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Zwischen zwei Welten: Stationsleiter Pflege OP Willy Indlekofer
Willy Indlekofer Ein Hobby mit Hand und Fuss
In der Schweiz arbeitet Willy Indlekofer als Stationsleiter Pflege OP, in Deutschland ist er Karatelehrer. Wie der Pendler zwischen zwei Welten mit Handschellen im Aufwachraum, gewalttätigen Männern in der Kneipe sowie verschwundenen Bauchtüchern umgeht und dabei stets einen kühlen Kopf behält, verrät er im «Reflexe».
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TEXT Vivien Wassermann
FOTOS zVg
Das Jahr 1990 verbinden die meisten Deutschen mit der Wiedervereinigung und der gewonnenen Fussballweltmeisterschaft. Für den Baden-Württemberger Willy Indlekofer steht 1990 indes vor allem für den Auftakt seiner Karriere in der Schweiz: Im August vor 30 Jahren trat er seine Stelle am Kantonsspital Baden an.
«Die Nächte sind viel stärker ausgelastet» Der Grund hierfür war sein Wunsch, eine Ausbildung zum OP-Pfleger zu machen. Das Krankenhaus in Waldshut wollte dem damals 26-Jährigen diese allerdings nicht finanzieren. «Sie haben mich lange hingehalten und mir am Ende eine Absage erteilt», sagt Willy Indlekofer. «Also habe ich mich am KSB beworben. Dort wurde mir meine Ausbildung auch finanziert.» Seit « Das OP-Aufkomdrei Jahrzehnten pendelt er nun zwischen Deutschmen hat massiv land und der Schweiz. Und hat hautnah die Verzugenommen.» änderungen innerhalb des OP-Bereichs miterlebt. «Das OP-Aufkommen hat massiv zugenommen. Insbesondere seit der Inbetriebnahme des AOZ führen wir hier im Zentral-OP viel grössere komplexere Eingriffe durch. Seit 2016 bietet das KSB zudem Wirbelsäulenchirurgie an, welche mit 400 Operationen jährlich, auch nachts, einhergeht. Die Nächte sind somit viel stärker ausgelastet als früher», resümiert der Stationsleiter.
Die Vorfreude auf den Neubau ist gross Viel zu tun gibt es für ihn momentan besonders bei der Planung des OP-Bereichs im Neubau. «Wir haben sehr viele Sitzungen, in denen wir die Nutzung der Räume besprechen, beispielsweise, was wir später wo genau haben möchten oder Dinge wie die Anzahl der benötigten Steckdosen.» Seine Vorfreude auf Agnes ist gross, «auch wenn es bestimmt Sachen geben wird, die nicht so toll sind, bin ich sehr gespannt. Es wird anders sein, aber interessant.» Als Beispiel nennt er die Implementierung von Rüsträumen für die Vorbereitung von Instrumenten und OP-Materialien, die für beschleunigte Prozesse sorgen werden. «Auch das anstehende Fallwagenprojekt stellt uns vor neue Herausforderungen.»
Von Zahnarzthelferinnen und fallenden Vätern Ein Wechsel an ein deutsches Spital kam für Willy Indlekofer indes nie infrage. «Zum einen passt es vom Radius her für mich», so der 56-Jährige. «Zum anderen wollte ich nicht nach Waldshut, da das Spital dort mich ja damals abgewiesen hatte.» Zudem bestärkte das geregelte strukturierte Aufgabengebiet am KSB seine Wahl für den Arbeitsstandort Schweiz. «In Deutschland kann es tatsächlich sein, dass eine Zahnarzthelferin am OP-Tisch steht. In der Schweiz werden hingegen nur diplomierte Fachkräfte eingestellt.» Beruflich kommt er selten ins Schwitzen, höchstens wenn es zu viele Notfälle oder eine Reanimation gibt. Oder wenn alle acht Säle belegt sind und dann noch eine Sectio hinzukommt, bei der im schlimmsten Fall der werdende Vater umfällt – ein Vorfall, den Willy Indlekofer schon des Öfteren nicht nur bei Vätern, sondern auch bei frisch gebackenen Uni-Absolventen und Dipl. Fachpersonen Operationstechnik HF erlebt hat.
Privat kommt der Inhaber eines Budocenters in Waldshut hingegen regelmässig ins Schwitzen. «Budo beinhaltet japanische Kampfsportarten wie Judo, Karate, Aikido oder Jiu Jiutsu. Ich gebe mittwochs und freitags Karatelektionen, je drei Einheiten hintereinander für Kinder und Erwachsene, darunter sind auch einige Schweizer», so der Besitzer des «Schwarzgurts 3. Dan», der selbst einmal die Woche in einem Karateclub in Leuggern trainiert. Folglich muss er an den Trainings-Tagen um 5 Uhr aufstehen, um pünktlich zum Frühdienst in Baden und zum Trainingsbeginn um 17:30 wieder in Waldshut zu sein. Wie schafft er es, bei einer solch prall gefüllten Agenda einen kühlen Kopf zu bewahren? Alles eine Sache der Einstellung: «Meine Arbeit im OP-Saal ist cool, sie macht mir Spass. Und das Karatetraining ist für mich wie Entspannung.»
Fasziniert von Bruce Lees Kampfkunststil Zum Kampfsport gefunden hat er als 12-Jähriger. «Bei uns wohnte damals ein Trainer zur Miete, der mich darauf angesprochen und mit ins Training genommen hatte. Er unterrichtete allerdings Jeet Kune Do, ein von Bruce Lee erfundener Kampfkunststil. Das hat mich total faszi« Das Karatetrainiert.» Knapp zwei Jahre trainierte er ning ist für mich als Teenager Jeet wie Entspannung.» Kune Do. Als sein Trainer jedoch wegzog, wechselte der damals 14-Jährige ins Karate. Später machte er auch die Trainerlizenz. Und eröffnete 2010 schliesslich seine eigene Budoschule. In einem ehemaligen Postgebäude, das er zuvor persönlich über zehn Jahre hinweg saniert hatte. Denn neben Karate zählt Willy Indlekofer auch das Sanieren von Gebäuden zu seinen Hobbys. «Ich mag es sehr, tolle Dinge zu erschaffen und das Ergebnis später auch zu sehen.»
Zwei verschwundene Bauchtücher Die Eigenschaften, die er in seiner sportlichen Laufbahn an den Tag legt, wie Zielstrebigkeit, Kontinuität, Durchhaltevermögen und Exaktheit, benötigt er auch bei seiner beruflichen Tätigkeit. Denn so exakt, wie er seine Karatetechniken einsetzt, arbeitet er ebenfalls im OP-Saal. «Unsere Abläufe
Jede Bewegung sitzt: In Baden in OP-Kleidung oder in Waldshut im Karate-Anzug.
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Sechsmal in der Woche gibt Willy Indlekofer Karate-Lektionen.
sind grösstenteils standardisiert. Wir zählen beispielweise vor und nach einem Eingriff immer wieder nach, ob alle OP-Verbrauchsmittel nach dem Eingriff in gleicher Menge vorhanden sind.» Und ein Fall vor vielen Jahren habe gezeigt, wie wichtig dies in der Tat sei. «So hatten wir den operierenden Arzt – er ist schon länger nicht mehr am KSB tätig – darauf hingewiesen, dass « Die zwei Bauchuns zwei Bauchtücher fehlten. Er meinte jedoch, tücher waren dass sie sicherlich im Kübel wären. Nachdem sie nach hinter der Leber.» erneutem Nachzählen und Überprüfen des Mülls immer noch nicht aufgetaucht waren, gab er unserem Drängen nach und machte den Bauch wieder auf. Und siehe da: Die zwei Bauchtücher kamen hinter der Leber wieder zum Vorschein. Zum Glück hatten wir ihr Fehlen bemerkt und somit ist am Ende alles gut gegangen.»
Da auch Verbrecher zuweilen erkranken, ist es entsprechend schon vorgekommen, dass die Polizei einen Patienten mit angelegten Handschellen bis vor dem Operationssaal begleitet hat. «Die Polizisten haben gewartet, bis der Patient anästhesiert wurde und eingeschlafen ist. Nach der Operation haben sie ihn mit Handschellen im Aufwachraum wieder entgegen genommen. Für unsere Arbeit machte dies aber keinen grossen Unterschied. Wir behandeln selbstverständlich alle Patienten gleich.»
Einen Nasenhebel angesetzt und aus der Kneipe gewiesen Kritische Situationen kennt Willy Indlekofer indes nicht nur aus dem OP-Saal. Im Privaten gab es ebenfalls schon heikle Momente. Wobei er betont, dass man als Kampfsportler wann immer möglich versuche, der Gewalt aus dem Weg zu gehen. «Denn wer als Kampfsportler jemanden verletzt, wird härter bestraft.» Dennoch habe er bereits zweimal Karatetechnik in einer gefährlichen Situation anwenden müssen. «Einmal wurde ich von hinten an der Schulter angegriffen. Ich setzte einen gezielten Tritt an, und der Angreifer war ausser Gefecht gesetzt.» Ein anderes Mal sei sein Neffe in einer Kneipe von einem Betrunkenen bedroht worden. «Der Betrunkene hat ihn am Hals an der Wand hochgezogen! Daraufhin habe ich einen Nasenhebel angesetzt, dem Mann den Arm auf den Rücken gedreht und das Servicepersonal daraufhin gebeten, ihn vor die Tür zu setzen.»
Die Qual der Wahl: Dies oder das?
Sport- oder Strandurlaub? Sport.
Camping oder Hotel? Sowohl als auch.
ÖV oder Auto? Auto.
Kantine oder Selbstversorger? Eher Kleinigkeiten, dafür spät abends ein richtiges Menü.
Samstag oder Sonntag? Samstag, da kann ich zuhause sanieren.
Netflix oder Kino? Kino, ich mag die grosse Leinwand.
Bier oder Wein? Wein.
Restaurant oder selber kochen? Selber kochen ist schöner.
Eule oder Lerche? Am Sonntag gern ausschlafen, aber sonst früh aufstehen, weil man dann mehr schafft.