Update 12.1 Widerstand gegen Nazis

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UPDATE 12.1

JungsozialistInnen in der SPD, Nr. 1, März 2012, G8879

BESETZER DER HERZEN

FRÜHLING BEI DER OCCUPY-BEWEGUNG

GERECHT FÜR ALLE – DER KONGRESS ENTSCHEIDEN, LEBEN, WIRTSCHAFTEN

RATINGAGENTUREN VERBIETEN? PRO UND KONTRA

WIDERSTAND GEGEN NAZIS ERKENNEN, BLOCKIEREN, VERJAGEN


LIBERALE PLANWIRTSCHAFT Warum diese Medizin die Patienten nicht aus der Krise führt Wenn man in diesen Tagen versucht etwas batte immer etwas anderes suggeriert wird. Nun betrifft die Krise nicht nur Griechenland, über die Krisen in Griechenland, Europa Milliardenkürzungen bei Renten- und Ge- sondern hat auch Auswirkungen auf viele anoder an den Finanzmärkten zu schreiben, hat sundheitssystem, die Streichung von 150 000 dere europäische Länder, die sich alle in ihren einen die Realität oft schon wieder überholt, öffentlichen Stellen, Privatisierungen von 50 Spar- und Liberalisierungsmaßnahmen übernoch bevor man seinen Text auch nur fertig Milliarden Euro, 25 Prozent Preiserhöhung bieten, um Hilfe aus den europäischen Retgeschrieben hat. In Sachen Griechenland gibt des ÖPNV sind nur die Bedingungen des in tungspaketen zu bekommen. Dabei sind die es wöchentliche Verhandlungsmarathons, diesen Tagen beschlossenen zweiten Hilfspa- Probleme in den einzelnen Ländern sehr vieltäglich neue Hiobsbotschaften und zuneh- kets. Daneben wird noch verordnet, dass es fältig und haben unterschiedliche Ursachen. mend weniger Akzeptanz der sogenannten Lohnsenkungen geben muss und die Min- Und trotzdem wird überall die gleiche bittere Rettungspläne. In der Debatte gibt es unend- destlöhne drastisch reduziert werden sollen. Medizin verschrieben. Europa schlittert selich viele Szenarien, in denen henden Auges immer weimehr oder weniger zusamter in Richtung Abgrund. menbricht. Was es nicht gibt, Die Wirtschaft bricht ist eine Perspektive, die aus nicht nur in den direkt Vor euch liegt eine Premiere: Wir haben dem der Krise herausführt. Mittvon FinanzierungsprobleUpdate ein neues Format und Design gegelerweile wird schon vor dem men betroffenen Staaten ben. Warum? War das alte nicht schön geBeschluss neuer Finanzhilfen ein, sondern für den genug? Das wird jedeR unterschiedlich sehen. Aber es geht uns nicht nur um einen neuen offen gesagt, dass sie nicht samten Euroraum werden Anstrich für unser Verbandsmagazin. wirklich helfen werden. Das Konjunkturabschwünge Erstens können wir mit dem neuen Format Kernproblem ist die Verhafprognostiziert. Von ihnen eine höhere Auflage drucken, damit es mehr Jusos lesen können. Zweitens ist das Uptung in neoliberalen Dogmen wird selbst Deutschland date in Zukunft auch ein Debattenmagazin und die Blindheit vor den nicht verschont bleiben. der Jusos. Mit einem regelmäßigen Themenwirklichen Problemen. Egal wie groß die bisheschwerpunkt, längeren Reportagen oder einer Pro-und-Kontra-Debatte könnt ihr es auch bei Es steht überhaupt nicht rigen Rettungspakete für euren Aktionen jungen politisch interessierten in Abrede, dass in Griechenden Euro auch gewesen Menschen in die Hand drücken, die noch kein land alles Mögliche im Argen sind, sie haben nicht geMitglied bei uns sind. Keine Sorge: Natürlich werden wir auch weiterhin über aktuelle Erliegt und dass Griechenland holfen und bestenfalls nur eignisse aus dem Verband berichten. Denn dringend Reformen und eine etwas mehr Zeit verschafft, wir wollen euch ja auch auf dem Laufenden neue Perspektive braucht. Nun die aber nie genutzt wurde, halten. Und bei aller Kontroverse bleibt das UPDATE – Auf dem neuesten Stand! Update natürlich vor allem eins: die Zeitung sind weder die Griechen noch um eine Lösung zu finden. eines linken Jugendverbandes. die griechische Regierung Die Rettungspakete haben oder das Parlament wirkliche die falsche Richtung, denn Akteure. Sie sind den Fordesie folgen nur einem neorungen der Troika ausgeliefert und müssen Kein Wunder, dass sich auch die griechischen liberalen Plan. dem folgen, was ihnen aufgebürdet wird, Wirtschaftsverbände dagegen aussprechen, Die Finanzkrise von 2007 konnte nur daum nicht vollends in den Zusammenbruch denn dies wird nur ein weiteres Einbrechen durch überstanden werden, dass in großem zu steuern. Hier wird anschaulich gemacht, der Wirtschaftskraft bedeuten. Zwar betonen Umfang private Risiken durch die Staaten was Merkel unter einer marktkonformen De- alle in Europa, dass Griechenland eine wirt- mit eigenen Schulden übernommen wurden. mokratie versteht. Auf Druck der Geldgeber schaftliche Zukunft braucht, nur getan wird Doch weder dies noch die zusätzlichen Liquiwurde erst eine Volksabstimmung verhindert, dafür nichts, es bleibt bei einer Aufforderung ditätsspritzen der EZB für Banken konnten dann wurde der gewählte Präsident durch ei- an die griechische Regierung, einen Wachs- die Gefahr einer Kettenreaktion von Bannen genehmen Bürokraten ersetzt und nun tumsplan zu entwickeln. Angekündigt wird kenpleiten verhindern. Dies ist das Damokdie Parlamentswahl zur Farce gemacht. Nach aber, dass es in diesem Jahr zu noch größeren lesschwert, über das zwar nicht geredet wird, dem Motto „Friss oder stirb“ wird Griechen- Sparanstrengungen kommen muss. Es gibt aber immer näher kommt und bedrohlicher land nach allen Plänen des Neoliberalismus unzählige Kritikpunkte, die man an diesen wird. Ein Weg aus der Krise wird nur gelinumgekrempelt, und zwar vor allem nach den Auflagen anbringen müsste, für die hier aber gen können, wenn wir uns dem Diktat der Ansprüchen der Finanzmärkte. der Raum fehlt. Nach welchen Interessen die Finanzmärkte endlich widersetzen. Selbst die Proteste fallen angesichts der Auflagen ausgerichtet sind, wird schon an dem Härte der Reformvorschriften eher milde weitgehenden Ausklammern des RüstungsVon Jan Schwarz, aus, auch wenn hier in der öffentlichen De- haushalts deutlich. stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender

Nicht nur frisch gestrichen

Impressum Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes Herausgeber Bundesverband der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD beim SPD-Parteivorstand Verantwortlich Sascha Vogt und Jan Böning Redaktionsanschrift SPD-Parteivorstand, Juso-Bundesbüro, Willy-Brandt-Haus, 10911 Berlin, Tel.: 030 25991-366, Fax: 030 25991-415, www.jusos.de, Update 12.1: Art.-Nr. 7060073 Verlag Eigenverlag Fotos: S. 1: flickr.com/strassenstriche (cc), S. 3: Nathalie Golla, flickr.com/xjrlokix (cc), S. 5: Björn Kietzmann, S. 6: flickr.com/bilderpapst (cc), S.11: flickr.com/30682025@ N07 (cc), S.11: flickr.com/jusoschweiz (cc) Gestaltung/Satz www.artbeiter.com

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Aktuelles


BESETZER DER HERZEN

Aktivist Jakub im Küchenzelt

Das Camp liegt gegenüber vom Justizministerium

„Klar, im Herbst waren wir mehr“, seufzt standskämpfers Stéphane Hessel mit dem Jakub, ein verbliebener Aktivist, und schaut programmatischen Titel „Empört euch!“ gilt etwas ratlos über den menschenleeren Platz, in der Bewegung weltweit als ideologische auf dem an diesem Tag mehr leere Zelte als Grundlage. Sie ist ein Aufruf zu gewaltlosem Camp-Bewohner zu sehen sind. Seit Mitte Widerstand gegen eine Politik, die wachsenOktober existiert auch in Düsseldorf ein Ab- de soziale Ungleichheit zur Folge hat. Dass leger der Bewegung. Es ist bitterkalt. Etwa die ungleiche Verteilung von Vermögen in zehn Dauercamper leben noch in den Zel- der Finanzkrise immer deutlicher erkennbar ten. Von den GründerInnen des Camps ist wurde, wirkte im Herbst wie ein Motor für keiner mehr dabei und viele Protestierende die Occupy-Bewegung. Nicht umsonst hat sind wegen der eisigen Temperaturen in ihre sie ihren Anfang in den USA genommen, wo Wohnungen zurückgekehrt. Der Wille zum nach dem Platzen der Immobilienblase eine Durchhalten unter den verbliebenen Protest- sichtbare Verarmung der Mittel- und UnterlerInnen ist aber ungebrochen. Das Camp hat schicht zu verzeichnen ist. für sie eine symbolische Bedeutung. Schaffen In Deutschland sind die Auswirkunsie es, den Winter durchzustehen, könnte das gen der Krise weniger offensichtlich. der Bewegung neuen Auftrieb geben. Deshalb Massenarbeitslosigkeit und rableiben auch die unbewohnten Zelte stehen. dikale Sozialkürzungen sind „Im Frühjahr brauchen wir die wieder“, ist der deutschen Bevölkerung Jakub überzeugt. bisher erspart geblieben. Welche Ziele die Occupy-Bewegung Doch fast täglich mahnen wirklich verfolgt, ist schwer zu fassen. Sie hat WirtschaftsexpertInnen, keine SprecherInnen, keine Programme und dass die Krise noch nicht formuliert selten konkrete politischen For- vorbei sei. Bei der Bundesderungen. Alle AktivistInnen betonen, dass regierung reifen Pläne für sie nur für sich, nicht aber für die Bewegung weitere Sparpakete heran sprechen können. So auch die 27-jährige und auch hierzulande wächst Vicky, die seit mehreren Wochen im Camp der Graben zwischen Arm und lebt. Vicky hat schon Reich. „Das mit vielen Journalisten tragende Motiv gesprochen und verder Bewegung ist es, steht es, ihre Mission dem Unmut über die mit markigen Worten erlebte Krisensituation zu beschreiben. „Hier Ausdruck zu geben“, macht jeder seine eigene beschreibt Annette OhRevolution“ sagt sie und me-Reinicke den Anzitiert Gandhi: „Sei du stoß der Proteste. Die selbst die Veränderung, Soziologin erforscht an die du dir wünschst für der Universität Stuttgart diese Welt.“ soziale Bewegungen und Auf der Suche nach verfolgt aktuell die Entdem kleinsten gemeinwicklung bei Occupy. samen Nenner unter Sie hat beobachtet, dass den AktivistInnen fällt sich die jüngste soziale immer wieder ein Wort: Bewegung – anders als Empörung. Die schmale etwa die 68er Proteste – Schrift des ehemaligen Demonstrant der occupy-Bewegung aus allen Bevölkerungsfranzösischen Widerschichten zusammen-

Verlassene Zelte im Camp

setzt. Entsprechend unterschiedlich seien unter den AktivistInnen die Erfahrungen mit der Krise. Die allgemeine Kritik an Kapitalismus und Finanzmärkten treffe zurzeit bei vielen Menschen einen Nerv. Auch auf der Königsalle, hier sind Einkaufstüten mit Gucci-Aufdruck nicht selten, haben die Protestierenden SympathisantInnen. Zwischen der schicken Einkaufsmeile und den Zelten liegen nur wenige Meter. Sie finde es gut, was die jungen Leute da machen, meint eine Frau in teurem Pelz, ein Geschäftsmann teilt die Forderung der Bewegung nach der Entmachtung der Banken: „Die haben mich fast ruiniert mit ihrer Zockerei und müssen dringend besser kontrolliert werden.“ Dass die Diskussion über die Probleme des Finanzkapitalismus jetzt überall geführt wird, wertet Ohme-Reinicke als großen Erfolg der Bewegung. „Die Proteste schärfen das öffentliche Bewusstsein dafür, dass Verarmung und Prekarisierung keine individuellen Probleme sind“, so die Soziologin. Immer wieder sieht sich die OccupyBewegung mit der Forderung konfrontiert, einen konkreten Forderungskatalog zu erarbeiten und an die Politik weiterzuleiten. Doch das lehnen die AktivistInnen ab. Prognosen über die Zukunft der Bewegung wagen BeobachterInnen nicht abzugeben. Ob das Fehlen einer Agenda die Stärke oder die Schwäche der Bewegung ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. In der Bewegung fürchtet man, dass ein Programm die Reichweite der Bewegung vermindern könnte. Doch hier könnte auch die Achillesferse der Bewegung sein: Ohne den Versuch, mit Forderungen direkt auf die Politik Einfluss zu nehmen, könnte Occupy auf Dauer an Glaubwürdigkeit verlieren. Von Nathalie Golla, Mitglied im Juso-Bundesvorstand

Reportage

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resden, im Februar 2009. Jahrestag der Gruppen, Gewerkschaften, Kirchen und Bombardierung Dresdens im Zwei- viele mehr haben sich – trotz teilweise krass ten Weltkrieg. 7000 Nazis ziehen in unterschiedlicher Politikansätze – auf ein Europas größtem Neonaziaufmarsch weit- gemeinsames Konzept geeinigt: den Nazigehend ungestört durch die Stadt, ein paar aufmarsch blockieren. „Dresden Nazifrei“, Tausend GegendemonstrantInnen, darunter das ist Arbeit auf Basis eines Aktionskonein paar Dutzend senses für entschlosJusos, teilen sich sene Massenblockaauf zwei verschieden, von denen keine dene politische Eskalation ausgeht. Ku ndgebungen Menschen kamen aus und Demos auf – dem ganzen BundesAntifa-Spektrum gebiet, teils auch aus und bürgerliches anderen Ländern. „Geh Denken“Wir Jusos waren von Bündnis. Beiden Anfang an dabei und gelingt kein Erhaben immer mehr folg. Verantwortung überDresden, im nommen. Februar 2012. An Der Erfolg wurde einem Wintertag unter widrigen BeWie „Dresden Nazifrei“ den Naziaufzieht ein langer dingungen erkämpft, marsch Geschichte werden ließ Demozug von teilweise offen gegen 10 000 Antifaden Willen von Stadt schistInnen, darunter mehrere Hundert Ju- und Polizei. Das gesamte Bündnis und viele sos, durch Dresden. Kein Nazi ist in Dresden Einzelpersonen sahen sich schweren Represerschienen, die braunen Kameraden haben sionen ausgesetzt (siehe weiteren Artikel in frustriert aufgegeben. Kein Wunder: In drei diesem Heft). aufeinander folgenden Jahren wurden ihre Die Lehren aus Dresden Nazifrei sind klar. Aufmärsche blockiert, zuletzt am 13. Februar Erstens: Naziaufmärsche müssen verhindert 2012. werden. Wegschauen macht die Nazis stärker. Was ist geschehen? 2009 hat sich das Bünd- Rein symbolische Aktionen wie Kerzenmeere, nis „Nazifrei – Dresden stellt sich quer!“ ge- Menschenketten oder weit vom Demo-Ort gründet. Jugendverbände, Parteien, Antifa- stattfindende Kundgebungen genügen nicht.

Zweitens: Einigkeit macht stark. Auch wenn es in vielen Bereichen Unterschiede gibt und geben wird, muss eine Zusammenarbeit antifaschistischer Gruppen gerade gegen große Naziaufmärsche möglich sein. Feste Verabredungen helfen dabei, Vertrauen zu bilden. Drittens: Der Mut siegt. Wer Blockaden durchführt oder sie politisch unterstützt, muss mit Diffamierung und Verfolgung rechnen. Trotzdem haben sich die AntifaschistInnen nicht einschüchtern lassen. Dass trotz der Repressionswelle 2011 wieder Tausende kamen, zeigt: Antifaschismus lässt sich nicht verbieten. Wir Jusos haben diesen richtigen, aber nicht ungefährlichen Weg klar beschritten. Mit Beschlüssen, der maßgeblichen Mitarbeit im Bündnis und konkret mit Hunderten Jusos bei den Demos vor Ort. Die SPD hingegen hat bis zuletzt gezaudert. Einige Einzelpersonen haben für das Bündnis gekämpft, der Bundesparteitag hat es in einem einstimmig gefassten Beschluss unterstützt. Leider war die SPD dann aber doch nicht vor Ort und hat „Dresden Nazifrei!“ nur ideell unterstützt. Das ist schade, aber für den Erfolg des Bündnisses letztlich unerheblich. „Dresden Nazifrei!“ war dennoch ein voller Erfolg: Europas größter Naziaufmarsch ist Geschichte. Von Matthias Ecke und Julian Zado, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

ALLEIN MACHEN SIE DICH EIN … Gemeinsam der Repression entgegenstellen § 129 StGB – Bildung einer kriminellen Vereinigung. Durch den Ermittlungsparagrafen mit dem „großen Besteck“ der Anti-TerrorGesetzgebung ausgestattet legten die sächsischen Behörden gleich richtig los. Mittels großflächiger Funkzellenabfragen erfassten die sächsischen Ermittlungsbehörden alle DemonstrationsteilnehmerInnen. Der Vorgang, mittlerweile unter dem Namen „Handygate“ bekannt, sei eindeutig rechtswidrig, stellte u. a. der sächsische Datenschutzbeauftragte fest. Mittels Klagen soll dies jetzt auch gerichtlich festgehalten werden. Rechtswidrig auch die Erstürmung des Pressebüros von „Dresden Nazifrei!“ im Haus der Begegnung, urteilten Gerichte gleich mehrmals. Auch der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König geriet ins Visier der Ermittler. Sein Telefon wurde überwacht, die Wohnung von sächsischen Beamten durchsucht, sein Klein4

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bus beschlagnahmt. Ein linkes Wohnprojekt in Berlin wurde durchkämmt, in der Wohnung eines VVN-BdA-Aktivisten eine VVNBdA-Flagge sichergestellt. Klarer Fall für die sächsischen Behörden: Der Mann hatte damit den „Mob“ dirigiert – § 125 StGB, s chwerer Landfriedensbruch, bedroht mit drei Jahren Haftstrafe. Über 200 Verfahren wegen „Sprengung einer Versammlung“ nach § 21 VersG eröffnete man zudem gegen friedliche BlockiererInnen. 70 davon liegen noch bei den Gerichten, „Dresden Nazifrei!“ hat angekündigt, im Notfall bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, genauso wie beim Verbot des Mahngangs „Täterspuren“. Einige Fälle mehr sind nun zu bewältigen, nachdem mehrmals auch mit SPD-Stimmen die Immunität von Abgeordneten aufgehoben wurde, um Ermittlungen nach § 21 VersG zu ermöglichen.

… Zu Hundert oder Tausend kriegen sie langsam Ohrensausen Die Ergebnisse der Ermittlungen sind freilich dürftig. Doch bereits die Verfahren selbst sind die Strafe, dienen sie doch der Einschüchterung von AktivistInnen, der Diffamierung des Bündnisses und der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements. 10 000 DemoteilnehmerInnen setzten ein deutliches Zeichen, auch gegen die Repression, gegen welche „Dresden Nazifrei!“ weiter juristisch vorgeht. Immer mehr kritische Stimmen in der bundesweiten Öffentlichkeit hinterfragen die Ermittlungsmaßnahmen. Ein wichtiger Prozess, denn offensichtlich sollte in Dresden auch erprobt werden, wie weit staatliche Stellen im Umgang mit Protesten gehen können. Von Stefan Brauneis und Benjamin Kümming, Jusos Sachsen


RASSISMUS MITTEN UNTER UNS Menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft

Die Forschung hat menschenfeindliche oder auch „rechtsextreme“ Einstellungen in Deutschland bereits als ein strukturelles Problem analysiert. Exemplarisch verdeutlichen dies die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen „Mitte“-Studien. Dabei werden unterschiedliche Dimensionen rechtsextremer Einstellungen, wie zum Beispiel Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder die Verharmlosung des Nationalsozialismus untersucht. Rund ein Viertel der Bevölkerung äußert seine Zustimmung demnach zur Aussage: „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“, einen Führer wünscht

sich immerhin noch jedeR zehnte Deutsche. Den Mut zu einem stärkeren Nationalgefühl wünschen sich rund 38 Prozent fast ebenso viele (36 Prozent) finden, dass Deutschland durch die vielen AusländerInnen in einem gefährlichen Maße überfremdet ist. „Juden sind eigentümlich und passen nicht so recht zu uns“, Zustimmung von rund 15 Prozent, „seine guten Seite“ hatte der Nationalsozialismus für 10 Prozent der Bevölkerung. Dabei zeigt sich auch, von der oftmals propagierten Reduzierung der Problematik auf Ostdeutschland oder Arbeitslose, kann keine Rede sein. Menschenfeindliche Einstellungen sind ein gesamtgesellschaftliches und ein gesamtdeutsches Phänomen und kein Prob-

lem einer bestimmten „Randgruppe“. Zwar stimmen „rechtsextremen“ Aussagen Befragte mit hohem Bildungsabschluss seltener zu als Personen mit niedrigerem Bildungsniveau, erschreckend hohe Zustimmungswerte gibt es aber auch bei RentnerInnen und ebenso bei Erwerbstätigen. Die Zustimmung zu Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und die Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur sind in den neuen Bundesländern weiter verbreitet, Antisemitismus und die Verharmlosung des Nationalsozialismus erhält jedoch in den alten Bundesländern mehr Zuspruch. Rassismus manifestiert sich also nicht nur am Rande der Gesellschaft oder im rechten Terror, sondern spiegelt sich auch im Denken und Handeln von Personen in der „Mitte“ der Gesellschaft wider. Die „Mitte“ muss endlich in den Fokus genommen werden und eine öffentliche kritische Auseinandersetzung mit der Thematik nach sich ziehen. Denn menschenfeindliche Einstellungen sind kein neues Phänomen in Deutschland, sondern haben eine lange Tradition. Und die beste Methode sich dem Rassismus in Deutschland zu stellen, ist nicht ihn zu verdrängen, sondern offen und klar dieses Problem zu benennen und ihm – wo auch immer – entgegenzutreten. Für mehr Informationen zu den Studien, klickt auf: fes-gegen-rechtsextremismus.de. Von Johanna Uekermann, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

AM RECHTEN RAND! Burschenschaften haben nichts dazu gelernt! Bei allen Rufen nach Abgrenzung verschiedener Formen der Studentenverbindungen und Korporationen ist die Position des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ (kurz DB) immer ganz klar am rechten Rand. Burschenschaften sorgen immer wieder mit ihren rassistischen und geschichtsrevisionistischen Meinungen für Aufsehen. Erst im letzten Jahr, kurz vor dem jährlich stattfindenden Burschentag in Eisenach, wurde die Diskussion um einen „Ariernachweis“ für Burschenschaften in der DB laut. Grund dafür war ein Mitglied der Mannheimer Burschenschaft Hansea, der durch seine chinesische Abstammung auffiel, aber in Deutschland geboren wurde und die patriotischen Werte der Burschenschaft vertrat. Die Mannheimer Burschenschaft sollte daraufhin

aus dem Dachverband ausgeschlossen werden. Denn nur Deutsche dürfen Mitglied werden im Verband, wobei die Staatsbürgerschaft alleine nicht ausreiche. Die Bonner Burschenschaft der Raczeks beantragte deshalb, einen Abstammungsnachweis als Aufnahmekritierium für eine Mitgliedsburschenschaft der DB einzuführen. Ein „Ariernachweis“ also, bei dem Rassismus nicht von der Hand zu weisen ist. Auch in Österreich gab es Anfang des Jahres einen Eklat um den sogenannten „Burschenball“, der immer im Januar vom Wiener Korporationsring veranstaltet wird. In diesem Jahr fiel das Datum auf den Holocaustgedenktag. Mehr als zynisch war, dass daraufhin Aussagen des rechten österreichischen Politikers Strache bekannt wurden, in

denen er aufgrund von Protesten gegen die Veranstaltung die Burschenschaftler als die „neuen Juden“ bezeichnete. Daneben waren auch andere rechte PolitikerInnen aus ganz Europa zum Ball geladen und mischten sich unter die tanzenden Burschen. Immer wieder wird deutlich: Burschenschaften haben mit ihren rechten Weltanschauungen keinen Platz in unserer Gesellschaft. Wir wollen keinen Rassismus, kein völkisches Denken, keine Männerbünde und keinen Geschichtsrevisionismus an den Hochschulen. Stattdessen wollen wir uns rechtem Gedankengut entschlossen entgegenstellen und für eine tolerante und demokratische Gesellschaft kämpfen! Von Mareike Strauss, Juso-Hochschulgruppen

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DIE BRÜCKE ÜBER DAS TRÄNENMEER

Warum das Gedenken an deutsche Opfer für Neonazis so wichtig ist „Das ist kein Trauermarsch – das ist ein Trauerspiel!“ Ungewöhnliche Sätze vonseiten der Nazis am 13. Februar 2012 in Dresden. Sie waren frustriert: von der stark verkürzten Route, von der Auflage, nur eine Fackel auf Hundert Teilnehmende mitführen zu dürfen, von dem ewigen Rumstehen in der Kälte, eingezäunt in Hamburger Gitter. Das, was hier von aufmüpfigen „Kameraden“ als Trauerspiel bezeichnet wurde, ist seit der Jahrtausendwende fester Bestandteil neonazistischer Propaganda. Wir kennen ihn leider zur Genüge, den sogenannten Trauermarsch mit festen Regeln und stets gleichem Erscheinungsbild. Maßgeblich verantwortlich dafür sind die sogenannten Heß-Märsche zu Ehren des Hitlerstellvertreters, die nach fast zehnjähriger Pause von 2001 bis 2004 im bayerischen Wunsiedel stattfanden. Wunsiedel, Bad Nenndorf, Dresden, Magdeburg, Lübeck, Chemnitz – trotz zum Teil unterschiedlicher Anlässe ähneln sich nicht nur die Form, sondern auch der Inhalt. Kern ist der Bezug auf den Zweiten Weltkrieg mit einer sehr konkreten Feindmarkierung: den Alliierten. Das hat (mindestens) zweierlei Nutzen. Historisch ist der Zweite Weltkrieg die Brücke zum Nationalsozialismus und die Fokussierung auf die Alliierten transformiert die historische in eine aktuelle Anklage. Dementsprechend taucht eine Personalisierung des 6

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Feindbildes durchweg auf: der „Kriegstreiber“ rung instrumentalisieren. Wenn das stimmt, Winston Churchill – zu sehen auch in diesem würde es bedeuten, dass Aufmärsche und Jahr auf den von Nazis mitgeführten Transpa- Aktionswoche nur Mittel zum Zweck sind. renten am 13. Februar. So einfach ist es aber nicht, das RumgeheuMit der „Rache von Nürnberg“, also dem le ist zum Großteil – so absurd einem das Internationalen Militärtribunal, vor dem sich auch erscheinen mag – echt. Einen kleinen die NS-Führungsriege verantworten musste, Lichtblick gibt es allerdings: Das Gedenken beginnt für die Nazis ein an Rudolf Heß nahm zur noch immer fortdauernder Zeit der Großaufmärsche Zustand alliierter Besatin Wunsiedel auch jenseits zung – bis heute. Dadurch des bayerischen Städtchen bekommt Geschichte eine eigentümliche, eigendynaAktualität, die zusätzlimische Formen an. Eine che Identifikation bieten Von „Kein Bock auf Nazis“ gibt es solche Verinnerlichung neue Ausgabe der Schülerzeikann: Die Kriegstreiber eine braucht jedoch die Enttung. Die Zeitung kannst du kostenund Unterdrücker von da- los bestellen, um sie an Schulen oder sprechung im öffentlichen mals sind dieselben, unter in Jugendklubs zu verteilen. BestelEreignis. Und wenn das denen Deutschland und len unter http://keinbockaufnazis.de. stimmt, würde es bedeudie Welt auch heute noch ten: Weniger Aufmarsch zu leiden hat. Ist das also der Grund dafür, führt auch zu weniger Schnipselregen, Akdass die Nazis vor Trauer nicht mehr wissen, tionswochen und Autobahntransparenten. wo ihnen der Kopf steht? Nicht ganz. Es ist Man darf also noch hoffen. vielmehr – wenn man so will – so etwas wie der politisch-ideologische Gehalt. Was den Maike Zimmermann ist Nazis so richtig auf die Tränendrüse drückt, Redakteurin bei ak – analyse & kritik. ist die Identifikation mit „den Opfern“. Dass der Tod nicht umsonst sein dürfe, wird dabei Eine Langfassung dieses Textes ist erschienen in einem Sonderheft von Der Rechte Rand und zum Motor des eigenen politischen Kampfes. ak – analyse & kritik, Download unter www.akGerade von offizieller Seite hört man in web.de/themen/sonderbeilage_dresden.htm. Dresden immer wieder, die Nazis würden das Gedenken an die Opfer der Bombardie-


THÜRINGER NAZI-CONNECTION Die Denkweise der Behörden hat das Versagen befördert Jetzt wird aufgeklärt, aber gründlich! Das ist die Botschaft der Politik als Reaktion auf die Aufdeckung der Nazi-Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“. Deshalb wurden zahlreiche Kommissionen gegründet, die dem Verdacht nachgehen sollen, der Verfassungsschutz habe von der Terrorzelle gewusst und sie vielleicht sogar unterstützt. Diese Vorwürfe stehen im Raum: Hat der Verfassungsschutz V-Leute in der Nazi-Szene bezahlt, die Geld vom Verfassungsschutz an die untergetauchten Mitglieder der NSU weiterleiteten und wenn ja, wusste er davon? Kannte der thüringische Verfassungsschutz die Identität der untergetauchten Nazi-TerroristInnen? Hat er sie gedeckt? Ist es realistisch, dass man in Deutschland zehn Jahre untertauchen kann, ohne entdeckt zu werden? Wenn ja, welches Licht wirft dies auf die

Unwort des Jahres 2011

DÖNER-MORDE Der Negativ-Preis „Unwort des Jahres“ ging in diesem Jahr an das Wort „Döner-Morde“. Eine folgerichtige Entscheidung. Denn als Unwort des Jahres werden Worte und Ausdrücke „ausgezeichnet“, die sachlich grob unangemessen sind. Der Begriff „Döner-Morde“ wurde schon kurz nach den ersten Anschlägen der Nazi-Terrororganisation NSU als Bezeichnung für die Mord-Serie verwendet. Die Jury betonte, der Ausdruck stehe „prototypisch dafür, dass die politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt oder willentlich ignoriert wurde“. Mehr unter: www.unwortdesjahres.org.

Fähigkeiten der Polizei zur Fahndung nach Verbrechern? Warum wurde ein kurz bevorstehender Zugriff von Zielfahndern auf die NSU-Leute in letzter Minute abgeblasen? Die Vorwürfe sind allesamt nicht bewiesen.

Deshalb muss nun aufgeklärt werden, darin sind sich alle Parteien einig. Mit Ergebnissen ist aber nicht vor 2013 zu rechnen, denn Aufklärung braucht Zeit. Deshalb haben wir alle eine wichtige Aufgabe: Wir müssen immer wieder daran erinnern, dass es diese Verbrechen gab und dass diese Vorwürfe im Raum stehen. Das alles darf nicht „unter den Tisch fallen“. Eines steht aber schon mit Sicherheit fest: Die Sicherheitsbehörden haben vollkommen darin versagt, die Morde zu verhindern bzw. frühzeitig aufzuklären. Schuld war nicht ein Fehler, sondern die Denkweise der Behörden: Sie haben von Anfang an gar nicht an NaziTäter gedacht. Darin liegt das krasse Versagen der Behörden. Von Julian Zado, stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender

IM REICH DER SYMBOLE

Die Zahlenkombination 168:1 steht für den Sprengstoffanschlag 1995 in Oklahoma/USA, bei dem 168 Menschen ums Leben kamen. Der antisemitische Attentäter Timothy McVeigh wurde 2001 hingerichtet.

Seit dem Verbot der Organisation Blood & Honour im September 2000 wird die 28 als Synonym für B und H verwendet.

Diese rassistische Vereinigung kämpfte gegen die Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner in den USA. White Power ist in Deutschland die Sammelbezeichnung von Nazis für ihren Kampf gegen Schwarze.

Die schwarze Sonne ist ein Symbol des Unheils und stellt in der germanischen Mythologie »göttliches Licht« dar. In der Wewelsburg, dem Hauptkultplatz der SS im 3. Reich in der Nähe von Paderborn, befindet sich eine schwarze Sonne als Bodenrelief.

Diese britische Skinheadband wendete sich dem Nationalsozialismus zu. Ihr Leadsänger, Ian Stuart Donaldson, gründete die rassistische Blood&-Honour-Bewegung.

Bezieht sich auf die deutsche Hunderasse. Doberman Streetwear ist eine auf kommerziellen Vertrieb ausgelegte Bekleidungsmarke, die in den letzten Jahren zunehmend Popularität bei Nazis erlangte.

Diese Informationen haben wir dem Informationsmaterial von Aktion Zivilcourage entnommen. Mehr erfährst du unter http://www.aktion-zivilcourage.de.

NEUE BEHÖRDE GEGEN RECHTS? Nachdem die Nazi-Morde der NSU entdeckt wurden, hat nun sogar Familienministerin Schröder gemerkt, dass vielleicht auch etwas gegen rassistische und andere menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft getan werden müsste. Zu einem ihrer wenigen Vorschläge hierzu gehörte nun die Errichtung eines „Kompetenz- und Informationszentrums“, das Aufklärungsarbeit gegen Rechts leisten soll. Zwei Mio. Euro sollen dafür bereitstehen. Was dieses Zentrum genau leisten soll, ist unklar. Außerdem sieht es so aus, als ob es sich bei diesem Zentrum um eine staatliche Einrichtung handeln soll. Dass Schröder, die sich bislang nur im

Kampf gegen Linksextremismus engagiert hat und den Kampf gegen Rechts eher behindert als befördert hat, überhaupt aktiv wird, ist eine positive Überraschung. Aber auch dieser Plan ist nicht so gut, wie er sich zunächst anhört. Denn die Kürzungen für zivilgesellschaftliche Projekte gegen Rechts und damit deren massive Finanzprobleme lässt Schröder unangetastet. Stattdessen will sie eine neue staatliche Struktur aufbauen, die zudem noch bestehenden Projekten ähnelt: Die Jusos sind mit vielen anderen Jugendverbänden Gründungsmitglied des „Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit“ (IDA), das seit

mehr als 20 Jahren Materialien zur antirassistischen Arbeit aufbereitet und zur Verfügung stellt. Das von Kristina Schröder ins Gespräch gebrachte „Kompetenz- und Informationszentrum“ weist hier beträchtliche Namensähnlichkeit auf und auch das Aufgabengebiet scheint ähnlich zu sein. Warum fördert man nicht zivilgesellschaftliche Projekte wie beispielsweise das IDA etwas mehr, anstatt neue Stellen zu schaffen? Von Julian Zado, stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender Mehr dazu: http://bit.ly/jusos2012.

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Von Sascha Vogt, Juso-Bundesvorsitzender

FRAUEN

WELTEN

ODER WAS MACHT EIGENTLICH EINE BÄCKEREIFACHVERKÄUFERIN? Bettina Schulze, Katharina Oerder, Johanna Uekermann, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

Ohne Brot geht nichts – das Bäckerhandwerk Brot zählt zu unseren wichtigsten Nahrungsmitteln. Kaum jemand kann sich ein Frühstück ohne frische Brötchen oder den Pausensnack ohne eine Leckerei vom Bäcker vorstellen. Das Bäckerhandwerk ist daher nicht aus unserer Gesellschaft wegzudenken. Doch es hat sich stark verändert. Früher waren Bäckereien zumeist Familienbetriebe, die sich direkt an einen Verkaufsstand anschlossen. Auch heute gibt es noch viele dieser traditionellen Familienbäckereien. Doch sie stehen stark unter Druck: Die Konzentration der Betriebe nimmt zu. Die rasche Ausbreitung von Discount- und Selbstbedienungsbäckereien setzt das Handwerk unter Preisdruck. Der Beruf der Bäckereifachverkäuferin Eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäufer/in wird fast ausschließlich von Frauen wahrgenommen. Die Ausbildungszeit beträgt drei Jahre. Der Verdienst einer Bäckereifachverkäuferin liegt für eine Vollzeitstelle im Durchschnitt ohne Tarifvertrag bei 1275 Euro und mit Tarifvertrag bei 1740 Euro brutto im Monat. Und wie sieht der Alltag aus? Bäckereifachverkäuferin ist ein anstrengender Beruf mit geringer Entlohnung. Der hohe Preiswettbewerb der Bäckereiketten untereinander führt dazu, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Die Frauen arbeiten in Schichten oftmals von morgens fünf Uhr an, auch an Samstagen und Sonntagen und durchaus auch mehrere Schichten hintereinander. Schilderungen von Frauen, die von Verweigerung von Pausenzeiten, unbezahlten Arbeitsstunden und von schlechten Löhnen berichten, sind nicht selten. Was ist zu tun? t Nach Informationen der NGG sind 30 Prozent aller Beschäftigten im Bäckereigewerbe Minijobberinnen und Minijobber. Minijobs werden hier eingesetzt, um im starken Preiswettbewerb dem Lohn zu drücken. Die Minijobs ersetzen Vollzeitarbeitsplätze ausgebildeter Fachkräfte. Minijobs mit all ihren sozialen Folgen sollten endlich abgeschafft werden. t

Zudem muss endlich ein allgemein verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Eine Lohnuntergrenze würde insbesondere in Ostdeutschland helfen, das Lohndumping im Bäckereigewerbe zu beenden.

Die Frauen im Verkaufsbereich brauchen besseren Schutz vor Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen. Die Sozialdemokratie muss gemeinsam mit den ArbeitnehmerInnen dafür eintreten, dass hierfür endlich mehr geschieht.

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as Jahr 2012 ist noch relativ jung, hatte bislang aber politisch schon einiges zu bieten. Angela Merkel hat einen weiteren Mann verloren. Mit Christian Wulff ist es in ihrer Amtszeit bereits der zweite Bundespräsident, der zurücktreten musste. Dafür kann sie zwar bei Wulff persönlich wenig, dennoch trägt auch sie Mitverantwortung für das wochenlange Trauerspiel, dem mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Ende gesetzt wurde. Noch bei seinem Rücktritt hat Wulff es nicht eingesehen, dass unbezahlte Urlaube und vergünstigte Kredite zwar nicht unbedingt strafrechtlich relevant sein müssen (darüber entscheiden die Gerichte), aber immerhin den Eindruck vieler untermauert haben, Politik sei käuflich. Nun ist Joachim Gauck Bundespräsident und wir dürfen mit Spannung erwarten, ob es ihm gelingt, neben seinem bürgerlichen Freiheitsbegriff die Sorgen und Ängste der Menschen aufzugreifen, also auch über Gerechtigkeitsfragen zu sprechen. Viele sagen: Er wird ein streitbarer Bundespräsident. Das muss nicht schlecht sein. Dazu gehört aber auch, dass dann Kritik an seinen Aussagen erlaubt sein muss. Auch auf der europäischen Ebene legt die Bundesregierung die Axt an die Demokratie. Merkels Satz „Wir brauchen eine marktkonforme Demokratie“ sagt dazu schon alles. Ihr Finanzminister hat es aber auf die Spitze getrieben mit der Aufforderung, alle in Griechenland zur Wahl antretenden Parteien müssten sich auf das „Rettungspaket“ verpflichten. Von der sozialpolitischen Katastrophe, die mit den befohlenen Sparmaßnahmen in Griechenland einhergeht, einmal ganz abgesehen: Wer so spricht, gehört nicht zu den Verteidigern, sondern zu den Feinden der Demokratie. Der von Merkel gefeierte Fiskalpakt ist übrigens auch wirtschaftspolitischer Unsinn, würgt er doch durch die einseitige Sparpolitik jedes Wachstum ab. Doch was macht diese Regierung eigentlich neben der vermeintlichen Eurorettung und einem würdelosen Posten-Geschacher? Die Antwort ist banal: nichts. Dabei sind die Probleme auch hierzulande offenkundig. Sei es die soziale Selektion im Bildungssystem, die immer weiter auseinandergehende Einkommensschere oder auch die Millionen Menschen in prekärer Beschäftigung – die Regierung redet sich die Lage schön. Deswegen braucht es 2013 einen Politikwechsel, der die Interessen der Mehrheit der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Die SPD hat dafür auf ihrem Bundesparteitag gute Grundlagen gelegt. Nun muss es darum gehen, ein Wahlprogramm zu formulieren, mit dem konkret gesagt wird, was den Politikwechsel ausmacht. Daran werden wir Jusos uns intensiv beteiligen. Auf dem Bundeskongress haben wir festgelegt, dass wir Bausteine für ein solches Wahlprogramm, insbesondere in drei Themen, entwerfen wollen. Erstens muss es darum gehen, den internationalen Märkten eine demokratische Kontrolle entgegenzustellen – wir wollen eine andere Weltwirtschaftsordnung. Zweitens wollen wir der Krise unserer Demokratie ein neues Leitbild für mehr Demokratie entgegensetzen. Und drittens wollen wir die Lebenssituation junger Menschen verbessern - wir wollen mehr Möglichkeiten für alle. Diese drei Themen werden auch bei unserem Kongress „Gerecht für alle“ in Berlin im Mittelpunkt stehen. Doch das wird nur der Auftakt sein. Ich möchte euch herzlich einladen: Kommt zu unserem Kongress und diskutiert auch darüber hinaus mit, was unsere Ideen für den Politikwechsel sind!


SYRIEN: STOPPT DIE GEWALT!

Die Lage in Syrien verschlechtert sich immer weiter. Aufgrund der unverhältnismäßigen Reaktionen der Assad-Regierung gegen Demonstrierende und Protestierende mit Militär und Gewalt ist aus den anfänglichen Protesten ein Bürgerkrieg geworden. Unabhängige Informationen aus dem Land sind nicht zu bekommen. Berichterstattung gibt es faktisch nicht. Dennoch dürfte inzwischen klar sein: Assad ist inzwischen innenpolitisch weitestgehend isoliert. Sein Vorgehen gegen die Protestierenden ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte. Seine Macht gründet sich ausschließlich auf die Anwendung militärischer Gewalt. Assad muss endlich freie Wahlen in Syrien zulassen. Seit Jahrzehnten stützt die Familie Assad in Syrien ihre Macht vor allem auf die

Alawiten, einer kleinen Minderheit in Syrien und Strömung der Schiiten. Die Mehrheit der Bevölkerung in Syrien ist jedoch sunnitisch. Die Sunnitinnen und Sunniten werden an Staat und Macht nicht beteiligt. Es dürfte vor allem diese Bevölkerungsgruppe sein, die gegen die Assad-Regierung protestiert und freie Wahlen einfordert. Die Regierung Assad ist jedoch nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch isoliert. Die Staatengemeinschaft drängt mithilfe von Sanktionen auf ein Ende der Gewalt. Die UN-Resolution der Generalversammlung fordert sogar seinen Rücktritt. Die internationale Staatengemeinschaft könnte jedoch noch viel mehr tun, um die Gewalt zu beenden. Die Unterbindung von Waffenlieferungen nach Syrien, die Ausweitung huma-

nitärer Hilfe, die Unterstützung der Berichterstattung aus Syrien und Offenlegungen von Menschenrechtsverletzungen gehören hierzu. Zudem muss sich Europa und die internationale Gemeinschaft endlich dazu entschließen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist unverantwortlich, die Menschen dem Krieg auszusetzen und ihnen keine Möglichkeit des Schutzes zu bieten. Wie soll es weitergehen in Syrien? Wir wollen eure Meinung wissen. Diskutiert mit uns unser Positionspapier auf dem Blog unter: www.jusos/blog.de. Von Bettina Schulze, stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

GERECHTERE BILDUNG! 2006 beschloss die Große Koalition die Föderalismusreform: Bund und Länder dürfen im gesamten Schul- und Bildungsbereich nicht mehr kooperieren. Doch wir brauchen in der Bildung eine starke Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und dem Bund und kein Kooperationsverbot. Da darf es kein bürokratisches Kompetenzdenken geben. Die Länder sollten keine Angst haben, dass die Bildungspolitik zentral in Berlin gestaltet wird. Denn das wird nicht passieren. Bund und Länder sollen zusammenarbeiten, wo es positive Effekte gibt. Etwa das damalige

Ganztagsschulprogramm des Bundes hatte gute Auswirkungen. Und wenn der Bund die UN-Behindertenrechtskonvention unterschreibt und sie überall, natürlich auch in den Schulen umgesetzt werden soll, dann macht es Sinn, wenn der Bund die Schulen in den einzelnen Ländern auch mit finanziellen Programmen für die materielle und pädagogische Umsetzung ausstattet. Uns SchülerInnen bei den Jusos hat es jedenfalls gefreut, dass die SPD-Bundestagsfraktion jetzt endlich einen Antrag eingebracht hat, der dieses Verbot aufheben soll.

Denn ohne Kooperationsverbot wird es bessere Bildung und mehr Gerechtigkeit geben. Übrigens wird auch das Thema beim JusoSchülerInnen-Kongress vom 13. bis zum 15. April in Berlin diskutiert. Falls du SchülerIn bist und noch nicht angemeldet, kannst du das auf www.jusos.de ganz unkompliziert nachholen. Wir freuen uns auf dich! Von Taner Ünalgan, Juso-SchülerInnen

Aktuelles 11


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ie Forderung, Ratingagenturen grund- auf Dauer nicht gut gehen. Hier gilt es also, sätzlich abzuschaffen, erscheint zu- das Geschäftsmodell der Ratingagenturen nächst einmal absurd: Natürlich sind dahingehend zu ändern, dass sie finanziell Bewertungen von den am unabhängiger bewerten Markt operierenden Un- Max Bank ist Mitglied im Attac-Ko- können. Und dazu kann ternehmen als Informati- ordinierungskreis, promoviert in Volks- eine europäische Ratingonsquelle für Investoren wirtschaftslehre an der Universität zu agentur, die anders als die notwendig, damit diese Köln und arbeitet innerhalb von Attac amerikanischen Pendants vernünftige Investitions- vor allem zu Bankenregulierung und finanziert wird – etwa in entscheidungen treffen europapolitischen Fragen. Form des angedachten können. Und natürlich Stiftungsmodells – durchbraucht es Institutionen, die diesen Job der aus hilfreich sein. Bewertung übernehmen. Dies gilt gerade in Die Frage der Finanzierung ist allerdings Zeiten, in denen global investiert und Kapital nicht das zentrale Problem der Euroschulüber internationale Kapitalmärkte verfügbar denkrise: Wenn Politikerinnen und Politiker gemacht wird. Ein – wie ich meine – durchaus in Europa über Ratingagenturen und deren positiver Trend. Bewertung der Bonität von Was man hingegen in der Tat nicht Staaten in der Euroschulbraucht und was daher die Ratingagenturen denkrise lamentieren und Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch durch- dabei zugleich nationalistiaus als fragwürdig erscheinen lässt, ist ihr der- sche Ressentiments gegen zeitiges Geschäftsmodell. die USA schüren, dann ist Jeder Laie versteht, dass das nichts anderes als scheines seltsam anmutet, heilig. Sie schimpfen dabei wenn derjenige, der eva- nämlich auf ein Problem, das sie luiert wird, diese Evalu- selber geschaffen haben. Denn die ierung auch gleich bezahlt. Lage auf den Finanzmärkten hat Momentan läuft der Hase sich im Kontext der Euroschulnämlich folgendermaßen: denkrise nur deshalb zugespitzt, Wes Rating ich mache, weil die Ratings der drei Ratindes Lied ich sing. Das kann gagenturen als Messlatten für die

Bewertung von Finanzmarktrisiken in Gesetzestexten zur Bankenregulierung festgeschrieben wurden. Ihre Macht haben die Ratingagenturen also der Politik zu verdanken. Somit ist auch die Implementierung von Basel II – und bald Basel III Teil des Problems. Schließlich steht dort, dass sich das Rating von Standard & Poor’s für Griechenland beispielsweise auf das Risikomanagement der Commerzbank auswirkt. Die Commerzbank muss ihr Portfolio umschichten, wenn sich das Rating von Griechenland verändert – mit entsprechend eskalierenden Wirkungen auf den Märkten. Das muss sie aufgrund der Basel II-Kriterien für Bankenregulierung. Hier gilt also weniger das Problem: Wes Rating ich mache, des Lied ich sing. Sondern vielmehr: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen! Denn wer das Problem der Euroschuldenkrise in den Griff bekommen will, der sollte seine eigenen Gesetzestexte so schreiben, dass sie auch dazu beitragen. Von Max Bank

RATINGAGENTUREN VERBIETEN? Ratingagenturen als Bösewichte Von Sascha Vogt, Juso-Bundesvorsitzender

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nfang des Jahres war es mal wieder soweit: Da hatte die Bundesregierung es geschafft, alle Länder der EU auf einen harten Sparkurs festzulegen und trotzdem wagte es Standard & Poor’s viele Länder herabzustufen. Schnell waren damit die 12 Pro und Kontra

amerikanischen Ratingagenturen als die Bösewichte für die Finanzkrise ausgemacht. Doch damit macht man es sich zu einfach. Sicherlich ließe sich einiges an den Bewertungsverfahren kritisieren. Aber vielleicht hätte ein Blick in die Begründung für die Herabstufung gelohnt, bevor sich die Bundesregierung mit ihrem Sparkurs aufplustert. Denn es ist genau dieser, den Standard & Poor’s zum Anlass für die Herabstufung genommen hat. Dies mag daran liegen, dass in den USA ein pragmatischer Umgang mit verschiedenen volkswirtschaftlichen Theorien herrscht und nicht wie in Deutschland eine schon aberwitzige Fokussierung auf das neoklassische Sparmantra. Auch für den Laien dürfte leicht folgender Zusammenhang zu verstehen sein: Wenn gleichzeitig in allen europäischen Ländern gespart wird, stellt sich schon die Frage, woher noch Wachstumsimpulse kommen sollen. Eigentlich ist der Entscheid der Agentur eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung. Damit muss man Ratingagenturen noch lange nicht gut finden. Es ist aber ebenso

falsch, ihre Entscheide als das Grundproblem der ganzen Finanzkrise hinzustellen. Denn letztlich tun diese nichts anderes, als die wirtschaftlichen Aussichten von Unternehmen und Staaten zu bewerten und erbringen damit eine Dienstleistung für AnlegerInnen. Das ist in einem kapitalistischen System erstmal nichts Ungewöhnliches. Genau deshalb wäre auch ein Ruf nach der Abschaffung einfach nur populistisch. Denn man wird es ja wohl kaum jemandem verbieten können, eine Meinung zu äußern. Für die Macht der Ratingagenturen wiederum ist aber die Politik verantwortlich. Denn sie war es, die in unzähligen Verordnungen dafür gesorgt hat, dass sich etwa Rentenfonds in ihren Anlageentscheidungen nach den Bewertungen der Agenturen richten müssen. Und damit liegt es auch in der Hand der Politik, die Macht der Agenturen zu brechen. Nun ja, eine Sache wäre da doch noch: Man kann mit der Kritik gezielt antiamerikanische Ressentiments bedienen und sich selbst aus der Verantwortung stehlen. Das wird aber wohl doch nicht das Ziel von CDU und CSU sein, oder?


NAZIS UND WEB 2.0 Auch Nazis sind im Netz aktiv. Denn das Internet ist insbesondere für junge Menschen nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken und die Kommunikation in Sozialen Netzwerken hat für viele Jugendliche längst eine identitätsstiftende Bedeutung erlangt. Seit einigen Jahren wird daher verstärkt die Frage nach einer wirkungsvollen Bekämpfung von Nazis im Netz diskutiert. Sie war Gegenstand eines Fachgesprächs des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V. (IDA). Der IDA-Vorsitzende Thilo Scholle ( Jusos) resümiert: „Es gilt die zivilgesellschaftlichen Kräfte, die in der Auseinandersetzung mit Rassismus eine tragende Säule sind, auch für die Auseinandersetzung im Internet zu mobilisieren.“ Eine vergleich-

bare Zielsetzung verfolgt beispielsweise auch das Projekt no-nazi.net der Amadeo-Antonio-Stiftung. Der Bericht 2010 „Jugendschutz im Internet“, eine Initiative der Jugendministerien aller Bundesländer, verweist auf eine tendenzielle Verlagerung der „Aktivitäten von Neonazigruppen auf Mitmachplattformen des Web 2.0. jugenschutz.net dokumentiert mit etwa 6000 Profilen, Videos und Userkommentaren drei Mal so viele Beiträge wie im Vorjahr.“ Klaus Farin, Leiter des Archivs der Jugendkulturen e. V., bewertet den staatlichen Schutz Jugendlicher vor Nazis in einem Interview hingegen kritisch: „Da landet jemand auf einer Seite mit rechtsextremen Inhalten und dann ist das für ihn gefährlich. Warum ist das für ihn gefährlich? Das ist doch eine extreme Arroganz gegenüber anderen Menschen. Ein 14-Jähriger, der nicht rassistisch denkt, der im

Normalfall Nazis hasst, das ist ja der Normalfall unter Jugendlichen, warum soll der plötzlich seine Meinung ändern, weil er auf eine rechtsextreme Seite klickt? Im Gegenteil, der hasst die dann ja vielleicht noch mehr.“ Auch weiterhin wird eine Skandalisierung von rassistischen und menschenfeindlichen Äußerungen im Netz Teil einer Gegenstrategie sein, sie wird jedoch nur noch dann erfolgreich sein, wenn sie kommunikativ besser und kreativer ist – und nicht allein schon deswegen Erfolg haben, weil sie auf der „richtigen“ oder „guten“ Seite steht. Von Ansgar Drücker, Geschäftsführer von IDA e.V. Das Informations- und Dokumentations zentrum für Antirassismusarbeit e.V. engagiert sich gegen Rassismus und für die interkulturelle Öffnung. Mehr Infos unter http://www.idaev.de.

Ängste ernst nehmen Rezension

Klaus Wowereit: Mut zur Integration: Für ein neues Miteinander. Berlin 2011, Vorwärts Buch, 166 Seiten, Broschur, 10 Euro, ISBN 978-3-86602-945-3

DAVOS, OCCUPIED! 200 Menschen haben über eine Woche in Davos an Occupy Davos teilgenommen. Sie haben im Camp-Iglu übernachtet und in vielfältigen Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum protestiert. Dank der großen internationalen und nationalen Medienpräsenz konnten die Kritik am undemokratischen Weltwirtschaftsforum und die Forderungen nach einer demokratischen, gleichberechtigten Gesellschaft in weite Kreise verbreitet werden. „Das Weltwirtschaftsforum hat in den letzten vier Jahrzehnten für die neoliberale Politik geworben, die diese Krise erst ermöglicht hat. Auch in diesem Jahr haben die Verursacher der Krise wieder versucht, direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen, um so weiterzumachen wie bisher,“ erklärt Sascha Vogt, warum wir Jusos die Aktion der Juso Schweiz unterstützt haben.

Dass sich das Thema „Integration“ auch positiv und frei von Angst vor Kritik vonseiten der Stammtische diskutieren lässt, zeigt das Buch von Klaus Wowereit. „Multikulti“ ist danach eine gesellschaftliche Realität, die es solidarisch zu gestalten gilt. In der öffentlichen Debatte komme es darauf an, „Ängste ernst zu nehmen, nicht zu schüren“, und „Provokateuren die Stirn zu bieten“. Gerade an diesen beiden Fragestellungen sind (nicht nur) SozialdemokratInnen in den letzten Jahren immer wieder gescheitert. In diesem Sinne plädiert Wowereit für „Mut“ in der Integrationspolitik, der u. a. bedeute, weg von einer rein defizitorientieren Debatte hin zu einem Diskurs zu kommen, der die Chancen und Potenziale einer vielfältigen Gesellschaft auslotet. Konkret wird „Integration“ damit zu einer sozialen Frage, die u. a. über Bildungspolitik und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu lösen ist. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Integrationsdebatte von links.

Thilo Scholle, ehem. Mitglied im Juso-Bundesvorstand

In Bewegung 13


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Basiskongress der Jusos Bayern Von Philipp Dees, Jusos Bayern

Die Lohntüte ist das Symbol für Arbeit und Bezahlung. Mit unserer Aktion „Hinter dieser Lohntüte steckt ein kluger Kopf“ wollen wir zeigen: Wir sind etwas wert! Wir wollen gerechte Löhne und gute Arbeit! Am 1. Mai gehen wir dafür auf die Straße. Es gibt verschiedene Aktionsideen. Verteilt eine Woche vor dem 1. Mai vor Berufsschulen eigene Lohntüten zusammen mit einem Infoflyer. Lauft am 1. Mai mit mehreren Jusos über die Mai-Demo, tragt selbst gebastelte Lohntüten und ein Schild in der Hand mit der Aufschrift: „Hinter dieser Lohntüte steckt ein kluger Kopf!“ So erregt ihr Aufmerksamkeit und kommt mit weiteren jungen Menschen in Kontakt. Auf www.jusos.de findet ihr Bastelhilfen für Lohntüten, Flyer zum Herunterladen, Sticker für eure Aktionen und einen Fotowettbewerb – das beste Foto zum Thema „Lohntüte“ gewinnt!

14 In Bewegung

ustainable Living, Netzpolitik, Geschlechtergerechtigkeit, Rechte Szene in Bayern – das waren nur einige der Themen, die über 100 Genossinnen und Genossen beim ersten Basiskongress der Jusos Bayern Ende Februar in Nürnberg diskutierten. Ziel des neuen Formats war es, eine Plattform für die inhaltliche Diskussion im Landesverband zu schaffen und den Austausch zwischen den vor Ort aktiven Jusos zu stärken. Die Resonanz darauf war groß: Schon eine Woche nach der Einladung waren es über 60 Anmeldungen, am Ende deutlich über 100. Und auch die Resonanz auf und nach dem Kongress war sehr positiv, das neue Format kam offensichtlich an. Der Schwerpunkt des Kongresses lag unter dem Motto „Alle anders – alle gleich“ auf der Diskussion um die soziale Spaltung der Gesellschaft. Der Einführungsvortrag am Freitag wie auch vielfältig Workshops gingen der Frage nach, warum sich die Gesellschaft auseinanderentwickelt und was politisch dagegen getan werden kann – in einem weiten Bogen von der Verteilungsgerechtigkeit über

die Geschlechtergerechtigkeit und die Integrations- und Migrationspolitik bis hin zur Gentrifizierung. Viel diskutiert wurde in den Workshops am Samstag, zu denen auch viele Juso-externe Referentinnen und Referenten begrüßt werden konnten. So referierten MdB Werner Schieder zur Eurokrise, MdL Isabell Zacharias zur Hochschul- und zur Integrationspolitik sowie MdL Martin Güll zur Gemeinschaftsschule; der mittelfränkische DGB-Vorsitzende Stephan Doll diskutierte zum bedingungslosen Grundeinkommen, Robert Andreasch von a.i.d.a. e. V. gab einen Einblick in die Entwicklung der rechten Szene in Bayern. Nach einer langen Party am Samstagabend gab es dann am Sonntagvormittag die Möglichkeit für die KongressteilnehmerInnen, in einem „Open Space“ selbst die Themen zu setzen, zu denen diskutiert werden sollte. Hier fanden sich unter anderem Gruppen zur Netzpolitik, zum Rechtsextremismus und zum „Arabischen Frühling“ zusammen. Und dann war der Kongress auch schon wieder vorbei – 2013 wird es ihn aber wieder geben.


MATERIALIEN Neu aufgelegt! Das Handbuch „Grundlagen zur Juso-Arbeit“ ist jetzt in einer überarbeiteten Fassung erhältlich. Auf fast alle Fragen des Juso-Alltags gibt das Handbuch Antworten. Für Einsteiger und Profis bietet das Handbuch praktische Tipps für die Arbeit vor Ort, zu Veranstaltungsformaten, Neumitgliederwerbung, Bündnisarbeit und vieles mehr. Das Handbuch kostet 50 Cent. Du kannst es im SPD-Shop unter der Artikelnummer 7031708 bestellen.

FÜR DIE ARBEIT VOR ORT

MATERIALIEN GEGEN RECHTS

t Broschüre „Finanzmarkt“ ................................ € 0,30

t Flyer „Argumente gegen Rechts“ ...................... € 0,05

t Postkarte „Fight against sexism“....................... € 0,05

t Aufkleber „Nazizwerg“..................................... € 0,04

t Postkarte „Fight for equal pay“ ......................... € 0,05

t Poster „Nazizwerg“ ......................................... € 0,50

t Postkarte „Fight against gender violence“ ......... € 0,05

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t Fahrradsattelbezug „Studiengebühren sind für ’n Arsch“ ................ € 0,40

t Aufkleber: Braun ist … .................................... € 0,10

703 1186 703 1126 703 1096 703 1106

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t Aufkleber „Fight for equal pay“ ........................ € 0,05 703 1096

t Postkarten „fight for equal pay“ ....................... € 0,05 7031096

t Flyer – Ich will selbstbestimmt leben ............... € 0,05 703 0006

t Flyer „Ich will gute Arbeit und Bezahlung“ ...... € 0,05 703 0026

t Flyer „Ich will gleiche Chancen“ ...................... € 0,05 703 0086

t Flyer „Abrüstung Jetzt“.................................... € 0,00 703 1606

t Tasche aus Lkw-Plane 480 0007

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t Kondome „Die richtige Bewegung“ .................. € 0,30 704 0190

t Broschüre „Integration? Chancengleichheit!“ ....€ 0,50 703 1015

t Button „Feminist“ ........................................... € 0,05 704 0912

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NEUE MITGLIEDER UND AKTIVE t Juso-Neumitgliederflyer .................................. € 0,00 702 0414

t Juso-Selbstdarstellung: Broschüre 703 1175

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t Juso-Briefbögen 702 0234

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t Zitatensammlungen „Wölfe ohne Schafspelz“ .. € 0,15 300 0496

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ÄNDER DAS! t Postkarte „Änder das!“ –„Gleichstellung“ ............ € 0,05 703 1026

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ARGUMENTE t 4/11 Marx heute Teil 2 .................................... € 0,30 705 0377

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POLITDIPLOM Das Politdiplom ist mittlerweile fester Bestandteil in der Bildungsarbeit des JusoBundesverbandes. Auch in diesem Jahr wird es wieder einen Durchgang für 20 TeilnehmerInnen geben. Wenn du bereits politisch engagiert bist und Lust hast, dich für die Arbeit bei den Jusos fit zu machen, bist du beim Politdiplom richtig! An drei aufeinander aufbauenden Wochenenden wartet ein spannendes Programm auf dich! Themen sind unter anderem: t organisatorische Grundlagen der Juso-Arbeit t Projektmanagement t Gesprächsführung und Teamarbeit t Konfliktmanagement t inhaltliche Grundlagen t Geschichte der SPD … und vieles mehr!

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ältere Hefte als Download auf www.jusos.de

UPDATE t 12.1 Widerstand gegen Nazis ........................... € 0,30 706 0073

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JUSO-HOCHSCHULGRUPPEN t Fyler „Wer wir sind“ ........................................ € 0,05 703 1500

Die Termine zum Vormerken: t 5. bis 7. Oktober 2012 t 2. bis 4. November 2012 t 30. November bis 2. Dezember 2012 Die Teilnahme an allen drei Modulen ist verSÁ LFKWHQG :HLWHUH ,QIRV ]XP $QPHOGHYHU IDKUHQ IROJHQ GHPQlFKVW DXI ZZZ MXVRV GH

t Flyer „Offene Hochschulen“ (A5) .................... € 0,05 703 1525

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Du findest alle Materialien auf Jusos.de und kannst sie im SPD-Shop (www.spd.de, vertrieb@spd.de) bestellen.

t Juso-Handbuch „Grundlagen der Juso-Arbeit“ . € 0,50 703 1708

Material 15


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Wenn unzustellbar, mit neuer Anschrift zurück an Absender

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GERECHT FÜR ALLE:

SS E R G N O K DER 012 in Berlin

20. Mai 2 vom 18. bis

n Entscheide Leben en Wirtschaft

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