Exploring Type

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»Die große Frage der Philosophie aber bleibt: Wenn das Leben sinnlos ist, wie lässt sich dann die Buchstabensuppe erklären?« Woody Allen


F端r Susan und ihre Geduld


Joshua Marr


Impressum Dokumentation des Kurses TypoBasis B im Wintersemester 2008/09 an der Fachhochschule Potsdam (Leitung Judith Schalansky) Joshua Marr 3. Semester Matrikelnummer 8388 Schrift[en]: Fedra Sans, Fedra Serif A und B Papier: 80 g/m² Mondi Biotop 3 extra Druckerei: Central Station, Berlin Buchbinderei: Fachhochschule Potsdam Š 2009


Inhalt aufgaben

tagebucheinträge

Initialen...................................................................................................... 10

Übermuth................................................................................................... 08

Wortbilder.................................................................................................. 20

Sanuk............................................................................................................ 18

Ausgleich.................................................................................................... 26

S-Bahn.......................................................................................................... 24

Klassifikation ............................................................................................ 32

Nagelstudio ............................................................................................... 30

Typografische Topografie ....................................................................... 38

Gloriola ....................................................................................................... 36

Zwischenräume........................................................................................ 44

Imperfektion............................................................................................... 43

Visitenkarten ............................................................................................. 52

Stump ........................................................................................................... 51

Bleisatz ....................................................................................................... 58

Binnenraum ............................................................................................... 56

Typografisches Gestalten mit Zitaten .............................................. 66

Gürtelstraße .............................................................................................. 64

Wortkonturen ............................................................................................ 74

I copy shit .................................................................................................... 73

Buchsatz ..................................................................................................... 87

Ad hoc ......................................................................................................... 84

Satzzeichen ............................................................................................. 110

Lorem Ipsum ........................................................................................... 108

Editorialsatz ........................................................................................... 116

Diverse Eindrücke .................................................................................. 114

7


1.112 | Typografische Grundlagen B

Tagebuch

Überm 28.10.2008 Hier steht eine Knesebeckstraße, Berlin Überschrift

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

Die Frakturschrift passt nicht

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

u­nbedingt zur Kindermode. Lieber Kunde und Leser, falls

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

Betrachtet man aber den Begriff Sie keine Probleme haben, diesen 8

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

Übermut anschnell sich, wird Schrift Blindtext unddie zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

zur großartigen Aussage. lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

muth Lieber Kunde und Leser, falls Sie keine Probleme haben, diesen

fisches Handwerk par excellence. Er hat diesen Copyblock weder

zuvor die Leselust verloren. Beachten Sie nur die Zei-

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

kurz gewählt. Der dazugehö-

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

rige Zeilenabstand ist ideal.

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

Ihre Augen haben keinerlei

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

Probleme, vom Ende einer Zeile

9


Ini

Bickham Script Medium von Richard Lipton

10


nitialen


1.112 | Typografische Grundlagen B

Initialen

Zeichenbildung durch Kombination Akzidenz-Grotesk BQ Buch Bold Designer: Günter Gerhard Lange

Zeichenbildung durch Zerlegung ITC Avant Garde Gothic Designer: Herb Lubalin and Tom Carnase

Neue Helvetica Bold Designer: Linotype Design Studio

Komposition im Format, negativ Neue Helvetica Bold Designer: Linotype Design Studio

J und M

schwer finden. Der Grundstrich

lesbar bleiben. Ich heiße ja nicht

von J ist immer breiter als der von

Marr Joshua (MJ), sondern Joshua

Ich habe die schlimmsten Initi-

M. Legt man diese übereinander,

Marr (JM). Besser funktion­iert

alen. Klar, das denkt sich jeder,

sieht der Grundstrich immer zu

es mit den Kleinbuchstaben.

aber in meinem Fall stimmt’s

fett aus. Da muss man tricksen.

Der Grundstrich ist gleich und

wirklich. J und M, was sind das 12

j j m m

Komposition im Format

Der Bogen von J lässt nur eine

sieht doch ganz nett aus mit dem

für Buchstaben? Eine vernünf-

Variante zu, bei der die Initia-

Punkt von j über das m. Aber kann

tige Anordnung lässt sich nur

len in der richtigen Reihenfolge

eine stinknormale serifenlose


Initialen

1.112 | Typografische Grundlagen B

Bello von Underware

Linear-Antiqua meine Persön­

bin weder klassizistisch noch

bin äußerlich nicht rund, aber

lichkeit ausdrücken? Kann ich

barock, weder serifenlos noch

vielleicht innerlich? Die Bello

mich damit identifizieren? Jeder

serifenbetont, obwohl das der

ge­fällt mir. Die Schriften von

stellt sich gern vor, dass er so

Sache schon näher kommt.

Underware sehen doch immer gut

ein­zig­artig wie eine Schnee­flocke

Ich bin jung und dynamisch,

aus. Ich wünsche, ich wäre einer

wäre. Also keine allgemeine

oder wie auch immer das heißt.

von ihnen. Außerdem lassen sich

Schrift­sorte für mich. Was passt

Ich bin schwungvoll und flexibel,

die Striche wunderbar miteinan-

denn aber zu meiner Selbst? Ich

spontan und gutaussehend. Ich

der verbinden. Ja, das bin ich: jm.

13


1.112 | Typografische Grundlagen B

Flächen­ ornamente

14

Flächenornamente

oft dargestellt, fast (bis zur Un-

J am besten an. J hat eine klare

kenntlichkeit) abstrahiert. Hier

Linie und einen minimalen

kann man auf die Lesbar­keit pfei-

Bogen. Flächen mit M wirken

fen und sich ganz dem Grafischen

ziemlich unruh­ig, oder lassen

Ein Ornament ist ein Muster,

wid­­men. Ich stehe auf lineare

wenig Weißraum zu. Ich habe die

das sich oft wiederholt und dem

Fläch­en, die weniger verschnör-

Flächen um ca. 45 Grad gedreht,

Schmücken dient. Dabei werden

kelt, sond­ern spannend wirken.

damit sie span­nungsvoller und

Zeichen, wie z. B. Buch­staben,

Dabei bie­­­t­et sich die Buchstabe

abstrahierter wirken.


Fl채chenornamente

1.112 | Typografische Grundlagen B

15



Fl채chenornamente

1.112 | Typografische Grundlagen B

17


1.112 | Typografische Grundlagen B

Tagebuch

Mischung aus häufig verwendeten serifenlosen Schriften

31.10.2008 Savignyplatz, Berlin Im Vorbeigehen fiel mir ein Laden­­­­schild auf. Der Schwanz des Buchstabens R hatte einen markanten Bogen. Die Schrift heißt 18

Sanuk und hat schöne Rundungen.


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

SANUK von Xavier DuprĂŠ

19


Archer Extra Light von Hoefler & Frere-Jones

20



1.112 | Typografische Grundlagen B

Wortbilder

ffallen n ll

Diebstahl

Fragment

Bildliches Gestalten mit Buchstaben 22

staben sind Bilder, die nicht

ter müssen immer noch lesbar

mehr als solche wahrgenommen

bleiben, sonst verfehlen sie ihren

werd­­en. Dabei sind sie die bild­

Zweck.

liche Darstellung des gesprochen

Hier ist Vorsicht angesagt,

Wortes. Um bildlich mit Buchsta-

denn – mal ehrlich – manchmal

ben gestalten zu können, muss

kann es verdammt kitschig aus­

Buchstaben sind die höchste

man diese Verknüpfung lösen,

sehen! Selbst die von mir sorgfäl-

Form der Abstraktion. Buch­

aber auch nicht so sehr. Die Wör-

tig gewählten Beispiele, stoßen


Wortbilder

1.112 | Typografische Grundlagen B

Tribute Roman von Frank Heine

an die Grenze. Vielleicht liegt es einfach an der Futura Bold. Sie ist eine großartige Schrift, aber passt einfach nicht zum gewählten Begriff. Wählt man eine Schrift, die optisch zum Begriff besser passt, sieht das Ganze schon anders aus.

23


Wenn die Buchstaben der Anzeige sich in Bewegung befinden, scheint die Schrift geneigt zu sein, obwohl das vom Diodenraster her gar nicht möglich ist.

02.11.2008 In der S-Bahn, Berlin Hier gibt es zwei typografische Phänomene, die einem täglich begegnen, aber nur auffallen, wenn man Langeweile hat.


Die Unterlänge der Anzeigenbuchstaben schließt mit der unteren Kante der x-Höhe ab.


Akkurat Light von Laurenz Brunner

26



1.112 | Typografische Grundlagen B

Ausgleichen

INDIANAPOLIS Vorher

Da komme ich her

28

Bundesstaates Indiana und

ordentlich gelesen zu werden. In

so­g­ar die zwölftgrößte Stadt in

jeder Stadt gibt es Einzelgänger;

den Vereinigten Staaten. Das

hier sogar zwei. Der Buchstabe

bedeutet, dass die Buch­staben

A möchte in der Gruppe ste-

Ja, ich bin im Amiland geboren

meines Geburtsortes – wie alle

hen, ohne jemandem zu nahe

und immer noch Staatsbürger.

guten Wört­er, welche in Versa-

kommen zu müssen. Gibt man

Indianapolis ist mein Geburts-

lien geschrieben werden – viel

ihm zu viel Raum, möchte er

ort. Es ist die Hauptstadt des

Luft und Platz brauchen, um

wieder in Gesellschaft sein.


Ausgleichen

1.112 | Typografische Grundlagen B

INDIANAPOLIS Nachher

INDIANAPOLIS 75

75

50

40

45

-15

40

60

45

45

45

29


1.112 | Typografische Grundlagen B

05.11.2008 Hier steht eine Berliner Straße, Berlin-Pankow Überschrift

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

Wie bitte? Hier ist irgendwas

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

nicht ganzKunde in Ordnung. Genau Lieber und Leser, falls

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

so wie es Typo-Nerds gibt, gibt Sie keine Probleme haben, diesen 30

Tagebuch

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

es anscheinend auch Blindtext schnell undextreme zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

Typobanausen. lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

31


Walbaum Bold OsF von Justus Erich Walbaum

32


Klassifi kation


1.112 | Typografische Grundlagen B

Schriftklassifikation

Walbaum Fraktur von Justus Erich Walbaum Enstehung um ca. 1800

Gebrochene Schriften

34

vorherrschenden Schriften. Am

Brech­ung entstand ein kräftiger,

längsten hielt sie sich in Form

vollständig neuer Schriftcharak-

der Fraktur in Deutschland.

ter, der in seiner Fortentwicklung

Im 12. Jahrhundert machte

über die verschie­denen gotisch­en

Die Gattung der Gebrochenen

die Schrift eine Stilwandlung

Volkshandschriften und Urkun-

Schriften gehörte in Mittel-

mit dem gotischen Baustil. Die

denschriften zur individuellen

und Westeuropa durch viele

rundlichen Formen wurden

Buchschrift des 14. und 15. Jahr­­

Jahrhunderte hindurch zu den

eck­ig, spitz gebrochen. Durch di­e

hunderts führte. Gotische


Schriftklassifikation

1.112 | Typografische Grundlagen B

Zierstriche & Ausläufe Die Schrift weist Elemente von Breit- und Spitzfeder auf.

Gebrochene Schrift Der Bruch entsteht aus der Schreibbewegung der Buchstaben

Fraktur Die harte Bogenbrechung erfolgt in einem Winkel von ca. 30 Grad.

Versalien im eigentlichen Sinne

Buchtaben stehen eng beieinan-

brochenen Schrift – die Frak­tur –

gab es noch nicht. Aus der karol­

der. Schon mit der Entstehung

die später zu »der« Schrift der

ingischen Minuskel entsteht

der Textura entwickelte sich in

bürgerlichen Literatur im 18. und

zunächst die gotische Minuskel

Italien die Rotunda oder rund-

19. Jahrhundert wurde. Durch

und um 1300 ist die eigentliche

gotische Schrift, die runde und

die enge Laufweite und schnell

gotische Schrift oder Textura aus-

spitze Bogen harmonisch vereint.

erfassbaren Wortbilder war sie

gebildet. Bei der Textura ist die

Um 1514 entwickelte sich in

zur Lesechrift prädestiniert. Sie

Senkrechte stark betont und die

der Renaissance eine Form der ge-

ist nach wie vor weit verbreitet.

35


Regeln s um gebr zu werd * zuvor muss man sie aber kennen.


sind da, rochen den.* 08.11.2008 Gloriola von Tomas Brousil


Base 05 von StereoType

38



Typografische Topografie

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1.112 | Typografische Grundlagen B

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Die Pfaueninsel

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Brandenburg (SPGS) und steht seit

Die Pfaueninsel ist eng verbun-

1990 zusammen mit den Schlös-

den mit wichtigen Ereignissen

sern und Parks von Potsdam-

und Personen der brandenburg­

Sanssouci und Berlin-Glienicke

isch-preußischen Geschichte. Die Insel ist Teil des wald- und

Die Pfaueninsel ist ein Land-

als Weltkulturerbe auf der Liste

schaftspark im Berliner Bereich

der UNESCO. Die SPGS gibt ihre

wasserreichen Ortsteils Wannsee

der Havel. Sie gehört zur Stiftung

Größe mit 67 Hektar an (andere

im Südwesten Berlins. Die Entfer-

Preußische Schlösser und Gärten Berlin-

Quellen nennen andere Zahlen).

nung zur Stadtmitte Berlins be-


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Typografische Topografie

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trägt ca. 22 Kilometer (Luftlinie),

komplexe, historisch vielschich-

Bei der Gestaltung ging es mir

die Entfernung zur Stadtmitte

tige Kulturlandschaft. Daher

darum, direkt auf die Formen der

Potsdams rund fünf Kilometer.

müssen die zum Teil unterschied-

Satzzeichen einzugehen. Um dies

Seit 1924 ist die Pfaueninsel als

lichen Belange von Naturschutz

zu erreichen, musste die Land-

Naturschutzgebiet ausgewiese­n,

und Denkmalpflege sorgfältig

karte so abstrakt wie möglich dar­

obwohl es sich nicht um ein nat­

aufeinander abgestimmt werden.

gestellt werden. Der Betrachter

ürliches Schutzgebiet im üblichen

Zum Schutz der Insel gilt heute

nimmt so die Satzzeichen an sich

Sinne handelt, sondern um eine

eine strenge Parkordnung.

wahr, statt nur die Landkarte.

41


Typografische Topologie

‹‹

1.112 | Typografische Grundlagen B

° 42

°

°


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

15.11.2008

Manchmal ist Imperfektion

GĂźrtelstraĂ&#x;e, Berlin

auch ganz geil.

43


Swift Bold von Gerard Unger

44


Zwischenraum


1.112 | Typografische Grundlagen B

Das Meiste ist Zwischenraum

46

Zwischenräume

mitten hektischen Treibens?

nicht mehr kommt. Ich meine

Jenen Zustand der Ruhe, den an­

nicht diese vom Städter erwar-

scheinend nur Sie allein wahr­

tete und aufgrund des niemals

von Dirk Jürgensen

nehmen? Niemand sonst guckt

schlafenden Viehzeugs ent-

verwundert, niemand blickt

täuschend un­ruh­ige Ruhe des

Kennen Sie diesen unerwarteten

sich um, suchend, woher diese

Waldes, sondern eine, mit der

Zustand der Ruhe? Einen – halb

Ruhe kommt oder vielmehr,

niemand rechnet. Nicht jetzt und

geschlossenen – Augenblick in­

woher der gewohnte Lärm nun

nicht an diese­m Ort. Nein, ich


Zwischenräume

1.112 | Typografische Grundlagen B

fürchte, Sie ken­nen ihn nicht.

Sie mögen mir dies Eigenlob also

nichts. Jedesmal, wenn ich die

Ich dagegen besitze die Gabe.

verzeihen, denn ich hörte noch

besagten Lärmlücken bemerke,

Und wenn ich tatsächlich der

niemanden von ähnlich erlebten

kommt mir der Ausspruch eines

Einzige im größeren Umkreis

Phänomenen sprechen und werde

meiner didak­tisch recht erfolglo-

bin, der diese Pausen im urbanen

mir dies für Sie so denken, bis

sen Physik­lehrer in den Sinn, des-

System wahrnimmt, darf ich

Sie mich vom Gegenteil überzeu-

sen Lehren ich ebenso vergessen

meine Fähigkeit als eine wie auch

gen. Außerdem, und dies nur am

habe, wie auch seinen Namen.

immer erlangte Gabe bezeichnen.

Rande, kann man für eine Gabe

Er sagte in lapidarer Betrachtung

47


1.112 | Typografische Grundlagen B

48

Zwischenr채ume


Zwischenräume

1.112 | Typografische Grundlagen B

der uns umgebenden und in

Elektronenmikroskop und was

wir die Bestätigung finden. Denn

großen Teilen zumindest vorgeb-

Technik und Wissenschaft uns

zwischen all den Atomen und

lich festen Materie: »Das Meiste

noch für Wunderwerke bieten

Elek­tronen ist immer mehr und

ist Zwischenraum.« Und nur der

mögen, tief und immer tiefer in

mehr und jedesmal wieder Zwi­

allergeringste Teil des Zwischen-

die wimmelnde, bizarre und gar

schenraum zu finden. Zwischen­

raums ist sichtbar, möchte ich

nicht mehr verständliche und

räume, Pausen, Lücken, Ruhe-

erklärend hinzufügen. Fahren

noch weniger lebenswerte Welt

phasen überall, mehr als das,

wir mit dem Mikroskop, mit dem

des Mikrokosmos hinein, werden

was wir als Materie erkennen.

49


1.112 | Typografische Grundlagen B

50

Zwischenr채ume


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

23.10.2008 Lange Br端cke, Potsdam Es ist sch旦n zu sehen, dass manche Unternehmen immer noch mit einem speziell gezeich足net足en Logotype arbeiten.

51


Fedra Serif B Medium Italic von Peter Bilak

52


N E T VISI

K A RT E N


1.112 | Typografische Grundlagen B

Mehr als Papier

54

Visitenkarten

schließlich einschlafen würde.

Wenn sie schon keine menschli-

Nur eine Visitenkarte war da,

che Nähe spürte, so konnte sie

welche Lena wegen des pornös

wenigstens so tun, als wäre da

freshen Designs mitgenommen

jemand. Einige Minuten lag sie

Immer wieder stellte sich Lena

hatte, um ihrer Wohnung einen

schließlich so da und drückte ihr

vor, wie jemand neben ihr saß,

verspielten Eindruck zu geben.

Gesicht ins schöne Papier der Visi-

an den sie sich kuscheln konnte,

Lena lehnte sich zu der Visiten-

tenkarte. Lena schluchzte leise.

und an dessen Schulter sie

karte und umarmte sie fest.

Was für ein jämmerliches Bild


Visitenkarten

1.112 | Typografische Grundlagen B

musste sie doch gerade abgeben.

nahm sie die Visitekarte zwisch­en

Designers. Mit geschlossenen

Auf dem Sofa liegend, in den

die Arme als wäre sie ein Mensch

Augen und tief atmend streich­

Armen ihres scheinbar einzigen

und wartete darauf, dass sie

elte Lena nun ihre festen Brüste

Freundes, einer Visit­enkarte, die

wohl­tuender Schlaf übermannen

und ihren flachen Bauch, währ­

nur ihr einziger Freund war, weil

würde. Im Halbschlaf legte Lena

end sie mit dem anderen Arm

sie ihr nicht widersprechen und

schließlich eine Hand auf die

immer noch die Visitenkarte

sie nicht abweisen konnte. Sie

linke Brust und versuchte sich

umklammerte. »Was für ein

legte sich ins Bett. Unbewusst

vorzustellen es sei die Hand eines

schönes Papier«, stönte sie leise.

55


BiNnenrauM is for bitChes 1.112 | Typografische Grundlagen B

Tagebuch

Futura Phat von Joshua Marr

23.11.2008 Hier steht eine Gedanken zu Trends Überschrift

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

Es ist vielleicht nur ein typogra-

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

fischer Trend, aber dieser fette Lieber Kunde und Leser, falls

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

geometriche Stil derhaben, neuendiesen 80erSie keine Probleme 56

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

Bewegungschnell sieht gut aus. Was Blindtext und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

könntekönnen als nächstes kommen? lesen, Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

War die Anglican Text von Dieter Steffmann

Lieber Kunde und Leser, falls Sie keine Probleme haben, diesen

fisches Handwerk par excellence. Er hat diesen Copyblock weder

zuvor die Leselust verloren. Beachten Sie nur die Zei-

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

kurz gewählt. Der dazugehö-

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

rige Zeilenabstand ist ideal.

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

Ihre Augen haben keinerlei

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

Probleme, vom Ende einer Zeile

57


Leipziger Antiqua von Albert Kapr

58


Bleisatz


1.112 | Typografische Grundlagen B

60

Bleisatz


Bleisatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

61


Caslon Gotisch von William Caslon

Leipziger Antiqua von Albert Kapr



06.12.2008 Gürtelstraße, Berlin Damals war Leim noch Leim und Politikplakate waren noch typolastig. Die Gürtelstraße ist immer gut für Überraschungen.


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

65


Giza Nine-Three von David Berlow

66


“ e t a t Zi


1.112 | Typografische Grundlagen B

Typografisches Gestalten mit Zitaten

»

«

Eine Mütze bedeckt nicht den Hintern. Weisheit aus Nigeria

»Eine Mütze bedeckt nicht den Hintern.« Weisheit aus Nigeria

Motto in einem Roman

68

Swift Bold Italic [35 pt./ 36,5 pt.]

Swift Bold Italic [14 pt.]

Swift Light [9 pt.]

Swift Regular [10 pt.]

Stoiberismen

starten Sie im Grunde genommen

Frankreich oder in … in … in

am Flughafen … am … am Haupt­­

Rom. Wenn Sie sich mal die Ent­

Die Transrapide

bahnhof in München starten Sie

fernungen anschauen, wenn Sie

Ihren Flug. Zehn Min­uten. Scha­

Frankfurt sich ansehen, dann

»Wenn Sie vom Hauptbahnhof in

uen Sie sich mal die groß­en Flug­

werden Sie feststellen, dass zehn

München … mit zehn Minuten,

häfen an, wenn Sie in Heathrow

Minuten Sie jederzeit locker in

ohne, dass Sie am Flughafen

in London oder sonst wo, meine

Frankfurt brauchen, um ihr Gate

noch einchecken müssen, dann

sehr … äh, Charles de Gaulle in

zu finden. Wenn Sie vom Flug …


Typografisches Gestalten mit Zitaten

1.112 | Typografische Grundlagen B

Demonstrationsplakat Alpha-Headline [verschiedene GrĂśĂ&#x;en]

69


1.112 | Typografische Grundlagen B

Typografisches Gestalten mit Zitaten

Eine mütze bedeckt nicht den hintern. EINE MÜTZE BEDECKT NICHT DEN HINTERN. Sensationsmeldung

70

Big Noodle Titling Oblique [60 pt./ 72 pt.]

Agency FB Black Compressed [60 pt./ 60 pt.]

vom … vom Hauptbahnhof star­­

bedeutet natürlich, dass der

ten – Sie steigen in den Haupt­­

Hauptbahnhof im Grunde gen­

bahnhof ein, Sie fahren mit dem

om­men näher an Bayern … an die

»Äh, und der Bär im Normal-

Transrapid in zehn Min­uten an

bayerischen Städte heranwächst,

fall, ich muss mich ja auch, äh,

den Flughafen in … an den Flug­

weil das ja klar ist, weil auf dem

Werner Schnappauf hat sich

hafen Franz Josef Strauß. Dann

Hauptbahnhof viele Linien aus

hier intensiv mit so genann-

starten Sie praktisch hier am

Bayern zusammenlaufen.«

ten Experten ausgetauscht und

Hauptbahnhof in München. Das

Der Problembär

austauschen, äh, müssen. Nun


Typografisches Gestalten mit Zitaten

1.112 | Typografische Grundlagen B

Eine Mütze bedeckt nicht den Hintern.

Eine Mütze bedeckt nicht den Hintern.

seriöse Nachricht DTL Documenta T Medium [35 pt./ 42 pt.]

American Typewriter Regular [12 pt.]

haben wir, der normal verhal-

es ist ganz klar, dass, äh, dieser

war, also jedenfalls ist das nicht

tende Bär lebt im Wald, geht nie­

Bär, äh, ein Problembär ist und

bemerkt worden. Auf Grund von,

mals raus und reißt vielleicht ein

es ist im Übrigen auch, im

äh, es ist nicht bemerkt worden.

bis zwei Schafe im Jahr. Äh, wir

Grunde genommen, durchaus

Stellen Sie sich mal vor, der war

haben dann einen Unterschied

ein gewisses Glück gewesen, er

ja mittendrin, stellen Sie sich

zwischen dem normal sich ver-

hat um 1 Uhr nachts praktisch

mal vor, die Leute wären raus

haltenden Bären, dem Schadbär

diese Hühner gerissen. Und Gott

und wären praktisch jetzt, äh,

und dem Problembär. Und, äh,

sei Dank war in dem Haus, äh,

dem Bär praktisch begegnet.«

71


T-Shirt-Spruch (Style muss man nicht lesen können) Bello [verschiedene Größen]


I copy shit a lot 08.01.2008 Zu Hause, Berlin Wer nicht? Ohne kulturellen Akzidenz-Grotesk Bold (oben)

Fortschritt geht’s nicht voran.

Helvetica Bold (mittig)

Man will das bereits getane

Arial Bold (unten)

übertreffen, aber manchmal…


Times Regular von The Font Bureau Inc.

74



1.112 | Typografische Grundlagen B

76

Wortkonturen


Wortkonturen

Kritzelei

1.112 | Typografische Grundlagen B

keiten langsam einsetzt. Aus

doch Lücken, wenn auch wenig.

dem Grauwert wird ein Schwarz-

Die Lücken bilden untereinander

Es hat was von Therapie, ein-

wert. Man macht den Sinn weg,

kleine Bäche, die sich in abstrake

fach alle Zeilen und Buchstaben

eliminiert die Geschehnisse

Formen im Textbild wandeln.

durchzustreichen. Das Gehirn

vom gestrigen Tag und sieht wie

So sieht der Layouter die FAZ in

schaltet ab und man fällt in

Wörter plötzlich zu Linien und

seinem Satzprogramm, wenn er

die Meditation, die bei solchen

Flächen werden. Versalien wer-

sich die ganze Seite darstellen

banalen, handwerklichen Tätig-

den zu Balken. Der Blocksatz hat

lässt. Mir tun die Finger weh.

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1.112 | Typografische Grundlagen B

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Tagebuch

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu


Tagebuch

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kurz gewählt. Der dazugehö-

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einfach lesbar gemacht. Offenbar

rige Zeilenabstand ist ideal.

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Ihre Augen haben keinerlei

präsentiert, versteht sein typogra-

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Quadraat Display Bold Italic von Fred Smeijers

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Buchsatz d


1.112 | Typografische Grundlagen B

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Buchsatz


Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

Michael Lentz

Warum steht jetzt da, was da steht?

Eine nachgefr agte Inventur Für »Hinterkopf« gibt es eine untergegangene Bezeichnung, die gar nicht mal subtil dazu verleiten könnte, das Nachdenken einzustellen: »Poetenkasten«. Beides, »Poet« und »Kasten«, sind je nach Kontext nicht gerade die positivsten Benennungen komplexer Zusammenhänge. »Poetenkasten« könnte als Meta­ pher durchgehen für »Es ist vergeblich«, »Es hat keinen Sinn«, »Es ist fruchtlos«. Nichts auf dem Kasten haben ist ein Bruder von »dumm wie Brot«, »Sein Brot im Kasten haben« gibt es nicht. »Er hat was auf dem Poetenkasten« gibt es leider auch nicht. Den Poetenkasten leeren: Ein Buch schreiben. »Er hat richtig was auf dem Poetenkasten« gälte es einzuführen für »er kann toll dichten«.

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

Kann ich das?? Drei Schläge auf den Poetenkasten – fördern das Dicht Dichtvermögen ? Tägliche Besinnung: Jetzt habe ich schon wieder nicht das Buch geschrieben. Es ist mir entglitten. Von Anfang an schon. Ich habe halt weitergemacht. Das Buch zu Ende gestrickt. Beim nächsten Buch wird alles anders. Ich schwör’s. Da werde ich leben, um endlich nur zu schreiben. Man hat es, oder man hat es nicht. Und ich hab’s ja. Keinerlei Ablenkungen mehr. Das Minus auf dem Konto als irrationale Größe begreifen lernen. Vierundzwanzig Stunden sind ganz klar zu kurz. Erst einmal also die Segmentierung der Zeit in Stunden und Tage ignorieren. Diesen Zeitzwang innerlich außer Kraft setzen. In größeren Bögen denken. Überhaupt nicht mehr »rund um die Uhr«. Da wird man nur selber rund. Die entstundete Zeit ist sicher nicht näher bei Gott. Jenseits jeder Lebenserwartung ist sie sterbensnäher. Man denkt, man habe Zeit. Man hat überhaupt keine Zeit. Da liegt das Buch also, diese Unausstehlichkeit, das ei­ nen im Kreis laufen, an den Kopf fassen, an den eigenen Poetenkasten klopfen macht. Zeit für einige Nachfragen in eigener Sache. Warum musste das so kommen? Habe ich nicht lange genug nachgedacht? Kann man lange genug nachdenken? Waren die Vorbereitungen falsch? Ist ein Übermaß an Vorbereitung nicht ein Krampf, eine Totgeburt, das Ende jeder Spontaneität? Also ganz allein aus sich heraus etwas zu Tage fördern? Kein Input, kein Output? Der Wunschtraum einer naivischen Literatur, die so ganz unbefleckt erscheint? Welche Kompetenz maße ich mir an, ein Buch schreiben zu können? Wo habe ich das denn gelernt? Bei sich selbst in die Schule gehen? Wie machen das denn andere? Wie scha=en =en die das denn ? Nachschlagen. Leb­ = enserinnerungen. Das schön geschriebene Leben. Über ihren Mann berichtet frau thomas mann: »Wenn er ein Buch schrieb, so vertiefte er sich ungeheuerlich in seinen jeweiligen Gegenstand und studierte viel und stets noch, während er daran saß.« Was hatte das ihrer Mei­

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

EINE NACHGEFRAGTE INVENTUR

nung nach zur Folge? Zur Zeit des Doktor Faustus war thomas mann »neben anderem« »ein großer Musiktheoretiker, zur Zeit des Joseph ein großer Ägypt­ ologe, Orientalist und Religionswissenschaftler, ein Mediziner für den Zauber­ berg.« War das Buch dann endlich fertig, so die Gattin, »habe er alles bald wieder vergessen. Er interessierte sich nicht mehr dafür.« Der Schriftsteller als medialer Durchlauferhitzer und Schnellvergesser. Das Buch als Modellfall von ausgelagertem Gedächtnis. So man dem Bericht glauben mag und dahin­ ter nicht eine verklärende (oder gar ironische?) Anekdote wittert. Aber würde das einer heutzutage von sich behaupten wollen, er sei während der Arbeit an einem Buch »ein großer Musiktheoretiker« gewesen etc.? Einige, sicherlich. Ist Literatur ein Vortäuschungsmanöver? Ja und? Die Lüge der Fiktion? Manchmal ist es einfach nur banal: Der Autor hat schlecht recherchiert. Oder falsch abgeschrieben. Oder falsch Vorabgeschriebenes übernommen. Und hat sich damit übernommen – eine fiktionale Verdrehung lässt immerhin nach ihrer poetologischen Funktion fragen. Eine saubere Recherche ist also Grund­ voraussetzung einer faktisch orientierten bzw. auf irgendeine Weise mit Fakti­ schem arbeitenden Literatur, will diese nicht bereits im Vorfeld am Faktischen scheitern, was sie dann spätestens im Nachfeld kritisch serviert bekommt. Wird Überprüfbares, Verrechenbares durch Literatur auf den Kopf gestellt, kommt es, wie gesagt, auf die Funktion dieser Di=erenz =erenz an. Mit dem alten = Literaturstreit über das Mögliche, Wahrscheinliche und Wunderbare hat dies nur sehr bedingt zu tun. Wenn der Autor schon mit Pfunden wuchert, sollte er dies im abgesicherten Modus tun. Gibt es das, im abgesicherten Modus schreiben? Heißt das nicht, (zu) wenig wagen? Etwas wagen macht noch keine gute Literatur. Die Frage ist ja, was genau wagt der Autor? Auch eine Revolutionierung der Schreibungsart muss sich mit diesen Sachverhalten aus­ einandersetzen bzw. sich an diesen messen lassen.

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Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

Kommt Literatur also vom Lesen? Literatur entsteht aus Literatur, auch. Ein alter Hut. Ein tradierter Zirkelschluss. Zu viel lesen lässt den Poetenkasten überlaufen? Ist Lesen zur Schule gehen? Wie kann ich nur denken, einen einzi­ gen verlässlichen Satz zustande zu bringen? Sind unbeantwortete Fragen erste Anzeichen einer umfassenderen Krise? Wer sollte diese Fragen denn beantwor­ ten? Haben Fragen nichts mit Literatur zu tun? Die Übervorsichtigkeit, über­ haupt nur eine einzige Schrift zu tun. Der niemals begonnene Beginn. Typisch deutsch? Leide ich unter Vollkommenheitswahn? Hätte ich besser aufpassen müssen? Habe ich das Falsche erlebt? Ist Schreiben immer noch zur Schule gehen? Warum steht jetzt da, was da steht? Und falls jemand nachfragen sollte, nichts hat das mit mir zu tun, gar nichts. Wäre ja noch schöner, ein Kurz­ schluss Leben und Literatur, dann hätte ich mir letztere ja sparen können. Oder umgekehrt. Delirien. Nutzt Nachdenken was? Hat Literatur mit Nachdenken zu tun? Oder sind Schreiben und Nachdenken gleichursprünglich? Heißt »Gut gemacht« nicht »Vergiss es«? Sollte ich mehr Zeitung lesen? Sind meine Vorratskammern leer? Was sagen die Kritiker? Sterbe ich bald? Denkmalgeschütztem Schrift­ steller fällt nichts mehr ein. Kollege X hat sich endlich, nach jahrzehntelanger und reiflicher Überlegung, erschossen. Ich gratulierte ihm herzlich. Tatsache ist, ihm fiel nichts mehr ein. Wie man landläufig so sagt. Bei suizidauslösen­ den Rückfragen wie »Habe ich überhaupt das Zeug zum Schriftsteller? « nutzen vielleicht Konter wie »Habe ich denn das Zeug zum Bademeister?« Na also. Lebensweltliche Probleme sind ja ein anderes Thema. Lebensweltlicher Kol­ lege, zwanzig Jahre alt. Hatte sich in seine zentrumsnahe Wohnung verschanzt. Wollte das Megaopus schreiben. Inklusive Selbstauslegung und Abscha=ung = =ung der Romanform. Es blieb bei der Selbstabscha=ung. =ung. Ja, so ein Buch wie henry = millers Vom großem Aufstand, das ist noch schlüsselhaft, wie da der rimbaud

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

EINE NACHGEFRAGTE INVENTUR

das Wort »Langeweile« erfindet, auswandert – und mit nur einem Bein heim­ kehrt. Bis auch der Rest abhanden kommt. Und wir? Schreiben weiter, was das Zeug hält? Es wird geschrieben, weil schon immer geschrieben wurde? Die Kopisten der isländischen Sagas zum Beispiel schrieben sich die Finger krumm und ruinierten sich mit dieser so mühsamen wie quälend langsamen Fixierung von Schriftzeichen den ganzen Körper. Auf manchen Seiten der auch bildlich mit großer Kunstfertigkeit gestalteten Bücher hat man Randnotizen der Kopisten gefunden wie »Es langweilt mich« und »Das Schreiben zerstört mich«. Jahrelang in einer Gifte ausdünstenden Kunststo=fabrik =fabrik arbeiten zerstört auch. = Und heute? Die Handschrift ist ja schließlich kein rein museales Medium. Sind wir nicht auch nur Kopisten? Und besteht der Unterschied zu den Schreibern früherer Zeiten vielleicht nur in der Vielzahl der Quellen, aus denen wir kopie­ ren? Und die geringste sind vielleicht wir selbst? Also mal nicht zu anmaßend behaupten »ICH habe das geschrieben«. Es war niemand, beruhigt? Mal langsam. Ordne die Gedanken und fahre dann fort wie folgt: Es dauert Jahre, bis man ganz bei sich zu Hause ist. Immer auch gibt es das Gefühl, nie dort anzugelangen. Genau dieses Gefühl treibt an. Auf der Suche nach einem geeig­ neten Sto= = ist man schon in der falschen Richtung unterwegs. Das wird nichts. Der Sto= = stößt einem zu. So sehr man auch versucht, vielfältig zu sein, unver­ einbar, bunt, man verlässt den Käfig, in den man zu früh und von einem selbst unbemerkt hineingekrochen ist, nie. Cages Wortspiel erscheint da nur als utopischer Imperativ: »In welchem Käfig du dich auch befindest, verlasse ihn.« Sich selbst verlassen? Mit der Zeit und durch alle Krisen hindurch gerät man höchstens in eine gewisse Stabilitätslage, man rostet im Käfig ein, man wird selbst Käfig (aber nicht cage). Der Käfig ist dieses Sprachkorsett, das man sich anlegt, das man enger schnürt, das man hassen lernt, ohne das man nackt zu sein glaubt, das man irgendwann nicht mehr spürt, das mitläuft. Man hat

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

es nicht anders haben wollen. Hat man die Wahl? Zu viel Sartre gelesen? Der Trost ist ja, dass dies beileibe keine Erfahrung ist, die vor lauter Individualität von niemandem geteilt würde. Ist das ein Trost? Das Schlimme ist, dass man sich eines Tages in dem, was man tut, wenn man ein Buch schreibt, nicht mehr leiden mag, dass man sich auf die Nerven geht, gerne ein anderer sein würde, nur wer? Man wird sich damit abfinden, dass der eine oder andere Text, die­ ses oder jenes Gedicht gelungen zu sein scheint. Das Wichtigste aber ist, mit Hingabe zu schreiben, mit Enthusiasmus und dem Mut zum Absturz. Das sind mitunter die glücklichsten, die befreiten Stunden. Abtauchen, sich vergessen machen. In die Ferne! »gedichte / von der wollust / des dichtens / in worte / gefasst« (h. c. artmann). Eben. Kann man sich aber mal tatsächlich nicht leiden, nehme man ein Buch zur Hand und lese. Die Damen und Herren Kolle­ gen kochen auch nur mit Wasser. Notorische Ausnahmen werden geflissentlich übersehen. Welchen Nutzen soll das haben, Lesen? Liest man nicht am liebsten sich selbst? Überhaupt nicht. Mir graut vor mir. Dabei habe ich die Ho=nung =nung = nung auf auf­­ gegeben, dass es mit den Jahren besser werden könnte. Das behindert mich aber nicht. Sicher, ich schäme mich für das eine oder andere, insbesondere, wenn es gedruckt vor mir liegt. Verö=entlicht =entlicht heißt ja auch: zu spät. Die ein­ = zige Chance ist, daraus zu lernen. Auf diese Weise unterrichtet man sich auch selbst. Wenn’s schon kein anderer tut. »Durchaus wohlmeinende Leute sagen: ›Literatur lässt sich nicht unterrich­ ten‹, und was sie damit meinen, ist wahrscheinlich richtig. Ganz sicher kann man einem Menschen beibringen, zwischen zwei Sorten von Büchern zu unterscheiden. Bestimmte sprachliche Leistungen können als Maßstab angelegt werden, als Reißschiene, als Spannungsmesser, oder sie können ›zum Vergleich‹ dienen, und die Vertrautheit mit ihnen kann

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

SCHREIBEN UND LESEN

einen Menschen zweifellos befähigen, über den Stil schlechthin und über die Kraftströme in einem Buch, über seine Stärken oder Schwächen zu urteilen«, schreibt e zra pound in ABC des Lesens.S »Hiervon später mehr.«2 Lesen heißt, sich ernähren. Sich anspornen. Sensibel bleiben. Den Faden fort­ zuspinnen. Zuflucht nehmen zu den Büchern anderer Autoren und Autorinnen. Im rettenden Sinne sind diese oft »Trostbüchlein«. Zum Beispiel uwe dicks Gedichtbände Theriak und Das niemals vertagte Leben.

Schreiben und Lesen Schreiben und Lesen sind eine Tateinheit. Lesen ist vielleicht nichts weiter als eine (selbstreflexive) Manifestation der Gehirntätigkeit. »Hä?« Ich lese, also bin ich noch da. Und zwar lese ich, was schon in mir ist. Und so kann ich mich nach einem tausendseitigen Roman oft nur an das erinnern, an das ich mich auch außerhalb dieses Romans erinnern würde. Um mich an den Roman zu erinnern, hätte ich ihn also gar nicht lesen müssen. »Lesen ist ein bloßes Surrogat des eigenen Denkens«, so schopenhauer, der Erfinder des »Selbst­ denkers«. Wer liest, schreibt mit. Und denkt mit. Sollte man jedenfalls meinen. Die beiden Kulturtechniken Lesen und Schreiben mit ihren medialen Rückkopplungse=ekten =ekten verweisen den Lesenden und den Schreibenden = als Betrachter immer wieder auch auf sich selbst. Der Schreibende (und der Lesende) nimmt sich selbst als Schnittstelle und Kontrollorgan der kognitiven Korrelation zwischen »Idealbewusstsein« und je individuellem Betrachter wahr, die gegenseitig verrechnet werden. Das Idealbewusstsein als ein gedachtes ist 1 Ezra Pound: ABC des Lesens. Deutsch von Eva Hesse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1957, S. 112 2 Robert Walser: Der Räuber. 1. Seite. Aus dem Kopf zitiert.

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Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

stets fehlerfrei, verfügt über einen/den umfassenden Wortschatz, ist deckungs­ gleich mit dem kulturellen Gedächtnis, dessen Repräsentant der (individu­ elle) Schriftsteller ist (ist er das?), führt verlustfrei den intentionalen Prozess des Schreibens durch – erinnert also an eine wartungsfreie eiskalte Maschine. Und gerade in der wahrgenommenen Di=erenz =erenz zu diesem Ideal erfährt die = »konkrete, in der abendländischen Kultur meist gewohnheitsmäßig und wie unbewusst vollzogene Handbewegung, die Schriftzeichen und Schriftstücke hervorbringt«,3 oft genug eine Irritation, und Störung. Das Kontrollorgan, das immer noch »Ich« ist (oder?), schlägt Alarm: Hier stimmt was nicht. Der geschriebene Text ist ein einziges Defizit, entspricht nicht im mindesten den Idealvorstellungen – und ist vielleicht gerade deswegen gut; als Di=erenz, =erenz, die = sich dem Gedächtnis (des Lesers) einprägt? Jedes Mal dieselben Kämpfe: Kunst schreiben, sich selbst nicht verraten oder eher doch mal konventionell. Als ob man tatsächlich imstande wäre, eine solche Entscheidung zu tre=en. =en. Wäre es nicht besser, einfache Geschichten = zu erzählen, klare Gedichte zu schreiben, alltägliche Bühnenstücke zu verfas­ sen, ungestörte Hörspiel ... Besser als was? Als darüber zu schreiben? Als über das Schreiben zu schreiben? Ist die Geschichte der deutschsprachigen Poetik, kürzestgefasst, eine Bewegung von der Norm zur Neurose? Andererseits: Mich interessiert eine größtmögliche Kontrolle während des Schreibens. Als Leser meiner selbst: Das Lesen setzt unmittelbar mit dem Schreiben ein und begleitet es – möchte ich mich nicht aus den Augen verlieren. Ich versuche immer konziser zu werden, eine Sprache zu finden, die »realis­ tisch« zu nennen ist, indem sie nah am Generalthema bleibt, dem Tod. Das spornt an zu Genauigkeit. Womit ich einen Teil meiner Arbeit selbst leugne.

3 Detlev Thiel: Über die Genese philosophischer Texte. Studien zu Jacques Derrida. Freiburg: Alber 1990.

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

SCHREIBEN UND LESEN

Was ist das Gegenteil von Schludrigkeit? Korrigier­ und Verbesserungswahn: Einen Text nicht loslassen, ihn immer wieder durchlesen, bis selbst das Ver­ ständlichste völlig unverständlich, der ganze Text unbrauchbar geworden ist. Es muss jetzt Schluss sein mit dem Nachprüfen, und tatsächlich kommt man an kein Ende. Kommt man an kein Ende, fängt das Schreiben an, angstbesetzt zu sein. Sorge also dafür, dich nicht in eine Hysterie des Perfekten zu treiben. Das Übervorsichtige ist Selbstmord auf Raten. Es gleicht zunächst einer Verstopfung: Es stellt sich das Gefühl ein, ein Text sei fertig. Ein Grund zum Feiern. Spannungsabfall. Wieder und wieder liest man ihn durch. Einige Fehler können entdeckt und ausgebessert werden. Es gibt da auch gar nichts zu diskutieren, das sind schlichtweg durch nichts motivierte Fehler der Wortverwendung, der Semantik, simple Verschreiber, Fehler der Grammatik, widersprüchliche Angaben, etc. Die korrigierte Schluss­ fassung wird noch einmal durchgelesen. Sie wird vielleicht von einem anderen gegengelesen. Dieser findet eine Reihe von einem Schriftsteller nicht würdigen Kapitalverbrechen, die unerklärlicherweise von einem selbst nicht als solche erkannt worden sind. Schludrigkeiten? Unvermögen? Regional bedingte Ein­ trübung der Sprachkompetenz (Herkunft, Heimat, … )? Zweifel kommen auf, ob man noch laut Auskunft geben solle, welchen Beruf man ausübt. Bei Dis­ kussionen kommt das ja noch gut, ein vermeintlicher Versprecher, ein Dativ, der eigentlich ein Genitiv ist, ein erstauntes Auf horchen, wenn einem klar­ gemacht wird, dass dieses und jenes Wort ganz und gar nicht so verwendet werden kann wie soeben vorgelesen, alles natürlich mit Augenzwinkern zur Kenntnis genommen, das zeigen soll, war mir eh klar, hab ich doch extra ge­ macht, ein Trick, sozusagen, dabei innerlich schon zernagt und kränkend wie ein in nächster Sekunde sinkendes Schi=. = =.

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Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

Tatsächlich ist mein Wortschatz dermaßen beschränkt, dass ich zum Beispiel neulich mit größtem Entzücken zum ersten Mal in meinem Leben die Bezeich­ nung »Rabatten« hörte und heute schon wieder an eine falsche Pluralbildung glaube. Es will sich mir einfach nicht einprägen, dieses botanische Gruppen­ bildwort. Ab dem soundsovielten Lebensjahr war wohl Schluss mit der suk­ zessiven Erweiterung des Wortschatzes, der Neuaufnahme nie gehörter Wör­ ter, von da an musste ich mit dem Vorhandenen auskommen. Und dann erst Fremdsprachen ... Die »Muttersprache« ist schon Fremdsprache genug. Da muss man nur ehrlich sein und dazu stehen, dass es in der sogenannten Mutter­ sprache einfacher ist, auf die Frage, »Haben Sie das verstanden?« mit »Ja« zu antworten, auch wenn »Nein« zu sagen die entsprechende Antwort gewesen wäre. Den berühmten Gesamtzusammenhang hat man ja irgendwie verstanden und könnte ihn mit eigenen Worten ebenso irgendwie wiedergeben, ohne sich die Blöße völligen Unverständnisses geben zu müssen. Diese Salbaderei wird schließlich schon in der Grundschule geübt und spätestens auf dem Gymnas­ ium sehr hoch geschätzt. Zu Hause kann man dann ja immer noch in einem Wörterbuch nachschauen, wenn man dieses Wort bloß erinnern würde, das un­ bekannte, noch nie gehörte, das alle Aufmerksamkeit auf sich zog, so dass man, Hand aufs Herz, ab da überhaupt nicht mehr zugehört hat. Wie hieß dieses Wörtchen noch mal, dass man es auch nachschlagen kann? Gehört, vergessen. Immerhin habe ich Zeit, etwas aufzuschreiben. Die Zeit davor, die Zeit dan­ ach habe ich verbummelt? Und genau die Zeit mittendrin habe ich konzent­ riert. Ist das ein Schriftsteller, jemand, der die Zeit ausnutzt, indem er innehält? Permanent in sich kreisende Erinnerungsarbeit. In der Ho=nung, =nung, dass eine = Wiederholung, von der sören kierkegaard schreibt, tatsächlich nicht mög­ lich ist. Schreiben ist dem Betonmischen nicht unähnlich. Es muss immer flie­ ßend gehalten werden, aber eben nicht zu flüssig; je nach Verwendungsbedarf

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

SCHREIBEN UND LESEN

und bei entsprechendem Aggregatzustand entnimmt man den Beton, um ihn an Ort und Stelle zu verarbeiten. Der Unterschied ist, der eine schreibt es auf. Das heißt ja nicht, dass er nicht lebt. Es heißt auch nicht, dass der andere lebt – wenn er nicht schreibt. Eines Tages läuft jedenfalls die Zeit davon, da sollte man schon genauer wissen, was man wie schreibt. Kein Grund zur Panik? Die Wahr­ heit ist, man verschwendet nicht allzuviel Zeit mit poetologischen Fragen. Man schreibt halt. Der Text ist eine Baustelle. Und eines Tages stellt man vielleicht fest, dass die unterirdischen Leitungen nicht funktionieren. Die Baustelle wird zur Kanalarbeit. Bei dieser Gelegenheit stellst du möglicherweise fest, dass dein Text fundamental unbrauchbar ist. Zu viel Zeit schon verloren? Höchste Zeit, von diesem Tiefgang poetologisch zu profitieren. Schrei­ ben mit Strukturplan oder ohne? Wenn mit, ist das Korsett zu eng geschnürt? Sklavische Ausführung eines Reißbrettentwurfs, der Literatur sein soll? Habe den Mut, dich deiner Intuition zu bedienen und den Plan über den Haufen zu werfen. Intuition ? Der »Sto=« werf =« entfaltet sich nach einer nie ganz zu kontrollier­ = enden Eigengesetzlichkeit. Es ist eine große Lust, diese Entfaltung zu beobach­ ten und dabei festzustellen, dass eben – zum Glück – nicht alles nach Plan geht. Hiermit soll keineswegs einem autopoetischen Diskurs das Wort geredet wer­ den. Es handelt sich hier schlichtweg um eine pragmatische Schreiberfahrung, dass die Sprache selbst, hat man erst einmal Fährte aufgenommen, zu denken scheint, dass Sprache selbst sich schreibt. Ein Wort scheint auf, und schon ö=nen =nen sich Assoziationsfelder, im Wort eingefaltete Geschichten bieten sich = an, erzählt zu werden, das bloße assoziative Nebeneinanderstehen von Wör­ tern, verbunden zum Beispiel in der Zeile eines Gedichts, die mit anderen Zei­ len eine Strophe bilden, suggeriert in der Rezeption Kausalitätsassoziationen; eine poetische Etymologie von Wörtern entsteht, deren lexikalisches oder all­ tagssprachliches Begri=sfeld =sfeld erweitert bzw. umkodiert wird. =

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Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

Ein Str ategienbündel des Schre ibens von Prosatexten und Gedichten: Reformulierungen eigener Arbei tserfahrungen. Du bist der Beste, ganz klar. Behalte es für dich. Vergiss es am besten. Das sind die anderen auch. Sieh das, was du machst, als Literatur an, die als solche ein Eigenleben führt, das scha=t =t eine notwendige und erholsame Distanz: Du gehst zur Arbeit, = diese Arbeit besteht aus verschiedenen Problemstellungen, die eine Lösung erfordern. An dieser Lösung arbeitest du. Es ist ein Irrtum, zu glauben, es gäbe hierfür einen geeigneten Zeitpunkt. Diese Zeit ist immer (siehe oben). Setze Angefangenes und seit Jahren Liegengebliebenes nicht mehr fort, es sei denn, du schreibst es ganz neu. Sonst kann es leicht zum Hemmschuh wer­ den, zur völligen Blockade jeder Schreibbewegung. Glaube nicht, es gäbe da etwas zu retten. Sich von etwas trennen, ist die beste Schreiberfahrung. Glaube nicht, auf allen Hochzeiten spielen zu können, und schon gar nicht auf allen gleichzeitig. Lasse also einen in den Kinderschuhen steckenden Roman nicht verhungern, nur weil du dir einbildest, unbedingt noch und auf die Schnelle ein weltbestes Drehbuch schreiben zu müssen, parallel zu einem seit Monaten zu schreibenden zyklischen Gedichtband, von dem erst ein schmales Gedichtchen da ist. Parallelarbeit ist praktikabel; du solltest aber in einem größeren Zeitraum denken und an einer Sache kontinuierlich arbei­ ten. Ganz einfach. Feste Arbeitszeiten sind von großem Vorteil. Sie treiben das Manuskript voran und geben einen Oberblick, was noch zu tun ist. Und das ist immer eine Menge. Tri= = Entscheidungen: Ich will jetzt einen Roman schreiben, ich will jetzt einen Gedichtband schreiben, etc. Fang an. Aber immer schön locker bleiben.

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Buchsatz

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EIN STRATEGIENBÜNDEL DES SCHREIBENS

Das braucht seine Zeit. Pessoa bastelte mehr als zwanzig Jahre an Das Buch der Unruhe. Vertraue auf deine Ausdauer, deinen langen Atem. Versuche nicht, den Stil des Autors X zu imitieren (es sei denn, parodis­ tisch), der Einfluss anderer kann sowieso fast nicht kontrolliert werden. Mache keine unnötigen Umwege. Segle hart am Wind, vermeide Exkurse, die eigentlich nur verschleiern, dass du im Moment nicht weiterweißt. Bleib auf Kurs, auch wenn gelegentlich Flaute herrscht. Das Zauberwort heißt Kohärenz. Die Debatte über die dem Text eigene Sinnkohärenz ist ein so notor­ isch streitbares wie fruchtbares Unterfangen. Wenn ein Text ein kohärenz­ stiftendes Gebilde ist bzw. sein soll, ein auf sich selbst abgebildetes System, das Aussagen über seine Gemachtheit zulässt – auch von Seiten des Autors, der Autorin, – dann lässt sich dies mittels Stilfragen, syntagmatischen und seman­ tischen Detailfragen oder zum Beispiel der Erörterung von Vorlieben für ein lexikalisch­morphologisches Inventar untersuchen. Der Autor selbst muss ja nicht gleich in einen literaturwissenschaftlichen oder semiotischen Jargon ver­ fallen, seine Textur mit Ausblühungen analytischer Metaphern überwuchern, poetologische Reflexionen über das Duo »was« und »wie« der eigenen Arbei­ ten schaden aber ganz und gar nicht. Und wenn auch nur das Vermeiden von immergleichen Fehlern erreicht wird. Bleibe in der Sprache klar und deutlich. Sage dir das als Mantra. Klar und deutlich heißt nicht, dass der Leser alles verstehen muss. Es kann zum Beispiel auch »konsistent« heißen. Zu viel vorweggenommene Versöhnung, zu viel Ein­ fühlung in den Leser entfremdet dich von deinem Vorhaben. Womit arbeitet Literatur auf der materiellen Seite? Mit Worten und deren Zusammengruppierung. Was die Worte betri=t, =t, sei hier wladimir = majakowskis Empfehlung wiedergegeben: »Ständige Auffüllung der Vor­ ratskammern und Speicher Ihres Schädels mit notwendigen, ausdrucksvollen,

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

raren, erfundenen, erneuerten, erzeugten und allerlei anderen Worten.« 4 Das Verwenden und »Ausstellen« entlegener, exotischer, »hochpoetischen Ausdrücke« erzeugt nicht a priori einen komplexen Gedanken, auch wenn solche Ausdrücke die Anmutung einer (poetischen) Fachsprache vermitteln. Das Arbeiten mit einer dem alltäglichen Ausdrucksniveau analogen Sprache verhindert demgegenüber keine gedankliche Komplexität. Sicherlich lässt sich darüber streiten, was das sein soll, ein alltägliches Ausdrucksniveau von Sprache. Vielleicht lässt sich ein solches als nicht elaboriert und allgemein verständlich/zugänglich bezeichnen. Auch als Autor würde ich die Anver­ wandlung rarer, erfundener, erneuerter oder erzeugter Wörter eher mit Poesie bzw. Gedichten als mit Prosa oder Drama assoziieren. Im deutschsprachigen Bereich ist hier oskar r pastior für mich paradigmatisch. Gleichwohl sind hier die Übergänge der Genres f ließend, wie das Werk von uwe dick zeigt. In ABC des Lesens stellt e zra pound u. a. folgende Regel auf: »Hüte dich vor Abs­ traktionen«. In Zeiten der Metaabstraktionen und Begri=smythologisierungen = =smythologisierungen besitzen solche Imperative fast Glaubensrelevanz. Onomatopoetische Aus­ drücke und Konkreta haben nicht selten haptische Qualitäten, einen Klangkör­ per, dessen phonetische Eigenschaften visualisierende Potenz haben können. Die vermehrte Einbeziehung von Ausdrücken, die ungewöhnlicher, speziel­ ler, unbekannter sind, beargwöhnt man oft als »manieriert«, »kapriziös«; auch wenn gerade diese »mots justes« eben genau die richtigen, die präzisen, uner­ setzbaren sind. Denkfaule greift nur nicht auf sie zurück. Führe dir deine immer wiederkehrenden Manierismen vor Augen, die dir selbst schon längst aus dem Hals heraushängen. Scha=e =e sie ab. (So schwierig = wie das Aufhören mit dem Rauchen.) 4 Wladimir Majakowski: Wie macht man Verse?, in: ders., Vers und Hammer. Schriften. Gedichte. Frankfurt a. M.: Luchterhand 1989. S. 54.

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

EIN STRATEGIENBÜNDEL DES SCHREIBENS

Schnell schon ist man dann mit dem Gerede von einer »Metapher« zur Hand, einem »Sprungtropus«, als könne dieser in ein »eigentliches« Sprechen zurück­ übersetzt werden. Paul celan wies immer wieder daraufhin, dass seine Ge­ dichte nicht mit Metaphern arbeiten. Nicht die Vorstellung eines Sprungs (von einem Kontext in den anderen) leite seine Poesie, sondern diese sei bereits die »eigentliche« Rede. Metaphernforschung arbeitet im Gesteinsbezirk der Sprache. »Versuchen Sie mal, bilderlose Verse zu schreiben«, fordert ossip mandelstam in seiner Schrift über dante auf. Unzweifelhaft bedient sich Literatur bzw. Poesie vor­ gefundener Metasprachen, macht sich in spezifischen Sprachkontexten defi­ nierte Denotationen zu eigen und kodiert diese um, sie erfindet zuweilen nicht als System fungierende Pseudosprachen – dies zeigt zum Beispiel die Geschichte der Lautpoesie. Fasziniert von Literaturen, die sich ausgiebig Fach­ und Fremdsprachen bedienen und so die Anschauung schärfen und eine geheimnisvollere »Tiefe« evozieren können, arbeite ich insbesondere in der Prosa zunehmend mit einem Vokabular, das der Alltagssprache nahe ist. Regularitäten können (wieder)entdeckt oder in netzwerkartig funktionie­ renden Gruppen bzw. Bewegungen festgelegt werden. Stellvertretend genannt sei hier die Werkstatt OULI P O. Wer spielerisch und mit dem nötigen Ernst die Materialität von Sprache und ihrer Regularitäten erproben will und zugleich erkenntnisreich an ihren Eigendynamiken scheitern, dem sei die Anverwand­ lung einer oulipotischen Regel anempfohlen.5 Sollte es dir so gehen wie e zra pound, hat sich das mit dem Roman ja von selbst erledigt: »Ich habe keinen guten Roman geschrieben. Ich habe 5 Siehe z. B. Heiner Boehncke und Bernd Kuhne: Anstiftung zur Poesie. Oulipo – Theorie und Praxis der Werkstatt für potentielle Literatur. Bremen: manholt verlag 1993.

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

überhaupt keinen Roman geschrieben. Ich rechne nicht damit, dass ich jemals Romane schreiben werde, und werde niemandem erzählen, wie es gemacht wird, eh ich das getan habe.« 6 Wie es gemacht wird, kann man das nicht nur von Fall zu Fall sagen, und auch das höchst eingeschränkt und unzuverlässig? Liebeserklärung habe ich in etwa vier Monaten geschrieben. Verschiedenes mündete in den Text: sören kierkegaards Die Wiederholung, eine kleine Passage aus alain robbegrillets Roman Die Wiederholung, eine Prosaskizze (Brief) von heinrich von kleist samt Details aus seiner Klingstedt­Zeit, Gedichte u. a. von samuel beckett, alexander block, rolf dieter brinkmann, paul celan, günter eich, sergej jessenin, ernst jandl, friederike mayröcker, Songtexte u.a. von Herbert Grönemeyer; Fragmente der All­ tagskultur (Radio, Fernsehen, Tageszeitungen, Werbung, etc.), gesellschafts­ politische Vorgänge, in Zügen und auf der Straße aufgeschnappte Gesprächs­ fetzen, Selbsterlebtes samt Verfremdung – und das Ganze getrieben vom Rhyth­ mus des nicht stillstehenden Bewusstseins, einer Schnitttechnik, die das Ganze nur in der untergründigen Amalgamierung seiner Teile simulieren kann, um es gleich wieder zu verlieren. Im Strom des Erzählens wird Heterogenes mitge­ rissen, das als solches nicht mehr aufscheint, sondern bereits in der Transfor­ mation als Motiv, Folge oder Abglanz des zentralen Themas »Liebe« (zu einer Person, zu einem Land). Die Referenzen zwischen Innen und Außen, die Adres­ sierungen der Liebeserklärung gleiten. Erzählstrategisch möglich gemacht wird dieses Gleiten durch das Wahrnehmungsmodell Bahnfahren, das dem Roman zugrunde gelegt ist. Landschaft erscheint als Kulisse innerer Erfahrungspro­ zesse, diese wiederum finden in heterogenen äußeren Begebenheiten ihre qua­

6 Ezra Pound: ABC des Lesens, a. a. O., S. 115.

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Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

EIN STRATEGIENBÜNDEL DES SCHREIBENS

sisymbolische Manifestation: Alles geschieht im Zeichen der Krise. Das habe ich immer versucht, untergründig mitlaufen zu lassen, es durchscheinen zu lassen, ohne es direkt zu verbalisieren, so dass der ganze Roman (für mich) das Ausagieren einer Liebes­ als Identitätskrise darstellt. Das ist seine Handlung. Apropos Gedicht. Schreibe ein Gedicht wie paul celan. Dies setzt allerdings voraus, dass du ununterbrochen Celan liest. Sei überzeugt davon, dieses Ged­ icht sei von Paul Celan. Bist du in diesem Gedicht zu Zuhause? Was fehlt dir an diesem Gedicht? Verbessere nun das Gedicht. Ist es noch von Paul Celan? Schreibe ein Gedicht wie Rilke und begründe, warum es nicht von Goethe sein kann – aber auch nicht von dir. Schreibe ein Gedicht, von dem du behauptest, nur du hättest dieses Gedicht schreiben können. Stellt dich das vor eine unlösbare Aufgabe? Wähle aus deinen Gedichten dasjenige aus, von dem du sagst, dieses Gedicht bin ganz ich. Erkläre das. Entzünde an diesem Gedicht eine Poet­ ologie, und zwar so kompromisslos, dass du dein Gedicht für verbesserungs­ würdig hälst. Nimm deine Gedichte immer wieder zur Hand, bevor du sie aus der Hand gibst. Verabschiede dich von früheren Fassungen nur wenn du dir ganz sicher bist. Manchmal ist die Tagesleistung ein einziges Wort. Gedicht heißt, jedes Wort zählt. Hier muss die sprachliche Wünschelrute ausschlagen. Warum dieses Wort in dieser Zeile? Krame nach: Gibt es nicht doch ein genaueres Wort? Was soll dieser blind­ darmartige Appendix, den du an den Schluss des Gedichts gesetzt hast? Kann man den nicht streichen? Genügt es nicht, das Gedicht bei einem poetischen Stilleben zu belassen? Wie kommt es eigentlich, dass Lieblingsfehler der Ungenauigkeit, des Vernebelten, ornamental Stimmungshaften immer wie­ derholt werden?

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Buchsatz

MICHAEL LENTZ _ Warum steht jetzt da, was da steht?

Oder mache es wie velimir chlebnikov (1885–1922). Über diesen »Kol­ umbus neuer poetischer Kontinente« berichtet wladimir majakowski: »Zum Korrekturlesen« war er »unmöglich zuzulassen – er strich immer alles durch, alles, und schrieb dann einen neuen Text.« Arbeite also mit Ableitungen, Aufpfropfungen: Entfalte aus einem motivischen Gerinnsel des einen Textes das Thema eines anderen. Vielleicht ist das der Text, den du schreiben woll­ test. Lasse dich auf keinen Fall zu der Jammerei hinreißen, dir fiele nichts ein. Erstens ist das kein Verdienst, zweitens gehört das zum Geschäft. Die Arbeit an einem Gedicht heißt zunächst einmal Umkreisung. Umkreise das Gedicht wenn’s sein muss eine ganze Kladde voll. Drehe und wende es. Streiche kom­ promisslos durch. Das Durchgestrichene scheint ja vorerst noch durch. Lies das Erreichte immer wieder laut vor. Knacken die Gelenke? Brechen die Schar­ niere? Klingt es zu geschmiert? Wo sind die Sollbruchstellen? »Geh in die Hölle: geh in Dich!« (uwe dick) Wenn alles nichts hilft, hilft vielleicht chlebnikov: chlebnikov schrieb viele kleine Zettel voll, mit denen er auch schon mal sein Kopfkissen ausstopfte. Das Kopfkissen ging verloren. Geht deines verloren, bist du vielleicht von einer großen Last befreit. Vielleicht hast du Glück. Das Kopfkissen wird gefunden, und du wirst berühmt.

Nach dem Schreiben ist vor dem Schre iben. Abspann. Treibe Sport. Wer Sport treibt, macht nicht so schnell schlapp vor dem Compu­ ter, der Schreibmaschine oder dein Notizbuch. Außerdem macht Sport selbst­ bewusster – auch beim Schreiben.

18 106


Buchsatz

1.112 | Typografische Grundlagen B

NACH DEM SCHREIBEN IST VOR DEM SCHREIBEN

Hör mit dem Rauchen auf – fang es erst gar nicht an. Rauchen vermittelt nichts, außer den Trugschluß, beim Schreiben kreativer zu sein. Schnell ist die Pack­ ung aufgeraucht, das Blatt Papier aber noch völlig unschuldig. Hör nicht mit dem Lesen auf: Lesen als ein schöpferischer Akt ist selbst schon Schreiben. Mitschreiben, Vorausschreiben, Nachschreiben, Umschreiben. Bringe Unordnung in dein Leben – ein Roman über diese Unordnung kön­ nte wieder Ordnung hineinbringen. Geh auf Reisen. Begleite die Reise schriftlich. Beiße dich an etwas Erleb­ tem fest, schlachte es aus. Beschäftige dich mit der Literatur vor Ort, das lässt einen nicht immer so beschränkt sein. Monokulturell denkende und arbeitende Autoren sind das Beschränkteste, was man sich vorstellen kann. Literatur arbeitet mit Sprache. Was heißt da, nur? Aus der Sprache, aus dem Sinn, aus der Welt.

Verwendete Schriften: Benton Sans von Cyrus Highsmith,

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Tobias Frere-Jones und Font Bureau Quadraat von Fred Smeijers

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108


20.01.2008 Zu Hause, Berlin Blingtext Lubalin Graph von Herb Lubalin

109


Fago Condensed Black von Ole Sch채fer

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1.112 | Typografische Grundlagen B

Hommage an ein Satzzeichen

»Deine Mutter klaut Probiersocken bei Deichmann.« keine Ahnung wer es gesagt hat, aber ich war es nicht.

Dolly Roman & Italic von Underware

Das Guillemet

nicht gesagt. Vielleicht war es

Guillemets bringen den Grauwert

»diese Stimme«, oder »diese

des Satzbildes nicht durchein-

Diese kleinen Wegweiser

Stimme«, oder »diese Stimme«.

ander wie diese Hans-spring-in-

verleihen Buchstaben eine

112

Immer sind sie da, um die

die-Luft-Anführungszeichen („“)

Stimme. »Hast du das verstan-

Stimmen in meinem Kopf zu

und wer ein paar schicke Pfeile

den, du Schwachkopf ?« Dabei

ordnen. Sie schrecken nicht Mal

möchte, brauch nicht länger

brauch niemanden böse auf

vor sarkastischen Bemerkung zu-

zu suchen, denn die sind bei

mich sein, denn ich habe es

rück – das ist ja »so was von toll«.

jeder vernüftigen Font dabei.


Hommage an ein Satzzeichen

1.112 | Typografische Grundlagen B

subjektiv=objektiv

Akkurat Bold von Laurenz Brunner

Das Gleich­ heitszeichen

behauptest, ist Fakt – Punkt, aus,

ten, das Unwahre plötzlich wahr.

Ende der Diskussion. Und dafür

Niemand kann mit dir diskutie-

liebe ich dich. Du warst so lange

ren. Du ergreifst Partei für jeden,

der Objektivität ausgesetzt, dass

sogar für Stefan Sagmeister, der

In Wissenschaften, Mathematik

dir jeder sofort alles abnimmt, ob

einst schrieb Style=Fart – und wir

und Logik wirst du verwendet,

subjektive oder reinst irrsinni­ge

gaben ihm alle sofort Recht.

um die Gleichheit zweier Sach-

Gleichstellungen. Banale Verglei-

verhalte darzustellen. Was du

che werden zu brutalen Wahrhei-

113


23.01.2008 Verschiedene Orten, Berlin Ein typografisches Bewusstsein kann auch als Krankheit bewertet werden.


Tagebuch

1.112 | Typografische Grundlagen B

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Bradley von Glenda de Guzman

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Warum steht jetzt da, von Michael Lentz

Für »Hinterkopf« gibt es eine untergegan­

Kann ich das ? Drei Schläge auf

gene Bezeichnung, die gar nicht mal sub­

den Poetenkasten – fördern das Dicht­

til dazu verleiten könnte, das Nachden­

vermögen ?

ken einzustellen: »Poetenkasten«. Beides,

Tägliche Besinnung: Jetzt habe ich

»Poet« und »Kasten«, sind je nach Kontext

schon wieder nicht das Buch geschrieben.

nicht gerade die positivsten Benennungen

Es ist mir entglitten. Von Anfang an schon.

komplexer Zusammenhänge. »Poetenkas­

Ich habe halt weitergemacht. Das Buch zu

ten« könnte als Metapher durchgehen für

Ende gestrickt. Beim nächsten Buch wird

»Es ist vergeblich«, »Es hat keinen Sinn«,

alles anders. Ich schwör’s. Da werde ich

»Es ist fruchtlos«. Nichts auf dem Kasten

leben, um endlich nur zu schreiben. Man

haben ist ein Bruder von »dumm wie Brot«,

hat es, oder man hat es nicht. Und ich

»sein Brot im Kasten haben« gibt es nicht.

hab’s ja. Keinerlei Ablenkungen mehr. Das

»Er hat was auf dem Poetenkasten« gibt

Minus auf dem Konto als irrationale Größe

es leider auch nicht. Den Poetenkasten

begreifen lernen. Vierundzwanzig Stunden

leeren: Ein Buch schreiben. »Er hat richtig

sind ganz klar zu kurz. Erst einmal also die

was auf dem Poetenkasten« gälte es einzu­

Segmentierung der Zeit in Stunden und

führen für »er kann toll dichten«.

Tage ignorieren. Diesen Zeitzwang inner­

.......

{2}Breakdown 01/09

Eine nach­ gefragte Inventur

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lich außer Kraft setzen. In größeren Bögen

geburt, das Ende jeder Spontaneität ? Also

er daran saß.« Was hatte das ihrer Mein­

denken. Überhaupt nicht mehr »rund um

ganz allein aus sich heraus etwas zu Tage

ung nach zur Folge ? Zur Zeit des Dok-

die Uhr«. Da wird man nur selber rund.

fördern ? Kein Input, kein Output ? Der

tor Faustus war Thomas Mann »neben

Die entstundete Zeit ist sicher nicht näher

Wunschtraum einer naivischen Literatur,

anderem« »ein großer Musiktheoretiker,

bei Gott. Jenseits jeder Lebenserwartung

die so ganz unbefleckt erscheint ? Welche

zur Zeit des Joseph ein großer Ägyptologe,

ist sie sterbensnäher. Man denkt, man

Kompetenz maße ich mir an, ein Buch

Orientalist und Religionswissenschaftler,

habe Zeit. Man hat überhaupt keine Zeit.

schreiben zu können ? Wo habe ich das

ein Mediziner für den Zauberberg.« War

Da liegt das Buch also, diese Unaussteh­

denn gelernt ? Bei sich selbst in die Schule

das Buch dann endlich fertig, so die Gat­

lichkeit, das einen im Kreis laufen, an den

gehen ? Wie machen das denn andere ?

tin, »habe er alles bald wieder vergessen.

Kopf fassen, an den eigenen Poetenkasten

Wie schaffen die das denn ? Nachschlagen.

Er interessierte sich nicht mehr dafür.« Der

klopfen macht. Zeit für einige Nachfragen

Lebenserinnerungen. Das schön geschrie­

Schriftsteller als medialer Durchlaufer­

in eigener Sache.

bene Leben.

hitzer und Schnellvergesser. Das Buch als

Warum musste das so kommen ? Habe

Über ihren Mann berichtet Frau

Modellfall von ausgelagertem Gedächt­

ich nicht lange genug nachgedacht ? Kann

Thomas Mann: »Wenn er ein Buch

nis. So man dem Bericht glauben mag und

man lange genug nachdenken ? Waren die

schrieb, so vertiefte er sich ungeheuer­

dahinter nicht eine verklärende (oder gar

Vorbereitungen falsch ? Ist ein Übermaß an

lich in seinen jeweiligen Gegenstand und

ironische ?) Anekdote wittert. Aber würde

Vorbereitung nicht ein Krampf, eine Tot­

studierte viel und stets noch, während

das einer heutzutage von sich behaupten

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Lenz ....Warum steht da, was da steht? {3}.......


wollen, er sei während der Arbeit an einem Buch »ein großer Musiktheoretiker« gewesen etc.? Einige, sicherlich. Ist Literatur ein Vortäuschungsmanö­ ver ? Ja und ? Die Lüge der Fiktion ? Manch­ mal ist es einfach nur banal: Der Autor hat schlecht recherchiert. Oder falsch abge­ schrieben. Oder falsch Vorabgeschriebe­ nes übernommen. Und hat sich damit übernommen – eine fiktionale Verdrehung lässt immerhin nach ihrer poetologischen Funktion fragen. Eine saubere Recherche ist also Grundvoraussetzung einer faktisch orientierten bzw. auf irgendeine Weise mit Faktischem arbeitenden Literatur, will

Kommt Literatur also vom Lesen ? Lite­

diese nicht bereits im Vorfeld am Fakti­

ratur entsteht aus Literatur, auch. Ein alter

schen scheitern, was sie dann spätestens

Hut. Ein tradierter Zirkelschluss. Zu viel

im Nachfeld kritisch serviert bekommt.

lesen lässt den Poetenkasten überlaufen ?

Wird Überprüfbares, Verrechenbares durch

Ist Lesen zur Schule gehen ? Wie kann ich

Literatur auf den Kopf gestellt, kommt es,

nur denken, einen einzigen verlässlichen

wie gesagt, auf die Funktion dieser Diffe­

Satz zustande zu bringen ? Sind unbeant­

renz an. Mit dem alten Literaturstreit über

wortete Fragen erste Anzeichen einer um­

noch schöner, ein Kurzschluss Leben und

das Mögliche, Wahrscheinliche und Wund­

fassenderen Krise ? Wer sollte diese Fragen

Literatur, dann hätte ich mir letztere ja

erbare hat dies nur sehr bedingt zu tun.

denn beantworten ? Haben Fragen nichts

sparen können. Oder umgekehrt.

Wenn der Autor schon mit Pfunden wuch­

mit Literatur zu tun ? Die Übervorsichtig­

Delirien. Nutzt Nachdenken was ? Hat

ert, sollte er dies im abgesicherten Modus

keit, überhaupt nur eine einzige Schrift zu

Literatur mit Nachdenken zu tun ? Oder

tun. Gibt es das, im abgesicherten Modus

tun. Der niemals begonnene Beginn. Typ­

sind Schreiben und Nachdenken gleich­

schreiben ? Heißt das nicht, (zu) wenig

isch deutsch ? Leide ich unter Vollkom­

ursprünglich ? Heißt »Gut gemacht« nicht

wagen ? Etwas wagen macht noch keine

menheitswahn ? Hätte ich besser aufpas­

»Vergiss es« ? Sollte ich mehr Zeitung

gute Literatur. Die Frage ist ja, was genau

sen müssen ? Habe ich das Falsche erlebt ?

lesen ? Sind meine Vorratskammern leer ?

wagt der Autor ? Auch eine Revolutionie­

Ist Schreiben immer noch zur Schule ge­

Was sagen die Kritiker ? Sterbe ich bald ?

rung der Schreibungsart muss sich mit die­

hen ? Warum steht jetzt da, was da steht ?

Denkmalgeschütztem Schriftsteller fällt

sen Sachverhalten auseinandersetzen bzw.

Und falls jemand nachfragen sollte, nichts

nichts mehr ein. Kollege X hat sich end­

sich an diesen messen lassen.

hat das mit mir zu tun, gar nichts. Wäre ja

lich, nach jahrzehntelanger und reiflicher

.......

{4}Breakdown 01/09

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Körper. Auf manchen Seiten der auch bild­ lich mit großer Kunstfertigkeit gestalteten Bücher hat man Randnotizen der Kopis­ ten gefunden wie »Es langweilt mich« und »Das Schreiben zerstört mich«. Jahrelang in einer Gifte ausdünstenden Kunststoff­ fabrik arbeiten zerstört auch. Und heute ? Die Handschrift ist ja schließlich kein rein museales Medium. Sind wir nicht auch nur Kopisten ? Und besteht der Unterschied zu den Schreibern früherer Zeiten vielleicht nur in der Vielzahl der Quellen, aus denen wir kopieren ? Und die geringste sind viel­ leicht wir selbst ? Also mal nicht zu anma­ ßend behaupten »ICH habe das geschrie­ Überlegung, erschossen. Ich gratulierte

ben«. Es war niemand, beruhigt ?

ihm herzlich. Tatsache ist, ihm fiel nichts

Mal langsam. Ordne die Gedanken

mehr ein. Wie man landläufig so sagt. Bei

und fahre dann fort wie folgt: Es dauert

suizidauslösenden Rückfragen wie »Habe

Jahre, bis man ganz bei sich zu Hause ist.

ich überhaupt das Zeug zum Schriftstel­

Immer auch gibt es das Gefühl, nie dort

ler ? « nutzen vielleicht Konter wie »Habe

anzugelangen. Genau dieses Gefühl treibt

ich denn das Zeug zum Bademeister ?«

an. Auf der Suche nach einem geeigneten

Na also. Lebensweltliche Probleme sind

Stoff ist man schon in der falschen Rich­

ja ein anderes Thema. Lebensweltlicher

tung unterwegs. Das wird nichts. Der Stoff

Kollege, zwanzig Jahre alt. Hatte sich in

stößt einem zu. So sehr man auch versucht,

seine zentrumsnahe Wohnung verschanzt.

vielfältig zu sein, unvereinbar, bunt, man

Wollte das Megaopus schreiben. Inklu­

verlässt den Käfig, in den man zu früh und

sive Selbstauslegung und Abschaffung

von einem selbst unbemerkt hineingekro­

der Romanform. Es blieb bei der Selbst­

chen ist, nie. Cages Wortspiel erscheint da

abschaffung. Ja, so ein Buch wie Henry

nur als utopischer Imperativ: »In welchem

Millers Vom großem Aufstand, das ist

Käfig du dich auch befindest, verlasse

keine Erfahrung ist, die vor lauter Indivi­

noch schlüsselhaft, wie da der Rimbaud

ihn.« Sich selbst verlassen ? Mit der Zeit

dualität von niemandem geteilt würde.

das Wort »Langeweile« erfindet, auswan­

und durch alle Krisen hindurch gerät man

Ist das ein Trost ? Das Schlimme ist, dass

dert – und mit nur einem Bein heimkehrt.

höchstens in eine gewisse Stabilitätslage,

man sich eines Tages in dem, was man tut,

Bis auch der Rest abhanden kommt. Und

man rostet im Käfig ein, man wird selbst

wenn man ein Buch schreibt, nicht mehr

wir ? Schreiben weiter, was das Zeug hält ?

Käfig (aber nicht Cage). Der Käfig ist die­

leiden mag, dass man sich auf die Nerven

Es wird geschrieben, weil schon immer ge­

ses Sprachkorsett, das man sich anlegt, das

geht, gerne ein anderer sein würde, nur

schrieben wurde ?

man enger schnürt, das man hassen lernt,

wer ? Man wird sich damit abfinden, dass

Die Kopisten der isländischen Sagas

ohne das man nackt zu sein glaubt, das

der eine oder andere Text, dieses oder

zum Beispiel schrieben sich die Finger

man irgendwann nicht mehr spürt, das

jenes Gedicht gelungen zu sein scheint.

krumm und ruinierten sich mit dieser so

mitläuft. Man hat es nicht anders haben

Das Wichtigste aber ist, mit Hingabe zu

mühsamen wie quälend langsamen Fix­

wollen. Hat man die Wahl ? Zu viel Sartre

schreiben, mit Enthusiasmus und dem

ierung von Schriftzeichen den ganzen

gelesen ? Der Trost ist ja, dass dies beileibe

Mut zum Absturz. Das sind mitunter die

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Lenz ....Warum steht da, was da steht? {5}.......


ist. Und so kann ich mich nach einem tau­ sendseitigen Roman oft nur an das erin­ nern, an das ich mich auch außerhalb dieses Romans erinnern würde. Um mich an den Roman zu erinnern, hätte ich ihn also gar nicht lesen müssen. »Lesen ist ein bloßes Surrogat des eigenen Denkens«, so Schopenhauer, der Erfinder des »Selbst­ denkers«. Wer liest, schreibt mit. Und denkt mit. Sollte man jedenfalls meinen. glücklichsten,

die

befreiten

Stunden.

Die beiden Kulturtechniken Lesen

Abtauchen, sich vergessen machen. In

und Schreiben mit ihren medialen Rück­

die Ferne! »gedichte / von der wollust

kopplungseffekten verweisen den Lesen­

/ des dichtens / in worte / gefasst« (H.C.

den und den Schreibenden als Betrachter

Artman n). Eben. Kann man sich aber

immer wieder auch auf sich selbst. Der

mal tatsächlich nicht leiden, nehme man

Ganz sicher kann man einem Men­

Schreibende (und der Lesende) nimmt

ein Buch zur Hand und lese. Die Damen

schen beibringen, zwischen zwei Sorten

sich selbst als Schnittstelle und Kontroll­

und Herren Kollegen kochen auch nur mit

von Büchern zu unterscheiden. Bestim­

organ der kognitiven Korrelation zwischen

Wasser. Notorische Ausnahmen werden

mte

können

»Idealbewusstsein« und je individuellem

geflissentlich übersehen.

als Maßstab angelegt werden, als Reiß­

Betrachter wahr, die gegenseitig verrech­

schiene,

oder

net werden. Das Idealbewusstsein als ein

Welchen Nutzen soll das haben, Le­

sprachliche als

können

Leistungen

Spannungsmesser,

sen ? Liest man nicht am liebsten sich

sie

dienen,

gedachtes ist stets fehlerfrei, verfügt über

selbst ? Überhaupt nicht. Mir graut vor

und die Vertrautheit mit ihnen kann

›zum

Vergleich‹

einen/den umfassenden Wortschatz, ist

mir. Dabei habe ich die Hoffnung aufgege­

einen Menschen zweifellos befähigen,

deckungsgleich mit dem kulturellen Ge­

ben, dass es mit den Jahren besser werden

über den Stil schlechthin und über die

dächtnis, dessen Repräsentant der (indivi­

könnte. Das behindert mich aber nicht.

Kraftströme in einem Buch, über seine

duelle) Schriftsteller ist (ist er das ?), führt

Sicher, ich schäme mich für das eine oder

verlustfrei den intentionalen Prozess des

andere, insbesondere, wenn es gedruckt

Stärken oder Schwächen zu urteilen«, schreibt Ezra Pound in ABC des Lesens.1

vor mir liegt. Veröffentlicht heißt ja auch:

»Hiervon später mehr.« 2

wartungsfreie eiskalte Maschine. Und ger­

Schreibens durch – erinnert also an eine

zu spät. Die einzige Chance ist, daraus

Lesen heißt, sich ernähren. Sich

zu lernen. Auf diese Weise unterrichtet

anspornen. Sensibel bleiben. Den Faden

diesem Ideal erfährt die »konkrete, in der

man sich auch selbst. Wenn’s schon kein

fortzuspinnen. Zuflucht nehmen zu den

abendländischen Kultur meist gewohn­

anderer tut.

Büchern anderer Autoren und Autorin­

heitsmäßig und wie unbewusst vollzogene

»Durchaus wohlmeinende Leute sa­

nen. Im rettenden Sinne sind diese oft

gen: ›Literatur lässt sich nicht unterrich­

»Trostbüchlein«. Zum Beispiel Uwe Dicks

Handbewegung, die Schriftzeichen und Schriftstücke hervorbringt«,3 oft genug

ten‹, und was sie damit meinen, ist wahr­

Gedichtbände Theriak und Das niemals

eine Irritation, und Störung. Das Kontroll­

scheinlich richtig.

vertagte Leben.

organ, das immer noch »Ich« ist (oder ?),

Schreiben und Lesen .......

{6}Breakdown 01/09

ade in der wahrgenommenen Differenz zu

Schreiben und Lesen sind eine Tateinheit. Lesen ist vielleicht nichts weiter als eine (selbstreflexive) Manifestation der Gehirn­ tätigkeit. »Hä ?« Ich lese, also bin ich noch da. Und zwar lese ich, was schon in mir

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1 Ezra Pound: ABC des Lesens. Deutsch von Eva Hesse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1957, S. 112 2 Robert Walser: Der Räuber. 1. Seite. Aus dem Kopf zitiert. 3 Detlev Thiel: Über die Genese philosophischer Texte. Studien zu Jacques Derrida. Freiburg: Alber 1990.

schlägt Alarm: Hier stimmt was nicht. Der geschriebene Text ist ein einziges Defizit, entspricht nicht im mindesten den Ideal­ vorstellungen – und ist vielleicht gerade deswegen gut; als Differenz, die sich dem Gedächtnis (des Lesers) einprägt ? Jedes Mal dieselben Kämpfe: Kunst schreiben, sich selbst nicht verraten oder eher doch mal konventionell. Als ob man tatsächlich imstande wäre, eine solche Entscheidung zu treffen. Wäre es nicht

nicht würdigen Kapitalverbrechen, die un­

besser, einfache Geschichten zu erzählen,

erklärlicherweise von einem selbst nicht

klare Gedichte zu schreiben, alltägliche

als solche erkannt worden sind. Schludrig­

Bühnenstücke zu verfassen, ungestörte

keiten ? Unvermögen ? Regional bedingte

Hörspiel ... Besser als was ? Als darüber

Eintrübung der Sprachkompetenz (Her­

zu schreiben ? Als über das Schreiben zu

muss jetzt Schluss sein mit dem Nachprü­

kunft, Heimat, … ) ? Zweifel kommen auf,

schreiben ? Ist die Geschichte der deutsch­

fen, und tatsächlich kommt man an kein

ob man noch laut Auskunft geben solle,

sprachigen Poetik, kürzestgefasst, eine

Ende. Kommt man an kein Ende, fängt das

welchen Beruf man ausübt. Bei Diskussio­

Bewegung von der Norm zur Neurose ?

Schreiben an, angstbesetzt zu sein. Sorge

nen kommt das ja noch gut, ein vermeint­

Andererseits: Mich interessiert eine

also dafür, dich nicht in eine Hysterie des

licher Versprecher, ein Dativ, der eigent­

größtmögliche Kontrolle während des

Perfekten zu treiben. Das Übervorsichtige

lich ein Genitiv ist, ein erstauntes Aufhor­

Schreibens. Als Leser meiner selbst: Das

ist Selbstmord auf Raten.

chen, wenn einem klargemacht wird, dass

Lesen setzt unmittelbar mit dem Schrei­

Es gleicht zunächst einer Verstopfung:

ben ein und begleitet es – möchte ich mich

Es stellt sich das Gefühl ein, ein Text sei

dieses und jenes Wort ganz und gar nicht so verwendet werden kann wie soeben

nicht aus den Augen verlieren. Ich versu­

fertig. Ein Grund zum Feiern. Spannungs­

vorgelesen, alles natürlich mit Augenzwin­

che immer konziser zu werden, eine Spra­

abfall. Wieder und wieder liest man ihn

kern zur Kenntnis genommen, das zeigen

che zu finden, die »realistisch« zu nen­

durch. Einige Fehler können entdeckt

soll, war mir eh klar, hab ich doch extra ge­

nen ist, indem sie nah am Generalthema

und ausgebessert werden. Es gibt da

macht, ein Trick, sozusagen, dabei inner­

bleibt, dem Tod. Das spornt an zu Genau­

auch gar nichts zu diskutieren, das sind

lich schon zernagt und kränkend wie ein

igkeit. Womit ich einen Teil meiner Arbeit

schlichtweg durch nichts motivierte Feh­

in nächster Sekunde sinkendes Schiff.

selbst leugne.

ler der Wortverwendung, der Semantik,

Tatsächlich ist mein Wortschatz der­

Was ist das Gegenteil von Schludrig­

simple Verschreiber, Fehler der Gramma­

maßen beschränkt, dass ich zum Beispiel

keit ? Korrigier­ und Verbesserungswahn:

tik, widersprüchliche Angaben, etc. Die

neulich mit größtem Entzücken zum ers­ ten Mal in meinem Leben die Bezeich­

Einen Text nicht loslassen, ihn immer

korrigierte Schlussfassung wird noch ein­

wieder durchlesen, bis selbst das Ver­

mal durchgelesen. Sie wird vielleicht von

nung »Rabatten« hörte und heute schon

ständlichste völlig unverständlich, der

einem anderen gegengelesen. Dieser fin­

wieder an eine falsche Pluralbildung

ganze Text unbrauchbar geworden ist. Es

det eine Reihe von einem Schriftsteller

glaube. Es will sich mir einfach nicht

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Lenz ....Warum steht da, was da steht? {7}.......


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! e M Rate www

einprägen, dieses botanische Gruppen­

wesen wäre. Den berühmten Gesamt­

bildwort. Ab dem soundsovielten Lebens­

zusammenhang hat man ja irgendwie

jahr war wohl Schluss mit der sukzessiven

verstanden und könnte ihn mit eigenen

Erweiterung des Wortschatzes, der Neu­

Worten ebenso irgendwie wiedergeben,

aufnahme nie gehörter Wörter, von da an

ohne sich die Blöße völligen Unverständ­

musste ich mit dem Vorhandenen aus­

nisses geben zu müssen. Diese Salbaderei

kommen. Und dann erst Fremdsprachen ...

wird schließlich schon in der Grundschule

Die »Muttersprache« ist schon Fremd­

geübt und spätestens auf dem Gymnasium

sprache genug. Da muss man nur ehrlich

sehr hoch geschätzt. Zu Hause kann man

sein und dazu stehen, dass es in der soge­

dann ja immer noch in einem Wörterbuch

nannten Muttersprache einfacher ist, auf

nachschauen, wenn man dieses Wort bloß

die Frage, »Haben Sie das verstanden ?«

erinnern würde, das unbekannte, noch

mit »Ja« zu antworten, auch wenn »Nein«

nie gehörte, das alle Aufmerksamkeit auf

zu sagen die entsprechende Antwort ge­

sich zog, so dass man, Hand aufs Herz, ab

.......

{8}Breakdown 01/09

eople .sexyp

-blog.c

om

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da überhaupt nicht mehr zugehört hat. Wie hieß dieses Wörtchen noch mal, dass man es auch nachschlagen kann ? Gehört, vergessen. Immerhin habe ich Zeit, etwas auf­ zuschreiben. Die Zeit davor, die Zeit da­ nach habe ich verbummelt ? Und genau die Zeit mittendrin habe ich konzentriert. Ist das ein Schriftsteller, jemand, der die Zeit ausnutzt, indem er innehält ? Perma­ nent in sich kreisende Erinnerungsarbeit. In der Hoffnung, dass eine Wiederholung, von der Sören Kierkegaard schreibt, tatsächlich nicht möglich ist. Schreiben ist dem Betonmischen nicht unähnlich. Es muss immer fließend gehalten wer­ den, aber eben nicht zu flüssig; je nach Verwendungsbedarf und bei entsprechen­ dem Aggregatzustand entnimmt man den Beton, um ihn an Ort und Stelle zu ver­ arbeiten. Der Unterschied ist, der eine schreibt es auf. Das heißt ja nicht, dass er nicht lebt. Es heißt auch nicht, dass der andere lebt – wenn er nicht schreibt. Eines Tages läuft jedenfalls die Zeit davon, da sollte man schon genauer wissen, was man wie schreibt. Kein Grund zur Panik ? Die Wahrheit ist, man verschwendet nicht allzuviel Zeit mit poetologischen Fragen. Man schreibt halt. Der Text ist eine Bau­ stelle. Und eines Tages stellt man vielleicht fest, dass die unterirdischen Leitungen nicht funktionieren. Die Baustelle wird zur Kanalarbeit. Bei dieser Gelegenheit stellst du möglicherweise fest, dass dein Text fundamental unbrauchbar ist. Zu viel Zeit schon verloren ? Höchste Zeit, von diesem Tiefgang poetologisch zu profitieren. Schreiben mit Strukturplan oder ohne ? Wenn mit, ist das Korsett zu eng geschnürt ? Sklavische Ausführung eines Reißbrettentwurfs, der Literatur sein soll ? Habe den Mut, dich deiner Intuition zu bedienen und den Plan über den Haufen zu werfen. Intuition ? Der »Stoff« entfaltet sich nach einer nie ganz zu kontrollierenden Eigengesetzlichkeit. Es ist eine große Lust, diese Entfaltung zu beobachten und dabei festzustellen, dass eben – zum Glück – nicht alles nach Plan geht.

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Lenz ....Warum steht da, was da steht? {9}.......


Hiermit soll keineswegs einem autopoe­ tischen Diskurs das Wort geredet werden. Es handelt sich hier schlichtweg um eine pragmatische

Schreiberfahrung,

dass

die Sprache selbst, hat man erst einmal Fährte aufgenommen, zu denken scheint, dass Sprache selbst sich schreibt. Ein Wort scheint auf, und schon öffnen sich Assoziationsfelder, im Wort eingefaltete Geschichten bieten sich an, erzählt zu werden, das bloße assoziative Nebenein­ anderstehen von Wörtern, verbunden zum Beispiel in der Zeile eines Gedichts, die mit anderen Zeilen eine Strophe bilden, suggeriert in der Rezeption Kausalitätsas­ soziationen; eine poetische Etymologie von Wörtern entsteht, deren lexikalisches oder alltagssprachliches Begriffsfeld er­ weitert bzw. umkodiert wird.

Ein Strategienbündel des Schreibens von Prosatexten und Gedichten: Reformulierungen eigener Arbeits­ erfahrungen. Du bist der Beste, ganz klar. Behalte es für dich. Vergiss es am besten. Das sind die anderen auch. Sieh das, was du machst, als Lite­ ratur an, die als solche ein Eigenleben führt, das schafft eine notwendige und erholsame Distanz: Du gehst zur Arbeit, diese

Arbeit

besteht

aus

verschiede­

nen Problemstellungen, die eine Lösung erfordern. An dieser Lösung arbeitest du. Es ist ein Irrtum, zu glauben, es gäbe hier­ für einen geeigneten Zeitpunkt. Diese Zeit ist immer (siehe oben). Setze Angefangenes und seit Jahren Liegengebliebenes nicht mehr fort, es sei denn, du schreibst es ganz neu. Sonst kann es leicht zum Hemmschuh wer­ den, zur völligen Blockade jeder Schreib­ bewegung. Glaube nicht, es gäbe da etwas zu retten. Sich von etwas trennen, ist die beste Schreiberfahrung.

.......

{10}Breakdown 01/09

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Glaube nicht, auf allen Hochzei­

Gedichtband schreiben, etc. Fang an. Aber

ten spielen zu können, und schon gar

immer schön locker bleiben. Das braucht

nicht auf allen gleichzeitig. Lasse also

seine Zeit. Pessoa bastelte mehr als zwan­

einen in den Kinderschuhen steckenden

zig Jahre an Das Buch der Unruhe. Vertraue

Roman nicht verhungern, nur weil du

auf deine Ausdauer, deinen langen Atem.

und

Versuche nicht, den Stil des Autors X

auf die Schnelle ein weltbestes Dreh­

dir

einbildest,

unbedingt

noch

zu imitieren (es sei denn, parodistisch),

buch schreiben zu müssen, parallel zu

der Einfluss anderer kann sowieso fast

einem seit Monaten zu schreibenden

nicht kontrolliert werden.

zyklischen Gedichtband, von dem erst

Mache

keine

unnötigen

Umwege.

ein schmales Gedichtchen da ist. Paral­

Segle hart am Wind, vermeide Exkurse,

lelarbeit ist praktikabel; du solltest aber

die eigentlich nur verschleiern, dass

in einem größeren Zeitraum denken und

du im Moment nicht weiterweißt. Bleib

an einer Sache kontinuierlich arbeiten.

auf Kurs, auch wenn gelegentlich Flaute

Ganz einfach. Feste Arbeitszeiten sind

herrscht. Das Zauberwort heißt Kohä­

von großem Vorteil. Sie treiben das Manu­

renz. Die Debatte über die dem Text ei­

skript voran und geben einen Oberblick,

gene Sinnkohärenz ist ein so notorisch

was noch zu tun ist. Und das ist immer

streitbares

eine Menge.

gen. Wenn ein Text ein kohärenzstif­

wie

fruchtbares

Unterfan­

Triff Entscheidungen: Ich will jetzt ei­

tendes Gebilde ist bzw. sein soll, ein

nen Roman schreiben, ich will jetzt einen

auf sich selbst abgebildetes System, das

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Lenz ....Warum steht da, was da steht? {11}.......


Aussagen über seine Gemachtheit zulässt – auch von Seiten des Autors, der Autorin, – dann lässt sich dies mittels Stilfragen, syn­ tagmatischen und semantischen Detail­ fragen oder zum Beispiel der Erörterung von Vorlieben für ein lexikalisch­morpho­ logisches Inventar untersuchen. Der Autor selbst muss ja nicht gleich in einen litera­ turwissenschaftlichen oder semiotischen Jargon verfallen, seine Textur mit Ausblü­ hungen analytischer Metaphern über­ wuchern, poetologische Reflexionen über das Duo »was« und »wie« der eigenen Arbeiten schaden aber ganz und gar nicht.

genommene Versöhnung, zu viel Einfüh­

Und wenn auch nur das Vermeiden von

lung in den Leser entfremdet dich von dei­

immergleichen Fehlern erreicht wird.

nem Vorhaben.

Bleibe in der Sprache klar und deut­

Womit

arbeitet

Literatur

auf

der

lich. Sage dir das als Mantra. Klar und

materiellen Seite ? Mit Worten und deren

deutlich heißt nicht, dass der Leser alles

Zusammengruppierung. Was die Worte

verstehen muss. Es kann zum Beispiel

betrifft, sei hier Wladimir Majakowskis

auch »konsistent« heißen. Zu viel vorweg­

Empfehlung Auffüllung

wiedergegeben: der

»Ständige

Vorratskammern

und

Speicher Ihres Schädels mit notwendi­ gen, ausdrucksvollen, raren, erfundenen, erneuerten, erzeugten und allerlei ande­ ren Worten.« 4 Das

Verwenden

und

»Ausstellen«

niveau analogen Sprache verhindert dem­ gegenüber keine gedankliche Komplexität. Sicherlich lässt sich darüber streiten, was

entlegener, exotischer, »hochpoetischen

das sein soll, ein alltägliches Ausdrucks­

Ausdrücke« erzeugt nicht a priori einen

niveau von Sprache. Vielleicht lässt sich

komplexen Gedanken, auch wenn solche

ein solches als nicht elaboriert und allge­

Ausdrücke die Anmutung einer (poeti­

mein verständlich/zugänglich bezeichnen.

schen) Fachsprache vermitteln. Das Arbei­

Auch als Autor würde ich die Anverwand­

ten mit einer dem alltäglichen Ausdrucks­

lung rarer, erfundener, erneuerter oder erzeugter Wörter eher mit Poesie bzw. Ge­ dichten als mit Prosa oder Drama assoziie­ ren. Im deutschsprachigen Bereich ist hier Oskar Pastior für mich paradigmatisch. Gleichwohl sind hier die Übergänge der Genres fließend, wie das Werk von Uwe Dick zeigt. In ABC des Lesens stellt Ezra Pound u. a. folgende Regel auf: »Hüte dich vor Abstraktionen«. In Zeiten der Metaabstraktionen und Begriffsmytholo­ gisierungen besitzen solche Imperative fast Glaubensrelevanz. Onomatopoetische Ausdrücke und Konkreta haben nicht sel­

.......

{12}Breakdown 01/09

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ten haptische Qualitäten, einen Klangkör­ per, dessen phonetische Eigenschaften visualisierende Potenz haben können. Die vermehrte Einbeziehung von Aus­ drücken, die ungewöhnlicher, spezieller, unbekannter sind, beargwöhnt man oft als »manieriert«, »kapriziös«; auch wenn gerade diese »mots justes« eben genau die richtigen, die präzisen, unersetzbaren sind. Denkfaule greift nur nicht auf sie zurück. Führe dir deine immer wiederkehren­ den Manierismen vor Augen, die dir selbst schon längst aus dem Hals heraushängen.

mit Metaphern arbeiten. Nicht die Vorstel­

Schaffe sie ab. (So schwierig wie das Auf­

lung eines Sprungs (von einem Kontext in

hören mit dem Rauchen.)

den anderen) leite seine Poesie, sondern

Schnell schon ist man dann mit dem Gerede von einer »Metapher« zur Hand,

diese sei bereits die »eigentliche« Rede. Metaphernforschung arbeitet im Ge­

einem »Sprungtropus«, als könne dieser in

steinsbezirk der Sprache. »Versuchen Sie

ein »eigentliches« Sprechen zurücküber­

mal, bilderlose Verse zu schreiben«, for­

setzt werden. Paul Celan wies immer wie­

dert Ossip Mandelstam in seiner Schrift

der daraufhin, dass seine Gedichte nicht

über Dante auf. Unzweifelhaft bedient sich Literatur bzw. Poesie vorgefundener Metasprachen, macht sich in spezifischen Sprachkontexten definierte Denotationen zu eigen und kodiert diese um, sie erfin­

dere in der Prosa zunehmend mit einem

det zuweilen nicht als System fungierende

Vokabular, das der Alltagssprache nahe ist.

Pseudosprachen – dies zeigt zum Beispiel die Geschichte der Lautpoesie. Fasziniert von Literaturen, die sich ausgiebig

Fach­

und

Regularitäten

können

(wieder)ent­

deckt oder in netzwerkartig funktionieren­

Fremdsprachen

den Gruppen bzw. Bewegungen festgelegt werden. Stellvertretend genannt sei hier

bedienen und so die Anschauung schär­

die Werkstatt OULIPO. Wer spielerisch

fen und eine geheimnisvollere »Tiefe«

und mit dem nötigen Ernst die Material­

evozieren können, arbeite ich insbeson­

ität von Sprache und ihrer Regularitäten erproben will und zugleich erkenntnis­ reich an ihren Eigendynamiken scheitern, dem sei die Anverwandlung einer oulipo­ tischen Regel anempfohlen.5 Sollte es dir so gehen wie Ezra Pound, hat sich das mit dem Roman ja von selbst erledigt: »Ich habe keinen guten Roman geschrieben. Ich habe überhaupt keinen Roman geschrieben. Ich rechne nicht da­

4 Wladimir Majakowski: Wie macht man Verse?, in: ders., Vers und Hammer. Schriften. Gedichte. Frankfurt a. M.: Luchterhand 1989. S. 54. 5 Siehe z. B. Heiner Boehncke und Bernd Kuhne: Anstiftung zur Poesie. Oulipo – Theorie und Praxis der Werk statt für potentielle Literatur. Bremen: manholt verlag 1993. 6 Ezra Pound: ABC des Lesens, a. a. O., S. 115.

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mit, dass ich jemals Romane schreiben werde, und werde niemandem erzählen, wie es gemacht wird, eh ich das getan habe.« 6

Lenz ....Warum steht da, was da steht? {13}.......


Wie es gemacht wird, kann man das nicht

Rhythmus des nicht stillstehenden Be­

dig mitlaufen zu lassen, es durchscheinen

nur von Fall zu Fall sagen, und auch das

wusstseins, einer Schnitttechnik, die das

zu lassen, ohne es direkt zu verbalisieren,

höchst eingeschränkt und unzuverlässig ?

Ganze nur in der untergründigen Amalga­

so dass der ganze Roman (für mich) das

Liebeserklärung habe ich in etwa vier Mo­

mierung seiner Teile simulieren kann, um

Ausagieren einer Liebes­ als Identitäts­

naten geschrieben. Verschiedenes münd­

es gleich wieder zu verlieren. Im Strom des

krise darstellt. Das ist seine Handlung.

ete in den Text: Sören Kierkegaards Die

Erzählens wird Heterogenes mitgerissen,

Apropos Gedicht. Schreibe ein Gedicht

Wiederholung, eine kleine Passage aus

das als solches nicht mehr aufscheint,

wie Paul Celan. Dies setzt allerdings vor­

Alain Robbe­Grillets Roman Die Wie­

sondern bereits in der Transformation als

aus, dass du ununterbrochen Celan liest.

derholung, eine Prosaskizze (Brief ) von

Motiv, Folge oder Abglanz des zentralen

Sei überzeugt davon, dieses Gedicht sei

Heinrich von Kleist samt Details aus

Themas »Liebe« (zu einer Person, zu

von Paul Celan. Bist du in diesem Ge­

seiner Klingstedt­Zeit, Gedichte u. a. von

einem Land). Die Referenzen zwischen

dicht zu Zuhause ? Was fehlt dir an diesem

Samuel Beckett, Alexander Block,

Innen und Außen, die Adressierungen der

Gedicht ? Verbessere nun das Gedicht. Ist

Rolf Dieter Brinkmann, Paul Celan,

Liebeserklärung gleiten. Erzählstrategisch

es noch von Paul Celan ?

Günter Eich, Sergej Jessenin, Ernst

möglich gemacht wird dieses Gleiten

Schreibe ein Gedicht wie Rilke und

Jandl, Friederike Mayröcker, Song­

durch das Wahrnehmungsmodell Bahn­

begründe, warum es nicht von Goethe sein kann – aber auch nicht von dir.

texte u. a. von Herbert Grönemeyer;

fahren, das dem Roman zugrunde gelegt

Fragmente der Alltagskultur (Radio, Fern­

ist. Landschaft erscheint als Kulisse inne­

Schreibe ein Gedicht, von dem du behauptest, nur du hättest dieses Gedicht

sehen, Tageszeitungen, Werbung, etc.),

rer Erfahrungsprozesse, diese wiederum

gesellschaftspolitische Vorgänge, in Zügen

finden in heterogenen äußeren Begeben­

schreiben können. Stellt dich das vor eine

und

aufgeschnappte

heiten ihre quasisymbolische Manifesta­

unlösbare Aufgabe ?

Gesprächsfetzen, Selbsterlebtes samt Ver­

tion: Alles geschieht im Zeichen der Krise.

Wähle aus deinen Gedichten das­

fremdung – und das Ganze getrieben vom

Das habe ich immer versucht, untergrün­

jenige aus, von dem du sagst, dieses

auf

der

Straße

Gedicht bin ganz ich. Erkläre das. Ent­

artige Appendix, den du an den Schluss

schrieb dann einen neuen Text.« Arbeite

zünde an diesem Gedicht eine Poetologie,

des Gedichts gesetzt hast ? Kann man den

also mit Ableitungen, Aufpfropfungen:

und zwar so kompromisslos, dass du dein

nicht streichen ? Genügt es nicht, das Ged­

Entfalte aus einem motivischen Gerin­

Gedicht für verbesserungswürdig hälst.

icht bei einem poetischen Stilleben zu

nsel des einen Textes das Thema eines

Nimm deine Gedichte immer wieder

belassen ? Wie kommt es eigentlich, dass

anderen. Vielleicht ist das der Text, den du

zur Hand, bevor du sie aus der Hand gibst.

Lieblingsfehler der Ungenauigkeit, des

schreiben wolltest. Lasse dich auf keinen

Verabschiede dich von früheren Fassungen

Vernebelten, ornamental Stimmungshaf­

Fall zu der Jammerei hinreißen, dir fiele

nur wenn du dir ganz sicher bist. Manch­

ten immer wiederholt werden ?

nichts ein. Erstens ist das kein Verdienst,

mal ist die Tagesleistung ein einziges Wort.

Oder mache es wie Velimir Chleb­

zweitens gehört das zum Geschäft. Die

Gedicht heißt, jedes Wort zählt. Hier muss

nikov (1885–1922). Über diesen »Kolum­

Arbeit an einem Gedicht heißt zunächst

die sprachliche Wünschelrute ausschla­

bus neuer poetischer Kontinente« berich­

einmal Umkreisung. Umkreise das Ge­

gen. Warum dieses Wort in dieser Zeile ?

tet Wladimir Majakowski: »Zum Korrek­

dicht wenn’s sein muss eine ganze Kladde

Krame nach: Gibt es nicht doch ein ge­

turlesen« war er »unmöglich zuzulassen

voll. Drehe und wende es. Streiche kom­

naueres Wort ? Was soll dieser blinddarm­

– er strich immer alles durch, alles, und

promisslos durch. Das Durchgestrichene

.......

{14}Breakdown 01/09

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Nach dem Schreiben ist vor dem Schreiben. Abspann.

Treibe Sport. Wer Sport treibt, macht nicht so schnell schlapp vor dem Computer, der Schreibmaschine oder dein Notizbuch. Außerdem macht Sport selbstbewusster – auch beim Schreiben. Hör mit dem Rauchen auf – fang es erst gar nicht an. Rauchen vermittelt nichts, außer den Trugschluß, beim Schreiben kreativer zu sein. Schnell ist die Packung aufgeraucht, das Blatt Papier aber noch völlig unschuldig. Hör nicht mit dem Lesen auf: Lesen als ein schöpferischer Akt ist selbst schon Schreiben.

Mitschreiben,

Vorausschrei­

ben, Nachschreiben, Umschreiben. Bringe Unordnung in dein Leben – ein Roman über diese Unordnung könnte wie­ der Ordnung hineinbringen. Geh auf Reisen. Begleite die Reise schriftlich. Beiße dich an etwas Erlebtem fest, schlachte es aus. Beschäftige dich mit der Literatur vor Ort, das lässt einen nicht immer so beschränkt sein. Monokulturell denkende und arbeitende Autoren sind das Beschränkteste, was man sich vorstel­ len kann. Literatur arbeitet mit Sprache. Was heißt da, nur ? Aus der Sprache, aus dem Sinn, aus der Welt.

scheint ja vorerst noch durch. Lies das Erreichte immer wieder laut vor. Knacken die Gelenke ? Brechen die Scharniere ? Klingt es zu geschmiert ? Wo sind die Soll­ bruchstellen ? »Geh in die Hölle: geh in Dich!« (Uwe Dick) Wenn alles nichts hilft, hilft vielleicht Chlebnikov: Chlebnikov schrieb viele kleine Zettel voll, mit denen er auch schon mal sein Kopfkissen ausstopfte. Das Kopf­ kissen ging verloren. Geht deines verloren,

Verwendete Schriften:

bist du vielleicht von einer großen Last be­

Utopia von Robert Slimbach

freit. Vielleicht hast du Glück. Das Kopfkis­

Chalet New York Nineteen-Sixty

sen wird gefunden, und du wirst berühmt.

von House Industries

........................................................................................................................................................................

Lenz ....Warum steht da, was da steht? {15}.......


1.112 | Typografische Grundlagen B

Hier steht eine Überschrift Lieber Kunde und Leser, falls Sie

132

Raster

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren. Beachten Sie nur die Zeilen­

keine Probleme haben, diesen

Er hat diesen Copyblock weder

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

breite, die er gewählt hat. Sie

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

ist weder zu lang noch zu kurz


Raster

1.112 | Typografische Grundlagen B

gewählt. Der dazugehörige Zei­

schen Freiraum nicht, um sich

Gräfick Ahts studiert. Er besitzt

l­en­abstand ist ideal. Ihre Augen

selbst darzustellen, sond­ern Sie.

keine Bücher von Neville Brody

haben keinerlei Prob­leme, vom

Er weiß, daß es Wichtiges über

oder April Greiman, und wenn

Ende einer Zeile in die nächste zu

Ihr Unternehmen oder Produkt

doch, ordnet er sie im Regal unter

gelangen.

zu sagen gibt. Und dem räumt

Kunst ein. Statt dessen pflegt er

er groß­züg­ig Platz ein. Dieser

eine liebevoll innige Beziehung

kann man Sie beneiden. Er nutzt

Mensch hat zweifelsohne nicht

zu Büchern von Tschichold und

den ihm gewährten gestalteri-

am Mäschäßutzets Inschtitut of

Otl Aicher. Und: Er liest sie.

Um einen solchen Art Direc­tor

133


1.112 | Typografische Grundlagen B

Aufgabenverzeichnis

Aufgabenverzeichnis aufgabe 1: Typografisches Tagebuch

aufgabe 7: Zwischenräume

Dokumentieren Sie Typografisches in ihrem Umfeld über

Zeichnen Sie die Zwischenräume dieser Schriftbeispiele

das Semester, notieren Sie dazu Ort und Datum. Benutzen

durch einen rechteckigen Sucher schauend vergrößert, frei-

Sie möglichst verschiedene Schreib- und Zeichengerät, aber

hand und negativ ab. Wählen Sie den Sucherausschnitt so

seien Sie sparsam mit photomechanische Abbildungsver-

klein, dass Sie keinen Buchstaben mehr erkennen und ach-

fahren. Entwerfen Sie Varianten. Fangen Sie immer wieder

ten Sie dabei darauf, dass die Schriften auf dem Kopf stehen,

neu an. Schauen Sie genau hin. Verfremden Sie. Experimen-

schräg oder gestürzt sind. Experimentieren Sie mit verschie-

tieren Sie. Entdecken Sie Buchstaben im typografischen All-

denen Stiften, Pinsel, Kreide, Tusche etc.

tag, wo gar keine sind, wo Typografie durch Gebrauch, Zerfall oder durch Ihren Blickwinkel verändert erscheint: Risse

aufgabe 8: Visitenkarten

im Asphalt, Häusersilhouetten etc. Machen Sie Entdeckun-

Gestalten und setzen Sie mindestens vier Entwürfe einer

gen. Immer mit Orts- und Zeitangabe.

einseitigen Visitenkarte (Format 55  ×  85  mm, hoch oder

aufgabe 2: Initialen

mikrotypografisches Wissen anwenden. Verwenden Sie

Nehmen Sie Ihre Initialen und bilden Sie daraus skribblend

mög­ lichst viele unterschiedliche Schrift- und Satzarten.

verschiedene Systeme von Kombinationen. Gehen Sie dabei

Misch­en Sie bei mindestens zwei Entwürfen zwei Schrift-

quer) mit den üblichen Informationen, bei denen Sie Ihr

systematisch vor und konjugieren jede Möglichkeit durch,

arten. Greifen Sie für die Gestaltung auf die Ergebnisse bis-

bis Sie das System ausgereizt haben. Entwerfen Sie aus den

heriger Aufgaben (Zwischenräume, Initialen, etc.) aus dem

entstandenen Elementen, Zeichen oder Figuren ein Flächen­

Typokurs zurück.

ornament im Format DIN A 4 quer, das Sie digital umsetzen.

aufgabe 9: Bleisatz aufgabe 3: Wortbilder

Untersuchen

Die Bedeutung eines Wortes kann durch die Wahl der Zwi-

lichst spannungsreiche Kompostionen mit einem Quadrat

schenräume, Schriftgröße und Platzierung der Buchstaben

(21 × 21 cm) und einem kleinen Text (max. 300 Zeichen) auf

auf der Seite zum Ausdruck gebracht werden. Inszenieren

einem DIN-A3-Format. Führen Sie die entstandenen, inter­

Sie

durch

Skribbeln

verschiedene,

mög-

Sie mit der Futura Bold in einem Quadrat die Bedeutung von

essanten Lösungen am Compuer in 1:1 aus. Wenn Sie sich

mindestens sechs selbst gewählten Wörtern.

für eine interessante Variante entschieden haben, die Sie

augabe 4: Ausgleichen

Ihrer Gestaltung passt. Experimentieren Sie auch mit unter-

Setzen Sie Ihren Geburtsort in Versalien, 60 Punkt Times

schiedlichen Papierqualitäten.

realisieren wollen, suchen Sie einen Text der assoziativ zu

und gleichen die Buchstabenabstände von Hand aus. Notieren Sie Ihr Kerning.

aufgabe 10: Typografisches Gestalten mit Zitaten Finden oder formulieren Sie eine persönliche Wahrheit als

aufgabe 5: Klassifikation

knappen Slogan (z.B. ›Das Leben ist schön‹ oder ›Die Welt ist

Beschreiben Sie diese Schrift und klassifizieren Sie sie. Be-

schlecht‹). Gestalten Sie diese mit typografischen Mitteln als

nennen Sie sie und charakterisieren Sie sie. Bereiten Sie Ihre

Motto in einem Roman, Demonstrationsplakat, Sensations-

Ergebnisse zu einem fünfminütigen Referat auf.

meldung, seriöse Nachricht, T-Shirt-Spruch. Notieren Sie dazu jeweils den Schriftnamen und die Punktgröße.

aufgabe 6: Typografische Topografie

134

Schrift, Satz- und Sonderzeichen beruhen auf geometri-

aufgabe 11: Wortkonturen

schen Grundelementen und Linien. Sie besitzen starke

Bilden Sie Wort- und Zeilenkonturen, indem Sie – in großen

semantische Qualitäten, die zum Illustrieren von visuel-

Schriftgrößen – die Wörter und – in kleinen Schriftgrößen –

len Ideen herausfordern. Interpretieren Sie die abgebildete

die Zeilen einer Seite in Magazinen oder Zeitungen ›zukrit-

Karte ausschließlich mithilfe von Satz- und Sonderzeichen

zeln‹. Experimentieren Sie mit verschiedenen Stiften, Pin-

einer selbst gewählten Schrift.

sel, Kreide, Tusche oder anderen Materialien.


Aufgabenverzeichnis

1.112 | Typografische Grundlagen B

aufgabe 12: Buchsatz Setzen Sie den bei ›incom‹ hinterlegten Text nach dem späten Tschichold: Verwenden Sie ein Format klassischer Prop­ ortion und einen klassischen Satzspiegel, sowie eine gut ausgebaute Serifenschrift. Denken Sie dabei an tote und lebendige Kolumnentitel, Pagina, Einzüge, Mediävalziffern und französische Anführungen. Zeichnen Sie bitte alle Titel kursiv aus und setzen Sie die Autorennamen in Kapitälchen mit Versalien.

aufgabe 13: Satzzeichen Bitte notieren Sie ein paar eigene Gedanken über ein Satzzeichen, das Sie mögen. Widmen Sie ihm eine gestaltete Hommage.

aufgabe 14: Editorialsatz Verändern Sie den Satzspiegel ihres in Aufgabe 12 gesetzten Textes und legen Sie ein mehrspaltiges Layoutraster an, mit dem Sie den Text neu arrangieren. Finden Sie vielfältige Layoutlösungen, die die Varianz Ihres Rasters zeigen.

aufgabe 15: Dokumentation Machen Sie einen Entwurf für Ihre Dokumentation. Die Doku­ mentation beinhaltet die Ergebnisse aller Aufgaben und das Beste aus Typomusterbuch und Typotagebuch. Das Format ist frei wählbar. Arbeiten Sie mit einem Layoutraster, das Sie auf einer Seite (am Anfang oder am Ende) visualisieren und reflektieren.

135




Hier steht eine Überschrift Lieber Kunde und Leser, falls Sie keine Probleme haben, diesen

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

Sie ist weder zu lang noch zu


Hier steht eine Überschrift Lieber Kunde und Leser, falls Sie keine Probleme haben, diesen

schätzen. Der verantwortliche Art

Outline gesetzt. Er hat ihn ganz

Director, der Ihnen höchstwahr-

einfach lesbar gemacht. Offenbar

scheinlich gerade diesen Entwurf

sogar ziemlich gut, sonst hätten

präsentiert, versteht sein typogra-

Sie wohl schon einige Zeilen

fisches Handwerk par excellence.

zuvor die Leselust verloren.

Er hat diesen Copyblock weder

Beachten Sie nur die Zei-

Blindtext schnell und zügig zu

gestaucht, gezerrt, noch in Versa-

lenbreite, die er gewählt hat.

lesen, können Sie sich glücklich

lien oder gar in 6 Punkt Eurostile

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