J'N'C News 1/2016

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J’N’C News – Brancheninformationen, 24. Jahrgang, Ausgabe 01-2016, Dienstag, 12. Januar 2016

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NEWS

MACHER MUSTANG GRUPPE / DIETMAR AXT

WIR MACHEN PEOPLE BUSINESS Dietmar Axt hat vor vier Jahren die Verantwortung für die Geschicke einer der ältesten Jeansmarken Europas übernommen und erklärt uns im Interview, mit welcher Vision er sie in eine neue Ära führt. S. 18

GDS-SPECIAL

DIGITAL CRAFT Im Gespräch mit Niels Holger Wien über das Miteinander von analogen Erlebniswelten und digitalen Technologien. S. 30

NEWS

MACHER

MIT OFFENEM VISIER

MESSEN

WENN DENIM DENKT...

S. 22

S. 26

Guido Johnen erklärt, wie er als Creative Director die Marke camel active auf den Punkt bringen wird.

Auf der Kingpins in Amsterdam sind wir auf drei spannende Entwicklungen gestoßen.

MERCHANDISE

HOTSELLER

Das Geschäft mit den Fan-Artikeln boomt wie noch nie. S. 8

Wir sagen Ihnen, was auf keiner Orderliste fehlen sollte. S. 16

RED WING

RETAIL

Wie man aus einem Männer­schuh eine Frauen­ linie macht, weiß am Besten: eine Frau. S. 10

Wie ist die Stimmung im deutschen Einzelhandel? Experten stehen uns Rede und Antwort. S. 36

NUDIE JEANS

KOMMENTAR

Morgan Sundberg will als neuer Design-Manager Brücken schlagen. S. 14

Sourcebook erklärt, warum Produzieren in Europa ein Vorteil sein kann. S. 38

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J’N’C News – Brancheninformationen, 24. Jahrgang, Ausgabe 01-2016, Dienstag, 12. Januar 2016

EDITORIAL Anzeige

„It’s all about Denim“: Das war Motto und Leitgedanke der vorliegenden J’N’C News. Inspirierender Ausgangspunkt für unsere Recherchen war die Amsterdamer Kingpins Show, bevor es dann zur Denim Première Vision nach Barcelona weiterging. Das Ergebnis: eine ziemlich blaue Ausgabe. Dafür sorgt nicht nur unser Denim-Trendfeature, sondern auch ein Experteninterview mit Norbert Hinderberger, der seit mehr als 25 Jahren im Denimgeschäft und davon nun zwei Jahre beim italienischen Weber Candiani Denim als Vertriebsleiter Deutschland tätig ist. Ein weiterer wahrer Liebhaber des blauen Goldes ist Dietmar Axt. Für das aktuelle Cover-Interview empfing der CEO der Mustang-Gruppe Fredericke Winkler im beschaulichen Künzelsau. Der Chauffeur, der die stellvertretende Chefredakteurin der J’N’C News vom Stuttgarter Flughafen abholte – ein Mustang-Urgestein namens Rudi –, hatte seinerzeit schon die Sefraneks von A nach B gebracht und war der perfekte Gesprächspartner, um einen sehr persönlichen VorabEinblick in die Geschicke des Traditions­ unternehmens zu gewinnen. Seit nunmehr vier Jahren führt Dietmar Axt die schwäbische Jeans-Company. Wie er, von Diesel kommend, bei Mustang das Ruder übernommen hat und wohin die Reise unter seiner Führung geht, lesen Sie ab Seite 18. Was macht eigentlich der deutsche Modehandel? Dies ist eine Frage, die uns regelmäßig auf den Nägeln brennt und auch redaktionsintern immer wieder leidenschaftliche Diskussionen entfacht. Um den Geheimnissen von Erfolg und Misserfolg auf die Spur zu kommen, haben wir in dieser Ausgabe ein Expertenforum befragt. Markenmacher, Einzelhändler, Konsumforscher – sie alle haben ihre ganz eigene Sicht auf den Modemarkt der Gegenwart. Ihre ausführlichen Meinungsäußerungen zum Thema Handel finden Sie ab Seite 36. Von der Theorie zur Praxis: In unserer neuen Rubrik ‚Hot Sellers‘ zeigen wir von nun an Styles und Looks, die in Ihrem Sortiment in der kommenden Saison nicht fehlen dürfen. Und wir nennen Ihnen im gleichen Atemzug die dafür relevanten Brands. Ebenfalls zukunftsrelevant: die Visionen von Niels Holger Wien, einem Trendanalysten und Farbexperten. In einem mehrstündigen Gespräch erläuterte er äußerst eloquent, inwiefern digitale Welten unsere Produkte, ihre Ästhetik und den Handel prägen werden. Warum er dennoch nicht auf analoge Erfahrungen verzichten kann, wird im Interview ab Seite 30 deutlich. GDS-Messechefin Kirstin Deutelmoser wiederum hat sehr klare Worte gefunden, wenn es um die Frage geht: Quo vadis, Schuhbranche? Welche Trends und Entwicklungen sie prognostiziert und welche Schlüsse sie daraus für die GDS zieht, lesen Sie ab Seite 28. Soweit also die Zukunftsaussichten – nun zurück zur Gegenwart. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Start in die aktuelle Ordersaison und viel Vergnügen mit der vorliegenden Ausgabe. Ilona Marx und das J’N’C News Team

LE CLASSIC, L’ AUTHENTIC, L’ ORIGINAL. Made in France

IMPRESSUM HERAUSGEBER EPP Professional Publishing Group GmbH Hildebrandtstr. 24D 40215 Düsseldorf Germany Tel. +49 (0)211 8303 0 Fax +49 (0)211 8303 200 info@jnc-net.de, www.jnc-net.de VERLAGSLEITUNG Michael Rieck CHEFREDAKTION Ilona Marx ASSOCIATE PUBLISHER Pierre D’Aveta REDAKTION Co-Chefredaktion: Fredericke Winkler (fw) Freie Mitarbeit: Cheryll Muehlen (cm), Barbara Russ (br), Rachel Siekmeyer (rs) FOTOGRAFIE Nikolaus Grünwald, Peter Lorenz, Bernd Wichmann LEKTORAT UND SCHLUSSKORREKTUR Christina Borkenhagen ANZEIGEN Pierre D’Aveta, p.daveta@jnc-net.de Telefon +49 (0)211 8303-151 ANZEIGEN-DISPOSITION Nikola Köster VERTRIEB EPP Professional Publishing Group GmbH PRODUKTION EPP Professional Publishing Group GmbH GRAFIKDESIGN Martin Steinigen, chewing the sun GmbH, chewingthesun.com DRUCK Schaffrath, Geldern ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben jährlich (inkl. J’N’C Magazine) VERSAND DP AG, Pressepost BEZUGSPREIS Jahresvorzugspreis bei Vorauszahlung 95,00 Euro inkl. Vertriebsgebühren & MwSt., Ausland (Europa): 110,00 Euro inkl. Tax & Vertriebsgebühren. Anzeigenpreisliste: Nr. 12 vom 01.10.2015 BANKVERBINDUNG BTV-Bank Tirol und Vorarlberg AG IBAN DE25 7201 2300 0772 8980 00 SWIFT BTVADE61XXX DATENSCHUTZHINWEIS Falls unter der angegebenen Anschrift eine Zustellung nicht möglich ist, ist die Deutsche Post berechtigt, die richtige Anschrift an den Verlag weiterzugeben. Der Abonnent kann gegen diese Regelung Widerspruch einlegen. Für unverlangte Manuskripte, Fotos etc. wird keine Haftung übernommen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist in jedem Fall Düsseldorf. ISSN: 2193-8423

NEWS

Premium International Fashion Trade Show, Hall 1, Booth B-13 www.espadrij.com | #  e spadrij |  instragram.com  /   e spadrij | facebook.com  /   e spadrij.eu New Showroom: Fichtenstr. 70, 40233 Düsseldorf


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MITTEILUNGEN

SELEKTEUR

„LIFE IS AWESOME. DON’T BUY CRAP.“ Auf der Hohe Straße 6, in der Düsseldorfer Carlstadt, gibt es seit Dezember im Selekteur-Store von Felix Staeudinger, der auch Geschäftsführer der Panorama Europe GmbH ist, allerlei Besonderes zu entdecken. Neben ausgewählten Bekleidungsartikeln von Espadrij l’originale, Menil, Riviera oder Schott NY finden sich in dem ehemaligen Farbengeschäft, in geschmackvoll gestaltetem Ambiente, auch originelle PapeterieProdukte, Kleinmöbel, Kinderspielzeug und Schmuck aus überwiegend europäischen Manufakturen. Mit dem Sortiment des 120 Quadratmeter großen Konzeptstores soll der Wegwerfgesellschaft entgegengewirkt werden. Eine Mission, die auch bereits im Claim „Life is awesome. Don’t buy crap.“, der in großen weißen Lettern an der Frontfensterscheibe des Ladens prangt, klar wird. Der Fokus liegt auf alteingesessenen Manufakturen, die fast ausschließlich innerhalb Europas und vereinzelt auch in den USA oder Japan sitzen. So können kurze Produktionswege in Verbindung mit hohen Standards garantiert werden. Unter den Anbietern finden sich dementsprechend nachhaltige Produkte mit hoher Lebenserwartung von Marken, hinter

denen das Team um Staeudinger voll stehen kann, weil es langjährige Erfahrung mit deren Vertrieb gesammelt hat. Hinzu kommen handverlesene Accessoires von Studio MHL, Kosmetikprodukte von Dr. Bronner, Gadgets von Otter, Küchen-Accessoires von Riess und Sabatier, Papeterie von Caran d’Ache und Schreibutensilien von Kaweco, Kleinmöbel von Tolix, exklusive Heimtextilien von Pendleton oder Tweedmill und Kinderspielzeug von Naseweiss. Der liebevoll gestaltete Shop passt sich perfekt in die charmante Atmosphäre der historischen Carlstadt mit ihrem Kopfsteinpflaster und den emsigen Treiben um die alten Marktbuden ein. Für das Ladendesign wurde massives Kirschholz und Messing verwendet, die gemeinsam eine zurückhaltende, aber einladende Atmosphäre erzeugen. Die hochwertige Verarbeitung und eine schlichte, unaufgeregte Gestaltung gehen auf den Entwurf des Ateliers Schumacher & Staeudinger in Zürich zurück, für die Umsetzung zeichneten die Retail-Spezialisten von Schwitzke & Partner verantwortlich./br www.selekteur.com

BENCH

RAUS AUS DEM REINRAUM Bench wird mit der Saison A/W 2016/17 die ersten gänzlich unter der Ägide von CEO Bruno Sälzer entwickelten Kollektionen präsentieren. Und an ihnen wird einmal mehr deutlich, was Sälzer zuvor schon in Interviews angekündigt hat und was sich auch in der Wahl und Anmutung des neuen Headquarters in München darstellt: Mit dem Wechsel an der Spitze wird Bench modischer und originärer. Effektiv hatte das aus der SkaterSzene kommende englische Label aus seinem Ursprung heraus viel Street Credibility, die aber auf dem Weg durch einige Investorenhände immer stärker verwässert wurde. Mit Übernahme der Geschäfte hatte Sälzer hiermit eine große Aufgabe vor sich, der er zudem noch eine eigene Vision hinzuzufügen wusste. So beschrieb er im Interview mit der J’N’C News für die Januarausgabe 2015, wie faszinierend er die Intensität und Direktheit der jungen Generation findet. Beides Eigenschaften, die zur damaligen Zeit von Bench nicht zwingend angesprochen wurden. In der Tat hat man jedoch das Gefühl, dass das Designteam unter seiner Leitung dies nun zum Ausdruck bringen kann. In Bezug auf die Looks zeigt es sich etwa darin, dass diese

intuitiver und nicht mehr ganz so aufgeräumt erscheinen. So vermittelt auch die Wahl der Themenwelten mit „given to the wild“ für die Menswear und „wildest dream“ für die Womenswear sehr ursprüngliche und narrative Stimmungen. Dennoch bleibt die Aussage der Marke smart und urban – eine opponente Mischung, die sich auch in den Looks widerspiegelt. Sowohl in der Menswear als auch in der DOB wird mit mehreren Lagen gespielt. Schwere Texturen treffen auf leichte Materialien, weiche Wollqualitäten werden durch Nylon ergänzt. Die Farbtöne sind bei den Männern wie auch bei den Frauen handfest und natürlich. Man arbeitet sich von Blautönen zu erdigeren Rotnuancen durch die Saison, die bei den Damen durch kräftigere Farbspots akzentuiert werden. Diese Ambivalenz führt jedoch nicht zu Beliebigkeit, sondern vielmehr zu einem Spannungsfeld, was die Kollektion, ja, direkter und intensiver macht. Ebenfalls spannend ist zu sehen, wie der Markt auf diesen sichtbaren Stilshift reagiert. In der Regel wird Eindeutigkeit ja eher belohnt. /fw www.bench.de

KAPTEN & SON G-Lab

PURE. VISIONARY. ICONIC.

Blue Monkey

WELCOME TO THE DENIM-JUNGLE

Nur dem Wetter trotzen oder in seinem Element sein? Das Outerwearlabel G-Lab entscheidet sich mit seiner Herbst-WinterKollektion 2016/17 ganz klar für Letzteres. Das wetterfeste 3-Lagen-Material und der moderne Stil der Düsseldorfer Marke kreieren eine Performance Fashion, die uns Großstädter bestens für jede Situation vorbereitet. Hier spielt die sogenannte 3-in-1-Hybridtechnologie mit dem herausnehmbaren und separat tragbaren Thermo Jacket eine maßgebliche Rolle. Doch G-Lab hebt sich nicht nur durch die Multifunktionalität seiner Kleidung – winddicht, wasserdicht, atmungsaktiv und wärmend – ab, sondern auch durch das avantgardistische Design in gedeckten Farben. Dabei liegt besonders die Damenkollektion im Fokus, und wir dürfen uns auf feminine Silhouetten, coole Ponchojacken und neuinterpretierte Klassiker wie den Trenchcoat freuen. Im Herrensegment bleibt es gewohnt sportiv und funktional mit maskulinen Schnitten, lässigen Parkas und Biker-Details. So verbindet G-Lab wieder einmal Handwerk mit innovativer Technologie und puristischem Design. /rs

Urbane Marken verkaufen sich nur in der Großstadt? Das stimmt nicht! Den Beweis liefert das deutsche Label Blue Monkey Jeans, indem es seinen Denim-Dschungel nach Kaiserslautern verlegt. Ab sofort befindet sich das Headquarter der Jeansmarke auf einem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal in der rheinland-pfälzischen Stadt. Und Blue Monkey Jeans nutzt jeden Zentimeter, unter anderem mit einer eigenen Logistik, um noch schneller am Markt operieren zu können. Zu diesem Standortwechsel kommt die Optimierung der Website hinzu, sodass nun die Weichen für ein weiteres Wachstum der Marke gestellt sind. Betrachten wir die Herbst/Winter 2016/17-Kollektion, wird besagtes Wachstum sicherlich auch nicht ausbleiben. Von Super-Skinny bis hin zur Flared-Jeans bedient das Denimlabel alle Trends der kommenden Saison und verfolgt durch spezielle Materialbehandlungen und ausgefallene Applikationen dennoch seinen eigenen Stil. /rs

www.g-lab.com

www.bluemonkey-jeans.de

EINE EUROPÄISCHE ERFOLGSGESCHICHTE Wenn es auch aktuell an guten Beispielen gelungener europäischer Zusammenarbeit zu mangeln scheint, hier kommt eines: Bei dem Label Kapten & Son finden schwedisches Design, Schweizer Handwerksgeist und deutsche Präzision in formschönen Armbanduhren zueinander. Eine moderne Erfolgsgeschichte, wie sie im Buche steht: Obwohl das Label sich erst im zweiten Gründungsjahr befindet, sind dort bereits 30 Mitarbeiter beschäftigt. Die drei Gründer des Uhrenlabels, Fabian Deventer, Artjem Weissbeck und Johannes Theobald, waren sich sicher: Auch in heutigen Zeiten, da das Handy als Zeitmesser der klassischen Uhr den Rang abzulaufen droht, spricht noch einiges für den Chronometer am Handgelenk. So sicher waren sich die drei Münsteraner, dass sie 2014 ihr Label für Unisex-Uhren, Kapten & Son, ins Leben riefen. Fahrt nahm die Geschichte im Sommer 2014 auf, als das ‚Summer’-Armband, ein mintgrünes Nylonband, das es in dieser Form auf dem Markt noch nicht gab, ins Sortiment aufgenommen wurde und prompt einen Hype auf den Social-Media-Kanälen auslöste.

Binnen kürzester Zeit waren die Uhren ausverkauft – geschadet hat das indes nicht. Die rasche Verknappung des Produkts führte zu einer anhaltenden Begehrlichkeit. Zusätzlich wurde Anfang 2015 damit begonnen, proaktiv den Einzelhandel zu beliefern. Mittlerweile sind Kapten & Son auf diese Weise bei über 100 Partnern im Sortiment vertreten und der eigene Onlineshop in vier Sprachen übersetzt. Selbst in Australien kann man die guten Stücke schon online erwerben. Offenbar haben die drei mit ihrer Designphilosophie voll den Nerv der Zeit getroffen: sechs unterschiedliche, unaufdringlich designte Uhrenmodelle, über 20 auswechselbare Armbänder und im Inneren des Edelstahlgehäuses ein präzises Uhrwerk der Schweizer Marke Ronda. „Wir wollten nichts weiter, als die perfekte Uhr für uns und unsere Freunde kreieren“, sagt Gründer Fabian Deventer. Das ist gelungen – allerhöchstens die Zahl der potenziellen Freunde haben die drei wohl unterschätzt. /br www.kapten-son.de

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MITTEILUNGEN

Ten Points

SCHWEDISCHE SLOW FASHION Moderne Schuhe, zeitloses Design und eine nachhaltige Produktion: Das schwedische Schuhlabel Ten Points weiß seit seiner Gründung im Jahr 1983, worauf es ankommt. Auch im Jahr 2016 setzt das Unternehmen sein fortschrittliches, skandinavisches Verständnis von Nachhaltigkeit und Entschleunigung gekonnt ein, denn jedes Paar wird in Stockholm designt und in Portugal in einem aufwendigen manuellen Verfahren produziert. Eine nachhaltige Produktion und faire Arbeitskonditionen stehen dabei an oberster Stelle. So kann die Kundschaft gleich doppelt stolz auf ihre smarten Ten Points-Boots sein, die zum Herbst/Winter 2016/17 von Colour-Blocking, Asymmetrie, dunklem Leder und VintageOptik geprägt sind. /cm

DESIDERIUS

FREE SPIRIT In Zeiten der Globalisierung und des damit einhergehenden schwindenden Individualismus versucht Desiderius, sich von der Masse abzuheben und dies mit seinen Vintageanmutenden Taschendesigns auch seinen Kunden zu ermöglichen. Ganz nach dem Motto „Alles kann, nichts muss“ spiegelt der Look den frei denkenden Spirit der deutschen Marke hervorragend wieder. Uniformelle Gleichheit sucht man hier vergebens. Weiches und softes Vollrindleder wird mit einer eigens für Desiderius entwickelten Veredelungstechnik bearbeitet. Sie ist es auch, die nach einer gewissen Zeit die charakteristische Patina ermöglicht und so jedem Piece ihren persönlichen, authentischen Used-Look

verleiht. Eyecatcher und Wiedererkennungsmerkmal sind die zwei pyramidenförmigen Nieten auf den Taschen, die in Farben wie Lavendel, Olive, Grau und Cognac kommen, teils dekoriert mit Goldplättchen und bunten Pailletten. Große Shopper und bauchige Hobo-Bags sowie praktische Beuteltaschen aus Wildleder und stylische Weekender werden von femininen Bohème-Clutches und Indianer-Jones-würdigen Gürteltaschen abgerundet. Desiderius bietet von Alltag bis Abenteuer genau das richtige Angebot für modische Freigeister. /cm www.desiderius.com

www.tenpoints.com

Julian Zigerli

BASICS FOR NOT SO BASIC PEOPLE Wie kommt ein Fashion-Avangardist wie Julian Zigerli auf die Idee, eine Basic-Line ins Leben zu rufen? Es sind ja nicht einfach nur Basics. Sondern „basics for not so basic people“. Sie haben trotzdem immer etwas Besonderes und sollen so die Hauptkollektion abrunden. Mit unseren ‚All Time Favorites’ wollten wir ein Angebot schaffen, mit dem wir mehr Kunden abholen können. Wir wollten kommerzieller werden. Nach der Formel, je einfacher, desto verkäuflicher...? So würde ich das nicht sagen. Unsere Basics sind aus Schweizer Stoffen und in Deutschland gefertigt, und müssen trotzdem preislich als Basic attraktiv sein. Das hinzubekommen ist für uns eine große Herausforderung und sicherlich in mancher Hinsicht komplizierter, als ausgefallene Kollektionsteile zu machen. Außerdem bieten wir die ‚Basic Line’ als NOS-Ware an.

Blauer

TRADITION & URBANITÄT

Menil

NEUZUGÄNGE

Das bedeutet, Ihr werdet die Linie weiter ausbauen? Es steckt zumindest noch sehr viel Potenzial drin. Ich würde zum Beispiel gerne eine Jeans machen. Mir darüber Gedanken zu machen, bringt mir sehr viel Spaß. Ich muss mich eher zurückpfeifen, denn das Prinzip der ‚All Time Favorites’ ist ja, dass sie sich eben nicht jede Saison verändern. Das ist ja das Schöne: Die Teile laufen uns nicht davon. /fw

Diesen Namen sollten Sie sich merken: Ten117, ausgesprochen Ten Eleven Seven, und ein Akronym für die Postleitzahl des Designstudios in Berlin, befindet sich mit seinen zeitlosen, aber dennoch außergewöhnlichen Jacken auf dem unserem Label-to-watchRadar. Erst im Sommer 2015 gab das junge Label sein Berliner Debüt. In seiner zweiten Kollektion zum H/W 16/17 präsentiert Creative Director Ferhat Kartal rund 40 Styles für Frauen und 15 Menswear-Modelle mit cleanen Silhouetten, lockeren Schnitten und satten Farben. „Mich inspirieren die Pariser Frauen im 10. Arrondissement, die sich unangestrengt in ihrer Kleidung bewegen, intuitiv Farben und Muster kombinieren und dabei mühelos elegant erscheinen – ein individueller Stil entsteht durch lässiges, ungezwungenes Verhalten“, sagt er. Ungezwungen sind auch der mit Karnfell gefütterte Trenchcoat, der vereinfachte Dufflecoat sowie die Eyecatcher Bikerjacke in Samt auf Neopren gebondet, die allesamt Fashion-Herzen höher schlagen lassen. /cm

Bei einem Label wie Blauer an dem Wort Tradition vorbei zu kommen, ist schwer. Schließlich reicht die Unternehmensgeschichte bis ins Jahr 1935 zurück, als Blauer noch ausschließlich für Uniformen und Performance stand. Und auch 80 Jahre später wird in der Herbst/Winter 2016/17-Saison der traditionelle Ursprung bei den Caban-, Bomber- und Uniformjacken deutlich. Die Klassiker werden mit farbigen Logopatches, lichtreflektierenden Details und herausnehmbarem Steppfutter an die Ansprüche moderner, urbaner Mode angepasst. Die strikt durchgezogene Farbpalette aus Grau, Schwarz und Blau erinnert an die Uniformen der US-amerikanischen Polizei. Mäntel mit herausnehmbarem Daunenfutter, Wendejacken, Cabans, Montgomerys und Trenchs ziehen ihre Inspiration ebenfalls aus der Polizei und dem Militär. Bei den Damen gibt vor allem Stepp den Design­ ton an. Materialien wie Fleece, Neopren, Softshell, Nylon, Strick und Baumwolle ergänzen den Look. Aber der wohl coolste Clou: Bei einigen Modellen wird das Heizsystem der EHG (Electric Heat Generator) Jacke aus der vorherigen Herbst/Winter-Kollektion aufgegriffen. Wärme per Knopfdruck also. Blauer USA bleibt seinem Anspruch an Funktionalität jedenfalls treu und übersetzt diesen gekonnt in die urbane Modewelt. „Uncompromising Performance“ at its best. /cm

Im 19. Jahrhundert reiste der Pariser Garnund Stoffhändler André Menil durch Europa und machte sich garantiert keine Vorstellung davon, dass eines Tages, in seinem Namen, traditionelle Mäntel in britischen Manufakturen im Osten Londons gefertigt werden würden. Dass Menil heute für ein authentisches Label mit Vorzeige-Werten steht – sie wollen ausschließlich mit alteingesessenen Manufakturen in Europa zusammenarbeiten – hat er seinem Enkel zu verdanken, der das Label 2011 gründete und es, seinem Großvater zu Ehren, nach ihm benannte. Für die Herbst/Winter 2016-Kollektion bekommen die zwei klassischen Dufflecoat-Modelle Cornwall und Stratford Gesellschaft von neuen Key Styles wie dem Damen-Cape, dem Damen-Coat aus Woll-Fleece-Qualität, angelehnt an einen Blazer, oder dem Raincoat aus wasserabweisendem Material, für Damen und Herren. Abgerundet wird die neue Kollektion durch den Parka, der als Unisex-Variante mit herausnehmbarem Innenfutter ausgestattet ist und somit ideal vom anfänglichen Herbst bis zum rauen Winter getragen werden kann. Die Farbpalette zur neuen Saison reicht von warmen Tönen wie Camel und Bordeaux über farbenfrohes Fuchsia und Senfgelb bis hin zu dunklen Nuancen wie Grau und Navy. André Menil wäre stolz drauf! /cm

www.julianzigerli.com

www.ten117berlin.com

www.blauer.it

www.menil.eu

Wie ist die Reaktion im Handel? Wir haben im August die erste Auslieferung gemacht und bisher gutes Feedback bekommen. Momentan verkaufen wir unsere ‚All Time Favorites’ in die Schweiz, wollen aber nun den gesamten deutschsprachigen Raum angehen. Die Hauptkollektion verkauft sich ja vor allem in Asien sehr gut. Mit den Basics gehen wir nun unseren Heimatmarkt an.

Ten117

LABEL TO WATCH

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VISIT US AT:

Panorama Berlin: 19. - 21.01.16 I.L.M Offenbach: 27. - 29.02.16

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Halle 9 / Stand 9.66.2 Halle 1 / Stand B1.14

www.desiderius.com


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MERCHANDISE

MÖGE DIE KAUFKRAFT MIT EUCH SEIN Erinnern Sie sich an die Szene im Film Spaceballs, in der die Truppe um Prinzessin Vespa zu Yogurts Merchandising-Shop gelangt und dort Spaceballs-Lunchboxen und SpaceballsFeuerwerfer (Kinder lieben es!) feilgeboten bekommt? In etwa so fühlte es sich auch in der J’N’C-Redaktion in den vergangenen Monaten an. Kaum ein Label, das nicht zumindest einen der Kino-Hypes des Winters mitmachte – Star Wars, Hunger Games, Bond & Co. bewegten nicht nur die Gemüter, sondern auch die Güter.

Hier macht der Merchandising-Trend, wie wir das Phänomen vorsichtig nennen wollen, aber noch lange nicht halt. Auch allerlei bekannte und unbekannte Bands, mehr oder weniger obskure Sportarten und völlig abwegige Corporate Identities schaffen es jetzt auf unsere Kleidung. Seien Sie jedoch unbesorgt: Es handelt sich nicht um einen Riss im RaumZeit-Kontinuum, wenn Ihnen eine Gruppe Teenager mit Nirvana- oder AC/DC-Printshirts begegnet. Es ist einfach nur gerade in.

EXIT THROUGH THE GIFT SHOP Das dachte man sich auch bei der Volksbühne in Berlin und bei der Oper Leipzig. Das Met macht es, das MoMa tut es ebenfalls, warum also nicht auch hierzulande den Besuchern das bieten, was sie wirklich wollen: Eine Möglichkeit, ihr kulturelles Kapital unter Beweis zu stellen? Mit einem Shirt bleibt die intellektuelle Aura auch nach dem Besuch des jeweiligen Etablissements erhalten.

STAR WARS Havaianas-Flipflops in Yoda-Grün, Socken von Stance mit Luke-Skywalker-Profil, ­adidas-Sneaker mit dem Konterfei von R2-D2 oder eines Startroopers, oder eine filigrane goldene Halskette mit Chewie-Anhänger von Malaikaraiss? Alles kein Problem.

I HEART BERLIN Das obligatorische Touri-Shirt mit dem roten Herzen darauf ist Ihnen eine Nummer zu simpel? Sie suchen die ultimative Liebeserklärung an Ihre Stadt, aber unter 50 Euro? Hier gibt es das Städteandenken für Fortgeschrittene. Die BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) drucken Ihnen das allseits bekannte Muster ihrer U-Bahnsitze gerne auf absolut jedes textile Erzeugnis. Bisher verfügbar: Leggings, Badeshorts und Socken.

KONZERTTOURNEEN Das Konzerttour-Shirt ist sozusagen das Hard-Rock-Café-Shirt des neuen Jahrtausends. Sie waren einer der zehn Gäste beim allerersten Ramones-Konzert außerhalb New Yorks im Juni 1976 in Youngstown, Ohio? Selbstverständlich. Und falls nicht, muss das ja keiner erfahren.

BMX, SKATEBOARD UND UNTERWASSERRUGBY Sie fahren Ski nur im Schneepflug und haben Höhenangst? Halfpipes haben Sie bisher nur geraucht? Beim Tauchen bekommen Sie Beklemmungen? Macht nichts. Sie können es sich trotzdem auf die Brust schreiben. Nur eben ironisch – Sie wollen ja kein Poser sein, sondern nur Ihren Sinn für Humor beweisen.

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MARKEN RED WING / COLFAIR RED WING

BOOTS FÜR FRAUEN, DIE IHREN MANN STEHEN Es ist erstaunlich, welche Leichtigkeit Allison Gettings vermittelt. Immerhin ist sie Produktmanagerin einer Schuhlinie, deren Erbe kaum schwerer sein kann. Text: Fredericke Winkler

1905 gegründet, hat die Red Wing Manufaktur jene Boots hergestellt, in denen die Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut wurden, und stehen für einen Ethos, nach dem vor allem harte Arbeit zum Erfolg führt. Don’t just get the job done, but get it done right! Alle Red Wing-Schuhe, seien es schwere Working Boots oder modisch-urbane Exemplare, fordern diese Einstellung und geben dafür das süße Versprechen des Erfolgs. Bestes Leder, handgenäht in den USA unter der Maßgabe, dass den Träger das Ergebnis ein Leben lang begleiten wird, in jeder Lebenslage. Red Wing ist nicht nur ein international agierendes Unternehmen, sondern auch der Name

des Städtchens, in dem die Firma ansässig ist. Allison Gettings steht als vierte Generation in direkter Verwandschaft zu Charles Beckman, dem Gründer von Red Wing Shoes. Schon als Kind besuchte sie ihren Vater und Onkel an deren Arbeitsplätzen und hinterließ kleine Botschaften auf den Whiteboards in den Büros. Sie ist in das schwere Erbe hineingeboren, und trotzdem lässt sie sich nichts in den Schoß legen. Sie begann ihre Karriere als Praktikantin, studierte und arbeitete für ein paar Jahre in einem anderen Unternehmen, bevor sie 2006 ihre Arbeit für die Red Wing Heritage-Linie begann. „Es ist ein Commitment, für Red Wing zu arbeiten. Wir sitzen

hier im Nirgendwo zwischen Maisfeldern. Die nächste Stadt ist eine Stunde entfernt. Das macht uns pragmatisch und beeinflusst stark das Leitbild des Unternehmens. Wir arbeiten nicht nur miteinander, sondern treffen uns danach auch beim Gemüsehändler um die Ecke. Da geht man automatisch anders miteinander um.“ Solch ein Arbeitsumfeld zieht nur einen bestimmten Schlag Mitarbeiter an, Leute, für die Karriere nicht an erster Stelle steht, sondern vielmehr ein familiäres Umfeld. Menschen, für die Gemeinschaft vor Ego geht. Auch dieser Wert steckt in jedem Schuh. Red Wing ist schon eine klare Männerwelt, das Leder, der schwere Schuh, der Working-

Man-Pathos. Und mittendrin also nun die schmale, liebenswürdige Allison Gettings. „Es ist schon eine Herausforderung, als Frau in diesem maskulinen Unternehmen zu arbeiten. Meine Designerin und ich genießen das aber auch. Es spornt uns an.“ Womöglich hatte Gettings aufgrund dessen seit Beginn ihres Wirkens im Familienunternehmen den Wunsch, eine ‚Women’s Line’ zu machen, die sich an die Boots anlehnt, die Red Wing in den zwanziger Jahren für Frauen fertigte, als diese im Zuge der Industrialisierung ebenfalls ans Fließband gebeten wurden. In einer Zeit, als sie endlich das Wahlrecht erlangten und die feministische Bewegung jene Freiheiten erkämpfte, die für viele Frauen heute selbstverständlich sind. Der Boot ist in gewisser Hinsicht dadurch zum Symbol für diese Frauen der ersten Stunde geworden, die ihren Mann stehen mussten. So, wie Gettings es nun auch tut, wenn sie die DNA von Red Wing auf eine Frauenlinie überträgt. „Frauen verstehen unter Werten wie Heritage, Craftsmanship und Quality etwas ganz anderes. Es geht nicht um den Boot, der Amerika aufgebaut hat, sondern darum, die Verbindung zu jenen Menschen zu spüren, die den Schuh gemacht haben. Er ist für sie nicht gesichtslos. Es geht aber auch darum, mithilfe eines ganz eigenen Styles unmissverständlich klarzustellen, wer man ist. Wir gehen also für die Women’s Line natürlich von denselben Werten aus, müssen sie aber ganz anders interpretieren“, erklärt Gettings ihren Ansatz. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und hält eindeutig jenes Versprechen, welches Red Wing schon seit weit über hundert Jahren gibt: „They’ve got it done right!“ www.redwingheritage.com

COLFAIR

CECI N’EST PAS UN T-SHIRT Nun ja, das Printshirt ist jetzt nicht zwingend die modische Gattung, von der man totale Newness erwartet. Zwar findet man es weiterhin in jeder Kollektion, und es schmiert dem Händler nach wie vor die Butter aufs Brot. Aber kann man heute eigentlich noch wirklich einen Druck entwickeln, der so innovativ ist, dass er auf einem Shirt für beseelte Seufzer sorgt? Text: Fredericke Winkler

Im Falle der Kollektion des polnischen Labels Colfair sprechen zwei Dinge dafür: Erstens sind die Prints supermutig. Sie sind extrem bunt oder arbeiten mit so vielen Graustufen, dass man sie auch schon wieder als bunt

bezeichnen könnte. Dabei sind sie krass opulent, indem sie sich fast wie ein All-Over über das gesamte Shirt – von der Vorder- bis hin zur Rückseite – ziehen. In Street-Art-Manier spielen sie mit verschiedenen Stilebenen

und Stimmungen. So werden beispielsweise historisch anmutende Radierungen mit grafischen Details kombiniert, oder es erstrecken sich üppig verzierte Tierszenerien, die an alte russische Illustrationen erinnern, über die Fläche. Einem Jagdhund mit erlegtem Hasen im Maul wird mal eben ein Zensurbalken über die Augen gelegt, oder man sieht einen Mann aus dem endenden neunzehnten Jahrhundert ein riesiges Frühstücksei im Becher streicheln – die Dadaisten hätten ihre wahre Freude an dem Bild gehabt. Dieser Mix von Urban Art und historischer Ästhetik, von Überschwang und Geometrie, macht die Motive sehr kurzweilig und, ja, man könnte sagen, sie entwickeln eine gewisse Poesie. Der zweite Grund, warum man Colfair aus Warschau unbedingt auf dem Radar behalten sollte, ist, dass das Label diese künstlerischen Shirts aus türkischer, GOTS-zertifizierter Baumwolle in Polen herstellen lässt. Warum das so cool ist? Weil der Global Organic Textile Standard das beste Öko-Textilsiegel ist, das wir aktuell auf dem Markt kriegen können. Es garantiert kontrolliert biologisch angebaute Naturfaser mit – wenn überhaupt – straff reglementierter Beimischung von Synthetik, sowie die ökologisch einwandfreie Weiterverarbeitung des Materials beim Waschen, Färben und beim Treatment. Gedruckt wird bei Colfair ebenfalls frei von toxischen Chemikalien. Das Ergebnis lässt man sich gefallen, weil selbst die unglaublich detail-

reichen Radierungen nicht wegsuppen und die Shirts sehr anschmiegsam bleiben. Mit der Produktion in Warschau handelt es sich um Waren mit einem komplett europäischen Ursprung. Das ist nicht schlecht! Nein. Also wirklich. Printshirts als solche sind nicht gerade eine bahnbrechend neue Erfindung. Im Falle von Colfair sind sie aber vielleicht einfach mal besser als viele andere. www.colfair.com

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MARKEN UN JEAN / TOUCHMENOT / MASTERCRAFT UNION / BLACK RABBIT TOUCHMENOT

NOT JUST ANOTHER JEANS

TOUCH ME NOT? ABER SOWAS VON!

Text: Fredericke Winkler

Text: Fredericke Winkler

UN JEAN

Was, wenn man einen Scheiß auf das Marketing-Yada-Yada-Yada der BenchmarkFetischisten, Multichannel-Experten und FastFashion-Nerds gibt? Wenn man einfach das macht, was man am besten kann: Jeans in all ihren Facetten, ob raw, overyed, gewaschen oder destroyed? Oder in einem der anderen hundert Treatments, die einem Denim-Crack zur Verfügung stehen. Was, wenn man aus Liebe zum blauen Gold die Produktion dieser Beinkleider in der Gänze in Europa lässt, um das qualitativ beste Ergebnis zu erzielen?

Das ist nicht nur der Weg, den Un jean aus Kopenhagen eingeschlagen hat, sondern auch ihre Attitude. Die Anmutung der Marke ist gänzlich in Schwarz und Weiß gehalten. Wenig bekleidete Models, gestylt im HeroinChic der 90er, bewegen sich im Lookbook durch urbane Nicht-Orte, als ob sie ihre Heimat wären. Eine alte Honda sorgt dabei für Nostalgie, aber nicht für Wohlgefühl. Die Welt von Un jean bewegt sich im absoluten Kontrast. Ähnlich verhält es sich mit der Kollektion, denn die Key Pieces sind völlig kaputt, auch im übertragenen Sinn, denn der Stil, der durch das Gesamtpaket entsteht, ist dystopisch. Aber keine Sorge, Un jean sind auch professionell. Natürlich bietet das ganz junge Label - mit einer erstaunlich guten Aufstellung durch Vertretungen in Skandinavien, Benelux, Deutschland, Österreich und Italien - auch kommerzielle Items. Skinnys aus 360 Flex-Denim beispielsweise. So ist auch der Name Un jean nicht nur als Negation der Jeans und somit vielleicht als Kritik an der kommerzialisierten Branche, die immer mehr das Produkt aus den Augen verlieren, zu verstehen. Un jean kann auch französisch gelesen werden: eine Jeans. Laut eigener Aussage ist nämlich die Idee zur Brand in Paris gekommen mit dem ­Gedanken, wieder Leidenschaft und Stolz in den blauen Stoff einzuweben. Un jean ist dabei herrlich unangepasst: keine Heritage, kein Fashion-Schnickschnack. Klare Anleihen aus Punk und Rock’n’Roll – ­irgendwo zwischen „mach kaputt, was dich kaputt macht“ und „don’t step on my blue suede shoes“. Un jean? Wenn sie eines sind, dann nicht nur irgendeine Jeans. www.unjean.dk

MASTERCRAFT UNION

Rührmichnichtan – dies ist der Volksname des Springkrauts, einer Pflanze, deren Samenschoten aufspringen, wenn man sie zu ruppig anfasst. Ihre englische Bezeichnung stand Pate für das neue Label Touch Me Not aus Budapest. Bei dieser Namenswahl ging es den beiden Designern Dea Bilau and Andras Saho um die Sensibilität des Systems, in das sie mit der Textilproduktion eingreifen. Um die Ressourcen, die sie abschöpfen und die Arbeitskraft, die sie aufbrauchen. Daher greift das Label ausschließlich zu GOTSzertifizierten Stoffen und lässt seine Produkte nur in Budapest fertigen, wo sie die Arbeitsbedingungen, aber auch die Qualität kontrollieren können. Das Ergebnis sind vollkommen unaufgeregte und somit ausgesprochen tragbare und sinnvolle Alltags-Styles, wie sie häufig mit dem Prädikat „Lieblingsteil“ ihren Weg in heimische Kleiderschränke finden. Oder auch nicht, weil man sie direkt von der Leine wieder anzieht. Sweater und Cardigans aus meliertem Interlock-Jersey. Klassisch karierte Flanell-Looks, wie sie jedem, der mal eine Nirvana-Platte geliebt hat, die Tränen in die Augen schießen lassen. Und Beanies und einfache Single-Jersey Röcke, wie man sie sich oft wünscht, um ein Outfit abzurunden, ohne es aufzubrezeln. Man kann ihn förmlich spüren, den seichten Luftzug, der durch den Wald weht, in dem das junge Unternehmen unweit der ungarischen Hauptstadt sein Headquarter bezogen hat. Und trotzdem steckt auch ein wenig von der Aufbruchstimmung drin, die Budapest ebenfalls umweht. Von so manchen Designern, von High Fashion über Avantgarde bis hin zur Ready-to-wear, hört man aus dem bisher modisch nicht sonderlich auffälligen Spot. Ihre gemeinsame

Besonderheit ist die Unaufgeregtheit der Designs, denen man akzentual die sozialistische Geschichte des Landes ansehen kann. Touch Me Not interpretiert dieses Erbe in einer Easy-to-wear-Kollektion, über die man nicht viele Worte verlieren müsste, weil sie schlichtweg Sinn macht. Wenn das nicht an sich schon eine Besonderheit wäre. www.touchmenotclothing.com

BLACK RABBIT

EIN STÜCK WELTKULTUR

MODE MIT SAMMLERWERT

Text: Barbara Russ

Text: Fredericke Winkler

Wie vielleicht kein anderes Volk verstehen es die Japaner, sich einer Sache komplett hinzugeben und ihr ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Das zeigt sich in den Speisen, die wie kleine Kunstwerke zelebriert werden, in der von ihnen perfektionierten Kalligraphie, in Kampfsportarten wie Aikido und Sumo, die zu allumfassenden Lebensphilosophien entwickelt wurden, und eben auch in ihrer, an religiöse Verehrung grenzenden, Leidenschaft für Selvedge. Mastercraft Union ist ein japanisches Jeanslabel, das sich auf Selvedge spezialisiert hat und die Kunst der

Denim-Herstellung mit cleveren Innovationen vorantreibt. Nach Ende des zweiten Weltkrieges entdeckte Japan seine Passion für Amerikana aller Art, darunter auch Baseball und Denim. Es schossen Fabriken aus dem Boden, in denen Jeans gefertigt wurden. Die Präfektur Okayama bildet bis heute das Zentrum der ‚Japanese-Made’ Denims – und ebendort kommt Mastercraft Union her. Mit dem Kolibri als Markenzeichen beweisen die Macher der Brand ein Gespür für Poesie: der OrigamiKolibri zeugt von äußerster handwerklicher Geschicklichkeit; als Tier steht er für seinen erlesenen Geschmack bei der Suche nach Nektar. Ebenso selektiv ist man bei Mastercraft Union, wenn es um die Fertigung der Jeans geht: Feinste Baumwolle kommt ausschließlich aus Afrika und Peru, die Arbeitskräfte sind allesamt ‚Craftsmen’, Meister ihres Handwerks also, und das Garn wird zwölfmal in Indigo gedippt, um exakt das satte, tiefe Schwarz zu erreichen, das einen Denim-Connaisseur zufriedenstellt. Die absolute Königsklasse sind Mastercrafts Paper Denims: Hergestellt mit Washi-Papier (‚wa’ heißt japanisch, und ‚shi’ bedeutet Papier) bekommen die Jeans von Mastercraft Union eine weitere poetische Note. Dieses Papier wird seit dem 8. Jahrhundert aus der Rinde des Gampibaums (oder aus Hanf, Bambus, Weizen oder Reis) hergestellt – aber nur im Winter, denn für die Produktion wird eiskaltes Wasser benötigt. Washi-Papier, das für Ukiyo-e (den im Westen bekanntesten japanischen Kunststil), Shodo (Kalligrafie) und Origami benutzt wird, sowie seine Herstellung per Hand, wurden übrigens zum UnescoWeltkulturerbe erklärt. Wie oft kann man schon behaupten, ein Stück Weltkultur zu tragen? www.mastercraftunion.com

Würden Sie dem schwarzen Kaninchen folgen? Sie würden garantiert einiges erleben. Zum Beispiel landeten Sie in der Mongolei, wo Leo Velimir Brancovich auf einen unbekannten jugendlichen Reiter trifft, mit ihm – aus welchem Grund auch immer – die Jacken tauscht und somit in den Besitz eines Trenchcoats von unaufspürbarer Herkunft gelangt. Das Logo im Etikett besteht aus den kyrillischen Buchstaben B und R, in deren Mitte eine lateinische Drei platziert ist. Sie würden ein Radio aus Tokio erhalten, das zum Schutz in ein altes T-Shirt eingebunden ist, welches denselben mystischen Schriftzug trägt wie schon der Trench. Und Sie könnten mitverfolgen, wie der Designer aus Amsterdam, der zuvor für G-Star und 55DSL gearbeitet hat, noch auf fünf weitere solcher Kleidungsstücke stößt. Außerdem spielt ein Mann namens Taro

aus Tokio sowie eine Lady aus Casablanca, in deren Villa in Avignon Leo die bisher größte Sammlung von Series-III-Kleidungsstücken fand, eine tragende Rolle. Der Anmutung und Magie dieser Artefakte mit unbekanntem Ursprung ist Black Rabbit gewidmet, seine Brand, mit der er all diese Fundstücke neu auflegt. Jede Kollektion bezieht sich dabei auf einen bestimmten Zeitabschnitt seiner Suche. Das Ergebnis sind Menswear-Juwele, deren Materialität und militärisch angehauchten Stildetails zu einer extrem dichten und dennoch unaufgeregten Designaussage kondensieren und auf eine detailverliebte und hochwertige Fertigung bauen. Verwendet wird Chambray aus Japan, Heavy Jersey aus Tokio und hochwertiges Polyester aus Korea: Alle versprechen, so einige Reisen durch den Kaninchenbau des Lebens durchzuhalten. Warum das niederländische Label, welches von dem Waliser Leo Brancovich, seinem Bruder Roos und dem gebürtigen Iraner Poyan Rahimzadeh gemacht wird, eine japanische Website unterhält? Um das zu erfahren, müssen Sie sich schon trauen, selbst dem schwarzen Kaninchen zu folgen. www.blackrabbit.jp

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FEBRUARY 13 –15 2016

JANUARY 19–21 2016

MOC MUNICH

STATIONBERLIN

www.premiumexhibitions.com


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MARKEN NUDIE JEANS

MORGAN SUNDBERG / NUDIE JEANS

KLEIDUNG SOLLTE „BADASS“ SEIN Nudie Jeans Co. hat sich im März 2015 mit Morgan Sundberg einen neuen Design-Manager ins Boot geholt, der bei dem Label für den Brückenschlag zwischen Denim und der Contemporary Collection verantwortlich zeichnen soll. Die erste Kollektion unter seiner Feder, für Herbst/Winter 2016, wird im Januar auf den Messen in Berlin vorgestellt. Text: Barbara Russ

Der in Varberg an der Westküste Schwedens aufgewachsene Designer studierte am London College of Fashion und war unter anderem für Filippa K und Tiger of Sweden tätig, bevor er ins Team von Nudie Jeans wechselte. J’N’C News sprach mit ihm über den Wechsel zu dem Jeanslabel, seinen Designprozess und die Zukunft der nachhaltigen Mode. Morgan, Du hast früher bei Filippa K und Tiger of Sweden gearbeitet. Das prädestiniert Dich nicht unbedingt für die Arbeit bei einem ‚Jeanser’ wie Nudie. Worin liegt der Unterschied zwischen dem, was Du zuvor gemacht hast, und Deiner Arbeit jetzt? Wenn man bei einem neuen Label zu arbeiten anfängt, ist es das Wichtigste, sich mit dessen DNA auseinander zu setzen. Man muss sich mit seiner Geschichte vertraut machen und die Leute, die dahinter stehen, kennenlernen. Wenn man mit Denim arbeitet, kommt eine weitere Schicht hinzu – mehr Tiefgang. Der ganze Arbeitsprozess, die Lebenskultur, die mit Denim verbunden ist, reflektiert die Gegen-

wart und liegt mir als Person sehr am Herzen, obwohl ich zuvor eher im Contemporary-Bereich gearbeitet habe. Was hat Dich an der Arbeit für Nudie am meisten gereizt? Nudie Jeans sehe ich als ein sehr modernes, nachhaltiges Unternehmen, das im Jetzt lebt, sich seiner Verantwortung bewusst ist und dessen Stärke in der ganzheitlichen, nachhaltigen Entwicklung liegt. Das, zusammen mit Denim, ergibt ein sehr lebendiges und spannendes Produkt. Und es macht viel mehr Spaß als einfach ‚nur’ Kleidung. Wie würdest Du Deine Designphilosophie beschreiben? Ich bin kein Einzelgänger. Wir sind ein Team, das gemeinsam eine Kollektion erstellt. Jeder hat einen Bereich, in dem er der Experte ist. Daher sehe ich mich eher als Teamleiter, der den Blick auf dem Gesamtkonzept behält. Ich glaube an a-saisonales und zeitloses Design. Kleidung muss ohne zu viel Strenge auskommen, sie sollte „badass“ sein, Spaß und Freude

bringen und uns erlauben, ganz im Hier und Jetzt zu leben. Wir lieben es, wenn unsere Kleidung würdevoll altert, und Jeans sind dafür das allerbeste Beispiel. Was können wir von Deiner ersten Kollektion für Nudie Jeans erwarten? Wie bereits gesagt, wir sind ein Team, und die Kollektion wird eine Weiterentwicklung der bisherigen Nudie-Philosophie sein. Unsere zentrale Idee für den Herbst 2016 war es, zurück zum Ursprungsprodukt zu gehen: Jeans und Jeanskultur mit einem Touch Siebziger, aber ins Heute geholt und mit einer skandinavischen Note. Zudem liefert Göteborg – der Geburtsort von Nudie – immer einen großen Teil der Inspiration. Das raue Meer, der Hafen und die Musikszene der Stadt sind in der Kollektion enthalten. Wie entwickelt sich in Deinem Design­ prozess typischerweise eine Inspiration in etwas Stoffliches? Wir beginnen mit einer Idee, einer Geschichte, und dann folgen wir dem Pfad, auf den sie

uns führt. Das ist anfangs ein sehr organischer Prozess, bei dem es wichtig ist, im Geiste offen zu bleiben, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und die Ideen reifen zu lassen. Es ist ein bisschen wie puzzeln, ohne die Brand-DNA aus dem Auge zu verlieren. Wird nachhaltige Mode eines Tages die Norm sein? Ich glaube fest daran, dass sich nachhaltige Mode durchsetzen wird. Aber auch unser Konsumverhalten muss sich dafür ändern. Wir müssen weniger, aber dafür bessere Qualität kaufen, weniger auf saisonale Klamotten setzen und unsere Lieblingskleidung länger tragen, weil sie wundervoll altert. Was ist die ‚Naked Truth About Denim‘? Denim hat sein eigenes Leben, es ist eines der wenigen Materialien, das mit seinem Träger gemeinsam altert und dessen Charakter annimmt. Es wird Teil Deiner Persönlichkeit. Eine Geschichte, die besser wird, je länger sie erzählt wird.

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c o N T E M P oRARY f As h I o N T RAdE sho W

A UT UMN / W INT E R 2 0 1 6 /1 7

1 9 - 2 1 JAN U ARY 2016

ARE NA BE R l IN

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P h o T o g R A Ph Y B Y l U k A s k o R sch A N – f R o M T h E sE R I E s « fA M I lI A R f A c E s »


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HOT SELLER DIE DENIM-CULOTTE

Die Culotte als Playsuit von 7 For All Mankind.

Die Extra lange Culotte von Rollas Jeans.

Die Culotte von Citizens of Humanity kommt in Patchwork.

DIE DENIM-CULOTTE Wer hätte gedacht, dass eine Kniehose, die im 17. und 18. Jahrhundert von der Aristokratie getragen wurde, heute wieder Trend ist? Sie hat sich zurück in unseren Kleiderschrank gekämpft und auch in unser Herz – die Culotte. Im Sommer ist sie durch ih-

ren luftigen Schnitt ein treuer ­Begleiter, aber auch im Herbst ist man mit der Culotte für jedes Wetter gewappnet. Und die Evolution des ‚geschlitzten Rocks’ geht weiter, denn die Culotte kommt jetzt vor allem in ­Denim, Denim, ­Denim! /rs

Ausgefranst und kurz: Closed.

Eine helle Culotte mit gerafftem Bund von Urban Outfitters.

Die mädchenhafte Variante von Le Temps des Cerises mit Schleife am Bund.

Der Destroyed-Look von Mavi.

Die dunkle Variante von Cheap Monday. Ausgewaschen, ausgewaschener, Cheap Monday.

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THE EUROPEAN MARKETPL ACE FOR LEADING FASHION BRANDS w w w.panorama-berlin.com


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MACHER DIETMAR AXT / MUSTANG

Die Mustang Gruppe sitzt schon seit ihrer Gründung im beschau­ lichen Künzels­au zwischen Stuttgart und Würzburg. Um die hundert Mitarbeiter haben dort ihren Arbeitsplatz.

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MACHER DIETMAR AXT / MUSTANG

DIETMAR AXT / MUSTANG

GANZ KLARES „PEOPLE BUSINESS“ Vor vier Jahren hat Dietmar Axt die Geschicke des deutschen Traditionsunternehmens Mustang in die Hand genommen. Seither setzt er kontinuierlich seine Vision für die Denimmarke um und leitet sie dabei elegant in eine neue Ära. Im Gespräch erklärt er sein Vorgehen, und zwischen den Zeilen erfährt man sein Geheimrezept: unermüdlicher Enthusiasmus. Interview: Fredericke Winkler / Fotos: Nikolaus Gruenwald

Der Weg nach Künzelsau ist weit. Dörfer und Felder fliegen an der Autoscheibe vorbei. Neben mir sitzt Rudi, ein Urgestein des Hauses Mustang und verantwortlich für den Fuhrpark der fast siebenhundert Mitarbeiter des deutschen Jeansherstellers. Er nutzt die gute Stunde vom Stuttgarter Flughafen in das 15.000-Seelen-Örtchen, um mir einen kurzen historischen Abriss des ehemaligen Familienunternehmens zu geben und mich beiläufig über die Gegend ins Bild zu setzen. Vollkommen entschleunigt komme ich im Headquarter des international agierenden Unternehmens an, um durch das Gespräch mit Dietmar Axt in einer Achterbahn zu landen. Schnell und dynamisch erklärt Axt sein Geschäft, ohne dabei eine Sekunde beliebig zu werden. Nach einer Stunde hat der CEO nicht nur Stoff von dreien geliefert. Er hat auch den Funken überspringen lassen. Herr Axt, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Wie ist Ihre Bilanz? Die gefühlte Bilanz ist sehr gut. Aber mit dem Bewusstsein, dass nichts mehr so ist, wie es mal war. Unsere Branche hat sich in den letzten zwei Jahren dramatisch verändert, und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Trotzdem haben wir für Mustang 2015 viel erledigen können. Wir haben das Jahr intensiv genutzt, um uns den neuen Gegebenheiten anzupassen. Deswegen sind wir ganz guter Dinge und starten positiv ins neue Jahr. Aber immer mit dem Wissen, dass sich die Rahmenbedingungen auch in Zukunft verschieben werden. Welche Rahmenbedingungen waren für Sie denn die größte Herausforderung? Für uns entscheidend ist, dass sich die Handelssituation sehr stark verändert hat. Die Vielfalt der Verkaufskanäle ist eine Herausforderung, und jeder Kanal für sich muss speziell betrachtet werden. Auch hat sich der allgemeine Konsumstil verändert. Dadurch sind Themen wie Entertainment stark in den Vordergrund gerückt. Zusammenfassend geht es hauptsächlich um folgende Fragen: Wo erreiche ich meinen Endverbraucher? Wie hole ich ihn da ab? Und wie binde ich ihn langfristig an meine Marke? Wie sind Sie diesen Fragen begegnet? Wir haben den Konsumenten stark in den Fokus genommen. Um ihn zu erreichen,

NEWS

arbeiten wir sehr eng mit dem Fachhandel zusammen. Dabei ist unser oberstes Ziel, den Kunden am PoS besser abzuholen und ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er bei uns das absolut perfekte Produkt im absolut perfekten Preis-Leistungs-Verhältnis findet. Und das in einem Umfeld, in dem er sich wohlfühlt. Um das zu erreichen, hat sich die Arbeit mit dem Handel regelrecht zu einer Tageszusammenarbeit ausgeprägt. Wir geben nicht einfach unsere Produkte rein und warten ab, sondern wir unterstützen den Händler durch Warensteuerung und -tausch, Inszenierung der Ware und Personalisierung der Fläche. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch, das Verkaufsteam auf unsere Produkte einzustimmen. Bei uns geht heute im deutschsprachigen Raum kein Neukunde an den Start, ohne dass auf der Fläche eine Schulung statt gefunden hat. Wenn wir den Verkäufer von unserer Marke samt Inhalten und Produkten überzeugen können, haben wir am PoS gewonnen. Das hört sich nach einem extrem hohen Aufwand an. Es ist ein extrem hoher Aufwand. Aber man muss heute viel, viel mehr tun, um den gleichen Effekt wie vor zehn Jahren zu erreichen. Das ist so. Die Gegebenheiten haben sich verändert, und wir haben unsere Struktur durch ein Multi-Channel-Konzept angepasst. Wir haben dafür an anderer Stelle bestimmte Dinge weg gelassen. Wir glauben, dass das Produkt und der Endverbraucher die Schlüssel zum Erfolg sind. Da ist höherer Aufwand gefragt.

„WIR GLAUBEN, DASS DAS PRODUKT UND DER ENDVERBRAUCHER DIE SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG SIND.“ Das hört sich ein wenig so an, als ob Sie zentrale Aufgaben Ihrer Handelspartner übernehmen. Fangen Sie das auf, was der Händler in den letzten Jahren verpasst hat? Ich würde sagen, wir unterstützen ihn. Und der Handel empfängt unsere Bemühungen sehr positiv und versteht, dass er nur in einer Partnerschaft erfolgreich sein kann. Am Ende wollen beide Seiten Geld verdienen und wir müssen überlegen, wie wir das gemeinsam erreichen können.

Hier spielt auch die Rückbesinnung hin zum personifizierten Handel eine Rolle. Der Händler ist wieder mehr die Marke. Wenn ich heute zum Modehaus XY gehe, dann ist dieses Modehaus die Marke, und wir sind Teil des Sortiments. Der Endverbraucher geht nicht dorthin, um in erster Linie eine MustangJeans zu kaufen, sondern weil er weiß: An diesem Ort finde ich das passende Angebot für mich. Im zweiten Schritt nimmt er die Brands wahr, und wir sind eine herausragend starke Marke. Auch wenn wir die letzten Jahre nicht so präsent waren, ist die Bekanntheit von Mustang unter den Endverbrauchern nach wie vor gewaltig. Nicht umsonst sind wir die älteste Jeansmarke Europas. Und wir sind extrem beliebt. Die Kaufbereitschaft ist laut verschiedener Studien sehr hoch. Das ist eine wunderbare Grundvoraussetzung. Die müssen wir aber auch zum Abschluss bringen. Wir brauchen den Handel, um mehr Präsenz auf dem Markt zu schaffen. Und zwar in der Breite. Eine Marke wie Mustang lebt ja von der Erreichbarkeit. Im Gegenzug bieten wir dem Händler einen strategisch wichtigen Unterbau mit genug Inhalten, um langfristig sein Geschäft voranzutreiben.

„WIR SAGEN GANZ KLAR: WIR SIND DIE PRÄGENDE DENIMMARKE IM MARKT DER MITTE.“ Was macht denn die Marke Mustang so stark? Was sind ihre Inhalte? Ich glaube, wir sind authentisch. Das ist entscheidend. Und dabei geht es nicht nur um die Marke, sondern vor allem um das Produkt. Unser Produkt ist ein absolutes Jeansprodukt, von den Waschungen, vom Material, von der Qualität und von den Zutaten her. Wir sagen ganz klar: Wir sind die prägende Denimmarke im Markt der Mitte. Unsere Jeans kosten zwischen 69,- und 99,- Euro. Und wir stellen fest, dass dieser Bereich wieder mehr in den Fokus rutscht. Während man in den letzten Jahren stark vom Premium-Bereich ausgegangen ist, dünnt es sich dort immer mehr aus. In unserem Segment tummelt sich immerhin etwa die Hälfte der Endverbraucher. Und diese suchen nach einem exzellenten Produkt mit exzellenter Qualität und optimaler Passform. Das sind die Themen, für

die eine Denimmarke steht, und wir propagieren uns ganz klar als Denimmarke. Um die sechzig Prozent unseres Angebots sind Jeans. Und die transportieren unsere Markenstory: Verlässlichkeit, eine positive Grundstimmung und Authentizität. Was bedeutet diese Konzentration auf Service für die Produktion und die Logistik? So, wie wir die Prozesse auf den Flächen entwickeln und dort flexibler arbeiten möchten, muss ich auch mit meinen Lieferanten flexibler arbeiten. Das ist klar. Da geht es um Vorhalten von Ware und um flexiblere Nachbestellungen. Dafür haben wir unsere Anzahl an Denim-Lieferanten auf fünf heruntergefahren. Diese sitzen in Tunesien, Bangladesch, Pakistan und Ägypten, und wir arbeiten mit fast allen schon seit über zehn Jahren zusammen. Mit ihnen decken wir alle Preislagen und Modegrade ab, und natürlich haben wir geschaut, welche Vorlaufzeiten sie haben. In Europa und Nordafrika findet eher die modischere Produktion statt und in Pakistan und Bangladesch die langfristige und hochvolumige. Wir haben gemeinsam mit den Produzenten einen Plan entwickelt, aus dem unser aktuelles Portfolio entstanden ist. Das erlaubt uns mehr Flexibilität. Da legen gerade die Vertikalen natürlich eine ganz schöne Geschwindigkeit vor. Vor allem, weil sie keinen direkten Handelspartner haben. Auch ein Grund, warum wir enger mit dem Handel zusammenrücken müssen. Wie viel Kapazitäten lasten Sie denn bei diesen Lieferanten aus? Das ist ganz unterschiedlich. Bei manchen sind es 30, bei anderen 10 Prozent. Wir versuchen, immer eine gewisse Größenordnung zu bekommen, wobei uns auch wichtig ist, dass die Lieferanten andere Auftraggeber haben, damit sie unabhängig bleiben und mit Schwankungen besser umgehen können. Außerdem sind alle unsere wichtigen Artikel noch bei einem zweiten Lieferanten eingestellt, um – wenn mal etwas passiert – reagieren zu können, sodass unser Geschäft nicht beeinflusst wird. Auch ein wichtiger Faktor: Wir sind eine Firma, die wächst, und dieses Wachstumspotenzial überträgt sich auch auf unsere Lieferanten. Das hat natürlich auch mit Innovation zu tun. Er muss also für uns vorbereitend Waschungen entwickeln, neue Materialien sourcen und am Ende eine


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MACHER DIETMAR AXT / MUSTANG

Mit Dietmar Axt ist Mustang wieder zurück zu seinen Wurzeln gekommen und steht heute wieder ganz klar für Denim.

1932 gründet Luise Herrman eine kleine Produktion für Arbeitskleidung. Ihr Sohn, Albert Sefranek, entdeckt 1948 die Bluejeans an den amerikanischen G.I.s und leitet aus ihnen die erste MustangJeans ab.

gute Qualität liefern. Wir machen halbjährlich Qualitätschecks bezüglich der Ware und den Liefermodalitäten. Das sind die Hauptkriterien bei uns. Wir haben heute eine Qualitätsretoure beim Endverbraucher von unter einem Prozent. Das ist unsere Zielrichtung. Stichwort Qualität: Wie steht es um sie auf dem Markt im Allgemeinen? Was man feststellen kann, ist, dass die klassischen Denimfirmen, auch wir, Ende der Neunziger ein bisschen den Zug verpasst haben. Da ist etwas verrutscht, und mittlerweile bietet jede Modefirma Denim an. Es ist aber nicht ihre Kernkompetenz. Bei uns geht es aber nicht um Trend, bei uns geht es um ein verlässliches Sortiment und um Passform. Wenn ich mir die Qualität und die Waschungen der Trendfirmen anschaue, dann hat das teilweise nichts mit unserem Standard zu tun. Natürlich müssen auch wir uns weiterentwickeln, aber evolutionär und nicht revolutionär. Welche Denimtrends sind denn für Mustang relevant? Comfort ist ganz klar auch bei uns ein Thema. Wir haben einen Jersey-Denim, der sehr gut läuft. Ab Januar bieten wir einen 3D-Denim an. Von den Farben sind Grey Denim und Black Denim wichtige Themen. In Bezug auf Passformen haben wir zum Beispiel jetzt neu einen Semi-Boyfriend-Fit im Programm, also eine Boyfriend-Optik, aber in Form gebracht. Aber auch Capri, 7/8-Längen und Shorts gehen gut.

Effektiv ist es auch eher die Form, die der Endverbraucher versteht. Die Technologie im Material sieht er ja nicht. Da sind wir wieder beim PoS. Wie können wir solche Informationen vermitteln? Steht sie auf der Hose? Weiß der Verkäufer Bescheid? Wir versuchen auch ganz stark zu propagieren: Schlüpf in die Hose rein! Dann merkt man nämlich schon, wenn sich eine Hose in alle Richtungen dehnt. Wenn ein Material auf 1,80 Meter gemacht ist und dann auf einen Meter zurückspringt. Das sehe ich vielleicht nicht, aber ich spüre es. Daher sind unsere Themen eindeutig: Wie mache ich die Information sichtbar, aber vor allem, wie bekomme ich die Information an den Verkäufer, dass er es dem Kunden auch erklärt? Das ist auch der Vorteil des stationären Handels. Das kann man online überhaupt nicht abbilden.

„NATÜRLICH MÜSSEN AUCH WIR UNS WEITERENTWICKELN, ABER EVOLUTIONÄR UND NICHT REVOLUTIONÄR.“ Man benötigt also den Menschen als ­Mittler? Wir machen ganz klar „people business“. Wir entwickeln tolle Hosen und betreiben dann einen wahnsinnigen Aufwand, diese zu kommunizieren. Wir führen viele Gespräche und zeigen Präsenz. Das machen wir auch gerne. Herr Axt, was ist Ihre Aufgabe dabei? Ich bin der Erstverkäufer des Unternehmens.

Meine Aufgabe ist, diese Gespräche zu begleiten sowie neue Türen zu öffnen. Ich bin auch da, um in der Folge das Gesamtbild zusammenzuführen. Das bedeutet nicht, dass ich jeden Prozess einzeln begleiten muss, weil wir mittlerweile ein Team an Leuten sind, die ein gemeinsames Ziel im Auge haben und interagieren. Ich steuere und nehme mir die Zeit, auf dem Markt unterwegs zu sein, mich mit Ein- und Verkäufern zu unterhalten, um zu erkennen, was geht und was nicht geht. Mustang sitzt in Künzelsau. Ist es schwierig, gute Leute hierher zu locken? Im Gegenteil. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es schwieriger ist, in den Großstädten Leute zu finden. Wer hierher kommt, legt das Commitment ab, mitzumachen. Das schweißt die Firma eng zusammen. Bei uns findet man keine Einzelgänger, sondern Teamplayer, die sich gegenseitig verstärken und ergänzen. Wir haben Mitarbeiter, die schon seit dreißig Jahren für Mustang arbeiten, aber auch ganz viele Neuzugänge, und so mischt sich die Kultur. Das Ergebnis ist ein funktionierendes Konstrukt von 100 Personen in Künzelsau, 700 international. Unser wichtigstes Ziel ist dabei, ganz nah am Markt zu bleiben. Diesen Weg müssen alle mitgehen. Ich bin gezielt auf der Suche nach Leuten, die sich trauen, Dinge anders anzugehen als vielleicht üblich. Die womöglich nicht schon den perfekten Werdegang haben, aber bei denen ich das Gefühl habe: Diese Person wird uns weiterbringen. Sie hat den Mindset, die Überzeugung und Stärke, diesen Weg zu begleiten. Allein bin ich chancenlos. Ich forme das Team, steuere

es, feuere es an und schütze es. Und das Team schreitet den Weg voran. Das ist meines Erachtens die Aufgabe einer Führungsperson: Begeisterung schaffen. Und ganz ehrlich: Wir bauen hier keine Raketen, sondern wir verkaufen Klamotten. Das hat vielmehr mit Mindset als mit Expertise zu tun. Wenn ich es zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Wer bei uns arbeiten möchte, muss unseren Markenattributen entsprechen: authentisch, ehrlich, offen, freundlich. Das ist die Kultur, die wir alle gemeinsam hegen und pflegen. Letzte Frage: Was sind die Pläne für 2016? Wir möchten den Kurs beibehalten, den wir eingeschlagen haben. Wir haben viel verändert in den letzten vier Jahren: das Produkt, die Bildsprache, den Fokus auf Denim, mehr Verkaufspunkte, mehr Partner, bessere Informationen. Jetzt müssen wir weiterhin den Markt genau beobachten und kontinuierlich das, was wir die letzten Jahre vorangetrieben haben, beibehalten. Wir haben einen extrem großen Zuwachs im Herbst gehabt: Wir starten jetzt beispielsweise mit P&C, mit Wöhrl und Breuninger. Wir haben also die Chance bekommen, an diesen Standorten mitzumachen. Sobald man aber auf der Fläche ist, muss man leisten! Denn erst, wenn man die Performance gebracht hat, hat man es geschafft. Auf diesem Weg arbeiten wir uns immer weiter auf den Radar des Handels. Vielen Dank für das Gespräch!

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MACHER GUIDO JOHNEN / CAMEL ACTIVE

Die CMLC-Gruppe sitzt im Headquarter der Seidensticker-Gruppe. Im Gebäude spürt man die Ehrwürdigkeit des traditionellen Textilunter­ nehmens. Im Showroom von camel active überholt allerdings die Internationalität der Marke.

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MACHER GUIDO JOHNEN / CAMEL ACTIVE

CAMEL ACTIVE

ALLE FÜR EINEN, EINER FÜR ALLE Als Creative Director von camel active führt Guido Johnen alle Kollektionen der zahlreichen Lizenznehmer zu einem Gesamtbild zusammen. Sein Führungsstil ist dabei geprägt von einem unermüdlichen proaktiven Teamgeist, aber gleichermaßen von der Verbindlichkeit einer klaren Vision. Im Gespräch macht er deutlich, wie er diesen umsetzt. Interview: Fredericke Winkler / Fotos: Peter Lorenz

Guido Johnen ist ein alter Hase der deutschen Textilindustrie. Von Beruf Textilingenieur war er Key Account für Esprit Collection und übernahm am Ende als Vertriebsleiter auch Teile des Produktmanagements. Danach ging er als Division Head zu Marc O’Polo und agierte später bei s.Oliver in verschiedenen Funktionen. Nun ist er Creative Director bei camel active, eine Position, in der er die Erfahrungen all seiner Etappen vereinen kann. Im Gespräch verblüfft vor allem, wie bestimmt und zugleich zugänglich Johnen seine Arbeit und seine Vision für camel active beschreibt. Der Allrounder bringt es mit einer Formulierung selbst auf den Punkt: Er kämpft mit offenem Visier. Herr Johnen, seit dem 15. August 2015 arbeiten Sie bei camel active in der Position des Creative Directors. Eine kurze Bilanz? Bei mir ist es immer so, dass ich in die Jobs reinspringe und einfach mache. Das ist mir hier extrem leicht gefallen, weil ich bei camel active ein agiles und flexibles Team vorgefunden habe. Das passt sehr gut zu mir. Ich genieße die offenen Diskussionen. Mir ist es wichtig, Dinge konkret anzusprechen und lösungsorientiert anzugehen. Hier herrscht Aktion ohne Aktionismus. Das liebe ich sehr. Was genau ist denn Ihre Aufgabe als Creative Director? camel active arbeitet ja mit vielen Lizenznehmern, die für uns Jacken, Hosen, Schuhe und alle anderen Produkte entwickeln und herstellen. Ich bin dafür zuständig, dass daraus eine schlüssige Kollektion mit einer eindeutigen Message wird. Dies betreue ich in der Produktentwicklung, aber vor allem auch im Marketing und im Retail. Ich habe also immer die ganze Marke im Blick. Man muss sagen, dass es diesen Job, wie ich ihn gerade mache,

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in dieser Komplexität vorher nicht gab. Die Bereiche Retail und Marketing sind jetzt in meiner Verantwortung. Ich habe gute Heads, die ihr Business kennen und beherrschen, sodass ich eher als Impulsgeber fungieren kann. Ich bin ein alter Vertriebler, und diesen Blick kann ich nicht abstellen. Mein Fokus ist über die Messe hinweg die Wirkung und die Performance der Produkte am PoS. Die Lizenznehmer hinzugezählt: Wie viele Teams betreuen Sie? Ich betreue sieben Teams bei den Lizenznehmern, von Schuhen und Socken über Unterwäsche bis hin zur Outdoor-Hosen und -Artikeln. Und dann noch die externen Agenturen: PR, Marketing und Visual Merchandising. Hier auf einen Nenner zu kommen, ist sicher eine besondere Herausforderung, denn es treffen ja verschiedene Kulturen und Meinungen aufeinander. Nun, am Ende des Tages habe ich es mit Spezialisten zu tun. Die wissen worüber sie reden. Meine Aufgabe ist nicht, ihnen ihr Produkt zu erklären. Ich bin da, um mit ihnen über die Marke und die aktuelle Kollektion zu diskutieren. Ich bin der Sparringspartner, der andere, neue Aspekte einbringt. Wir entwickeln mit unserem Design-Team ein saisonales und übergreifendes Briefing für alle Lizenznehmer, mit Fokus auf die Gesamtkollektion. Dies dient dann als Grundlage für alle Kollektionen und die daraus resultierenden Meetings. Dabei geht es nicht nur um Designaspekte, sondern auch um neue Perspektiven aus Vertrieb und Marketing. Ich muss also von oben auf den Gesamtprozess schauen, die Quintessenz bilden und versuchen, diese bis auf den PoS durchziehen.

Mussten Sie lange überlegen, als das Angebot von camel active kam? Ich bin kein Karriereplaner, aber ein paar Marken hat man ja auf dem Schirm, für die man gerne arbeiten würde. camel active war für mich immer schon weit vorne in dieser Liste.

ICH BIN ALLERDINGS DER ­MEINUNG, DASS WIR NUR DURCH EIN ECHTES BEKENNTNIS ­ERFOLGREICH SEIN KÖNNEN. Für mich persönlich ausschlaggebend ist ein überzeugendes und ausgereiftes Produkt. Eines, das noch regelrecht entwickelt wird. Nur dann schlägt mein Textiler-Herz. Bei camel active ist das so. Die Marke hat so eine starke Basis und scheut sich trotzdem nicht, sich immer wieder zu erneuern. Das Produkt wird mit enormem Know-how immer wieder weiterentwickelt. Und zwar mit Liebe zum Produkt, zu den Materialien und zum Detail. Sehr nah an der Marke und an unseren treuen Kunden . Es ist doch toll, wenn man von Fans hört, dass sie sich vor zehn Jahren ein Paar Schuhe von Camel Active gekauft haben, die sie immer noch mögen und tragen. Oder wenn eine Jacke einen Menschen durch sein Leben begleitet. Auch weil dies genau das Gefühl ist, welches wir mit camel active vermitteln möchten. Welche persönliche Vision möchten Sie für camel active umsetzen? Für mich ist ganz wichtig, dass wir als Brand über alle Kanäle eine klare Botschaft kommunizieren. Auf dem Markt herrscht so ein Überangebot an Bekleidung , die man zu jeder Tages- und Nachtzeit kaufen kann. Da muss

man als Marke kompromisslos klar kommunizieren. Zum Beispiel, indem man ein Key Item oder einen Key Look statt einer großen Auswahl kommuniziert. Dies fällt uns Bekleidern sehr schwer, weil wir gewohnt sind, eine Auswahl anzubieten, also nicht nur eine Jacke oder einen Blazer oder einen Stricksweater. Das ist die direkte Ansprache, die für uns schon hervorragend auf dem Markt funktioniert. Es geht nicht mehr um die Frage, wie modisch man ist – modisch will jede Marke sein. Sondern um die ganz klare Message, die der Kunde bekommt, wenn er unsere Website besucht, oder unseren Store betritt oder irgendwo anders mit unserer Marke in Berührung kommt. Ich möchte, dass camel active in einem bestimmten Zeitraum mit einem Produkt vorne steht und sagt: Das sind wir! Ich sehe es im Moment als meine größte Herausforderung, dieses Vorhaben in die richtigen Bahnen zu lenken und darauf zu achten, dass dabei die Message nicht verwässert. Können Sie uns schon einen Hinweis geben, wie dieses Key Item denn in der kommenden Saison aussehen wird? Ich bin selbst gespannt, welche Artikel oder Looks von uns ausgewählt werden. Die Artikel werden im Moment entwickelt und zur Order final festgelegt. Es muss natürlich das stärkste Produkt sein. Egal ob Schuh, Jacke, Tasche, Strick oder ein anderes Produkt. Vielleicht entscheiden wir uns auch für ein starkes, übergreifendes Thema. Ich bin der Meinung, dass in der Reduktion die Stärke liegt. Denn dann kann der Endverbraucher die Message sofort verstehen. Und zwar auf den ersten Blick. Ich danke für das Gespräch.


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MACHER NORBERT HINDERBERGER / CANDIANI DEUTSCHLAND

NORBERT HINDERBERGER ist seit 1985 in der Denimbranche aktiv. Bevor er vor zwei Jahren die Vertriebsleitung für den deutschen Markt von Candiani übernahm, war er 22 Jahre lang im Vertrieb bei Orta Anadolu tätig, wo er für den türkischen Denimweber die wichtigsten europäischen Kunden betreute.

CANDIANI

DIE INTELLIGENZ DES DENIMS MUSS MAN NICHT SEHEN... Der italienische Denimhersteller, Candiani S.p.A. hat mehr als siebzig Jahre Expertise und ein hochmodernes Werk nördlich von Mailand. Er gehört zu den führenden Experten rund um das blaue Gold, sei es in puncto Innovation, Heritage oder Trend. Interview: Fredericke Winkler

Für die deutschen Kunden ist Norbert Hinderberger, selbst ein Veteran der Branche, zuständig. Wer, wenn nicht Hinderberger, kann uns erklären, wie es aktuell um die Jeans steht? Herr Hinderberger, wie gestaltet sich der Jeanswear-Markt in Deutschland? Es kommt darauf an, was Sie meinen. Aus Sicht der Anbieter gibt es keine deutschen Jeanswear-Marken, von Mustang und wenigen kleineren abgesehen. Das Angebot ist geprägt von erfolgreichen Modeherstellern, die auch 5-Pocket-Jeans anbieten. Das mag man jeanswearverwandt nennen, ist aber im traditionellen Sinn nicht Jeanswear. Dafür muss man schon zum Angebot der internationalen Brands greifen. Wie äußert sich das im Jeans-Stil in Deutschland? Deutsche Anbieter gehen eher den konservativen Weg. Sie dekorieren ihre Denims gern, bleiben im Fit klassisch und folgen den Trends sehr langsam. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist der durchschnittliche deutsche Jeansträger eher kein FashionVictim. Das zeigt sich auch im Preisgefüge. Das Angebot ist geprägt von der Einstiegspreislage und von den Vertikalen. Ab hundert Euro dünnt sich das Sortiment stark aus. Die Menge bewegt sich bei einem Preis zwischen 39 und 79 Euro. Was bedeutet das für die Qualität? Das heißt nicht unbedingt, dass die Jeansqualität schlechter ist, solange dieselben Premium-Denimgewebe an den gleichen Produktionsstandorten zum Einsatz gelangen. Gerade die vertikalen Unternehmen, die unmittelbar für den eigenen Einzelhandel arbeiten, können für ihren Preis eine recht gute Qualität anbieten, oft sogar besser als Marken in der Einstiegspreislage. Das liegt daran, dass durch den Wegfall des Großhan-

dels ganz anders kalkuliert werden kann. Für den Verbraucher ist das natürlich schwer zu verstehen. Der sieht auf der einen Seite eine Hose für 9,99 Euro und auf der anderen eine für 99 Euro und fragt sich, wie das sein kann. Der Zwischenhandel, die Markenarbeit und die Denimgewebe sowie die Produktion in den verschiedenen Beschaffungsländern sind mögliche Antworten. Meiner Meinung nach sollte es keine Jeans auf dem Markt geben, die nur zehn Euro kostet. Das hat – um es vorsichtig auszudrücken – wenig mit nachhaltiger Herstellung zu tun! Ist das auch auf Markenjeans übertragbar? Weist ein höherer Preis nicht zwingend auf eine bessere Qualität hin? Natürlich differenziert sich der Preis bei der Produktion beispielsweise über die Wahl der Zutaten, Waschungen oder Patches. Aber grundsätzlich kann es schon passieren, dass eine Hose mit derselben Qualität und Ausstattung bei einem Anbieter 89 Euro und beim anderen 129 Euro kostet. Bleiben wir kurz bei den Zahlen. Wie geht es dem Denim-Markt in Deutschland und international momentan? 2015 ist der Umsatz im Textileinzelhandel in Deutschland um vier Prozent zurückgegangen. Das betrifft natürlich auch Denim. Das erste Halbjahr war nicht zufriedenstellend. Zwar besserte sich das Geschäft im August und September dank dem langen Sommer, aber man darf nicht vergessen, dass die Ware dann zu reduzierten Preisen verkauft wurde. Damit ist der Branche auch nicht geholfen. Zum Glück haben die Hersteller sehr flexibel reagiert und ihre Pipeline leicht reduziert. Dadurch ist die Stimmung für das Jahr 2016 optimistischer, weil man sauber ins neue Geschäftsjahr geht. Das gilt übrigens auch für den internationalen Markt. Überall hört man den gleichen Blues. In den USA hat sich das modische DOB-Produkt darüber hinaus teilweise von Denim hin zu Active Wear be-

wegt. Wenn man heute in die amerikanischen Metropolen geht, sieht man weniger Jeans in der Womenswear, sondern mehr und mehr Jerseyhosen. Auch da hat der Markt reagiert. Heute findet man in jedem Sortiment HyperstretchDenims, die man theoretisch auch zum Sport tragen könnte. Absolut. Der Comfort-Stretch ist ja nicht neu, aber die Art, wie das Thema weiterentwickelt wurde, schon. Da steckt enorm viel Innovation dahinter. Jeder Denimweber versucht, noch mehr Funktion ins Gewebe zu bringen, wie wir bei Candiani beispielsweise mit dem Einsatz von LYCRA DualFX und Shaper Finish, was bei höchsten Elastizitäten (75 Prozent) den Rücksprung im Vergleich zum üblichem Elasthan-Anteil enorm verbessert. Die Hosen weiten sich nicht durch das Tragen und beulen nicht mehr. Aber ist es am Ende nicht doch einfach nur eine Skinny Jeans? So einfach ist das nicht. Wir müssen grundsätzlich zwischen dem Style einer Jeans und ihrer Performance unterscheiden. Richtig ist: Man kann eine Jeans nur bedingt über ihre Performance verkaufen, sondern in erster Line über den Style. Aber es ist nicht der Job des Endverbrauchers, die Technologie dahinter zu erkennen, geschweige denn zu verstehen. Er verdient schlicht die beste Qualität. Damit aber ein Denim so ‚unangestrengt‘ ist, wie ihn der Markt gerne hätte, wird hinter den Weberei-Kulissen ein faszinierendes Technologie-Rad gedreht. Das garantiert am Ende den perfekten Fit. Aber auch neue Trends verschläft der Markt nicht. Gerade in der letzten Zeit sind so viele neue Silhouetten entstanden: die Culotte, die Flare, die Wide Legs, die Mom’s Jeans. Aber klar: Die Skinny ist der stärkste Fit. Und das wird er auch bleiben. Schlicht und ergreifend, weil, mit Verlaub gesagt, jeder Hintern reinpasst.

Verliert Denim durch solche Entwicklungen nicht an Authentizität? Warum sollte er das? Eine innovative Jeans kann doch trotzdem dieselbe Anmutung wie vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren haben. Das ist ja das Geniale! Die Intelligenz des Denims muss man nicht immer sehen. Man muss sie nur fühlen und erleben. Und die echten Denimfreaks werden ohnehin bei ihrem Raw-Denim mit echter Webkante (Selvedge) bleiben. Daran wird sich auch nichts ändern. Welchen Herausforderungen wird sich der Denimmarkt in Zukunft stellen müssen? Es gibt aus meiner Sicht nur eine wirkliche Herausforderung in der Zukunft; das ist die Nachhaltigkeit. Wir müssen alle ab sofort viel mehr in diese Richtung denken, und man merkt, dass es sowohl bei den Verbrauchern als auch bei den Herstellern zum Thema wird. Zum Beispiel, was den Einsatz von Chemikalien betrifft. Viele Kunden kommen heute zu mir und fragen, womit wir arbeiten, oder ob wir den Ausschluss bestimmter Chemikalien garantieren können. Dies gilt ebenfalls für die Wäschereien. Einige haben sich dazu verpflichtet, bis 2020 bestimmte Farbstoffe nicht mehr zu verwenden, und wollen jetzt schon umstellen. (Dies bezieht sich vermutlich auf die Manufacturing Restricted Substance List nach dem Zero Discharge of Hazardous Chemicals Programme, Anm. d. Red.) Auch treten Arbeitsbedingungen verstärkt in den Verbraucher-Fokus. Und die Nachvollziehbarkeit der Supply-Chain durch TraceabilitySysteme. Ich merke bei meinen Kunden schon heute ein viel tiefergehendes Interesse diesbezüglich als noch vor einem Jahr. Diese Entwicklung wird den Markt mittelfristig ziemlich umstrukturieren. Und das ist gut so! Ich danke für das Gespräch.

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PANORAMA BERLIN 19.-21.01.2016 Hall 3 Booth 33.7

FOR DENIM LOVERS

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MESSEN KINGPINS, AMSTERDAM

REVIEW KINGPINS AMSTERDAM

WENN DENIM ZU DENKEN BEGINNT... Als eine der führenden Messen für die Denimindustrie in Europa macht die Kingpins in Amsterdam einen recht gemütlichen Eindruck. Viel Meet and Greet und entspannte Athmosphäre. Fast könnte man vergessen, dass hier knallhartes Business gemacht wird. Für uns die perfekte Mischung, um auf Spurensuche in die Matrix des blauen Stoffs einzutauchen. Tex: Fredericke Winkler

Zur Amsterdamer Edition der Messe Kingpins zu gehen, ist im Gesamtpaket schon ziemlich nett. In der ohnehin pittoresken Hauptstadt der Niederlande liegt die Messe noch einmal mehr beschaulich in der rondellartigen Westergasfabriek mitten in einem Parkgelände. Die Selektion der Aussteller ist dicht und spitz. Schon immer ging es dem Messegründer Andrew Olah darum, die besten der Branche auf familiäre Weise zusammenzubringen, um handfestes Business zu machen. So plante er mit seiner Agentur Olah Inc. 2004 eine „We Love Jeans“-Fiesta und lud Geschäftsfreunde aus Japan, Südamerika und Italien nach New York in eine Kunstgalerie ein. Dreizehn Aussteller stellten in „Wohnzimmern“ mit Couch und Stühlen aus. Das war die Geburtsstunde der Kingpins Show, der Messe für Denim- und SportswearWebereien, Wash Houses, Fertigungsstätten und andere Zulieferer. Eigentlich sollte die Messe mal „Leaders“ heißen, doch die Aussprache fiel in Japan schwer, was Olah dazu veranlasste, ein Synonym zu finden. Kingpins bezeichnet die Meinungsführer einer Organisation, und genau so wollte Andrew Olah seine Aussteller definieren: als die Anführer der Jeansindustrie. Heute findet die Kingpins Show in New York, Hongkong und Amsterdam statt und hat den familiären Ansatz weitgehend behalten. Dreiundvierzig Unternehmen stellten am 17. und 18. November 2015 in Amsterdam aus und hielten die meisten der Besucher über zwei Tage in Aktion. Sie kamen aus der Türkei, China, Spanien, Hongkong, Pakistan, Ägypten, Indien, den U.S.A., Brasilien, Thailand und natürlich Italien. In Petto hatten sie Innovationen, die von „back to the roots“ bis „see you tomorrow!“ alles bereitstellten. Darüber hinaus konnte man sich Shirts dip-dyen lassen, die Lehrmethode der ersten Schule für Jeansmacher, der Jean School, kennenlernen, sich in eines der vielen Seminare setzen, das leckere Catering inhalieren und sich in gefühlt fünfhundert Gesprächen verlieren. Somit dauerte es keine fünf Minuten, bis man als Besucher vergaß,

dass es sich im Grunde doch alles nur um so ein blaues Stöffchen dreht. Nein, ab sofort ging es um Stil, Haltung und eine gesamte Lebensweise. Als mich die Messe wieder ausspuckte, hatte ich drei zentrale Themen in der Tasche: die Zukunft des Comfort Denim, die Poesie der Handicraft-Denims und die Gegenwärtigkeit der nachhaltigen Produktionsweise. Beginnen wir der Reihe nach.

KNITDENIM – JEANS ZUM KUSCHELN UND DEHNEN In Kooperation mit LYCRA-Hersteller Invista sprachen Produzenten wie Knitdigo aus Taiwan und Advance aus China in einem Seminar über die Vorteile und Herausforderungen des neuen Materials. Der gewirkte Stoff, bei dem dekorative Querfäden für eine fast klassische Denim-Optik sorgen, kann in seiner Performance mit jedem Yoga-Höschen mithalten. Im Gegensatz zur Jeggings bleibt das Ergebnis jedoch ganz klar eine Jeans. Die J’N’C-Redaktion hat natürlich keine Mühen gescheut, ein Exemplar sogleich auf den persönlichen Prüfstand zu stellen. Eine PowerYoga-Session später wissen wir zu berichten: Das läuft! Die große Herausforderung wird jedoch nun sein, den Anforderungen dieses Materials, etwa in der Fertigung, gerecht zu werden, denn natürlich verhält es sich, ebenso wie Jersey im Vergleich zu Webware, anders unter der Nähmaschine. Ansonsten wissen die Hersteller zu berichten, dass in Bezug auf Farben, Waschungen und Applika­ tionen dem Strickdenim keine Grenzen gesetzt sind. Unser Tipp: Einkäufer, haltet die Augen offen – womöglich kann man schon heute die ersten gestrickten Jeans beim Hersteller seines Vertrauens kaufen. www.invista.com www.advancedenim.com

HERITAGE MAL GANZ EHRLICH Indiens spektakuläre Textilkultur wurde einst im Zuge der Kolonialisierung durch Großbritannien, mit seiner umfangreichen und modernen Textilindustrie, systematisch zerpflückt, etwa indem indische Fertigungsstätten zunehmend Webware aus UK zur Verarbeitung erhielten, sodass die Handwebtradition im Land selbst zunehmend zum Erliegen kam. Nicht von Ungefähr wurde also der Webstuhl zum Symbol der Unabhängigkeitsbewegung Indiens unter Mahatma Gandhi und der weiße Khadi, der nach alter Tradition handgewebte indische Stoff, zu einfachen Kaftanen verarbeitet, zum allgegenwärtigen Zeichen des Protests. Der größte indische Denimhersteller Arvind, übrigens der viertgrößte weltweit, der dem Markt mit modernster Technologie um die 110 Millionen Meter Stoff im Jahr beisteuert, widmet diesem großen Erbe ein Projekt mit Handwebern, mit denen er nach alter Tradition Khadi-Gewebe herstellen und färben lässt. Die Varianz der Stoffe aus dem Haus ‚Denim India Made‘ bewegt sich dabei von „einem Hauch von Nichts“ bis hin zum krassesten SelvedgeBrett. Gandhi sagte wohl einmal, wer einen Khadi trage, der trage die Freiheit. Und in der Tat kann man dem Material die Hände förmlich ansehen und anfühlen, die den Stoff gewissenhaft und entschleunigt am Webstuhl ins Leben rufen. Allein seine Anmutung erzählt eine Geschichte. www.arvind.com

COWBOY, SEI EIN BRAVER JUNGE Fast auf jedem Stand war auch über den einen oder anderen Weg das Thema der ökologischen und sozialen Verantwortung angeschnitten. Sei es, dass Hersteller wie Calik Denim in Kooperation mit Jeanologia ein

Wasch- und Treatmentverfahren eingeführt haben, für das pro Kleidungsstück umgerechnet gerade mal ein Glas Wasser benötigt wird. Laut Hersteller spart man mit oxygene fabric um die fünfundneunzig Prozent Wasser, fünfzig Prozent Chemikalien und neunundsiebzig Prozent Energie. Satte Zahlen bei ebenso sattem Ergebnis, sagt Calik Denim: Beim Verfahren soll bezüglich der Farben, Waschungen und Treatments kaum Grenzen gesetzt sein. Der chinesische Produzent Advance wirbt mit seiner modernen Anlage, die auch ein Wasseraufbereitungssystem und ein Kraftwerk birgt. Somit ist der Hersteller nicht nur weitestgehend autark, er kann auch die strengen Auflagen des Global Organic Textile Standards (GOTS) und des Global Recycle Standards erfüllen. Außerdem experimentiert er mit Materialalternativen wie Hanf, welcher im Anbau viel robuster, bescheidener (benötigt keine Pestizide) und ertragreicher als Baumwolle ist, oder etwa dem nachhaltigen Zellulose-Gewebe Tencel. Apropos Sourcing: Dass afrikanische Baumwolle und neuerdings auch Fertigung eine immer größere Rolle spielt, ist kein Geheimnis mehr. Interessant ist, dass der japanische Hersteller Collect mit seinem Private Label Japan Blue aus seiner Verwendung von Baumwolle aus Tansania und der Elfenbeinküstee ein Qualitätsmerkmal herausarbeitet. Der Rohstoff sei aufgrund seiner höheren Faserlänge hochwertiger als Cotton aus anderen Ursprungsländern. Dass dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der noch dürftigen Infrastruktur der Farmer liegt, die anstatt maschinell noch im Handpflückverfahren arbeiten, ist eine naheliegende Vermutung. Wie dem auch sei, das Ergebnis ist, nicht zuletzt aufgrund der extrem gewissenhaften Verarbeitung von Collect, ein wahres Raw-Denim-Goldstück. Und für den Ruf der vielfältigen afrikanischen Textilindustrie ist es allemal gut. www.calikdenim.com www.advancedenim.com

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MESSEN KIRSTIN DEUTELMOSER / GDS

GDS

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT „Unser Branche kann sehr beharrlich sein“, erklärt Kirstin Deutelmoser, Leiterin der Düsseldorfer Schuhmesse GDS, im Gespräch. Beharrlich kann sie allerdings auch sein, wenn es darum geht, neue Tendenzen so früh wie möglich auf ihrer Plattform zu thematisieren. Diese Saison wird dies die Digitalisierung der Schuhbranche sein. Interview: Fredericke Winkler / Fotos: Bernd Wichmann

Bei der Spurensuche nach der Zukunft nimmt sich der Veranstalter selbst nicht aus und schaut auch dahin, wo die Science-Fiction vielleicht nicht ganz so schillernd glänzt. Zum Gespräch mit der J’N’C-Redaktion bringt sie Elke Freudenberg mit, verantwortlich unter anderem für die Highlight-Route der Messe. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema der nächsten Highlight-Route auf der GDS, „digital – analog“, auseinanderzusetzen? Kirstin Deutelmoser: Nun, zum einen ging es uns darum, dafür zu sorgen, dass unsere Branche dieses Thema auf dem Schirm hat, was oft noch nicht der Fall ist. Wir möchten der Branche den Zugang erleichtern und mit einigen Beispielen auch nahebringen, dass die Zukunft in mancher Hinsicht schon da ist. Auf der anderen Seite möchten wir mit anderen Beispielen in die fernere Zukunft schauen und Dinge thematisieren, die heute noch nicht auf unserem Tisch liegen. Also ins Übermorgen gehen, um zu verstehen, was morgen tatsächlich kommt. Wenn nicht eine Plattform wie unsere, auf der sich viele Menschen aus der Branche treffen, solche Tendenzen widerspiegelt und Anstoß zum Austausch gibt, wo sollte so etwas denn sonst stattfinden? Daher sehen wir es ganz klar als Aufgabe einer Messe, mehr zu zeigen als nur Ware. Elke Freudenberg: Uns geht es darum zu sensibilisieren und dazu zu motivieren, mal über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen. Unsere Besucher und Aussteller haben ja oft nicht die Zeit, sich intensiv aus eigenen Stücken mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Zu uns kommen sie, können auf der Highlight-Route verschiedene Facetten sehen und sich einen Überblick verschaffen. Wir haben das Thema ja schon während der Sommer-Edition aufgegriffen und sind auf viel Interesse gestoßen. Unsere Besucher fanden es aufregend, beispielsweise mal zu beobachten, wie Objekte mit dem 3D-Drucker hergestellt werden. Und gerade das ist ja nicht einmal so weit entfernt, wenn man bedenkt, dass man heute schon 3D-Drucker für um die 2000 Euro kaufen kann. Inwiefern zeigt denn die Highlight-Route Tendenzen auf, die heute schon da sind? D: Die Digitalisierung ist ja gerade im Ein-

zelhandel und auch in der Industrie sehr offensichtlich. Aber wir sehen auch, dass es darum gehen muss, diese neuen Möglichkeiten sukzessiv mit der analogen Welt zu verbinden. Je mehr Digitalisierung wir haben, desto mehr brauchen wir auch das physisch Erlebbare. Beides muss Hand in Hand gehen, denn am Ende verkaufen wir in unserer Branche analoge Objekte. Dadurch, dass man mit dem Digitalen sehr gut Verfremden kann, ist das Analoge also auch die Beweisführung. Ich erhalte beispielsweise ein Paket, und sein Inhalt muss zu dem passen, was mir digital versprochen wurde. Wichtig ist also, dass wir beides miteinander verbinden. Gerade der Einzelhandel braucht dieses Erlebnismoment. Hören Sie von der Problematik, dass das Produkt oft nicht halten kann, was das Bild versprach? D: Es kann auch in die andere Richtung gehen. Dadurch, dass nicht jeder in der Lage ist, schnell professionelle Fotos zu machen, kann es auch sein, dass die Bilder hinter der Anmutung und der Qualität des echten Schuhs zurückbleiben. Sollte es jedoch so sein, dass das Produkt nicht halten kann, was das Bild verspricht, wirkt es sich negativ auf die Kundenzufriedenheit und die Umtauschquote aus. Die schnelle Verfügbarkeit von gut abgebildeten Produkten wird jedenfalls wichtiger: Ich habe kürzlich mit einer Marke gesprochen, die sich deswegen ein eigenes Fotostudio eingerichtet hat. Darüber hinaus: Wo liegt die Kongenialität von analog und digital? D: Im Store als Erlebniswelt sieht man das Produkt in Szene gesetzt, indem haptische Geschichten erzählt werden, der Kunde aber gleichzeitig zur Interaktivität – etwa durch intelligente Retail Architecture – eingeladen wird. F: Die Digitalität bringt eine neue ServiceKomponente mit hinein. Eine neue Geschwindigkeit und ein neues Informiertsein. Und es schafft mehr Auswahl, weil nicht mehr alles im Store vorrätig sein muss, sondern man eine viel spitzere Auswahl treffen kann. Man zeigt den Rest dann über das Digitale. Das birgt aber auch neue Herausforderungen in der Logistik und der Beschaffung.

Digitalisierung im Handel mit Schuhen. Gibt es hier besondere Themen? D: Was mir dazu spontan als erstes einfällt, ist das Thema Kinderschuhe. Hier müssen die Füße immer ordentlich ausgemessen werden. Ebenso bei Sportschuhen: Wenn man bedenkt, wie lange es früher gedauert hat, einen Fuß richtig auszumessen, womöglich dabei noch besondere Sohlen einzuplanen. Jetzt kann man das viel schneller machen und zukünftig die Sohle sogar direkt im Store anfertigen lassen.

„JE MEHR DIGITALISIERUNG WIR HABEN, DESTO MEHR BRAUCHEN WIR AUCH DAS PHYSISCH ERLEBBARE.“ F: auch im medizinischen Bereich passiert hier viel, was sich über kurz oder lang auf den klassischen Markt übertragen wird. Ich denke an Skischuhe, die direkt am Fuß angeschäumt werden. Damit sind wir schon fast beim Thema Customizing... D: Das ist richtig. Die digitale Welt hält ganz andere Möglichkeiten des Customizing bereit als die analoge. Auch da ist der Sporthandel schon weiter vorn. Klar, da geht es auch um die Anpassung der Funktion an individuelle Ansprüche. Aber es hat letztendlich auch etwas mit Geschmack zu tun, durch den andere Features in den Fokus rücken. Und: Auch wenn wir unsere Highlight-Route stark auf unsere Besucher aus dem Handel ausrichten, erkennen wir die große Bedeutung der Digitalisierung für die zukünftige Produktion von Schuhen. Durch sie können Wege extrem verkürzt werden. Dafür muss man natürlich erst einmal in die Technologie investieren... F: ... was sich sicherlich im Nachgang wieder rechnet, weil dadurch kostengünstigere Produktionswege erschlossen werden. Anstatt zehn Muster zu produzieren und sich hin und her zu schicken, kann man mit einer digitalen Fertigung, wie etwa dem 3D-Print von Sohlen, schneller mal etwas ändern und ein Muster anfertigen. Es geht hier insgesamt viel um Schnelligkeit. Denn unsere Produktion sind – gemessen an anderen Prozessen wie etwa

der Kommunikation – aktuell zu langsam. Diese Technologien helfen aufzuholen. An diesem Thema wird man also in naher Zukunft nicht mehr vorbei kommen. D: So sehen wir das. Alles in allem stellt die Integration von neuen Technologien mittelfristig einen Wettbewerbsvorteil dar. Wer heute schon investiert, hat morgen die Nase vorn. Aber ich verstehe, dass dies ein ganzheitlicher Prozess ist. Es geht ja nicht nur um reine Anschaffungen, sondern dazu muss Know-how generiert und Fertigungsprozesse umstrukturiert werden. Auch glaube ich, dass mithin die Arbeitsteilung, wie sie heute noch in der Branche der Fall ist, aufgebrochen wird. Zum Beispiel wird es nicht mehr den Einkäufer geben, der unabhängig vom Merchandiser agiert. Alles muss viel ganzheitlicher gedacht werden und es muss ein permanenter Austausch stattfinden. In diesem Sinne: Wird sich Ihre Arbeit als Messerveranstalter durch diesen Trend ändern? Neue Arbeitsteilung, neue Messestände, verändertes Orderverhalten? D: Unsere Arbeit wird sich definitiv ändern. Die ganze Messediskussion geht ja in die Richtung. Nicht nur bezüglich der Vororder, sondern noch ein Schritt weiter: Welche Bedeutung hat denn das Konzept Messe im Allgemeinen? Wir glauben, dass trotz Digitalisierung der persönliche Austausch immanent wichtig bleibt. Aber wir setzen uns auch intensiv mit digitalen Konzepten auseinander, die schneller und besser informieren. Zum Beispiel stellen wir uns die Frage, inwiefern es notwendig ist, von den ausschließlich zwei Terminen im Jahr abzukommen und unseren Ausstellern das ganze Jahr durchweg die Möglichkeit zu bieten, mit ihren Kunden zu interagieren. Stichwort digitaler Showroom. Auch müssen wir kritisch betrachten, was unsere Website und unsere Social-Media-Profile leisten können müssen. Dafür können wir jedoch, genau wie viele andere Unternehmen, nicht mehr Manpower zur Verfügung stellen, sondern müssen diese Arbeit in unser Daily Business integrieren. Bei all dem stehen wir noch am Anfang. Wir schauen uns quasi unsere eigene Ausstellung an und lernen. Vielen Dank für das Gespräch!

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MESSEN GDS HIGHLIGHT-ROUTE / DIGITAL CRAFT

GDS SPECIAL – INTERVIEW NIELS HOLGER WIEN

DAS KÖRNCHEN ZUKUNFT IM JETZT Niels Holger Wien brennt für seinen Job – das wird schon nach kurzer Zeit klar. Sei es durch seine verschmitzte Art, ungeheuer komplexe Trendanalysen wie eine Anekdote zu erzählen. Oder durch das geradezu lexikalische Wissen, welches er dafür aus dem Effeff abruft. Als Gesprächspartner will man sofort mitmachen bei dieser Zukunftsmusik. Interview: Fredericke Winkler

So wie es die GDS schon tut, die sich von ihm zum Thema ihrer Highlight-Route hat inspirieren lassen – „digital craft“. Wien lässt im Interview durchblicken, wie deutlich sie damit die Zukunft zeichnen und dabei im Jetzt ankommen. Herr Wien, die Digitalisierung spielt in der Schuhbranche, wie auch in der Modebranche eine große Rolle. Auf welche Entwicklungen müssen wir uns gefasst machen? Die Palette der Möglichkeiten ist riesig, viele davon aber noch Zukunftsmusik. Jedoch ist im Vorfeld dieser Diskussion wichtig zu vestehen, dass digitale Welten niemals die Analogen ersetzen werden, sondern dass man beide Kanäle zu einem ganzheitlichen Konzept zusammenbringen muss. Man muss ein UND zwischen analog und digital setzen. Nehmen wir den Handel. Ein hundertprozentig digitaler Shop, bei dem man mit Avataren spricht und Robotern die Ware aus Lagerräumen holt, ist zwar technisch möglich, aber nicht realistisch. Ebenso wie das altbewährte analoge Geschäft, in dem man von Menschen beraten wird und sich ausgestellte Produkte ansieht. Zwischen diesen beiden Polen wird es sich bewegen. Welche speziellen Rollen würden beide Kanäle dabei spielen? Mit analogen Welten entsteht eine physischsinnliche Erfahrung. Wir möchten die Dinge anfassen, riechen und fühlen. Nur so kann der Kunde entscheiden, ob er mit dem Material zufrieden ist. Das kann man digital noch nicht abbilden. Im Sinne des Kauferlebnisses ist es auch nur analog möglich ein Wohlgefühl hervorzurufen: ein ganz wichtiger Faktor im Handel. Durch die Digitalität vernetzen wir wiederum die Produkte mit allen möglichen ergänzenden Informationen, etwa zum Styling oder über Eigenschaften. Auch kann man Varianten zum Kauf anbieten.

Analog für das Gefühl und digital für den Service? Wie gut hat der Handel seine Optionen heute schon ausgelotet? Den digitalen Wandel bei Shopsystemen sieht man überall aufblitzen, wobei man außerhalb von Europa schon weiter ist. Nehmen wir das Geschäft Rigby & Peller in Hongkong, die mit interaktiven Spiegeln arbeiten, mit denen Frauen sich vermessen können, um einen optimalen BH für sich zu finden. UNIQLO hat in Australien ein Stimmungsbarometer namens Umood eingeführt, bei dem Kunden ihren Gehirnstrom beim Betrachten von Videos und Produkten vermessen lassen, um danach ein optimal auf sie abgestimmtes Warenangebot zu bekommen. Effektiv ist aber auch die allerorts eingeführte Kundenkarte eine Form der digitalen Unterstützung. Es werden Daten gesammelt, um dem Kunden auf ihn zugeschnittene Angebote machen zu können. Wobei diese Art der Datenerhebung nicht immer positiv aufgenommen wird. Das ist richtig. Das hat jedoch meiner Meinung nach viel mit einem allgemeinen Denkfehler zu tun. Man muss den Kunden bei diesen Konzepten viel mehr mitnehmen, anstatt ihn zu entmündigen. Denn durch den Umgang mit digitalen Technologien emanizipiert sich der Konsument immer mehr und möchte sich nichts mehr einfach vorsetzen lassen. Er will mitentwickeln und seine eigenen Profile bauen. Auch muss man als Anbieter für sichere Systeme sorgen, um das Vertrauensproblem zu lösen, welches Datensammlung und –Speicherung immer mit sich bringen. Wir neigen dazu, Systeme als Dinge mit Eigenleben zu betrachten. Nicht umsonst reden wir vom Markt, der uns etwas vorschreibt. Den Markt als Körper gibt es aber nicht. Es gibt nur Individuen, die Entscheidungen treffen. Und diese Individuen gilt zu akzeptieren.

Der im Spiegel versteckte digitale Bodyscanner erschafft ein 3DModell des Oberkörpers, bei dem durch über 140 Messungen der Körpertyp bestimmt werden kann.

Der studierte Modedesigner Niels Holger Wien, 49, beschäftigt sich schon seit Anbeginn seiner beruflichen Laufbahn mit Trends und ihrer Inszenierung. Er arbeitete für das renommierten Pariser Studio Edelkoort, entwickelte eigene konzeptionelle Kollektionen, verwirklichte seine Visionen in Buchpublikationen und berät Modeunternehmen. Als Trendanalyst und Farbexperte leitet er das Trendboard bei Swiss Textiles, dem Schweizer Textilverband und
repräsentiert gemeinsam mit dem Deutschen Mode-Institut Deutschland bei der internationalen Organisation Intercolor. In diesem Sinne bewegt sich Wien auf der gesamten Klaviatur des Forecastings, von einer frühen abstrakten Phase, über die Analyse saisonaler Trendentwicklung bis zur Visualisierung und Szenografie für Veranstaltungen, wie Fachmessen.

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MESSEN GDS HIGHLIGHT-ROUTE / DIGITAL CRAFT

Mit Futurecraft 3D möchte adidas die Zukunft der PerformanceSchuhe einläuten. Die im 3D-Druck gefertigte Laufschuhzwischensohle lässt sich individuell an die Dämpfungsbedürfnisse des jeweiligen Läufers anpassen. Das Konzept ist Teil der ‚Futurecraft‘Reihe, einer Designinitiative, die den Fokus auf Open-SourcePartnerschaften gepaart mit Handwerkskunst legt.

Die Digitalisierung muss also die Möglichkeit geben auf die Individualisierung der Konsumenten einzugehen. Im Bereich der Produktion sieht man das etwa durch technologiebasierte Einzelproduktionen... Sehr deutlich sogar. Durch Technologien wie dem 3D-Drucker werden wir in Zukunft industrielle Einzelanfertigungen machen können. Das spart nicht nur Ressourcen. Wir haben so auch die Möglichkeit mit Produkten auf den Punkt zu kommen. Das finde ich als Aufgabe eine tolle Vision. Schöne Beispiele dafür sind personalisierte Fußbetten und Sohlen, die im Shop für den Kunden angefertigt werden können, wie es etwa in der Zukunftsstudie Adidas Futurecraft schon versucht wird. Oder in Bezug auf die individualisierte Anmutung eines Schuhs, etwa durch die ‚Mutatio Collection‘ von United Nude, für die Keilsohlen entwickelt wurden, deren Wabenstruktur sich in der Fertigung durch einen Algorithmus verändern und somit jede Sohle einzigartig ist, obwohl industriegefertigt. Wird sich durch solche Entwicklungen die Warenästhetik verändern? Um beim Beispiel Schuhe zu bleiben: Wir dürfen nicht denken, dass wir mit solchen Technologien ein Produkt erzeugen, das aussieht wie ein rahmengenähter, italienischer Lederschuh. Ein Digitaldrucker soll kein traditionelles Handwerk imitieren. Es entstehen automatisch andere Formen und Strukturen. Diese ästhetische Evolution hat jedoch schon längst begonnen. Wie haben Sneaker das Verständnis von Schuhen und Mode verändert? Eine sehr wichtige Entwicklung nennen wir Simplexity – die Möglichkeit sehr einfache For-

men zu bauen, die aber im Inneren sehr, sehr komplex sind. So etwas könnte man händisch nicht herstellen. Und das ist erst der Anfang. Wenn man bedenkt, dass wir auf ein Internet of Things zusteuern, durch das wir uns auch ohne Bildschirm vernetzen. Die Technologie wird immer kleiner, sodass wir sie nicht mehr sehen können. Wir könnten bald überall Chips einsetzen, die für uns interagieren. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, aber definitiv eine Marschrichtung der Forschenden. Das hört sich ein wenig beunruhigend an. Ja, es werden dadurch viele Fragen aufgeworfen. Auch bezüglich der Ressourcen. Und man darf auch nicht unterschätzen, wie sich Verhaltensweisen und Bedürfnisse verändern. Nehmen wir das Phänomen der Sofortness. Durch die 24/7-Verfügbarkeit der Waren und der rasanten Geschwindigkeit des Lieferns, hat der Verbraucher eine digitale Ungeduld entwickelt. Alle Systeme bringen ihm bei, dass er sofort konsumieren kann. Er nimmt das sofort an und überträgt es auf alle Lebensbereiche. Was einerseits ein Segen ist, kann an anderer Stelle zum Problem werden. Effektiv ist dies jedoch ein vorgezeichneter Weg. Li Edelkoort redet gerne von Vorwärtsarchäologie, also vom Freilegen der Zukunft im Jetzt. Ich habe dazu ein Zitat von William Gibson (US-amerikanischer Science-FictionAutor, Anm. d. Red.), das mich begleitet: „The future is already here – it’s just not very evenly distributed“. Ich danke für das Interview.

Die Branche steht in den Startlöchern für die 121. GDS – Global Destination for Shoes & Accessories. Die Winterausgabe vom 10. bis 12. Februar 2016 präsentiert 800 Brands und bietet ein umfangreiches Trendprogramm sowie frische Inspirationen zur Sortimentsgestaltung für den Handel. Zusätzlich zum Messegeschehen hält die GDS ein umfangreiches Trendprogramm bereit, wie etwa die HighlightRoute. Das zur letzten GDS im Juli 2015 aktuelle Motiv „digital craft“, das 3DTechnologien in ihren unterschiedlichen Facetten aufgriff, wird für Februar 2016 konsequent weiterentwickelt. Unter dem Motto „Fusion of Digital and Real Life Shop Experience“ werden die analoge sowie die digitale Welt in Einklang gebracht und sinnvoll miteinander verbunden. Das aktuelle Zeitgeistthema hält darüber hinaus Inspirationen zu den Themen „Sustainable Materials“ und „Wearables“ bereit. In Halle 10 warten Fashion Shows und in Halle 5 Trend Spots auf den Besucher, welche die saisonalen Trends für 2016 zeigen. Das Forum „Touch“ hingegen fungiert als umfassender Informationspool für Texturen und Oberflächen.

Gemeinsam mit Styleranking startet die GDS im Februar 2016 die vierte Runde des Fashion-Blogger-Cafés ­shoedition. Vor dem offiziellen Start der GDS wird eine neues Blogger-Testimonial gewählt – eine würdige Nachfolgerin, die in die Fußstapfen von Maja Wyh, Alice M. Huynh und Nina Schwichtenberg alias Fashioncarpet tritt. Auf der GDS wird das nächste Blogger-Testimonial die neuesten Schuh- und Accessoire-Trends selektieren, begutachten, mit modischem Know-how bewerten und die wichtigsten It-Pieces reichweitenstark publizieren. Bei der Blogger-Runway Show werden das Testimonial sowie weitere vier Blogger neue Looks präsentieren. Bei shoedition treffen sich Fashion Blogger, um zu networken, informativen Vorträgen rund um das Blogger-Business zu lauschen und an dem vielseitigen Programm der Aktionsstände teilzunehmen. Parallel zur GDS findet zum vierten Mal die tag it! als Messe im Private-LabelSegment statt. Erstmals wird die tag it! in der Halle 1 auf dem Düsseldorfer Messegelände ausgerichtet. Die aus Asien stammenden Hersteller präsentieren hier ihre Kollektionen, die sich insbesondere an internationale Händler von Schuhen und Accessoires mit dem Fokus auf Sourcing und Private-Label-Produktionen richten

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J’N’C News – Brancheninformationen, 24. Jahrgang, Ausgabe 01-2016, Dienstag, 12. Januar 2016

MESSEN GDS-AUSSTELLER: UNITED NUDE / TIMBERLAND UNITED NUDE

MENSCH, MASCHINE, SCHUH… UND DIE LIEBE United Nude gehört ganz klar zur Avantgarde der Schuhbranche. Sie haben den Begriff des architektonischen Schuhs geprägt. Wer, wenn nicht sie, könnte die Formgebung ihres Produkts durch eine Ausstellung noch deutlicher in Frage stellen? Text: Fredericke Winkler

Jede gute Geschichte scheint von der Liebe zu handeln. Im Falle von United Nude beginnt sie zumindest mit ihr. Der Neffe des bekannten Architekten Rem Koolhaas, der nicht nur denselben Namen teilt, sondern auch dieselbe Profession, hatte Liebeskummer. In seiner Verzweiflung versuchte er, als Liebesbeweis sein Können auf einen Damenschuh anzuwenden. Ob er die Frau seines Herzens damit zurückerobern konnte, ist leider nicht überliefert, aber immerhin hat ihm der Kummer ein Unternehmen beschert, das heute Schuhe in über vierzig Ländern verkauft

und eigene Flagship-Stores in Amsterdam, London, Wien, Tel Aviv, Tokio und New York unterhält. Die Erfolgsgeschichte rund um den Architektenschuh beginnt 2003, als der heute 42-jährige Koolhaas zusammen mit Galahad Clark das Label United Nude auf Basis seines Liebesbeweises aus der Taufe hebt. Ja, Clark hat etwas mit dem Traditionsunternehmen Clark’s zu tun. Galahad ist, genau gesagt, die siebte Generation des britischen Familienunternehmens und hat schon als junger Mann in der heimischen Produktion Erfahrungen sammeln dürfen. Gemeinsam und mit der

Unterstützung der Koryphäe Renzo Rosso entwickeln die beiden also ihr erstes Modell und nennen es ‚the Möbius‘. Seither baut das Unternehmen seine höchst architektonische Sicht auf ihr Produkt weiter aus und scheut sich nicht, unkonventionelle Ästhetiken zu schaffen, womit sie ganz klar als die Avantgarde der Schuhbranche bezeichnet werden können. Das zeigt auch das Projekt ‚reinventing shoes‘, für das sie Architekten und Industriedesigner gebeten haben, Schuhe zu entwickeln, die man mittels eines 3D-Druckers fertigen kann. Benutzt wird hierfür eine Technologie namens 3D Systems, das diese neue Technologie für jeden zugänglich machen möchte, indem es von der Konstruktion bis zur Fertigung jede notwendige Soft- und Hardware zur Verfügung stellt, sowie das Druckmaterial, welches von Plastik über Metall und Keramik bis hin zu Essbarem reichen kann. Eigentlich für medizinische Produkte entwickelt, gab United Nude den Architekten Ben van Berkel, Zaha Hadid und Fernando Romero sowie den Produktdesignern Ross Lovegrove und Michael Young diese Technologie zur Hand, um jeweils einen Schuh zu gestalten, der dann fünfzig Mal hergestellt wird. Das Ergebnis sind vielmehr Skulpturen denn Schuhe. Es sind Kunstobjekte, die für sich stehen und die eindringliche Frage stellen, in welcher Beziehung der Mensch und sein Körper mit der Technik und deren Features steht. Die Antwort beweget sich irgendwo zwischen Erweiterung und Einengung, zwischen Unterstützung und Isolierung und zwischen Ästhetisierung und Entblößung. Entsprechend der Tiefe des Diskurses, den die Entwürfe aufwerfen, werden die Objekte nicht einfach auf dem Markt zur Disposition gestellt, sondern in Form von Ausstellungen

an verschiedenen Ort präsentiert, konkret im Januar und Februar 2016 im KaDeWe in Berlin und im April zur Milan Design Week im Teatro Arsenale in Mailand. In diesem Sinne war der erste Entwurf für die Liebe wohl in der Tat ein richtungsweisender, denn was, wenn nicht ein solch existenzielles Gefühl, könnte eine Aktion mehr auf den Punkt bringen? Und diesen Punkt hat United Nude nicht mehr verloren. www.unitednude.com

TIMBERLAND

WIE GEMACHT FÜR DEIN REVIER Working-Class-Ethos, Hip-Hop-Attitude und neuerdings, durch eine neue Sohlen-Technologie, noch eine Urban-Nomad-Flexibilität. Timberland hat einiges an Attributen zu bieten, die attraktivitätssteigernd wirken können. Und das bei beiden Geschlechtern... Text: Fredericke Winkler

Als die The Abington Shoe Company im Jahre 1973 einen wasserdichten Lederboot ins Sortiment aufnahm, den er Timberland nannte, um zu unterstreichen, dass dieser Schuh aufgrund seiner geschweißten Sohle für jedes Unterholz geeignet ist, sei es in der Freizeit im Wald oder auf der Baustelle, hatten sie nicht im Kopf, dass dieses Unterholz auch in den New Yorker Straßen zu finden sein könnte, auf denen sich jugendliche Underdogs durchschlagen mussten. Schnell entwickelten sich die Boots – von den Homies liebevoll „Timbs“ genannt – zum integralen Bestandteil der damaligen Hip-Hop-Uniform, wo sie bis heute ihren festen Platz haben. Notorious BIG trug sie, Tupac, der Wu Tang Clan, Mobb Deep: Die Liste ist endlos, und

noch heute findet man die unverkennbaren beigen Stiefel an den Füßen von Kanye West und Konsorten. Schon 1978 benannte sich das Unternehmen nach seinem Bestseller in The Timberland Company um und erweiterte sein Produktportfolio auf Lifestyle-Niveau. Der Boot selbst ist in seiner Anmutung allerdings immer authentisch geblieben, selbst als das Unternehmen selbst 2011 in der VF Gruppe aufging. Dies hält Timberland jedoch nicht davon ab, das Innere des Schuhs im Sinne ihres Claims ‚best then, better now‘ zu optimieren. Denn die Langlebigkeit und Funktionalität des schweren Schuhs verlangt durchaus Abstriche im Komfort. Mit weiterentwickelter Technologie muss das aber nicht mehr sein. In diesem Sinne hat Timberland

beispielsweise die Sensorflex-Technologie eingeführt. Diese sorgt für einen optimalen Halt am Fuß, unabhängige Federung und verbesserte Flexibilität auf jedem Terrain. Erreicht wird dies durch ein Drei-LagenSystem: Eine flexible Außensohle trifft in der Mitte auf eine abfedernde Lage und wird von einer stabilisierenden Innensohle gehalten. Ziel war, den unverwüstlichen Boot zu einem fußfreundlichen Partner für alle Nomaden zu machen, die sich ihren Weg auf wechselndem Untergrund durch urbane Räume und in die Natur schlagen. Erhältlich ist die neue Sohlentechnologie für verschiedene Styles bis hin zum schweren Hiking-Exemplaren. Einzig die Frage nach dem Suchtfaktor bleibt zu klären, wenn man seine „Timbs“ auch zum

Relaxen nicht mehr ausziehen muss. Immerhin hat Notorious BIG schon 1994 in „Suicidal Thoughts“ den Gang in den Himmel auch für seine Timberlands verwehrt, als er rappte: „When I die, fuck it, I wanna go to hell, (...) it don’t make sense, going to heaven with the goodie-goodies, dressed in white, I like black Timbs and black hoodies.“ Feuerfest sind die Boots allerdings noch nicht. Das sollte sich Timberland an dieser Stelle vielleicht mal zu Herzen nehmen. www.timberland.de

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ISPO TEXTRENDS – DIE PLATTFORM FÜR TEXTIL-INNOVATIONEN. 24.–27. JANUAR 2016 AUF DER ISPO MUNICH. Wer seiner Zeit voraus sein will, braucht eine zukunftsorientierte Plattform. Deshalb bietet die ISPO MUNICH mit ISPO TEXTRENDS einen speziellen Platz für wegweisende Innovationen und Textil-Trends. Hier finden Designer und Produktmanager nicht nur die einzigartige Möglichkeit zum Knüpfen von internationalen Kontakten, sondern auch zur Recherche und zum Sourcing. Nutzen Sie diese Chance und bestimmen Sie mit, wenn es um die Zukunft von Fasern, Stoffen, Schnitten und Accessoires geht. Direkt auf der ISPO MUNICH und 365 Tage im Jahr auf ispo.com SPORTS. BUSINESS. CONNECTED.

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RETAIL EIN STIMMUNGSBILD FREUDENHAUS MANNHEIM / COCCON HEIDELBERG

INS GEGENLÄUFIGE DREHEN Markus Sigel, Du handelst seit zwanzig Jahren mit Mode. Was ist Dein Erfolgsrezept? Markus Sigel: Als inhabergeführtes Geschäft muss ich meinen Kunden etwas Besonderes bieten. Daher nehme ich Marken konsequent aus dem Programm, wenn sie auf dem Markt zu präsent werden. Bekommt man sie in gefühlt jedem Laden, schmeiße ich sie raus, egal, wie gut ich sie verkaufe. Dein Sortiment verändert sich also ­ständig? Das nicht. Es gibt Brands, die habe ich schon seit Beginn an im Sortiment. Freitag zum Beispiel. Die verkaufe ich aber auch exklusiv in Mannheim und Heidelberg. Mir ist im Gegenteil wichtig, dass Kollektionen beständig bleiben. Wenn bestimmte Styles gut ankommen, will ich nachordern können und sie auch in der nächsten Saison in Neuauflage sehen. Erst dann beginne ich, an ihnen sinnvoll Geld zu verdienen. Natürlich halte ich an Brands fest, die mir gute Qualität und einen solchen Service bieten können. Aber viele werden zu

gierig und selektieren ihre PoS nicht mehr. Dann haben sie einen kurzen Höhepunkt, und kurz danach beginnt die Talfahrt. Vorher springe ich ab. Aber ist es nicht sehr aufwendig, immer wieder neue Marken beim Kunden einzuführen? Im Gegenteil. Unsere Kunden wissen, dass sie bei uns immer etwas Neues entdecken können. Außerdem sehe ich es als unsere Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass sie flexibel bleiben und nicht immer nur auf das setzen, was sie kennen. Offen für Neues sein: Das ist wichtiger Bestandteil unserer Philosophie. Das hört sich ziemlich eigenwillig an. Ich würde es eher authentisch nennen. Meine Läden sind inhabergeführt. Es wird verkauft, was ich mag. Ich stehe noch viel selbst drin, kenne die Kunden und weiß, welche Ware sich dreht. Mein Team ist wie meine Familie. Diesen Spirit merken auch die Kunden. Sie finden es cool, bei uns einzukaufen.

KLAUS SCHWEIZER – LIGANOVA „Durch den stetigen Zuwachs im Online Handel stehen klassische Retailer vor neuen Herausforderungen. E-Commerce bietet Kunden eine effektive und nahezu hürdenlose Einkaufserfahrung. Im stationären Einzelhandel besteht jedoch großer Nachholbedarf – sowohl in der Integration digitaler Elemente bei der Bedarfsanalyse als auch beim Tracking vor und auf dem Point-of-Sale. Die Verkaufsfläche muss intelligent vernetzt werden – wir arbeiten daran und sprechen vom ‚Connected PoS’. Der Kunde hat neue Anforderungen und erwartet ein unbegrenztes Einkaufserlebnis und innovative Interaktionsmöglichkeiten, um die Markenwelt und das Produktsortiment auf neue Art und Weise zu entdecken. Der ‚Connected PoS’ bringt unzählige Möglichkeiten mit sich, um den stationären Handel – von der Schaufenstergestaltung bis zur InstoreKonzeption – mit digitalen, verkaufswirksamen Gestaltungselementen zu verbinden. Nur so kann der Schulterschluss zwischen der analogen und digitalen Welt gelingen. Es ist wichtig, sich dabei möglichst früh in der architektonischen Planungsphase damit auseinanderzusetzen, in welchem Umfang digitale Elemente für einen Store Sinn machen.“

ERWIN O. LICHER – HERRLICHER „2015 war für Herrlicher das beste ­Umsatzjahr der letzten elf Jahre. Und das, obwohl man nur von rückläufigen Geschäften hört. Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass wir uns vom Markt nicht verrückt machen lassen. Wenn wir von einer Sache überzeugt sind, bleiben wir dabei, auch wenn sie in der ersten Saison vielleicht nicht sofort einschlägt. In der näch­ s­ten Saison zahlt sich das oft doppelt aus.“

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DAS BERLINER LABEL TRAUT SICH WAS Das hättet Ihr bei der Bekleidung nicht einführen können? Bei unserer Unternehmensgröße nicht. Bei den vielen Farben und Größen wäre das Produktionsvolumen, das wir hätten vorfinanzieren und lagern müssen, viel zu hoch gewesen. Jetzt haben wir ein Produkt, eine Farbe, eine Größe, und sehen schnell, was auf dem Markt funktioniert und was nicht. Wir können viel flexibler reagieren. Das ist nicht vergleichbar, viele Prozesse sind in den letzten Wochen und Monaten bedeutend einfacher geworden.

Ihr habt nach 15 Jahren Eure Modekollektionen erst einmal auf Eis gelegt und macht jetzt ausschließlich Taschen und Rucksäcke. Warum? Anfangs haben wir drei Taschen als Erweiterung der Kollektion gemacht. Die kamen gleich so gut an, dass wir mehr Modelle entwickelt haben. Schon nach der dritten Saison waren die Accessoires absatzstärker als die Kleidung. Das hat uns zu denken gegeben. Wir haben dann mehrere Serien entwickelt und immer mehr Materialien eingeführt, wie gewachster Canvas, Denim, Filz, Cordura, wasserfeste Qualitäten und eine ‚Reflective’Serie. So kann sich der Händler seine ganz eigene Selektion zusammenstellen. Der Kleidungsmarkt ist meiner Meinung nach gerade auf einem Weg, der so nicht aufrecht zu erhalten ist, auch der Druck von allen Seiten für Produzenten, Shops oder Labels ist zu hoch. Wir haben entschieden, unter den Umständen nicht weitermachen zu wollen, und haben auch für unsere Ausrichtung im Markt nicht wirklich einen Weg gesehen. Bedeutet, Ihr könnt mit den Taschen einen anderen Service anbieten? Genau, wir werden immer mehr von den Saisons weggehen und die Taschen und Rucksäcke als NOS-Ware anbieten, soweit es uns möglich ist. Die Vorordern bleiben natürlich bestehen, aber wir wollen versuchen, noch sehr viel mehr in ein ‚daily business’ zu kommen. So können wir effektiv und schnell sein und auch kleineren Shops die Möglichkeit geben, mehr zu erwirtschaften.

Aber das kann doch nicht der einzige Grund sein, warum Taschen so viel besser laufen? Das Angebot bei Bekleidung ist so inflationär, dass man als kleines Label Mühe hat, noch diese Einzigartigkeit zu finden, die man braucht. Außerdem kann der Händler nicht mehr so viel ausprobieren. Wenige haben noch „Spielgeld“, um Brands zu testen. Auf dem Accessoires-Markt ist noch mehr Freiraum, weil die Vertikalen da nicht so brutal reinpreschen. Mit einer guten Idee kann man hier noch besser punkten. Gutes Produktdesign mit einer raffinierten Lösung kann man schlicht nicht so schnell kopieren. Mit den Taschen und Rucksäcken hatten wir plötzlich ganz neue Möglichkeiten, unseren Look zu kreieren. Viele Händler loben uns für unser schlichtes Design und das simple modulare System unserer Taschen. Wir freuen uns, dass wir so schnell unsere Nische gefunden haben. Und das habt Ihr mit der Kleidung am Ende nicht so gut geschafft? Es lief wirklich nicht schlecht, aber mittelfristig haben wir für uns bessere Chancen im Accessoires-Bereich gesehen. Wir haben für uns erkannt, wie sehr die Händler momentan zu kämpfen haben, von denen wir natürlich auch abhängig sind. Interessanterweise betrifft das unserer Wahrnehmung nach vor allem diejenigen, die sich stark auf Textil konzentrieren und verschlafen haben, ihr Sortiment zu erweitern. Viele öffnen sich ja gerade stark in Richtung Accessoires. Immer auch vor dem Hintergrund, dass sich der stationäre Handel vom Online-Geschäft differenzieren muss. Die konntet Ihr mit Eurem neuen Angebot dann gut bedienen... Ja. Und es kommen immer mehr Concept Stores hinzu, Designshops und Museums-

Stores. Und wir haben beispielsweise nun sogar eine kleine Ecke bei Dussmann, die das Produkt auch sehr interessant finden. Für uns ist das sehr spannend, weil sich ganz neue Felder auftun. Das hätten wir mit Mode nicht geschafft. Deswegen bedauern wir unseren Schritt nicht. Es hat Druck herausgenommen. Deine Einschätzung für den Handel in Deutschland? Es gibt Stores, die wirklich gut laufen und ihre Sache super machen. Die kennen ihren Kunden, haben eine gute Stammkundschaft aufgebaut, achten drauf, dass das Angebot immer frisch ist. Aber wir haben das Gefühl, dass vielen alteingesessenen Stores der Elan verloren gegangen ist. Die denken, dass es so weiter laufen muss, wie es immer lief. Für die ist das Geschäft einfach zu lang zu gut dahingeplätschert. In der heutigen Zeit solltest du immer darauf vorbereitet sein, Dinge zu ändern und flexibel bleiben. Ich glaube, das ist ganz wichtig, um am Markt gegen die großen Brands zu bestehen. /fw

AXEL AUGUSTIN – BTE „Die Zahlen in diesem Jahr haben sich im Vergleich zum vergangenen nicht signifikant geändert. Die Händler sind halbwegs zufrieden: Mit etwas Glück können wir 2015 mit einem Pari abschließen, was hauptsächlich daran liegt, dass der Handel nach den Erfahrungen im letzten Winter diesmal deutlich vorsichtiger eingekauft hat. Grund für das gedämpfte Ergebnis ist sicher der zweite warme Winter. Allerdings hat der Handel Möglichkeiten, sein Ergebnis positiv zu beeinflussen. Meines Erachtens spielt die Kundenorientierung eine große Rolle. Ich kenne Beispiele von Händlern, die unabhängig vom Standort gute Geschäfte gemacht haben, weil sie sehr nah bei ihren Kunden sind. Die sozialen Kompetenzen der Mitarbeiter sind dabei ein KO-Kriterium. Wenn diese motiviert sind und ihre Kunden begeistern, hält man einen Wettbewerbsvorteil in der Hand. Denn die beste Lage – weil immer schnell und jederzeit erreichbar – hat meist ja ohnehin das Internet, dazu Ware ohne Ende zu oft besseren Preisen. Was aber nur der stationäre Handel kann, ist, dem Kunden das echte Gefühl zu vermitteln: Hier bist du ein willkommener Gast. Daran sollte der Handel permanent arbeiten!“

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LINDA MOHRMANN – AGENTUR FÜR FAIR FASHION „Die Vororder für den Winter 2015 war supergut, leider zeigt sich der Abverkauf schleppend aufgrund der schwachen Temperaturen. Die Grünen Shops haben aber in unsicheren Zeiten einen ausgewogeneren Abverkauf. Das beobachte ich schon eine Weile. Für viele Leute scheint es eine logische Konsequenz, ihren Bedarf an Kleidung in Zeiten, in denen die Auswirkungen von globalen Umweltsünden nicht nur medial sichtbar, sondern auch erlebbar werden, mit ökologischer und sozialverträglicher Mode abzudecken. Die aktuellen Temperaturen mit 12 Grad Mitte Dezember machen beispielsweise die Klimaveränderungen hautnah spürbar. Der zweite Grund für einen guten Abverkauf könnte sein, dass ich eher Übergangsjacken in wetterfest repräsentiere, und wind- und wasserdicht ist aktuell gefragter als Parkas für -30 Grad.“

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MARKT / MEINUNG

MITGLIEDSBETRIEBE BEI SOURCEBOOK

KOMMENTAR

HERITAGE UND TRANSPARENZ: „MADE IN EUROPE“ KEHRT ZURÜCK Der Konsument sehnt sich zunehmend nach langlebigen und ehrlichen Produkten von vertrauenswürdigen Marken aus verantwortungsvoller Produktion. Qualität ist gefragt. Doch die geschwächte Infrastruktur der verbliebenen Textilwirtschaft in Europa macht die schnelle und flexible Umsetzung transparenter und hochqualitativer Lieferketten schwierig. Vernetzung und interdisziplinäre Kooperationen der heimischen Produzenten können Abhilfe schaffen. Sthenno

Kommentar von Marte Hentschel, Gründerin und CEO von Sourcebook

Die Maßschneiderei aus Berlin verbindet Entwurf und Handwerk mit besonderem Augenmerk auf Details und Material. www.sthenno.net

interloom

Das offene B2B-Online-Portal unterstützt bei der Beschaffung und Vermarktung nachhaltig produzierter Stoffe. Designer können dort nachhaltige Stoffe recherchieren und in Einzelbestellung oder gemeinschaftlich ordern. www.interloom.org

Atelier MYK

Myra Klose entwickelt Designobjekte aus Textilien für die Inneneinrichtung. Bekannt wurde sie durch ihre Tierobjekte. www.myk-berlin.com

True Fabrics

Der Versandhandel bezieht seine hochwertigen afrikanische Stoffe und HandMade-Fabrikate direkt aus den Manufakturen und lässt 10 Prozent des Umsatzes in soziale Projekte am Ort zurückfließen. www.truefabrics.de

Der Konsument sehnt sich zunehmend nach langlebigen und ehrlichen Produkten von vertrauenswürdigen Marken aus verantwortungsvoller Produktion. Qualität ist gefragt. Doch die geschwächte Infrastruktur der verbliebenen Textilwirtschaft in Europa macht die schnelle und flexible Umsetzung transparenter und hochqualitativer Lieferketten schwierig. Vernetzung und interdisziplinäre Kooperationen der heimischen Produzenten können Abhilfe schaffen. Nach der umfassenden Auslagerung von Produktionskapazitäten in Entwicklungs- und Schwellenländer und der Konzentration der Textilwirtschaft auf die reine Prozess­optimierung ist die Produktionsinfrastruktur in Europa und damit auch die Vielfalt im Angebot für den Kunden stark zurückgegangen. Auf der anderen Seite hat der Handel oft nicht das Kapital, um einen Stock zu halten, den der Kunde dann eventuell doch nicht in Anspruch nimmt. Das wäre Produktion für die Tonne. Eigentlich bräuchte der unabhängige Einzelhändler flexible Lieferzeiten und verlässliche Partner, die nachhaltige Produktionskonzepte transparent anbieten können. Allein in Europa gibt es Tausende von hochspezialisierten Textilhandwerkern und Dienstleistern, die genau das liefern, weil sie qualitativ hochwertig, kurzfristig und flexibel produzieren können. Sourcebook hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Know-how und diese handwerklichen Fertigkeiten sichtbar und einfacher als bisher online zugänglich zu machen. Das Netzwerk ermöglicht interdisziplinäre, länderübergreifende Kooperationen von Gestaltung, Handwerk und Industrie, und befördert damit überfällige Innovationsprozesse.
Den Branchenteilnehmern entlang der Prozesskette fehlt jedoch häufig noch ein ganzheitliches Verständnis der Potentiale des Open-Source-Gedankens, der sich zum Beispiel in der Sharing Economy längst etabliert hat. Pionier-­ Initiativen wie Manufacure New York sind gute Beispiele dafür, wie Inkubator- und Netzwerkkonzepte Hilfe zur Selbsthilfe leisten und somit eine wertvolle Unterstützung bei der Entwicklung neuer Markenkonzepte liefern können. Vier globale Meta-Trends bereiten den Boden für die Rückkehr der Bekleidungsproduktion in die Nähe der westlichen Consumer-Märkte, was zu den wichtigsten Voraussetzungen für starke „Made-in-Marken“ gehört: Heritage: Die Sehnsucht nach Handgemachtem mit ­erleb­­barer Geschichte aus lokalen Manufakturen gewinnt bei den Konsumenten an Bedeutung. Zuverlässige Marken, mit denen man sich identifizieren kann, die Liebe zum Detail und die Be­ wahrung von Kulturtechniken liegen im Trend. „Support your ­local dealer“ heißt eine Maxime der Lohas. Mass Customization: Individualisierbare Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen bedürfen kurzer Lieferketten und einer Reihe hochspezialisierter lokaler Partner. Das Kauf­erlebnis mit Gestaltungsspielraum als Gegenpol zum gleichförmigen Massenprodukt bedient das wachsende Bedürfnis nach Uni­ katen zum Konfektionspreis. Production-on-Demand: Die Halbwertszeit von Bekleidungsprodukten beträgt mittlerweile nur noch wenige Wochen, und wenn im November bei siebzehn Grad die Mäntel immer noch im Lager hängen, ist die Existenz von Einzelhändlern schnell in Gefahr. Hier sind kurze Wege, flexible Lieferzeiten und enge Lieferantenbeziehungen der Waren aus lokaler Produktion eine Chance, um flexibel auf Nachfrage-Schwankungen zu reagieren. Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor: Faire Produktion und Verantwortung gegenüber dem Kunden ist längst State of the Art, und Skandale, wie durch einstürzende Textilfabriken, sind eines der größten wirtschaftlichen Risikofaktoren für Modeunternehmer. Transparente Lieferketten können kleine und mittlere Unternehmen am ehesten durch die Kooperation mit lokalen Partnern schaffen und so echte Nachhaltigkeit gewährleisten. Ob sorbische Klöppelspitze, Seide aus Frankreich, Tweed aus Schottland oder italienisches Tuch: Wir haben die Expertise vor der Haustür. Nutzen wir sie, um Qualität anzubieten und spannende Geschichten zu erzählen. Vernetzt euch! Kooperiert! Das ist unsere Maxime mit Sourcebook, dem B2B-Netzwerk für alle Mitglieder der Textilwirtschaft.

Sourcebook ist ein B2B-Netzwerk für Modemacher, Textilhandwerker, Zulieferer und Dienstleister der Modebranche. Ziel ist, ­Gestalter, Handwerker und Partner aus der gesamten Industrie zu vernetzen, um gemeinsame Textilprojekte zu realisieren.

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