Schrebergarten: Magazin, Zeitung und Internet.

Page 1

5 Prozent

10 Prozent

15 Prozent

20 Prozent

95 Prozent

STIL LEBENSART 29

Rheinischer Merkur · Nr. 23 / 2008

Paradies für Zaunkönige SCHREBERGARTEN Er gilt als typisch deutsch und spießig. Dabei begeistern sich immer mehr Ausländer hierzulande für die eigene grüne Insel

in der Stadt. Vom Kampf der Kulturen ist zwischen den Rabatten bislang wenig zu spüren Von Jan Thomas Otte und Raoul Löbbert

B

ehutsam schiebt Max Damaschke, 81 Jahre alt, seine Schubkarre durch den Schatten eines Kastanienbaums. Ein paar verfaulte Kartoffeln müssen auf den Komposthaufen. Zwischen Tomatenstauden, Kartoffelbeeten und Gänseblümchen geht einer der ältesten Kleingärtner Heidelbergs seinem liebsten Hobby nach: „Ich lebe von meinem Garten, ich atme hier im Garten. Und der Umgang mit den Leuten ist mir sehr wichtig.“ Wenn er sich einmal einsam fühlt, schaut er bei seinem Nachbarn vorbei oder in der Gastwirtschaft gegenüber. Zwischen diesen beiden Enden, zwischen Zaun und Zapfhahn, spielt sich ein Großteil des Lebens von Max Damaschke ab. Rund 2300 Kleingärtner besitzen im Einzugsgebiet Heidelberg eine der jeweils rund 300 Quadratmeter großen Parzellen, denn „Schrebergärtnern ist viel mehr als nur das Herstellen von Nahrungsmitteln und Steckenbleiben im eigenen Quadrat“, sagt Damaschke. Bundesweit sind es nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde rund eine Million Parzellen in 15 200 Kleingartenanlagen, die in letzter Zeit vor allem an jüngere Familien verpachtet werden. Im Freizeitbereich gelte Weltoffenheit, was Nationalitäten, Sprachen und Religion angeht. „Für uns ist jeder Mensch wertvoll – vom Arbeitslosen bis zum Akademiker“, sagt Eugen Dammert, Vorsitzender der Kleingartenkolonie. Deshalb wehen überall Flaggen aus aller Herren Länder, schwarz-rot-goldene, weiß-blaue aus Bayern, kräftige Rottöne aus Österreich, Russland und der Türkei.

„Das Image des Laubenpiepers oder Eigenbrötlers ist schon lange überholt“, sagt

Dammert. Manche jungen Leute würden über das vermeintlich spießige Hobby des Kleingärtners noch lächeln. Diese Klischees seien von gestern: „Wir sind nicht superkonservativ, grantig oder knorrig.“ So sei das Durchschnittsalter der Hobbygärtner vor zehn Jahren noch über 60 gewesen, heute liege es bundesweit zwischen 40 und 50 Jahren. Nein, hier wird nicht mit Nagelschere der Rasen gestutzt. Und die Stilsünde Gartenzwerg findet sich auch nur noch vereinzelt auf den mit Hecken voneinander abgeteilten Parzellen; dafür Esel aus Ton oder pinkfarbene Plastikschweine. „Der alte Zopf muss abgeschnitten werden“, beschwört Dammert den Aufbruch in die neue Zeit. Nicht verändert hat sich das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme, seit 1865 – damals noch als reiner Spielplatz für Kinder – der erste „Schreberplatz“ eingeweiht wurde. Manchmal dauere es jedoch etwas, bis man das verinnerlicht habe, erzählt Dammerts Freund Helmut Rudolph. Der ehemalige Bundeswehrangestellte hat früher seine Stangenbohnen noch mit dem Luftgewehr abgeschossen. Eine martialische Technik, die bei den anderen eher pazifistisch gesinnten Schrebergärtnern nur wenig Anklang fand. Da habe er es eben gelassen – um des lieben Friedens willen. Denn Schrebergärten sind Oasen der Ruhe für den gestressten Städter, deswegen ist Lärmbelästigung auch die größte Sünde, der man sich schuldig machen kann. Schon so mancher zu laute Rasenmäher hat eine schwer zu behebende diplomatische Krise vom Zaun gebrochen.

Trotz des demografischen Wandels ist die allgemeine Verjüngung der Kleingartenanlage noch nicht in der Führungsebene angekommen. Das Durchschnittsalter der ehrenamtlichen Vorsitzenden des Gartenfreunde-Vereins ähnelt dem der DFB-Führungsriege: um die 70. Grau wie die Haare sind die Socken in den Sandalen. Und unter dem modischen Muss des Holzfällerhemds wölben sich weithin sichtbar die Bierbäuche. Dennoch: Zunehmend schätzen auch junge Akademikerfamilien die Freuden des frischen Vorstadtgrüns – raus aus der hektischen Metropole ins Landleben, ist ihre Devise. Eine eingebildete Flucht, ist doch der Schrebergarten als Produkt der Industrialisierung und Urbanisierung Teil der Stadt – und das von je her. Er ähnelt als Zufluchtsort der Eckkneipe, in der sich der Arbeiter nach der harten Maloche noch ein Pils gönnt. Das klassische Arbeitermilieu, das sich einen Umzug ins Grüne nicht leisten kann, gibt es im Zeitalter der Globalisierung allerdings kaum noch. Es stirbt aus. Der Schrebergarten jedoch wächst und gedeiht, wie überhaupt alles in ihm wächst und gedeiht, denn eine andere Bevölkerungsschicht hat ihn für sich entdeckt: Deutsche mit Migrationshintergrund. Die allerdings würden sich nicht so sehr in die ehrenamtliche Verwaltung einbringen, sagt Max Damaschke. Außerdem kämen manche nur in die Siedlung, um den horrenden Preisen für Lebensmittel zumindest teilweise auszuweichen. Sie ziehen Obst und Gemüse, während ihre deutschen Nachbarn sich lieber an hübschen Zierpflanzen erfreuen. „All die Gemüsebeete erinnern mich an die Situation nach dem Krieg“, sagt Max Damaschke und kippt seine verfaulten Kartoffeln auf den Kompost. Dann schaut er über die Holunderhecke nach nebenan. Dort riecht es nach gegrillten Würstchen. Eine Familie feiert gerade in ihrer Laube Geburtstag. Walerie, das Familienoberhaupt, kommt aus Kasachstan, was er anhand einer gehissten Flagge stolz der Welt kund tut. Seine Beete sind nicht ganz so akkurat gepflegt und abgezirkelt wie bei Gartenfreund Damaschke. Dennoch: Das gemeinsame Hobby verbindet. Sie fachsimpeln über das Obstbaumschneiden, das schöne Maiwetter, über die Vorschriften, die auch das gesellige Beisammensein reglementieren. Nachbar Walerie findet das typisch deutsch: „Es ist nicht so einfach, wie man denkt. Heute habe ich erfahren, dass diese Zierpflanzen 50 Zentimeter vom Zaun weg sein müssen“, sagt er. Vorschriften seien halt Vorschriften. Wo komme man denn hin, wenn jeder machen könne, was er wolle. Ein gewisses Maß an nachbarschaftlicher Überwachung gelte es da in Kauf zu nehmen. „Schlechter Rasen“, das darf nicht sein, findet auch Peter Stadler. Er sitzt einige Parzellen weiter im Vereinshaus mit Kneipe nebenan. Der 65-jährige Hochschullehrer ist der Vorsitzende des Heidelberger Bezirksverbandes der Gartenfreunde. Er trägt eine Mecki-Frisur und Vollbart. In seiner Freizeit buddelt Stadler im Garten. Stolz präsentiert er Freunden seine neue Teichanlage mit japanischer Anmutung. Er erklärt, wie die Ablaufpumpe funktioniert, wie er das Wasser reinigt und warum Goldfische gefräßige Mäuler haben. Und dann ist da noch die Sache mit dem Unkraut in Nachbars Garten, die „Spontanvegetation“, wie er es

nennt, die das Kleingartenglück mindere. Manche würden da schnell zum Gifteimer greifen. Nicht jeder scheinbare ÖkoGärtner halte sich auch ans Bundeskleingartengesetz oder kaufe regelmäßig im Bioladen. Der Schrebergarten ist halt eine Welt im Kleinen, mit denselben Problemen wie in der großen: Integration und Umweltschutz. Beim kühlen Bier im Vereinshaus sichtet Stadler mit Gartenfreund Helmut Rudolph Papiere zu Erdproben, die ans Umweltamt müssen. Eine Düngetabelle mit Nitratangaben liegt auf dem Tisch. Rudolph hat dafür eigens eine Ausbildung gemacht. Nun berät er neben der Arbeit im Labor für Bodenschutz die Kleingärtner beim Düngen ihres Rasens. Wie viel Mist vertragen etwa Tomaten? Antwort: weniger als die meisten Schrebergärtner denken. Rund 70 Prozent der Böden sind mit Stickstoff verseucht. Die Umweltvorschriften gelten für alle gleichermaßen und alle sind oft gleicher-

maßen ahnungslos. Jeder dritte Schrebergärtner in der Anlage kommt aus der Türkei, Russland oder Rumänien. Auch ein Iraker pflanzt hier mittlerweile Bohnen an. Die Kleingärtner sind sich einig, was die Integration zwischen Rotkohl und Rosenstauden angeht: „Wir schreiben eine gewisse Höhe der Hecke des Gartens vor, damit die Leute reinschauen können, weil wir ja offene Anlagen wollen“, sagt Peter Stadler. Integration bedeute nämlich, auch ohne Zaun die Grenzen des anderen tolerieren zu können. Deshalb habe er vor einiger Zeit mit seinem Nachbarn den gemeinsamen Grenzzaun abgerissen. Was zusammengehört, soll zusammen wachsen. Zusätzlich wolle er im Verein jeden Monat Kurse zu den Themen Umwelt, Bodenpflege und Obstbaumschnitt anbieten. Aber auch soziale Themen wie Familie, Ausländer und Senioren sind so wichtig, dass es schön wäre, wenn alle mal miteinander darüber geredet hätten. Natürlich werde die Abrüstung, so Max Damaschke, manchmal durch Phasen des „kalten Kleingartenkriegs“ unterbrochen. Das ist die Kehrseite des nachbarschaftlichen Überwachungsstaats im Staat. Große Enge erzeugt halt auch Spannungen. Die werden, wenn nicht gütlich, gerichtlich geklärt, auch wenn sie danach nie ganz aus der Welt sind. Wie ein Beben hinterlassen sie Risse und Verwerfungen, die neue Beben zur Folge haben können, weil sich hier jeder an jedem wie Erdkrusten reibt. Auch Max Damaschke bebt gerade. Er gestikuliert wild, während er erzählt, dass sein Nachbar vor 20 Jahren illegal und „ohne zu fragen“ Bambus auf seine Wiese gekippt hat. Für Max Damaschke ein unglaublicher Giftmüllskandal. Der Bambus ist mittlerweile längst auf dem Kompost verrottet, und doch sitzt sein Splitter noch tief. Er hat eine Wunde in Max Damaschke gerissen, die sich auch in Jahrzehnten nicht geschlossen hat, sie blutet, blutet, blutet. Aber auf der Insel Schrebergarten spielt Zeit eh nur eine untergeordnete Rolle, sie wird am Fruchtwechsel und an den Jahreszeiten gemessen. Ansonsten bleibt, selbst wenn sich einmal etwas ändern sollte, alles auf geheimnisvolle Weise beim Alten. Aber das macht ja gerade die Faszination des Schrebergartens aus. Internet: www.kleingartenvereine.de

Begrenztes Glück: Während der Urbanisierung erholte sich der Arbeiter am liebsten in seinem Schrebergarten.

FÜNFPROZENTHÜRDE Es ist kein Geheimnis, gleichzeitig gesunden Zudass wir uns bei den stand zu ernten. Inzwi2007er-Weinen auf einen schen werden sehr viele besonderen Jahrgang freuWeißweine des Jahrgangs en können. Schon im schon zum Verkauf angeApril hatten wir hochsomboten, und natürlich sind merliche Temperaturen, die Weinliebhaber gedie für eine sehr frühe spannt auf die Ergebnisse. Blüte und damit ungeAber Vorsicht: Nicht entwöhnlich lange Vegetatitäuscht sein, wenn ein – onsperiode sorgten, auch Fritz Keller, vielleicht auch noch relawenn die Lese so früh be- Weingut, Weinhandel, tiv hochpreisiger – 2007er gann wie nie zuvor. Ein Restaurant „Schwarzer eher zurückhaltend auflanger, sonniger Herbst Adler“, Oberbergen. tritt. Im Gegenteil. mit gleichwohl kühlen Es sind die einfacheren, Nächten ermöglichte es dabei, das Le- leichteren Qualitäten des Jahrgangs, bei segut in einem wunderbar reifen und denen die frische Frucht schon jetzt in

LÖFFELSTIL die Nase springt und auf der Zunge tänzelt und damit ganz unverstellten Trinkspaß garantiert. Große, haltbare Weine dagegen brauchen Dichte und geben sich so jung zunächst meist sehr verschlossen. Da kann es helfen, sie zu dekantieren und so durch den intensiven Sauerstoffkontakt im Eiltempo Teile der Entwicklungen in Gang zu setzen, die sonst über lange Zeiträume in der Flasche stattfinden. Auch schon fünf bis zehn Minuten im Glas bewirken oft Erstaunliches, wenn der Trinker so viel Geduld mitbringt. Die ganz Großen eines Jahres sind aber selbst mit diesen Tricks noch nicht aus der Reserve zu locken und verbergen ihre

Frucht hartnäckig hinter mineralischen Noten und Hefe- und Brotaromen. Unlängst habe ich dieses Phänomen außerordentlich eindrucksvoll bei einer 2007er Riesling-Fassprobe auf dem traditionsreichen Schlossgut Diel an der unteren Nahe erleben können. Vor allem von dem 2007 Schlossgut Diel Dorsheimer Burgberg Riesling Großes Gewächs war ich dabei hingerissen. In dieser von Felsen umschlossenen Lage haben die Diels erst seit 1997 zwei Hektar Riesling-Reben, die auf einem eisenhaltigen Lehmboden in einer mikroklimatisch einzigartigen Lage gedeihen. Und weil ich sicher bin, dass der 2007er von dort ein Großer wird, empfehle ich erstmals einen Wein, den man noch gar nicht kaufen, sondern nur reservieren kann. Wunderbar – mit mineralischen und Hefenoten ist er für Eingeweihte aber schon jetzt ein großes Versprechen auf die besten Weine eines außerordentlichen Jahres.

„Himmel! Ist denn zu dem Thema nicht schon wirklich alles gesagt?“ „Ich hätte es aber gerne noch mal von dir gehört!“

Schlossgut Diel Dorsheimer Burgberg Riesling 2007. Preis: 30 Euro. Reservierung über: www.schlossgut-diel.com

CYAN

MAGENTA

FOTO: ACHENCACH PACINI/VISUM

Nummer: 23, Seite: 29

YELLOW

BLACK


Wie man richtig reist

Wie man richtig flirtet

Wie man richtig genießt

Wenn Sie unbedingt Ihr Auto in den Ferien dabeihaben wollen oder müssen, dann geben wir Ih nen ein paar Tipps für die Vorbe reitungen und die Fahrt ins Aus land. Denn: Nicht alle Reiselän der haben die gleichen Vorschrif ten. Seite 3

Das ganze Leben ist ein Flirt, sagt Phillip von Senftleben, ein ausgesprochener Frauenverste her. Er behauptet, innerhalb von acht Stunden kann jeder lernen, wie man erfolgreich flirtet. Sein Flirt Buch hat das Zeug, die Ge sellschaft zu verändern. Seite 4

Auch im Werk des bildenden Künstlers Günter Grass ist das Leben immer Ringen und Genie ßen zugleich. In den veröffentlich ten Radierungen und Lithogra phien taucht man in einen schil lernden Dschungel mit merkwür digen Mischwesen ein. Seite 6

Rhein-Neckar-Zeitung Ausgabe Nr. 137 – Samstag/Sonntag, 14./15. Juni 2008

Leben zwischen Beeten: Im Kleingarten gehen sie alle ihrem liebsten Hobby nach.

Leben in der Parzelle Es herrscht Leben in der Parzelle. Tausende Kleingärtner im Rhein-Neckar-Raum krempeln in ihren rund 300 Quadratmeter großen Gärten die Ärmel hoch. Und weisen gern darauf hin, dass das Image vom Laubenpieper längst überholt sei. RNZ-Autor Jan Thomas Otte hat es überprüft. Ein warmer Tag im Mai in den Kirchhei mer Kleingärten. Behutsam schiebt Max Damaschke seine Schubkarre im Schat ten eines Kastanienbaums Richtung Kom posthaufen. Verfaulte Kartoffeln müssen entsorgt werden. Zwischen Tomaten stauden, Kartoffelfeldern und Gänse blümchen geht der 81 Jährige seinem liebsten Hobby nach: „Ich leb ja von mei nem Garten, ich atme hier im Garten. Und der Umgang mit Leuten ist mir sehr wichtig“, sagt er. Man werde nicht ein sam, habe immer jemand um sich rum,

sagt der ehemalige Schwimmlehrer. Er zeigt dabei auf die Gesellschaft zwischen Zaun und Zapfhahn in der Gastwirt schaft schräg gegenüber. Rund 2300 Kleingärtner besitzen in Heidelberg und Umgebung eine der je weils rund 300 Quadratmeter großen Par zellen. Mit gutem Grund: „Schrebergärt nern ist viel mehr als nur das Herstellen von Nahrungsmitteln und Steckenblei ben im eigenen Qudrat“, sagt Damasch ke. Bundesweit herrscht nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Garten

So ist’s recht: Die Herren hängen ab und die Damen machen die Arbeit im Garten. Fotos: dpa/Peter Dorn freunde Leben in 15 200 Parzellen, die in letzter Zeit vor allem an jüngere Familien verpachtet werden. Im Freizeitbereich sei man weltoffen, unabhängig und großzü gig, was die Nationalität, Sprache und Re ligion der jeweiligen Bewohner angeht. „Für uns ist jeder Mensch wertvoll – vom Arbeitslosen bis zum Akademiker“, sagt der Vorsitzende der Kleingartenkolonie, Eugen Dammert, über die Integration im Kleingarten. Wohin man auch schaut, we hen Flaggen der unterschiedlichsten Na tionalitäten in den Vorgärten. Darunter viele deutsche Fahnen, bayerisches Weiß Blau, aber auch kräftige Rottöne aus Österreich, Russland oder der Türkei. „Das Image eines Laubenpiepers oder Eigenbrödlers ist schon lange überholt“, sagt Dammert vor dem Hintergrund, dass die meisten aktiven Vereinsmitglieder be reits im Rentenalter sind. Manche junge Leute würden über das vermeintlich spie ßige Hobby des Kleingärtners noch lä cheln. Diese Klischees seien von gestern: „Wir sind nicht super konservativ, gran tig oder knorrig – und wollen das gar nicht sein“, wehrt sich der Vereinsvorsit zende. Das Durchschnittsalter der Hobby gärtner sei vor zehn Jahren noch über 60 gewesen, heute sei das bundesweit zwi schen 40 und 50 Jahren. „Unsere Grünan lagen haben eine Verjüngungskur hinter sich, das Zugehörigkeitsgefühl hat sich ebenfalls verändert“, sagt Dammert. Man sitze mehr zusammen, trinke Bier, es se Salat. „Wir widersprechen energisch dem Kli schee des Schrebergärtners, der kleinka riert mit Pinzette und Nagelschere seinen Rasen pflegt“, sagt Dammert. Er hat kei nen klassischen, für manche kitschigen

Gartenzwerg auf seiner Parzelle stehen. Ein Nachbar von ihm bevorzugt Esel aus Ton, Stadler hat sich alternativ ein pink farbenes Schweinchen aus Plastik reinge stellt. „Der alte Zopf muss erneuert wer den“, meint Dammert. Kollege Rudolph pflichtet ihm bei und „kann sich verknallen in seine Idee“. Frü her habe der ehemalige Bundeswehr An gestellte seine Stangenbohnen noch mit dem Luftgewehr abgeschossen, aber Rücksicht auf den Nachbarn gehöre dazu und deswegen mache er das heute nicht mehr. „Ebenso gehört die Wahl eines ge räuscharmen Rasenmähers dazu“, sagt Rudolph über die Technik eines perfek ten Schnitts. Ob nun ein benzingetriebener Mäher mit Lenkrad oder der klassische Handra senmäher: Gemeinsam mit seinen Garten freunden habe er schon so manche logisti sche Herausforderung gestemmt. Letztes Jahr hat Rudolph mit zwei Kollegen 400 Wasseruhren in den Gartenlauben ausge wechselt. „Da steckt man pro Jahr locker schon mal 1200 ehrenamtliche Helfer stunden in die Anlage, das ist etwas für Idealisten“, sagt Rudolph, der für sein En gagement das Bundesverdienstkreuz be kommen hat. Das Hobby des Kleingärt ners sei eben kein Klischee mit dem Gar tenzwerg, sondern entspricht der gesell schaftlichen Verantwortung. Die vier Her ren sind da einer Meinung und hoffen auf weiteren, jungen Nachwuchs in den Par zellen. Die vorsitzenden Herren des Garten freunde Vereins, die sich ehrenamtlich engagieren, sind im Schnitt trotzdem noch 70 Jahre alt. Sie tragen Socken in den Latschen, einige einen Bierbauch un

ter dem Holzfäller Hemd. Doch nicht nur für sie, auch für diejenigen, die nach der Generation Golf der 70er Jahre geboren wurden, erscheint der Kleingarten als schönster Freizeitort. Natur eben. Trotz der Altherrenriege am Tisch: Zu nehmend schätzen auch junge Akademi kerfamilien die Freuden des frischen Vor stadtgrüns, raus aus der hektischen Stadt ins Landleben, ohne einen Umzug ins Grüne riskieren zu müssen. Auch die Ausländer wissen das zu schätzen. „Doch die bringen sich nicht so sehr im Ehren amt ein, sondern wollen ihre Ruhe ha ben“, erklärt der pensionierte Frauen arzt. Und manche würden hier auch we gen der jüngst gestiegenen Preise für Le bensmittel herkommen, sagt Dammert, um gegenüber manchen Nahrungskrisen auf dem Weltmarkt im Kleingarten ge wappnet zu sein. Man baue wieder mehr Obst und Gemüse an, fast so wie nach dem Krieg und es erhöhe auch die Nutz pflanzenquote, meint Dammaschke. Er kippt die verfaulten Kartoffeln in den Kompost, schaut über seine kleine Holunderhecke nach nebenan. Dort riecht es nach gegrillten Würstchen. Eine ausländische Familie feiert gerade Ge burtstag unter ihrer Laube, zwischen He ckenrosen und Lauch, es gibt auch Ku chen. Nachbar Walerie kommt aus Kasachs tan, unschwer an der gehissten Flagge zu erkennen, und pflückt Kräuter. Seine Bee te sind nicht so ganz akkurat gepflegt und abgezirkelt – wie bei Gartenfreund Damaschke. Trotzdem: Das gemeinsame Hobby verbindet beide. > Fortsetzung auf der folgenden Seite


REPORTAGE

Rhein-Neckar-Zeitung Magazin / Seite 2

Leben in der Parzelle Sie fachsimpeln über das Obstbaum schneiden, das schöne Maiwetter, über die Vorschriften, die auch das gesellige Beisammensein reglementieren. Nachbar Walerie findet das typisch deutsch – aber irgendwie auch in Ordnung: „Es ist nicht so einfach wie man denkt: Heute habe ich sogar erfahren, dass diese Zierpflanzen 50 Zentimeter vom Zaun weg sein müs sen“, sagt Walerie. Vorschriften seien halt Vorschriften, aber „die sind korrekt, denn wenn jeder macht, was er will, sieht unser Garten vielleicht wie eine schlech te Wiese aus“, meint der kasachische Gar tenfreund. Die dauernde Kontrolle über Nachbars Garten gehöre eben dazu. „Schlechte Wiesen“, das darf nicht sein, findet auch Peter Stadler. Er sitzt ei nige Parzellen weiter im Vereinshaus mit Kneipe nebenan. Der 65 Jährige ist der Vorsitzende des Heidelberger Bezirksver bandes der Gartenfreunde. Er trägt eine Mecki Frisur mit Vollbart, sein Hemd sitzt perfekt in der Jeans. Unter der Wo che arbeitet der gelernte Maschinenbau Ingenieur als Hochschullehrer, ist viel un terwegs und sitzt lange Zeit im Auto. Be sonders jetzt im Sommer nerve ihn das manchmal.

Am Wellness-Tümpel In seiner Freizeit buddelt er im Gar ten. Stolz präsentiert er Freunden seine neue Teichanlage im Garten – mit japani schem Ambiente: „Damit nicht nur der Erfrischungsfaktor bei schwülen Tempe raturen gewährleistet ist“, sagt Stadler über seine Wellness Tümpel. Er erklärt, wie die Ablaufpumpe funktioniert, wie er das Wasser reinigt und warum Goldfi sche gefräßige Mäuler sind. Und dann ist da noch die Sache mit dem Unkraut in Nachbars Garten, schon wieder die Vor schriften: die Spontanvegetation, wie er es nennt, die das Kleingartenglück minde re. „Manche greifen da viel zu schnell zum Gifteimer“, sagt der Bezirkschef der Gartenfreunde. Immerhin liegen 80 Pro zent der Heidelberger Gärten auf Wasser schutzgebiet – und Komfortmittel für die Unkrautvernichtung gäbe es billig im Baumarkt zu kaufen. Nicht jeder schein bare Öko Gärtner halte sich ans Bundes kleingartnergesetz, das Kreislaufwirt schaftsgesetz oder kaufe regelmäßig im Bioladen ein. Umweltschutz werde noch vor der Integration in Deutschlands Schrebergärten großgeschrieben. Beim kühlen Bier im Vereinshaus sich tet Stadler mit Gartenfreund Helmut Ru dolph Papiere von Erdproben, die ans Umweltamt müssen. Eine Düngetabelle mit Nitratangaben liegt auf dem Tisch. Rudolph hat dafür extra eine Ausbildung gemacht. Nun berät er neben der Arbeit im Labor für Bodenschutz die Kleingärt ner beim Düngen ihres Rasens und der Frage, „wie viel Schubkarren Mist muss ich auf meine Tomaten kippen“, sagt der ehemalige Sachbearbeiter. Zwischen Rumänien oder Deutsch land gebe es gravierende Unterschiede in den Vorschriften, wie viel Dünger pro Ge müsekultur in Ordnung ist. „Uns ist die Umwelt nicht egal“, sagt Rudolph, der in Kursen Hobbygärtner darüber aufklärt,

Samstag/Sonntag, 14./15. Juni 2008

dass ihre Böden zu 70 Pro zent mit Stickstoff ver seucht sind. Diese und andere Um welt Vorschriften würden helfen, dass das Miteinan der zwischen Deutschen und Ausländern besser klappt. Jeder Dritte in der Anlage komme aus der Türkei, Russland oder Ru mänien. Auch Iraker ha ben sich hier einen grünen Fleck in der Stadt gesi chert und bauen Salate, Bohnen und Kartoffeln an. Damaschke fügt hinzu, dass die Deutschen lieber Zierpflanzen sähen, Ro sen, Sommerblumen und Weinreben, wogegen „die Menschen mit Migrations hintergrund Nutzgemüse bevorzugen, die mehr Er de unterm Spaten haben, sagt der aufgeschlossene Gartenälteste. Die Kleingärtner Stad ler, Rudolph und Damasch Die Geselligkeit ist ein guter Grund, sich für einen Kleingarten zu entscheiden. Da kommt man zu Festen zusam- ke sind sich einig, was die Integration zwischen Rot men oder trifft sich beim Bier zum Fachsimpeln. kohl und Rosenstauden an geht: „Wir schreiben eine gewisse Höhe der Hecke des Gartens vor, damit die Leute reinschauen kön nen, weil wir ja offene An lagen wollen“ sagt Stadler. Nur so könne Solidarität entstehen, wenn man ohne Zaun in den Kleingärten seine Grenzen toleriere. Stadler hat deswegen den Maschendraht mit seinem Nachbarn einvernehmlich abgerissen. Abgrenzen hin ter hohen Hecken oder Ma schendrahtzäunen ist hier nicht gewünscht. Zusätz lich wolle er im Verein je den Monat Kurse zu den Themen Umwelt, Boden pflege und Obstbaum schnitt anbieten. „Aber auch soziale Themen wie Familie, Ausländer und Se nioren sind wichtig, drü ber zu sprechen“, sagt Stadler. Singende Vögel, duften de Blumen und sattes Grün können nicht darü ber hinwegtäuschen: Die Idylle wird manchmal ge trübt durch die „Kleingar tenkriege“, wie Damasch ke es nennt. Mit Anklän gen an „Maschendraht zaun“ (Stefan Raab) be schwert sich ein Kleingärt ner ein paar Zellen weiter immer noch. Der Grund: sein Nachbar habe vor 20 Jahren illegal, ohne zu fra gen, Bambus auf seiner Wiese angepflanzt – entge gen den Vorschriften. Oh ne Gesetze funktioniere die beste Gartenfreund schaft nicht, meint Da maschke. Vor einem Jahr habe ein Kleingärtner so gar versucht, seinen ge pachteten Garten im Inter Ja, so eine Fahne ist einfach Pflicht im Garten, auch außerhalb von Fußball-Ereignissen. Fotos: Peter Dorn/dpa net beim Auktionsanbieter

Ebay für einen Schleuderpreis zu verkau fen. „Ein anderes Mal stand bei mir der Anwalt eines Erben im Garten. Der woll te wissen, wie viel Euro das Stück Land wert sei“, sagt Damaschke. Wie aber Zierpflanzen und Gemüse beete ganz genau angeordnet sind, bleibe jedem Kleingärtner selbst überlassen. Ob nun deutscher oder russischer Kleingärt ner Stil, findet Peter Stadler, „man kann und man wird von diesen Menschen ler nen. Und im Gegenzug lernen die von uns. Die bauen ihre Kartoffeln selber an, ihren Sellerie selber an, ihren Lauch.“ Sie könnten von ausländischen Garten freunden lernen. Nicht nur über das Dün gen, Schneiden und Pflücken von fri schem Obst. Die Gastfreundschaft von Damaschkes kasachischen Nachbarn zei ge ja auch, das „man zusammen Würst chen essen kann“, sagt Stadler.

Wie groß ist ein Kleingarten und was kostet er? Ein paar Fakten: Der deutsche Schre bergarten ist längst ein Ort internationa ler Gemeinschaft geworden. Gartenfreun de aus mehr als 80 Nationen verbringen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde einen Großteil ihrer Freizeit im Grünen. Missverständ nisse und Vorurteile können durch das ge meinsame Hobby überwunden werden. Denn Menschen mit Migrationshinter grund sind meist mit Scholle und Garten bereits vertraut. Als umweltbewusster Ökomanager auf eigener Scholle – das klingt verlo ckend und soll trotz der damit verbunde nen Arbeit Spaß machen und den Freizeit wert erhöhen. Ein Kleingarten ist zwi schen 250 bis 300 Quadratmeter groß, wo von ein Drittel kleingärtnerisch zu nut zen ist. Die Spielregeln sind im Bundes kleingartengesetz und den Gartenordnun gen der einzelnen Vereine festgelegt. Einen Kleingarten bekommt man durch einen Anruf beim lokalen Garten verein. Teilweise ist der Wunsch nach ei ner eigenen Parzelle mit Wartezeiten ver bunden. Wenn etwas frei ist, wird ein Be sichtigungstermin vereinbart – wie bei ei ner Wohnung. Im Falle einer Zusage kos tet ein eigener Garten eine einmalige Auf nahmegebühr, Verbandsbeiträge und ei ne einmalige Abschlagszahlung für Gar ten und Laube vom Vorpächter. Was kostet das? Die jährlichen Kosten für Beitrag, Umlage, Pacht, Wasser, Ge meinschaftsarbeit, Versicherung und Gar tenzeitschrift liegen bei durchschnittlich 150 Euro. Die Ablösesumme für einen Kleingarten ist abhängig vom jeweiligen Zustand. Wertermittlungen erfolgen durch eine Kommission des Gartenver bandes. Die Spannbreite liegt zwischen 100 und 5000 Euro. Informationen dazu unter: http://www.kleingarten bund.de, Bezirksvorsitzender Heidelberg Peter Stadler, Telefon 06221/383913. Die deutsche Kleingärtnerbewegung ist rund 200 Jahre alt. Die Dauerausstel lung „Deutschlands Kleingärtner vom 19. zum 21. Jahrhundert“ im Deutschen Kleingärtnermuseum in Leipzig bietet ei nen anschaulichen Überblick über diese spannungsreiche Entwicklung. Das Muse um befindet sich an historischer Stätte – im Vereinshaus des weltweit ersten Schre bervereins (gegründet 1864), des heuti gen Kleingärtnervereins „Dr. Schreber“. http://www.kleingarten museum.de

FRAGEN DES ALLTAGS Juni ereignet, bereitet so ziemlich allen Ba deträumen ein Ende und das jedes Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Pro zent. Der Bauer spricht bei diesem Ereig nis von der so genannten „Schafskälte“. Der Begriff erinnert an die normalerweise bis Mitte Juni frisch geschorenen Schafe, was ihnen angesichts der Kälte übrigens nicht so gepasst haben dürfte. Im weites ten Sinne ist die Schafskälte auch unter dem Begriff Monsunwelle bekannt, da sie mit dem indischen Sommermonsun ver gleichbar ist. Allen Sonnenhungrigen zum Trost: Die Schafskälte dauert nur wenige Tage. Aus: www.bauernregeln.net.

Ist ein Blitz heißer als die Sonne? Auch wenn wir heute nicht mehr an Blitze schleudernde Götter wie einst Zeus glauben, haben die glei ßenden Funken vom Himmel doch ihre Faszination nicht verloren – nicht einmal für Gewitterforscher, denn immer noch gibt es reichlich Rätsel um Blitz und Donner. Zum Beispiel, wie genau die elektroni schen Spannungen von einigen Mil lionen Volt in der Wolke entstehen. Immerhin haben Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras Ein blick in die Vorgänge während des Blitzes gegeben. Ein Blitz dauert nämlich insgesamt nur etwa eine Fünftel Sekunde – das geblendete Auge gaukelt uns meist eine längere Dauer vor. Aus der Wolke fährt zu nächst ein vielfach verzweigter dün ner Blitz zu Boden. Ist er fast unten, kommt ihm aus ei nem hervorstehenden Punkt der Erdoberfläche ein direkter Blitz strahl entgegen, gefolgt von einem kräftigen Hauptblitz. Und in den nächsten Millisekunden schießen nun die Blitzstrahlen mehrfach im Blitzkanal hin und her – mit einem Tempo von bis zu 50 000 Kilometer pro Sekunde, einem Sechstel der Lichtgeschwindigkeit! Dabei heizt sich die Luft auf über 30 000 Grad Celsius auf. Die Sonnenoberfläche ist dagegen „nur“ etwa 5000 Grad Celsius heiß, und das liegt schon weit über der Verdampfungstempe ratur jedes Stoffes. Die so plötzlich

Wo hat das Münzgeld seinen Ursprung?

erhitzte Luft dehnt sich mit Explosionsge schwindigkeit aus – und das hören wir als Donner. Aus: „Küssen müssen wir noch lernen und Hummer haben blaues Blut“, Hirzel Ver lag, ISBN 3 7776 1258 8. Foto: Christine Frei

Was heißt hier Schafskälte? stek. Es ist kalt geworden. Vor wenigen Ta gen hieß es noch, pack die Badehose ein. Doch davon kann heute, angesichts kühler 16 Grad, kaum noch die Rede sein. Ein klei ner Temperatursturz, der sich erstaunli cherweise immer ziemlich genau zum 11.

pj. Bevor die Münze erfunden wurde, han delten die Menschen entweder mit selte nen Steinen und Muscheln oder mit Ge brauchsgegenständen wie Lederwaren, Me tallen, Vieh und Lebensmitteln. Auch Werkzeuge und Waffen standen hoch im Kurs. Daher stammt übrigens auch der Ausdruck „seinen Obolus entrichten“. Im griechischen bedeutet „Obelus“ nämlich Speer und geht auf jene antike Bezahlungs art zurück. Laut Herodot, dem ersten wirk lichen Geschichtsschreiber der Antike, wa ren es die Lyder, die als erstes Volk die Münze als Zahlungsmittel um 630 vor Christus einsetzten. Zu dieser Zeit war ei ne Münze jedoch einfach ein plattgeschla genes Metallstück ohne Prägung. Erst die Griechen begannen die Vorderseite (Avers) mit Abbildungen der Götter zu verzieren und die Rückseite (Revers) mit dem Stadt wappen des Prägungsortes zu versehen. In Athen war dies eine Eule oder ein Ölzweig.

Im fünften Jahrhundert vor Chris tus prägten die Perser erstmals Ab bildungen der aktuellen Herrscher auf die Münzen und versahen die Rückseite mit dem jeweiligen „basi leus“ (Königszeichen). Unter Ale xander dem Großen wurde dieser Brauch dann auch nach Griechen land getragen, wobei mit dem eige nen Konterfei eine Vergöttlichung des Herrschenden unterstrichen werden sollte. Die antiken Münzen waren Wertgeld und waren somit so viel wert wie die Menge des Metalls, aus dem sie bestanden. Erst bei den Römern änderte sich dies grundle gend, da sie zwar das griechische Münzsystem kopierten, aber das Prägerecht an Privatleute verga ben. Diese legten dann in Abspra che mit der „Regierung“ einen Ge genwert für die Münze fest. Zuvor handelten die Römer mit Me tallbarren, die so viel wert waren wie der auf ihnen abgebildeten Ge genstand. Auch waren sie es, die die Münzen dann in alle Welt trugen und somit nach und nach den Tauschhandel ablösten. Bis heute hält sich dieses antike Zahlungsmit tel in unserer Gesellschaft, obwohl es durch die Erfindung des Papier und Plastikgeldes ergänzt wurde. Der Nennwert der heutigen Mün zen wird aber nicht mehr durch ihr Material, sondern durch staatliche Autorität festgelegt. Aus: „Einführung in das Studium der Alten Geschichte“, UTB Verlag, ISBN 10: 3825221687.


03.10.2009

MiGAZIN » Integration in Schrebergär… - MiGAZIN - http://www.migazin.de -

Integration in Schrebergärten Ga stautorIn, 2. O k tobe r 2009 | Kate gorie: Gese llscha ft

Audio clip: Adobe Flash Player (version 9 or above) is required to play this audio clip. Download the latest version here. You also need to have JavaScript enabled in your browser. Der deutsche Kleingärtner. Gerne verbindet man ihn mit kitschigen Gartenzwergen, Bierbäuchen oder Socken in den Sandalen, exakten Vorschriften, der Höhe der Hecke zum Beispiel. Doch die Hobbygärtner in der Augsburger Grünanlage „Parkstraße“ haben ihre Parzellen längst geöffnet. Jeder Dritte dort ist mittlerweile Ausländer.

© Jan Thom a s O tte

Augsburg. Behutsam schiebt Horst Riebler seine Schubkarre. Ein paar ver-faulte Melonen müssen auf den Komposthaufen. Das Holzfällerhemd des Kleingärtners sitzt perfekt in der Hose, der Kinnbart ist auf Linie gestutzt – genauso akkurat geschnitten wie der Rasen. Zwischen Tomaten-Stauden, Melonen-Beeten geht Horst Riebler seinem liebsten Hobby nach: „Ich leb ja von meinem Garten, ich artme hier im Garten, und ich sag auch, die Natur heilt die Seele. Und hier der Umgang mit Leuten ist mir sehr wichtig, man wird nicht einsam, man hat immer jemand um sich rum. Und vor allem dann der Erfolg im Garten! Jeder freut sich, wenn er was von mir bekommt, auch meine Haus-nachbarn.“ Das Hobby verbindet, Vorschriften auch Horst Riebler kippt die Melonen in den Kompost, schaut über die kleine Hecke nach nebenan. Dort erntet Nachbar Reinhard Classen gerade Kürbisse. Er kommt aus Russland, hantiert etwas unbeholfen mit der Gartenschere. Seine Zierkürbisse hängen nicht so ganz in Reih und Glied – wie bei Gartenfreund Riebler. Trotzdem: Das gemeinsame Hobby verbindet beide. Sie fachsimpeln über das Kürbisschneiden, das schöne Wetter – über die Vorschriften. Classen findet das typisch deutsch – aber irgendwie auch in Ordnung: „Es ist nicht so einfach wie man denkt: Heute habe ich sogar erfahren, dass diese Zierpflanzen 50 Zentimeter vom Zaun weg sein müssten. Vorschriften sind halt Vorschriften. Aber die sind korrekt, denn wenn jeder macht, was er will, sieht unser Garten migazin.de/2009/10/02/…/print/

1/2


03.10.2009

MiGAZIN » Integration in Schrebergär…

wie eine schlechte Wiese aus“. Jan Thomas Otte hinterfragt mit kritischen Reportagen krustige Glaubenssätze und Denkstrukturen. Der Journalist schreibt Reportagen über Karrierestreben, soziales Engagement und Sinnsuche. Für seine Porträts über Einwanderer und Austeiger, Integration und Migration ist er zu mehreren Awards nominiert worden. Dabei bezieht er auch die Religion seiner Gesprächspartner mit ein. Als Theologe hält Jan Thomas Otte Fragen nach Glauben, Identität und Moral für unterschätzte Tugenden. Jan Thomas Otte studierte an der Universität Heidelberg. © Ja n Thom as O tte Parallel kam eine Journalistenausbildung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung hinzu. Der Business-Querdenker, Deutschland-Fan und bekennende Christ schreibt für Medien wie den Rheinischen Merkur, die Rhein-Neckar-Zeitung oder DIE WELT. Regelmäßig schreibt er bei Perspektive Mittelstand eine Kolumne zum Thema WorkLife. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich in Kirchen und dem Kinderschutzbund in Deutschland. Mehr auf Jan Thomas Ottes Homepage. Gegenseitig tolerieren, Grenzen nicht verwischen „Schlechte Wiesen“, das darf nicht sein, findet auch Manfred Stuhler. Er sitzt zwei Parzellen weiter im Vereinshaus, stapelt gerade feinsäuberlich Finanzpapiere. Die Vorschriften helfen, dass das Miteinander zwischen Deutschen und Ausländern klappt. Jeder Dritte in der Anlage kommt aus der Türkei, Russ-land oder Rumänien: „Wir schreiben ne gewisse Höhe der Hecke des Gartens vor, damit die Leute rein schauen können, weil wir ja offene Anlagen wollen. Nur so kann Solidarität entstehen, wenn man ohne Zaun in den Kleingärten seine Grenzen toleriert“. Abgrenzen hinter hohen Hecken oder Maschendrahtzäunen: das ist also nicht erlaubt! Wie aber Zierpflanzen und Beete nun ganz genau angeordnet sind – da sind Freiheiten durchaus erwünscht. Ob nun deutscher oder russischer Kleingärtner-Stil, findet Manfred Stuhler: „Man kann und man wird von diesen Menschen lernen. Und im Gleichzug lernen die von uns. Die bauen ihre Kartoffeln selber an, ihren Sellerie selber an, Ihren Lauch. Und wir, wir können von denen lernen“. Schräg gegenüber vom Vereinshäuschen gießt Rodika Ardeliano gerade ihre Rosen. Sorgfältig passt die Rumänin dabei auf, dass jedes Blütenblättchen benetzt wird. Kaum ist sie fertig, gibt es ein Schwätzchen mit den Nachbarn Riedler und Classen: „Ja, ich sehe sie alle sehr nett. Und die Atmosphäre ist sehr nett. Man freut sich ja über so nette Nachbarn wie Herrn Riebler“.

Ausgedruckt aus MiGAZIN: http://www.migazin.de Artikel URL: http://www.migazin.de/2009/10/02/integration-in-schrebergarten/

Copyright © 2009 MiGAZIN. All rights reserved.

migazin.de/2009/10/02/…/print/

2/2


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.