Regelbruch Katalog / Breaking Rules Catalog

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REGEL BRUCH MORAL

ÄSTHETIK





MORAL

REGEL BRUCH ÄSTHETIK


JOSHUA MARR

11. Semester Fachhochschule Potsdam Kommunikationsdesign Matrikelnummer 8388 TypoDeluxe Wintersemester 2012 / 13 Leitung: Manja Hellpap Papier: 135 g/m2 Munken Pure Druckerei: Central Station Berlin


Regel – Re•gel die; -, -n ein Prinzip od. eine Ordnung, die sagt, wie man bestimmte Dinge tun muss ≈ Norm, Vorschrift ‹strenge, grammatische, mathematische Regeln; die Regeln anwenden, beachten, befolgen, übertreten, verletzen; eine Regel aufstellen; sich an eine Regel halten; gegen eine Regel verstoßen; die Regeln des Zusammenlebens, des Anstands, der Höflichkeit, eines Spiels›

Mo·ral die die Wertvorstellungen und guten Sitten einer Gesellschaft oder einer Person


T ypografische Regel: 1. Sie ist Produkt der Gesellschaft und der Umwelt 2. Sie ist abhängig von den technischen Möglichkeiten 3. Sie ist eine funktionalästhetische Richtlinie 4. Sie können gebrochen werden 5. Sie können sich ändern http://de.wikipedia.org/wiki/Regel_(Richtlinie) 1 (aufgerufen am 27.11.2012) Charles Bigelow/Donald Day (1983):

2

»Digital Typography«, in: Scientific American 249.2, S. 98 in Björn Gansl andt (2012): Widerspenstige

Drucksachen. Störung und Diagrammatik in der digitalen Typografie 1985–1995, Justus-Liebig-Universität Gießen, Wien, S. 2

Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002): 3 absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 7–8


EIN UNG

technologischen Wechsel beobachtet werden können: »First, there is a period of imitation, in which the outstanding letterforms of the previous typographic generation serve as models for the new designs. Second, as designers grow more confident and familiar with the new medium, innovative designs emerge that are not merely imitative but exploit the strengths and explore the limitations of the medium.«2 Bigelow mag Recht haben, aber es gibt auch tiefere Veränderungen und Geschehnisse, die ein technologischer Wechsel mit sich bringt oder sogar verursacht. Wenn wir über Typografie sprechen, tendieren wir oft dazu, das Medium Schrift und seine Geschichte für sich als etwas Geschlossenes, Eigenständiges zu betrachten, ohne die Umwelt und deren Auswirkungen mit einzubeziehen. Dabei haben aber das jeweilige

Wir wissen was eine Regel ist, aber was ist eine typog-

Zeitgeschehen sowie andere verfügbare Kommunikati-

rafische Regel und wer bestimmt sie?

onsmedien einen ebenso wichtigen Einfluss auf

Laut Wörterbuchdefinition ist eine Regel eine »aus bestimmten Regelmäßigkeiten abgeleitete, aus Erfahrungen und Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte, für einen bestimmten Bereich als ver-

die Entstehung der Ästhetikvorstellungen, Lernprozesse und Tabubrüche. Der Medientheoretiker, Marshall McLuhan, behauptete, dass »die Wirkung von Medien – von Sprache,

bindlich geltende Richtlinie«.1 Die Definition setzt keine

Schrift, Buchdruck, Fotografie, Radio und Fernsehen –

Unfehlbarkeit voraus, also kann sich diese Richtlinie

[...] von den Erforschern der gesellschaftlichen Ent-

auch ändern. Im Kreis der typografischen Bildung wird oft da­­rüber gesprochen – was geht und was geht nicht. Oft werden die großen Typografen des 20. Jahrhun­

wicklungen der westlichen Welt in den vergangenen 3500 Jahren systematisch übersehen worden [ist].«3 Als Vorreiter der Medientheorie, sind McLuhans Beobachtungen aufschlussreich bei der Interpretation

derts, die Aufklärer ihrer Zeit, zu Rate gezogen.

der Kommunikationsgeschichte. Um auf einer globalen

Andere Male benutzen wir die »Wenn schon, denn

Ebene verstehen zu können, wie sich verschiedene

schon«-Taktik und denken an die Rebellen des

typografische Meinungen und Richtlinien herausbilden

späten 20. Jahrhunderts, typografisch eine Zeit des

konnten, ist es zuerst wichtig, die Theorien McLuhans

Sturm und Drangens.

unter die Lupe zu nehmen.

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LEIT­

Charles Bigelow schrieb in Scientific American, dass in der Schriftgeschichte zwei Phasen nach jedem



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Hört man heutzutage den Begriff Medien, fallen einem die Schrift und das Buch nicht an erster Stelle ein. Jedoch hat bisher kein Medium so lange existiert und die westliche Welt so nachhaltig geprägt wie das geschriebene Wort. Marshall McLuhan beschrieb jedes Medium als Sinneserweiterung unseres Selbst, das eine größere Auswirkung hat, als wir anfänglich realisieren können. Er sagte, dass »[…] alle Medien, vom phonetischen Alphabet bis zum Computer, Ausweitungen des Menschen sind, die tiefe und andauernde Veränderungen im Menschen selbst auslösen und seine gesamte Umwelt verwandeln. So eine Ausweitung ist eine Intensivierung, eine Ausdehnung eines Organs, eines Sinnes oder einer Köperfunktion, und wann auch immer sie eintritt, sorgt das zentrale Nervensystem offenbar als Selbstschutz für eine Betäubung des betroffenen Bereichs, trennt ihn von jeder bewussten Wahrnehmung ab und anästhesiert uns für das, was mit ihm geschieht. […] Und so wird schließlich eine von neuen Medien erzeugte Umwelt genau an dem Punkt unsichtbar, an dem sie alles durchdringt und unser Gleichgewicht der Sinne vollkommen verändert.«4

4

MARtin BAlteS UnD RAineR HöltSCHl [Hrsg.] (2002):

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 8


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Die Medien stehen bei McLuhan an erster Stelle der Veränderung. Was durch die Medien kommuniziert wird, spielt eine niedrige Rolle. Es ist das Medium, das die Gesellschaft verändert, nicht sein Inhalt. »Gesellschaften sind immer stärker von der Beschaffenheit der Medien, über die die Menschen miteinander kommunizieren, geformt worden, als vom Inhalt der Kommunikation. […] Sobald eine Gesellschaft eine Ausweitung von sich entwickelt, neigen alle anderen Funktionen dieser Gesellschaft dazu, sich zu verändern, um diese neue Form in sich aufzunehmen. […] Neue Technologien sind der Motor für revo­lu­tionäre Veränderungen. Das ist heute so bei den elektronischen Medien, und das war schon vor einigen tausend Jahren so bei der Erfindung des phonetischen Alphabets, einer Erfindung, die in ihren Auswirkungen auf den Menschen genauso weitreichend und tiefgehend war.«5 Diese Veränderungen beginnen, ohne dass wir sie und ihre Auswirkungen richtig wahrnehmen. »Die meisten Menschen, vom Lastwagenfahrer bis zum Literaturpapst, ignorieren noch immer ganz fröhlich, was die Medien mit ihnen machen: Das alle Bereiche des Menschen erfassende Medium selbst, und nicht der Inhalt, ist die Botschaft, die Message. Und das Medium ist nicht nur Message, sondern auch Massage6 – jedes Zusammenspiel der Sinne wird von ihm durch­ geschüttelt, durchdrungen und vollständig umformt. Der Inhalt oder die Botschaft eines bestimmten Mediums haben ungefähr so viel Bedeutung wie die Aufschrift auf der Kapsel einer Atombombe.«7

The is th mEssa


Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

11

medium he mEssage

‹10

5

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 11

Zu Verstehen als Mass Age (Massenalter). Ironischerweise 6 ist der Ursprung dieses Begriffes einen Fehler des Schrift­

setzers zu zuordnen. McLuhan jedoch fand es großartig und

passend zum Thema. (http://www.marshallmcluhan.com/ common-questions/)

Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 9

7



Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 11

Eine der grundlegendsten Veränderungen für die westliche Welt war die Erfindung der Schrift. Laut McLuhan markierte sie den Anfang der Trennung vom stammesorientierten Leben des Menschen. »Das phonetische Alphabet schlug in dieser Welt wie eine Bombe ein und katapultierte das Sehen in der Hierarchie der Sinne an die erste Stelle. Das Alphabet trieb den Menschen aus der Stammesgesellschaft hinaus, gab ihm ein Auge für ein Ohr und ersetzte sein ganzheitliches, intensives Zusammenleben in der Gemeinschaft durch visuelle, lineare Werte und ein fragmentiertes Bewusstsein. [Es] zertrümmerte den Zauberkreis und die mitschwingende Magie der Stammeswelt und verwandelte die Menschen in einer Explosion zu einem Haufen spezialisierter und psychisch verarmter ›Individuen‹ oder zu Funktionseinheiten in einer Welt der linearen Zeit und des Euklidischen Raums.«8 Die Schrift bildete die Grundlage für den Bildungstransfer. In der Mitte des 15. Jahrhunderts folgte ein revolutionärer Fortschritt, der der Welt weitere grundlegende Änderungen bringen sollte: die Erfindung von beweglichen Lettern. »Die Druckpresse war die größtmögliche Ausweitung der phonetischen Schrift: Bücher konnten in unbegrenzter Stückzahl reproduziert werden; die Grundlage für eine nach und nach universale Kenntnis des Lesens und Schreibens war gelegt; und: Bücher wurden zu individuellen Besitz­ tümern, die man mit sich herumtragen konnte.

‹12 13

8


Die Drucktypen, die Prototypen aller Maschinen, garantierten die Vorrangstellung des Visuellen und der linearen, uniformen, wiederholbaren Typen konnten Informationen in unbegrenzter Zahl mit bis dahin unmöglicher Geschwindigkeit reproduzieren und sicherte so dem Auge im mensch­ lichen Sinnesapparat die unumschränkte Vormachtstellung. Als einschneidende Ausweitung des Menschen formte und veränderte der Buchdruck dessen gesamte psychische und soziale Umwelt und war unmittelbar für so verschiedene Phänomene verantwortlich wie den Nationalismus, die Reformation, das Fließband und seine Abkömmlinge, die industrielle Revolution, für die ganze Vorstellung von Kausalität, die Kartesianische und Newtonsche Vorstellung vom Universum, die Perspektive in der Kunst, für die erzählerische Chronologie in der Literatur und für eine psychologische Form der Selbstbeobachtung oder Hinwendung zum Inneren. Alles zusammen intensivierte die Tendenzen in Richtung Individualismus und Spezialisierung, die 2000 Jahre zuvor mit der phonetischen Schrift in Gang gesetzt worden waren. Die Spaltung von Denken und Handeln wurde institutionalisiert, und der fragmentierte Mensch, der in einem ersten Schritt durch das Alphabet entzweit worden war, wurde schließlich in mundgerechte Häppchen zerteilt. Von da an war der westliche Mensch ein Geschöpf Gutenbergs.«9


9

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Die Spaltung von Denken und Handeln, sowie von Aktion und Reaktion genannt, ist Bestandteil unseres westlichen Systems des Lernens. Es bedeutete die Abkehr vom Stammesmenschen und seiner oralen, multisinnlichen Bildungskultur. Dieser Durchbruch wird meist als positiv bewertet, laut McLuhan aber, beschränkt es die menschliche Erfahrung auf das Visuelle. Das Aufkommen der elektronischen Medien im 20. Jahrhundert hat diesen Schritt seiner Meinung nach, wieder umgekehrt »Mit der Benutzung elektronischer Medien überschreiten wir die Grenze vom fragmentierten Gutenberg-Menschen hin zum ganzheitlichen Menschen, so wie man mit dem phonetischen Alphabet die Grenze vom oralen Stammesmenschen zum visuell eingestellten Menschen überschritt.«10 Das 20. Jahrhundert änderte sich mit den elektronischen Medien schneller als die vorangegangenen Epochen, indem sie »eine beinahe sofortige, totale Veränderung der Kultur, der Werte und Einstellungen [bewirken]. Dieser Umsturz ist sehr schmerzhaft und führt zum Verlust der eigenen Identität. Das einzige, was bei so einem Umsturz hilft, ist die bewusste Wahrnehmung seiner Dynamik. […] trotzdem können wir uns immer noch nicht von der Selbsttäuschung befreien, dass es nur darauf ankäme, wie man ein Medium gebraucht, und nicht darauf, was es in und mit uns anstellt.«11

Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 16

10 ebd., 18 11 ebd., 10–11



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Die meisten Menschen halten daran fest, ihre Welt im Rück spiegel zu betrachten. Eine Umwelt wird nur dann vollständig sichtbar, wenn sie durch eine neue



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Umwelt abgelöst wurde. Daher hinken wir mit unserer Weltsicht immer einen Schritt hinterher. Weil wir von jeder neuen Technologie – die wiederum


eine vollkommen neue Welt schafft – betäubt werden, neigen wir dazu, die alte Welt sichtbarer werden zu lassen, indem wir sie in eine Kunstform verwandeln und


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MARSHALL MCLUHAN

‹22 23

unser Herz an die Gegenstände und die Stimmung hängen, die für sie charakteristisch war.«



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T r a n s p a r e n z

u n d

L e s b a r k e i t

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VERNUNfT UND MoRaL


Die Umstände des ersten Weltkrieges haben im frühen 20. Jahrhundert die Welt entscheidend verändert. Nach seinem Ende brach das Zeitalter der Massenproduktion an und die Menschen richteten ihre Augen auf neue Techniken. »Indem sie die kunsthandwerkliche Überlieferung zugunsten des industriellen Fortschritts aufgaben, glaubten sie mit nahezu religiöser Inbrunst an die Wohltaten der Standardisierung und gaben dem überwältigenden Drang nach, alles und jedes – von Möbeln und Beleuchtungskörpern über Plakate bis hin zu Büchern – auf die reinsten, elementarsten Formen zu reduzieren.«12 Charlotte & Peter Fiell (2005): Graphic Design Now,

12

Köln, Taschen GmbH, S. 23 Shelley Gruendler (2002): Beatrice Warde,

13

Twentieth Century Graphic Communication: Technology, Society and Culture, First annual Friends of St Bride conference, 24 & 25 September 2002, http://stbride.org/friends/conference/

Bea trice WaR de

twentiethcenturygraphiccommunication/BeatriceWarde.html (aufgerufen am 05. 02. 2013)

Björn Gansl andt (2012): Widerspenstige Drucksachen.

14

Störung und Diagrammatik in der digitalen Typografie 1985–1995,

Justus-Liebig-Universität Gießen, Wien, S. 23–24

Stanley Morison (1951): First Principles of Typography,

Cambridge: Cambridge University Press, S. 5.

1900–1969

15


Obwohl die Bekanntheit von Beatrice Warde in der ge-

mit ihrem Vortrag The Crystal Goblet Ansehen, der später

stalterischen Welt sich in Grenzen hält, haben ihre

als Band mit 16 Aufsätzen veröffentlicht wurde und

Beiträge zur typografischen Moralbildung eine Denk-

die typografische Denkweise der Zeit darstellt. Darin

weise unterstützt, die sich im 20. Jahrhundert weiter

predigte Warde eine typografische Zurückhaltung,

ausbreitete und heute noch zu finden ist.

ausgezeichnet durch Einfachheit und Klarheit. Der gläserne Kelch verkörperte dabei die Typografie, die

zösischen Typografie des 18. Jahrhunderts und hat

stets transparent bleiben sollte, damit der Leser sich auf

ihre Ergebnisse unter dem Pseudonym Paul Beaujon

den Wein, oder in diesem Fall, den Inhalt, konzen-

publiziert. »Ihm« wurde nach seinen Veröffentlich­-

trieren kann. Die Metapher des gläsernen Kelches sollte

ungen eine halbe Stelle in der Redaktion des Monotype

die Kluft zwischen Materialität und Inhalt bis heute

Recorders angeboten, was sie annahm. Von 1929

prägen.14 Ihr Arbeitskollege bei Monotype, Stanley Mori-

bis 1960 arbeitete sie bei der Lanston Monotype Corpo-

son, vertrat eine ähnliche Meinung bezüglich der

ration als Publizitätsmanagerin und Redakteurin

modernen Zurückhaltung und behauptete sogar, dass

und trug maßgeblich zu dem Erfolg der Monotype-

»… any disposition of printing material which, what­-

Maschinen bei.13 Ihr vielleicht bekanntestes Werk

ever the intention, has the effect of coming between

ist ihr Plakat This is a printing office. Sie erlangte auch

author and reader is wrong.«15

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Beatrice Warde erforschte die Ursprünge der fran-


THE CRYSTAL GOBLET or Printing Should Be Invisible

by BEATRICE WARDE


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Imagine that you have before you a flagon of wine. You may choose your own favourite vintage for this imaginary demonstration, so that it be a deep shimmering crimson in colour. You have two goblets before you. One is of solid gold, wrought in the most exquisite patterns. The other is of crystal-clear glass, thin as a bubble, and as trans­parent. Pour and drink; and according to your choice of goblet, I shall know whether or not you are a con­noisseur of wine. For if you have no feelings about wine one way or the other, you will want the sensation of drinking the stuff out of a vessel that may have cost thousands of pounds; but if you are a member of that vanishing tribe, the amateurs of fine vintages, you will choose the crystal, because every­ thing about it is calculated to reveal rather than hide the beautiful thing which it was meant to contain. Bear with me in this long-winded and fragrant metaphor; for you will find that almost all the virtues of the perfect wine-glass have a parallel in typography. There is the long, thin stem that obviates fingerprints on the bowl. Why? Because no cloud must come between your eyes and the fiery heart of the liquid. Are not the margins on book pages similarly meant to obviate the necessity of fingering the type-page? Again: the glass is colourless or at the most only faintly tinged in the bowl, because the connoisseur judges wine partly by its colour and is impatient of anything that


alters it. There are a thousand mannerisms in typography that are as impudent and arbitrary as putting port in tumblers of red or green glass! When a goblet has a base that looks too small for security, it does not matter how cleverly it is weighted; you feel nervous lest it should tip over. There are ways of setting lines of type which may work well enough, and yet keep the reader subconsciously worried by the fear of ‘doubling’ lines, reading three words as one, and so forth. Now the man who first chose glass instead of clay or metal to hold his wine was a ‘modernist’ in the sense in which I am going to use that term. That is, the first thing he asked of his particular object was not ‘How should it look?’ but ‘What must it do?’ and to that extent all good typo­graphy is modernist. Wine is so strange and potent a thing that it has been used in the central ritual of religion in one place and time, and attacked by a virago with a hatchet in another. There is only one thing in the world that is capable of stirring and alter­ ing men’s minds to the same extent, and that is the coherent expression of thought. That is man’s chief miracle, unique to man. There is no ‘explanation’ whatever of the fact that I can make arbitrary sounds which will lead a total stranger to think my own thought. It is sheer magic that I should be able to hold a one-sided conversation by means of black marks on paper with an unknown person half-way across the world.


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Talking, broadcasting, writing, and printing are all quite literally forms of thought transference, and it is the ability and eagerness to transfer and receive the contents of the mind that is almost alone responsible for human civilization. If you agree with this, you will agree with my one main idea, i.e. that the most important thing about printing is that it conveys thought, ideas, images, from one mind to other minds. This statement is what you might call the front door of the science of typography. Within lie hundreds of rooms; but unless you start by assuming that printing is meant to con­vey specific and coherent ideas, it is very easy to find yourself in the wrong house altogether. Before asking what this statement leads to, let us see what it does not necessarily lead to. If books are printed in order to be read, we must distinguish readability from what the optician would call legibility. A page set in 14-pt Bold Sans is, according to the laboratory tests, more ‘legible’ than one set in 11-pt Baskerville. A public speaker is more ‘audible’ in that sense when he bellows. But a good speaking voice is one which is inaudible as a voice. It is the transpar­ent goblet again! I need not warn you that if you begin listening to the inflections and speaking rhythms of a voice from a platform, you are falling asleep. When you listen to a song in a language you do not understand, part of your mind actually does fall asleep, leaving your quite separate aesthetic


sensibilities to enjoy themselves unimpeded by your reason足 ing faculties. The fine arts do that; but that is not the purpose of printing. Type well used is invisible as type, just as the perfect talking voice is the unnoticed vehicle for the transmission of words, ideas. We may say, therefore, that printing may be delightful for many reasons, but that it is important, first and fore足most, as a means of doing something. That is why it is mischievous to call any printed piece a work of art, especially fine art: because that would imply that its first purpose was to exist as an expression of beauty for its own sake and for the delectation of the senses. Calligraphy can almost be considered a fine art nowadays, because its primary economic and educational purpose has been taken away; but printing in English will not qualify as an art until the present English language no longer conveys ideas to future generations, and until printing itself hands its usefulness to some yet unimagined successor. There is no end to the maze of practices in typography, and this idea of printing as a conveyor is, at least in the minds of all the great typographers with whom I have had the privilege of talking, the one clue that can guide you through the maze. Without this essential humility of mind, I have seen ardent designers go more hopelessly wrong, make more ludicrous mistakes out of an excessive enthusiasm, than I could have thought


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possible. And with this clue, this purposiveness in the back of your mind, it is possible to do the most unheard-of things, and find that they justify you triumphantly. It is not a waste of time to go to the simple fundamentals and reason from them. In the flurry of your individual problems, I think you will not mind spending half an hour on one broad and simple set of ideas involving abstract principles. I once was talking to a man who designed a very pleasing advertising type which undoubtedly all of you have used. I said something about what artists think about a certain problem, and he replied with a beautiful gesture: ‘Ah, madam, we artists do not think – we feel!’ That same day I quoted that remark to another designer of my acquaintance, and he, being less poetically inclined, murmured: ‘I‘m not feeling very well today, I think!’ He was right, he did think; he was the thinking sort; and that is why he is not so good a painter, and to my mind ten times better as a typographer and type designer than the man who instinctively avoided anything as coherent as a reason. I always suspect the typographic enthusiast who takes a printed page from a book and frames it to hang on the wall, for I believe that in order to gratify a sensory delight he has mutilated something infinitely more important. I remember that T. M. Cleland, the famous American typographer, once showed me a very beautiful layout for a Cadillac booklet involving


decorations in colour. He did not have the actual text to work with in drawing up his specimen pages, so he had set the lines in Latin. This was not only for the reason that you will all think of; if you have seen the old typefoundries’ famous Quousque Tandem copy (i.e. that Latin has few des­ cenders and thus gives a remarkably even line). No, he told me that originally he had set up the dullest ‘wording’ that he could find (I dare say it was from Hansard), and yet he discovered that the man to whom he submitted it would start reading and making comments on the text. I made some remark on the mentality of Boards of Directors, but Mr. Cleland said, ‘No: you’re wrong; if the reader had not been practically forced to read – if he had not seen those words suddenly imbued with glamour and significance – then the layout would have been a failure. Setting it in Italian or Latin is only an easy way of saying “This is not the text as it will appear”.’ Let me start my specific conclusions with book typography, because that contains all the fundamentals, and then go on to a few points about advertising. The book typographer has the job of erecting a window between the reader inside the room and that landscape which is the author’s words. He may put up a stained-glass window of marvellous beauty, but a failure as a window; that is, he may use some rich superb type like text gothic that is something to be looked at, not through. Or he may work in what I call transparent or invisible


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typography. I have a book at home, of which I have no visual recollection whatever as far as its typography goes; when I think of it, all I see is the Three Musketeers and their comrades swaggering up and down the streets of Paris. The third type of window is one in which the glass is broken into relatively small leaded panes; and this corresponds to what is called ‘fine printing’ today, in that you are at least conscious that there is a window there, and that someone has enjoyed building it. That is not objectionable, because of a very important fact which has to do with the psychology of the subconscious mind. That is that the mental eye focuses through type and not upon it. The type which, through any arbitrary warping of design or excess of ‘colour’, gets in the way of the mental picture to be conveyed, is a bad type. Our subconsciousness is always afraid of blunders (which illogical setting, tight spacing and too-wide unleaded lines can trick us into), of boredom, and of officiousness. The running headline that keeps shouting at us, the line that looks like one long word, the capitals jammed together without hair-spaces – these mean subconscious squinting and loss of mental focus. And if what I have said is true of book printing, even of the most exquisite limited editions, it is fifty times more obvious in advertising, where the one and only justification for the purchase of space is that you are conveying a message –


(Originally printed in London in 1932, under the pseudonym Paul Beaujon. This version printed in London 1955).

that you are implanting a desire, straight into the mind of the reader. It is tragically easy to throw away half the reader interest of an advertisement by setting the simple and compelling argument in a face which is uncomfortably alien to the classic reasonableness of the book-face. Get attention as you will by your headline, and make any pretty type pictures you like if you are sure that the copy is useless as a means of selling goods; but if you are happy enough to have really good copy to work with, I beg you to remember that thousands of people pay hard-earned money for the privilege of reading quietly set book-pages, and that only your wildest ingenuity can stop people from reading a really interesting text. Printing demands a humility of mind, for the lack of which many of the fine arts are even now floundering in self-conscious and maudlin experiments. There is nothing simple or dull in achieving the transparent page. Vulgar ostentation is twice as easy as discipline. When you realise that ugly typography never effaces itself; you will be able to capture beauty as the wise men capture happiness by aiming at something else. The ‘stunt typographer’ learns the fickleness of rich men who hate to read. Not for them are long breaths held over serif and kern, they will not appreciate your splitting of hair-spaces. Nobody (save the other craftsmen) will appreciate half your skill. But you may spend endless years of happy experiment in devising that crystalline goblet which is worthy to hold the vintage of the human mind.


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CHILDREN SHOULD BE SEEN AND NOT HEARD



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WENN DER ALPHABETISIERTE ABENDLÄNDER WIRKLICH DARAN INTERESSIERT WÄRE, DIE KREATIVSTEN ERRUNGENSCHAFTEN SEINER ZIVILISATION ZU BEWAHREN,


WÜRDE ER NICHT IN SEINEM ELFENBEINTURM HOCKEN UND DIE VERÄNDERUNG DER WELT BEJAMMERN, SONDERN SICH SELBST IN DEN STRUDEL DER


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Marhsall McLuhan

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ELEKTRONISCHEN TECHNOLOGIE STÜRZEN, UM DIESE NEUE WELT UNTER KONTROLLE ZU BEKOMMEN, INDEM ER SICH IHRE FUNKTIONSWEISE KLARMACHT



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Zum gleichen Zeitpunkt wie Beatrice Wardes Behauptungen, »gab es neue Ström­ ungen in der bildenden Kunst – Futurismus, Konstruktivismus, De Stijl –, welche die Entwicklung des Grafikdesigns ebenfalls entscheidend prägten. Unter dem Ein­ fluss dieser avantgardistischen Impulse entwickelten die mit dem Bauhaus verbundenen Grafiker einen neuen rationalen Ansatz für ihre Kunst.«16

JAN TSCHICH

OLD

1902–1974


16

Charlotte & Peter Fiell (2005): Graphic Design Now,

Köln, Taschen GmbH, S. 23

17 ebd. 18

Jan Tschichold (1987): Die Neue Typographie: Ein Hand-

buch für zeitgemäss Schaffende, 2. Aufl., Berlin: Brinkmann & Bose, S. 21. in Björn Gansl andt (2012): Wider­ spenstige Drucksachen. Störung und Diagrammatik in der digitalen Typografie 1985–1995, Justus-Liebig-Universität Gießen, Wien, S. 21

19

Wolfgang Beinert (2010): Tschichold, Jan,

http://www.typolexikon.de/t/tschichold-jan.html (aufgerufen am 28. 2. 2013)

‹50 51

Jan Tschicholds grafischer Stil entsprach keineswegs der strengen Transparenz, die Beatrice Warde forderte, kann aber als konsequente Weiterentwicklung der typografischen Ästhetik und des Grafikdesigns angesehen werden. Tschichold studierte an der Leipziger Akademie der Künste, wo er aufgrund seiner Arbeit später beim Rektor Meisterschüler wurde. Ab 1923 machte er sich als typografischer Berater selbstständig. Beeinflusst vom Bauhaus und der modernen Mechanisierung der Druckproduktion, änderte Tschichold seinen bisher traditionelleren Stil und wurde Vertreter der neuen Typographie. »Künstler wie Làsló Moholy-Nagy (1895–1946), Herbert Bayer (1900–1985) und Joost Schmidt (1893–1948), die am Bauhaus lehrten, schufen einen Kodex rationaler, sachlicher Prinzipien des Grafikdesigns, zu denen serifenlose Schrifttypen, asymmetrische Kompositionen und fließende rechtwinkelige Raster ebenso zählten wie genormte Papiermaße und der Vorrang der Fotografie vor der gezeichneten Illustration.«17 In seinem Buch Die neue Typographie von 1928 sprach Tschichold den serifenlosen Antiquen die Position einer transparenten Gestaltung zu. »Die Grotesk stellt den konsequenten Fortschritt auf dem von Didot eingeschlagenen Wege dar. Die Buchstaben sind hier sämtlichen Beiwerks entkleidet; ihr Wesen, die Linienführung des Skeletts, erscheint erstmalig rein und unverfälscht.«18 1933 wanderte er in die Schweiz aus. In der Zeit während und nach dem zweiten Weltkrieg würde er diese Einstellung revidieren und, traumatisiert durch den Nationalsozialismus, der für die Schließung des Bauhauses zuständig war, sich der englischen Typografie zuwenden.19


Wolfgang Weingart schrieb über ihn, »Jan Tschichold kam 1933 von München nach Basel. Früh beschloss er, sich von der Typographie der zwanziger Jahre abzuwenden. Seine Anhänger waren enttäuscht, und es brauchte fünfzig Jahre, bis Tschichold wieder diese Bedeutung gewann, die er 1928 mit seinem Buch Die Neue Typographie und mehreren Plakaten für das Münchner Kino Phoebus-Palast gehabt hatte. Er wurde zu einem wichtigen Lehrer und Mahner für die heutigen Satzhersteller.«20

20

Wolfgang Weingart (2000): Typography, Lars Müller

Publishers, Basel, S. 60

Jan Tschichold

Plakate für das Phoebus Palast ca. 1927–1933


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»Gute Typographie ist, wie ein idealer Diener gewesen sein mag: da und doch nicht bemerkbar; unauffällig; aber eine Voraussetzung des Wohlbefindens; lautlos, geschmeidig.« Jan Tschichold (1988): Erfreuliche Drucksachen durch gute Typographie: eine Fibel für jedermann,

Maro-Verlag, Augsburg, S. 16


Tschichold nahm zunehmend in seiner späteren Laufbahn die Rolle des Moralapostels an und näherte sich den konservativen Einstellungen von Warde. In seinem Buch Erfreuliche Drucksachen durch gute Typographie prangert er die damalige typografische Gestaltung an und fordert Minimalismus und Zurückhaltung. Seine Erzählungen und Vergleiche nehmen nahezu arrogante Ausmaße an, mit einem bildungsbürgerlichen, besserwisserischen Unterton. Die in der Vorkriegszeit von ihm beliebten serifenlosen Antiquen werden zu Auszeichnungsschriften, die sparsam verwendet werden sollen. »Endstrichlose sind oft nützliche Auszeichnungsschriften. Sie bedeuten in der Typographie, was scharfe Zugaben und süße Nachspeisen beim Essen sind: Gaumenreize. Nicht gut verträglich aber ist die Endstrichlose als Textschrift, so wie man von Paprikapfeffer, Sardellen und Torten allein nicht leben kann. Für die kleinen Kinder zwar, die lieber Schokolade essen denn Brot, ist die Endstrichlose sehr gut geeignet. Denn ihre grob vereinfachte Form entspricht genau dem noch unentwickelten optischen Differenzierungsvermögen des Kleinkindes und der Langsamkeit seines Lesens. Erwachsene sind in der Regel geübt und willens, schneller zu lesen als Kinder; obwohl manche unter ihnen nie zu lesen scheinen. Können sie nicht oder mögen sie nicht?«21

Jan Tschichold (1988): Erfreuliche Drucksachen durch

gute Typographie: eine Fibel für jedermann, Maro-Verlag, Augsburg, S. 16

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21


Beispiele für »falsche« Gestaltung aus Erfreuliche Drucksachen durch gute Typographie


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57

Jan Tschichold

Beispiele für »richtige« Gestaltung aus Erfreuliche Drucksachen durch gute Typographie Obwohl die Beispiele wesentlich sauberer und aufgeräumter wirken und verbesserte Lesbarkeit vorweisen, haben sie komplett an Charakter eingebußt.


Jan Tschichold war ein Meister typographischer Richtlinien. Er schickte mir zu Beginn der siebziger Jahre ein Papier, welches auf seinem umfassenden Wissen beruhte:

gute typographie lärmt nicht – Die gut leserliche Schrift und ein vernünftiger Umgang mit ihr sind oberste erfordernisse einer guten Satzarbeit – Asymmetrie ist heute oft durchaus angezeigt. Aber die eigentliche Form der typographie ist Symmetrie – Satz ohne einzüge ist undeutlich. einzüge helfen dem leser und sichern die Ordnung des textes – nur schöner Satz, das heisst sehr gut gesetzter Satz, ist leicht leserlich – Der Dienst der typographie am leser ist die übermittlung von gut und mühelos leserlicher Mitteilungen und gedankengefügen – eine der höchsten tugenden guter typographie ist unaufdringliche eleganz – es ist die Aufgabe der typografie nicht, absichtlich gleichnisse ihres zeitalters zu bilden. typographie muss sie selbst sein. Sie muss unseren Augen entsprechen, ihnen wohltun – gute typographie ist ganz und gar nicht von auffälligen und sonderbaren Schriften abhängig. Dies meint nur der Unerfahrene – wir verlangen von der Schrift nicht Modernität, sondern leserlichkeit. Wiederholt wurde verboten, was mich neugierig machte: Anerkannte typographische Regeln in Frage zu stellen, sie zu verändern und dabei die Berufswelt ein wenig zu verwirren, zugleich aber auch die Beweglichkeit und Austauschbarkeit einer Setzereinrichtung bis zum Äussersten zu nutzen, um ihre begrenzten Möglichkeiten neu zu überprüfen. — wOlgAng weingARt —


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n

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Tschichold arbeitete zudem beim Birkhäuser Verlag und, während seines zweijährigen Aufenthalts in England, an der Neugestaltung von Penguin Books. Zu seinen Schriften gehören die Transito, Saskia, Zeus, Uhertype Standard Grotesk (die stark von der Gill Sans von Eric Gill beeinflusst wurde) und die Sabon.

Jan Tschichold

Bücher aus der Penguin-Reihe (rechts oben) Entwurfsskizze


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ERIC GILL (ungef채hres Bildnis)


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Sabon (Schriftmuster)

Die Tschicholdschen Einflüsse bleiben ein wichtiger Bestandteil des heutigen Designunterrichts und sind notwendig, wenn es um die Gestaltung bester Lesbarkeit geht. Wenn man allerdings seine fast religiöse, unnachgiebige Haltung zu den (von ihm erstellten) Richtlinien der dezenten und sachlichen Gestaltung betrachtet, passt sie in das von McLuhan genannte Muster des Rückblickens, unfähig die kommenden Neuerungen zu erkennen und zu akzeptieren.

Tschichold (digitaler Nachbau von Tschicholds Uher-Type, die sich an die Gill Sans anlehnte)


alS Jemand, der der literatur und der tradition der Schriftkultur Stark Verbunden war, begann ich die neue welt, die die werte der


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Schriftwelt bedrohte, zu studieren, und mir wurde schnell klar, dass sie durch moralische Empörung oder frömmelnde Entrüstung


nicht ungeSchehen gemacht werden konnte.

Marshall McLuhan


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I n t e r n a t i o n a l

S t y l e

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foRM foLLoWs fUNCTioN

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» Ve r e i n f a c h e n , versachlichen, vermenschlichen. A l s o Reduktion durch weglassen.« — Karl Duschek

Charlotte & Peter Fiell (2005): Graphic Design Now,

22

Köln, Taschen GmbH, S. 23–24 http://de.wikipedia.org/wiki/Form_follows_function 23 (aufgerufen am 05. 02. 2013) Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

24

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 24–25 Wolfgang Weingart (2000): Typography,

Lars Müller Publishers, Basel, S. 61

25


Während und nach dem zweiten Weltkrieg führte die Schweizer Schule die Tradition des Bauhauses fort und entwickelte sie weiter. Die reduzierte, moderne Form mit viel Weißraum, serifenlose, oft kleingeschriebene Typografie und die Verwendung von Fotos statt Illustrationen wurde bekannt als der Internationale Grafikstil.22 Charakteristisch für den Stil waren rechtwinklige Raster und eine direkte und präzise Gestaltung nach dem 1896 von Louis Sullivan aufgegriffenen Motto »form follows function«.23 Die Lehren der Schweizer Schule fanden bis weit in die siebziger Jahre ihre Anwendung und haben heute noch ihre Relevanz und Anhänger. Jedoch hat sich am Ende der sechziger Jahre eine Kluft entwickelt zwischen einer neuen, medialisierten Generation und der Bildungskultur der Vor- und Nachkriegszeit, »weil Bildung, die der Jugend das Verständnis für ihre revolutionär neue Welt und die Anpassung an sie erleichtern sollte, stattdessen bloß als Instru- ‹74 ment kultureller Aggression verwendet wird, das einer retribali75 sierten Jugend die überholten visuellen Werte eines zu Ende gehenden Schriftzeitalters aufzwingt. Unser ganzes Bildungssystem ist reaktionär, an den Werten und Technologien der Vergangenheit orientiert und wird wahrscheinlich so bleiben, bis die alte Generation die Macht abgibt. Die Kluft zwischen den Generationen ist in Wirklichkeit ein gähnender Abgrund, der nicht einfach zwei Altersgruppen, sondern zwei ganz verschiedene Kulturen voneinander trennt. … [U]nser Bildungssystem richtet seinen Blick immer nur in den Rückspiegel. Es ist veraltet und überholt, denn es basiert auf den Werten der Schriftkultur und auf der Zerlegung und Klassifizierung von Beobachtungen, die überhaupt nicht zu den Bedürfnissen der ersten Fernsehgeneration passen.«24 Wolfgang Weingart, der später in Basel unterrichtete, befand sich in dieser Kluft und erinnerte sich an seine Ausbildungszeit. »So wuchs ich zunächst – wie andere Schriftsetzerlehrlinge zu dieser Zeit – in der damaligen Gestalterwelt auf, immer mit einer typographischen Unsicherheit, zwischen neuen und alten Vorstellungen und Regeln leben zu müssen.«25



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OTL AICHER

Erscheinungsbild der Deutschen Lufthansa, 1962



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OTL AICHER

Erscheinungsbild für die Olympischen Spiele in München, 1972



Anton Stankowski

Erscheinungsbild für Berlin (Berlin-Layout), 1969

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Anton Stankowski

Plakat Motores ayudantes del hombre (Motoren Helfer des Menschen), um 1970

Anton Stankowski

Marke für die Deutsche Bank, 1974



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josef müller-brockmann

Plakat für die Ausstellung der Film, 1960

josef müller-brockmann

Plakat olma, 1959

josef müller-brockmann

Plakat beethoven, 1955


josef müller-brockmann

Erscheinungsbild der Schweizerische Bundesbahnen SBB, 1978–1980

josef müller-brockmann

Plakat strawinksy, 1955


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josef müller-brockmann

Plakate musica viva, 1962–1968

josef müller-brockmann

Plakat Automobile—Club de Suisse, 1954



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Die neue Generation steht ihrem Erbe einer 3000 Jahre alten visuellen Schriftkultur fremd gegen端ber. Dass die Werte dieser Schriftkultur zu


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Hause und in der Schule nach wie vor gefeiert werden, versch채rft nur noch ihre Entfremdung. Wenn wir unser Bildungssystem


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nicht an ihren Bed端rfnissen und Werten orientieren, werden wir noch mehr Aussteiger und noch mehr Chaos erleben. MARSHALL MCLUHAN


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O f f

t h e

G r i d

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aBsCHiED VoM RasTER


Weingart begann 1958 eine Ausbildung an der MerzAkademie in Stuttgart im Bereich der angewandten Graphik und Kunst. Dort kam er erstmalig in Kontakt mit Typografie. Von 1960 bis 1963 absolvierte er eine Ausbildung als Schriftsetzer in Stuttgart. Hier entdeckte er seine Begeisterung für die Schweizer Typographie. Nach vielen Experimenten mit Handsatz und dem Schweizer Stil, stellte er eine Mappe zusammen, um sich als Schüler an der Kunstgewerbeschule in Basel zu bewerben. Nachdem er seine Arbeiten Armin Hoffmann und Emil Ruder vorgestellt hatte, wurde ihm eine Stelle als Dozent und gleichzeitig als Student für ein Nachdiplomstudium für ausgebildete Gestalter angeboten. 1968 begann er selbst an der Baseler Kunstgewerbeschule zu unterrichten.26 In einer Welt des dogmatischen Festhaltens an bereits aufgestellten Regeln, spürte Wolfgang Weingart die Notwendigkeit einer Veränderung. »Es war die Zeit, über weitere Entwicklungen nachzudenken. Dies war eng verbunden mit der Suche nach anderen beruflichen Möglichkeiten und mit der Vorstellung, die Schweizer Typographie zu verändern. Sie hatte immer noch einen gewichtigen, grenzüberschreitenden Ruf innerhalb der Gestalterwelt. Doch schien mir, dass sie für die kommenden Jahre zu wenig entwicklungsfähig war. Ich glaubte daran, dass es der richtige Zeitpunkt sei, den sachlichen Ausdruck dieser Typographie zu verändern und zu erneuern.


26

Wolfgang Weingart (2000): Typography, Lars Müller

Publishers, Basel, S. 44 –101

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*1941


Die aufkommenden Studentenunruhen, das Suchen nach etwas Neuem, die Unzufriedenheit, die mit Nachkriegswohlstand einherging, der immer rücksichts­loser werdende Krieg in Vietnam, die weit verbreitete Gleichgültigkeit den täglichen Gewohnheiten gegen­über machten die Menschen reizbar, unruhig und unaufhaltbar. Viele glaubten an eine gewaltsame Verän­ derung. Dass die Hochschule für Gestaltung Ulm Ende 1968 ihren Unterricht aus ähnlichen Gründen und wegen Geldschwierigkeiten schliessen musste, war ein Beispiel von vielen.«27

27

Wolfgang Weingart (2000): Typography, Lars Müller

Publishers, Basel, S. 101


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Wolfgang Weingart

Holzschnitt aus dem Buch Experiment, 1962


Wolfgang Weingart

Handsatzbeispiele


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Die Ansprüche der schriftlichen Bildungskultur haben ihre Spuren an einer distanzierten Jugend hinterlassen, die eine entfremdete Beziehung zur Schrift entwickelt hat. Verwirrt von den Fragen vieler Studenten, fragte er sich: »War es möglich, dass es Gestalterinnen und Gestalter gab, die zur Typographie keine unmittelbare Beziehung hatten? Suchten diese Wege, mit Hilfe eines unsichtbaren Netzes von waagrechten und senkrechten Linien Lösungen zu finden, um ihre gestalterischen Anordnungen damit begründen zu können? Diente ihnen dieses Rasternetz als ein sicherer Wegwei­ ser und als Entschuldigung für die richtige Platzierung der jeweiligen Mitteilung, oder war es vielleicht ein vorgegebener mechanischer Ablauf?«28 Weingarts Arbeiten lösten sich vom traditionellen Raster, um neue, spannende Formen der Gestaltung zu zeigen. Vieles hat er in seinem Buch Typography festgehalten. Im Gegensatz zu früheren Büchern über Typografie teilt er darin seine langjährigen Erfahrungen mit. Statt zwischen richtig und falsch zu definieren, erklärt er seinen Werdegang und seine kreativen Prozesse, ohne Wertung und strenge Richtlinien aufzuerlegen.

28

Wolfgang Weingart (2000):

Typography, Lars Müller Publishers, Basel, S. 138


Wolfgang Weingart

Wolfgang Weingart

Film-Überlagerung, Plakat für Kunstkredit Basel, 1979

Film-Überlagerung, Plakat für Kunstgewerbemuseum Zürich, 1981


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Wolfgang Weingart

Film-Überlagerung, Plakat für Kunstkredit Basel, 1982


Wolfgang Weingart

Film-Ăœberlagerung TM-Sonderheft: Ist diese Typografie noch zu retten?, 1976


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Wolfgang Weingart

Umschlag, UCLA, 1998



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Wolfgang Weingart

Handsatz. 2 von 14 Umschläge für die Fachzeitschrift Typografische Monatsblätter, 1970–1972

Wie es bereits in der Gesellschaft außerhalb der Gestaltung geschah, hatte nun auch in der Typografie der Bruch mit Traditionen begonnen. Mit der Entwicklung des Desktop-Publishing im kommenden Jahrzehnt entfernen sich die Computer-Pioniere weiter vom gläsernen Kelch und den strengen Vorschriften des Tschicholdschen Grundsatzes.



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Man versucht, alte Reaktionsmuster auf neue Gegebenheiten anzuwenden, bzw. die Vorboten des Wandels einfach zur Hölle zu wünschen oder zu ignorieren.


Von den neuen technologischen Welten werden die am meisten gequ채lt, die am wenigsten darauf vorbereitet sind, ihre alten Wertvorstellungen zu 채ndern.


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Die Schriftgelehrten empfinden die neue elektronische Umwelt weitaus bedrohlicher als die, deren Leben weniger auf Literalität beruhte MARSHALL MCLUHAN


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D i g i t a l e

P i o n i e r e

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foRM foLLoWs fUCK yoU


Nichts, seit der Erfindung von beweglichen Lettern, hat die Schriftwelt so beeinflusst wie der Einzug des persönlichen Computers in die privaten Haushalte. 1985 führten die Firmen Apple, Aldus, Adobe und Linotype das DesktopPublishing ein. Adobe entwickelte die PostScript-Sprache für Seitenbeschreibungen, Apple lieferte den ersten Rechner mit einer grafischen Benutzeroberfläche und PostScript-Drucker, Linotype entwickelte Schriften und Belichter für PostScript und Aldus brachte die erste Layout-Software heraus.29 Die Zeit, um eine Seite zu setzen, wurde drastisch gekürzt und die neue digitale Technologie erlaubte unendliche Möglichkeiten des Umgangs mit Schrift. Die Pioniere des digitalen Zeitalters brachten Magazine raus, die nichts von der »menschenfeindlichen ästhetischen Fadheit« der 60er Jahre erkennen ließen.30

EMIG

ZUZANA LICKO *1961

RE RUDY VAN DER LANS *1955


»1982 gründeten Rudy van der Lans (*1955) und Zuzana Licko (*1961) die Zeitschrift Emigre, die einem breiteren internationalen Publikum das Gedankengut der neuen Strömung in der Gebrauchsgrafik vermittelte. In diesem kreativen Bereich bedeutete Postmoderne schließlich eine Fülle unterschiedlicher Stile (häufig auch übernommener Formen), die sich durch optisch reizvolle, geschichtete Kompositionen mit häufig unentzifferbarer Bedeutung auszeichneten.«31 Die digitale Technologie ermöglichte, dass Designer ihre eigenen Schriften entwerfen konnten, losgelöst von den technischen Einschränkungen, die der Blei- und Fotosatz mit sich brachten. Die Designer dieser Welle testeten die Grenzen der Lesbarkeit und polarisierten das Gefühl für Ästhetik. In der Fachwelt stießen sie anfänglich auf breite Ablehnung und Kritik. Ihre Arbeiten wurden sogar als »cult of the ugly« bezeichnet.32 Jüngere Generationen waren fasziniert von den emotional aufgeladenen Seiten und die eigenartige, neue Ästhetik. »Viele haben erkannt, dass unbestimmte Inhalte etwas Geheimnisvolles haben, das geeignet ist, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen und gefangen zu halten. Aufgrund dieses Phänomens werden grafische Entwürfe nicht länger als Mittel zur Lösung einer Kommunikationsaufgabe gesehen, sondern als Chance, den Betrachter in das kommunikative Rätsel einzubeziehen.«33 Aus form follows function wurde form follows emotion.34

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125

29 http://de.wikipedia.org/wiki/Desktop-Publishing 30

Charlotte & Peter Fiell (2005): Graphic Design Now,

Köln, Taschen GmbH, S. 24

31 ebd., S. 30–31 32

Steven Heller (2004): Cult of the Ugly, http://www.typo

theque.com/site/articles.php?id=68 (aufgerufen am 9.3.2013), ursprünglich publiziert in Eye No. 9, Vol. 3, 1993

33

Charlotte & Peter Fiell (2005): Graphic Design Now,

Köln, Taschen GmbH, S. 33

34 http://www.design-emotion.com/2006/08/15/getting-emotio nal-with-hartmut-esslinger/ (aufgerufen am 10.3.2013)


EMIGRE

Ausgabe 13, Redesigning Stereotypes, 1989

EMIGRE

Ausgabe unbekannt

EMIGRE

Ausgabe 17, Wise Guys, 1991


EMIGRE

Ausgabe 24, Neomania, 1991



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verschiedene Ausgaben

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EMIGRE


The most popular typefaces are the

Citizen

easiest to read; their popularity has made them disappear from conscious cognition.

Elektrix

Matrix

It becomes impossible to

Soda Script


tell if they are easy to read

because they are commonly used,or if they are

Modula

Triplex

they are easy to read.

Mrs Eaves

— Zuzana Licko — verschiedene Schriften

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commonly used because

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EMIGRE

Ausgabe 70, The Look Back Issue, 2009


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EMIGRE

Ausgabe 70, The Look Back Issue, 2009


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NEVILLE BRODY

The Face

FUSE RE STUDIOS


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Neville Brody war Art Director für The Face Magazin. 1988 wurde seine Arbeit in seinem Buch, The Graphic Language of Neville Brody, vorgestellt. In den 90er Jahren gründete er zusammen mit Erik und Joan Spiekermann das Font Shop International als unabhängige Foundry. Zusammen mit Font Shop International verlegte er das FUSE Magazin, eine Zeitschrift für moderne, experimentelle Typografie. FUSE veranstaltete jährlich eine Konferenz, die sich später zur Typo Berlin entwickelte.35

ESEARCH NEVILLE S BRODY *1957

35 http://de.wikipedia.org/wiki/Neville_Brody



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NEVILLE BRODY

Arbeiten aus FUSE Magazin


It has to do with ‘mood-setting’ before the message is delivered. Typography is a hidden tool of manipulation within society. All schools should be teaching typography;

Insignia

Blur

Industria

Arcadia

Toyko


Industria Inline

— neville Brody — verschiedene Schriften

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Blur

we should be fundamentally aware of how typographic language is forming out assholes.



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NEVILLE BRODY

Booklet für die Band Manscape für den Album Wire, 1990

NEVILLE BRODY

Werbung für Nike, 1988


DAVID CARSON *1957

DAviD CARSOn

Don’t mistake legibility for communication


Desktop-Publishing ermöglichte zudem einen Zugang zur Gestaltung, ohne eine grafische Ausbildung zuvor absolvieren zu müssen. Wissen und Können waren nicht mehr aneinander gekoppelt. So erlangte David Carson in den 90er Jahren Ruhm mit seiner provokativen Arbeit im Editorial-Bereich für Ray Gun und Beach Culture, ohne zuvor eine typografische Ausbildin my field. In my case I’ve never learned all

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the things I’m not supposed to do. I just did what made sense to me. I was just... experimenting, really. So when people started getting upset, I didn’t really understand why, I said, ›What’s the big deal? What are you talking about?‹ And it was many years later that someone explained to me that, basically, there was this group that spent a lot of time trying to organize things, get some kind of system going, and they saw me going in and throwing that out the window, which I might have done, but it wasn‘t the starting point, that wasn’t the plan.«36 36

gARy HUSt wit (2007): Helvetica, Dokumentarfilm, UK

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ung absolviert zu haben. »I have no formal training


DAVID CARSON

Inhaltsverzeichnis f端r Beach Culture


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Ray Gun Interview mit Bryan Ferry, 1994 (Carson fand es langweilig, also hat er das gesamte Interview in Zapf Dingbats gesetzt).

DAVID CARSON

Werbung für Quiksilver, 2011

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DAVID CARSON



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DAviD CARSOn

Verschiedene Doppelseite aus Ray Gun, 1992–1995



DAVID CARSON

Cover für sein Buch, The End of Print, 1995

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Der Erfolg von Carson, Emigre und FUSE zeigten wie zerbrechlich die Regeln und Prinzipien der alten Schule waren und dass Form und Inhalt nicht getrennt sein müssen. Das radikale Brechen der alten typografischen Regeln und der Erfolg dessen hat die Ansätze von Tschichold und Co nicht verdrängt, aber zu einem freieren und offeneren Umgang mit Typografie geführt. So hat Emigre in den 2000er Jahren seine experimentelle Natur und politisches Bewusstsein zwar beibehalten, bewegte sich aber gestalterisch wieder in der Richtung des Lesbaren.37

37

Steven Heller (2004): AIGA website.

Interview with Rudy van der Lans, http://www.emigre.com/VanderLans4.php

DAVID CARSON

Plakat für Tate Modern


Der Buchdruck sorgt f체r die gesellschaftliche Zentralisierung und die psychische Fragmentierung, w채hrend die elektronische Medien die Menschen


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wieder in einem Stammesdorf zusammenf체hren, das eine reiche und kreative Mischung darstellt, wo tats채chlich mehr Raum f체r kreative Vielfalt


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vorhanden ist als in der homogenisierten st채dtischen Massengesellschaft des westlichen Menschen.

MARSHALL MCLUHAN


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G e o m e t r i s c h e

A b s t r a k t i o n

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RÜCKKEHR ZUR foRM


Der immer schneller werdende Kommunikationswechsel via Internet und die Bewegung in Richtung einer globalisierten Welt sorgen dafür, dass Gestaltungstrends sich schneller bilden und auch schneller verschwinden. Von ca. 2005 bis 2010 zeigten eine Reihe jüngerer Gestalter geometrisch aufgebaute, abstrakte Schriftgestaltung. Hierbei wurden die Buch­staben zu abstrakten Gebilden, häufig ganz ohne Binnenräume, und auf dem Blatt plakativ verteilt. In einer kaum leserlichen Form wurden die Buchstaben wieder auf eine Art Urform zurückgeführt – abstrakte Bilder, die Laute darstellen.

MARTIN Woodtli

Door to Door


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MARTIN Woodtli

Plakatreihe für die Stadtgalerie Bern


PETR BOSรกk

Ascii Way of Life


Red Design

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Quantic, Remixes and B-Sides

Lifelong friendship societ y

Lifelong Friendship Society



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171 MARIO HUGO

Rykestraße 68 Accept and Proceed 15. 02



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eric ellis

Re-Invent the Alphabet

eric ellis

Old World


Non format

Non format

David Bowie, 2012

Shepley Bulfinch, 2012


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Non format

Fader Magazine, 2006



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PETR BOSÁK und Robert Jansa

Plakat Sperm Festival und Visualisierung


Thom pfister

Kursivevent

Thom pfister, julien jungh채ni, rol and zenger, philipp l체thi und tamara Janes

Ausstellungsplakat DBMB Daddy Broke My Bike


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Thom pfister

Kursivevent

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Martin WoodtLi

VideoEx



S t i l b r u c h

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UGLy is THE NEW BEaUTifUL

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Von 2010 bis heute entwickelte sich ein interessanter Gestaltungstrend. Möglicherweise als Folge einer überästhetisierten Gesellschaft veränderten Gestalter den Rahmen des guten Geschmacks, indem sie bewusst die häufig »verpönten« System-Schriften nehmen und mit Verzerrungen arbeiten. Damit wurde die wahrscheinlich letzte alte Regel gebrochen, die bisher selten angetastet wurde. Viele Designs erinnern an die klinische Sauberkeit und Systematik der 60er Jahre mit der Zugabe von »laienhaften« Regelverletzungen. Trotz dieser Verletzungen, erhalten die Arbeiten eine seltsame, moderne Ästhetik, steril und forsch zugleich. Gewisse Parallelen können zu dem »AntiDesign« der 60er in Italien gezogen werden.38

Non format

Only Connect Festival of Sound

38 http://www.answers.com/topic/anti-design


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Non format

Katalog Visuelt 2012


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HORT

Kampagne Nike VS.


HORT

Kieler Woche, 2011


HORT

StrØm Festival, 2010

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FA ZIT Die heutige Welt ändert sich schneller als die Lehrbücher. Allein in meinen 30 Jahren auf diese Erde haben sich die Wertvorstellungen unserer Gesellschaft mehrmals entscheidend geändert. Das Schwarzweiß-Denken aus der Ära des Kalten Krieges ist zu einem Gebilde mit vielen feinen unterschiedlichen Graustufen geworden. Wer kann überhaupt mit hundertprozentigem Recht urteilen, was heute richtig oder falsch ist? Ich kann es jedenfalls nicht. Regeln sind da, um gebrochen zu werden. Es liegt in der menschlichen Natur immer da weiterzugehen, wo zuvor »NEIN« gesagt wurde. Um mit den Worten Marshall McLuhans abzuschließen: »Wir leben in der qualvollen Übergangsphase einer tragischen Identitätssuche, aber die Qualen unserer Zeit sind die Wehen einer Wiedergeburt.«49

39

Martin Baltes und Rainer Höltschl [Hrsg.] (2002):

absolute Marshall McLuhan, orange-press, Freiburg, S. 54


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JOSHUA MARR FACHHOCHSCHULE POTSDAM


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