MOM

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N째1 Magazin f체r berufst채tige M체tter

bin ich eine rabenMuTTER? S.48 MEHR KRIPPEN! S. 30 GANZ DER PAPA? S. 62

ISSN 3108 NO.1 JULI 2010 4.50 EURO



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IA R O T I

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Liebe Leserinnen, wie schön, dass Sie wieder etwas Zeit für eine Zeitschrift haben. Wir wissen, dass es wirklich nicht leicht ist, ein Paar freie Minuten zu finden. Mit der Lebensform „berufstätige Mütter“ stellen sich Herausforderungen ein, von denen man in seinem bisherigen Leben nichts geahnt hat: chronischer Schlafmangel, Irrläufe im Betreuungsdschun-

Bettina Schäfer, Chefredakteurin bettina.schaefer@mom.de

gel und Keine-Zeit-für-gar-nichts-Zustände, um nur einige zu nennen. Kind und Beruf zu vereinbaren kann doch nicht so schwer sein, hatte man gedacht, das haben schließlich Millionen andere vorgemacht. Auf der Suche nach dem Idealzustand zwischen genau richtig viel Mutter, Frau und Buisness-Woman hilft MOM-Magazin mit Kompetenz und handfesten Tipps.

Jetzt aber erst mal viel Vergnügen mit erster MOM-Ausgabe!

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LT A H IN

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Editorial

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Inhaltverzeichnis

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Impressum

S.48

S.10

S.36

SEELE

ZEIT

KARRIERE

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Mütter in Zahlen

30

44

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Fototagebuch einer Mutter

36

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Kolumne

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Mehr Krippen! 24 Stunden im Leben einer Mutter

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Frauen in Teilzeitfälle TITELGESCHICHTE: Berufstätige Mütter = Rabenmütter?

Guter Sex trotz kleiner Kinder

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Mütter in Zahlen seite 15

Mütter in Zahlen seite 15

S.62

Mütter in Zahlen seite 15

S.74

S.82

KIND

FIGUR

TRENDS

58

Moderne Mütter

74

80

60

16QM Kinderzimmer

61

Spiegelspiele für Kids

62

Die häufigsten Problemzonen nach der Schwangerschaft

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Schluss mit dem BärchenTerror! Sommer-Neuheiten

Ganz der Papa? Wem sieht das Kind ähnlich?

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16%

ALLER MÜTTER IN DEUTSCHLAND SIND ALLEINERZIEHEND

9h 16MIN KÜMMERT SICH DIE MUTTER EINES UNTER DREIJÄHRIGEN KINDES TÄGLICH IM SCHNITT UM IHR KIND. WENN DAS KIND ZWÖLF JAHRE ALT IST, SIND ES NOCH 3 STUNDEN 19 MINUTEN

11,7 36% MILLIONEN MÜTTER MIT MINDERJÄHRIGEN KINDERN GIBT ES IN DEUTSCHLAND.

06

ALLER MÜTTER HABEN DAS GEFÜHL, ZU WENIG ZEIT FÜR SICH ZU HABEN.

01/2010


INSGESAMT BEKOMMT SIE BEIM ERSTEN KIND IST DIE DURCHSCHNITTSMUTTER

29,1

1,37 KINDER

JAHRE ALT.

29%

DER MÜTTER MIT KINDERN UNTER DREI JAHREN

ARBEITEN

39%

BEI MÜTTERN VON DREI- BIS SECHSJÄHRIGEN SIND ES 59% WENN DIE KINDER ZWISCHEN ZEHN UND FÜNFZEHN JAHREN SIND, ARBEITEN BEREITS

%

70

GUTES AUSSEHEN  44%

DER MINDERJÄHRIGEN KINDER, DIE GEFRAGT WURDEN, WAS DIE IDEALE MUTTER AUSMACHE, ANTWORTEN MIT

WÜRDEN GERNE MEHR ARBEITEN, WENN DIE KINDER GUT BETREUT WÄREN. 07


SEELE

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M端tter in Zahlen

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Fototagebuch einer Mutter

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Kolumne

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Guter Sex trotz kleiner Kinder

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INTERVIEW

Als Mutter bin ich wahrscheinlich eher streng

INTERVIEW Julia Motinova FOTO Anastasia Chernyavsky

EIN FOTOTAGEBUCH EINER MUTTER.

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12. Schwangerschaftswoche

12

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16. Schwangerschaftswoche

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24. Schwangerschaftswoche

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35. Schwangerschaftswoche

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MOM: Wie sind Sie zum Fotografieren gekommen? Wie fing es an? Haben Sie Fotografie studiert? A. Chernyavsky: Eigentlich spiele ich Violine seit ich 6 bin. Habe in einer Musikschule bei Kazaner Konservatorium Unterricht bekommen. Ich war immer Musikerin. Dann Studium am Konservatorium, Umzug nach USA. Hier habe ich weiter Violine gespielt, aber nicht nur klassische Musik, sondern auch Jazz und Klezmer. Mein Mann ist auch Musiker. In dem Jahr, als mein Mann eine Stelle im Quartett bekam und mit dem auf Tour ging, wurde ich schwanger. Er war immer unterwegs und ich blieb mit dem Kind zuhause. Dann machte ich von meinem Kind Fotos. Ich habe die Fotos ganz oft an meinen Verwandte und Freunde verschickt. Meine Fotos kamen gut an und kurz darauf bekam ich paar Angebote fremde Kinder zu fotografieren. Alle meine Freunde und Bekannte wurden von mir fotografiert. Am Anfang habe ich die Fotos umsonst gemacht. Dann habe ich einige Fotos online gestellt und habe sofort ein Angebot für eine Lehre bekommen. Nach einigen Probestunden habe ich bemerkt, dass ich es eigentlich nicht wirklich brauche. Danach habe ich nirgendwo Fotografie weiter studiert und habe mich nur über eigene Selbstbildung entwickelt. Offensichtlich haben meine Musikkenntnisse mir weiter geholfen: Balance, Harmonie, Komposition und Stil - alles wird auch in Musikstudium beigebracht. MOM: Ihre erste Kamera? A. Chernyavsky: Zenit. Alt, unzuverlässig, aber mit guter Optik. Er hat den Film gerissen, die Blende war zu laut, der war aber mir viel wert. MOM: Wie schätzen Sie sich als Fotograf ein: ist es ein Beruf für Sie oder ein Hobby? A. Chernyavsky: Momentan ist die Fotografie mein Beruf, weil ich damit Geld verdiene und nicht mit der Musik. Und trotzdem denke ich weiter in Noten. Das heißt ich werde die Musik nie aufgeben. MOM: Sie haben zwei Kinder? Wann finden Sie Zeit für Fotografie? Ist es schwer für Sie den Beruf mit Kindererziehung zu verbinden? Wer hilft Ihnen dabei? Haben Sie eine Tagesmutter? A. Chernyavsky: Die Zeit fehlt natürlich. Ich bin allein mit dem Mann da, ich meine, wir haben keine weitere verwandte in der Nähe. Wenn meine Eltern uns besuchen, werden wir für kurze 16

Zeit entlastet. Und genau in dieser Zeit kann ich die laufenden Projekte abschließen und mit den neuen beginnen. Schade aber, dass Eltern so selten aus Russland herkommen. MOM: Beschreiben Sie bitte Ihren typischen Tag. A. Chernyavsky: Ich befürchte, es geht nicht. Der größte Unterschied zwischen meinen Töchtern ist nicht das sie so verschieden sind. Meine Einstellungen zur Mutterrolle haben sich geändert. Vor der ersten Geburt war ich sehr aufgeregt, habe viel gelesen und mich beraten lassen, habe ein Tagebuch geführt und alles vorschriftsmäßig gemacht. Ich habe mich beim Stillen nach Zeitplan gehalten. Bei der zweite Tochter bin ich lockerer geworden: die isst wann sie will, schläft wann sie müde ist. Nur abends versuche ich die Beiden zeitgleich ins Bett zu bringen. Bei uns ist jeden Tag voll geplant. Meine ältere Tochter besucht ganz viele Kursen: Violine, Malen, Schwimmen, Sonntagsschule. Dazwischen gehe ich auch ganz viel mit meiner jungeren Tochter spazieren. Deswegen sieht mein typischer Tag immer unterschiedlich aus. MOM: Treiben Sie Sport? A. Chernyavsky: Nein, leider nicht wirklich. Ich liebe Tanzen, Schwimmen und Reiten, aber ich habe zu wenig Zeit dafür. MOM: Empfinden Sie sich als erfolgreiche Frau? A. Chernyavsky: Na ja, so wirklich erfolgreich kann ich mich nicht nennen, aber ich bin zufrieden mit mir.

A. Chernyavsky: Sie werden staunen, aber ich habe wirklich von Anfang gewusst, dass es die Reihe von Fotos wird und nichts wird mich daran hindern. Trotz mehrerer Fehlgeburte in letzten Jahren habe ich diesmal schon ab 5. Schwangerschaftswoche angefangen, mich zu fotografieren. Irgendwie war ich sicher, dass dieses Mal alles gut wird. Jedes Bild wurde wirklich durchgeplant. Manche Motive habe ich mir monatelang vorgestellt. Es war inszenierte Fotografie zum Thema, das aus meinem realen Leben kam. Vor kurzem habe ich ein Fotobuch entworfen und online publiziert. Ich hoffe, jetzt kann ich mein Projekt besser bei Verlagen präsentieren. Mein Projekt ist nicht nur die Fotos, das ist das Festhalten von meinen inneren und äußeren Veränderungen. In dem Buch habe ich auch beschrieben, was mit in Grunde passiert ist. Kurz gesagt: Mit der erste Tochter hat sich die Welt für mich geändert, mit der zweite Tochter war die Welt wieder in Ordnung. MOM: Mag Ihre ältere Tochter vor der Kamera stehen? Und Ihr Mann? A. Chernyavsky: Meine ältere Tochter mag fotografiert zu sein. Die wird sogar sauer, wenn ich jemanden anderen fotografiere und nicht sie. Mein Mann mag keine Fotos, aber wenn es wirklich nötig ist macht er mit.

INFO

MOM: Sind Sie eine gute Mutter? A. Chernyavsky: Als Mutter bin ich wahrscheinlich eher streng. Aber wenn ich mich an meiner Kindheit denke, dann bin ich in Vergleich zu meiner Mutter doch lockerer.

Anastasia Chernyavsky geboren in Kazan, Russland. Zur Zeit wohnt mit ihrem Mann und zwei Töchter in Los Angeles. Das Fotobuch von Anastasia Chernyavsky

MOM: Können Sie von sich aus sagen, dass Sie ausgeglichen leben? Würden Sie lieber mehr arbeiten oder mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen. A. Chernyavsky: Ich würde lieber mehr arbeiten, aber ich denke, so weit meine Tochter noch klein ist, kann ich ohne finanzielle Probleme zuhause bleiben. MOM: Wie entstand Ihre Fotostrecke über die Schwangerschaft: kamen Ihre Bilder spontan oder haben Sie die vorher durchgeplant? War diese Fotostrecke schon irgendwo veröffentlich?

Erhältlich nur unter www.styush.com Preis: 45$ 01/2010


FOTO Anastasia Chernyavsky

Mit der Geburt des ersten Kindes wurde meine Welt auf den Kopf gestellt. Als das zweite geboren wurde, richtete sich alles wieder ein.

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MAMA, MIR IST LANGWEILIG! Es ist eigentlich nicht immer n旦tig viel Spielzeug f端r das Kind dabei zu haben. In manchen Situationen, wie z.B. bei einer Zugfahrt oder beim Arzt, reicht ein kleiner Schminkspiegel. Auf der Seite 61 finden Sie ein einfaches Spiegelspiel f端r Kinder.

S.61 19


KOLUMNE

Viele junge MÜTTER empfinden so, doch niemand spricht es aus: „Mir ist so langweilig!“ 20

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TEXT Jonna Roiko

Vor eine Woche waren sie krank, beide, mein Freund Lucas, meine Tochter Ada. Das Wetter war schlecht, es regnete ununterbrochen, es war kalt, und ich war mit so ziemlich allem am Ende: Kraft, Nerven, Latein. Ich habe den Müll runtergebracht, zu en Tonnen im Hof, es war Nachmittag, ich war das erste Mal an diesem Tag draußen. Ich blickte nach oben, zum Himmel, es hatte aufgehört zu regnen, ein bisschen sah man die Sonne. Und dann, in diesem Moment, für eine, vielleicht für zwei Sekunden, habe ich gedacht: Schmeiß den Müll weg und geh. Geh einfach durch die Tür. Verschwinde. Komm nicht wieder. Lass es hinter dir. Ich bin natürlich nicht gegangen, ich bin ja nicht wahnsinnig. Ich liebe meine Tochter und ich liebe meinen Freund und ich liebe mein Leben – wenn da nur nicht oft dieser Stress wäre – und, noch viel schlimmer, viel öfter diese Langweile.

Ich habe mir eigentlich nie viele Gedanken über Kinder gemacht oder darüber, wie mein Leben aussehen wird, wenn ich einmal Kinder habe. Es schien mir nicht vorstellbar. Dann, als ich mit dreißig schwanger wurde und die Ratschläge und die Geschichten von jungen Mütter hörte, da ahnte ich nicht, dass die einmal etwas mit meinem Leben zu tun haben werden. Heute weiß ich, dass es Tage gibt, an denen man keine Zeit hat, um zu duschen, dass es Abende gibt, an denen man so fertig, so kaputt ist, dass man im Stehen einschlafen könnte. Und ich weiß, dass es die Langweile gibt. Am Anfang habe ich noch an die heilende Kraft dieser Langweile geglaubt, daran, dass Routine gut ist, für das Kind und für mich. Feste Tagesabläufe. Rituale. Eines meiner Rituale im ersten Lebensjahr meiner Tochter Ada war das Spazierengehen. Ich glaubte, ich bin eigentlich ein ganzes Jahr nur spazieren gegangen – was soll man denn auch anderes machen mit einem Kind, das noch nicht lauen kann, noch nicht spielen will? Man geht spazieren. Was für manche Erholung ist, ist für mich sterbenslangweilig. Schlimmer aber sind die tristen Nachmittage, vor allem im Winter, wenn es früh dunkel wird, wenn Lucas noch arbeitet, wenn meine Tochter schläft. Dann kommt zur Langweile das Alleinsein. Es sind leere Stunden, sie haben keine Aufgabe für mich, sie lassen mich einsam zurück, ich kann nichts machen, ich kann nur warten, dass etwas passiert. Aber auch das, was passiert, ist meistens das Gleiche: Ada wacht auf, Lucas kommt nach Hause, wir bringen Ada ins Bett, essen gemeinsam, schauen einen Film, schlafen irgendwann ein, Ada ist nebenan. Es ist friedlich, gemütlich, und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los. Seit ein paar Wochen geht Ada zu einer Tagesmutter, von neun bis drei Uhr ist sie dort. Dann hab ich Zeit für mich, aber das ist seltsamerweise die Zeit, in der ich Ada am meisten vermisse. Ich gehe dann zum Yoga oder ins Fitnessstudio, treffe Freunde zum Mittagessen. Ich tue Dinge, um die zeit zu überbrücken, bis Ada wieder bei mir ist. In dieser Zeit denke ich dann manchmal an das Leben, das ich einmal hatte, es kommt mir vor wie das Leben einer anderen Frau. Lucas und ich haben uns vor vier Jahren kennen gelernt, in Barcelona, was ja Sinn macht, den ich komme aus Finnland, er aus Südtirol. Unsere zeit in Barcelona, lange vor Adas Geburt, bestand zum einen natürlich aus Arbeit: ich hatte einen Marketingjob, Lucas arbeitete als als Multimediadesigner. Wenn wir nicht arbeiteten, dann gingen wir an den Strand, hingen rum, waren auf Konzerten – und wir reisten viel. Ich glaube heute, dass mein damaliges Leben eine andere Art der Langweile war, gleichförmig, alles wiederholte sich: Freunde treffen, ausgehen, arbeiten... Die Spontaneität, die ich heute so vermisse, der größte Gegner der Langweile, die habe ich früher eigentlich viel zu selten eingesetzt. Jetzt geht auch das nicht mehr, um die Langweile zu bekämpfen, es macht keinen Sinn mehr. Gerade war ich mit Lucas ein Wochenende lang in London, meine Mutter hat in Berlin auf Ada aufgepasst. Ich habe alte Freunde getroffen, Freunde aus meinem früheren Leben, wir saßen in einer Bar und haben geredet, darüber, wer gerade welchen Job macht. Es war, nun ja, auf eine andere Art: langweilig. Früher, in diesem alten leben, kam Lucas manchmal nach Hause und sagte: „Zieh dich hübsch an, wir gehen aus“. Das war normal, Alltag. Diesen Alltag gibt es nun nicht mehr, der Alltag jetzt besteht darin, Pläne, die man gemacht hat, einzuhalten. Und er besteht darin, sich selber zu kontrollieren, die Langweile aufrechtzuerhalten: Wenn ich ausgehe, dann ist nach zwei Gläsern Wein Schluss. Meine nacht endet um sechs Uhr, wenn Ada aufwacht. Wenn ich da sein muss, da sein will. Für sie. Für immer. Jonna Roiko, 32, lebt mit ihrer 16 Monate alten Tochter und ihrem Freund in Berlin. 21


SEELE

Gl체cklich mit der Familie, aber im Bett l채uft nichts? Sie betrifft das Thema nat체rlich nicht. Aber mal lesen, wie es anderen so geht, kann ja nicht schaden...

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GUTER SEX TROTZ KLEINER KINDER 23


TEXT Marietta Canavaro

S

ie schauten betreten, alle. Vielleicht war es naiv von mir, das Thema so achtlos und roh auf den Tisch zu werfen wie ein Metzger einen Schweinenacken. „Sex trotz Kindern“ – vermutlich ist das überhaupt kein Gesprächsstoff für ein Abendessen unter Freunden. Aber seit ich begonnen hatte, dieses Buch zu lesen, von dem ich Ihnen gleich viel erzählen werde, beschäftigte mich wie ein Ohrwurm die Frage: Was ist bei anderen Paaren los? Was ist bei... Und ich war es leid, darüber nur heimlich zu spekulieren. Ich hätte die Runde, in der ich saß, ebenso gut auf Hautkrankheiten oder den Tod ansprechen können, es wäre eine ähnliche Art von Schweigen gefolgt, ein Schweigen, in das man sich nicht einmal zu räuspern traut. Die Runde bestand aus drei Ehepaaren: Silvia und Frank, Anna und Fredrik, meinem Mann und mir. Und Bernhard, einem Frührentner, der dreimal verheiratet gewesen war, recht umtriebig eine vierte Frau suchte und von dem niemand mehr wusste, wie er eigentlich in unseren Freundkreis gedrungen war. Bernhard war es auch, der die Stille durchbrach. „Ehebruch!“, rief er: „Das ist eure einzige Chance. Nur wer untreu ist, kriegt auch wieder Lust auf seinen eigenen Partner.“ Viel Spaß, Nummer vier, dachte ich. Mein Mann und ich fassten einander unter dem Tisch bei den Händen. Wir sind nun drei Jahre verheiratet und haben einen sechzehn Monate alten Sohn. In diesem Augenblick spürten wir den kalten Atem des ehelichen Niedergangs im Nacken. War das unser Los? Ehebruch?

Tabuthema Die Sache wurde nicht dadurch besser, dass ich vom Liebesleben unserer versammelten Freunde schon einiges wusste. Silvia und Anna hatten zumindest gelegentliche Andeutungen gemacht, Bernhard sprach sowieso am liebsten über Sex. Silvia hatte mir einmal, kurz nach ihrem dritten Mojito, von Frank und ihr erzählt – und zwar, dass so gut wie gar nichts mehr passierte. Vor dem ersten Kind hatte es sich kaum je gelohnt, zu Hause Kleidung anzulegen; nach dem ersten Kind betrieben sie ein leidenschaftsloses, aber regelmäßiges Geschlechtsleben, einmal pro Woche; nach dem zweiten Kind hörte auch das auf. Silvia hatte abends nie recht Lust, aber morgens sind die Kinder dummerweise wach. Frank hatte immer Lust, was dazu führte, dass Silvia sich bedrängt fühlte, wo-

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durch sie noch seltener wollte, so dass wiederum frank sich zurückhielt, aus Scheu davor, erneut abgewiesen zu werden... Ach, ihre Elternschaft war eine Geschichtsstunde über erotische Verödung. Bernhard hatte keine Kinder. Anna und Frederik – ein Sohn, zehn Monate alt – lösten die Sache so, dass sie sich zum Sex verabredeten. Das hatten sie sich angewöhnt, nachdem Anna auf dasselbe Buch gestoßen war wie ich. Darin steht, man sollte Sex ebenso behandeln wie einen beruflichen Termin. Mir schauderte bei dem Gedanken. „Montag, 21 Uhr 30, Beischlaf! – Kinder hin oder her, hatte ich nicht irgendwo mal gehört, Sex habe etwas mit Spontaneität zu tun? Mit Lust und ihrem unwillkürlichen Ausbruch? Mit Funken und Feuer? Anderseits ließ mich der Umstand nicht los, dass der Terminsex laut Anna ziemlich gut funktionierte. Also beschloss ich einige Tage nach der unseligen Dinnerparty – wir hatten nach Bernhards Aufruf zur Untreue rasch das Thema gewechselt, aber da ich mit den Widrigkeiten der Unkrautbeseitigung wenig anfangen kann, waren mein Mann und ich bald darauf nach Hause gefahren, wo wir den Babysitter entlohnten, ins Bett krochen und keinen Sex hatten –, mich von diesem Buch leiten zu lassen. Nur eine Weile, um zu sehen, was geschieht.

Rückkehr der Erotik „Wild life“ lautet der Titel der deutschen Fassung des Originals „Mating in Captivity“, was mir ein bisschen drollig erscheint, da „Mating in Captivity“ so viel bedeutet wie „Paarung in Gefangenschaft“ und damit doch einigermaßen das Gegenteil von „Wild life“ . Wichtiger war mir aber ohnehin der Untertitel: „Die Rückkehr der Erotik in die Liebe“. In diesem Buch stehen praktisch ausschließlich Dinge, die mir beim ersten Lesen ungeheuerlich erschienen. Den Sex nach Stechuhr erwähnte ich bereits. Die Autorin Esther Perel, eine Paartherapeutin in New York, der sicherlich therapietbedürftigsten Stadt der Welt, formuliert folgende Kernbotschaft: Geht auf Distanz, um Nähe wiederherzustellen. Distanz zwischen Mann und Frau, Mutter und Kind, Tisch und Bett. Je enger ein Paar zusammenwächst, schreibt Perel, in emotionaler, räumlicher und verbaler Hinsicht, erst recht in Verbindung mit der Kindererziehung – desto geringer sei die Chance des Paares, als Liebhaber zu überdauern.

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GRÜNDE FÜR SEXUELLE LUSTLOSIGKEIT JUNGER MÜTTER: 1. ERSCHÖPFUNG 2. ANGST VOR SCHMERZEN 3. UNZUFRIEDENHEIT MIT DEM EIGENEN KÖRPER 4. EMOTIONALE BEANSPRUCHUNG DURCH DAS BABY

Du bist lustig, Esther, dachte ich. Wie soll ich Distanz wahren zu einem Kind, das mir zu hause auf Schritt und Tritt in jedes Zimmer folgt, sogar ins Badezimmer? Oder zu einem Mann, der mich, wenn wir schon beim Stichwort „Badezimmer“ sind, schon viele Male auf dem Klo hat sitzen sehen?

Wann Eltern nach der Geburt wieder Sex haben:

Urlaub ohne Kinder Wenn das Autorenfoto im Buch der Wahrheit nahe kommt, dann sieht Esther Perel sexy aus, das muss ich sagen. Knapp fünfzig Jahre alt, verheiratet, zwei Söhne, eine verführerische Erscheinung. Sie selbst fährt einmal im Jahr für zehn Tage mit ihrem Mann in den Urlaub. Ohne die Kinder. Eine feste Regel. Über die typischen Mangelerscheinungen moderner Eltern hat sie geschrieben: „Sex steht meist ganz unten auf der Liste und kommt gegen die Dringlichkeit anderer, alltäglicher Aufgaben nicht an.“ Oh ja, dachte ich beim lesen. „Vielleicht sind wir insgeheim immer noch überzeugt davon, dass sich sexuelle Begierde mit mütterlichen Pflichten nicht verträgt.“ Aha. „Es sind nicht die Kinder, die die Flamme der Leidenschaft zum Erlöschen bringen. Es sind die erwachsenen, denen, es nicht gelingt, den Funken am Leben zu erhalten“. Aua. Und dann lese ich einen besonders ketzerischen Gedanken: Klar habe sie Verständnis für die Müdigkeit, die jede Lust erwürgt. Aber sei es nicht so gewesen, dass uns als Jungverliebten diese Müdigkeit egal war?

43%

innerhalb der ersten sechs Wochen

84% innerhalb der ersten drei Monate

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Tj a . „Drittfreie Zone“ Ich nahm mir vor, einen Monat lang so zu handeln, wie Esther Perel es Ehepaaren rät. Ohne es meinem Mann zu sagen – ich dachte, dann wirkt der Zauber bestimmt nicht mehr. Das klingt, als hätte ich Perels Empfehlungen eher wie Voodoo aufgepasst als wie therapeutische Lösungen, und wenn ich ehrlich bin, war es auch so. So schlüssig es mir schien, was Perel schrieb: Einem Ratgeberbuch zu folgen, in der Hoffnung, dadurch den Sex neu zu erfinden, erschien mir ähnlich realistisch, wie einem 2000 Jahre alten Buch nachzueifern, in der Sehnsucht, der Welt einen Sinn zu geben. Ich bin Atheistin, auch sexuell gesehen. Also, Woche eins. Ich habe bisher kein Wort darüber verloren, wie es um das Liebesleben in meiner eigenen Ehe bestellt war. Sagen wir: Es war stabil. Nicht mehr, nicht weniger. Esther Perel schreibt gegen die Kindzentriertheit moderner westlicher Familien an. Die Zärtlichkeiten, die eine Muter den ganzen Tag über mit ihrem Kind austauscht, seien zwar nicht sexuell, aber in vielen Fällen bräuchten Mütter am Abend einfach keine weitere Zärtlichkeiten mehr. Eher hätten sie das Gefühl, noch ein weiteres Kind zufrieden stellen zu müssen: ihren Mann. Nun gut. Ich bestimme einen Block einiger Stunden, in denen unser Sohn garantiert schläft, zur „drittfreien Zone“. Er braucht mich dann nicht. Auch gibt es keine Hausarbeit, keine Telefonate, keine Mails, überhaupt kein Sichkümmern um fremde Belange; nur Sex – oder zumindest die Möglichkeit dazu. Ich servierte Muscheln zum Abendessen und trug dabei nichts als ein hemd mit Spaghettiträgern, das mir kaum über die Hüfte reichte. „Hast du dich schon umgezogen? Na ja, ich bin auch total erledigt“, sagte mein Mann. Immerhin, wir hatten beide „Bett“ gedacht.

„Lediglich eine Phase“ Woche zwei. Perel beschwört die kraft des rücksichtlosen, eigensinnigen Verlangens. Ich ließ meinen Mann für drei Tage mit unserem Sohn allein und übergab mich den Händen von Masseuren und der Stille von Whirlpools in einem Wellnesshotel. Als ich am Ende des dritten Tages zurück nach Hause fuhr, fühlte ich mich frei. Ich hatte die Wohnung als Mutter verlassen, aber ich kehrte heim als Frau. Die Wohnung lag still, ich widerstand der Versuchung, im dunklen Kinderzimmer nach unserem Sohn zu sehen. Mein Mann war noch wach. Er wirkte erschöpft, aber munter. Eigentlich schien er weniger erschöpft zu sein als nach einem Wochenende zu dritt. Die Uhrzeit, zu der wir uns dann liebten, war eingedenk der Schlafenszeiten unseres Sohnes nichts Neues. Doch die Umstände verliehen diese Nacht eine Magie, die wir schon lange nicht

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mehr erlebt hatten. Ich musste – natürlich – wie der an einen Satz aus Esther Perels Buch denken: „Wenn Sie Ihre jetzige Situation lediglich als eine Phase in einer lebenslangen Beziehung ansehen, hilft Ihnen das, geduld zu üben und Hoffnung zu bewahren.“ Oder so ähnlich. Jedenfalls tröstete mich das sehr. Und ich bedauerte all die Paare, die sich kurz nach der Geburt ihres Kindes trennen, weil der Stress und die Zumutungen sie überfordern und sie sich nicht vorstellen können, dass es einmal besser wird.

Treffen mit dem Ex Woche drei. Wir verabredeten uns mit einem befreundeten Paar. Wobei das in diesem Fall ein ungenauer Ausdruck ist: Mein Mann kannte weder sie noch ihn. Ich kannte nur ihn. Er war mein Exfreund. Esther Perel empfiehlt das Spiel mit dem Feuer, um verwelkte Lust zu neuer Blüte zu bringen, und ich muss sagen, es gelang. Die Neue meines Alten ist gefühlte zwanzig Jahre junger als ich; das war es nicht, was ich prickelnd fand. Er wusste nicht einmal, mit welchem Mann er es hier zu tun hatte, aber er schien etwas zu wittern, mich zu verteidigen, für sich zu beanspruchen – zu begehren! Dieses Experiment hatte damit, dass wir ein Kind haben, nichts zu tun, da es auch bei kinderlosen Paaren funktionieren kann; doch ein gemeinsames Kind verfestigt Routinen und Sicherheit einer Beziehung noch einmal so sehr, dass es umso aufregender ist, diese spielerisch infrage stellen.

Sex nach Stechuhr Woche vier. Der Schluss war gewissermaßen auch der Anfang, denn ich probierte aus, was mich zuerst an esther perels Buch erschreckt hatte: Terminsex. Perels Argument: Spontaner Sex ist eine tolle Sache, die voller Ungewissheit steckt, leider dem Alltag von Eltern kleiner Kinder gegensätzlich. Spontan geht nicht. Daraus folgert Perel, dass man mit Sex so verfahren soll wie mit anderen Dingen, die man im Familienleben unter einen Hut zu kriegen versucht – man soll ihn planen. „Planung impliziert eine Absicht, die nicht zu unterschätzen ist. Wenn Sie sich ein Schäferstundchen vornehmen, bekräftigen Sie damit Ihre erotische Verbundenheit“, schreibt Perel. „Sie sollten die Planung als längeres Vorspiel ansehen, das eine halbe stunde oder zwei tage andauern könnte.“ Außerdem, denke ich mir, ist es zwar richtig, dass eine Verabredung zur Liebe erst mal merkwürdig klingt – aber was ist, wenn Sie sich in einem Hotelzimmer treffen und sich eine Flasche Champagner aufs Zimmer kommen lassen? Es war dreizehn Uhr an einem Samstag. Unser Sohn machte Mittagsschlaf. Ich hatte meinem Mann gesagt, er sollte sich einen Trenchcoat anziehen und einen langen weißen Schal. Dabei hatte ich ihn auf die gleiche Art angesehen wie beim Abendessen im Nachthemd., aber diesmal hielt er mich nicht für müde. Ich verkleidete mich als alleinstehende Dame von Welt in den 50er Jahren, wir schlossen unsere Tür und hörten irgendwann auf, auf einem Rascheln aus dem Kinderzimmer zu lauschen.

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SCHÖNER, ALS MAN DENKT: SEX NACH TERMIN-KALENDER

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Mehr Krippen!

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24 Stunden im Leben einer Mutter

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PROZENT DER JUNGEN FRAUEN WÜRDEN LAUT EINER FORSA-

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UMFRAGE EINE KITA ODER TAGESMUTTER IN ANSPRUCH NEHMEN...

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KIND

ABER TEXT Marietta Canavaro

...DIE BETRUEUNGSPLÄTZE FÜR KLEINKINDER FEHLEN. WARUM FUNKTIONIERT DAS PRINZIP VON ANGEBOT UND NACHFRAGE NUR AUF DIESEM GEBIET NICHT?

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D

ie Suche nach einem Krippenlatz für die kleine Alexandra begann auf die übliche Art. Das heißt, sie begann, als Alexandra 16 Zentimeter groß und streng genommen noch nicht mal Alexandra war. „Julia war gerade im vierten Monat schwanger, als wir angefangen haben, uns zu bewerben“, erzählt Vadim, der Vater. „Zerrst haben wir alle städtische Krippen abgeklappert, dann die Initiativen. Die Spalte mit dem Namen des Kindes mussten wir frei lassen.“ Vadim und Julia wohnen in München. Dort gibt es ein praktisches System: Man kann sich mit einer einziger Bewerbung bei gleich sechs städtischen Krippen anmelden. Wer sich drei oder vier Mal bewirbt, ist also bei 18, 24 Häusern im Rennen. Genutzt hat es in ihrem Fall nichts. Als Alexandra schon längst seine Konsonantenaussprache verbesserte und stehen lernte, hatten die Eltern immer noch keine Zusage. Schlimmes München? Im Gegenteil: Die Stadt baut ihr Angebot für unter Dreijährige in Hochgeschwiendigkeit aus, schneller als andere und liegt bereits bei einer „Besuchsquote“ von 27 Prozent. Das ist im Westen Deutschlands ein Spitzenwert. Ein bis zwei Jahre Wartezeit auf einem städtischen Krippenplatz sind dennoch in Regel. Ein kleiner Babyboom in den letzten Jahren ist schuld. Und in Köln, Stuttgart, Frankfurt, eigentlich überall in Deutschland – mit Ausnahme Berlins – ist die Lage ähnlich oder schlimmer: Junge Eltern tauchen an einem „Tag der offenen Tür“ zur Krippenbesichtigung auf, werden mit blauen Plastiküberschuhen durch Räume geführt, in denen viele Kinder lustig herumbrüllen, landen in einem kleinen Büro und dort bekommen sie von einer freundlichen Dame (meistens ist es eine Dame) gesagt, dass sie kaum eine Chance haben, wenn sie normal verdienen, noch ein Paar sind und somit also keine hohe 2Dringlichkeitsstufe“ haben. Ach ja, und noch was: 2Vergessen Sie nicht, sich regelmäßig zurückzumelden“. „Anspruch auf Krippenplatz in Gefahr“, „50000 Erzieher gesucht“. Aktuelle Schlagzeilen wie diese zeigen, dass es in Deutschland in den letzten Jahren nicht sehr viel einfacher geworden ist, Beruf und Elternschaft zu vereinbaren. Die schwersten Vorurteile gegen Kleinkinderbetreuung sind überwunden, doch die Praxis hält mit der Theorie kaum Schritt. das Großprojekt der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, bis 2013 Plätze für 750000 Kinder unter drei Jahren zu schaffen, wäre schon jetzt nur noch zu retten, wenn das bisherige Ausbautempo verdoppelt würde. Von der legen peilte eine Besuchsquote von 35 Prozent der unter Dreijährigen an. Erreicht sind in den westlichen Bundesländern 15 Prozent.

Die Schlusslichter Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen dümpeln bei zehn herum. Geld ist nur eines der vielen Probleme. Den Städten und gemeinen, die den größeren Teil der kosten tragen, fehlen Gewerbesteuereinnahmen. Sie geraten finanziell immer stärker in Bedrängnis. Aber in den Innenstädten fehlt es auch an geeigneten Standorten – und: Es gibt viel zu wenig Erzieherinnen. Während Vertreter der Kommunen nun dafür plädieren, einfach den Rechtsanspruch für Eltern wieder einzuschränken – schließlich droht ihnen ab 2013 der ganze Ärger vor Ort – schwärmten christliche Familienpolitiker vom Betreuungsgeld, einer Prämie für Mütter, die zu hause bleiben – was in etwa so sinnvoll ist wie eine eigene Subvention für Menschen, die nicht ins Theater gehen. Der Gedanke drängt sich auf, dass da jemand den Schuss nicht gehört hat. Im Gründe spricht unter diesen Umständen Ales dafür, selbst aktiv zu werde. Warum nicht selbst gründen? Elterninitiativen helfen ja schon seit Langem, die schlimmste Krippennot in Großstädten zu lindern – und werden dafür gefördert wie öffentliche Einrichtungen. Die Städte tun das nicht ganz uneigennützig. Schließlich hilft ihnen jeder Verein, jeder private oder freie Träger, ihre Betreuungsquote zu erhöhen. Man könnte aber auch fragen: Warum nichtgleich größer denken? der Moment für Unternehmertum ist ja eigentlich günstig. Die Nachfrage ist riesig, das Angebot noch knapp. Wo bleibt eigentlich der deutsche Krippen-Multi? Peter Wähler ist überraschenderweise gar nicht böse, wenn man sein unternehmen eine „Kette“ nennt. „Wir sehen es auch so“, sagt er. Wähler ist Gründer der Gianna Leap GmbH. Gemeinsam mit seiner Frau Helena betreibt er fünf private Kinderkrippen in deutschen Großstädten. Ende 2010 könnten es acht bis zehn sein, „wenn alles nach Plan geht.! Fragt man nach, wie die kleine Einschränkung zu verstehen sei, holt er tief Luft und wird sehr grundsätzlich. Frühkindliche Förderung sei kein Geschäft wie jedes andere. „Wenn Sie überlegen, ob Sie eine Schuhfabrik eröffnen wollen oder lieber eine Krippe, dann sollten Sie es gleich lassen.“ Krippenunternehmer wurden die Wählers im Jahr 2006, damals machten sie genau die gleiche Erfahrung wie viele andere berufstätige Eltern. Sie suchten einen Betreuungsplatz für ihren Sohn, in Stuttgart, und kamen zu dem Schluss, dass eine Gründung problemloser sei. „Wir haben beide Betriebswirtschaft in den USA studiert, meine Frau hat außerdem als Unternehmensberaterin gearbeitet“, sagt Peter Wähler.

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KIND

Eine Kinderkrippe? It´s not rocket science, würden die Amerikaner sagen. Das Konzept stand rasch: Eine bilinguale Einrichtung, in der die Erzieherinnen deutsch und englisch mit den Kindern sprechen – ohne Lernzwang und ohne „Förderitis“. Doch kein noch so cleverer Businessplan konnte die Wählers auf das Dickicht deutscher Lokalpolitik vorbereiten. In ihrer Heimat Baden-Württemberg, stellten sie fest, wird die „Kommunalisierung“ hoch gehalten. „Das heißt, 1100 Gemeinden erlassen eigene Richtlinien für die Förderung von Kinderbetreuung“ – je nach Mentalität und Gemengelage vor Ort. Kleinstaaterei wie im 19. Jahrhundert. „Dazu kommen unterschiedliche Qualitätsstandards und lange Genehmigungszeiten. Es geht hin und her von Stadtbehörde zu Landesbehörde und wieder zurück. Man braucht extrem viel Biss.“ Selbst der Unternehmer Wähler gibt zu, dass die unerbittliche Gründlichkeit des Verfahrens – Förderung, Baugenehmigung, Brandschutz gutachten – viele Vorzüge hat. Leute, die ohnehin nur einen schnellen Euro wollten, werden so aus dem Markt herausgehalten. Aber die Gesetzgebung! Wahler seufzt ausgiebig. „Nur ein Beispiel: In manchen Bundesländern sind die gemeinden schnell, aber die Landesgesetze sind schlecht. Da herrschen etwa Richtlinien über die Außenfläche von Krippen, die sind exorbitant. Die Städte selbst Beschwerden sich darüber“. Letztlich geben die öffentlichen Institutionen den Takt des Ausbaus vor. Das muss auch so sein, den Kinderbetreuung wird nie ohne Staat funktionieren, jedenfalls Inch in Deutschland. Ein simples Rechenspiel genügt, um das zu verstehen: Für sehr kleine Kinder ist ein „Betreuungsschüssel“ von eins zu vier ratsam, dass heißt auf vier Kinder kommt eine Fachkraft. In eine Initiative müssten also vier Elternpaare eine ausgebildete Erzieherin voll finanzieren. Plus ihren Anteil an Miete und allen anderen Kosten. Ein UnES IST NOCH NICHT ternehmer wie Peter Wähler müsste für einen GENÜGEND DYNAMIK IN nicht geförderten Krippenplatz in München DER ENTWICKLUNG. 1400 Euro verlangen, mit Hilfe der Stadt sind es „nur“ noch 800 Euro. in Frankfurt verlangt er mangels Förderung wirklich über 1000 Euro – „und es gibt viele Eltern, die das zahlen können“. Wenn es noch eines Beweises bedarf, dass Märkte nicht alles regeln können: Hier ist er. Gleichzeitig kann sich jeder ausreden, dass die Margen für die Unternehmer begrenzt sind. Trotz dieser Hürden zeichnet sich gerade in den Städten ein Trend hin zu nicht-städtischen Kinderkrippen ab. In Hamburg und München etwa sind es die gewerbliche Träger, die Tempo machen und Plätze in großen Mengen schaffen. Sie heißen Wichtel Akademie oder Kinderzentrum Kunterbunt. Neue Spieler betreten das Feld – wie der FC St. Pauli, der gemeinsam mit der Pestalozzi-Stiftung eine eigene Kita im renovierten Stadion aufmacht, für Kinder von null bis sechs. Es ist absehbar, dass

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es in wenigen Jahren eine größere Auswahl von städtischen, freien und gewerblichen Einrichtungen gibt, vielleicht sogar eine gesunde Konkurrenz. Momentan – da muss man ehrlich sein – nehmen Eltern mangels Alternativen zu oft einfach, was sie bekommen. Und so hat die Qualitätsdiskussion noch gar nicht richtig begonnen. „Die ganze Debatte ist noch viel zu sehr von Zahlen geprägt“, findet auch Anette Stein. Sie forscht für die Bertelsmann Stiftung über frühkindliche Förderung und hat gesehen: „Es wird nur über Quantitäten gesprochen. Aber wenn die Quantität nicht stimmt, ist den Kindern nicht geholfen.“ Was als Nächstes getan werden muss, kann sie in einem Satz erklären: „ Anstatt Betreuungsgeld zu verteilen, müssen wir in ausreichend viele und gute Erzieherinnen investieren und die Quoten an den Fachschulen erhöhen.“ Das Thema Kinderbetreuung spaltet. Mehr noch: Es gibt wohl kein anderes Thema, das in Deutschland überhaupt noch so starke Verwerfungen eines traditionellen und eines moderneren Familienbilds. Auch zwischen alteingesessenen Pädagogen und dem „neuen Markt“. Die Konkurrenzsituation kommt, und schon jetzt zeigt sich bei den Veteranen, die noch um jeden Cent für ihre kleine Initiative kämpfen mussten, das Misstrauen gegen über den neuen Mitspielern, die auf ein Mal 150 Plätze schaffen und notfalls auch bis 20 Uhr auf die Kleinen aufpassen. „Kinderbetreuung ist kein Markt“, schimpft etwa die Sprecherin einer Beratungsstelle für Elterninitiativen in den Hörer, „Ich kann von einem Telefonanbieter zum nächsten Wechsel. Ein Kind kann ich nicht einfach von einer Krippe zur nächste schieben. Da werden die Traumata von morgen produziert.“ Und sie hat ja recht: Geht ein Immer-Mehr an Flexibilität, so praktisch es für die Eltern sein mag, nicht auch zu Lasten des Kinder? Und sind die hochlackierten Krippen, in denen alles sauber und niedlich aussieht, wirklich die guten? Über all das wird zu reden sein. Ebenso über die Frage, wie viel Betreuung überhaupt sein muss: „Wir sollten keine dänischen oder französischen Verhältnisse haben – dass man schief angeschaut wird, wenn man als Mutter zu Hause bleiben will“, findet Anette Stein. Spinner sitzen leider auf allen Seiten der Diskussion. Früher gab es die christsoziale Familienpolitik, die Krippen – noch in den späten Achtzigerjahren – als „marxistisch-leninistischen“ Plan verteufelte. heute nerven die militanten Frühförderer, die behaupten, ein kleines Kind ohne ausgebildete Erzieherin sei bereits der RTL2-Dauerseher von morgen. Und dann gibt es noch die Markt-Logiker, die es allen Ernstes für ein gutes Argument halten, dass jeder Krippenplatz sich irgendwann volkswirtschaftlich rechne. das mag so sein, aber man kann auch einen Gang runterschauten und schlichter argumentieren: Kinderbetreuung ist vor allem für berufstätige Eltern eine Notwendigkeit. Und: Nur, weil es sich primär um eine Erleichterung für die Eltern handelt, geht sie noch lange nicht zu lasten der Kinder. Dass die Deutschen darüber, ob und wie viel eine junge Mutter arbeiten darf, so ausgiebig diskutieren können, macht sie zum kuriosen Völkchen. Peter Wähler sieht es so: „Wieso sollte für ein deutsches Kind schlecht sein, was für Kinder auf der ganzen Welt funktioniert?“

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ANTEIL AUßERFAMILIÄR BETREUTER KLEINKINDER UNTER DREI JAHREN IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERN (STAND 2009) Dänemark Niederlande Schweden Belgien Spanien Großbritanien Frankreich Italien Deutschland Litauen Osterreich Polen Tschechische Republik EU-Durchschnitt 0%

22&

44%

66%

88%

© Statista 2010

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24 ZEOT

stunden im leben einer mutter TEXT Marietta Canavaro

WAS MACHEN DIE MÜTTER DEN GANZEN TAG? WIE VIEL ZEIT HABEN SIE FÜR SICH? WIR HABEN 4 MÜTTER nach ihren typischen tag GEFRAGT.

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36% ALLER MÜTTER HABEN DAS GEFÜHL, ZU WENIG ZEIT FÜR SICH ZU HABEN.

9h 16min KÜMMERT SICH DIE MUTTER EINES UNTER DREIJÄHRIGEN KINDES TÄGLICH IMSCHNITT UM IHR KIND. WENN DAS KIND ZWÖLF JAHRE ALT IST, SIND ES NOCH 3 STUNDEN 19 MINUTEN.

44% WÜRDEN GERNE MEHR ARBEITEN, WENN DIE KINDER GUT BETREUT WÄREN.

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ZEOT

00:00

ICH HABE ERST JETZT VERSTANDEN,

Manchmal wird Alexandra noch nachts wach.

01:00

DASS ICH MIR ZU VIEL VORGENOMMEN

02:00

HABE. KIND, ARBEIT UND DIPLOM -

03:00

ES GEHT GAR NICHT...

04:00 05:00 06:00 07:00 08:00

Aufwachen. Ich mache die Alexandra für die KiTa fertig. Frühstuck für Alexandra, Kaffee für mich.

09:00 Alexandra in KiTa abgeben. 10:00 11:00 12:00

Zeit für mich: Arbeit (Freelance), Studium (Diplomarbeit) oder Fitnessstudio, Einkäufe, Haushalt.

13:00 14:00

Mittagsessen.

15:00 16:00 17:00 18:00

Spielen mit Alexandra.

20:00

Abendessen für alle.

22:00

mit der Tochter Alexandra (1,5), Düsseldorf 38

Kleine Zwischenmalzeit zuhause.

19:00

21:00

(26)

Alexandra abholen. Wir gehen direkt dann spazieren und essen auch draußen, jede zweite Woche gehen wir schwimmen.

23:00

Alexandra geht ins Bett. Zeit für mich und meinen Mann. Ganz oft arbeite ich in dieser Zeit an meiner Diplomarbeit.

24:00

01/2010


00:00 Zeit für meine Arbeit: 01:00

Ich arbeite meistens nachts. Dann kann ich mich endlich gut konzentrieren und mir fallen

(28) mit dem Sohn Dima (14 Monate), Paris

02:00

mehr Ideen ein.

03:00 04:00 Ich gehe endlich ins Bett 05:00

ICH ARBEITE MEISTENS NACHTS. NUR DANN KANN ICH MICH GUT KONZENTRIEREN!

06:00 07:00

Dima wacht auf. Der Papa macht Frühstuck.

08:00

Dima spielt mit Papa.

09:00

Fläschchen für Dima.

10:00

Dima spielt weiter mit Papa oder sie gehen spazieren.

11:00 12:00

Ich stehe auf, mache mich für den Tag fertig.

13:00

Mittagsessen für Dima Dann gehen wir spazieren.

14:00 15:00 Dima macht Mittagsschlaf 16:00 Zeit für mich: 17:00

Fitnessstudio / Internet Es hängt immer davon ab, ob mein Mann an

18:00

diesem Tag arbeitet oder frei hat.

19:00

Abendessen für alle.

20:00 21:00 22:00

Zeit für mich und meinen Mann

23:00 24:00

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ZEOT

00:00

Alisa schläft immer die ganze Nacht durch.

01:00 02:00 03:00 04:00 05:00 06:00 07:00

(27) mit der Tocher Alisa (10 Monate), New York

08:00

Aufwachen.

09:00

Frühstuck für Alisa. Frühstuck für mich.

10:00

Spielen mit Alisa.

11:00

Alisa macht erstes Mittagsschlaf.

12:00

Zeit für mich: Duschen, Gesichtpflege, mache mich für den Tag fertig.

13:00

Mittagessen für Alisa.

14:00

Spaziergang mit Alisa und meinen Freundinen. Normalerweise esse ich auch in dieser Zeit etwas zwischendurch. Oder wir besuchen unterschiedliche Babykurse mit Alisa in diese Zeit. Dann schläft sie auch ca. 1 Stunde.

15:00

MOMENTAN GENIESSE ICH DIE ZEIT

16:00 Kleine Zwischenmahlzeit für Alisa.

MIT ALISA. IN ZWEI MONATEN

17:00

SETZE ICH MEIN STUDIUM WIEDER

18:00

FORT, DANN WIRD ES WIEDER

19:00

ETWAS STRESSIGER.

20:00

Ich mache Abendessen für mich und meinen Mann. Alisa spielt alleine. Abendessen.

21:00

Zeit für mich: Schwimmbad, Yoga oder Fitnesstudio. Alisa bleibt mit Papa. Brei für Alisa, Baden, ins Bett bringen.

22:00 Zeit für mich und meinen Mann. 23:00 24:00

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00:00

Vanya schläft immer die ganze Nacht durch.

01:00 02:00 03:00 04:00 05:00 06:00 07:00

ZEIT FÜR MICH? DIE HABE ICH KAUM NOCH...

08:00

Aufwachen. Schnell für die KiTa fertig machen.

09:00

Auf dem Rückweg von KiTa mache ich notwendige Einkäufe.

10:00 11:00

Zeit für mich: Ca. 2-3 Stunden arbeite ich dann am Computer.

12:00 13:00 14:00 15:00

Ich hole Vanya von KiTa ab und wir gehen noch für eine Stunde spazieren.

Vanya macht Mittagsschlaf. Ich habe etwas Zeit für mich. Haushalt, Arbeit.

16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00

Spielen, malen, lesen. Papa kommt nach Hause. Abendessen für alle. Dann gehen wir wieder spazieren, wenn das Wetter schön ist. Kleines Snack für Vanya. Baden.

(29) 22:00

mit dem Sohn Vanya (2,5), St.-Petersburg

23:00 24:00

Vanya geht ins Bett.

Zeit für mich und meinen Mann oder ich arbeite am Coputer.

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KARRIERE

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Frauen in Teilzeitf채lle TITELGESCHICHTE: Berufst채tige M체tter = Rabenm체tter?

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KARRIERE

Frauen in der Teilzeitfalle Ein bisschen Arbeit, ein bisschen Familie - davon träumen Frauen. Dafür setzen sie ihre Karriere aufs Spiel. Denn in der deutschen Teilzeit-Realität steigt man nicht auf, und wer schon oben war, steigt in Teilzeit oft ab.

TEXT Melanie Amann

S

echs Monate war Heike Casper auf Job-Suche. Ein halbes Jahr lang durchforstete die 41-Jährige ihre Firma nach einer Teilzeitstelle, mit der sie Führungskraft und Mutter sein konnte. „Bevor das Baby kam, war ich Bereichsleiterin, das ist zwei Ebenen unter dem Vorstand“, sagt die Betriebswirtin. „Ich habe locker 130 Prozent gearbeitet.“ Jetzt, mit dem Kind, will Casper 60 Prozent arbeiten. Aber wie? Es soll nicht irgendein Job sein, sondern eine interessante, anspruchsvolle Aufgabe. Aber derlei hat ihr Arbeitgeber nur für die Vollzeitkollegen im Angebot. Jetzt hangelt sich die Managerin von Projekt zu Projekt. Heike Casper lebt die deutsche Teilzeit-Realität. Hier steigt man nicht auf, und wer schon oben war, steigt in Teilzeit oft ab. Hier gibt es keine Konzepte, wie sich Teilzeitkräfte sinnvoll einsetzen oder fördern ließen. Stattdessen werden alte Aufgaben neu vergeben, und neue Aufgaben sind nicht in Sicht. „Teilzeit bleibt eine Karrierefalle“, sagt Corinna Kleinert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Wer sich für ein bisschen Arbeit und ein bisschen Familie entscheidet, entscheidet sich in aller Regel gegen die Karriere. Seit dem Jahr 2000 untersucht die IAB-For-

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scherin Corinna Kleinert die Arbeitszeiten von Führungskräften. Ihr Fazit: „In Führungsetagen bleibt Teilzeit ein Randphänomen und reine Frauensache.“ Nur zwei Prozent der männlichen Führungskräfte reduzierten ihr Pensum – dabei zeigten Umfragen immer wieder, dass eigentlich auch die Väter gerne mehr Zeit für ihre Familien hätten. Aber wer führen will, muss eben große Projekte stemmen, Stunden schrubben, stets erreichbar sein. „Männer verbringen häufiger als Frauen extrem viel Zeit im Job“, sagt Corinna Kleinert. Dafür entscheidet sich jede zweite Frau gegen Vollzeit, hat das IAB ausgerechnet (siehe Grafik). Seit den neunziger Jahren wächst die Armee der Teilzeitfrauen – nur eben in die Breite, nicht in die Höhe.

„Man fällt einfach durch das Karriere-Raster“ Heike Casper, die eigentlich anders heißt, arbeitet seit 14 Jahren bei ihrem Arbeitgeber – einem der größten deutschen Konzerne mit mehr als 120.000 Mitarbeitern in gut 100 Ländern, der schon manchen Preis für Familienfreundlichkeit einheimste. In der Zeit des Klinkenputzens hat die Managerin ihren Arbeitgeber ganz neu kennengelernt. „Ich hätte 01/2010


Altersgruppe des Kindes in Jahren

Anteil erwerbsTäTiger Mütter 2009 Nach Alter des jüngsten Kindes

29%

unter 3

59%

3-6

65%

70%

6-9

10 - 14

Quelle: Mikrozensus. © Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2010

nicht gedacht, dass man mit Teilzeit bei uns dermaßen abgemeldet ist“, sagt Casper. „Man fällt einfach durch das Karriere-Raster.“ Bösen Willen würde Casper niemandem vorwerfen, nur systematisches Desinteresse. Gut vernetzt, wie sie ist, kennt sie ein halbes Dutzend Geschichten wie ihre. Etwa die der Kollegin, die in Teilzeit aus der Babypause zurückkehrte und nichts mehr zu tun bekam. Ihr VollzeitSchwangerschaftsvertreter blieb an Bord und machte die Arbeit, sie saß daneben. Oder die Kollegin, die sich in der Babypause erkundigte, ob denn die versprochene Teilzeit klappen werde. Ja, teilten die Zuständigen mit, aber sie wisse: Man könne weder eine „exakt gleichwertige Stelle“ garantieren noch den Zeitpunkt der Rückkehr. „Wir kommen rechtzeitig auf Sie zu.“ Seither ist es still. Dabei haben Arbeitnehmer das Recht, ihr Pensum zu reduzieren, ohne Angabe von Gründen und ohne Nachteile zu fürchten. Wenn Arbeitgeber nicht darlegen, dass die Teilzeit sie „wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht“, müssen sie mitspielen. „Ein Stück aus dem Tollhaus“, schimpfte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, als die Reform 2001 in Kraft trat. Heute klingt er versöhnlicher,

aber nicht begeistert: „Der Rechtsanspruch auf Teilzeit hat sich nicht bewährt“, sagt Hundt. „In der Praxis bedeutet er für Unternehmen einen hohen Verwaltungsaufwand.“

„Reststellen“ werden eingespart Aber der Aufwand erschöpft sich oft darin, Teilzeikräfte irgendwie unterzubringen. Ein schlüssiges Konzept, welche Aufgaben sich mit welchen Teilzeitmodellen stemmen lassen, fehlt. Ad hoc stoppeln Personalmanager all die 40-, 60- oder 80-prozentigen Kolleginnen zusammen. Die meisten lehnen Teilzeit ohnehin ab, zeigt eine Befragung der Universität Duisburg-Essen. Mit weniger Arbeit aufzusteigen, hielten fast alle Personaler für unmöglich – und nahmen die eigene Vollzeitkarriere als Benchmark. „Ich verstehe, dass meine Chefs Besseres zu tun haben, als mir den Halbtagsjob zu finden“, sagt Heike Casper. „Aber ich verstehe nicht, warum unser riesiger interner Arbeitsmarkt nicht stärker auf Teilzeitwünsche ausgerichtet wird.“ Stattdessen würden die „Reststellen“ dieser Mitarbeiter flugs eingespart.

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KARRIERE

So arbeiten Frauen

Mehr frauen kommen auf den Arbeitsmarkt,...

...aber häufig in Teilzeit.

Deshalb stagniert ihr Arbeitspensum.

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1991

2009

4

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2009

Anteil in Prozent

1991

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Quote in Prozent

in Milliarden Stunden

Frauen Männer

Kein Unternehmen bestätigt derlei Mechanismen. „Bei uns ist Teilzeit auf allen Hierarchiestufen möglich“, heißt es fast wortgleich bei der Deutschen Bank, Siemens und der Allianz. Gezielte Führungsentwicklung für Teilzeitkräfte betreibe man nicht. Wieso auch? „Die normalen Programme stehen allen offen.“ Von individuellen, flexiblen, unbürokratischen Lösungen ist die Rede. Die Ergebnisse sprechen für sich: Im niedrigsten einstelligen Bereich bewegt sich die Teilzeitquote bei Führungskräften von Siemens Deutschland, Deutscher Bank und Allianz.

Im Büro der Frust, daheim das Schuldgefühl Die meisten Frauen wissen, dass sie sich mit Teilzeit beruflich ausbremsen. Trotzdem entscheiden sie sich dafür – und damit für mehr Frust. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-

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schung von 2009: Danach erleben Mütter mit halber Stelle nicht etwa das Glück einer gesunden Work-Life-Balance, sondern sind deutlich unzufriedener als die Mütter mit Vollzeitstellen. „Viele Mütter sind wohl doch nicht so frei in der Wahl des Ausgleichs von Familie und Beruf“, mutmaßt Eva Wegner, die Autorin der Studie. Oft reduzierten die Mütter ihre Arbeitszeit aus „familiären Zwängen“, etwa mangels Kinderbetreuung. Wer so anfängt, reibt sich bald auf: Im Büro regiert der Frust über weniger Geld und weniger Verantwortung. Und daheim das Schuldgefühl, nie ganz und gar für die Kinder da zu sein. Warum das Gejammer, mag mancher Vollzeitkollege denken: Soll aus halber Arbeit etwa eine ganze Karriere werden? „Führungskräfte legitimieren sich durch Präsenz“, sagt Carsten Wippermann, Direktor Sozialforschung bei Sinus Sociovision. „Vorgesetzte, Kollegen, Ge-

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AN DER SPITZE ZÄHLT KÖNNEN

Männer 14%

Soll es Frauenquoten in Führungsposition der Wirtschaft geben?

65%

Antworten nach Geschlecht Frauen 39%

Ja

Männer 77%

Unentschieden

27%

Nein 8%

Basis: Bundesrepublik Deutschland, rund 1000 Befragte von 16 Jahren an. Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach

Frauen 53%

schäftspartner – alle erwarten, dass der Steuermann stets an Bord ist.“ Wer ein Vollzeit-Team einer Teilzeitkraft unterstelle, müsse „massive Konflikte“ fürchten. Dabei sei das Dogma der Dauerpräsenz unsinnig: „Oft wissen die Untergebenen gar nicht, ob ihre Chefs im Büro sind und was sie den ganzen Tag tun“, sagt Wippermann. Studien über die Effizienz der fleißigen Teilzeit-Bienchen gibt es zur Genüge. Wer bis 15 Uhr fertig sein muss, lungert nicht in der Teeküche herum und verzichtet auf den Schwatz auf dem Gang. So wird die Arbeit geschafft, aber nicht der Aufstieg. „Unternehmen mit flexibler Arbeitszeit profitieren immens von einer hohen Arbeitsmotivation, niedrigem Krankenstand, geringer Fluktuation, gutem Betriebsklima und größerer Produktivität“, zählt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle auf. „Wir erwarten einen Fachkräftemangel in Deutschland“, warnt er. Schon deshalb würden die Firmen

den Wünschen qualifizierter Mitarbeiter nach flexibleren Arbeitszeiten bald mehr entgegenkommen. Seit sich manche Betriebe Frauenquoten für die Führungsebene verabreichen, sind ihre Personaler auch geradezu gezwungen, Halbtagskarrieren zu fördern. Zum Beispiel die Telekom, die als erstes Dax-Unternehmen vorpreschte mit einer Quote: „Wir wollen den Mitarbeitern vermitteln, dass Führungskräfte nicht ständig am Schreibtisch sitzen müssen“, sagt Mechthilde Maier, Leiterin für Diversity bei der Telekom. Reine Präsenz dürfe keine Messgröße für Leistung sein. „Wichtiger ist, dass man ansprechbar ist.“

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TITELGESCHICHTE

Berufst채tige M체tter

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Rabenmütter?

Schulprobleme, gerade wenn ein wichtiger neuer Auftrag ansteht, dringendes Kundenanliegen am selben Nachmittag wie das Kindergartenfest - wer Kinder und Karriere hat, sitzt oft zwischen allen Stühlen. Für selbstständige Mütter gilt das erst recht, denn sie sind beruflich besonders eingespannt. 49


TITELGESCHICHTE

Arbeitende M端tter verbringen die knappe Zeit mit ihren Kindern besonders bewusst und schenken ihnen am Abend und an den Wochenenden viel Aufmerksamkeit, weil sie einen gewissen Nachholbedarf sp端ren.

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TEXT Ann Yacobi

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as Thema Frauen und Beruf, vor einem halben Jahrhundert ein heißes Eisen, ist heute - zum Glück - ein alter Hut. Dagegen immer noch ein Dauerbrenner: Mütter und Beruf. Wenige Themen werden so heiß diskutiert wie die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ - gemeint ist nur die Berufstätigkeit von Müttern. Dabei hat es arbeitende Mütter immer gegeben. Was derzeit Politiker aller Parteien debattieren, ist für die meisten selbstständigen Mütter längst Realität: Nach einer kurzen Auszeit nach der Geburt der Kinder nimmt der Beruf wieder mehr oder weniger Raum ein; der Nachwuchs ist irgendwo gut untergebracht. Trotzdem ist die Rückkehr in die Selbstständigkeit oft ein Hindernislauf: Große berufliche Anforderungen wollen gemeistert werden, ohne die Bedürfnisse der Kinder und der ganzen Familie zu vernachlässigen. Das schlechte Gewissen gibt es gratis dazu. Beim Blick über die Landesgrenzen stellt man fest, dass es die „Rabenmütter“-Diskussion in den Nachbarländern gar nicht gibt. Ob in Skandinavien, Frankreich oder England: Berufstätige Mütter gehören ins gesellschaftliche Bild und bekommen Anerkennung für das, was sie leisten. Die meisten Mütter kehren bald nach der Geburt in ihren Beruf zurück. Es gibt ganztägige Betreuungsplätze für kleine und große Kinder. Sie wachsen mit der Gewissheit auf, dass beide Eltern arbeiten und alle Kinder ab einem gewissen Alter außerhalb des Elternhauses betreut werden. In Deutschland wird man hingegen immer noch mit dem Bewusstsein groß, dass Mütter zu Hause sind und sich um die Familie kümmern, während die Väter arbeiten. Natürlich ist auch für unsere Nachbarinnen die Balance zwischen Kindern und Karriere nicht immer einfach, aber die Frage „Kind oder Beruf?“ stellt sich so nicht.

Alte Rolle und die Rolle vorwärts Ob nun selbstständig oder angestellt, Voll- oder Teilzeit: Wir Mütter fühlen uns oft hin- und hergerissen zwischen Firma und Familie. Einerseits genießen wir es, wieder Anerkennung im Beruf zu finden und mehr soziale Kontakte zu haben. Gespräche zu führen, die sich nicht um frühkindliche Trotzphasen und gelungene Schulaufführungen drehen. Andererseits haben wir Schuldgefühle unseren Kindern gegenüber, weil es ihnen schaden könnte, dass wir nicht rund um die Uhr für sie da sind. Meist haben wir nach einer Auszeit auch noch das Gefühl, unsere Kompetenzen neu beweisen zu müssen, weil wir wissen, dass wir kritisch beäugt werden. Wir wollen Kunden wie Mitarbeitern zeigen, dass wir mit Kind die gleiche Leistung bringen, genauso zuverlässig und be-

lastbar sind - und dazu noch Familienalltag und Haushalt perfekt im Griff haben. In unserer Gesellschaft herrscht das Bild der selbstlosen Mutter vor, die rund um die Uhr für ihre Kinder sorgt und auf Berufstätigkeit verzichtet. Arbeit - erst recht selbstständige Arbeit - gilt als Selbstverwirklichung der Frau und widerspricht diesem Bild. Von dieser ideologisch geprägten Vorstellung der Mutterrolle können wir uns noch nicht lösen, und das erschwert den Alltag erheblich. Die wiederkehrenden Vorurteile kennen wir: Im Haushalt herrscht Chaos. Die Kinder sind vernachlässigt und schlecht in der Schule. Die egoistische Mutter ist immer gestresst und in Gedanken im Büro. Vielleicht kommt uns dann der Gedanke: „Wenn du nicht arbeiten würdest, wären deine Kinder besser versorgt!“ Mythos Mutterliebe - nur als Fulltime-Job?

Was die Gelehrten sagen... Nirgendwo ist die Vorstellung so tief verwurzelt wie bei uns, dass die Mutter in den ersten Lebensjahren zu ihrem Kind gehört und allein ihre Fürsorge ihm einen guten Start ins Leben garantiert. Nur Müttern, die aus wirtschaftlichen Gründen trotz Kindern arbeiten müssen, wird das einigermaßen verziehen. Es gibt aber keine Belege dafür, dass eine Betreuung außerhalb des Elternhauses den Kindern schadet. Studien aus zwei Jahrzehnten konnten keine negativen Folgen der Betreuung in Kinderkrippen, Kindergärten und Horten ausmachen - und das, obwohl sich viele Forscher redlich darum bemüht haben. Der Besuch von Krippen und Kindergärten wirkt sich positiv auf Kinder - und besonders auf Einzelkinder - aus, die im Umgang mit Gleichaltrigen wichtige soziale Fähigkeiten erlernen. Die Kinder arbeitender Mütter sind oft selbstständiger und zeigen sogar bessere schulische Leistungen, wie die PISA-Studie belegt. Ihre soziale und intellektuelle Entwicklung verläuft genauso gut wie die von Kindern, deren Mütter nicht arbeiten. Schließlich verbringen arbeitende Mütter die knappe Zeit mit ihren Kindern besonders bewusst und schenken ihnen am Abend und an den Wochenenden viel Aufmerksamkeit, weil sie einen gewissen Nachholbedarf spüren. Sie schränken meist auch andere Aktivitäten wie Haushalt, Ausgehen oder Sport zugunsten ihrer Kinder ein. Obwohl inzwischen wissenschaftlich belegt ist, dass die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung wichtiger ist als die Dauer der miteinander verbrachten Zeit: Die meisten berufstätigen Mütter meinen, dass sie zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen. 51


TITELGESCHICHTE

Kann man als erfolgreiche Unternehmerin eine gute Mutter sein? Man kann! Zu den Risiken und Nebenwirkungen, die es am Sandkastenrand eben nicht gibt, zählen berufliche Anerkennung, Selbstverwirklichung, finanzielle Unabhängigkeit und Stress.

Nichts ist mehr wie vorher...

Gute Mütter sind berufstätig! Hier steht warum: Wir schätzen die Herausforderungen im Beruf. Unsere Selbstständigkeit hält uns geistig fit, macht uns selbstbewusst und fördert soziale Kontakte. Sie ermöglicht uns finanzielle Unabhängigkeit und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben. Unsere Partnerschaft ist weniger oder gar nicht durch Diskussionen über die Finanzen belastet. Im Fall einer Trennung müssen wir nicht dauernd mit dem Verflossenen über Unterhalt streiten und werden nicht vom Staat abhängig. Nicht zu vergessen: Wir können ausreichend für das Alter vorsorgen. Wir müssen keine Fünfsterne-Mütter sein, weil unsere Kinder nicht unser einziger Lebensinhalt sind. Wir erdrücken unsere Kinder nicht mit Fürsorge, sondern ermöglichen ihnen von klein auf, eigene Erfahrungen auch außerhalb des Elternhauses zu machen. Unseren Kinder tut das Spielen mit Gleichaltrigen gut. Wir behaupten nicht, dass es ihnen gerade dann am besten geht, wenn sie den ganzen Tag allein mit einer Frau allein sind, die nie zuvor etwas mit Kindern zu tun hatte. Die sich vielleicht durch eine Menge Erziehungsratgeber gearbeitet hat, aber praktische Erfahrungen eher in Verkauf, Buchhaltung oder Vertriebsplanung mitbringt. 52

Selbstständige Mütter tragen eine Menge Verantwortung. Wir sorgen für unsere Familie und stehen gleichzeitig einem Unternehmen vor, sind vielleicht sogar für Angestellte verantwortlich. Nach der Geburt eines Kindes ist der Druck groß, schnell wieder einzusteigen, um Kunden und Auftraggeber nicht zu verlieren. Wer seinen Arbeitsplatz zu Hause hat, kann besonders schwer zwischen privatem Bereich und Arbeit, zwischen Zeit für die Familie und für den Beruf trennen. Das verschärft sich mit der Geburt eines Kindes noch. Die Selbstständigkeit hat trotz hohem Zeitaufwand aber den Vorteil, dass wir - je nach Branche - selbst bestimmen, wieviel Zeit wir im Unternehmen verbringen und wieviel Freiraum für die Familie bleibt. Vor der Geburt meiner Kinder hatte ich ein selbstständiges, strukturiertes Arbeitsleben. Jetzt gibt es eine neue Dimension: Ich möchte der Verantwortung für meine Kinder gerecht werden und auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Mutter zu sein ist eine große Herausforderung. Mehr nicht. An meiner fachlichen Kompetenz hat sich nichts geändert. Meine Arbeit ist mir wichtig, und sie macht mir viel Spaß. Heute muss ich viel mehr planen, jonglieren und dabei doch erheblich flexibler sein. Der geplante Tagesablauf kann sehr schnell in sich zusammenfallen, etwa weil die Kinder krank werden oder nachts nicht schlafen. Ich muss mich also um Verständnis und Lösungen bemühen und dafür sorgen, dass Chaos und Frust nicht überhand nehmen. Schließlich sind meine Kinder auch unberechenbar, eigenständig und nicht immer lieb. 01/2010


Souverän zwischen Kita und Kundengewinnung Die Rahmenbedingungen haben sich mit den Kindern verändert. Wer seinen Geschäftspartnern das vermittelt hat, kann überlegen, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit künftig aussehen könnte. Mit diesen Strategien habe ich gute Erfahrungen gemacht: Freiräume für die Arbeit schaffen, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kindern zu haben (Krippe, Tagesmutter, Kindergarten, Hort, Kindertausch mit Freunden, Haushaltshilfe). Terminabsprachen genauer und vorausschauender machen und mehr Puffer für Unvorhergesehenes planen. Überhaupt: „Unvorhergesehenes“ hat eine völlig neue Bedeutung und Dimension erlangt.

Die verfügbare Zeit gut einteilen und effektiv nutzen. • Abend- oder Wochenendschichten manchmal in Kauf nehmen, wenn dies den Druck nimmt. • Mit den eigenen Energiereserven sehr bewusst umgehen. • Teamarbeit fängt zu Hause an. Wenn beide Eltern sich gleichermaßen um Beruf und Familienleben kümmern, ist ein glückliches Miteinander möglich - auch für die Kinder. • Ohne gute Organisation, viel Kommunikation und den Mut zum Delegieren geht es nicht. • Hürdenlauf für selbstständige Mütter Durch eine flexible Zeiteinteilung können selbstständige Mütter zwar Beruf und Familie leichter unter einen Hut bekommen. Aber es gibt auch Hindernisse: Auftraggeber kündigen Projekte meist sehr kurzfristig an und reagieren überrascht, wenn man sich nicht sofort in die Arbeit stürzen kann. Wer Teilzeit arbeitet und klarstellt, dass dadurch die Bearbeitung eines Auftrags eventuell länger dauern kann, wird manchmal das Nachsehen haben. Oft ist es auch schwieriger, sich bei neuen Kunden das Vertrauen zu erarbeiten, wenn man weniger Zeit hat.

Die Balance zwischen Arbeitszeit und Betreuung bleibt problematisch. Unflexible Krippen- und Kindergartenöffnungszeiten machen manche Tage zum Hürdenlauf. Wenn man Termine wegen eines kranken Kindes nicht einhalten kann, dürften manche Kunden dahinter eine Ausrede wittern. Oft ist es sehr anstrengend, es selbst auszugleichen, wenn man doch einmal ausfällt, weil etwa die Kinder Fieber haben. Das allgemeine Problem vieler Selbstständiger verschärft sich mit Kindern noch: Man nimmt sich zu wenig Zeit für sich selbst. Die Berufstätigkeit geht, zumindest solange die Kinder klein sind, auf Kosten der eigenen Freiräume. Wenn überhaupt keine Freiräume mehr übrig sind, sollte man notieren, was genau einem am Herzen liegt: Ein Hobby wieder aufgreifen, ein Wochenende allein wegfahren, ausgehen mit Freunden, sich in einem Verein engagieren... Gibt es eine Möglichkeit, dies hin und wieder doch zu tun? Wenn man es wirklich will, wird man zusammen mit der Familie Wege finden, es zu tun. Man sollte sich auf keinen Fall abkapseln. Gerade selbstständige Mütter brauchen ein gutes soziales Netzwerk. Am besten plant man schon bald nach der Geburt der Kinder einen wöchentlichen Termin ein, um private Kontakte zu pflegen. Vielleicht kann der Partner sich um die Kinder kümmern. Für das berufliche Netzwerk gilt dasselbe, denn das leidet meist unter beruflichen Auszeiten.

Tipps gegen das schlechte Gewissen Ganz klar: Ohne gute Kinderbetreuung geht es nicht. Leider ist gerade die nicht so einfach zu finden. Wenn Kinder in Krippen, Kindergärten und Schulen spannende Angebote vorfinden, die ihre Phantasie und ihren Lerneifer optimal fördern wie in Skandinavien, brauchen berufstätige Mütter kein schlechtes Gewissen zu haben. Wer seine Kinder dagegen nicht gut aufgehoben weiss, wird kaum gegen Schuldgefühle ankämpfen können. Es gibt aber auch kleine Hilfen gegen das schlechte Gewissen im Alltag: An einem festgelegten Nachmittag pro Woche dürfen die Kinder bestimmen, wie und wo die gemeinsame Zeit verbracht wird. Der Termin wird im Kalender eingetragen wie ein Geschäftstermin - und auch eingehalten. Wenn der vereinbarte Nachmittag doch einmal ausfallen muss, gibt es einen Ersatztermin. 53


TITELGESCHICHTE

Man kann Kindern ganz einfach zeigen, dass man an sie denkt, auch wenn man nicht bei ihnen ist: Jedes Kind freut sich über einen kleinen Zettel mit einem lieben Gruß oder einem kleinen Bild in der Kindergartentasche - die Großen auch über eine E-Mail oder SMS - von ihrer Mutter. In der knappen Zeit mit unseren Kindern müssen wir keine besonderen Purzelbäume schlagen, um sie dafür zu entschädigen, dass wir viel Zeit im Unternehmen verbringen: Kinder genießen gerade „normale“ Beschäftigungen wie malen, basteln oder verkleiden. Wenn sich dennoch das schlechte Gewissen meldet, sollte man prüfen, ob es jemandem in der Famlie schlecht geht. Kommt jemand zu kurz oder trübt hier gesellschaftlicher Druck die Selbsteinschätzung? Falls es Letzteres ist, sollte man sich die vielen Vorteile der eigenen Lösung klarmachen - die sind wichtiger. Was spricht für, was gegen unsere Selbstständigkeit? Es ist sehr hilfreich, alles zu Papier zu bringen, was uns einfällt. Wenn die Gründe für die Arbeit überwiegen, hat man schwarz auf weiss: Der Beruf ist notwendig für die Familie. Mit dieser Gewissheit kann man auch Kindern eine klare Botschaft vermitteln: Meine Arbeit ist wichtig, und ich tue mein Bestes, damit es uns allen gut geht.

Für Kinder da sein, wenn sie uns brauchen Wirklich wichtig ist für Kinder nicht, dass wir sie rund um die Uhr umsorgen. Sondern dass wir für sie da sind, wenn sie uns brauchen. Wenn sich ein Kind direkt vor einem wichtigen Kundentermin mit Schulproblemen meldet, müssen wir erreichbar sein. Wir können uns die Sorgen anhören, Verständnis zeigen und später zurückrufen. Wir sollten nicht die einzige Anlaufstelle in großen und kleinen Krisen sein - auch Väter können trösten, und die Oma kann es oft sogar besonders gut. Kleine Kinder brauchen genauso wie die größeren jemanden, der ihnen zuhört, um die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. In der gemein54

samen Zeit sollte viel Gelegenheit sein, miteinander zu sprechen, etwa bei Spaziergängen, Spielen oder Vorlesen. Das schweißt mehr zusammen als teure Ausflüge in Freizeitparks. Die meisten Kinder finden es ganz normal, wenn ihre Mutter arbeiten geht. Sie sind stolz auf sie und erleben sie als engagierte und unabhängige Frau, die ihr Leben eigenständig gestaltet. Gleichberechtigte Partner sind ein wichtiges Leitbild für unsere Kinder - besonders für unsere Töchter. Ich möchte für meine Kinder eine sein, die Mut machen kann, das zu erreichen, was man sich wünscht. Traurige Momente bleiben nicht aus. Manchmal fühlen sich unsere Kinder vielleicht alleine oder abgeschoben. Wenn Kinder klagen, dass man zu wenig Zeit für sie hat, sind voreilige Reaktionen nicht angebracht: Bevor man beruflich kürzer tritt, kann man versuchen, die bestehende Zeit mit der Familie zu bereichern. Das kann gemeinsames Kochen oder ein Zoobesuch sein. Man kann Kindern auch die Vorteile des Berufs erklären: Er macht Spaß und es ist mehr Geld für schöne Urlaube oder Spielsachen da. So schnell fühlen sich Kinder nicht vernachlässigt. Sie erproben eher ihren Einfluss auf die Eltern. Wenn wir feste Strukturen schaffen, leiden unsere Kinder nicht, weil wir arbeiten. Das heißt: Volle Leistung am Arbeitsplatz, aber - in der zugemessenen Zeit.

Bye, bye, Perfektionismus Es allen recht machen zu wollen, ist ein typisch weibliches Phänomen. Leider sind wir Selbstständigen nicht frei davon. Familie, Beruf und das bisschen Haushalt - alles soll tipptopp sein. Das dauernde Streben nach Perfektionismus führt aber fast zwangsläufig zu Unzufriedenheit und schlechtem Gewissen und manchmal sogar in die Arztpraxis. Höchste Zeit, delegieren zu lernen und sich vom Perfektionismus zu verabschieden - und zwar am besten, bevor uns alles über den Kopf 01/2010


Übrigens: Die Rabenmutter gehört zu den fürsorglichsten der gesamten Vogelwelt...

wächst. Welche Aufgaben im Haushalt können wir abgeben? Wo ist der Partner gefragt? Wo können die Kinder mit anpacken? Es hat noch keinem (größeren) Kind geschadet, den Müll wegzubringen oder die Spülmaschine auszuräumen. Besonderer Einsatz wird vielleicht mit einem Bonus zum Taschengeld oder einer kleinen Überraschung versüßt. Der gewünschte Nebeneffekt: Unsere Kinder begreifen die Familie früh als Team und die Hausarbeit als gemeinsame Aufgabe. Und das ist sie auch. Sie ist nämlich nicht unser Solo-Stunt vor staunendem Publikum. Wer es sich leisten kann: Das Geld für eine Haushaltshilfe ist gut investiert. In drei Stunden pro Woche erledigt sie das Gröbste. Und wir verbringen die gewonnene Freizeit mit unserer Familie. Vielleicht müssen wir auch die Einstellung zu bestimmten Arbeitsbereichen ändern. Den Idealzustand gibt es nicht; irgendetwas bleibt immer auf der Strecke. Wenn es die Bügelwäsche ist - nicht schlimm. Wir können getrost unsere Ansprüche an eine perfekte Hausfrau und Mutter herunterschrauben und dieses Idealbild durch das einer erfolgreichen, selbstständigen Mutter ersetzen.

„Heimchen am Herd“ - eine Alternative? Wir Rabenmütter bekommen wenig gesellschaftliche Anerkennung für das, was wir leisten. Im Gegenteil: Wir werden sogar damit konfrontiert, dass wir unsere Kinder („Die Zukunft unserer Gesellschaft!“) vernachlässigen. Was sind die Alternativen? Zu Hause bleiben und sich ausschließlich um Kinder und Haushalt kümmern? Den ganzen Tag mit der Bastelschere hinter dem Kind stehen? Das Problem: Vollzeitmütter werden meist noch weniger anerkannt. Der Ausdruck „Heimchen am Herd“ ist kein Kompliment. Natürlich gibt es Frauen, die in dieser Rolle aufgehen. Wir gehören nicht dazu. Wir wären unzufrieden, weil wir eigentlich lieber arbeiten würden. Wollen wir unseren Kindern eine stän-

dig unzufriedene und missgelaunte Mutter zumuten? Ich glaube nicht. Dann schon lieber eine Rabenmutter. Unsere größten Kritiker sind meist selbst Mütter. Und da spricht oft der Neid. Wer „Dann muss ich doch keine Kinder in die Welt setzen“ über die gespitzten Lippen bringt, ist vielleicht selbst unzufrieden und nicht gut zu sprechen auf eine Mutter, die für ihre Familie sorgt und trotzdem beruflich erfolgreich ist. Wir müssen uns nicht dafür schämen, dass wir in der Selbstständigkeit neben allem Stress auch Anerkennung, finanzielle Unabhängigkeit und soziale Kontakte finden, auf die wir nicht verzichten wollen.

Fazit Sicherlich sind fehlende Betreuungsplätze ein Problem für alle arbeitenden Mütter. Mit staatlicher Unterstützung wird diese Misere irgendwann hinter uns liegen. Es sind jedoch vor allem überholte Vorstellungen der Mutterrolle - unsere eigenen und die unserer Umgebung - die uns den Alltag unnötig schwer machen. Das schlechte Gewissen entsteht im Kopf. Wir alle müssen eine gewisse Toleranz lernen und aufhören, andere zu bewerten und zu beurteilen. Es ist weder besser noch schlechter, nach der Geburt eines Kindes zu Hause zu bleiben oder wieder arbeiten zu gehen. Viel wichtiger ist, dass es den Kindern gut geht - mit der einen oder der anderen Lösung. Kinder sind flexibel und können sich gut anpassen. Was sie hingegen nicht gut vertragen, sind unzufriedene Mütter und Väter. Persönlichkeit und Lebensqualität der Eltern beeinflussen die Kinder mehr als die Dauer der miteinander verbrachten Zeit. Unsere Kinder können nur glücklich sein, wenn wir es sind. Bei uns gehört dazu die berufliche Selbstständigkeit. Bei aller Liebe zum Kind: Unsere Arbeit ist wichtig! Solange die Prioritäten zwischen Familie und Beruf im Gleichgewicht bleiben, wird keine Seite wirklich vernachlässigt. 55


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Moderne M체tter

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16m2 Kinderzimmer

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Spiegelspiel

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Ganz der Papa? Wem sieht das Kind 채hnlich?

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NEUE REGELN  FÜR MODERNE MÜTTER

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• Das Mindestalter für Mütter wird auf vierzig raufgesetzt. Sonst meint man ja, Sie hätten im Leben rein gar nichts erreicht. • Das Kind wird von Geburt an stets auf Lammfell gebettet. Ungebleicht, versteht sich. • Es wird gestillt, sonst Allergie. • Der Kinderwagen muss über mindestens 18 verschiedene Einstellfunktionen verfügen, damit Sie damit inlineskaten, joggen und Sackhüpfen können. • Es wird selbst gesotten, püriert und eingekocht. Hab ich da etwa ein Hipp gesehen? Da können Sie Ihr Kind ja gleich mit einem nassen Handtuch erschlagen! • Kein Schnuller. Und wenn die Ohren platzen. • Machen Sie das Kind bereits in den ersten Monaten mit klassischer Musik und verschiedenen Fremdsprachen vertraut. • Babyschwimmen, Gymnastik etc. – irrsinnig wichtig. Tauchen Sie Ihr Baby beim Schwimmen auch ruhig unter, es muss früh lernen zu kämpfen. Und nicht heulen – wollen Sie jetzt ein Alphakind oder nicht?

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KINDERZIMMERGRÖßE WÜNSCHEN SICH ELTERN – DAS ERGAB EINE UMFRAGE VON IMMOWELT.DE. IN NEUBAUTEN SIND KINDERZIMMER DURCHSCHNITTLICH 11QM GROSS.

Nürnberg (ots) - Nach Meinung der Deutschen sollte ein Kinderzimmer durchschnittlich 16 Quadratmeter groß sein. Das hat eine repräsentative Umfrage von Immowelt.de ergeben, eines der führenden Immobilienportale. Tatsächlich finden sich in neu gebauten Wohnungen aber häufig Kinderzimmer mit einer Größe von zehn bis zwölf Quadratmetern. Anspruch und Wirklichkeit - in Sachen Kinderzimmer klaffen sie hierzulande weit auseinander. In einer repräsentativen Umfrage von Immowelt.de wünschten sich die Befragten Kinderzimmer von durchschnittlich 16 Quadratmetern Größe. Die Realität indes sieht anders aus: Häufig haben die Kleinen in Neubauten nur zehn bis zwölf Quadratmeter Platz. Neben ausreichend Spielfläche (90 Prozent) wünschen sich mehr als drei Viertel der Befragten von einem Kinderzimmer eine eher handfeste Qualität: Der Boden sollte leicht zu reinigen sein. An dritter Stelle der wichtigsten Eigenschaften steht die Gastfreundlichkeit. Eine Mehrheit der Befragten (51 Prozent) wünscht sich, dass im Kinderzimmer ohne Platznot Spielkameraden übernachten können. Einen noch pragmatischeren Blick aufs ideale Kinderzimmer haben kinderreiche Familien. Sie wünschen sich fast einstimmig (94 Prozent) Übersichtlichkeit. Das Kinderzimmer ihrer Träume hat weder Winkel noch Nischen, und sein Boden ist spielend leicht zu reinigen (88 Prozent). Für die repräsentative Immowelt-Studie “Wohnen und Leben 2010″ wurden vom Marktforschungsinstitut Innofact 1.029 Personen befragt.

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LEIPSLEGEIPS Um rauszufinden, was hier steht, musst du den Spiegel nehmen.

Dieses Spiel fÜrdert räumliches Denken, Zuordnung, Feinmotorik und Erkennen von seitenverkehrten Spiegelbildern.

AMAM APAP 61


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Ganz der Papa? Schon vor der Geburt beginnen die ersten Vergleiche Ultraschall sei Dank. Hat das Baby Mamas Nase oder Papas Kinn? Oder gleichen Neugeborene immer dem Vater? TEXT Silke R. Plagge

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FOTOS Alexander Fahrenbruch

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AUGEN VON MAMA? D

ie Suche nach Ähnlichkeiten beginnt früh. Kaum kann man das Baby auf den Ultraschallbildern ein wenig besser erkennen, fallen Sätze wie: „Guck mal, das ist doch deine Stupsnase.“ Ist der kleine Mensch dann geboren, wird er von der gesamten Familie begeistert begutachtet. Die Augen? Klar der Opa mütterlicherseits - meint die Familie von Mama. Kommt der väterliche Zweig zu Besuch, wird meistens gestaunt darüber, wie sehr das Kind seiner Familie ähnlich sein - der vom Papa natürlich. Doch wie sehr gleichen Kinder wirklich ihren Eltern? Tatsächlich haben Wissenschaftler ermittelt, dass Töchter, je älter sie werden, immer mehr ihrer Mutter ähneln, während Söhne immer mehr ihrem Vater gleichen. Dies Phänomen lässt sich durch die Sexualhormone erklären. Ojektiv betrachtet sehen Neugeborene und Baby meist noch gar keinem Elternteil ähnlich, erklären die Forscher, das „“Kindchen-Schema“ mit Kulleraugen steht im Vordergrund. Ein geschickter Schachzug der Natur, denn so erkennen sich auch Verwandte im Kind wieder und die Versorgung des Babys ist gesichert. Ein gängiges Vorurteil hört man

immer wieder: Neugeborene würden dem Vater immer gleichen. Forscher der französischen Universität Montpellier wollten wissen, ob das wirklich stimmt und untersuchten 69 Familien mit insgesamt 83 Kleinkindern und Babys. Fotos von den Kindern und ihren Eltern wurden sowohl von Mutter und Vater bewertet als auch von unabhängigen Gutachtern. Das interessante Ergebnis: Alle erklärten, dass die neugeborenen Söhne ihrem Vater gleichen würden. Die Väter waren unsicher und die neutralen Gutachter konnen nur bei einem Drittel der kleinen Jungen eine deutliche Übereinstimmung mit Papas Optik finden. Die Forscher stellten sich die Frage, warum Mütter so sehr auf die Ähnlichkeit pochten und kamen zu dem Fazit, dass dies daran liege, dass Väter, die das Gefühl haben, dass die Vaterschaft eindeutig sei, sich besser um den Nachwuchs kümmern. Unbegründet sind gewisse Zweifel von Seiten der Papa nicht, denn nach aktuellen Schätzungen gilt jedes zehnte Kind ein „Kuckucksei“. Bewusst würden allerdings die wenigsten Mütter die Väter täuschen wollen, sie sehen die Ähnlichkeit vermutlich, weil sie nach der Geburt große Men-

gen des Hormons Oxytocin im Körper haben. Dies sorgt dafür, dass die Mutter in einem hormonellen Ausnahmeszustand ist und sich einfach Harmonie und Verbundenheit wünscht. Meinen die Forscher. Aber vielleicht ist auch ganz anders? Rein biologisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass ein Kind nur einem Elternteil ähnelt - oder aber auch beiden. Das Gefühl, dass man den Gatten im Miniformat vor sich hat, wird nicht unbedingt durch ein spitzes Kinn oder schütteren Haarwuchs erzeugt. Manchmal sind es auch Gesten oder ein verschmitzes Grinsen. Die gucken sich Kinder ab. Und verblüffen damit ihre Umwelt. Wir haben uns in der Redaktion umgehört. Wem gleichen die Kinder? Redakteurin Silke: „Die Wangenknochen und die Nase haben beide von mir, ansonsten haben sie von beiden Elternteilen etwas.“ Chefredakteurin Christine erklärt, dass ihre drei Kinder deutlich Merkmale von der der väterlichen Seite geerbt haben. Objektive Gutachter wurden nicht befragt.

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ZWEI KINDER, ZWEI MÜTTER, ZWEI VÄTER: ERKENNEN SIE DIE RICHTIGEN ELTERN!

Guck mal, das ist doch deine Stupsnase. Die richtigen Eltern finden Sie auf der Seite 81. Viel Spaß! 71


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Die h채ufigsten Problemzonen nach der Schwangerschaft

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die häufigsten Problemzonen nach der schwangerschaft 1

Oberarme

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BRÜSTE

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TALLIE

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BAUCH

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BEINE

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PO

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Befragten Frauen: 131

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Bertine (33), 2 Kinder „Nach beiden Schwangerschaften habe ich 12 Kilo mehr, hauptsächlich am Bauch, an den Oberschenkeln und am Po.“

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10 Ernährungstipps um nach der Kugelzeit wieder schön schlank zu werden: 1. Nehmen Sie täglich 3 Mahlzeiten zu sich. Wenn nötig einen Snack zwischendurch (ein Milchprodukt oder eine Frucht). Die Uhrzeiten spielen keine Rolle. 2. Verzehren Sie bevorzugt Proteine (Fleisch, Fisch, Milchprodukte) und Sattmacher-Kohlenhydrate (Nudeln, Reis, Kartoffeln). 3. Ein ideales Frühstück besteht aus einem Milchprodukt, einer Frucht und einer Scheibe Brot mit Butter. 4. Wiegen Sie sich nur einmal pro Woche. 5. Bewegen Sie sich täglich. Als junge Mutter können Sie mit dem Kinderwagen zügig Spazieren gehen oder zu Hause vor dem Fernseher Fitnessübungen machen. Am besten ist Schwimmen, wenn Sie einen Babysitter haben. 6. Schlafen tut Wunder! Legen Sie sich am Nachmittag kurz hin, wenn die Nacht zu kurz war (was mit einem Baby keine Seltenheit ist). 7. Bleiben Sie gelassen, denn Stress ist das größte Hindernis beim Abnehmen. 8. Naschen zwischen den Mahlzeiten ist tabu, auch wenn Sie erschöpft sind. Trinken Sie stattdessen lieber ein großes Glas Wasser oder eine Tasse Tee. 9. Wenn Sie sich ein Stück Schokolade oder etwas Süßes gönnen möchten, dann als Nachtisch im Rahmen einer Mahlzeit. 10. Vorsicht bei Käse! Die tägliche Portion sollte 30 g nicht überschreiten und statt einem Joghurt verzehrt werden.

Wichtig: Stress mindert den Diäterfolg. Setzen Sie sich also nicht unnötig unter Druck, bleiben Sie gelassen und genieSSen Sie die Zeit mit Ihrem Baby, denn das kleine Würmchen wird so schnell groSS… 75


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Grafik zeichnen Dokumentieren Sie Ihre Fortschritte. Zeichnen Sie ein kleines Diagramm, in dem Sie jeden Woche Ihr Gewicht oder besser Ihren Taillenumfang eintragen. Wenn Sie die Daten Ihres Partners ebenfalls einzeichnen, können Sie sie noch besser vergleichen. Wahrscheinlich wird die Kurve anfangs recht steil sinken, dann flacher werden und immer mal wieder auch horizontal laufen oder sogar etwas ansteigen. Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen. Und seien Sie auch nicht enttäuscht, wenn Ihr männlicher Partner eventuell rascher abnimmt, während Sie kämpfen müssen: Es ist nun einmal biologisch programmiert, dass Frauen weniger leicht ihre Fettpolster verlieren. Mit etwaiger größerer Willenskraft seitens Ihres Partners hat das (auch wenn das gerne behauptet wird) nichts zu tun. Beispiel: Diagramm von Bertine (Juni) kg

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TRENDS

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Schluss mit dem B채rchen-Terror!

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Sommer-Neuheiten

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TRENDS

Schluss mit dem Bärchen-Terror! TEXT Silke R. Plagge

In Deutschland werden Kinder entweder als Problem betrachtet oder in einer Heiapopeia-Welt verklärt.Eine Hamburger Designerin entwickelt ein Gegenmodell und fordert: weg mit den rosablauen Klischees!

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m Anfang waren die Blümchen und die Bienchen. Was wie eine prüde Gouvernantenweisheit klingt, ist nervtötende Realität. Junge Mütter oder frisch gebackene Väter können ein Lied davon singen. Denn vom Tag der Geburt ihres Kindes an werden Neu-Eltern dazu gezwungen, ihr Leben ungefragt mit einem ganzen Zoo schnuckliger Tierchen zu teilen: lachende Elefanten, giggelnde Mäuse, bunte Lilalaune-Bären wohin das Auge blickt. Keine Wickelunterlage ohne kitschige Tierfratze, kein Babyfon ohne kindchenschematische Rundungen, kein Lätzchen ohne knuffige Figürchen. Außerdem regieren ausschließlich softe Pastelltöne das Leben der Eltern, vorzugsweise rosarot oder himmelblau, je nach Geschlecht des Kindes. Frage an all die hundertausend kinderlosen, jungen, gut ausgebildeten, konsumfreudigen Menschen in Deutschland: Macht diese windelweich gespülte Optik etwa Lust auf Kinder? Im Gegenteil, wie eine Forsa-Umfrage belegt. Das ernüchternde Ergebnis: Fast die Hälfte der 14- bis 39-Jährigen findet das Erscheinungsbild von Familien unästhetisch. Und jeder Achte unter den jungen Nicht-Eltern findet Leute, sobald sie Kinder haben, uncool. Nun könnte man einwenden: Es geht beim Kinderkriegen doch um etwas ganz anderes als um Ästhetik, es geht um die Erhaltung unserer Art, es geht um menschliche Beziehungen, um bedingungslose Liebe - und ein bisschen auch um unsere Renten. Außerdem sind Kinder kein Lifestyle-Accessoire wie ein iPod, den man sich zulegt, nur weil es schick ist, einen zu haben. Das stimmt - und es stimmt in gewissem Sinne auch nicht. Das behauptet zumindest die Hamburger Designerin Claudia FischerAppelt, selbst Mutter zweier Söhne. Die 39-Jährige ist fest davon überzeugt, dass das öffentliche Erscheinungsbild von Familien auch deren Image beeinflusst. Und das ist in der Werbung und in den Medien nun mal von infantilen Blümchen- und Bärchenmustern und von verstaubten Heile-Welt-Idyllen geprägt. In der gesellschaftlichen Debatte werden Kinder dagegen vor allem als Problemfälle behandelt: extrem teuer, extrem belastend, extrem karrierehemmend. Die ideologischen Grabenkämpfe, die in den vergangenen Monaten um Krippenplätze, ihren Nachwuchs vernachlässigende Cappuccino-Mütter und gegängelte Gebärmaschinen geführt wurden, nahmen derart absurde Züge an, dass man sich mindestens in die altbackenen fünfziger Jahre zurückversetzt fühlte - nur dass es damals in Deutschland noch keinen Cappuccino gab. 01/2010


LÖSUNG VON S.70

FAMILIE 1

Claudia Fischer-Appelt INFO 2005 war es soweit: Claudia Fischer-Appelt, Gründerin der Design-Agentur Ligalux, rief mamamoto ins Leben. Die Idee dazu entwickelte sich jedoch schon viel früher. Mit der Geburt ihres ersten Sohnes sah sie sich einer völlig neuen Alltags- und Konsumwelt gegenüber. Medien, Produkte, Räume und Themen erschienen ihr absolut nicht zeitgemäß. Aber was soll‘s, das nimmt man eben so hin. Als Jahre später der zweite Sohn hinzu kam, zog es Claudia Fischer-Appelt wieder in die einschlägigen Läden und Geschäfte. Und: Es hatte sich kaum etwas geändert. Dies galt auch für das öffentliche Bild von Familie. Verstaubte Rollenvorstellungen und politische Debatten um Geburtenraten dominierten das Geschehen. An Vielfalt, Freude und Lifestyle war im Zusammenhang mit Familie überhaupt nicht zu denken.

FAMILIE 2

Oberstes Ziel: Zeitgemäßer Umgang mit dem Thema Familie. Nur weil Frauen und Männer Eltern werden, müssen sie nicht gleich ihren Geschmack an den Nagel hängen. Kindgerecht statt kindisch, ästhetisch statt geschmacklos sollten Produkte für Familien sein. mamamoto nimmt Bisheriges unter die Lupe, bewertet und zeigt wie’s auch anders geht. Erste Beispiele waren humorvoll gestaltete Babyflaschen und Schnuller, welche die Herzen der Eltern im Sturm eroberten und heute schon fast zu Klassikern geworden sind. BUCH Familiy Business Das Buch für Eltern, die nicht perfekt sein wollen. Preis: 19,90 € www.mamamoto.de

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TRENDS

SOMMER NEUHEITEN SCHÖNER SCHÜTZEN Bislang galten lässige Fahrradhelme als widerspruch in sich. Bell Helme sorgen dafür, dass sicherheit endlich auch gut aussieht.

www.mytoys.de www.mytoys.de

“My Carry Potty” – Der Trend aus England! My Carry Potty – die Neuheit aus London für die fortschrittliche Mutter! Das intelligente Töpfchentraining, das Spaß macht! Hygienisch und überall einsatzbereit – das ist My Carry Potty – das einzige Töpfchen, das Ihr kleiner Liebling je brauchen wird! Entwickelt von einer dreifachen Mutter für moderne Mütter, die Wert auf Hygiene und Flexibilität legen. Sein leichtes Gewicht und der kleine Tragegriff machen es möglich, dass My Carry Potty sogar von den Kleinen selbst getragen werden kann. My Carry Potty ist immer und überall einsatzbereit, egal ob auf dem Spielplatz, beim Einkaufen, am Strand oder im Auto. Garantiert auslaufsicher. www.kiddy.de

Sanftes Wiegen fürs Baby Wünschen Sie sich auch manchmal eine dritte Hand? Dann sollten Sie den neuen lolaloo ausprobieren – ein handliches Gerät für den Kinderwagen, mit dem Sie Ihr Baby überall sanft in den Schlaf wiegen können. Mit seinen Klettbändern lässt er sich an jedem Kinderwagengriff befestigen. Seitwärts gerichtete Schaukelbewegungen beruhigen das Baby leise und so zuverlässig wie auf Mamas oder Papas Arm. Über einen stufenlosen Regler wird die Bewegung individuell eingestellt. Zu Hause, im Park oder auf dem Spielplatz – durch den integrierten Akku ist der lolaloo überall einsetzbar. Mit dem lolaloo, der Innovation aus Deutschland, wird der Kinderwagen im Handumdrehen zur heimeligen Wiege. Und die Eltern haben endlich die Hände frei für Geschwister, das Telefon oder den Kaffee zwischendurch. So lässt sich der Baby-Alltag entspannt meistern. Übrigens: Man kann den lolaloo nicht nur kaufen, sondern auch mieten. www.lolaloo.de

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Neueste „App“

Samsonite Reisebetten

für alle Bugaboo

Mobil mit dem Baby? Klar! Mit den praktischen Reisebettchen von Samsonite sind Übernachtungen kein unüberwindbares Problem mehr. Die unscheinbaren Tragetaschen enthalten ein komplettes Kinderbettchen mit abnehmbarem Fliegen- und Mückenschutz, Halteschlaufen für die Lieblingsspielzeuge und natürlich eine bequeme Matratze. Ob Wochenendausflug oder ein kurzes Nachmittagsschläfchen bei Freunden: Dem steht nichts mehr im Wege!

Modelle. Am Schieber des Wagens befestigt haben Sie Ihr iPhone immer im Blick. Die Halterung ist um 360° drehbar. Sie sehen Ihr Display also wahlweise im Hochoder Querformat.

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ES GIBT WENIGE DINGE, DIE IN UNSEREM HAUSHALT VERBOTEN SIND. I-PODS UND I-PHONES SIND DINGE, DIE SIE NICHT BEKOMMEN. Bill Gates Frau Melinda über die Erziehung der drei Kinder 83


UM

SS PRE

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MOM #1 Magazin für berufstätige Mütter HERAUSGEBER Fachhochschule Düsseldorf Im Rahmen der Diplomarbeit im Studiengang Kommunikationsdesign

PRÜFER Prof. Dr. Rainer Zimmermann Andreas Liedtke

GESTALTUNG Julia Motinova

FOTOS Anastasia Chernyavsky Alexander Fahrenbruch

ILLUSTRATION UND GRAFIK Julia Motinova

KONZEPTION Julia Motinova

KONTAKT Julia Motinova

PRODUKTION Gedruckt auf: Umschlag 300 g/m2 Innenseiten 135g/m2

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Martikelnummer: 482661 Sommersemester 2010

0/13/100/0 4/4/4/60 4/4/4/40 50/50/50/100 C M Y K

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IM NÄCHSTEN HEFT Das AUGUST-HEFT ERHALTEN SIE AB MONTAG, 9. AUGUST

Leben auf dem Land Vor- und Nachteile?

KEINE ZEIT FÜR HAUSHALT?

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