskey pro Tag. Auch auf dem neuen Album „Cause I Sez So“.

Würden Sie behaupten, das Schicksal hätte es gut mit Ihnen gemeint? „Ganz sicher. Fate is a funny word but yes.“ Ist es ein Wunder, dass Sie heute noch am Leben sind? „Keinesfalls. Die New York Dolls waren immer von einer mystischen Aura umgeben. Es gibt viele spektakuläre Geschichten über uns, die zu einem gewissen Teil PURE ERFINDUNG sind. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Es war damals nicht so, dass wir den ganzen Tag high durch die Gegend gelaufen sind. Als Johnny und Jerry starben, hatte das in den Augen vieler Menschen mit den New York Dolls zu tun, obwohl wir uns zu diesem Zeitpunkt schon vor 20 Jahren aufgelöst hatten. Was sie nach ihrer Zeit bei uns für eine Art Lebenswandel geführt haben, war alleine ihr Ding.“ Welches ist das populärste Missverständnis, das über die New York Dolls im Umlauf ist? BLVD 26

„Es gibt Menschen mit gutem Geschmack. Und es gibt Menschen mit zuviel Freizeit, die sich von anderen darüber informieren lassen, was sie unbedingt hören, sehen oder lesen sollten. Üblicherweise tendieren diese Leute mit gutem Geschmack - meistens andere KÜNSTLER dazu, gewisse Dinge in die New York Dolls hinein zu interpretieren. A lot of people were told the Dolls suck but now it`s coming to light that the Dolls are actually one of the best rock `n roll bands in the world.“ Bereuen Sie etwas? „Nein. Was passiert ist, ist passiert. Das Leben ist eine interessante Sache. Alle Fehler, die man macht, tragen zur eigenen Entwicklung bei - ob man will oder nicht.“ Wie war der Tag, als das berühmte New Yorker CBGS´s für immer die Tore schloss? „Jemand erzählte mir davon. So what? Das CBGB`s war in seiner Anfangzeit okay, als man sich dort Bands wie Blondie, die Talking Heads

Was ist mit den entgrenzten Bühnenklamotten aus den 70ern passiert - den Schlaghosen, den Plateaustiefeln, den Federboas? „Sind irgendwann alle im Müll gelandet. Ich war noch nie ein NOSTALGIKER - Nostalgie ist für mich eine Form der Krankheit oder zumindest eine komische Marotte. In Kinofilmen sind mir Nostalgiker sympathisch, aber im wirklichen Leben hätte ich mir mit diesen Leuten nichts zu erzählen. Ich mag den Streifen `Und täglich grüßt das Murmeltier` - doch ich möchte nicht selbst mitspielen.“ Kürzlich mehrte sich der Todestag von Johnny Thunders zum 18. Mal... „Wir haben an diesem Tag in einem Fußballstadion in Peru gespielt. And we talked about Johnny. `Ah John...`, `REMEMBER JOHN?`, `oh yeah, John...` Keine große Sache. Jeder kennt es aus eigener Erfahrung: Wenn enge Freunde sterben, sind sie immer irgendwie da, ob man will oder nicht. Sie sind bei dir. Solche Daten sind nur für Leute wichtig, die sonst nicht an den Verstorbenen denken und sich Notizen in ihren Kalender machen müssen. Genau diese Leute feiern dann mit viel Pathos und Anteilnahme Todestage. Die wahrscheinlich gefühllosesten Menschen auf diesem Planeten.“ In den 80er Jahren hatten Sie einen Auftritt in der Kultserie „Miami Vice“... „Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Ich glaube, wir haben gespielt und irgendwer kaufte einem Dealer vor der Bühne DOPE ab. I didn`t act in it I just did my own thing, y`know?“

Ein großzügiger, lichtdurchfluteter Raum. Schwarzlederne Designercouch mit zugehörigem Stuhl und ein schmales Bücherregal unter einer hohen, blendend weißen Stuckdecke. Überflüssige Dekorationselemente sucht man vergeblich im spartanisch eingerichteten Behandlungszimmer mit den extra dicken Wänden. Seit knapp 15 Jahren bedeutet der Kölner Psychoanalytiker GUIDO DOSSCHE die letzte Ausfahrt für Gestresste und Gestörte aus Film und Fernsehen, Musik- und Showbranche. Ab sofort widmet sich der gefragte Nervendoktor in seiner neu eröffneten Zweitpraxis in Berlin-Friedrichshain auch den geistigen Malaisen der Hauptstadt-Celebrities.

G

uido Dossches Vita ist ähnlich glamourös wie die vieler seiner berühmten Patienten. Dass der Forty-Something irgendwie anders ist und so gar nicht ins Stereotypenraster des klassischen Seelenheilers mit Eulenbrille und Kordhose passen will, wird nach wenigen Sekunden klar. Stechend blaue Augen, Wasserstoff-gebleachte Streichholzfrisur, Kosmetikstudioperfekte Fingernägel. Er ist Dr. phil., DiplomPsychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker aus Leidenschaft, der auf Flügen zwischen Köln, Berlin und Cannes regelmäßig mit „Herr Ochsenknecht“ angesprochen wird, wenn er Eye Shades trägt. Zusätzlich hat

man sich mit seinem düsteren Industrial-MetalProjekt unter dem schlichten Namen Dossche als feste Größe der hiesigen Gothic/ AlternativeSzene etabliert. Guido Dossche ist Experte für lädierte KünstlerPsychen, weil er selbst KÜNSTLER ist. Und er kennt die unzähligen Gesichter des Wahnsinns nur zu gut. Vielleicht, weil er selbst ein kleines bisschen wahnsinnig ist. Sein Aushilfsjob als Chauffeur von „Psycho“-Hauptdarsteller Anthony Perkins Anfang der 90er Jahre ist kaum mehr als eine obskure Randnotiz. Die staatlich zertifizierte Neudefinition des Begriffs Psychedelic. Norman Bates und Ärztekammer lassen grüßen. „Ich bin fasziniert von ungewöhnlichen Geschichten. Ich habe täglich mit Menschen zu tun, die sehr freaky sind und teilweise extrem verrückte Dinge tun. Meine therapeutische Arbeit fängt bei leichten Erschöpfungserscheinungen oder Depressionen an, und geht bis hin zu harten Fällen von ZWANGSSTÖRUNGEN wie Nekrophilie oder Sodomie. Doch glücklicherweise musste ich mich mit der Frage eines Patienten `ist es eigentlich normal, wenn man mit seinem Hund schläft?` bisher nur ein einziges Mal in meiner Karriere auseinandersetzen.“ Per Psychoanalyse gegen die gesundheitlichen Spätfolgen einer Welt im immer schnelleren Wandel - mit Berlin als neuem, dankbaren Pflaster für geistigen Beistand. Die aus Erfolgsdruck, Mobbing, Drogenmissbrauch und Isolation resultierenden Krankheitssymptome sind in beiden Medienmetropolen dieselben freilich;

was im jecken Köln geht, geht im sexy Berlin erst Recht. Guido Dossche ist bereit für die HAUPTSTADTPSYCHOSEN der Berühmten und Reichen, seine Heilungsquote nach eigenen Aussagen überdurchschnittlich und die computerisierte Terminvergabe für Therapiegespräche schon jetzt am Rande des Totalzusammenbruchs. Für seine erklärten Lieblingsneurosen allerdings - Eifersuchtswahn und Panikstörungen - würde Herr Doktor in dringenden Notfällen sogar Sonderschichten einlegen. Beruhigend. „Gerade bei diesen Krankheitsbildern können in gewissen Therapie-Situationen heftige Reaktionen ausgelöst werden. Ein Allgemeinarzt würde in diesen Momenten wahrscheinlich einen Notarzt rufen, ein Heilpraktiker die Männer mit den ZWANGSJACKEN. Ich bin im Umgang mit derartigen Zwischenfällen besonders geschult worden, kann genau bestimmen, worin die Ursachen liegen und dementsprechend eingreifen.“ Das glaubt man gern. Dossche zieht ein schwarzes, dickes Buch aus dem Regal mit Fachliteratur von Freud und Adler: Bret Easton Ellis` „AMERICAN PSYCHO“; handsigniert, so wie die vollständige Sammlung seiner kleinen Schock-Pop-Meisterwerke. Kurzer Blick aus dem Fenster. „Bei allen anderen Fans hat er nur einen einzigen Strich unter sein Autogramm gezogen - bei mir sind es zwei geworden. Er hat mir dabei tief in die Augen geschaut; ich kann bis heute nicht deuten, was er mir damit wohl sagen wollte.“ Sympathisch, irgendwie. Und ein kleines bisschen verstörend. Kein Grund zur Sorge. BLVD 27


Jewels Good. | Text. Julia Eckebrecht | Fotos. Heiko Laschitzki

Good Girl Gone Bad. Beautiful Jewels, The Good Jewels - wie auch immer man die zierliche, wildgelockte Person nennen mag – JEWELS GOOD ist eine erstaunliche Erscheinung. Die Dreißigjährige Wahlberlinerin wurde in St. Petersburg geboren, zog kreuz und quer über die Kontinente, lebte in Schweden und Großbritannien. Neben dem Schwertschlucken ist sie eine Meisterin der Burlesque-Performance, liest Gedanken, arbeitet als Clown, strippt. Und sie liebt alles, was schräg ist.

Du bist eine relativ kleine Frau mit einem großen Schwert – wir reagieren die Menschen auf diese Kombination? „Die meisten Leute, die mich über das Internet buchen, sind überrascht. Da sitzt du am Tisch neben dem Booker, der fragt ‚Wo ist Jewels?‘ und übersieht mich völlig. Die Leute erwarten halt eine Amazonen-Frau und sind perplex, wenn sie mich sehen“ Deine Kunst ist ebenso ungewöhnlich wie gefährlich, neben dir gibt’s nur eine Handvoll anderer Frauen. „Es ist eher ein männlicher Beruf, weltweit gibt es offiziell 80 Schwertschlucker, davon vier Frauen. Ich kenne die professionell arbeitenden Frauen. Es kommen immer wieder neue nach, mittlerweile gibt es eine Schule in New York, auf der man die Schwerschluckerei erlernen kann. Ich bin allerdings sehr skeptisch, was das Beibringenlassen angeht. Man muss es hundertprozentig wollen; es ist zu lebensgefährlich, es nur so nebenbei zu machen. Besser ist, es selber zu lernen, statt wie ein Hund abgerichtet zu werden.“ Du bist sehr jung zum Schwertschlucken und Tricksen gekommen.. „Ich war immer ein Außenseiter, also wollte ich mit 13 Jahren etwas ganz Andersartiges machen. Und zwar ganz anders, zu 100 Prozent, nicht nur ein bisschen anders. Ich habe lange nach dem seltensten Beruf gesucht, den es gibt und diesen dann ganz bewusst erlernt. Freakshows haben mich immer schon interessiert. Irgendwann fand ich das `Handbook for Selftortures` mit einem Kapitel über das Schwertschlucken Ich beschäftigte mich damit näher, lernte viel über Anatomie und brachte mir das Schlucken einfach langsam selber bei.“ BLVD 28

Wie funktioniert das eigentliche Schlucken? „Es heißt ‚The Drop‘, wenn das Schwert durch den Hals in dich reinfällt. Du musst den Würgereiz abtrainieren, das können nicht so viele. Ich habe sogar schon Oralsex-Work Shops gegeben, denn es ist eigentlich alles nur Psychologie und beides hat denselben Effekt. Du musst völlig klar im Kopf sein und dich voll konzentrieren, um einen Unfall zu vermeiden“ Neben dem Schwertschlucken hat Du aber noch viel mehr im Repertoire... „Neben dem Burlesquetanzen habe ich jahrelang eine Comedynummer mit Zwangsjacke gezeigt, die ich aber mittlerweile eher als Tanz darbiete, sehr tragisch, in Begleitung einer Band. Ich bin eine Schauspielerin, die mit vielen Tricks arbeitet und immer überraschend ist. Ich mache fast immer etwas Neues, lasse mich inspirieren. Kürzlich bin ich mit Peaches in Amsterdam aufgetreten. Es muss aufregend sein und mich selbst faszinieren, Standard finde ich langweilig!“

»Es muss aufregend sein und mich selbst faszinieren, Standard finde ich langweilig!« BLVD 29


Reviews.

Tommy Lee . | Text. Danny Dubilski

ENTERING TOMMYLAND. In den Achtzigern waren TOMMY LEE und seine Band MÖTLEY CRÜE nicht nur die Haarspray-Hard    Rock-Hauptverantwortlichen für schärfere FCKW-Richtlinien oder substanzielle Groupie- und Drogen-Exzesse, sondern mit exemplarischen Alben wie „Girls, Girls, Girls“ und „Dr. Feelgood“ auch die uneingeschränkten Chaos-Könige des verlotterten Sunset Strips. 20 Jahre nach ihrer letzten Deutschland-Tour bemühten sich die Saints Of Los Angeles kürzlich wieder (fast) geläutert auf die bundesdeutsche Bühnenlandschaft. Sonic Youth „The Eternal“ (Matador/ Indigo) Gruppen, die die Juvenilität im Namen tragen, haben irgendwann ein Problem. Wenn sie nach Auftritten ein Sauerstoffzelt brauchen. Oder Backstage statt Bier eine Kanne Tee steht. Sonic Youth gehören zu der seltenen Sorte Band, an der so etwas mehr oder weniger spurlos vorüberzugehen scheint. Sie machen einfach immer weiter und haben mit dem Mitte-Fünfzig-Sein keine Schwierigkeiten. Trotzdem verzichten die New Yorker auf ihrem neuen Album wie bereits auf den vorigen auf allzu schwer im Magen liegende Experimente, die sie um die Jahrtausendwende herum eher zu einem Fall für HardcoreKunststudenten mit Indie-Background machten. „The Eternal“ rockt und rumpelt, giftet und rüpelt. Und zeugt von einer Abgeklärtheit, wie sie eine Band eben erst ab dem 25jährigen Bestehen an den Tag zu legen beginnt. Bemerkenswert: Sonic Youth sind das ganze Album über in der Lage, sich neben sich selbst zu stellen und inszenieren „The Eternal“ teils als launige Selbstreferenz, teils als Würdigung ihrer eigenen musikhistorischen Relevanz. Deutlicher als in „Poison Arrow“ hat Thurston Moore jedenfalls Lou Reed noch nie die Ehre erwiesen – gesanglich wie textlich. ‚Here she comes, she is playing hard to get / There she goes, a promise you’ll never forget’ – mit dunkler Sonnenbrille Frauen abchecken, während The Velvet Underground läuft, macht in jedem Alter Spaß. Woanders warten bassig kickende Krautrock-Beats und ganz kurz sogar eine minimale Andeutung des „Paranoid“-Riffs. Andersherum baut „Antenna“ zwischendrin auf einem Kanal die finale Gitarrenzerstörung aus Radioheads „Karma Police“ nach. Man sieht: Sonic Youth wissen nicht nur, wo sie herkommen, sondern auch, was gerade so läuft. Und so gehen sie bald ihrer Wege, schreiben wirsche Musiken für Kunstfilme und Theaterstücke oder kuratieren Ausstellungen. Sollen sie. Solange sie sich dann in ein paar Jahren wieder treffen und ein so großartiges Album wie „The Eternal“ aufnehmen. Thomas Pilgrim

Bitter Twins „Global Panic“ (Wild Kingdom) Dass schwedische Bands ein Rockhistorie-Faible haben und sich gern in LP-Second HandLäden an veritabel verstaubten Vinyl-Schätzchen ergötzen, ist nicht erst seit Mando Diao Teil skandinavischer Musik-Sozialisierung. Hinter dem Bandnamen steckt nämlich Boba Fett, einstiger Keyboarder der Hellacopters und Gitarrist der Diamond Dogs, sowie Sulo, Sänger der letztgenannten Retro-Rock-Truppe, die hier ihr gemeinsames zwanzigjähriges Musizieren unter abgrenzender Ableger-Album-Flagge feiern. Musikalisch weht der Wind weder einseitig aus Kiss/ Aerosmith-Richtung, noch legt man sich tief ins Faces-Fahrwasser – die Bitter Twins kanalisieren ihre Classic Rock-Vorlieben lieber vornehmlich auf den Reggae-reifen The Clash-Sound der „Sandinista!“- Schaffensphase. Das macht im Klassiker-Konsens-Kombinat zwar ein besseres Sommer-Album als die Horror-Vorstellung sämtlicher „DSDS“-Dubletten in einer kommenden Punk Rock-Dub-Bacardi-Werbung, bleibt unterm Strich aber ähnlich (Gesichts-)farb- und letztlich auch belanglos. Danny Dubilski

Enter Shikari Dreads“ (Warner)

La Roux „La Roux“

„Common

Here come the young men; the next generation. Vier Typen mit seltsamen Vornamen wie Roughton oder Rory haben beschlossen, all den pittoresken Quatsch ihrer Heimat Arreton Manor auf der Isle Of Wight mal eben in die Tonne zu treten und wütende Instrumente von Revolution etc. sprechen zu lassen. When Partyplatte meets Politparolen geht auch gerne mal etwas zu Bruch im Hause Enter Shikari, die mit ihrem Zweitling wieder an all den Fronten kämpfen, an denen sich der ideologische Sondereinsatz noch einigermaßen lohnt. Mit lauten, komplexen Wall Of Sound-Kaskaden gegen Klimakatastrophe, Krieg und Kapitalistenkrise. Tod dem System, dessen Teil man selbst nicht länger sein will. Producer Andy Gray hat vorher nicht nur mit U2, Korn oder Tori Amos gearbeitet, sondern auch die Titelmelodie der englischen „Big Brother“-Version geschrieben. Strangely enough. „Common Dreads“ ist der Gegenschlag aus dem Widerstand - künstliche Intelligenz zum Tanzen; neue Transcore-Hymnen für die Generation Bankrottes Britain. Thomas Clausen

Es ist eine Art von Ironie: Das neue Ding ist immer öfter ein altes. Das gilt auch für La Roux, die sich ausgerechnet vom gitarrenverliebten England aus anschicken, den Electro-Pop zu retten. Wobei vergessen wird, dass La Roux nicht nur aus der androgynen Sängerin Elly Jackson, sondern auch aus dem hinter den Keyboards kauernden Ben Langmaid bestehen. Ausgerechnet die französische Dance-Institution Kitsuné veröffentlichte die erste Maxi „Quicksand“, die gleich an mehreren Stellen andockt: beim Früh-Electro der Achtziger Jahre, dem hedonistischen Dancefloor von Fischerspooner und synthetischen Joy Division-Imitaten. Mit einem Unterschied: Hier ist alles Pop. Jacksons Texte genauso wie ihr schriller Gesang, bei dem man nahezu vegetativ zum ersten Album des kurzlebigen russischen Nymphenwunders t.A.T.u. greifen möchte. Und neben der Single vor allem Tracks wie der feuchte Stampfer „In For The Kill“ oder „Bulletproof“. Für den Moment ist „La Roux“ ein kurzweiliges Stück Pop mit einer Extraportion Zucker. Ob es den Sommer übersteht, bleibt abzuwarten. Mal sehen also, welche Frisur man in drei Monaten trägt. Thomas Pilgrim

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(Polydor/

Universal)

S

chön hat er sich’s eingerichtet, der Tommy. In dem sonst den Charme einer Kongresshallen-Toilette versprühenden Backstageraum des Münchener Zeniths. Räucherstäbchenduft, rot-samtene Vorhänge. SCHUMMERLICHT und ein wasserstoffblondes, knapp der Minderjährigkeit entwachsenes Mini-Mäuschen auf der Couch. Die Marlboro-Lights in der einen, den Wodka-Cranberrie in der anderen Hand. Alles da, was der Rockstar von damals/ heute braucht. Über den bisherigen Comeback-Tourverlauf freut sich der für 46 Lenze und entsprechendem L.A.-Lebensstil erstaunlich gut konservierte Schlagzeuger. Sagt er. „Es ist so geil, wir spielen diesmal sogar an Orten, an denen wir noch nie aufgetreten sind: Norwegen, Belgien und vor allem auch in meiner griechischen Geburtstadt, Athen. Es ist schön, wieder in Europa zu sein. Wir waren viel zu lange weg, das soll sich künftig aber ändern.“ Unbedingt. Dabei will man sich nicht nur auf alten Hit-Lorbeeren ausruhen. Mit dem aktuellen Album „Saints Of Los Angeles“ gelang der Crüe bereits ein veritables musikalisches Voll-Update und auch auf Tour bemüht man sich mittlerweile eher um Song- als um Drogen-Nachschub. „Wir wollen bereits Ende 2010 eine neue Platte raushauen. Und ich schreibe derzeit simultan auch noch an einem neuen SOLOALBUM.“

Pläne einer (über)lebenden Legende. Trotz so viel an den Tag gelegter Arbeitsenergie kommt das standesgemäße Feiern bei der Crüe heute wohl etwas kürzer als früher. Könnte man meinen. Kaum vorstellbar, dass die Band das in ihrer berüchtigten Ausschweifungs-Autobiografie „The Dirt“ beschriebene Highway To Hell-Tempo immer noch hält. Tommy winkt ab. „Von wegen. Mann, die guten Zeiten sind noch lange nicht vorbei. Wen du da rüber schaust, siehst du dort kein Kofferradio stehen, sondern ein komplettes Nachtclub-PA-System! Die anderen Bandmembers zwingen mich immer, das letzte Zimmer im Hotel-Gang zu nehmen, weil ich immer so scheiße laut aufdrehe. Mick und Nikki feiern auch mal ganz gerne, allerdings ohne Alkohol und Drogen. Bei mir sieht die

Sachlage jedoch komplett anders aus. Willst du einen Schluck JÄGERMEISTER?“ Kaum ausgesprochen, steht Mr. Lee schon an der eigens installierten Hörnertee-Schussanlage. „Du hast gefragt, ob Mötley Crüe heute immer noch richtig Party machen? Tommy schon!“ Danke und Prost. In knapp 20 Minuten geht es dann auch schon auf die Bühne. „Die Fans in Deutschland und Europa sind viel cooler, als die in den USA. Sie gehen viel mehr ab“, freut sich Tommy auf den bevorstehenden Gig. „In Amerika zu spielen ist manchmal echt ziemlich lahm. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, ehrlich.“ Klingt so, als würde der nächste Besuch im alten Europa nicht wieder ganze 20 Jahre auf sich warten lassen. From Tommyland with love.

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Impressum.

Fragen an Ari Soffer.

9 TILL Five. Die „Vorsicht Farbe!“-Schilder sollten mittlerweile entfernt sein. Nichts desto trotz verströmt Ari Soffers gerade eröffneter Flagship Store in Beverly Hills immer noch diesen typischen Post-Einweihungsduft aus frisch renovierten Wänden und den Pheromonen ausnahmslos laufstegtauglicher Verkäuferinnen. Seit 1995 beliefert L.A.s momentan heißester Designer die Berühmten mit seinen glitzy Accessoires und Klunkern aus Leder, Gold, Edelsteinen. Von Avril Lavigne bis Robbie Williams, von Tommy Lee bis Arnold Schwarzenegger. Here we go.

Redaktionsanschrift. Alternative Media & Events Grünberger Str. 16 10243 Berlin Tel: +49 (0) 30 29 36 92 60 Email: redaktion@blvd-magazine.com

Verlagsanschrift. J.L.King Publishing London Ltd. (HQ) 412 Aragon Tower SE8 3AH London T: +44 (0) 56 03 01 12 10 Nikoma T. Beermann (Germany) T: +49 (0) 30 89 37 18 76 www.jlking-publishing.com

Herausgeber und Verlag. Alternative Media & Events, Alexander van Hessen, JLK Publishing London Ltd., Jeffrey L. King

Cover. Gossip (Lee Broomfield)

Mitarbeiter. Dany Dubilsky, Julia Eckebrecht, Georg Howahl, Myk Jung, Anke Kischel, Thomas Pilgrim, Johannes Schleiwies, Lena Studnitzky, Peewee Vignold

Ständige Fotografen. Stephan Sackmann, Joachim Scheffler, Gili Shani

Art Director & Layout. Melanie Skowronek mel@alternative-media.de www.d-voncount.de

5 HELDEN. My best friends. My father who came from nothing and built his empire. My mom for being able to put up with me. Tom Morello for being the most amazing, original guitar player of all time. President Obama.

Who. Where. How. What.

9 HASS-Objekte. Never ending text messages from x girlfriends. Spam-Mails. Verkehrsstaus. Warteschlagen. Jeder, der vor mir in Verkehrsstaus und Warteschlangen steht. Flughäfen. Gerade der von Los Angeles ist unerträglich. Politessen. Lügner. Diebe.

Chefredakteur. Thomas Clausen clausen@alternative-media.de

See you. www.blvd-magazine.com www.twitter.com/blvd_magazine www.myspace.com/blvd_magazine www.facebook.com/blvd.magazine

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Mein AMG Mercedes. All black murdered out lowered 63 is so fast. Mein Tool shop. Lets make some new stuff today. Meine persönliche Assistentin. Meine Kunden. Auch die, die nicht all zu viel kaufen. Das Wetter in L.A. Mein Blackberry 8900 Curve. Mit Videokamera. Mein neuer Shop auf dem 850 S Robertson Blvd in Los Angeles.

Anzeigenverkauf. CoCo-media Carmen Maria Jentzsch Messedamm 22 / KB1 14055 Berlin T: +49 (0) 30 30 38 58 95 F: +49 (0) 30 - 30 38 58 99 M: cj@coco-media.de

9 ÜBERLEBENSNOTWENDIGE Dinge. Meine Freunde. Meine Winchester 12. It makes such a nice sound when I rack it.

5 ORTE. Maui/ Hawaii. Sonne, Sand, Frieden, Stille. Cape Cod/ Massachusetts. Urlaub im East Coast Style mit meiner Familie. Los Angeles/ Ca. Anything you want, anytime. Europa. Wunderschön und aufregend. Burma. By far and away, the most amazing place I`ve ever been.

5 GERICHTE. Steak and Boa on Sunset Blvd. Barbeque from Baby Blues. Penne Mauro from Fred Segal. Pizza from Mulberry Pizza. Anything my mom wants to make in her kitchen.

5 schlechte EIGENSCHAFTEN. Loosing my temper. Screaming. Buying way too many Diamonds. Needing everything right now. Trying to date too many girls at the same time.

9 FILME. „Es war einmal in Amerika“. Aren`t the old .45 Cal Tommy guns great? „Der Pate 1 & 2“. Es gibt keine besseren Mafia-Filme. „Goodfellas“. „Stand By Me“. Wish I could be a kid again when I watch this. „Casino“. „Scarface“. So nice and violent. „A Clockwork Orange“. „Einer flog über`s Kuckucksnest“. Jack Nicholson, come on. Wie könnte man ihn nicht lieben? „Star Wars“. Take me to a planet far far away. Now!

9 PLATTEN. Rage Against The Machine „Evil Empire“. Bob Marley „Legend“. Cold Play „A Rush Of Blood To The Head“. Jane`s Addiction „Nothing`s Shocking“. Led Zeppelin „Led Zeppelin II“. Mazzy Star „Among My Swan“. Beastie Boys „Licensed To Ill“. Pink Floyd „Dark Side Of The Moon“. Red Hot Chili Peppers „Greatest Hits“.

5 Eigenschaften. Bei FRAUEN. Skinny. Sexy. Smart but not too smart. Likes to be outside. Listens to instructions well.

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Preview. With compliments

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ie NEW YORK DOLLS. Letztes Mal noch im Keller des White Trash - demnächst auf den Brettern des Sage Clubs: Wenn David Johansen und Sylvain Sylvain die Glitzerfummel auspacken, wird jedem Glamrocker warm ums Herz. Soll auch so bleiben bei ihrer einzigen Deutschland-Show so far. Cause we sez so. 23.07. Berlin, Sage Club

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eiten, schwimmen, lesen. Und dann noch Wakeboard und BMX, wenn schönes Wetter ist. Alles gar nicht so leicht unter einen Hut zu bringen when to going gets tough. Statt weiter aus Billy Ocean-Lyrics zu klauen, raten wir zum Besuch der T-MOBILE EXTREME PLAYGROUNDS in Hamburg. Auf Pipes und Ramps stürzen nur die Besten der Besten beim Griff nach Siegerschale und -cheque. Keith Lidberg. Mike Ketellapper. Steffen Vollert u.a. Der Live-

Doherty nur mit Geld alleine zu seinem Headliner-Gig auf dem Gelände formerly known as Flughafen Tempelhof zu bewegen, erscheint fast aussichtslos. Spekulationen wird hiermit Tür und Tor geöffnet; Buchmacher zwischen Berlin und London freuen sich auf rege Wettbeteiligung. Ansonsten bestätigt: Dendemann, Saint Etienne, Peaches, Deichkind, Jarvis Cocker, Zoot Woman, Digitalism, Whirlpool Productions. Und viele andere. 07. – 08.08. Berlin, Flughafen Tempelhof

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ie Königin der leichten Unterhaltung mit ihrem einzigen Deutschland-Konzert. Muss man eigentlich lieben, alleine der Skandale wegen. Schwarzmarktticketpreise übersteigen mittlerweile die Kosten eines durchschnittlichen Romantic Dinners. Dafür gibt’s bei Mrs. BRITNEY SPEARS tolle Hochglanzpop-Hits und Laugengebäck wahlweise mit oder ohne Salz. Ist auch schön. 26.07. Berlin, O2 World

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assenhochzeit. Polonaise. Prominente. Versprechen die drei Gastgeber Bela B. und Icke & Er für das EIN HARTZ FÜR BERLIN Festival in der Zitadelle Spandau. Open Air Spendengala Galore mit Spezialauftritten von Peter Fox, Sido, K.I.Z., T.Raumschmiere sowie natürlich den Schirmherren themselves including some very secret Geheimgästen. Gute Sache. 19.07. Berlin, Zitadelle Spandau

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Soundtrack zum Spektakel aus broken bones und broken dreams kommt diesmal von Rise Against und den Mad Caddies. 30.08. Hamburg, Wasserski-Area Pinneberg

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enige Worte muss man über das BERLIN FESTIVAL 2009 verlieren angesichts der Shakespeare`schen Frage: Kommt er? Oder kommt er nicht? Sicher ist: Celeb-Junkie Pete



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